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Zum Ende der Seite springen Hinter den feindlichen Linien - Season 5
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Cattaneo
Major


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Einige Zeit später, Columbia
Die Schlacht war vorbei, nun musste der Papierkram erledigt werden. Und Commander Cunningham war nicht unbedingt zufrieden: „Wir haben fast eine halbe Staffel, eines unserer wenigen SWACS-Shuttle und einen Flottentanker verloren. Und Zeit – die vor allem.“
Lieutenant Commander Terrano nahm wie immer kein Blatt vor den Mund: „Wenn Sie meine Meinung hören wollen, Sir...“
'Nicht unbedingt' dachte Cunningham, aber er ließ seinen stellvertretenden Staffelführer aussprechen:
„...wir sind zu nachlässig geworden. Wenn die Fortsetzung der Offensive nach Zeitplan eben auch von den Flottentankern abhängt, dann sollten sie nur im Geleit operieren.“
„Das Oberkommando wird sich bestimmt für diese Anregung bedanken.“ schaltete sich Lightning ein. Sie war der Meinung, dass Monty sich selber zu wichtig nahm. Sie wusste auch, dass er nur deshalb bei ihrer Besprechung mit dem Geschwaderchef dabei war, weil er in Verwaltungsdingen so erfahren war. Er kümmerte sich, trotz seiner charakterlichen Defekte, zuverlässig und präzise wie ein Uhrwerk um all jene Dinge, die Cunningham ihm auftrug und die ihn etwas angingen – und daneben auch noch um die Dinge, die ihn eigentlich NICHTS angingen.
„Besser wäre es – besser als noch mehr Einheiten zu verlieren. Vor allem, wenn wir dann deswegen festliegen.“ schoss Monty zurück.
Cunningham schaltete sich in den sich anbahnenden Streit ein: „Das bringt nichts. Ich denke, Renault weiß jetzt sehr wohl, dass wichtige Nachschubslieferungen eskortiert werden müssen, auch wenn das Zielsystem schon als gesichert gilt. Kommen wir lieber zu UNSERER Arbeit.“
„Unsere Verluste waren inakzeptabel hoch, auch wenn wir die schwierigen Umstände in die Rechnung einbeziehen.“
„Ich sehe nicht, was wir besser hätten machen können.“
„Wir hätten vorsichtiger sein müssen. Wir haben die Gefahr durch Minen nicht rechtzeitig einkalkuliert.“
„Im Nachhinein...“
„Ein Grund mehr, in Zukunft besser gerüstet zu sein.“ schoss Monty zurück. Dann fuhr er fort: „In Zukunft sollten wir Spähflüge unter ähnlichen Umständen grundsätzlich mit Aufklärungspods bestücken. Und die Sensoren entsprechend den uns bekannten Akarii-Minen justieren. Außerdem müssen solche Fälle geübt und in die Jagdfliegerrichtlinien übernommen werden. Da die Akarii zunehmend in der Defensive kämpfen, werden sie dem Minenkrieg mehr Aufmerksamkeit widmen. Die Mine ist vor allem eine Verteidigungs- und Sperrwaffe.“
Lightning schnaubte abfällig angesichts Montys leicht dozierendem Tonfall. Aber er hatte nicht ganz Unrecht.
Cunningham zog einen Schlussstrich: „Monty, Sie stellen eine entsprechende Richtlinie auf. Und das schnell. Lightning, Sie arbeiten in das Ausbildungs- und Trainingsprogramm an Bord entsprechende Übungen ein. Ich will passende Simulatorübungen für alle unsere Staffeln.
Und es ist mir egal, woher Sie beide die Zeit dafür hernehmen. So dürfen wir uns nicht noch einmal an der Nase herumführen lassen. Wir haben wirklich nicht gerade geglänzt...“ Insgeheim war Cunningham froh, dass es diese Verfolgungsjagd wohl kaum in die Geschichtsbücher bringen würde. Der besondere Status der Angry Angels war manchmal auch eine Belastung – die Führung und die Heimatfront erwartete von den „Helden des Krieges“ einfach mehr. Sie durften nicht versagen.
„Kommen wir zu den Materialverlusten.“
Lightning hatte die Zahlen parat. Sie waren auch nicht erfreulich: „Es ist nicht vorgesehen oder zu erwarten, dass wir für die verlorenen Maschinen bald Ersatz bekommen. Es würde zu lange dauern. Und die üblichen Reservemaschinen an Bord sind...“
„Ich weiß, ich weiß. Die haben wir schon verwendet. Bis auf weiteres bleiben die ausgestiegenen Piloten eben am Boden. Dann müssen sie halt in Schichten üben.“
„Was ist im Ernstfall? Ich würde lieber La Reine als zum Beispiel Renegade fliegen lassen, wenn es darauf ankommt.“
„Das hatten wir doch schon, Monty. Ich will nichts, was wie Schikane aussieht. Also seien Sie sensibel.“ Der kleingewachsene Lieutenant Commander hätte bei diesen Worten seines Vorgesetzten wohl am liebsten die Augen verdreht.
Aber immerhin, wenn er Lone Wolf richtig verstand, so hatte er einen gewissen Spielraum. Und den würde er nützen.
„Treibstoff?“
Lightnings Stimme klang frustriert: „ Da sieht es auch nicht gut aus. Die Suchaktion nach dem Akarii hat unsere Reserven ziemlich angegriffen. Und natürlich waren die sowieso nicht mehr besonders groß. Wir haben noch genug Treibstoff für zwei Alpha-Schläge...“, das bedeutete, den Kampfeinsatz des GESAMTEN Geschwaders, „...aber es wird knapp, wenn wir die Patrouillenflüge und die Übungen fortsetzen wie bisher.“
Cunningham traf schnell die Entscheidung: „Mal sehen, ob uns die anderen Trägergeschwader etwas abgeben können. Außerdem setze ich mich mit den Leichenfledderern vom NIC in Verbindung. Der Akarii-Jägertreibstoff ist doch kompatibel.“
„Er ist sogar besser als unsere Brühe.“ bemerkte Lightning.
„Gut. Vielleicht sind auf einer der Kampfstationen noch Vorräte vorhanden.“
„Und wenn nicht?“ Monty war wie fast immer skeptisch.
„Dann schnallen wir den Gürtel enger. Reduzieren Sie die Übungsflüge. Ich weiß...“, setzte Cunningham hinzu, als er sah, dass seine Untergebenen protestierenden wollten, „...die Piloten brauchen die Übung. Aber es ist ja nur zeitweise. Bis wir genug Nachschub haben.
Nach diesem Theater mit dem Akarii-Zerstörer kann ich unmöglich die Aufklärungsflüge einschränken. Im Gegenteil, auf Befehl von Oben werden wir die Überwachung des Asteroidengürtels sogar verstärken müssen. Wenn der Treibstoff knapp wird, schicken Sie die Leute in die Simulatoren. Das ist kein vollwertiger Ersatz für Übungsflüge – aber die Patrouilleeinsätze können wir auf jeden Fall NICHT im Simulator fliegen. Sonst noch etwas?“
Weder Monty noch Lightning waren mit dem Ergebnis der Besprechung besonders zufrieden. Aber sie wussten, wann es sinnlos war, sich quer zu stellen. Es blieb ihnen nur, zu hoffen, dass der Nachschub bald wieder fließen würde.
20.12.2015 09:34 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


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Cunningham

Leise summte sie vor sich hin, als sie die Pakarri aus dem Topf nahm und die Erde um die Wurzeln abklopfte.
"Du bekommst neue, frische Erde, meine Kleine." stolz wie eine Mutter lächelte sie die Pflanze an, die um diese Zeit – es war später Nachmittag auf Akar – bläuliche Blätter zeigte.
Sie drehte sich auf den Knien zu den leeren Blumentöpfen um und überlegte kritisch. Wenn sie einen der größeren Töpfe nehmen würde, müsste sie die Pakarri in vier Monaten nicht schon wieder umtopfen, doch würde der große Blumenkübel der kleinen zarten Blume gerecht? Nein, sie entschied sich den etwas kleineren Topf zu nehmen.
Sie drückte den Rücken durch und knurrte unwillig über den Schmerz, der ihr Rückgrat hinaufkroch. Dagegen hätte mal ein Arzt ein Mittel erfinden sollen, nicht gegen Altersdemenz, dann würde Sie nicht ständig an ihre Karriere bei den Streitkräften denken.
Als sie anfing etwas Erde in den Topf zu schaufeln, wurden Schritte auf der Terrasse laut. Sie zog es im Allgemeinen vor sich auf der Terrasse aufzuhalten, statt in einem der vielen unnützen Räumen ihrer Villa.
"Mylady."
Sie blickte sich nicht zu ihrem Diener um als sie antwortete: "Was gibt es, Roshk?" Sie hatte nur einen Diener, es war ihr achter in fast drei Jahren, die anderen hatte sie entweder gefeuert oder vergrault.
Und auch Roshk behandelte sie unhöflicher als ihre geliebten Pflanzen.
"Zwei Offiziere der imperialen Raumstreitkräfte wünschen Sie zu sprechen. Es macht den Eindruck, als sei es eine höchst dringendliche Angelegenheit."
"Die machen immer so einen Eindruck. Bringen Sie den Herrschaften etwas zu trinken und sie mögen doch etwas warten."
Roshk nickte: "Sehr wohl, Mylady."
Lay Rian ließ sich alle Zeit der Welt die Pflanze in ihren neuen Topf einzupflanzen. Erst eine halbe Stunde nachdem ihr der Besuch angekündigt worden war, erhob sie sich, mit ihrer Arbeit schlussendlich zufrieden.
"Mylady, Eure Gäste." Roshk reichte ihr eine Schale mit Wasser zum Händewaschen.
"Wirklich drücken kann ich mich wohl nicht mehr?"
Roshk schüttelte als Antwort nur kurz den Kopf.
Mit einem tiefen Seufzer drehte sich Lay um und ging ins Haus.
Im Wohnzimmer trat sie den beiden Offizieren entgegen, immer noch in ihrem Arbeitsanzug gekleidet.
Um ein Haar wäre ihr über hundertdreißig Dekaden altes Herz stehen geblieben. Die beiden 'Offiziere der imperialen Raumstreitkräfte' wie Roshk sie betitelt hatte trugen die formelle Dienstuniform des Garderegimentes Nummer Eins, der persönlichen Leibgarde seiner imperialen Majestät Eliak IX.
Sie räusperte sich: "Meine Herren, ..." Bedeutete ihnen sich wieder hinzusetzen.
"Mylady Rian, wir sind dankbar, dass Ihr uns etwas von Eurer kostbaren Zeit opfert." Die Stimme des älteren Offiziers troff nur so vor Sarkasmus. Er als Mitglied der imperialen Garde und wenn ihr Gedächtnis sie nicht täuschte als Oberst des imperialen Sicherheitsdienstes – einem unabhängigen kleinem Geheimdienst – war es nicht gewohnt warten gelassen zu werden.
"Ja, ich konnte Sie kurz dazwischenschieben ..." Sie hätte sich für diese Antwort am liebsten selbst geohrfeigt, aber dadurch hätte sie sich noch mehr zur Närrin gemacht als ohnehin schon.
"Mein imperialer Herr ersucht Euch, ihn auch kurz dazwischen zu schieben." Die Antwort hätte witzig klingen können, wäre da nicht das stoische Gesicht des Obersten gewesen.
"Ihr imperialer Herr, Oberst ...?"
"Oberst Breen. Ja, ich und Major Kow'n kommen im Namen und auf Befehl seiner Majestät. Seine Majestät bittet Sie zu einer Privataudienz in den Palast." Breens Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen.
Rian entschied, dass dies seine Geschäftsstimme war, aber eine Bitte des Imperators war mit der Göttern Wille gleichzusetzen.
"Und ich BITTE Euch Mylady, zieht Euch etwas Passenderes an, auch wenn Seine Majestät ein Blumenliebhaber ist, wäre DAS nicht der rechte Aufzug für diese Audienz."
Die ehemalige Admiralin blickte an sich herunter und musste dem Leibgardisten widerwillig zustimmen.
"Gut, ich nehme an, Sie beide werden mich zum Plast begleiten, dann muss ich Sie nochmals kurz bitten zu warten."
Als sie sich umdrehte ergriff zum ersten Mal der Hauptmann, der Breen begleitete, das Wort: "Eure Galauniform wäre passend, Mylady."
"Meine Galauniform? ... Meine Galauniform."



Die Worte über die Gefallenen kamen ihm so sauber über die Lippen, als habe er Jahre lang dafür geübt. Wäre er nicht von Haus aus ein unsensibler Mistkerl gewesen und hätte der Krieg nicht auch noch sein Scherflein zur Abstumpfung beigetragen, hätte er bei den Lobeshymnen auf die sechs Mann der Shuttlebesatzung Tränen vergossen.
Ja, Lucas Cunningham hatte inzwischen jahrelange Übung in Trauermessen, Übung darin, die richtigen Worte zu finden, und Übung darin, Leute wie Helden dastehen zu lassen, auch wenn diese zu blöd zum geradeaus fliegen gewesen waren.
Ebenso hatte er Übung darin die Gesichter seiner Piloten während dieser Reden zu deuten, diejenigen, die wirklich ergriffen waren, die um ihre gefallenen Kameraden trauerten, die Neulinge.
Dann die Veteranen, abgebrüht und der vielen Reden überdrüssig, die Ohren auf Durchzug, starrer Blick nach vorn, das geistige Mantra, dass es gleich vorbei sei, die Toten schon längst vergessen. Jene, die den Neulingen irgendwann mal ins Gesicht sagen, es habe keinen Jonothon Finn gegeben, und das mit einer Inbrunst, dass es kaum einen Zweifel über die Korrektheit dieser Aussage gab.
Es waren so viele Namen und Gesichter, man wollte von demjenigen mit dem man heute Morgen das Frühstück eingenommen hatte nichts mehr wissen, wenn dieser Stunden später gefallen war.
Man ging mit dem Gebet 'Gnädiger Herr, bitte lass mich in Deiner Güte all jene vergessen, die jetzt nicht mehr hier sind.' ins Bett. Einigen mochte dies als Verrat an all denen sehen, die ihr Leben ließen, dafür dass die Menschheit heute noch lebt und an dieser Stelle ist, für viele anderen ist dies jedoch der Weg zur geistigen Gesundheit, ein schmaler Pfad, eine Gradwanderung, Selbstbetrug.
Nachdem Lucas das Geschwader hatte wegtreten lassen, entschied er sich dafür, dass er einen scharfen Drink brauchte, mit erlesener Gesellschaft.
Beides fand er bei James Waco, dem Captain der Columbia, der sich in den letzten zwei Jahren mit seinem Geschwaderkommandanten angefreundet hatte.
Waco blickte ihn erst einige Sekunden lang scharf an, ehe er ihn hereinließ: "N’abend Lucas, Du siehst aus als hätte man Dir eine doppelte Dosis Propaganda durch die Ohren gejagt."
"Oh, fängt mein Gehirn etwa auch schon an abzusterben, wenn ich Reden schwinge?" Der Geschwaderkommandant ließ sich in einen Sessel der luxuriösen Kapitänskajüte fallen.
"Naja, eigentlich kurz bevor Du anfängst die Texte zu entwerfen." Waco holte eine ovale Flasche aus der gegen die Dienstvorschrift verstoßende Minibar und schenkte in zwei Whiskygläser einen ordentlichen Schluck ein. "Eis?"
"Ja, bitte."
Sie stießen schweigend an und nippten ebenso beredet.
"Und wie geht es Melissa?" Die beiden versuchten krampfhaft die Themen Krieg, Militär etc. zu vermeiden.
"Sie hat einen Schwung neuer Offiziere auf die Drake bekommen." Der Erfolg ließ immer mehr nach.
"Akademieabgänger?"
Lucas nickte. "Ja, einen ganzen Haufen frischer Fähnriche um erfahrenes Personal für höhere Ränge bereit zu stellen."
"Das üblich also, erwartet uns auch demnächst. Hanna Yearman hat heute ihren Marschbefehl erhalten, sie bekommt ein eigenes Kommando, einen Zerstörer. Ich bin mal gespannt, wen ich als nächsten XO bekomme." Waco wollte gerade nachgießen, als die Klingel ertönte.
"Werd ich hier etwa zum Schiffsseelsorger?" Der Captain rückte nochmal seine Uniform zurecht, bevor er die Tür öffnete.
"Guten Abend ... ah, gut dass ich Sie beide hier antreffe." Das Lächeln, welches Vice-Admiral Bianca Wulff den beiden Offizieren zuwarf, hatte etwas von einer Katze, die einen Vogel in die Ecke gedrängt hatte.
Lucas erhob sich nun ebenfalls: "Ma'am."
"Wir wurden zum Dinner eingeladen", Wulff klatscht in die Hände, "jetzt, auf dem Flaggschiff, ziehen Sie bitte beide ihr kleines Weißes an, wir treffen uns dann an Luftschleuse drei."
"Aye, aye Ma'am!" Erwiderten Waco und Cunningham wie aus einem Mund.

Fünfzehn Minuten später traf Lone Wolf Cunningham als letzter an der Luftschleuse ein. Die weiße Interimsuniform saß wie angegossen, und wären nicht die ersten grauen Haare gewesen, hätte er gerade aus einem Rekrutierungsposter stammen können.
"Okay, dann wollen wir doch mal, oder, Gentlemen?" Wulff blickte erwartungsvoll.
"Wir können Ma'am."
Daraufhin wandte sich Wulff an den Ensign der Schleusenwache schob: "Bitte um Erlaubnis von Bord gehen zu dürfen."
"Erlaubnis erteilt Ma'am." brachte der Junge ohne Stottern zustande.
Wulff salutierte vor der Flagge der Bundesrepublik und ging durch die Schleuse.
Lucas folgte weniger formell und salutierte nur vor der Flagge, bevor er durch die Schleuse ins Shuttle ging.
Also Waco vor der Flagge salutierte, wurde eine Bootsmannspfeife von der Konserve abgespielt und der Ensign sagte mit der Würde eines Zeremonienmeisters: "Kommandant geht von Bord!"
Der Flug mit dem Shuttle dauerte knapp vierzig Minuten und endete an einer Luftschleuse, die sich nur durch einen anderen Ensign von der auf der Columbia unterschied.
Es war zwar nicht nötig, aber Sitte und so führte sie ein junger Lieutenant – er war wohl gestern noch Ensign gewesen und vorgestern noch auf der Akademie – zur Kapitänsmesse, wo die zeremoniellen Essen stattfanden.
Neben Admiral Renault trafen die drei Offiziere von der Columbia nur Admiral Maike Noltze und einen Captain Houbert in der Kapitänsmesse an.
"Guten Abend, Bianca", Renault schüttelte der größeren Frau herzlich die Hand, "Captain Waco, Commander Cunningham. Bitte setzen Sie sich, George müsste bald mit dem Essen kommen. Da die ganze Angelegenheit etwas kurzfristig anberaumt wurde, kann ich Ihnen leider nicht sagen, was es gibt, ich weiß es selbst noch nicht, Commodore Houbert ist erst vor etwa drei Stunden eingetroffen."
"Wahrscheinlich wusste George bis vor wenigen Minuten selbst nicht, was es geben würde, er flitzte etwas konfus durch die Gegend." Maike Noltze kümmerte sich um die Getränke.
Wulff, Waco und Lucas warfen sich alarmierende Blicke zu, wo waren die anderen Stabsoffiziere, der Captain der Gettysburg, der Trägerkampfgruppenkommandant und wo zur Hölle waren die Stewards, deren Job gerade von einem Vier-Sterne-Admiral erledigt wurde?
"Ich weiß, Commodore Houbert würde jetzt schon mit der Lagebesprechung beginnen, aber ich komme beinahe um vor Hunger, außerdem wollte sich noch Rodrigo zu uns gesellen." Renault lächelte entschuldigend und fing dann mit dem üblichen Smalltalk an.
Cunningham wie auch Wulff schalteten ebenfalls und fast übergangslos auf den Smalltalk-Modus, einzig Waco wurde still und grüblerisch.
Eine Einsatzbesprechung mit Renault, seiner Stabschefin, seinem Nachrichtendienstspezialisten und diesem ominösen Captain Houbert, der aufgekratzt war wie ein Kadett vor der ersten Raumübung.
George schaffte es mit dem Rumpsteak Madagaskar etwas schneller zu sein als Commander Rodrigo Mendez, der aber auch nicht mehr lange auf sich warten ließ.
Kaum dass dieser sich gesetzt hatte, die schwarze Aktenmappe auf seinen Nachbarstuhl deponiert hatte und nach dem Anschneiden seines Steaks George für dessen Künste gedankt hatte, wurde der Koch aus dem Raum verbannt und Maike Noltze übernahm das Bedienen, wenn es nötig wurde.
"Nachdem wir nun mit dem Nötigsten fürs Überleben versorgt sind", Renault schmunzelte bei seiner Einleitung, "wollen wir mal beginnen: Wie Sie sich alle denken können, handelt es sich hierbei um eine – wenn auch ungewöhnliche – Einsatzbesprechung. Alles was Sie hören, fällt unter Geheimhaltungsstufe Silber zwo. Rodrigo bitte."
Der Nachrichtendienstler schluckte seinen Bissen herunter und spülte schnell nach: "Also ich habe die Daten, die Commodore Houbert uns mitbrachte, mit den Gefechtsaufzeichnungen und -analysen verglichen. Die Korax ma Rah ist tatsächlich in dem durch uns abgetrennten Bereich des Akarii-Imperiums gesprungen, mit einer leichten Begleitflottille. Soweit ich das richtig überblicke nicht mehr als achtzehn, vielleicht neunzehn Schiffe. Kampfgezeichnete Schiffe."
"Richtig!" Houbert schaltete sich ein. "Laut den Auswertungen von Gun-Cams und Gefechtsaufzeichnung standen einige der schweren Kreuzer, die die Korax ma Rah begleiteten, in der ersten Frontlinie und sehen demnach auch so aus. Der Träger selbst dürfte über ein gewaltiges Defizit an Jägern verfügen."
Es wurde eine DVD eingelegt und der Wandschirm erwachte zum Leben, wo die einzelnen identifizierten Schiffe aufgeführt worden, mit Zustandsmonitoren und Schadenskalkulationen.
"Okay, Ihre Einsatzbefehle: Die Trägergruppe Columbia wird nach Ihrer Rückkehr unter Kommunikationsquarantäne gestellt. Sie werden ausrücken und die Korax ma Rah finden. Der feindliche Trägerverband ist zu vernichten. Prinz Jor ist gefangen zu nehmen oder zu liquidieren. Dazu haben Sie freie Hand." Beim letzten Satz schloss Renault seine Augen.
"Freie Hand?" Cunningham zog irritiert die rechte Augenbraue hoch.
Es war Houbert, der antwortete: "Wir haben hier die Chance, der Schlange den Kopf abzuschlagen und der Akarii-Flotte ihr letzte bisschen Rückgrat zu brechen, diese Chance muss unbedingt genutzt werden, Commander."
"Mit anderen Worten", Maike Noltze ergriff das Wort, "wenn Sie Rettungskapseln abschießen müssen um sicher zu gehen, dass Jor es nicht in die Heimat zurück schafft, dann tun Sie das."
Renaults Nasenflügel bebten wütend, als dieser scharf die Luft einzog.
Wulff und Waco überschlugen sich mit ihren Protesten, bis schließlich Waco der Admiralin das Feld überließ.
"Sir, mit allem nötigen Respekt", sie wandte sich direkt an ihren Oberbefehlshaber, nicht an Noltze, "Sie können meinen Männern nicht befehlen, gegen die Genfer Konvention zu verstoßen."
"Ich weiß, Bianca."
"Diese Einsatzorder kommt direkt aus dem Hauptquartier!" Captain Houbert klang rechtschaffend erschüttert.
"Einen derartigen Befehl werden meine Piloten und ich verweigern. Er verstößt gegen die Genfer Konvention, die höchsten Prinzipien dieser Flotte und unserer Nation." Bianca Wulff starrte Houbart nieder und blickte sich dann nach Bestätigung suchend zu Cunningham um.
Lone Wolf schnitt sich ein weiteres Stück Steak ab und schob es wenig hilfreich in den Mund.
"Commander?"
"Ja, Ma'am?" Lucas blickte Wulff etwas irritiert an.
"Sie und Ihre Piloten werden diesen Befehl verweigern!"
"Welchen Befehl, Ma'am?"
Waco fluchte verhalten, er wusste genau, worauf die Sache hinausging.
Wulff hingegen nicht, wäre sie nicht von ihrer Wut übermannt worden, hätte sie es sicherlich auch mitbekommen: "Den Befehl auf Rettungskapseln zu schießen."
"Mir hat niemand befohlen auf Rettungskapseln zu schießen, Ma'am." Wäre dies eine mittelmäßige Science Fiction Geschichte, hätte der Schauspieler des Lone Wolf Cunningham garantiert einen Oscar gewonnen, so überzeugend wirkte die Unschuld, die in dieser Feststellung lag.
Die Gesichter von Houbert und Noltze hellten sich auf. Rodrigo Mendez machte sich unsichtbar. Renault tat das, was alle wütenden Franzosen taten, er trank seinen Wein, Waco war zwar kein Franzose, tat es ihm aber gleich, während Wulff rot anlief.
"Commander: Wenn Sie es wagen auf Rettungskapseln zu schießen, spüle ich Ihre Karriere HÖCHSTPERSÖNLICH DIE TOILETTE RUNTER!"
"Schluss jetzt!" Renault brauchte nicht laut zu werden. "Sie haben für Ihre Kampfgruppe die Befehle soweit erhalten. Finden und vernichten Sie die Korax ma Rah und deren Begleitflotte. Schalten Sie Prinz Jor aus. Diese Befehle werden Ihnen von meinem Stab noch schriftlich ausgearbeitet.
Wie Sie Ihre Befehle ausführen, überlasse ich Ihnen!"
20.12.2015 09:35 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cunningham

Lay Rian trat den Raum, der für ihre Privataudienz vorgesehen war.
Ein reich geschmücktes und luxuriös eingerichtetes Büro
Schwarzer, perfekt polierter Marmor, auf dem die Schritte nur so hallten. Vor dem Schreibtisch angekommen, verbeugte sie sich vor Linai Thelam, der jüngeren Schwester Prinz Jors: "Königliche Hoheit, seine Majestät bat mich zu einer Audienz."
Linai nickte und musterte sie: "Ja, ich bin informiert, seine Majestät ... mein Vater ist jedoch sehr erschöpft, er musste sich zurückziehen."
Die Admiralin zog scharf die Luft ein: "Gibt es denn einen neuen Termin für meine Audienz, königliche Hoheit?"
"Nein My Lady, ich bin über alle Wünsche meines Vaters bestens informiert und werde für ihn sprechen." Die Prinzessin deutete auf einen der beiden Besucherstühle und fuhr mit ihrer Musterung der Admiralin fort.
"Nun königliche Hoheit, wie kommt es, dass mich nach über zwei Jahren zwei Offiziere der imperialen Leibwache aus meinem Exil zerren?"
"Ihr wurdet seiner Majestät in den höchsten Tönen als Flottenbefehlshaber empfohlen." Linai berührte eine Taste auf dem Computerfeld des Schreibtisches.
"Ich kann kaum glauben, dass es in unserer heutigen Flotte noch jemanden gibt, der wagt meinen Namen auszusprechen."
"Oh, doch, doch", versicherte ihr Linai, "es soll sogar eine ganze Menge Offiziere geben, die Euren Namen mit höchster Großachtung aussprechen."
Das Nächste rutschte Rian einfach heraus und sie hätte sich am liebsten selbst in den Hintern getreten: "Und so etwas lässt Euer Bruder zu, königliche Hoheit?"
Schmerz huschte über das sanfte Gesicht der Prinzessin: "Mein Bruder wird vermisst."
Alle Mühe war vergebens, und Lay Rians Gesichtsausdruck zeigte etwas Schadensfreude, was Linai dazu brachte, beschämt das Gesicht zu senken.
"Die Flotte steht nun vor einem großen Problem ..." Linai gebot der Admiralin mit einer Handbewegung zu schweigen. "Ja, Ihr würdet sagen, dass die Flotte seit langen von einem großen Problem ... beherrscht wird."
"Das würde ich sagen, königliche Hoheit."
Lay Rian balancierte auf einem Drahtseil, das wusste sie sehr genau, doch wenn sich hier die Chance auf Änderung oder Verbesserung geben würde, dann musste sie halt balancieren.
Die Prinzessin atmete tief durch: "Wollen Sie die Aufgabe übernehmen oder nicht?" Sie zügelte ihre Wut, vielleicht weil sie immer ihre Wut zügelte, vielleicht aber auch, weil sie Rian im Innersten Recht gab.
"Ja, Königliche Hoheit, ich diene dem Imperium, wie es das Imperium von mir verlangt, auf jegliche Weise." Selbst in Rians Ohren klang es abgedroschen, obwohl sie wusste, dass es genau so war.



Der Rückflug von der Gettysburg zur Columbia war das reinste Affentheater. Sowohl Wulff als auch Waco redeten auf Lucas ein, der noch kurz vor dem Abflug mit Renault unter vier Augen gesprochen hatte.
Grundsätzlich sagte beide das gleiche, dass es ihm an den Kragen gehe, wenn er akariische Rettungskapseln angreifen lassen würde.
Während Wace freundschaftlich auf ihn einredete, wurde Wulff streng und drohte zum Schluss. Dank selektiven-männlichen Hörvermögen bekam Cunningham davon nicht allzu viel mit und nickte nur gelegentlich mit ernstem Gesicht.
Im Geiste jedoch ging er eine Liste von Piloten durch, mit denen er im Falle des Falles tatsächlich Jagd auf Rettungskapseln machen könnte.
Die Liste war bei über hundertvierzig Piloten und Bordschützen recht klein, und auf dieser Liste gab es auch noch Wackelkandidaten. Entgegen der Anfangszeit der Angry Angels kannte er seine Pappenheimer doch recht gut.
So stand an erster Stelle Lilja, die er in den letzten Jahren protegiert hatte und es sie auch hatte wissen lassen. Dann war da Kano Nakakura, der auf mündlichen Befehl hin in die Richtung schießen würde, die Lucas zeigen würde. Im Nachhinein würde der junge Pilot zwar noch Fragen stellen, aber Befehle ausführen konnte er.
Der nächste war Skunk, den Lucas von Art und Wesen als miesen Killer eingestuft hatte. Dann war da noch Donovan Cartmell, der vielleicht schon mürbe genug für eine kleine Bestechung war.
Dann gab es noch ein oder zwei andere aus den Bomberstaffeln, die noch in Frage kamen.
Es gab aber auch Probleme, zwei seiner wichtigsten Offiziere hatte er sich gründlich zu Feinden gemacht, und sowohl Monty als auch Lightning würden sich massiv gegen ihn stellen und die Chance möglicherweise nutzen, um ihn zu schassen.
Viel schwerwiegender jedoch war, wenn etwas davon bekannt würde, dann wäre er das Opferlamm, kein Admiral, weder Noltze noch Renault, würden dann ihre schützenden Hände über ihn halten. Viel eher würden die beiden dann am lautesten nach seinem Kopf schreien. Und wenn man ihm deswegen den Kriegsgerichtsprozess machen würde und man die Vernichtung von Rettungskapseln als Mord aus niederen Motiven darstellen würde, könnte er sogar gehängt werden. Unwahrscheinlich, ja. Aber möglich.
"... in Ordnung", beendete Wulff ihren Vortrag gerade eben, "Die Jägerpatrouillen werden zurückbeordert und das Schiff wie auch die Begleitgruppen werden unter Kommunikationsquarantäne gestellt. Morgen um zehn-null-null ist allgemeine Einsatzbesprechung: Flottillenkommandanten, mein Stab, Sie beide, Ihre Stellvertreter, der Bodenchief für die Jäger. Und Cunningham, klären Sie das mit dem Treibstoff, JETZT."
"Aye, aye Ma'am." antworteten Lucas und Waco wie aus einem Mund.
Das Shuttle legte an derselben Luftschleuse wieder an, wo es die drei abgeholt hatte und nach der ganzen Erlaubnis-an-Bord-kommen-zu-dürfen-Prozedur sonderte sich Cunningham schnell ab.
Wulff blickte ihm hinterher: "Was meinen Sie James, hat unser Gerede was genützt oder wird er die Wünsche des HQ gewissenlos ausführen?"
Der Captain der Columbia legte die Stirn in Falten: "Oft genug haben wir das Wort Karriere ja benutzt. Ich weiß es nicht."

Zwanzig Minuten später stand Cunningham vor einem jungen Petty Officer der eingeschüchtert, übermüdet und überfordert auf seinen Compblock einhämmerte. "Aaalso wir bekommen morgen komplett neuen Sprit, Akarii-Gemisch, auf der Raumstation erbeutet, nachdem die Echsen einen der Versorger weggeblasen haben sind wir echt knapp, Sir."
"Und, was wird das für die Maschinen genau bedeuten?" Cunningham ignorierte das unnütze Schild mit dem Rauchverbot im Büro für den Diensthabenden Cheftechniker und zündete sich eine Lucky Strike an.
Der Petty Officer blickte sich Hilfe suchend nach dem Schild um, ließ dann die Schultern absacken. "Ich äähh, ... glaube, dass man einige Modifikationen vornehmen muss ... Sir."
"Ach, glauben Sie?"
"Ja Sir ... glaube ich." Der junge Mann wurde immer käsiger im Gesicht.
"Holen Sie mir den Chief." Cunningham nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarette und blies – wenn auch ungewollt, dennoch entwürdigend – seinem Gegenüber den Rauch ins Gesicht.
"Den Chief? Wissen Sie, wie spät es ist? Also den Senior Chief hätte ich ganz klar wecken können, aber den neuen, Master Chief Dodson ..."
Ungeduldig seufzte Cunningham: "Der Captain scheucht gerade einen Haufen Commander und Lieutenant Commander aus den Betten, da wird doch wohl auch der Chief freundlicherweise zur Verfügung stehen."
"Ja, Sir." Der junge Mann betätigte die Gegensprechanlage und flüsterte hinein.
Eine weitere Zigarette später schlurfte ein Kerl im roten Technikeroverall, der bis zum Bauchnabel offen stand, hinein.
Master Chief Eric Dodson stammte aus Canada und hatte zwölf Jahre bei der Navy abgerissen, er kannte Offiziere, kannte Unteroffiziere sowie Mannschaften, ähnlich wie den Bosun Mario Atti brauchte es schon eine ganze Menge, um ihn zu erschüttern.
Er bedeutete sowohl Lucas als auch den Petty Officer mit einer Handbewegung zu schweigen und stürzte erstmal einen Becher schwarzen, heißen Kaffee hinunter. Danach zündete er sich eine Zigarette an.
Zwei blutunterlaufene Augen in einem stoppelbärtigen, bleichen Gesicht fixierten Lucas: "Was liegt an, Sir?"
"Der Petty Officer teilte mir mit, dass wir Akarii-Treibstoff bekommen, und dass deshalb wohl Arbeit an den Maschinen anfallen würde."
"Ja, wenn wir Akarii-Treibstoff bekommen, müssen wir einige Korrekturen an den Maschinen durchführen. Die Zufuhr zu den Turbinen muss neu eingestellt werden, damit der Kraftausstoß gleich bleibt, der Akarii-Stoff ist Teufelszeug. Bedeutet eine kleine Korrektur in der Bordsoftware, und im Zuführungssystem müssen wir die Düsen neu kalibrieren." Der Master Chief fuhr sich durchs Haar und gähnte herzhaft.
"Wie lange wird das dauern?" Der Mann gefiel Cunningham.
"Fünfundvierzig bis fünfzig Minuten pro Maschine, bei den Griphen etwas weniger, bei den Crusadern und Nighthawks etwas länger."
Cunningham nickte: "Und wenn wir wieder unseren Treibstoff bekommen?"
"Puuhhh, ... müssen wir das auch wieder neu einstellen, könnten es zwar auch sofort reinkippen, würde aber zu einem erheblichen Leistungsabfall kommen, schätzungsweise zwanzig Prozent."
"Scheiße!" Cunningham fuhr sich jetzt ebenfalls durch die Haare. "Verdammt und zugenäht! Okay, nehmen Sie die nötigen Modifikationen für Akarii-Saft vor."
"Aye, Sir." Dodson salutierte lax und ging zur Bordsprechanlagen: "Das gesamte Wartungspersonal des Flugdecks zur Sonderschicht antreten!"
Der Master Chief rieb sich die Hände: "Dann woll'n wer mal."
Als er aufs Flugdeck hinaustrat rief er: "Los, los raus aus den Federn, jeder Tag ist ein Festtag, jede Mahlzeit ein Bankett und jeder Appell eine Parade!" Ein vielfach kopierter Ausruf des Colonial Marine Corps.
20.12.2015 09:35 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cattaneo

Fidai riss seinen Kampfflieger mit einem so brutalen Manöver zur Seite, dass ihm für einen Moment schwarz vor Augen wurde. Die todbringenden Strahlenbahnen von Energiegeschützen zerrissen den Weltraum genau an der Stelle, an der er sich eben befunden hatte, doch der Umstand, dass er dem Beschuss ausgewichen war, brachte wenig Trost. Die Maschine, die an seinem Heck hing, schloss fast sofort wieder auf, um sich in eine günstige Position zu bringen. Seine Falcon beschleunigte abrupt, als der Pilot den Nachbrenner betätigt – aber die Bloodhawk hielt ohne größere Probleme mit.
Der junge Pilot musste an sich halten, um einen Fluch zu unterdrücken. Gleichgültig wie er es auch versuchte, es gelang ihm einfach nicht, die Akarii-Maschine abzuhängen. Aber vielleicht konnte er sie ja überlisten?
Lange würde sein Treibstoff ohnehin nicht mehr ausreichen, das war ihm klar. Kurvenkämpfe, die mit Hilfe der Nachbrenner geführt wurden, verschlangen den Brennstoff in geradezu atemberaubendem Tempo. Und wenn er erst einmal unbeweglich war, würde er eine leichte Beute abgeben.
Wütend versuchte er, noch ein wenig Schub aus der Maschine herauszuholen. Dann, als seine Maschine mit der theoretischen Höchstgeschwindigkeit dahinjagte, riss er sie in einem „von Bein“-Manöver herum.
Es war das erste Mal, dass er diesen Trick ausprobierte, aus gutem Grund. Das „von Bein“ galt als anspruchsvoll und verlangte eine exzellente Beherrschung der Maschine. Im Grunde war es eine Tat der Verzweiflung.
Gehorsam drehte sich die Maschine unter dem Druck des Steuerknüppels und der Manöverdüsen – abrupt abgebremst, quasi bewegungslos, die Waffen in Richtung des Verfolgers. Die Bloodhawk füllte das Visier aus, scheinbar zum Greifen nahe.

Doch einen Sekundenbruchteil, bevor Fidai das Feuer eröffnen konnte, brach die gegnerische Maschine zur Seite aus – als hätte sie sein Manöver gleichsam vorausgeahnt. Zugleich eröffnete der Akarii-Jäger das Feuer mit seinen Bordwaffen. Fidai versuchte seinerseits, auszuweichen. Das Heulen der Raketenwarnung ging fast sofort in das Krachen des Einschlages über. Der Flugkörper hatte die Distanz zwischen den beiden Jägern in einem einzigen Augenblick überbrückt und getroffen. Um den Piloten wurde es schwarz, als die Rakete mit tödlicher Wucht traf.
Liljas Stimme klang kalt und nüchtern: „Das war alles andere als überzeugend. Sie sind tot, Lieutenant. Ich bin erstaunt, wie Sie es überhaupt bis hierher geschafft haben. Das ,von Bein' ist alles andere als ein Allheilmittel, wenn man verfolgt wird und unfähig ist, den Gegner auf andere Art und Weise abzuschütteln. Die Akarii kennen dieses Manöver und wenden es auch selber an. Und wenn man es mit einem Gegner zu tun hat, der sich nicht so leicht überrumpeln lässt, ist man gleichsam auf dem Präsentierteller. Das war nicht sehr professionell.“
In der Dunkelheit der sich abschaltenden Simulatorkapsel knirschte Fidai mit den Zähnen. Nicht schon wieder!
Er brauchte einige Sekunden, bis er sich so weit im Griff hatte, dass er die Kabine verlassen konnte.
Seit er wieder diensttauglich geschrieben worden war, hatte ihm Lilja keine Ruhe mehr gegönnt. Er war augenblicklich vom aktiven Flugdienst ausgeschlossen, bis die Untersuchung wegen des Verlustes seines Jägers abgeschlossen worden war. Aber Ruhe hatte er natürlich nicht gefunden. Als wären seine Selbstvorwürfe und die Sorgen wegen der Ermittlungen nicht genug gewesen, nun hatte ihn offenbar die stellvertretende Staffelchefin auf ihre persönliche Abschussliste gesetzt.
Lilja hatte ihn zum „Simulatordienst“ abkommandiert. Sie hatte angekündigt, so könne er die Zeit ja wenigstens für einige Trockenübungen nutzen. Fidai hatte ihr dies nicht übel genommen. Er hatte sich selbst gesagt, dass er Übung gebrauchen konnte – so etwas wie sein Unfall durfte sich nicht wiederholen.
Nein, es war etwas anderes. Sicher, viele hätten es anödend gefunden, immer wieder simulierte Flüge in schwierigem Terrain und Gefechte gegen computergenerierte Gegner durchzuspielen. Aber Fidai hatte dies als akzeptabel betrachtet.
Doch Lilja hatte, wann immer sie nur Zeit fand, darauf bestanden, persönlich gegen ihn anzutreten. Und sie fand – sonderbarerweise – oft genug Zeit, um Fidai zur Verzweiflung zu treiben.
Von ihr besiegt zu werden, war schon demütigend genug. Vor allem deshalb, weil es mit ermüdender Regelmäßigkeit geschah. Der arabische Pilot war kein Neuling, er hatte Gefechtserfahrung. Aber Lilja war seit Anfang des Krieges dabei und ihm weit überlegen. Sie wusste wesentlich besser als er, was die irdischen und was die Alien-Jäger konnten.
Doch dazu kam noch, dass sie bei jedem ihrer Siege beißende Kritik übte. Sie hob selten ihre leicht raue Stimme, aber ihr kalter Tonfall troff vor Geringschätzung. Und das war schlimmer als jeder Wutausbruch der Drilloffiziere, an die sich Fidai noch aus der Grundausbildung erinnerte.

Als er den Simulator verließ, erwartete die Russin ihn bereits. Wie immer präsentierte sie sich als vorbildliche Offizierin, sowohl was Aussehen als auch was Auftreten anging. Sie musterte Fidai kalt: „Wenn Sie ihre Leistungen nicht verbessern, dann frage ich mich wirklich, ob man Sie wieder für den aktiven Dienst einteilen wird. Beziehungsweise ob dies überhaupt ratsam wäre. Sie haben es da draußen mit Profis zu tun, die dafür gedrillt sind zu töten. Unachtsame Piloten gefährden sich, ihre Kollegen und ihre Maschinen – und dergleichen können wir uns in diesem Krieg nicht leisten.“
Fidai biss die Zähne zusammen. Obwohl sie dergleichen schon öfter gesagt hatte, es schmerzte jedes Mal auf neue. Um so mehr, als er sehr wohl wusste, dass Liljas Meinung bei der Frage, was mit ihm künftig geschehen würde, durchaus nicht ohne Einfluss war. Schließlich war sie seine unmittelbare Vorgesetzte, und als XO oblag ihr ein Gutteil der Einschätzung der Piloten in der Staffel.
Es war ihm hin und wieder gelungen, ein Unentschieden herauszuschlagen, und zweimal hatte er sie sogar besiegt. Aber ihre Anerkennung war in diesen Fällen ebenso kalt wie ihr Tadel gewesen, und sie hatte ihn im nächsten Kampf oft besonders gründlich besiegt.
Doch ihr gegenüber konnte er natürlich nicht sagen, was er manchmal, oft, dachte. In den Filmen redeten Offiziere und Untergebene vielleicht offen – in Wahrheit war das Militär immer noch ein Verein, wo die niederen Dienstgrade nur zu oft einfach weitermachen mussten. So lange ihre Vorgesetzten nicht die Gesetze verletzten, hatten sie wenig Möglichkeiten. „Mobbing“ war ein Tatbestand, der schon im Zivilleben kaum zu beweisen war. Hier, im Militär, dazu noch im Krieg, war dies völlig unmöglich. Es war unmöglich objektiv zu sagen, wo „notwendige Disziplin“ endete und Schikane begann...

Also salutierte er: „Bitte um Erlaubnis, wegzutreten!“
Die Russin musterte ihn – wie immer war ihre Miene undeutbar: „Erlaubnis erteilt. Bis morgen absolvieren Sie mir vier Simulatorsitzungen zu je 90 Minuten. Gefechtsübungen, und zwar Eskort- und Abfangeinsätze, und Flug unter erschwerten Bedingungen. Ich überprüfe, wie Sie abschneiden. Ich erwarte mindestens 75 Prozent Erfolgsrate. Mindestens. Und jetzt verschwinden Sie.“ Und mit diesen Worten drehte sie sich um und ging. Fidai starrte ihr noch einen Augenblick nach, bevor er sich auf den Weg zu seinem Quartier machte. Er brauchte auf jeden Fall eine Dusche. Eine Simulatorsitzung mit Lilja war nicht entspannender – wenn auch physisch weniger schmerzhaft – als ein Sparringskampf mit Tyr, dem Schwergewicht der Staffel.
Schon bei dem Gedanken, dass sie ihn am nächsten Tag wieder demütigen würde, fühlte er Wut, allerdings vor allem über sich selbst.

Er hatte sich zu Anfang gefragt, ob es etwas Persönliches war – etwa wegen seiner Religion oder weil er ein Neuling war – das zu Liljas Verhalten geführt hatte. Aber er hatte bald genug über den Ruf der XO gehört. Die Russin war in ihrer Art zumeist „fair“ – wer ihrer Meinung nach Mist gebaut hatte, der war für sie erledigt. Und das galt für Staffelkameraden wie für Piloten aus anderen Einheiten, für Neulinge wie Veteranen.
Sie hatte es ihm ganz zu Anfang kurz und knapp erklärt: „Wer seine Maschine im Kampf verliert, der hat natürlich einen Fehler gemacht. Aber wir sind im Krieg, und solche Dinge passieren eben. Aber den Jäger durch einen Unfall zu verlieren und aufzugeben, das ist so gut wie unentschuldbar. Wir haben nur wenige Ersatzmaschinen, und wir brauchen jede einzelne, so tief in feindlichem Gebiet. Ihre Inkompetenz hat die Streitkräfte einen der wertvollsten Jäger ihres Arsenals gekostet, und Sie haben damit der Staffel die Möglichkeit genommen, angemessen auf einen Gefechtsverlust zu reagieren. Dies kann im Ernstfall zu weiteren Verlusten führen.“
Langsam fragte sich Fidai allerdings, was die XO mit ihrem Verhalten bezweckte. Wollte sie ihn dazu bringen, freiwillig aufzugeben? Oder ihn nach dem alten Prinzip erst in den Dreck treten, um ihn dann nach ihrem Bild neu zu formen? Oder einfach nur ihren Frust an ihm auslassen?
Von seinen Kameraden bekam er keine Hilfe, ganz abgesehen davon, dass Mitleid wohl das letzte war, was er im Moment wollte. Sie schnitten ihn nicht direkt, aber sie akzeptierten Liljas Verhalten. Entweder weil sie damit einverstanden waren, oder weil sie sich nicht mit der Russin anlegen wollten. Dazu war Fidai nur ein Neuling, und Neulinge galten beim Militär noch nie viel. Es dauerte oft lange, ehe sie Teil der Gemeinschaft wurden, die so elitäre Gruppen wie Kampfliegerstaffeln bildeten. Und mit seinem Unglück, seinem Fehler, hatte er sich die Möglichkeit für eine ganze Weile verbaut, Teil der Staffel zu werden. Der erste Eindruck war oft wesentlich – und was, wenn seine neuen Kameraden, auch dank Liljas „Fürsorge“, zu dem Urteil kamen, auf ihn sei im Ernstfall kein Verlass?

Aufgabe war natürlich keine Option. Egal, was die Untersuchung ergeben würde – seine Versetzung konnte er nicht beantragen. Nicht, wenn er noch einen Funken Selbstachtung behalten wollte. Mit dieser Geschichte in einer anderen Einheit aufzukreuzen – das war unmöglich! Dann würde ihm der Ruf eines Versagers vielleicht für immer anhängen. Wenn man ihn nicht ganz aus dem aktiven Dienst warf, dann musste er sich hier, in seiner neuen Einheit, beweisen. Aber wie sollte das gehen, wenn man ihn nicht in einen Jäger ließ? Und wenn Lilja anscheinend alles daran legte, ihn zu demütigen und quasi vor den Augen aller „fertigzumachen“?
Er musste einen Weg finden – aber welchen? Was sollte er tun?
21.12.2015 06:47 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Tyr

Die Piloten der Angry Angels wussten noch nichts von den Problemen, mit denen sich die Führungsoffiziere plagten. Und auch noch nichts von der Mission, die sie erwartete. Hätten sie von ihr gewusst, die meisten hätten den Auftrag begrüßt. Viele von den 'Alten' brannten darauf, sich bei Prinz Jor für die erlittenen Verluste und Niederlagen zu rächen.
Und wie die meisten der neuen Piloten waren viele der Veteranen auch mehr als bereit, einmal mehr den Elitestatus der Angry Angels zu verteidigen und einen neuen, vielleicht sogar entscheidenden Sieg an ihre Fahnen zu heften.
Momentan aber zählte für die Piloten vor allem das 'Mission erfüllt' der letzten Tage. Das System war erobert und gesichert. Der feindliche Raider war vernichtet. Ein weiteres Kriegsschiff, das den 'Besten der Besten', dem 'Geschwader der Entscheidungsschlachten' zum Opfer gefallen war. Mit diesen Titeln hatte jedenfalls ein nur mäßig begabter Propaganda-Mitarbeiter die Angry Angels belegt – und die meisten Piloten genossen natürlich den Rummel, der um sie gemacht wurde.
Die Gefallenen wurden bedauert, aber nach Jahren des Krieges hatten sich die meisten Piloten daran gewöhnt, dass manche von ihnen 'Draußen blieben'. Man akzeptierte es – außer, wenn es dann doch einmal einen Freund erwischte...
Nach der Vernichtung des Akarii-Zerstörers war an Bord der Columbia wieder der normale Dienstbetrieb eingekehrt. Jetzt hatten die Piloten wieder etwas mehr Freizeit, statt jede Minute, die sie nicht für viel zu kurze Ess- und Schlafpausen 'vergeudeten', im Asteroidengürtel zu verbringen.

Die Butcher Bears, die Staffel Schwarz, hatten erst recht Grund, froh zu sein. Zwar hatten sie bei der Jagd auf den Akarii zwei Maschinen verloren, aber die Piloten hatten aussteigen können. Und das war für die Flieger entscheidend. Der Angriff war präzise und erfolgreich geflogen worden – und Ohka hatte mit der Vernichtung eines Shuttles seinen Dreißigsten Abschuss erzielt und war damit zum 'sechsfachen Ass' aufgestiegen.
Die Staffeln konkurrierten untereinander darum, wer die meisten Abschüsse und die meisten Asse aufzuweisen hatte – und viele Offiziere schürten diesen Wettkampf sogar ein wenig. Deshalb war es ein Grund zur Freude, wenn noch ein Pilot der Schwarzen Staffel sich dem Flight Cross in Silber näherte, das üblicherweise für 50 Abschüsse vergeben wurde. Als Staffel des Geschwaderchefs war es außerdem sowieso Ehrensache, bei den Abschüssen führend zu sein. Und sowohl Monty als auch Ohka galten als potentielle Kandidaten für die begehrte Auszeichnung, die der Geschwaderchef, genauso wie der frühere Staffelchef Darkness, bereits errungen hatte.
Momentan aber waren die Piloten nicht damit beschäftigt, sich der eigenen Überlegenheit zu versichern, oder Ohka ein wenig damit zu hänseln, dass sein dreißigster Abschuss 'nur' ein Shuttle gewesen war. Stattdessen saßen die meisten Piloten, sogar Renegade, um Goliath versammelt. Der hünenhafte Ex-Marinekorpsflieger erzählte von dem kurzen Heimaturlaub, den er nach dem Abschluss seiner Umschulung auf Raumjäger bekommen hatte. Das war zwar auch schon eine Weile her, aber die meisten Piloten hatten die Erde seit ihrer Abkommandierung auf die Columbia nicht mehr besucht: „Inzwischen ist das Kino jedenfalls voll auf den Krieg eingestiegen. Jede verdammte Teilstreitkraft scheint ihre eigene Firma zu haben, die sie vermarktet. Armee, das Korps, die Navy – und natürlich auch die Scheißer von den Spezialeinheiten. Und die Legion.
Merkwürdig ist allerdings, dass neben den Propagandakrachern vor allem so Schmonzetten laufen – Herz, Schmerz und der ganze Scheiß. Und gleich danach kommen Komödien und so. Komische Mischung.“
Dabei war das eigentlich gar nicht so verwunderlich. Wer müde und entnervt vom Krieg und den damit einhergehenden Einschränkungen war, wer einmal nicht an die Situation an der Front, an Bekannte und Verwandte an der Front oder in den gefährdeten Gebieten denken wollte, der wollte abgelenkt werden.
„Na ja, in Uniform macht man schon was her. Vor allem als Jagdflieger. Und komischerweise auch als Infanterist – ungewöhnlich, dass die auch mal anerkennen, was die Grunts leisten.“
Das brachte Goliath ein paar Lacher ein – er konnte einfach seine Herkunft aus dem Marinekorps nicht verleugnen.
„Aber das war's eigentlich nicht, was ich euch erzählen wollte. Also ich bin da so als harmloser Urlauber unterwegs...“
„Und siehst zu, wo du eine hübsche Puppe aufreißen kannst.“ warf La Reine ein. Goliath lachte laut auf: „Niemals! Wo es doch in meinem Herzen nur Platz für dich gibt...“La Reine konterte mit einer obszönen Geste, doch Goliath fuhr jetzt unbeirrt mit seinem Bericht fort: „Und da quatschen mich auf einmal so ein paar Typen von der Seite an. Erst dachte ich, die wollten Stress – aber nein, die waren ganz hin und weg, einem Raumpiloten die Hand zu schütteln. Und als ich erst sagte, dass ich zu den Angry Angels kommandiert werde...
Dabei waren das alles erwachsene Männer, Mitte Zwanzig, Anfang Dreißig. Gut gekleidet, der Fummel den die anhatten kostete sicher soviel, wie ich in einem Monat verdiene.
Na ja – jedenfalls saß ich dann auf einmal mit denen in so 'ner Bar und ließ mir Drinks spendieren.“
„Was denn – du hast dich von ein paar Yuppie-Kerlen abschleppen lassen?!“ Crusader tat schockiert und duckte sich gerade noch rechtzeitig, um dem schnellen Schwinger zu entgehen, der nach seinem Kinn zielte.
„Halts Maul, ja – wollt ihr das jetzt nun hören, oder nicht?!“
„Schon gut...“
„Also während die Typen sich an ihren komischen 'Supernova' festhalten, oder wie ihr Gesöff heißt, schwallen sie mich zu, was wir doch für tolle Kerle wären, hacken auf den Idioten von der Friedensbewegung rum. Die hätten sie am liebsten alle abgeknallt oder deportiert. Der Herr bewahre mich vor solchen verklemmten Superpatrioten. Und dann muss ich mir auch noch anhören wie ausgerechnet SIE uns den Rücken stärken. 'immer das Beste für unsere Jungs da Draußen'. 'Alles für die Front, alles für den Sieg'.“ Das brachte Goliath schon mal ein paar Lacher ein. Und das wurde noch schlimmer, als er den gönnerhaften Ton imitierte, der ihm so sauer aufgestoßen war: „Ja, schrecklich, schrecklich muss es da Draußen sein. Ihr seid die Helden der Menschheit. Ihr fliegt mit dem Tod. Aber dafür bekommt ihr ja auch nur das Beste, wir stehen voll hinter euch.“
Sogar Kano musste grinsen, und La Reine, Crusader, Marat und Crazy brüllten regelrecht vor Lachen. Crusader musste nach Luft schnappen: „Und haben...die Idioten...gewusst...dass du...noch nicht mal...an der Front warst?!“
„Ich hab' mich gehütet. Und sie haben meine Abzeichen vom Marinekorps wohl für Pilotenabzeichen gehalten.“ Goliath hatte in seiner Zeit bei den Marines auch schon einige Orden verdient. Das Lachen seiner Kameraden klang gleichzeitig amüsiert, sarkastisch und verächtlich. Trotzdem die Rüstungswirtschaft auf Hochtouren lief, der Nachschub stockte oft. Und keiner der Veteranen hatte vergessen, dass man den Krieg mit veralteten Maschinen begonnen hatte.
„Na ja, also höre ich mir diesen Scheiß an und kippe einen Whiskey nach dem anderen. Aber das wird noch schlimmer, als sie dann anfangen mir zu erzählen, wie sie den Krieg gewinnen würden.
'Alles auf eine Karte setzen! Wron mit Atombomben sterilisieren – und dann volle Fahrt, Durchbruch und auf nach Akar. Einfach die Front durchbrechen und aufrollen! Und wir sollen mal etwas hinmachen mit dem ewigen Stellungskrieg im Weltraum!'“
Das löste eine neue Welle zynischer Lacher aus.
„Ich meine, ich konnte ihnen ja nicht einfach ins Gesicht schlagen, oder?! Aber so ein Scheiß, das ist doch gemeingefährlich! Was meinen die eigentlich, mit wem wir hier kämpfen?“
Keiner beantwortete die Frage, sie war sowieso nur rhetorisch gemeint.
„Na ja, und dann kamen sie zu den Kriegszielen.
Der reinste Think Tank, lauter Hobby-Galaktostrategen. Welche Planeten wir brauchen, für die Wirtschaft. Und für die 'Sicherung unserer Grenzen', der 'Mission des Menschen im Universum'.
Wusste gar nicht, dass wir so etwas haben.“

Die Heiterkeit ließ schlagartig nach. Das war ein heikles Thema. Es gab sehr unterschiedliche Meinungen über die Kriegsziele – auch gerade bei der kämpfenden Truppe. Viele wollten einfach, dass der Krieg so bald wie möglich beendet würde, ehrenhaft und anständig. Sie wollten einfach nach Hause, und Eroberungen und galaktische 'Vorfeldsicherungen' interessierten sie nicht.
Dann gab es die 'Expansionisten' und Vertreter eines 'Siegfrieden', die untereinander aber kaum einig waren, sondern in zahllose Splittergruppen zerfielen, entsprechend den variierenden Zielen, die sie vertraten.
Die größte Gruppe bildete die 'Birmingham-Fraktion', die sich an den Bedingungen orientierte, die die Administration nach der Doppelschlacht von Corsfield und Graxon formuliert hatte: moderate Gebietsveränderungen, Kriegskostenkompensation, Reglementierung der Akarii-Flotte, Bestrafung der Kriegsverbrecher.
Unter der Rubrik der 'Totalitaristen' fungierte die extrem heterogene Gruppe derjenigen, denen dies nicht weit genug ging.

Goliath bemerkte, dass seine Geschichte in ein unangenehmes, politisches Fahrwasser zu treiben drohte und nahm den Faden deshalb wieder auf: „Und das ging so weiter. Sie wollten sich offensichtlich gegenseitig überbieten. Wer ist der beste Patriot? Wer will die meisten Gebiete?!
Ich hatte inzwischen die Schnauze gestrichen voll. Aber die Typen waren richtige Kletten. Hätt' mich nicht gewundert, wenn die sogar mitgekommen wären, wenn ich schiffen gegangen wäre.“
Das brachte ihm wieder ein paar Lacher, und davon bestärkt fuhr er fort: „Also überlegte ich krampfhaft, wie ich die loswerde. Und dann kam ich endlich auf den Trichter.
Ich setz' also mein stupidestes Drill-Sergeant-Gesicht auf...“
„Und wo ist da der Unterschied zu sonst?!“ warf La Reine ein, doch diesmal ließ sich Goliath nicht mehr ablenken: „...und sag ihnen, wie toll ich das fände, und was für Superkerle sie wären. Männer, auf die man sich Draußen bestimmt verlassen könnte. Das ging denen runter wie Öl.
Und dann sag' ich, ich hab 'nen Kumpel bei der Musterung. Ob sie's mal beim Korps versuchen wollten?!
So schnell hab ich aber noch nie jemanden den Abflug machen seh'n! Die hätten beinahe vergessen zu zahlen...“
Der letzte Satz des ehemaligen Marinefliegers ging im allgemeinen Gelächter unter.
21.12.2015 06:47 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ace

Prolog: Beim Angriff auf das Velorha-System fallen die dortigen gigantischen Akarii-Raumwerften in die Hände der Zweiten Flotte, bevor der Komplex gesprengt werden kann.
Im Zuge der Eroberung fallen den Erdstreitkräften ein Kreuzer/Träger der Golfklasse, zwei leichte Kreuzer der Kilo-Klasse sowie der internierte Träger DEUTSCHLAND in die Hände.
Nach der Sicherung des Systems wird der Kreuzer/Träger SUNNAT ins terranische Hinterland verschifft, um ihn Schraube für Schraube auseinander zu nehmen und das Prinzip des Golf zu kopieren, da es auf Akarii-Seite äußerst erfolgreich war.
Ebenso verfahren die Geheimdienstleute mit den Kilo-Kreuzern, als sich herausstellt, dass es sich um modifizierte und dazu noch brandneue Schiffe handelt.
Die Kilo II-Klasse wird offiziell ins Weißbuch der Flotte aufgenommen.
Die DEUTSCHLAND wird nach einer abschließenden Überholung wieder in terranischen Dienst versetzt.
Während der Erforschungsarbeiten gelangen terranische Wissenschaftler zu bahnbrechenden Erkenntnissen. Das Technikercorps bekommt die Erlaubnis für ein Experiment, das man im Nachhinein als wahnsinnig bezeichnen kann. Die Triebwerke des zweiten Kilo II, offiziell NOBUR getauft, werden genutzt, um die KAMI, einen fürchterlich zusammengeschossenen Ticonderoga wieder raumtauglich zu machen. Ebenso werden auf der KAMI Antischiffspartikelkanonen nach dem Prinzip der Akarii eingebaut.
Durch die traditionell stärkeren Schiffstriebwerke der Akarii erreicht die KAMI bei Erprobungen fast Beschleunigungswerte wie ein leichter Kreuzer.
Die neue Bewaffnung und der eher experimentell anzusehende Antrieb bringen dem Kreuzer im Grabenfunk der Flotte schließlich den Spitznamen Kanonenkugel ein. Das Vertrauen in die neuen Waffen ist ebenfalls nicht sehr groß.
Nach einigem Hin und Her wird eine Beförderung für den Kapitän ausgelobt, der das Kommando übernimmt.
Commander Justus Schneider meldet sich schließlich freiwillig und wird zum Captain befördert.
Nach über einem Jahr als Kapitän der ONTARIO verlässt er das Schiff und begibt sich nach Velorha, um dort den schweren Kreuzer und seine neue Crew zu übernehmen.


1.
„Dreißigtausend Tonnen“, murmelte Justus Schneider leise, als die KAMI zum Andocken näher an die Velorha-Werft heran setzte. „Siebenhundertneunzig Mann Besatzung. Vierhundertachtzig Meter Länge total. Acht Impulslasergeschütztürme, vier Partikelgeschütztürme, drei Sparrow zehner und ein Sparrow zwanziger Raketenwerfer, vier Exocet achter Schiff-Schiff Raketenwerfer.“
„Dazu eine vernichtete Gesamttonnage von zweihundertzehntausend Tonnen“, ließ sich der Mann neben Schneider vernehmen.
Justus zog eine Augenbraue hoch und der große Mann murmelte eine Entschuldigung.
Dies war Schneiders Ritual. Soviel hatte er über seinen Captain schon erfahren.
Ansonsten wusste er über den „Mann vom Ereudyke-Nebel“, wie Schneider hinter vorgehaltener Hand genannt wurde, nicht viel mehr als in der Akte stand und an Gerüchten über ihn kursierte
Nun, seine Quellen auf der ONTARIO hatten ihm spöttisch ein halbes Jahr gegeben, bevor er die Brocken hinwarf. Lieutenant Nasahari war gespannt, wer wirklich zuerst klein beigab – er oder Justus Schneider.
Die KAMI hatte ihr Manöver beendet und dockte an der Station an. Nun begann das Fassen der Vorräte für die nächste Mission. Außerdem würden noch mehrere Offiziere, Ingenieure und Mannschaften ankommen.
Da waren der Waffenoffizier, der Chefrudergänger, der Bordarzt, der Chefingenieur sowie der Kommandeur der Bordinfanterie, von gut vierhundert Matrosen der Mannschaft ganz zu schweigen.

Vor ihnen öffnete sich die Schleuse zur KAMI, um Schneider und seine Leute einzulassen.
Die Überführungscrew übergab den Kreuzer formlos, danach gehörte er dem Captain und seiner Crew. Und die gut achtzig Spezialisten des Technikercorps schienen über diesen Umstand sehr erfreut zu sein.
Zwei Wachen erwarteten ihn im Innenschott der KAMI. „Captain an Deck.“
Schneider salutierte kurz, als er die beiden Marines passierte. Sein erster Weg und der seiner bereits anwesenden Offiziere wie Nasahari führte in die Brücke der KAMI.
Dort nahm er als erstes den Kapitänsstuhl in Beschlag. Als zweites sah er prüfend in die Runde. Nach und nach wurden die Posten besetzt, aber damit war der Kreuzer noch lange nicht flugfähig, geschweige denn bereit für einen Kampfeinsatz. In Gedanken veranschlagte Justus mindestens zwei Wochen Drill und Übungen, bevor er die Nase dieses Schiffes in den freien Raum drehte.
Seine Crew und die Offiziere übernahmen ihre Posten mit der in der Zweiten Flotte gewohnten Effizienz.
„Das fängt doch schon ganz gut an“, meinte der Kapitän und rieb sich die Hände. Im Vergleich zur ONTARIO oder gar zur KAZE nahm sich die Brücke riesig aus. Und Schneider gefiel dieser Anblick. Er sah zur Seite. „Nehmen Sie Ihren Platz ein, Lieutenant Nasahari.“
Der Inder salutierte und ging zum Funk hinüber.
Über Schneiders Gesicht huschte ein Lächeln. Diese Leute hatten Herz, Leidenschaft für die Sache und Opferbereitschaft. Zwar hieß die KAMI jetzt schon Kanonenkugel und galt als Todesschiff, aber die Möglichkeit auf frühzeitige Beförderung lockte loyale, intelligente junge Leute mit der ausgewogenen Mischung zwischen Patriotismus und Wagemut an Bord.
Schneider erhob sich. „Mr. Nasahari“, sprach er den Inder als ranghöchsten Offizier an. „Befehlen Sie normalen Dienst. Lassen Sie alle Aggregate und alle Systeme überprüfen und nehmen Sie notfalls in Eigenregie Feinjustierungen vor. Danach kümmern Sie sich persönlich um das Aufmunitionieren.“
Der Lieutenant nickte. „Aye, Captain.“

Schneider verließ die Brücke, ging in sein Büro. Dort flegelte er sich hinter den Schreibtisch und legte beide Beine auf die Tischplatte. Mist, die Schuhe musste er auch mal wieder putzen. Und über den Tisch war auch ziemlich lange kein Staublappen mehr gefahren.
Als es an der Tür klopfte, schnarrte Schneider automatisch ein ,Herein’, während er die Post durchsah. Wenigstens der Postdienst funktionierte einigermaßen, stellte er fest. Bis er bemerkte, dass die Briefe und Dokumente schon auf Terra an diesen Platz gelegt worden sein mussten. Hm, neue Befehle, ohne Dringlichkeitsvermerk, dazu ein Brief von seinem Cousin. Er flog nach seiner langen Reha jetzt wieder gut ein Jahr, hatte die Armregeneration gut verkraftet. Außerdem war er die Nummer drei in seiner Staffel. Justus beschloss, in seinem Antwortbrief eine hämische Frage einzubauen, ob es dem Geschwader schon so dreckig ging, dass sie ausgerechnet einem kleinen Frachtschiffer drei weitere Leben anvertrauen mussten.
„Sir! Ich melde mich zum Dienst!“
Schneiders Kopf ruckte hoch. War schon einer der neuen Offiziere angekommen? Der Mann vor ihm trug die Ausgehuniform der Colonial Navy und salutierte.
Schneider kniff die Augen zusammen. „Machen Sie bitte anständig Meldung, Soldat.“
„Sir, Lieutenant Commander Kord Andread, ehemals leichter Kreuzer SOLITUDE. Ich wurde im Rahmen eines Austauschprogramms der Terran Navy zugeteilt, nachdem wir Colonials bewiesen haben, dass unsere Flotten sehr viel effektiver gegen das Imperium sind als die TSN vermutet hat.
Hier sind meine Marschbefehle. Und eigentlich sollten Sie schon vor Wochen eine entsprechende Benachrichtigung des Quartermasters bekommen haben.“
Schneider dachte kurz nach. „Ich war bis vor drei Wochen noch auf der ONTARIO. Sie tat Dienst im Geschwader der MOSKAU.“, sagte Schneider. Er ergriff den Marschbefehl und überflog ihn kurz. „Gut, gut, das sieht in Ordnung aus. Mr. Andread, Sie sind Navigator und Rudergänger?“
„Aye, Skipper. Ich stand vor der Wahl, meinen Perisher zu machen um ein eigenes Kommando zu bekommen, oder auf diese Position zu wechseln und Pilot zu bleiben.“
„Warum habe Sie sich gegen den Perisher entschieden, Mr. Andread?“
„Der Grund ist… Operation Magellan.“
Schneider zog beide Augenbrauen hoch. „Operation Magellan?“ Mit einem leichten Schaudern dachte er an die Mission zurück, die sein Team ins akariische Hinterland versetzt hatte. Die Kämpfe, die Verluste, all die Toten und alles nur wegen einem instabilen Wurmloch, das direkt in die Konföderation führte. „Die Mission war ein Desaster.“
„Nun, vom Standpunkt der Navy sicherlich. Aber für die Konföderation war sie ein Erfolg. Durch diesen Sprungpunkt hätten die Akarii Reserveverbände aus dem Hinterland heran bringen können, während unsere besten Verbände an der Front gebunden waren. Sie machen es sich vielleicht nicht klar, aber für uns bedeutete dieses Wurmloch Bestehen oder vernichtet werden. Das Sie es geschlossen haben, Captain Schneider, wird bei uns hoch angesehen.“
Schneiders Gedanken gingen zurück zum Ereudyke-Nebel. An Mels Plan, das Wurmloch zu schließen. An die ONTARIO. An all die anderen Schiffe, die während den Missionen vernichtet wurden. An das Dirty Pack, das mit seiner Mannschaft Freundschaft geschlossen hatte und das so fürchterlich zusammen geschlagen worden war.
Wieder ging sein Gedanke an Mel und ihren Mann. Thor hatte mittlerweile die Rekonvaleszenz geschafft und versuchte wieder flugtauglich geschrieben zu werden. Justus fragte sich, ob el Tigre sein Versprechen halten und Thor in seine Staffel holen würde. Das würde Mel sicher nicht gefallen. Sie arbeitete nach ihrem Abschied von Explorercorps in der freien Wirtschaft und verdiente sehr gutes Geld. Genug für sie beide zusammen. Aber für Thor ging es um weit mehr. Es ging um sein Verständnis als Mann.
„Wir… wir haben schwer geblutet.“ Unerwünscht trat die ONTARIO vor seine Augen. Singh, halbseitig gelähmt, als Krankenbett gefesselt. Maleetschev, am Rande der Verzweiflung…
Es waren nicht die besten Erinnerungen, auch wenn Justus das Schiff anschließend fast ein Jahr recht erfolgreich kommandiert hatte.
„Das weiß ich. Das wissen wir. Und deshalb ist es eine große Ehre für mich, hier sein zu dürfen, Sir. Unter dem letzten und erfolgreichsten Kommandeur der Operation Magellan zu dienen ist eine große Ehre für mich.“
Schneider machte sich eine kurze Gedankennotiz, um den Konföderierten vom Geheimdienst gründlich durchleuchten zu lassen, sicher war sicher. Aber ansonsten mochte er diese unerwartete Entwicklung. Er stand auf und reichte dem Mann die Hand. „Mr. Andread, willkommen an Bord. Das Ruder gehört Ihnen.“
Der Commander ergriff die Hand und schüttelte sie. „Danke, Sir. Ich werde einige Zeit brauchen, um mich mit dem Schiff und seiner Leistung vertraut zu machen.“
„Wir müssen die KAMI sowieso auf Herz und Nieren testen“, versprach Schneider. „Also gehen Sie jetzt in die Zentrale und machen Sie sich mit Ihrem Arbeitsplatz vertraut.“
„Aye, Sir.“
„Ach, und Commander. Lassen Sie sich nichts gefallen. Sie sind jetzt der Zweite Offizier an Bord. Also lassen Sie nicht zu, dass die Mannschaft hinter Ihrem Rücken über Sie redet oder Ihre Befehle nicht befolgt. Die Befehlskette muss stabil bleiben.“
„An mir soll es nicht scheitern, Captain“, meinte Andread mit einem Grinsen, das Schneider an ein gefletschtes Akarii-Gebiss erinnerte.
„Sehr schön.“ Andread salutierte noch einmal und verließ dann das Büro.
Schneider musste schmunzeln. Irgendwie kam mit dem Colonial etwas vom alten Flair der KAZE wieder an Bord. Der Mann würde es sehr schwer haben. Justus bewunderte den Mut des Mannes, dass er es dennoch versuchte.

„Junge, Junge, ich glaube ich kriege Visionen. Da habe ich doch glatt einen Colonial in voller Dienstuniform aus deinem Büro kommen sehen, Justus.“, sagte eine nachdenkliche Stimme.
Schneider fuhr auf. „Da soll mich doch die nächste Nova schlucken! Ich glaube, ICH habe Visionen! Mensch, Haruka, was machst du denn hier?“
Haruka Ishihiro lächelte verlegen, als er eintrat. „Kann es sein, dass du deine Post noch immer nicht machst? Ich habe mich auf den Posten als Erster Offizier beworben.“
Schneider kam um den Schreibtisch herum. Überschwänglich umarmte er den Soldaten und Freund von der alten KAZE. „Es tut verdammt gut, dich zu sehen, Haruka. Gut siehst du aus. Und Lieutenant Commander bist du mittlerweile geworden.“
„Commander“, korrigierte Ishihiro mit Nachdruck. „Mit dem Wechsel auf das verfluchte Schiff ist eine Beförderung verbunden.“
„Das verfluchte Schiff?“
„Die KAMI, auch Kanonenkugel genannt. Bei den Triebwerken und den kaum erprobten Akarii-Waffen muss sich die Navy wirklich was einfallen lassen, um für den Kahn Freiwillige zu bekommen. Wie ich sehe werben sie jetzt sogar schon Colonials an, weil sie deinen Kahn nicht voll kriegen.“
Schneider grinste schief. „Etwas in der Art, ja.“
Schneider bedeutete dem Commander, sich zu setzen und holte aus einem Wandschrank eine Flasche Scotch und zwei Gläser hervor. „Das muss gefeiert werden, Haruka. Es ist schön, ein altes Gesicht wieder an Bord zu haben.“ Eines der voll geschenkten Gläser reichte er Ishihiro, das andere nahm er selbst. „Du weißt nicht zufällig, ob noch mehr von der alten Garde unterwegs hierher sind?“
Das Lächeln des groß gewachsenen Japaners verlor an Glanz. „Sie ist nicht dabei.“
Für einen Moment schien Schneider in sich zusammen zu sinken. „Ja. Ha, ha. Wäre ja auch zuviel zu erwarten gewesen, dass ausgerechnet sie ihre Karriere in der Admiralität aufgibt.“
„Ach, das hat sie schon.“, murmelte Ishihiro und verriet damit, dass seine Kontakte zu Amber Soleil, der ehemaligen stellvertretenden Kommandeurin der KAZE, besser waren als die von Schneider. „Nur hat sie ein anderes Ziel. Es heißt, sie kriegt ein eigenes Kommando.“
Justus grinste schief. „Dann wurde der Admiral, dem sie ein Brandzeichen im Gesicht verpasst hat, endlich pensioniert?“
„Nein, der Ausstoß an Schiffen ist mittlerweile so hoch, dass die Navy es sich nicht leisten kann, auch nur einen Offizier mit Fronterfahrung im Hinterland versauern zu lassen. Es heißt sie kriegt einen Zerstörer, wenn alles gut läuft.“
„Einen neuen?“
Ishihiro zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich glaube aber eher nicht. Sie wird wohl was mit ner Veteranenmannschaft kriegen, damit das Schiff wieder an die Front kann.“
„Davon hat sie mir bei unserem letzten Treffen gar nichts erzählt“, meinte Schneider bedauernd.
Wann immer die beiden Zeit fanden, besuchten sie einander. Leider war das in den letzten beiden Jahren nur fünfmal der Fall gewesen. Dafür waren sie aber auch über den gesamten Zeitraum des Besuchs nicht aus der Kabine raus gekommen.
„Ein Schmalschiff also. Gut für sie.“
Ishihiro nickte. „Und? Wann heiratest du sie endlich?“
Schneider prustete in seinen Whisky. „Was?“
„Wann du sie endlich heiratest. Oder willst du das Mädchen sitzen lassen?“
„Was redest du denn da? Sie ist…“
„Sie ist eine Offizierskollegin, Justus. Und sie dient nicht mehr unter dir. Also, wenn du sie nicht willst, dann schnappe ich sie mir“, drohte Haruka gespielt.
„Mach keine Sachen. Das beste Mädchen der Navy willst du? Nur über meine Leiche.“
„Dann heirate sie.“, schloss der Japaner trocken.

Justus brauchte etliche Minuten, um diesen Tiefschlag zu verdauen. Schweigend starrte er in sein Glas.
„Ich habe gehört, Justine kommt ebenfalls an Bord.“ Die Stimme Harukas klang beiläufig, als er es aussprach.
Die ehemalige Ärztin der KAZE war eine erfahrene Feldchirurgin, die sich während dem langen Dienst auf der alten MIDWAY mehr als einmal bewährt hatte. Zudem hatte sie gewusst, wie man die raue und individualistische Mannschaft des Schiffs zu nehmen hatte.
Schneider rechnete nicht damit, dass es auch nur eine Mannschaft in der ganzen Navy gab, mit der die Französin nicht fertig wurde.
„Was ist mit Li?“
„Lehrt immer noch an der Akademie“, erwiderte Haruka ernst. „Aber von den Verbrennungen ist nichts mehr übrig. Der Junge sieht wieder richtig gut aus. Und er ist sehr zufrieden auf seinem Job. Hat geheiratet, und wie es aussieht ist der Junge zum Bier kaufen auch schon unterwegs.“
„Ja,“, murmelte Justus. „Ja. Lassen wir ihn da wo er glücklich ist.“
„Carl könnte vielleicht zu uns stoßen“ versuchte Haruka den Freund zu trösten. „Ich habe gehört, du kriegst ein besonders großes Kontingent an Infanteristen. Wenn er dabei ist…“
„Ich kriege schon einen neuen Chef für die Marines. Ist ein hochdekorierter Captain, habe ich mir sagen lassen. Seine Akte liegt irgendwo in dem Stapel hier. Ich hatte noch keine Lust und keine Zeit, um rein zu schauen. Teufel, hoch dekoriert bedeutet eine von zwei Sachen: Entweder ist er waghalsig oder er zieht Ärger an wie Scheiße die Fliegen. Gefällt mir beides nicht.“
„Oder er hat im richtigen Moment das Richtige getan.“
„Auch möglich. Aber da ich die Menschen kenne, rangiert diese Möglichkeit auf den hinteren Plätzen.“
„Nanu? Was ist denn mit dir los, Justus? Seit wann bist du mit fliegenden Fahnen ins Lager der Pessimisten desertiert?“
„Hm. Die Navy war die letzten Jahre nicht gerade gut zu mir und denen, die unter mir dienten. Rechtfertigt das nicht einen gewissen Pessimismus?“
„Du hast damals für die KAZE die ONTARIO bekommen. Und jetzt kommandierst du einen Ticonderoga-Kreuzer – mit zugegeben experimentellem Antrieb – und wurdest zum Captain befördert. Nicht übel für einen Pessimisten“, stellte Haruka grinsend fest.

„Hast du mal wieder was von Igor gehört?“, fragte der Japaner nach einem Schluck Whisky.
„Ist jetzt Eins O, irgendwo in der Zweiten Flotte unter Renault. Er steht kurz vor einem eigenen Kommando, und so wie es aussieht wird es wohl ein Dickschiff werden. Ich gönne es ihm. Der alte Singh hat zwar in seinem Denken seine Spuren hinterlassen und ein gerüttelt Maß seiner Dickschädlichkeit, aber das Meiste, was der alte Inder zu vermitteln wusste, ist nützlich für jeden Offizier, der bereit ist zuzuhören.“
„Apropos. Was macht der alte Singh eigentlich?“
„Nachdem er seinen Schlaganfall auskuriert hatte, ging er an die Akademie. Er lehrt dort dreidimensionale Taktik, die Auswirkungen von Massenträgheit in Schwerelosigkeit und vierdimensionale Sprungphysik.“
„Typisch. Über den alten Turbanträger hast du immer gemeckert. Ich erinnere mich noch wie du mal gesagt hast: Der alte Mann bringt uns noch alle um. Und was ist? Klingt eher so, als wäre er dir ans Herz gewachsen und dein bester Busenfreund. Immerhin weißt du über ihn besser Bescheid als über deine eigenen ehemaligen Offiziere.“
„Ja, ich weiß, ich habe viel über ihn geschimpft, vor allem nach dem Debakel bei der Eroberung der Raumstation. Aber… Ich glaube, wir sind uns ähnlicher als ich damals gedacht habe. Und wenn ich nicht aufpasse, dann werde ich enden wie er. Abgeschoben auf einem Kapitänsposten, irgendwann ausgelaugt und todkrank von der Arbeit, dennoch ohne sie nichts wert…“
„Womit wir wieder bei Amber und dem heiraten sind.“, schloss Haruka messerscharf.
Er erhob sich. „So, ich sehe mir meinen neuen Posten mal an. Danke für den Scotch, Justus.“
„Wo willst du hin? Keiner wirft mir an den Kopf, dass ich das Mädchen meiner Träume heiraten soll und geht dann heimlich stiften.“ Schneider nickte in Richtung der Flasche. „Der Inhalt muss heute noch weg. Das ist ein Befehl, Commander.“
Ishihiro setzte sich mit einem breiten Grinsen wieder. „Na, wenn es auch ein Befehl ist…“
21.12.2015 06:48 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Ace

Wenn ich daran denke, wie ich an Bord der COLUMBIA kam… Als Veteran zur Fahne gerufen in einen Kampf, den alle für ein aussichtsloses Rückzugsgefecht hielten, integriert in eine Staffel trotziger und tapferer Piloten, täglich dem Sterben eigener und feindlicher Kameraden ausgesetzt und den eigenen Tod stets vor dem Auge, frage ich mich manchmal, was ich in den letzten Jahren geschrieben habe. In Momenten wie diesen nehme ich mir meinen Rechner vor, rufe willkürlich Dateien meiner Artikel auf, die ich an Bord geschrieben habe, und betrachte die Kolumne mit dem distanzierten Blick eines Mannes, der ein, zwei Jahre älter geworden ist und drei, fünf Akarii getötet hat.
Ich denke nicht: Gott, Chip, was hast du nur für einen Scheiß geschrieben.
Oder: Warum hast du dafür nicht den Pulitzer bekommen?
Nein, ich denke Dinge wie: Drei Tage nach diesem Artikel ist Jonston gefallen, frisch von der Akademie und auf den Ruf der unbesiegbaren Armada vertrauend, der Zweiten Flotte unter Renault.
Oder: Das war fünf Tage, nachdem Lilja ihren dreißigsten Abschuss erzielte.
Oder: Richtig, zu der Zeit haben wir erstmal Hoffnung geschöpft, dass wir die Akarii mit dem Schwung unserer Siege zurück über die Grenze jagen können.
…Nun sitze ich hier, blättere in den alten Texten und befinde mich dreißig Lichtjahre tief in einem Sternengebiet, das man allgemein Kernterritorium der Akarii nennt. Bis auf einige wenige anpassungsfähige und verwegene Frachtermannschaften hat dieses Gebiet noch kein Terraner befahren.
Ich war dabei, als wir zum ersten Mal auf akarisches Territorium kamen, um ein Gefangenenlager zu befreien. Ich war dabei, als wir die Von Braun-Linie übertraten, jenen Punkt, an der uns die Akarii laut theoretischer Überlegungen spätestens stoppen sollten.
Und ich war dabei, als Fall Schlieffen das Reich der Akarii in zwei Teile spaltete: Den größeren mit der Hauptwelt Akar und den kleineren, in dem wir Kronprinz Jor vermuten.
Ich sitze hier an meinem Schreibtisch, arbeite daran Sektionsführer zu werden, lese ab und an in den Briefen, die mir Fans meiner Kolumne schicken und frage mich: Ist es nicht langsam Zeit dafür, Frieden zu machen? Das Kämpfen und Töten zu beenden? Die Soldaten heimkehren zu lassen – uns und die Akarii?
Ich denke an Freunde, die ich an Bord habe, Jean zum Beispiel, die mit jungen achtzehn Jahren bei den Marines eingetreten war, weil sie glaubte ihr Bruder wäre im Kampf gefallen. Mittlerweile hat sie sich zum Sergeant hochgedient und ich befürchte, für ein normales Leben taugt sie nicht mehr.
Dorian, der erst vor einem Jahr zu unserer Staffel stieß. Ich komme gut mit ihm aus, wir teilen viele Interessen und auf Freigang unternehmen wir viel zusammen. Aber wenn er sich nachts zusammenkrümmt, weil er wieder von seiner schlimmen Zeit im Camp Hellmountain träumt, bin ich hilflos.
Oder Santiago, dem auch nach seinem vierzehnten Abschuss vor jedem Flug die Hände zittern.
Können wir nicht heimkehren? Wir haben den Krieg nicht begonnen, wir haben den Krieg nicht gewollt.
Ich erkenne in solchen Momenten: Genau deshalb können wir noch nicht aufhören. Denn es gibt da draußen jemanden, der diesen Krieg begonnen hat. Der ihn gewollt hat. Und der ihn geführt hat, effizient, rücksichtslos und grausam: Jor, der Thronerbe des Imperiums der Akarii.
Ich erkenne in solchen Momenten, dass wir ihn besiegen müssen, explizit ihn und niemanden sonst. Erst wenn er sich ergibt oder von unserer Hand stirbt, dann dürfen wir auf Frieden hoffen. Erst wenn der, der den Krieg begann, den Krieg nicht mehr fortsetzt, dann können wir wieder an unsere Heimat denken, die wir hier verteidigen, auf Akarii-Territorium. Mit unserem Blut, mit unserem Leben.
Ich glaube fest daran, dass wir alles daran setzen müssen, um Jor zu finden und zu besiegen.
Solange wird Jean weiterhin den Kommisskopf geben, solange wird sich Dorian nachts noch zusammenkrümmen, solange wird Santiago mit zitternden Händen aus dem Cockpit klettern.
Schaffen wir es nicht, werden wir diese schlimmen Tage einer späteren Generation als Wiederholung aufbürden. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was wir hier erreichen wollen. Wofür wir unsere normalen Leben aufgegeben haben. Wofür wir stehen.
Christian Chip Harris, von Bord der COLUMBIA, Position geheim.
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Cunningham

Bianca Wulff blickte auf ihren Compblock. Die endgültige Zusammensetzung ihrer Trägergruppe. Die Columbia operierte im Schutz von vier Großkampfschiffgeschwadern. Die Kreuzergeschwader 2.3 unter dem Kommando von Commodore Chris Mithel und 2.7 unter dem Kommando ihres Stellvertreters Rear-Admiral Halfort Mullins. Das Zerstörergeschwader 2.8 unter dem Kommando von Commodore Hellena Janzek und das zusammengewürfelte Fregattengeschwader 2.12 aus zehn Fregatten und vier Korvetten unter dem Kommando von Captain Alberto Tratti. Dazu kamen zwei Versorgungsschiffe, vollgestopft mit Raketen, Treibstoff, Nahrung, Zusatzsauerstoff, Löschmitteln und vielem mehr.
Eigentlich sollte sie froh sein, von sechsundvierzig Kriegsschiffen waren neunzehn Kreuzer. Diese Zahl relativierte sich jedoch: Zwei der rund zwanzig Kreuzer waren Flakkreuzer der Dauntless-Class. Darüber hinaus verfügte Kreuzerschwadron 2.7 neben seinem Dauntless über zwei Ticonderogas älteren Jahrgangs und die restlichen sieben waren leichte Kreuzer. Mithels Kreuzerschwadron 2.3 besaß drei schwere Ticonderogas, die Dauntless und fünf leichte Kreuzer. Womit ihre Hauptschlagkraft im Schiff-Schiff-Gefecht auf den Schultern von fünf schweren Kreuzern lag. Die beiden Flakkreuzer würden den Träger schützen und im Zentrum gebunden sein, zusammen mit einigen leichten Kreuzern. Die hintere Sicherung wurden hauptsächlich die Zerstörer übernehmen, unterstützt von Fregatten, die Korvetten würde sie wohl als Späher einsetzen.
Es passte Wulff gar nicht, dass die Fregatten ihre zweite Zerstörerschwadron ersetzten, Trattis Ruf als Draufgänger machte das nicht besser.
Von all ihren Geschwaderoffizieren traute sie Mithel am meisten zu. Er war gradlinig, raffiniert und routiniert in seinem Job. Auch wenn der Teufel ihm das Schinden persönlich beigebracht hatte.
Leider musste sich Mithel Halfort Mullins unterordnen. Mullins war auf Manticore in Gefangenschaft geraten und bei der Schlacht um Graxon befreit worden. Der allesverschlingende Krieg hatte Mullins wieder an die Front gezogen, manche sagten zu früh, aber er war wieder im Sattel, und der Krieg hatte dafür gesorgt, dass Mullins den Admiralsrang erkletterte, obwohl er unentschlossen und zögerlich war.
Hellena Janzek war ihr ein ganz und gar unbeschriebenes Blatt. Ihre Zeugnisse waren gut, die Perisher-Beurteilung geradezu meisterhaft.
Und doch, Waco hatte einige Gerüchte aufgeschnappt, der Captain der Columbia war ihr Ohr an der Buschtrommel der Flotte und hatte fast überall Kontakte und Leute die ihm Gefallen schuldeten. Waco war auf Janzek nicht gut zu sprechen, die beiden waren zur gleichen Zeit auf der Dolphin zum Perisher. Wulff vertraute auf Waco und auf dessen Gefühle.
Waco tauchte mit einem Commander im Schlepptau auf: "Diese Scheiß-Com-Quarantäne! Die hätten beinahe meinen neuen XO nicht durchgelassen. Schwachköpfe!"
Der Captain der Columbia deutete auf den Commander: "Ich muss Ihnen Commander George J. Long nicht vorstellen."
Die Admiralin nickte dem Commander zu: "George. Sie kommen gerade rechtzeitig zum großen Palaver und zur bestgerüsteten Fuchsjagd der Galaxis. Wie geht es Ihrem Vater?"
"Freut mich, dass ich es noch geschafft habe Ma'am. Dem Admiral geht es soweit gut, obwohl ihn sowohl der Tode von Curtis und später dann von Philip schwer getroffen haben. Ich glaube, er hat sogar versucht, mir und Mike `nen Stabsposten auf Terra zuzuschanzen, aber zurzeit werden wohl alle an der Front gebraucht."
"Oh, das mit Philip wusste ich nicht, mein aufrichtiges Beileid, George." Wulff legte dem jüngeren Mann die Hand auf die Schulter.
"Ist schon ne Weile her."
Hinter Wulff räusperte sich Commander Richard Nissler, ihr Nachrichtendienstoffizier.
"Ja, Nissler?"
"Die Geschwaderkommandeure sind jetzt vollzählig. Lone Wolf hat es nun endlich auch geschafft, sich herzubemühen."
"Dann wollen wir doch mal." Wulff deutete zur Tür.

"ACHTUNG! Admiral an Deck!"
Die vier Kommandanten der Großkampfschiffschwadronen, deren Stellvertreter, Lucas Cunningham und Diane Parker für die Angry Angels sowie Captain Rene Corbeau, Wulffs Stabscheffin, nahmen Haltung an.
"Bitte setzen Sie sich Herrschaften. Sie können rauchen, wenn Sie möchten, und die Schiffskombüse hat Sandwichs, Tee und Kaffee bereitgestellt. Es wird also etwas Längeres werden." Wulff setzte sich an den Kopf der Tafel. Nissler, für den ein Platz reserviert worden war, saß zwei Plätze links von seiner Kommandeurin. Waco und Long mussten am Fußende der Tafel Platz nehmen.
"Beginnen wir mit einer ausführlichen Statusmeldung der einzelnen Schwadronen, Admiral Mullins."
Der hünenhafte Schwarze zog angestrengt die Stirn kraus: "Alle Schiffe haben in den letzten Tagen neue Munition und anderweitige Vorräte gebunkert. Gefechtsschäden wurden behoben. Alle leiden etwas unter Unterbesetzung. Kritisch ist allein die Centauer, einer der leichten Kreuzer, viele der wichtigen Ressorts mussten von Junioroffizieren übernommen werden. Mein Stabschef prüft gerade, von welchen anderen Schiffen wir erfahrene Offiziere zur Centauer schicken können, ohne ein Loch zu reißen nur um ein anderes zu stopfen. Die Lochinel of Cameron wird derzeit von ihrem Ersten Offizier befehligt. Ein ausgezeichneter Mann, den ich gerne als Captain bestätigt hätte und schon zur Beförderung vorgeschlagen habe, dort dürfte es keine Probleme geben. Kreuzerschwadron 2.7 rudimentär einsatzbereit."
Mullins lehnte sich wieder zurück und begann eine Pfeife zu stopfen.
"Mir fehlt ein Schiff", begann Mithel unverblümt, "die anderen sind frisch aufmunitioniert und mit Proviant ausgestattet worden. Die übliche Unterbesetzung findet sich auch in meiner Schwadron. Die Relentless ist voll besetzt, dafür übernehmen die Ressortoffiziere der Relentless auch Geschwader-Stabsfunktionen, ich selbst habe die Relentless als zweiten Hut."
Wulff wandte sich der Zerstörerkommandantin zu: "Captain Janzek?"
"Nun, wir sind zwar vollzählig, aber die Alexander von Rissen hat schwere Panzerungsschäden an Backbord, die außerhalb einer Werft nicht reparabel sind. Ich würde die Rissen lieber hier lassen. Die Arnheim würde ich auch nicht wieder ins Gefecht werfen. Ihr Feuerleitradar ist immer noch ausgefallen und ein direkter Treffer hat ihr das Steuerbordmagazin aufgeschlitzt, sie kann nur die Hälfte der Anti-Schiff-Raketen tragen. Ferner würde ich dann auch gerne Leute von den beiden Schiffen abziehen, um bei den anderen jeweils die gröbsten Löcher zu stopfen, auch wir sind chronisch unterbesetzt."
Wulff nickte als hätte sie dem Wetterbericht gelauscht. ,Verdammte Scheiße!' "In Ordnung, wir lassen die Rissen und die Arnheim bei der Flotte, nehmen Sie, was Sie an Personal abschröpfen können. Captain Tratti."
Der Fregattenkommandeur nahm seine Zigarre aus dem Mund und grinste verwegen. Mithel bekam sofort Sodbrennen und musste an Tripple E Gonzales denken. ,Fregattenjockeys.'
"Tja, auch wir sind etwas untersetzt, aber das macht gar nichts, auf unseren Fregatten ist es eh immer etwas beengt. Die Schiffe haben Munition und Proviant frisch gebunkert. Keinerlei Schäden."
,Tja, zu meinem Sorgenkind' "Commander Cunningham, wie steht es um Ihre Jäger?"
"Besch ... eiden. Die Umrüstung ist noch voll am laufen."
"Umrüstung?" Wulff richtete sich auf.
"Yes, Ma'am, man hat uns dieses Teufelsgemisch der Echsen geschickt, weil unser eigener Saft knapp ist. Jetzt musste die Treibstoffzufuhr neu eingestellt werden. Dauert fast fünfzig Minuten pro Maschine."
"Und welche Probleme kommen auf uns zu?" Wulff hätte sich am liebsten die Haare gerauft, doch blieb sie jetzt ruhig sitzen. Sie konnte nachher noch Gegenstände durch ihre Kabine werfen.
"Für den Moment gar keine, die Reichweite unserer Maschinen steigert sich um etwa zwanzig Prozent. Das Problem ist, wenn wir wieder unser eigenes Kerosin bekommen, bevor unsere Bodencrews die Umrüstung wieder rückgängig gemacht haben, dann sinkt das Leistungsprofil um fast zwanzig Prozent. Das ist bei unseren Crusadern schon echt enorm."
Admiral Mullins beugte sich nach vorn und durchbohrte Cunningham mit seinem Blick: "Warum überhaupt die Umrüstungen? Wenn der Sprit so viel besser ist, müsste er doch bei gleicher Reichweite erheblich mehr an Beschleunigung und Geschwindigkeit bringen."
"In der Tat, leider nur solange bis dem Jäger die Triebwerke durchbrennen und diese im Raum treiben."
Schweigen legte sich über die Versammlung.
Noch einigen Augenblicken übernahm wieder Wulff das Wort: "Gut, nachdem der Status der Einsatzgruppe fest steht, ist es wohl an der Zeit Ihnen zu sagen, worum es geht:
Diese Operation soll eine für den Krieg entscheidende Aktion sein, die den feindlichen Widerstand, soweit er noch vorhanden ist, brechen soll. Ich weiß, jeder von Ihnen hat das schon öfter gehört, als Ihnen lieb ist, dennoch wenn diese Operation erfolgreich verläuft, könnte das Kriegsende schon sehr nahe sein.
Als die Akarii sich aus Beta Borealis zurückzogen, flüchteten einige von ihnen durch den Sprungpunkt Charlie in den Akarr abgewandten Teil des Akarri-Imperiums. Unter ihnen war die Korax ma Rah. Das Flaggschiff Prinz Jors.
Wir werden ausgeschickt, die Korax ma Rah zu stellen und zu vernichten oder zu erobern, den Prinzen gefangen zu nehmen oder zu töten."
In das verblüffte Schweigen der Gruppe ließ Tratti einen Rebellenschrei hineinschallen: "Wir reißen der Chefechse die Eier ab!"
Alle anderen Offiziere blickten den Fregattenkommandeur an, dann ergriff auch sie das Jagdfieber, wie eine Epidemie ergriff es einen jeden einzelnen, selbst Wulff wurde jetzt im Nachhinein von der Euphorie ergriffen.
Einzig allein Richard Nissler lief es eiskalt den Rücken runter, als er die gespannte Erwartung sah, die Gier nach Blut.
Nachdem sich der wilde Funke wieder gelegt hatte, begann Nissler mit seinem Vortrag.
Vermutete Aufstellung und Stärke des Akariiverbandes. Vermuteter Status der einzelnen Schiffe. Vermuteter Status des Bordgeschwaders der Korax ma Rah. Vermuteter letzter Standort des Akariiverbandes. Vermutetes dieses und vermutetes jenes.
Als letztes wurde besprochen wie es vermutlich am günstigsten sei, den Akariiverband anzugehen.
Schließlich stellte Alberto Tratti die lang gefürchtete Frage: "Wenn wir nun mit den Akarii fertig sind, wir noch leben, deren Schiffe nicht mal mehr den Namen brennende Wracks verdienen und nur noch lauter Rettungskapseln durchs All schweben, was machen wir dann? Wenn Jor nicht mit dem Jagdgeschwader draußen war, sondern an Bord der Korax ma Rah die Sache ausgesessen hat?"
Ein kurzes bedrücktes Schweigen.
"Werden wir dann die Rettungskapseln einzeln durchsuchen?" Wollte Janzek wissen.
"Haben unsere Flieger den Befehl die Kapseln abzuschießen?" Rear-Admiral Mullins Blick wanderte zu Cunningham.
Dieser präsentierte eine oskarreife Unschuldsmine: "Sir?"
Ein hauch Herbstfrost schwang mit Diane Parkers Stimme mit: "Der Admiral möchte wissen, ob unser Geschwader den Befehl erhalten hat, auf Akarii-Rettungskapseln zu schießen."
"Nein, hat es nicht", fuhr Wulff wütend dazwischen, Cunningham mit dem Blick am Stuhl festnagelnd, "und wird dieses Geschwader auch nicht."
Es senkte sich erneut Stille über die Versammlung, doch als Commander Nissler gerade fortfahren wollte mit der taktischen Analyse, ergriff Cunningham das Wort: "Was aber machen wir im schlimmsten Fall Ma'am?"
"Wie bitte?"
"Was werden wir tun, wenn wir einen Haufen Rettungskapseln im All haben, jedoch keinen gefangenen oder toten Prinz Jor zu unseren Füßen und wir sogar schlimmsten Falls schnell weg müssen, was machen wir dann?" Cunningham faltete die Hände und fixierte nun Wulff.
"Das, Commander, entscheide ich, wenn es soweit ist." Die Admiralin wirkte nachdenklicher.
21.12.2015 06:49 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cattaneo

Der nicht erteilte Befehl

Das Klopfen an der Tür ließ Commander Cunningham aufblicken. Er schaute kurz auf die Uhr – pünktlich auf die Minute. Der Geschwaderchef verzog leicht die Lippen. Es blieb nur zu hoffen, dass auch in anderer Hinsicht alles wunschgemäß lief. Es wäre nur schön gewesen, wenn er sich hätte sicher seien können. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Und außerdem musste es schließlich erledigt werden, so oder so. Er straffte sich: „Herein!“
Die Frau, die das Büro betrat, erstarrte sofort in einer vorbildlichen Ehrenbezeigung: Den Rücken durchgedrückt, Hacken zusammengeschlagen, die Hand im genau richtigen Winkel an der Stirn, und auch die Uniform zeigte keinerlei Extravaganzen oder Nachlässigkeiten. Ihre Augen blickten geradeaus, das Gesicht verriet keinerlei Emotionen: „Lieutenant Commander Pawlitschenko meldet sich wie befohlen!“
Trotzdem er sich etwas unbehaglich fühlte, musste Lone Wolf fast grinsen. So zackig reagierten viele Offiziere und Soldaten nur, wenn sie eine Standpauke zu erwarten hatten. Hier hingegen…
Das sagte freilich immer noch nichts darüber aus, ob die Frau vor ihm die richtige war. Wenn er sich irren sollte, dann würde das für ihn möglicherweise schwere Konsequenzen haben. Und „für ihn“ bedeutete in diesem Fall NUR für seine Person, denn die höherrangigen Mitwisser würden ihn noch vorm ersten Hahnenschrei dreimal verleugnen, um ihre Haut zu retten. So lief es nun einmal beim Militär – der Sieg hatte viele Väter, die Niederlage nur einen. Und für die Schande galt dies noch mehr.
Im Grunde widerstrebte ihm die ganze Sache auch selber – aber auf der anderen Seite sah er die Beweggründe dahinter ein. Bloß wäre es schön gewesen, wenn der Kelch EINMAL an ihm vorbei gegangen wäre. Aber vermutlich galt er seit Troffen als ein „guter“ Kandidat für solche Dinge. Oder war das schon Paranoia?
Doch vom Warten löste sich sein Problem auch nicht, egal wie lange er noch darüber nachsinnen mochte.
„Rühren.“ Meinte er knapp, und fügte mit der freundlichsten Stimme zu, die ihm zur Verfügung stand: „Sie können sich setzen.“
Lilja folgte dem Befehl, doch es entging Lone Wolf nicht, dass sie sich fast unmerklich anspannte. Innerlich schalt er sich einen Anfänger – die freundliche Tour war bei Lilja offenbar eher fehl am Platz. Die Russin schien sich zu fragen, was der Commander von ihr wollte, und aus irgendeinem Grund schien sie nicht mit etwas angenehmem zu rechnen.

Nun, das ließ sich nicht ändern. Immerhin konnte Commander Cunningham zu seiner Verteidigung vorbringen, dass er so etwas das erste Mal machte. Überhaupt eine dumme Situation – wie fing man so ein Gespräch am besten an? Davon stand nichts in den Handbüchern, und die Erfahrung lehrte einen auch wenig zu dem Thema. Er konnte eben nur sein Glück versuchen, wohl wissend, dass er mit dem Zweit- oder Drittwertvollsten spielte, das es für ihn gab. Mit seiner Karriere.
„Sagen Sie, Lilja“, er benutzte ihr Callsign auch, weil er hoffte, sie würde sich etwas entspannen, „wie macht sich der neue Sprit eigentlich bei Ihren Maschinen?“
Die Russin ließ sich nicht anmerken, dass sie sich vielleicht fragte, warum der Commander derartige Auskünfte nicht bei der Staffelchefin einholte oder bei der technischen Abteilung: „Sie arbeiten akzeptabel. Wir haben nur einige kleine Ungenauigkeiten beseitigen müssen, die in Folge der Neukonfigurierung des Antriebes auftraten – leichter Leistungsabfall beim Einsatz des Nachbrenners vor allem. Ich habe die Maschinen alle doppelt und dreifach überprüfen lassen, und sie laufen jetzt problemlos. Ich schätze allerdings, wir sollten sie weiterhin regelmäßig überprüfen.“ Cunningham nickte, obwohl es ihm im Grunde relativ egal war. Ähnliche Meldungen hatte er auch von den anderen Staffeln bekommen, inzwischen waren aber die Unregelmäßigkeiten, die bei einer Handvoll Maschinen aufgetreten waren, beseitigt worden.
„Gut, tun Sie das.“ Er zögerte, aber um den heißen Brei herumzureden brachte ihn nicht weiter: „Was ich Ihnen jetzt sage, hat unter uns zu bleiben. Und NUR unter uns. Sie wissen ja, dass wir uns bereit machen, den Marsch wieder aufzunehmen. Gestern wurden die Schiffskommandeure entsprechend gebrieft – wir werden Jor und sein Flaggschiff, die Korax ma Rah verfolgen und den Prinzen ausschalten. Er ist zusammen mit einigen weiteren Schiffen vom Rest des Akarii-Imperiums abgeschnitten worden. Das ist unsere Chance, den für den Kriegsausbruch Verantwortlichen aufzuspüren und vielleicht den Krieg mit einem Schlag zu beenden.“

Jetzt zeigte die Russin allerdings eine deutliche Reaktion. Sie beugte sich leicht vor und errötete. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, ihre Augen funkelten. In diesem Augenblick wirkte sie, nun ja, schön, wie der Commander mit leichter Belustigung registrierte. Die Aussicht, der Chefechse an die Kehle zu gehen, war für sie offenbar so etwas wie die Erfüllung eines Herzenswunsches. Nicht sehr verwunderlich, wenn man alles zusammennahm, was er über sie wusste.
„Wunderbar!“ ihre Stimme klang beinahe atemlos. „Das ist…Darauf habe ich den ganzen Krieg über…“
Erst jetzt schien sie zu bemerken wie sie sich benahm. Sie errötete noch mehr und setzte sofort wieder eine bemüht professionelle Miene auf: „Verzeihen Sie, Sir. Die Aussicht darauf hat mich…Es wird nicht wieder vorkommen.“ Natürlich, die Eisprinzessin wollte nicht unprofessionell erscheinen.
Mit betont ruhiger Stimme fuhr sie fort: „Aber wieso sagen Sie mir das? Ich vermute, der Rest des Geschwaders wird es auch bald erfahren – warum teilen Sie es mir unter vier Augen schon vorher mit?“
Cunningham räusperte sich. Natürlich, dumm war sie nicht, und sobald sie die erste Euphorie überwunden hatte, war ihr die Merkwürdigkeit an diesem Treffen aufgefallen.
„Sie sind eine ausgezeichnete Pilotin – eine der besten an Bord und darüber hinaus. Ich denke, das brauche ich Ihnen nicht extra zu sagen. Sie haben bei zahlreichen Gelegenheiten Mut und Stärke bewiesen, auch in aussichtslosen Situationen. Außerdem sind Sie auch jemand, der das Zeug zum Offizier hat – Sie können Befehle befolgen, selbst wenn sie gefährlich sind, Sie können sich aber auch selbst ein Bild von der Lage machen und entsprechend handeln. Ich habe das schon frühzeitig bei Ihnen erkannt und stets versucht, Sie entsprechend ihrer beträchtlichen Fähigkeiten einzusetzen, und Sie haben mich nie enttäuscht.“
Der Commander registrierte sehr wohl, wie Lilja auf seine schamlose Lobhudelei reagierte. Ihr Drang danach, fachlich anerkannt zu werden, war wohl neben ihrem Hass auf die Akarii die zweite große Bresche in dem Panzer, die sie um ihre Gefühle gelegt hatte. Die Russin war erneut tiefrot angelaufen, und obwohl sie sich bemühte, bescheiden oder gar abwehrend zu wirken, war ihr der Stolz deutlich anzumerken.
Ein anderer Mann hätte sich vielleicht geschämt, so die Schwächen anderer auszunutzen, aber Cunningham hatte schon früh gelernt, dass man eben am besten dort ansetzte, wo man die meiste Wirkung erzielte. Außerdem, so rechtfertigte er sich, ging es ja um nichts unmoralisches, er gab nur einen notwendigen Befehl, oder besser eine Empfehlung, weiter…

„Danke, Sir. Ich glaube aber, ich verdiene so viel Lob gar nicht.“ murmelte Lilja. Ihrem Gesichtsausdruck nach fühlte sie sich Augenblick vermutlich so, als wäre ihr der Silver Star verliehen worden. Ihre Abwehr klang halbherzig – vermutlich weniger, weil sie der Meinung war das Lob zu verdienen, sondern vielmehr, weil sie ihm glauben wollte. Sie hoffte, er würde die Wahrheit sprechen, weil dies genau das Bild war, das sie bei anderen Leuten machen wollte.
„Oh doch, Sie verdienen es durchaus. Sie brauchen sich bloß Ihre eigenen Leistungen anzusehen. Falsche Bescheidenheit ist ebenso fehl am Platze wie übertriebene Selbstsicherheit, das dürfen Sie nie vergessen.
Nun, was ich damit auch sagen wollte, ist folgendes…“
Cunningham setzte sich zurecht, und ließ seine Stimme jetzt etwas leiser und vertraulich klingen.
,In irgendwelchen drittklassigen Streifen würde der Chef jetzt versuchen, das Mädchen ins Bett zu bekommen. Oder Sie zu irgendeiner anderen krummen Tour zu überreden’ dachte er zynisch. Hier ging es freilich um wesentlich ernstere Dinge.
„Wie ich schon sagte, dies ist unsere Chance, den Krieg zu beenden. Prinz Jor hat den Angriff auf uns zu seinem Programm gemacht, und er ist immer noch Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Letzten Endes ist er damit für diesen Krieg verantwortlich, besonders für den Angriff auf Manticor und alles was damit zusammen hängt. Fällt er aus, dann können wir hoffen, dass die Akarii endlich aufgeben.“
Lilja nickte. Sie musste vermutlich an die ersten Kriegswochen denken, und an das, was diese sie gekostet hatten. Und genau das hatte Cunningham ja auch im Sinn gehabt: „Würde mich freuen, wenn wir die verdammte Echse vor Gericht stellen können oder seinen Jäger abschießen.“ Der Hass in ihrer Stimme war kaum zu überhören. ,Gut’ dachte Cunningham. Obwohl es etwas anderes war, solche Sprüche von sich zu geben, oder kalten Blutes auf Rettungskapseln zu schießen. Er selber hatte einmal einen Akarii umgebracht, damals, nach Pinpoints Tod. Aber das hier…
„Aber das ist natürlich nur der Fall, wenn wir ihn gefangen nehmen oder töten können. Sollte er entkommen, dann ist zu befürchten, dass er den Kampf fortsetzt. Ich bin überzeugt, dass wir die Akarii auch so schlagen werden, aber es könnte noch mehr Zeit und Blut kosten.“
Die Russin schien ihm zuzustimmen. Ob sie ahnte, wohin das Gespräch führte, ließ sie sich jedoch nicht anmerken.
„Wenn er an Bord eines Schiffes ist, dann können wir das Schiff vernichten oder aufbringen. Und wenn er sich in seinen Jäger setzt… Nun, ich denke, dann werden wir ihm schon heimleuchten. Ich verlasse mich da auf Sie und die anderen.“ Er zögerte, wog scheinbar jedes Wort sorgfältig ab.
„Ein Problem aber könnte es geben. Was machen wir, wenn sein Schiff vernichtet wird, und alles ist voller Rettungskapseln – oder wir können nicht genau feststellen, wer von den ausgestiegenen Piloten Jor ist? Es könnte sein, dass wir schnell verschwinden müssen. Jor wird sicher versuchen, alles an Streitkräften um sich zu scharen, was greifbar ist. Und vielleicht schickt ihm der Imperator auch Entsatz. Wir sind nur eine Trägerkampfgruppe, wenn sie ein Schiff der Homefleet aktivieren…“
Er ließ den Satz ausklingen. Jetzt kam es darauf an. Würde Lilja die Implikationen seiner Worte von sich weisen? Noch würde das nicht ausreichen, ihm einen Strick zu drehen, auch wenn Wulff ihm vermutlich die Hölle heiß machen würde. Oder würde die Russin sich dumm stellen? Der Sinn seiner Worte war eigentlich kaum falsch zu verstehen.

Lilja musterte ihren Geschwaderchef. Aber sie zögerte nicht lange: „Dann müssen wir eben sicherstellen, dass Jor in keinem Fall von den Akarii aufgesammelt wird. Um jeden Preis.“ Und in ihren Augen war deutlich sichtbar, dass sie verstanden hatte.
Cunningham unterdrückte ein Aufatmen, freilich eins, das gemischt war mit Unbehagen. Die Schnelligkeit und Bereitwilligkeit, mit der Lilja auf seine Andeutungen einging, ließen ihm fast einen Schauer den Rücken herunter laufen. Nun, er hatte manchmal bei der Russin so einen Eindruck gehabt, als hätte sie ähnliche „Erfahrungen“ mit solchen Dingen wie er.
Blieb nur zu hoffen, dass sie es sich nicht noch anders überlegte. Aber nein, das war unwahrscheinlich.
„Wie gesagt – das bleibt unter uns. Und nur unter uns. Vermutlich kommt es ohnehin nicht dazu. Aber…“ er zögerte: „wenn es doch dazu kommen sollte – Sie wissen was das heißt? Auf Ihre Vorgesetzten können Sie sich dann nicht berufen. Offiziell hat dieses Gespräch nie stattgefunden, und ein Befehl in dieser Hinsicht wurde nie erteilt, da waren die da oben sehr eindeutig.“ Er verschwieg, dass er es ähnlich halten würde, das war Lilja vermutlich ohnehin klar.
Die Russin straffte sich: „Wenn ich nicht bereit wäre, für meine Heimat Opfer zu bringen, wäre ich nicht Soldatin geworden. Es spielt dabei keine Rolle, ob man das Opfer auch zu würdigen weiß.“ Offenbar schien ihr diese Floskel zu genügen, sie glaubte ganz augenscheinlich daran.
Ihre Augen funkelten erneut, diesmal aber vor Hass, als sie hinzufügte: „Und wenn mir der Teufel den Tod von Prinz Jor im Tausch gegen meine Seele anbieten würde, dann ließe ich ihn nicht einmal ausreden. Nicht, dass ich an so etwas wie Teufel glauben würde.“
Cunningham nickte. „Ausgezeichnet. Ich wusste, Sie würden mich nicht enttäuschen. Sie können wegtreten. Und… Danke.“
Lilja lächelte knapp und salutierte: „Ich diene der Republik!“ Als sie ging, ließ sie nicht eine Sekunde Zweifel oder Zögern erkennen – vielmehr schritt sie beschwingt aus.
Der Commander seufzte, als die Tür ins Schloss fiel. Blieb nur noch die Frage, ob er sich zur Sicherheit auch noch mit Skunk unterhalten sollte…
21.12.2015 06:50 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Tyr

„…vermeiden Sie jedoch, dass die Angriffe vorhersehbar sind. Im Rahmen einer Staffel muss den einzelnen Sektionen innerhalb der gesetzten Einsatzparameter eine gewisse Eigenständigkeit gelassen werden, damit die notwendige Flexibilität erhalten bleibt. Der Versuch, ALLE Sektionen so zu führen wie die eigene, kann Sie leicht überfordern, oder Ihr Vorgehen berechenbar machen. Und Berechenbarkeit im Kampf ist der sichere Tod.“ Montys Stimme klang ruhig und gleichmäßig, reichte jedoch, um den kleinen Raum auszufüllen. Er war kein besonders guter Sprecher, seine Talente lagen auf anderen Gebieten, dennoch lauschten seine Zuhörer aufmerksam. Es waren nicht viele, nur sieben Männer und Frauen, alle im Rang eines First Lieutenant. Einige waren Sektionsführer, aber nicht alle – und sie alle hatten den Ehrgeiz, zum Lieutenant Commander, zum XO oder sogar Führer einer Staffel aufzusteigen. Deshalb waren sie auch hier.
Die Idee kam von Monty, der einerseits eine recht hohe Meinung von seiner eigenen Kompetenz hatte, und andererseits sich offenbar in der Rolle als XO der Schwarzen Staffel nicht ganz ausgelastet fühlte. Die Energie des kleingewachsenen, eher unscheinbaren Lieutenant Commander war ebenso beeindruckend wie seine Fähigkeiten – und sein Ego. Einige Monate nach seiner (erneuten) Beförderung zum Lieutenant Commander hatte er deshalb begonnen, interessierten Piloten auf eher informeller Basis und im Rahmen ihrer Freizeit einige der Kniffe beizubringen, die er im Laufe seiner Karriere gelernt hatte. Mit der Zeit hatte es sich eingebürgert, dass auch einige der anderen Veteranen gelegentlich mal als „Lehrer“ agierten, wenn sie denn die Zeit fanden. Der Sinn der Sache war, die First Lieutenants, die den Ehrgeiz und das Zeug dazu hatten weiterzukommen, auf ihrer zukünftigen Aufgaben vorzubereiten. Oder, wie es Monty ebenso kurz wie prägnant formulierte: „Besser ein überqualifizierter Sektionschef, als ein überforderter Staffelführer“. Das bedeutete aber auch, dass Monty sich das Recht heraus nahm, Leute die er als ungeeignet ansah, einfach rauszuschmeißen. Das hatte ein paar Mal zu bösem Blut geführt, aber der Lieutenant Commander kümmerte sich nicht um gekränkte Eitelkeiten.
Jetzt blickte er auf, und schien die Anwesenden kurz zu mustern. Vielleicht suchte er auch nach einem Zeichen von Unaufmerksamkeit: „First Lieutenant Mitra, wenn Sie bitte nach vorne kommen würden?“
Kali verdrehte kurz die Augen, was allerdings nur Ohka sah, der sich ein Grinsen verbeißen musste. Dann stand sie auf und ging zu der Projektionstafel, die Monty für den „Unterricht“ organisiert hatte.
„Planbeispiel Nummer Zwei: der Angriff auf einen feindlichen Nachschubskonvoi.“ Auf der Holotafel erschienen die Symbole für die Akarii, Frachter und Geleiter, und für zehn Nighthawks. Auch wenn die Nighthawk vor allem als Überlegenheitsjäger konzipiert war, die massive Panzerung und die guten Schilde, die schweren Bordwaffen und das umfangreiche Raketenarsenal machten sie auch zu einem gefährlichen Schlachtflieger. Bei den Angry Angels hatte sich gerade die Schwarze Staffel in diesem Bereich schon ein paar Mal bewährt. Und Monty liebte diese Sorte von Einsätzen.
Unter den wachsamen Augen des Lieutenant Commander dirigierte Kali „ihre“ Staffel zum Angriff. Anschließend wurden die einzelnen Manöver durchdiskutiert. Monty erwartete, dass jeder sich an der Bewertung beteiligte.
Die Bewertung einiger bei erbeuteten Fracht- und Geleitschiffen festgestellter Feldmodifikationen bildete den Abschluss. Wie die Erdstreitkräfte verbesserten die Echsen ihre Schiffe ständig. Der zunehmende Druck, den die TSN auf sie ausübte, hatte allerdings dazu geführt, dass provisorische und Feldumrüstungen überwogen. Dies hatte schon bei manchen Einsätzen für zumindest unangenehme Überraschungen gesorgt.
Immerhin, der heutige „Abendkurs“, wie manche Piloten die Veranstaltung spöttisch nannten, war ganz gut abgelaufen. Diesmal hatte Monty keinen der Anwesenden nach Strich und Faden zusammengeschissen.
„Das wäre alles für Heute. Weitere Übungsflüge und Simulationen erhalten Sie.“ Monty zögerte kurz, während er seine Unterlagen sortiere: „Lieutenant Nakakura – Sie bleiben.“
Kano war überrascht. Kali warf ihm kurz einen fragenden Blick zu, den er nur mit einem leichten Schulterzucken beantworten konnte. Mit gemischten Gefühlen wartete er darauf, dass sich Monty ihm zuwandte. ‚Hoffentlich hat Renegade nicht schon wieder irgendwelchen Mist gebaut.’
„Sie fliegen noch einmal raus.“
„Aber wir haben doch erst in acht Stunden Patrouille. Und die Maschinen sind noch in der Umrüstung.“
„Das waren sie. Ihre Sektion müsste gerade jetzt fertig werden. Wenn nicht, dann ist der Teufel los. In einer halben Stunde wird die ‚Strider’ in das System springen – ein Frachter. Angesichts des Debakels mit dem Akarii vor ein paar Tagen will die Führung, dass jeder Nachschubsfrachter eine eigene Eskorte erhält. Und außerdem können Sie so feststellen, ob die Techniker gute Arbeit geleistet haben.“ Monty lächelte frostig: „Alles klar?“
„Jawohl.“
„Gut. Dann trommeln Sie die Leute raus. Die Patrouille fliegen Sie trotzdem, das heißt wenn keine Mängel festgestellt werden. Renegade kann sich mal an Einsatzbedingungen gewöhnen.“ Auch wenn Monty sich so korrekt wie üblich verhielt, eine besonders hohe Meinung hatte er nicht von dem neuen Piloten in Kanos Sektion. Aber da war er natürlich nicht der einzige. Was Teil des Problems war.

Die anderen Piloten der Sektion Drei waren schnell aktiviert. Goliath nahm es mit Gleichmut, dass man ihn aus dem Schlaf riss – als Ex-Marine war er wohl einiges gewohnt. Crazy fluchte allerdings derartig rüde, dass ein paar vorbeikommende Matrosen Beifall klatschten. Renegade…er fluchte zwar nicht so nachdrücklich wie Crazy, aber nach seiner Miene fasste er den Befehl als eine persönliche Beleidigung auf, eine Schikane von Monty. Kano hatte beinahe geseufzt. Der Pandoraner hatte ein erhebliches Problem mit seinem Selbstwertgefühl. Und leider musste Kano damit klarkommen.

Tatsächlich waren die vier Maschinen der Sektion Drei bereits umgerüstet und wurden gerade betankt und mit Raumkampfraketen bestückt. Kano winkte die anderen Piloten in ihre Maschinen, nahm sich selber allerdings kurz Zeit, um mit dem Chef der Bodencrew zu sprechen. Das Verhältnis zwischen Piloten und Technikern schwankte, aber die meisten Veteranen versuchten, ein gutes Verhältnis mit den Techs zu haben.
Der Chief äußerste sich etwas skeptisch über die Umrüstung – und über das ständige ‚Schnell, Schnell’ Montys.
Während die letzte Rakete an den Außenpylonen befestigt wurde, kletterte Kano in das Cockpit: ‚Hoffentlich wird das ein ruhiger Flug’. Solange weder der Chief noch Monty ganz überzeugt von den auf Akarii-Sprit umgerüsteten Jägern waren, wollte Kano keinen Feldtest auf die harte Tour: „Ohka an Alle. Behaltet die Instrumente im Auge, achtet auf Reaktion, Beschleunigung und Schub. Ich will über JEDE Unregelmäßigkeit informiert werden.“
Binnen ein paar Sekunden schleuderte das Startkatapult die vier Jäger in den Weltraum. Die Jäger formierten sich zu einer lockeren Marschformation und beschleunigten.
Kano ließ den Kopf kreisen und lehnte sich so bequem es ging zurück. Der Flug würde eine Stunde dauern. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass sie gut im Zeitplan waren.

Renegade hätte am liebsten laut geflucht, wenn er nicht befürchtet hätte, dass er abgehört wurde. Es war immer das gleiche. Wie in der Ausbildung. Sie ließen ihn einfach nicht in Ruhe. Egal wie viel Mühe er sich gab. Für ihn blieben nur die sinnlosesten Routineübungen und –einsätze übrig. Und wenn dann auch noch so ein verdammter Schleicher wie Monty oder so ein Karrierist und Paragraphenreiter wie Ohka das Kommando hatten…
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er fühlte, wie der Steuerknüppel in seiner Hand kurz zu vibrieren schien. Renegade packte automatisch fester zu, hielt den Kurs. Kurz hatte er den Eindruck, dass sich ein neuer Ton in das stetige Dröhnen des Triebwerks mischte. Die Schubanzeige flackerte kurz auf. Wütend schlug Renegade mit der linken Hand gegen die Anzeige. Er hätte es wissen müssen. Das waren bestimmt die Techs gewesen. Natürlich war die Maschine eines Pandoraners…
Jetzt hatte sich die Anzeige wieder beruhigt. Auch das Triebwerk arbeitete wieder gleichmäßig und der Steuerknüppel lag ruhig in seiner Hand. Renegade überlegte kurz, ob er Meldung machen sollte, verwarf dann aber den Gedanken. Ohka würde eine Meldung nur als defätistisches Gerede werten – vor allem, da ja die Maschine jetzt wieder fehlerfrei lief.

Die vier Nighthawk erreichten den Sprungpunkt pünktlich. Auf Kanos kurzen Befehl gingen sie in Warteposition, stoppten mit Gegenschub ihre Maschinen. Während Kano mit den Manöverdüsen seine Position zu den anderen Maschinen anglich, überflog er noch einmal die Radaranzeige. Aber da war nichts – nur der leere Raum. Jeder Akarii – überhaupt jedes größere Objekt im Umkreis von etlichen tausend Meilen – würde auffallen wie eine Leuchtkugel in einer mondlosen Nacht. Nun ja, so blieben die Piloten in Übung. Wenn er die Zahl der ergebnislosen Übungs-, Patrouillen-, und Eskorteflügen mit den Einsätzen verglich, bei denen es Feindberührung gegeben hatte, dann ergab sich ein fast schon groteskes Verhältnis. ‚Davon sagen sie dem Frischfleisch nicht, wenn sie es für die Akademie ködern…’
Die „Strider“ war erstaunlich pünktlich, sie kam mit nur einer halben Stunde Verspätung – die Nachschubeinheiten der TSN hatten den, eigentlich etwas übertriebenen, Ruf der Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. Der Captain der „Strider“ war hörbar froh über die Eskorte. Schlechte Nachrichten wie der vagabundierende Akarii sprachen sich schnell herum. Und wo ein Akarii war, da konnten natürlich noch mehr sein.

Eine Stunde später erreichten die Nighthawks wieder die Columbia. Kano überschlug kurz die Zeit, die ihm noch bis zur nächsten Patrouille blieb. Knapp sechs Stunden, das reichte um zu schlafen und vor dem Einsatz noch schnell einen Happen zu essen. Wenn sie erst mal wieder im Fronteinsatz waren, dann würden sie hingegen durchaus auch zwei, drei Kampfeinsätze hintereinander fliegen…

Während die Bodencrew sich bereits wieder der Maschinen annahm und das erste der Frachtshuttles der „Strider“ andockte, versammelte Kano noch einmal die Piloten seiner Sektion um sich – auch wenn er sich wahrscheinlich nicht besonders beliebt machte. Auch die anderen wollten vor dem nächsten Einsatz noch eine Mütze Schlaf nehmen.
„Gab es irgendwelche Probleme mit den Maschinen? Unregelmäßigkeiten?“ Ohka sah die Männer der Reihe nach an. Einer nach dem anderen verneinten sie. Renegade überlegte kurz. Wenn er den Vorfall meldete, dann würde dies bedeuten, so wie er diesen verkniffen Japs kannte, dass er nicht eher Schlaf bekommen würde, als bis der mögliche Fehler gefunden war. Und wenn es sich am Ende dann heraus stellte, dass es gar keinen Fehler gab, dann würde er wieder den ganzen Ärger abbekommen. Außerdem wurden die Maschinen sowieso jeden Tag gewartet. Die Techs konnten ruhig mal die Arbeit machen, für die sie bezahlt wurden. Also schüttelte auch er den Kopf.
22.12.2015 08:10 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ironheart

Kapitänskajüte, An Bord der KAMI
Im Beta Borealis System

In seiner Kabine angekommen widmete sich Justus Schneider den Unterlagen des Infanteriekontingents, das ihm bald zur Verfügung gestellt werden würde. Er nahm sich zunächst die Akte des kommandierenden Offiziers vor. “Major Hue Xha Bao” murmelte Justus Schneider vor sich hin, und gleich mehrere Assoziationen klingelten in seinem Kopf. Ein Major? Er blätterte weiter und seine Verwirrung wuchs. In der Regel verfügte ein Ticonderoga nicht über ein Infanteriekontingent, das eines Majors bedurfte. Und der Name Hue Xha Bao kam ihm auch merkwürdig bekannt vor. Woher kannte er nur diesen Namen? Dann erblickte er den Namen der Einheit, die bald auf sein Schiff kommen würde und die ersten Puzzlestücke fielen an ihren Platz. Das zweite Bataillon des 217ten Sturmregiments des Marine Corps!!! Schneider pfiff unwillkürlich durch die Zähne und ging die letzten Einsätze des 217ten durch, welche erst vor knapp zwei Jahren gegründet worden war. In der Schlacht um Beta Borealis hatte das Regiment einen angeschlagenen Kreuzer der Akarii gekapert und sich dann anschließend an die Erstürmung der Hauptraumstation des Systems gemacht. Was am Anfang des Krieges noch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, war in diesem Status des Konflikts zwar immer noch ambitioniert, aber bewegte sich im Rahmen des Machbaren. Auch wenn die Station ihnen schließlich kampflos übergeben worden war, war sich Schneider sicher, dass das 217te die vorderste Speerspitze gespielt hätte, hätten sie die Station doch gewaltsam einnehmen müssen.

Genauso wie sie es im Velorha-System gemacht hatten. Schneider erinnerte sich an Berichte über diesen Einsatz, wonach Spezialeinheiten der Marines die gigantischen Velorha-Dockanlagen gestürmt hatten und deren Selbstzerstörung verhinderten. Das 217te hatte dabei eine tragende Rolle gespielt und hatte schließlich die dort festgesetzte Deutschland befreit. Ein Einsatz der dem 217ten Sturmregiment Ruhm und Ehre und den Überlebenden haufenweise Auszeichnungen eingebracht hatte. Nur hatte es nicht sehr viele gegeben. Doch diejenigen, die diesen Einsatz überstanden hatten, hatten die Einheit wieder aufgebaut. Das ursprünglich aus zwei Bataillonen bestehende Regiment sollte auf drei erweitert werden und die Vorbereitungen hierzu waren bereits in vollem Gange, auch wenn das dritte Bataillon derzeit nur mehr aus einer verstärkten Kompanie interimsweise unter der Leitung eines gewissen Carl Johansson stand. Schneider grinste jetzt über beide Wangen. Das war also aus Carl geworden! Er hatte seinen früheren Untergebenen in der letzten Zeit aus den Augen verloren und freute sich jetzt umso mehr, als er erkannte, dass Johanssons verstärkte Kompanie an Bord der Repulse Dienst tun würde.

Er ging die Chronologie der Einsätze des Regiments weiter durch: Kaperung etlicher Transporter in der Schlacht um Groshen, Sturm auf einen schweren Kreuzer im Carbash-System und etliche weitere kleinere Einsätze. Seit ihrer Gründung vor zwei Jahren war diese Einheit fast ständig im Einsatz gewesen und hatte sich einen exzellenten Ruf in der zweiten Flotte erworben. Wo immer eine akariische Raumstation oder ein havariertes Dickschiff zu stürmen war, gehörte das 217te Sturmregiment zu den ersten, denen so eine Mission erteilt wurde. Vor zwei Jahren hatte Admiral Renault persönlich den Aufbau einer solchen kleinen Spezialeinheit befohlen. Er hatte früh erkannt, dass sowohl die Erstürmung von befestigten akariischen Raumstationen als auch Dickschiffen ein kompliziertes Unterfangen war, vor allem wenn man darauf aus war, das Ziel nicht vorher komplett zu Klump zu schießen. Natürlich gab es für derlei Aktionen die SAS, aber die konnte zum einen nun mal nicht überall gleichzeitig sein und zum zweiten hatte Renault gerne eine Einheit, über die er selbst bestimmen konnte, ohne einen anderen Admiral oder General fragen zu müssen. Große Teile der Marines waren zwar mit ähnlichen Operationen ebenfalls vertraut, aber das 217te war speziell für diese Einsätze ins Leben gerufen worden. Die Ausbildung, die Ausrüstung und die Sturmfähren dieser Einheit waren speziell auf diese Zwecke abgestimmt. Das 217te war zwar sicher nicht ganz so gut wie die Eliteeinheit SAS, vor allem nicht so universell einsetzbar. Doch in der Erstürmung von akariischen Raumstationen hatten sie erhebliche Erfahrungen gesammelt.

Als Schneider die weiteren Unterlagen durchging, stieß er auch auf den Kommandierenden Offizier der Sturmbrigade. Ein gewisser Colonel Sean Hammersmith hatte gemeinsam mit Major Hue den Aufbau der Einheit maßgeblich bewerkstelligt Hammersmiths Vita las sich ebenfalls stringent: Der Colonel war in gewisser Weise das genaue Gegenteil von Hue. Während Hue aus ärmlichen Verhältnissen stammte und sich seinen Weg vom einfachen Soldaten zum Major erarbeitet hatte, stammte Hammersmith aus gutem Hause. Als Absolvent der altehrwürdigen Annapolis Akademie, die er Summa cum Laude abgeschlossen hatte, war er vor dem Krieg bis zum Captain der Marines aufgestiegen. Als der Krieg schließlich ausgebrochen war, hatte er als Ausbilder und ausgewiesener Strategieexperte auf der Marsakademie Markham Fields gedient. Die ersten Wellen des Krieges hatte er dementsprechend damit verbracht seinen brillanten analytischen Verstand und seinen politischen Instinkt zu nutzen. Er war in diversen strategischen Stäben der Admiralität tätig gewesen und hatte es damit bis zum Lieutenant Colonel gebracht. Doch eines musste Hammersmith immer klar gewesen sein. Wer in der Navy wirklich Karriere machen wollte, musste auch aktiven Dienst an der Front verrichten. Und somit hatte Hammersmith, als Admiral Renault vor zwei Jahren den Aufbau des 217ten befohlen hatte, anscheinend seine große Chance gesehen und zugegriffen Und sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Während Männer wie Hue oder Carl in vorderster Front kämpften, kassierte er die Lorbeeren ihrer Taten. Die Beförderung zum Colonel hatte Hammersmith zusammen mit dem Silver Star für ihren Einsatz im Velorha-System erhalten, wahrscheinlich ohne auch nur einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben.
`Aber welcher Kommandeur tat das schon`, dachte sich Schneider. Hammersmiths besondere Begabungen – wenn man dem Dossier Glauben schenken konnte – schienen in seiner kühlen analytischen Art zu liegen, in seiner glasklaren Sicht der Optionen und Strategien. Und das machte ihn wahrscheinlich zu einem guten Kommandeur, der wie ein Quarterback beim American Football die anderen für sich schuften ließ, um dann selbst den entscheidenden Pass zu spielen. Wenn Hammersmith dann der QB war, so waren Hue und Carl und die anderen seine Feldspieler, seine Arbeitstiere.

Noch bevor Schneider sich fragen konnte, warum gerade der zweite Offizier mit dem eher ungewöhnlichen Werdegang – schließlich hatte Hue sich vom einfachen Soldaten bis zum Major hochgedient – diesen Job erhalten hatte, las er die Antwort auf seine unausgesprochene Frage: Er hatte einen Silver Star für die Erstürmung der Kril Param während der Operation Magellan erhalten. Hue Xha Bao war auf der ONTARIO gewesen, jetzt erinnerte sich Schneider an den unscheinbaren asiatischen Soldaten, der sich auf der Kiril Param einen Namen gemacht hatte. Hue war versetzt worden, ein paar Tage bevor Schneider das Kommando über die Ontario übernommen hatte.

Doch jetzt runzelte Schneider die Stirn. Etwas kam ihm bei dieser Sache äußerst merkwürdig vor.
Hammersmith hatte das erste Bataillon des Sturmregiments unter sich und würde auf der Relentless stationiert werden, Hue Xha Bao und das zweite Bataillon auf der Kami, und Carl und seine Kompanie auf der Repulse.
Hammersmith war Commodore Mithel unterstellt, aber irgendetwas sagte Schneider, dass etwas anderes mit dieser Einheit geplant sein musste, als nur das Infanteriekontingent der Kreuzerschwadron 2.3 zu verstärken. Warum wurde Ihnen gerade eine so bekannte Einheit zugewiesen? Warum waren sie nicht einfach auf einem Truppentransporter dabei? Und warum war das 217te nicht auf der Columbia stationiert?
Fragen über Fragen, auf die Schneider im Augenblick keine Antwort bekommen würde. Er konnte nur hoffen, dass die Admiralität wusste, was sie da tat.
22.12.2015 08:11 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cattaneo

Ein ungewollter Gott

Commodore Mithel war beunruhigt. Einem zufälligen Betrachter wäre wohl nichts aufgefallen, außer er hätte zu der sehr kleinen Handvoll Leute gehört, die den Briten wirklich gut kannten. Das Gesicht des Commodore war so verschlossen wie immer, und auch der Zug um seine Mundwinkel wirkte nicht abweisender als normalerweise. Seine Augen eilten über die Zeilen auf den Blättern der Akte, die auf seinem Schreibtisch lag, Augen, denen wenig zu entgehen schien – zumindest sagten das seine Untergebenen. Es war eine sehr umfangreiche Akte. Die durchgelesenen Blätter legte er mit gewohnter Sorgfalt ab, er verteilte sie keineswegs achtlos oder wütend über den Schreibtisch. Mithel hätte als Karikatur eines pedantischen Bürokraten durchgehen können, der in irgendeinen belanglosen Vorgang vertieft war, wäre nicht die Uniform gewesen – und eine gewisse Aura der Autorität, die er in all den Jahrzehnten in der Flotte zu kultivieren gelernt hatte. Dennoch, es gab Anzeichen. Gelegentlich zuckte kaum merklich ein Muskel an seiner Wange, ein oder zweimal trommelten seine Finger auf der Tischplatte.
Schließlich legte er das letzte Blatt auf den Stapel des durchgelesenen Materials ab. Sorgfältig schloss er die Akte. Dann erst erlaubte er es sich, seine Gefühle deutlich zu zeigen.
Sicher, er hatte auf der Einsatzbesprechung klargemacht, dass er ein weiteres Schiff in seinem Geschwader brauchte. Aber DAS? Sollte das die Antwort auf seine Einwände sein? Die Hilfe für eine Schlacht, die wie so oft das ,Ende des Krieges’ näher bringen sollte?
Ein Sprichwort kam ihm ungerufen und unwillkommen in den Sinn – man sollte vorsichtig mit dem sein, was man sich wünschte, denn vielleicht bekam man es am Ende. Nun, wer auch immer sich das ausgedacht hatte, er hatte einen Fall wie diesen vor Augen gehabt. Oder, wie es Mithels früherer Vorgesetzter Henning Schupp ausgedrückt hätte: „Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.“ Treffender konnte man es kaum beschreiben. Da bat er um einen neuen Kreuzer, und was schickte man ihm?

Der Commodore rief sich zur Ordnung. Den eigenen Gefühlen freien Lauf zu lassen, und sei es auch in der Privatsphäre seines Büros, brachte nichts. Hilfloser Zorn stand einem Flottenoffizier nicht zu, auch weil er eben hilflos war. Spielraum hatte er in diesem Fall wohl nicht – vorläufig. Aber alles in allem war die Sache wohl bezeichnend für die Misere, in der die Flotte offenbar immer noch steckte. Eine Mischung aus Materialknappheit, verfehlter Personalpolitik und einer in seinen Augen falschen Flottenstrategie.
Da war zuerst einmal das Schiff. Mithel war froh über jede Verstärkung, aber ein ,Bastard’ war nun wirklich nicht das, was er sich gewünscht hatte. Ein Schiff mit einem Antrieb und Waffen der Akarii auszustatten und es dann so schnell in den Einsatz zu schicken…
Die Schlacht von Verlorha, in der die Komponenten erbeutet worden waren, die jetzt die CA Kami „schmückten“, lag kaum mehr als ein dreiviertel Jahr zurück. Nahm man hinzu, dass der Einbau der neuen Teile in die wracke Kami sicher etliche Monate gebraucht hatten, ganz abgesehen davon, dass sich die Flotte wohl überhaupt erst einmal zu diesem Schritt durchringen musste, dann lag nahe, dass das neue Schiff nur wenige Monate der Erprobung hinter sich hatte. Und dann sollte es gleich an die Front gehen? Das war nun wirklich ein Vabanquespiel, bei dem man riskierte, gute Männer und Frauen zu verlieren. Und einen Kreuzer, der dann im Gefecht fehlen würde.
Das war wirklich ein bemerkenswertes Bubenstück, obwohl Mithel von einigen Herren und Damen im Flottenstab schon einiges an zweifelhaften Entscheidungen gewohnt war, wie etwa ihre Trägerfixierung, die nicht einmal durch die Erfolge der Akariikreuzer in den letzten Jahren revidiert worden waren. Wenn Macht die Möglichkeit war, nicht lernen zu müssen, dann hielt sich die TSN offenbar für sehr mächtig.
,Ist denn keiner auf den Gedanken gekommen, dass man das Schiff zur Erprobung auch zur Homefleet oder sonst wie in die Etappe hätte schicken können?’ fragte er sich beinahe fassungslos. Man hätte so einen leichten oder schweren Kreuzer freimachen können, ein verlässliches Schiff. Oder meinethalben auch ein paar Zerstörer. Unter einer Führung, die ihre Schiffe kannte und wusste, was sie leisten konnten und was nicht. Wenn man schon einen Bastard in die Welt setzte, so hätte man ihm auch Zeit geben müssen, sich seiner eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden, und seinem Kapitän die Chance gegeben, aus der Besatzung eine Einheit zu machen. Anstatt das Schiff überhastet in den Einsatz zu schicken, und nicht etwa in irgendeine Garnisons- oder Eskortmission. Überhaupt bezeichnend, wenn die Flotte glaubte, ihre Schiffskomponenten bei den Akarii schnorren zu müssen. Manchmal hatte man den Eindruck, die heimatliche Wirtschaft kriegte kaum etwas auf die Reihe…
Nun, das war schon schlimm genug. Gewiss, das Schiff konnte eine Bereicherung sein, wenn alles so funktionierte wie es sollte. Was bei Neuheiten, die so schnell in den Einsatz geworfen wurden, eigentlich nie der Fall war. Die Sonderaufgabe, die aus den Unterlagen hervorging, hielt Mithel wiederum für eine ziemlich merkwürdige Idee. Dem Schiff die Aufgabe zuzuteilen, Akarii-Schiffe zu entern, war für einen schweren Kreuzer doch wohl eher eine Unterforderung, vor allem, wenn der Flottenverband nur eine Handvoll solcher Schiffe hatte. Seine Beschleunigungsdaten waren in der Theorie und unter Trainingsbedingungen besser gewesen als die normaler Erdkreuzer, gewiss. Aber beim Entern kam es in erster Linie auf das Geschick der Piloten in den Enterfähren an, und auf die Marines selber. Zudem exponierte man sich dabei leicht. Extra einen schweren Kreuzer, und sei es dieser, für die Aufgabe abzustellen, Jor zu ergreifen, erschien als Verschwendung offenbar knapper Ressourcen. Zumal die Frage blieb, was man mit gekaperten Akarii anfangen wollte, in einem Sektor, der immer noch von Feindverbänden gehalten wurde und in dem man wohl kaum immer genug Zeit für die zeitraubenden Enterkämpfe haben würde.
,Aber vermutlich braucht man den Prinzen für den Triumphzug zum Forum Romanum.’ dachte Mithel, der sich an etwas erinnerte, das er früher einmal gelesen hatte. ,Mir will allerdings scheinen, manche Leute im Stab könnten schon jetzt jemanden brauchen, der ihnen ins Ohr flüstert, sie sollten nicht vergessen, dass sie nur Menschen sind.’
Aber mochte dem sein wie es wollte, Befehl war Befehl. Mithel gedachte freilich nicht, sich in irgendeiner Situation der Hilfe der Kami berauben zu lassen, in der er sie für andere Dinge brauchte als für eine zweifelhafte Trophäenjagd. Das Schiff mochte sich als nützlich erweisen, wenn er das Beste aus der Sache machte. Und wenn sein Kapitän es entsprechend einsetzen konnte – die Beweglichkeit ausnutzen, ohne das Schiff zu sehr zu exponieren. Was zum zweiten und Hauptproblem führte.

Der Kapitän. Das war das zweite Problem, und in Mithels Augen sogar das größere. Die Akte Schneiders war dick, und was sie enthielt…
Die Verwandtschaft mit Admiral Schneider überging Mithel schnell. Es mochte sein, dass dies dazu beigetragen hatte, dass sich die Flotte nicht schon früher von Schneider getrennt hatte – oder aber, dass man ihm sein rüpelhaftes Verhalten umso mehr ankreidete.
In fachlicher Hinsicht wurden ihm beachtenswerte Leistungen bescheinigt. Aber Mithel hatte keine hohe Meinung von Leuten, über deren Haupt schon einmal die Drohung einer Entlassung geschwebt hatte. Was Schneider auf der CL Arizona geschehen war. Akzeptable Beurteilung hin oder her, der Offizier, der Schneider danach sogar ein eigenes Kommando anvertraut hatte, hätte sich nach Mithels Meinung auf geistige Zurechungsfähigkeit untersuchen lassen sollen. Bewährungsschiff hin oder her, ein Kommando durfte man nur erhalten, wenn man zum Besten gehörte, das die Flotte zu bieten hatte. In der Theorie – Mithel hatte leidvoll erfahren, dass es in der Praxis mitunter anders aussah. An Bord der Fregatte Kaze hatte Schneider einige Erfolge erzielt, auch wenn ihn diese keineswegs über andere junge Kommandeure heraushob, die sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht hatten. Junge Kommandeure, die aus Mithels Sicht deutlich mehr charakterliche Reife zeigten und sich zumindest halbwegs so benahmen, wie es einem Offizier der Flotte zustand. Dass man ihm freie Hand auf dem Schiff gelassen hatte, wenn er nur das Schiff halbwegs effizient einsetzte, bewies einmal mehr, dass einige Leute offenbar nicht intelligent genug waren, das Konzept von BEWÄHRUNG zu verstehen. Der TSN war es nie so schlecht gegangen, dass man auf eine einzelne rostige Fregatte angewiesen gewesen war, einer Fregatte, die man ebenso gut auch in die Etappe versetzen und durch ein besseres Schiff hätte ersetzen können. In Mithels Augen gehörte zu einer Bewährung neben Einsatzgeist und Tapferkeit auch ein deutliches Zeichen, dass man die Fehler der Vergangenheit erkannt hatte und sich bemühte, sie wieder gutzumachen. Schneider hatte den Bronze Star für Operation Magellan bekommen, aber diese Auszeichnung war zwar beachtenswert, doch nicht sehr schwer zu erringen. Ein paar irregeleitete Personen bemühten sich zwar anscheinend, um Schneiders Leistungen bei diesem Wurmloch-Debakel einen Heldenkult zu entfachen, aber Mithel hatte das, was er darüber gehört hatte, in die Schublade „sinnlose Verschwendung“ eingeordnet. Die ganze Sache hätte schon von Anfang an mit mehr Augenmaß behandelt werden müssen, spätestens ab dem Zeitpunkt als feststand, dass das Wurmloch kaum für einen Flankenstoß gegen die Echsen taugte. Einen Flankenstoß, zu dem die Flotten der Bundesrepublik und der Konföderation damals ohnehin kaum in der Lage gewesen wären. An Bord des Zerstörer Ontario hatte sich Schneider weniger Schnitzer geleistet, aber von überschwänglicher Begeisterung waren die Beurteilungen seiner Person auch nicht gerade geprägt.

Einige der Einträge über die Zustände an Bord von Schneiders erstem Kommando waren hoffentlich Übertreibung. Mithel war einiges gewohnt, aber ein derartiges Ausmaß von Disziplinlosigkeit war denn doch schwer zu glauben. Einträge über Disziplinarverstöße der Besatzungsmitglieder zogen sich wie ein dicker roter Faden durch die Berichterstattung – kaum eine Station auf der Reise der Kaze, auf der es nicht zu derartigen Zwischenfällen gekommen war. Kaum ein Zeichen eines Kommandanten, der auch nur das Zeug hatte, einen Minensucher zu befehligen. Ein Kommandeur, der seine Leute nicht im Zaum halten konnte, sich gar schützend vor sie stellte…
Mithel war durchaus der Meinung, dass man schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen musste. Aber wenn man Disziplinverstöße schon ohne öffentliches Aufsehen klären wollte, dann sorgte man dafür, dass die Besatzungsmitglieder ihre Lektion lernten und so etwas nicht noch einmal vorkam – man ließ ihnen nicht freien Lauf. Schließlich war die TSN keine Freibeuterbande. Nicht einmal die Fremdenlegion oder die Marines, die nun wirklich einen üblen Ruf hatten, gab ihren Leuten einen Freibrief als Belohnung für den Einsatzgeist, den sie zeigten. Wobei sie einiges mehr riskierten als es die Kaze je getan hatte, wenn man Mithel fragte.
Die Beurteilungen Schneiders durch verschiedene Offiziere troffen nur so von Ablehnung, und der Commodore konnte wenig finden, was diesem Eindruck widersprochen hätte. Positive Einschätzungen gab es nur wenige. „Arrogant“ war da zu lesen „undiszipliniert“, „missachtet sämtliche Vorschriften über das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Untergebenen“. Und diese vernichtenden Urteile wiederholten sich.
Schneiders Bande von disziplinarischen Katastrophen mochte ihren Kapitän geliebt haben – natürlich. Schlechte Schüler liebten blinde Lehrer. Das machte diese freilich noch lange nicht zu guten Pädagogen, Beliebtheit alleine genügte eben nicht. Und für Schneiders Vorgesetzten wogen seine Leistungen offenbar kaum schwer genug. Es war erstaunlich, dass man ihn nach der peinlichen Zeit auf der Kaze überhaupt ein eigenes Kommando übertragen hatte, und ihn nicht etwa auf einen Etappenposten abschob. Überdies hing der Vorwurf der Insubordination mehr als einmal im Raum.

Mithel sah es keineswegs als notwendig an, dass der Kommandant gefürchtet wurde – da hatte jeder seinen eigenen Stil. Aber bei aller Kollegialität war eine gewisse Distanz zwischen dem Kommandanten und seinen Untergebenen einfach notwendig. Mithel war nicht so voreingenommen, die Erfolge Schneiders zu übersehen. In seinen Augen war dies jedoch keine Entschuldigung. Tapferkeit war eine Sache. Aber eine Armee war ein Mechanismus, der fehlerlos funktionieren musste. Und Menschen wie Schneider waren da sehr häufig Störfaktoren, vor allem, weil sie ein schlechtes Beispiel gaben. Sie unterminierten so die Möglichkeiten, etwaige Problemfälle wieder zu integrieren. Die Beurteilungen seiner ehemaligen Untergebenen auf der Kaze waren dann auch entsprechend. Einige seiner Offiziere hatten sich durchaus bewährt und Karriere gemacht, doch der Regelfall war dies nicht. Ein beträchtlicher Teil der Besatzungsmitglieder hatte kläglich Schiffbruch erlitten, sobald sie auf Schiffe abkommandiert worden waren, auf denen die Kommandeure im Diensthandbuch nicht nur einen Staubfänger auf dem Regal sahen. Wohl ein ziemlich deutlicher Hinweis, wie „erfolgreich“ die Idee dieses Bewährungsschiffes gewesen war. Dies ging jedenfalls aus den Nachträgen einer NIC-Offizierin hervor, der es offenbar am Herzen gelegen hatte, dass Schneiders pädagogische Fähigkeiten entsprechend „gewürdigt“ wurden. Mithel musste ein paar Mal zynisch grinsen, als er die ätzenden aber präzise formulierten Einträge studierte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass ein Teil der Beurteilungen durch persönliche Animositäten geprägt war. Der Kapitän der Relentless war durchaus klar, dass auch Flottenangehörige – und JAG- oder NIC-Leute – nur Menschen waren. Und soviel war klar, Schneider war offenbar nicht sehr oft in der Lage sich auf eine Art und Weise zu benehmen, die ihm Sympathie bei Leuten brachte, die auch nur etwas auf Tradition, Disziplin und ordentliche Umgangsformen gaben. Aber die Fakten für sich – etwa die Anzahl der Disziplinverstöße durch Besatzungsmitglieder der Kaze während seines Kommandos beziehungsweise ihr Verhalten nach Ende ihres Dienstes dort – zeichneten ein Bild, das kaum freundlicher wirkte. Und wenn Mithel daran dachte, dass entweder aus Zufall oder auf Betreiben Schneiders mehrere seiner „alten Kameraden“ nun auch auf der Kaze Dienst taten, einer sogar als Erster Offizier, dann musste er sich schon sehr zusammennehmen. Wer um alles in der Welt hatte denn DAS genehmigt?

Blieb die Frage, was er, Chris Mithel, mit dieser Akte anfangen sollte. Es stand außer Frage, Schneider und sein Schiff abzulehnen. Dies stand einem Commodore gar nicht zu, und offenbar konnte man froh sein, wenn man überhaupt Verstärkung bekam. Obwohl weniger manchmal mehr seien mochte.
Ebenso wenig konnte er Schneider aus eigener Machtvollkommenheit einen Helfer und Aufpasser zur Seite stellen oder sich gleich des Problems entledigen. Das hätte im ersten Fall die Autorität des neuen Kapitäns sofort untergraben, vor allem bei seinen Kollegen. Obwohl der sich anscheinend ohnehin wenig Gedanken darüber machte. Was die zweite Möglichkeit anging – allein auf Grund vergangener und offenbar vergebener Sünden konnte man einen Offizier nicht abberufen. Schon gar nicht, wenn man nur Commodore war. Das wäre Despotie gewesen, und überdies womöglich ungerecht. Die Flotte hatte Regeln, und an diese hielt sich Mithel. Der Kapitän der Relentless wollte eigentlich nicht seinerseits einen totalen Etikettebruch begehen und Schneider mit einem Forderungskatalog empfangen – das würde selbst ein geduldiger Mensch, der seinen eigenen Platz und Wert in der Flotte kannte, kaum hinnehmen können. Allerdings hatte Mithel so seine Zweifel, dass so eine Beschreibung auf Schneider zutraf. Hier war Diplomatie gefragt, allerdings war dies nicht unbedingt Mithels Stärke. Schon gar nicht gegen ihn rangmäßig untergeordnete Offiziere, die eine DERART „beeindruckende“ Akte vorzuweisen hatten. Immerhin – er hatte sich auch mit diesem Captain Gonzales einigen können, auch wenn dies keinem vom beiden leicht gefallen war. Allerdings war Gonzales Beurteilung und Auftreten nie auch nur halbwegs so miserabel gewesen, wie es das bei Schneider anscheinend bei verschiedenen Gelegenheiten der Fall gewesen war.
Dennoch, er musste zumindest versuchen die Sache gütlich zu regeln. Als Offizier und Gentleman, sozusagen, wiewohl Mithel auf letzteres noch nie großen Wert gelegt hatte, und Schneider offenbar auf keines von beiden. Es brachte nichts, dem Neuling gleich einen gepanzerten Fehdehandschuh ins Gesicht zu schlagen. Immerhin standen die Chancen eigentlich nicht schlecht, dass Schneider erkannte, was möglich war und was nicht. Schwadron 2.3 war ein eingespieltes Team, und Mithel kannte die meisten Kapitäne schon lange. Ein Neueinsteiger wurde keineswegs ausgegrenzt – doch natürlich hing es stark von seinem Verhalten ab, wie ihn die anderen Kommandeure einschätzten. Und da hatte Mithel ein gewichtiges Wort mitzureden, galt sein Urteil doch einiges. Er hatte da auch schon eine Idee, wie er Schneider einen kleinen Vorgeschmack auf das gegen konnte, was man von ihm erwartete. Am besten war es, wenn man das ganze informell versuchte, zumindest zunächst. Ein paar ernste Worte, die sich aber keineswegs wie eine Drohung anhörten. Schneider wurde als intelligent geschildert, wenn auch als widerborstig – er würde es sicher verstehen. Jeder verdiente eine Chance, auch wenn er in der Vergangenheit Fehler gemacht hatte. Erst wenn man sich weigerte, Fehler zu korrigieren, wurde daraus ein schuldhaftes Versagen. Sollte es freilich dazu kommen, wäre dies inakzeptabel. Wenn Schneider seine Aufgabe erfüllte, dann war es gut. Aber er würde in keinem Fall aus der CA Kami einen solchen Saustall machen, wie es die Kaze angeblich gewesen war. Dafür würde Commodore Chris Mithel sorgen.
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Cattaneo

Der Empfang

Das Begrüßungskomitee, das Captain Schneider an Bord der Relentless erwartete, bestand aus einer Abteilung Marines und einem weiblichen Lieutenant Commander der Flotte. Alverado Benita, so ihr Name, war noch recht jung und durchaus gutaussehend, befleißigte sich aber einer militärischen Zackigkeit, die eher zu einem Vorzeigeschleifer mit mindestens dem doppelten Dienstalter gepasst hätte. Auch die Marines wirkten wie aus dem Ei gepellt. Allerdings schienen sie keineswegs nur Vorzeigesoldaten zu sein, und auch die junge Flottenoffizierin hatte sich ihren Verwundeten Löwen in Silber vermutlich nicht im Fitnessbereich des Kreuzers „verdient“. Ihre Ehrenbezeigung war einstudiert und perfekt in der Durchführung: „Commodore Schneider, Willkommen an Bord der Relentless.“ Sie nannte Schneider bei diesem Rang, weil es nach einer weiteren – uralten – Tradition der TSN an Bord eines Schiffes nur einen Captain gab, nämlich den Schiffkommandanten. Die Marines strafften sich noch zusätzlich, soweit das möglich war. Wenn sie oder die Offizierin überrascht waren, dass Schneiders Begleiter ein Major der Marineinfanterie war, so zeigten sie es zumindest nicht. Den Marines war es vermutlich egal, und Alverado würde etwaige Aversionen gegenüber dem Korps – die in der Flotte nicht eben selten waren – nicht gerade im Beisein von höheren Dienstgraden zeigen. Der Kapitän der Kami war nicht übermäßig von der Art der Begrüßung überrascht, er hatte schon einiges über seinen künftigen Schwadronschef gehört. Mithel sollte genau die Art von Vorzeigeoffizier sein, die in der Flotte beklagenswert häufig war. Der Gerechtigkeit halber musste man allerdings sagen, dass viele der besten Offiziere ein solches Verhalten an den Tag legten. Das Klischee – oder die Idealvorstellung – eines Flottenoffiziers im aktiven Dienst hatte sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet, und obwohl eigentlich Anachronismus, erwies es sich als erstaunlich lebensfähig. Ungeachtet dessen, dass zahlreiche Elemente vermutlich noch aus der prästellaren Ära der Menschheit stammten.
Die Art des Empfanges, den man ihm und seinem Schiff bereitet hatte, war ohnehin schon eine Sache für sich gewesen. Natürlich hatte ihn Mithel über Bildschirm kontaktiert, sobald sich die Kami der Schwadron angeschlossen hatte. Schneider hatte so feststellen können, dass Mithel offenbar tatsächlich der Typ vom im Dienst ergrauten Kommandeur war, als den man ihn beschrieben hatte. Das ganze Auftreten des Commodore war von einer gewissen Schärfe und Steifheit geprägt, angefangen von dem Ausdruck seiner Augen bis zu seiner aufrechten Haltung und der Art wie er sprach. Schneider hatte überlegt, ob das gespielte Schneidigkeit war – aber einen Silver Star bekam man nun einmal nicht für schauspielerische Leistungen, zudem war Mithel von Anfang an dabei gewesen und hatte in vielen der wichtigsten Schlachten des Krieges gekämpft.
Der Commodore hatte jedoch keineswegs Schneider zu sich an Bord gebeten, um ihn persönlich kennen zu lernen, wie es eigentlich üblich gewesen wäre. Vielmehr hatte Mithel seinen neuen Untergebenen zu einem Abendessen für die Kapitäne der Schwadron eingeladen. Und deshalb war Schneider hier. Die Einladung galt ihm und einem seiner Offiziere – nicht jedoch seinem XO. Mithel hatte offenbar keineswegs die Absicht, die Wachsamkeit zu vernachlässigen und die Schiffe komplett ihrer Führung zu berauben. Auch das war ein Anzeichen, wie ernst der Commodore manche Dinge nahm, immerhin war hier mit einem Überraschungsangriff der Akarii nicht zu rechnen, jedenfalls im Augenblick. Schneider hatte sich für Major Hue Zha Bao entschieden, Bataillonschef und damit Kommandeur der Marineinfanterie der Kami und Veteran der Magellan-Operation.
Der Shuttlehangar des schweren Kreuzers war weitestgehend geräumt worden, um Platz für die Fähren der Kapitäne der Schwadron zu schaffen. Ein einziger Blick sagte Schneider, dass die Gemeinschaft offensichtlich bereits vollzählig war, sein Shuttle war als letztes angekommen. Was Zufall seien mochte, oder auch nicht. Und wenn es kein Zufall war, dann blieb noch die Frage offen, was der Sinn dahinter war. Wollte man ihn so ein wenig ausgrenzen, ihm klar machen, dass er hier Neuling war? Sollte er gleich auf die komplette Riege der Kommandeure treffen, damit er sich gehörig beeindruckt fühlen konnte? Oder wollte man ihm damit in gewisser Weise eine Ehre erweisen, indem ihn die anderen Kapitäne gemeinsam willkommen hießen, anstatt dass er warten musste, bis sie nacheinander eintrafen? Die Möglichkeiten waren zahlreich, und der Umgang mit solchen Ratespielchen war noch nie seine Sache gewesen. Ebenso wenig die Traditionsverliebtheit, die hinter solchen subtilen Hinweisen und Ritualen steckte. Die TSN war Jahrhunderte alt, und die Streitkräfte, aus denen sie gebildet worden war, hatten zudem ihre eigenen Traditionen in die neue Flotte mit hineingebracht. Und derartige heilige Kühe wurden von vielen, für Schneider von zu vielen, Kommandeuren gehütet und geachtet.
Aber daran führte wohl kein Weg vorbei. Also spielte er mit, schließlich würde es gar nichts bringen, gleich einen Eklat zu provozieren. Mithel war kein nachrangiger Verwaltungsoffizier, und Schneider hatte für mehrere hundert Menschen zu sorgen, da würde es wenig bringen, wenn sie von Anfang an aneinander gerieten.
In gewisser Weise WAR diese Art der Begrüßung allerdings eine Ehre, denn ihm gab Lieutenant Commander Alverado das Geleit – die anderen Kapitäne waren vermutlich von Lieutenants durch das Schiff gelotst worden. Schneider überließ der jungen Frau die Führung und fragte sich einmal mehr, was das ganze eigentlich sollte.

Dem Kapitän wurde schnell klar, dass die eingeschlagene Richtung sie nicht zur Offiziersmesse bringen würde. Er kannte den Aufbau der Ticonderoga-Klasse gut genug, um zu wissen, dass ihr Weg sie augenblicklich in Richtung der Sporthalle führte, die nicht weit vom Hangar untergebracht war. Verwunderlich war das schon, denn gerade von Mithel erwartete er keinen Empfang in informeller Umgebung. Einen Augenblick überlegte er, ob er sich irgendeine protokollarische Blöße gab, wenn er fragte, entschied dann aber, dass ihm dies herzlich gleichgültig war: „Wo bringen Sie mich eigentlich hin?“ erkundigte er sich.
Alverados Antwort kam in einer guten Kopie des ruhigen Befehlstons, den so viele Offiziere schätzten: „Der Captain hat angeordnet, dass das Abendessen in der geräumten Sporthalle stattfindet, damit im Notfall die Shuttles schneller erreichbar sind, Commodore Schneider. Außerdem wird so der Betrieb für die Wachoffiziere nicht beeinträchtigt.“ Kühl und beherrscht – Mithels Art färbte offenbar auf einige seiner Untergebenen ab. Das konnte ja heiter werden.
Schon die äußere Aufmachung der beschlagnahmten Sporthalle gab einen guten Hinweis darauf, wie Mithel gewisse Dinge regelte. Links und rechts von der Eingangstür waren – wie im Hangar – Marines postiert. Sie trugen Paradeuniform, aber die Heckler & Koch Lasergewehre waren keine Attrappen, und sicher mit scharfen Magazinen geladen. Lieutenant Commander Alverade legte die Hand an den Mützenschirm, und die Soldaten nahmen Haltung an. Dann trat sie mit elastischen Schritten durch die Tür. Schneider passierte das Spalier der Marinesoldaten…
Und betrat eine Szenerie, wie sie auch aus einem Historien- oder Kriegsfilm hätte stammen können.
Die normalen Einrichtungen der Sporthalle waren weggeschafft oder durch Stoffbahnen oder Stellwände abgedeckt worden. Eine lange Tafel dominierte den Raum, auf der die blütenweiße Tischdecke mit dem Stahl der Bestecke und den Tellern konkurrierte. Keine Gedecke oder ähnliches, kein Wandschmuck, nur eine Fahne der Republik und ein großer Bildschirm, auf dem gegenwärtig das Staatswappen abgebildet war. Und auf der Fläche zwischen Tisch und Tür funkelte und strahlte es förmlich von Uniformen, Orden und Abzeichen.
Benita Alverado trat in den Raum, machte zwei Schritte, dann knallte sie die Hacken zusammen. Sie salutierte mustergültig – das dritte Mal, seit Schneider an Bord angekommen war. Ihre Stimme schnitt problemlos durch die verklingenden leisen Gespräche. Sie musste geübt haben, oder sie war ein Naturtalent: „Ich melde – Commodore Justus Schneider, Schwerer Kreuzer TRS Kami!“
Binnen weniger Atemzüge veränderte sich das Bild. Wo eben noch gut zwei Dutzend Offiziere beisammen gestanden hatten, in kleinen Gruppen oder allein, präsentierte sich jetzt eine einzige Front der Aufmerksamkeit. Jeder der Kapitäne und Offiziere trug Galauniform und die Orden und Abzeichen, die er oder sie sich verdient hatte. Für einen Augenblick schien die Szenerie erstarrt. Schneider fühlte sich geradezu am Pranger, angesichts soviel Vorzeigeoffizieren und ihrer geballten Aufmerksamkeit. Schweigend warteten die versammelten Offiziere, nicht etwa ablehnend oder feindselig, aber doch erwartungsvoll – und Schneider wusste, was sein Part bei der ganzen Inszenierung war. Er fühlte sich nicht sehr glücklich damit, aber es wäre wirklich ein schlechter Einstand gewesen, jetzt den Spielverderber zu mimen. Zumal vor versammelter Mannschaft seiner zukünftigen Kollegen. Also nahm er selber Haltung an und meldete: „Commodore Schneider, TRS Kami, meldet sich in der Schwadron.“
In diesem Augenblick trat ein hagerer Mann in der Uniform des republikanischen Commodore vor. In „großem Anzug“ wirkte Mithel doppelt so beeindruckend – und so steif – wie unter normalen Umständen, aber seine Stimme war die selbe: „Commodore Schneider, ich heiße Sie im Namen der Kommandeure der Kreuzerschwadron 2.3 an Bord meines Schiffes und in der Schwadron willkommen.“
Er salutierte – und die anderen taten es ihm gleich.

Schneider musste an sich halten, um nicht die Zähne zusammenzubeißen. Das war ja ein Empfang! Fast wie im Kino – aber die Uniformen waren echt. Er fragte sich, wie Mithel alle seine Kapitäne dazu gebracht hatte, mitzumachen. Andererseits kannte der Commodore seine Untergebenen wohl schon seit längerem.
Noch immer war sich Schneider nicht ganz sicher, ob der Schwadronschef ihn ehren, einschüchtern oder vorführen wollte. Oder alles zusammen. Aber darüber nachzudenken blieb ihm fürs erste keine Zeit, denn in diesem Augenblick begann das Defilee der anwesenden Offiziere. Zuerst natürlich Mithel selber. Der Händedruck des Commodore war kräftig – kein direktes Abschätzen „unter Männern“, wie man derartige Machospielchen nannte, aber schwach wirkte der Schwadronschef keineswegs, ungeachtet der grauen Haare. Er lächelte leicht, ja fast freundlich, aber seine aufrechte Haltung und die Uniform milderten diesen Sympathieheischenden Eindruck gleich wieder ab.
Den Anfang in der Reihe der übrigen Offiziere machte eine noch recht junge Kapitänin, die sich als Ariane Raffarin vom leichten Kreuzer Redemption vorstellte, dann folgte Captain Jamal Atkins von der Repulse, dann Captain Oparin von der Fearless…
Am Ende schmerzte Schneider die Hand von all der Herzlichkeit. Auch hier hatte man sich streng an das Zeremoniell gehalten – zuerst die Kapitäne, dann die begleitenden Offiziere. Nur der Kapitän der Dauntless war etwas aus der Reihe gefallen. Sein schiefes Grinsen schien zu sagen, dass er das ganze auch nicht ganz ernst nahm. Oder vielleicht wollte er auch nur den Eindruck erwecken…
So war Schneider doch etwas erleichtert, als Mithel zu Tisch bat. Der Commodore platzierte Schneider und seinen Begleiter ziemlich weit „oben“ am Tisch. Zur Rechten des Schwadronschefs saß sein Waffenoffizier, neben ihm die Kommandeurin der Redemption und ihr Begleiter, dann Captain Atkins und so fort.
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Die Gestaltung des Tisches war nüchtern, aber keineswegs spartanisch, außer in einer Hinsicht. Es gab mehrere Sorten Mineralwasser, zuckerhaltige Getränke und sogar Tee und Milch – aber keinen Alkohol. Was ohne weiteres auch wieder ein nicht sehr subtiler Wink mit dem Zaunspfahl seien mochte. Die Flotte nahm es mit dem Verbot des Alkohols auf Gefechtsfahrten schon längst nicht mehr so genau, nach Jahren des Krieges und angesichts des Umstandes, dass es wesentlich schlimmere Arten gab, auf die Soldaten sonst „Dampf ablassen“ konnten. Aber der echte Commodore an Bord der Relentless wollte wohl die Vorbildsfunktion, die ein Offizier seiner Meinung nach vermutlich haben musste, besonders herausstreichen. Vielleicht gerade gegenüber seinem neuen "Kollegen". Er ließ sich nicht lumpen, keineswegs – aber er wich keinen Schritt breit von dem ab, was offiziell gestattet war.
Stewards brachten den ersten Gang – eine Suppe – herein und verteilten Brotkörbe. Auch hier konnte man nur sagen, dass das Personal gut ausgebildet war. Schneider grinste und murmelte halblaut: „Ich frage mich, was die Mannschaft sagen würde, wenn sie uns so sähe.“ Unglücklicherweise schien Mithel keineswegs unter Altersschwerhörigkeit zu leiden, oder einer von Schneiders Nachbarn hatte etwas gehört und es an den Commodore weitergegeben. Der Schwadronschef lächelte nur milde, fast nachsichtig: „Ich denke, nur weil wir Lichtjahre hinter den feindlichen Grenzen sind, brauchen wir durchaus nicht wie Barbaren zu leben. Ich erkenne Ihre Sorge für die Crew an, doch seien Sie versichert, die Besatzung der Relentless wird heute durchaus zu ihrer Zufriedenheit versorgt werden, dies gilt auch für die restlichen Schiffe der Schwadron. Es ist uns gelungen…“ hierbei nickte er Lieutenant Commander Alverado zu, die ziemlich am Fußende der Tafel auf den ,billigen Plätzen’ saß: „die Schiffe der Schwadron in der anvisierten Zeit einsatzbereit zu machen. Wir haben also Grund zu feiern, die Offiziere wie die einfachen Besatzungsmitglieder.“ Darauf ließ sich nicht viel erwidern.

Die Suppe wurde von Fisch oder Braten abgelöst, je nach Belieben. Die Offiziere ergingen sich in Smalltalk, allerdings ging es hier erheblich kultivierter zu, als bei manch anderer Gelegenheit, an die sich Schneider erinnerte. ,Vermutlich, weil es hier auch ein Stück weit um sehen-und-gesehen-werden geht.’ dachte der Kapitän der Kami.
Erst als die Stewards den Nachtisch serviert hatten und abgeräumt hatten, wurde Mithel konkret. Allerdings erst, nachdem die einfachen Besatzungsmitglieder gegangen waren.
„Meine Damen und Herren, so sehr ich wünsche, dies wäre einfach ein zwangsloses Treffen unter Kameraden…“ ,Kaum der Ausdruck, den ich verwendet hätte’ dachte Schneider säuerlich „so gibt es Umstände, die eine vertrauliche Besprechung erfordern. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass jegliche weitere Erörterung der hier bekannt gegebenen Dinge zu unterbleiben hat, bis es die Kommandeurin der Kampfgruppe für angebracht hält, dem gesamten Verband unsere Einsatzziele zu nennen. Was freilich ohnehin bald der Fall seien dürfte.“
Er stand auf und trat an die Projektorenwand, auf der jetzt eine schematische Karte des Teils des Akariigebietes auftauchte, der auf Grund des menschlichen Vorstoßes von der Zentralwelt abgeschnitten worden war.
„Unsere Aufgabe, die Aufgabe der Columbia und der ihr unterstellten Begleitgeschwader, ist es, den feindlichen Restverband, der über Sprungpunkt Charlie geflohen ist, aufzuspüren und zu eliminieren. Flaggschiff des feindlichen Verbandes…“ der Commodore blickte in die Runde, seine Stimme bekam einen harten, metallischen Beiklang: „Flaggschiff des feindlichen Verbandes ist die Korax ma Rah unter dem Befehl von Jor Telahn. Wie Sie wissen bestehen die uns zur Verfügung stehenden Verbände aus…“

Es dauerte weit über eine Stunde, bis die Diskussionen abflauten. Mithel hatte die Stärke des feindlichen Verbandes – etwa 18 Schiffe, davon höchstens die Hälfte Kreuzerklasse, etliche beschädigt – erläutert und war dann auf die Aufgaben der Schwadron eingegangen. Vermutlich, so Mithel, würde es unter anderem an ihnen liegen, die Columbia bei ihrer Suche abzuschirmen und in der endgültigen Auseinandersetzung die Kampfflieger des Trägers bei der Abwehr der feindlichen Bomber zu unterstützen. Der Commodore sprach knapp und schmucklos, sparte aber nicht mit einigen Worten zu Risiken des Einsatzes. So hielt er es für bedenklich, dass nur ein Träger mit zwei unterbesetzten Kreuzer-, einer Zerstörer- und einer gemischten Fregatten-Schwadron für diesen „entscheidenden“ Auftrag detachiert wurden. Er erinnerte daran, dass in dem Akariigebiet außer Jors Flottenverband noch zwei weitere Träger der Akarii mitsamt ihrer Geleitgeschwader vermutet wurden, auch wenn sie sicher zum Gutteil mit der Ruhigstellung der aufmuckenden Untertanen des Sektors beschäftigt waren. Sollte es Jor gelingen, Kraft seiner Autorität und seines Ranges aus den örtlichen Garnisonsverbänden Ersatz zu beziehen…
Mithel hielt es für durchaus möglich, dass Jor zumindest seine Kampfflieger aufstocken konnte, indem er Garnisonsstaffeln reduzierte, auch konnte der Prinz möglicherweise weitere Zerstörer und vielleicht auch Kreuzer aus den Lokalstreitkräften eingliedern. Von einer Aufstockung seiner Munitionsvorräte ging Mithel ohnehin aus. Schneider fand es amüsant, wie wenig der Commodore dem Siegesplan der Admiralität abzugewinnen vermochte, aber die Bedenken klangen keineswegs aus der Luft gegriffen. Mithel erläuterte auch die Rolle der Kami, wobei er jedoch hinzufügte, etwaige Entermanöver seien eigentlich nur etwas, wenn der Gegner schon gründlich sturmreif geschossen und die Schlacht gewonnen worden war. Vorher, so der Commodore, war nicht daran zu denken, ausgerechnet die Kami zu detachieren. Immerhin verfügten die zwei schweren Schwadronen nur über drei moderne und zwei ältere Ticonderoga, so dass auf den sechsten Schweren Kreuzer auf keinen Fall zu verzichten war. Schneider gab zwar zu Bedenken, dass der Kreuzer beweglicher war, doch Mithel konterte dies relativ gelassen mit dem Einwand, dass dieser kleine Vorteil allein gegen Schiff-Schiff-Raketen wenig nutzte, außerdem sei die Kami noch nicht im Gefecht eingesetzt worden, ihre Mannschaft nur teilweise erfahren und nur bedingt aufeinander eingespielt. Und davon ließ er sich auch nicht abbringen, zumal viele der anderen Offiziere seiner Meinung waren. Er ließ es sich auch nicht nehmen, Schneiders Begleiter zu Wort kommen zu lassen, offenbar war Mithel über die extrem verlustreichen Nahkämpfe während der Magellan-Operation relativ gut informiert. Allerdings gab er offenbar noch mehr auf das Urteil von Colonel Hammersmith, dem Chef des 217. Marine-Sturmregiments, der den Flottenoffizieren Gesellschaft leistete. Schneider war sich nicht so sicher, wie sehr er sich darüber freuen sollte, dass der oberste Befehlshaber der Landungstruppen auf dem Flaggschiff postiert war. Konnte das nicht im Ernstfall die Befehlsweitergabe komplizieren? Auf jeden Fall erleichterte es dieser Umstand Mithel, die letzte Entscheidung über einen Entereinsatz an Bord seines Schiffes treffen zu lassen.
Es sah so aus, als würde Schneider mit einer nicht sehr langen Leine leben müssen, was die operative Freiheit anging. Nun, Genaueres würde man natürlich erst im Einsatz sagen können, aber Schneider hatte deutlich den Eindruck, dass Mithel vielleicht nicht ganz so einschüchternd wie Singh war, aber auf jeden Fall so autoritär und wie dieser kein Mann, der einfach mit sich reden ließ.
Es war jedoch nicht so, dass man Schneider von oben herab behandelte oder ihm nicht zuhörte – doch viele Offiziere dachten ähnlich wie Mithel, wohl eine natürlich Folge der langen Jahre gemeinsamen Dienstes und Kampfes. Überdies, das war Schneider klar, war weder sein Schiff noch seine Dienstakte unbedingt geeignet, ihm auf Anhieb beträchtliches Ansehen zu verschaffen. Das war ihm weitestgehend egal gewesen, so lange er mit der Kaze auf sich allein gestellt gewesen war. Aber jetzt wurde es doch zu einer gewissen Behinderung. Nun, in seiner Dienstzeit auf der Ontario hatte er sich daran gewöhnt, im Verband zu agieren.

Am Ende hatten die Offiziere fast drei Stunden gespeist, vor allem aber debattiert und sich ausgetauscht. Mithel löste die Versammlung auf und kündigte an, so wie sich neue Gesichtspunkt ergeben würde, würde er diese mit den einzelnen Kapitänen per Richtfunk erörtern. Der Commodore ließ die Offiziere zu ihren Fähren eskortieren – alle, außer Schneider. Dem Kapitän der Kami bot Mithel vielmehr an, ihn selber zu seiner Fähre zu begleiten.
Schneider konnte sich nur zu gut vorstellen, dass dahinter vermutlich nicht nur pure Freundlichkeit steckte. Und in der Tat kam Mithel schnell zur Sache, kaum, dass sie sich auf den Weg gemacht hatten. Er sprach so leise, dass selbst die Eskorte vermutlich nicht mitbekam, was er genau sagte. Schneiders Begleiter hatte er vorher mit höflichen Worten und einem etwas weniger höflichen Blick dazu aufgefordert, Abstand zu halten. Es war freilich nicht sehr überraschend, dass Mithel bereit war, seine Autorität auch einzusetzen.
„Nun, ich hoffe, Sie haben einen guten Eindruck von den Offizieren der Schwadron gewonnen.“ Das war vermutlich nur Einleitung – Mithel gehörte kaum zu den Leuten, die um Sympathie buhlten, schon gar nicht bei Untergebenen. Der Schwadronschef wartete auch gar nicht ab, ob Schneider vielleicht eine höfliche Belanglosigkeit entgegen wollte, sondern fuhr gleich fort.
„Wenn Sie sich fragen, warum Ihr erstes Treffen mit Ihren neuen Kollegen auf diese Art und Weise stattfand, nun, so kann ich Ihnen sagen, dass ich wollte, dass Sie verstehen, wie diese Einheit funktioniert. Und wie meine Zusammenarbeit mit meinen Untergebenen auf Kommandoposten funktioniert. Wie Sie sehen, macht gerade dies die Stärke der Schwadron aus. Das Agieren als eine Einheit. Wir sind so stark wie das schwächste Glied in der Kette, doch wenn alle gut zusammenarbeiten, ist die Schwadron eine exzellente Waffe. Die Meinungen der Einzelnen werden durchaus gehört – zur gegebenen Zeit und im gegebenen Rahmen.“
Obwohl die Stimme des Briten nicht lauter wurde, war ein gewisser scharfer Unterton nicht zu überhören, als er fortfuhr: „Was ich jetzt sage, ist vertraulich, aber ich meine es überaus ernst.“ Der Commodore musterte seinen jüngeren Untergebenen, nicht gerade feindselig, aber durchaus kritisch und prüfend.
„Ich will nicht leugnen, dass etliche Einträge in Ihrer Akte alles andere als positiv wirken. Das mag auf persönliche Feindschaft seitens der Verfasser zurückzuführen sein oder auch nicht. Ich habe mich jedoch entschlossen, mir mein Urteil über Sie anhand Ihres Verhaltens unter meinem Kommando zu bilden. Ich gehe davon aus, dass die geschilderten Zustände an Bord Ihres ersten Kommandos nur eine Übertreibung waren, ebenso die Einschätzungen, die Sie überhaupt erst auf die Kaze geführt haben. Es ist an Ihnen mir zu zeigen, ob ich damit Recht hatte. Doch ich versichere Ihnen, auf einem Schiff in einer Schwadron unter meinem Kommando wird es derartiges nicht geben. Ich nehme an, Sie haben mich verstanden.“ Mithel schien gar nicht an einer Entgegnung Schneiders interessiert: „Sie brauchen mir darauf nicht zu antworten. Wie gesagt, es sind Ihre Taten, die entscheiden.“
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Schneider wusste nicht Recht, was er antworten sollte. Auf der einen Seite ging ihm eine derartige Gardinenpredigt gegen den Strich – auf der anderen musste man dem Commodore zugute halten, dass er dafür einen eher privaten Rahmen gewählt hatte. Ihm war inzwischen längst klar, was Mithel beabsichtigte hatte, als er Schneider eingeladen hatte. Es war ein Stück weit auch eine Warnung gewesen, oder zumindest eine Mahnung – und der Schwadronschef hatte zu diesem Zweck die anderen Kapitäne mit eingespannt. So hatte er Schneider gleich zu Anfang klar gemacht, dass er, mehr oder weniger, für das gesamte Führungskorps der Schwadron sprach. Im Zweifelsfall waren die Zahlenverhältnisse offenbar recht eindeutig.
Es gab kaum eine Art und Weise, darauf eine Antwort zu geben. In den Filmen versprach man sich zu bessern oder man setzte noch eines drauf, doch dies hier war die Wirklichkeit. Mithel wirkte nicht so, als wäre er an Versprechen sonderlich interessiert, und wie er auf eine offene Herausforderung reagieren mochte…
Das wäre vermutlich keine gute Idee gewesen. Was ihre Ehre und Befehlsgewalt anging, waren viele Frontoffiziere noch wesentlich heikler als jeder Etappenhengst, weil sie meinten, ob zu Recht oder Unrecht, ihre Position und Autorität ehrlich verdient zu haben.
Erst im Hangar selber wandte sich Mithel wieder an seinen jüngeren Untergebenen. Und diesmal war kein Zweifel, dass er aufrichtig lächelte, wenn auch der Grund offen bleiben mochte. Er bot Schneider die Hand an, während die Marines der Eskorte Aufstellung bezogen: „Auf Gute Zusammenarbeit, Commodore Schneider.“ Dann neigte er leicht den Kopf: „Major…“ Und wieder schien er eigentlich keine Antwort zu erwarten.
Dann, nach diesem Abschied, den man verstehen konnte, wie man wollte, trat der Commodore zurück. Und dies war auch das Bild, das sich Schneider einprägte: der grauhaarige Commodore auf dem Hangar inmitten seiner Eskorte, kerzengerade aufgerichtet ohne ein Zeichen von Schwäche – oder Nachgiebigkeit. Es war dieses Bild, das den Kapitän der Kami auf dem Heimweg zu seinem Schiff begleitete, das und die Worte des Schwadronschefs.
22.12.2015 08:13 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cunningham

Lucas betrat die Brigg. Links und rechts des Mittelgangs waren je drei Zellen mit jeweils einem Etagenbett. Aus den letzten Zellen links wie rechts waren Motorsägen zu hören, die einen ganzen Urwald abholzten.
Der Commander blickte den jungen Corporal der Marines an, dessen linker Arm von der schwarzen Binde der Bordpolizei geschmückt war. ,Die Jungens werden auch immer jünger.'
Der Corporal deutete den Blick richtig, zog seinen Schlagstock und zog ihn einmal über die Gitterstäbe zu seiner Rechten: "Gefangene ACHTUNG!"
Die beiden Holzfäller erhoben sich stöhnend und kamen zu den Gittern. Master Chief Eric Dodson in der rechten Zelle zog seinen Overall bis oben hin zu und nahm Haltung an.
Skunk in der linken Zelle stellte sich mit leicht gespreizten Beinen mehr oder minder gerade hin, das khakifarbene Uniformhemd bis unten hin offen.
"Rühren Gentlemen, so rühren Sie doch." Lone Wolf verschränkte die Hände hinter den Rücken.
"Als man Sie beide vorfand, brauchte es sechs Marines um Sie beide zu trennen. Alle Marines, die wie ich sehe recht freizügigen Gebrauch von ihren Schlagstöcken gemacht haben, mussten im Lazarett wegen Prellungen, Schürfwunden und Verstauchungen behandelt werden ..."
"Hätten sich ja nicht einmischen brauchen." Nuschelte Skunk.
Dodson schnaubte: "Das hättest Du nicht überlebt, Bübchen."
"Ach ja? Los Kleiner, schick den Schmieraffen mal zu mir rüber, dann spart sich die Kantine sein Abendessen." Skunk rüttelte an der Tür.
"Wenn ich mit Dir fertig bin, Fliegerjunge, such ich deine Mutter um ihr das Trauma deiner Geburt zu nehmen!" Brüllte der Master Chief und die Randale der beiden Streithähne wurde lauter. So laut, dass sich einige Marines mit Schlag- und Schockstöcken am Schott der Brigg sammelten.
Die Männer und Frauen in den Tarnuniformen machten auf den Geschwaderkommandanten den Eindruck, als würden sie die beiden Streithähne am liebsten aus den Zellen rauszerren und durchs Schiff prügeln.
"RUHE!" Lucas hatte echte Mühe das Crescendo zu übertönen.
"Skunk, Sie halten jetzt das Maul oder ich lassen Sie von ihren Spielkameraden", er deutete über die Schulter auf die Marines, "knebeln."
Die Drohung wurde von den Marines dadurch untermauert, dass einige ihre Schlagstöcke in die offene Hand klatschen ließen.
Harvey Jones biss die Zähne zusammen und musterte die Marines hasserfüllt.
Lucas hingegen wandte sich an Dodson: "Okay Chief, was ist vorgefallen, dass Skunk nach einer Schlägerei immer noch einen Brass auf Sie hat? Normalerweise steckt er selbst Niederlagen gut weg."
Der Cheftechniker des Geschwaders holte tief Luft: "Also Skipper, nachdem in der Nacht mir oder besser gesagt meinen Überstunden schiebenden Technikern schon zwei andere Ihrer überbezahlten, überbewerteten, unterqualifizierten, arroganten, strunzdummen, nichtsnutzigen Operettenoffiziere von Lieutenant Commandern in den Ohren gehangen haben, von wegen schneller, es ist dringend, die Maschinen hätten schon gestern fertig gewesen sein müssen, kam dieses Stinktier angewackelt, schiss meine halbe Mannschaft zusammen und fing dann an obszön und beleidigend zu werden."
Der Geschwaderkommandant blickte Skunk an.
"Keinen Widerspruch, Boss", der Pilot hob abwehrend die Hände, "nachdem dann eine seiner Mechanikertussen anfing zu heulen, trat er auf den Plan."
"Und dann?"
"Hat er angefangen meine Mutter zu beleidigen und als wir uns gemütlich zurückzogen, um die Sache wie Männer zu klären, hat er mir hinterrücks eine mit'm Schraubenschlüssel übergezogen."
"Ist das wahr, Chief?"
"Ja, ich hatte nichts Stabileres."
Einen Seufzer ausstoßend vergrub Cunningham sein Gesicht in den Händen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sich der Corporal wohl überlegte, ob er ihm mitfühlend auf die Schultern klopfen sollte.
"Hören Sie, Commander", begann Dodson, " seit ich in der Navy bin darf ich mich immer mit diesen angeblich gebildeten Jetjockeys rumschlagen, die müssten doch angeblich Ahnung von der Materie haben und wissen, was wie viel Zeit braucht, doch immer wieder das selbe, und je mehr Lametta IHR auf der Schulter habt, desto übler wird es mit Euch."
Cunningham blickte seinen Cheftechniker fassungslos an.
"Sehen Sie mal Sir, um Raumpilot zu werden braucht man ja nun nicht nur eine exzellente körperliche Tauglichkeit, sondern auch mindestens Abitur oder Fachabitur. In der Flugschule gibt es neben dem grundsätzlichen Ausbildungskursen zum Piloten ja auch die Offiziersausbildung und einen grundlegenden Techniklehrgang.
Zu diesem Lehrgang gibt es dann einen Prüfschein der Klasse A 3, welchen ein Assistenztechniker in der zivilen Raumfahrt auch hat.
Ich gestehe ja zu, dass man da bei längeren Aussetzern und wenig bis gar keiner praktischen Erfahrung sehr schnell den Überblick verliert."
"Ja und? Was wollen Sie mir bitte damit sagen?"
"Ich habe die Technikerschule mit dem A 4 Schein abgeschlossen und als kleiner Wartungstechniker angefangen, mich weitergebildet und ständige Praxis im Umgang mit Jagdfliegern. Als Master Chief und Cheftechniker dieses Geschwaders habe ich den I 4 Schein, was vergleichbar ist mit einem Dr. in Raumfahrttechnik. Wenn ich Ihnen sage, eine Arbeit dauert so und so viel lange, dann braucht die Arbeit so lange und da können weder Commander Narbenfresse, der Zwerg oder Stinktier mit ihrem Gebrüll und Empfindung für Leistung was ändern. Also bitte, um unser aller Willen, halten Sie mir die Ahnungslosen vom Hals."
"Und nun soll ich Sie wieder raus lassen?" Cunningham verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich werde auch keine Ihrer Offiziere mehr zusammenschlagen. Versprochen."
Cunningham starrte Dodson so lange an, bis dieser sich anfing unbehaglich am Kinn zu kratzen und nervös von einem Bein auf das andere Stieg.
"Corporal: Lassen Sie den Master Chief raus."
"Aye, Sir."
"Ich lasse Sie nur aus einem Grund wieder auf meine Maschinen los: Das da drüben ist Skunk und der fordert Schlägereien nun mal immer wieder heraus. Sollten Sie nochmal eine Schlägerei mit einem meiner Offiziere anfangen, werden Sie nicht in einer bequemen Zelle landen. Verstanden?! Und ich werde zusehen, dass meine Ahnungslosen Sie in Ruhe arbeiten lassen."
"Alles klar, Skipper." Dodson verschwand schleunigst.
Skunk machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck als Lucas sich zu ihm umwandte. "Nun zu uns beiden Hübschen. Corporal, ob Sie mich und den Lieutenant Commander bitte allein lassen?"
"Aye, Sir." Der Corporal salutierte und scheuchte seine Kameraden hinaus.
22.12.2015 08:13 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cunningham

Skunk fuhr sich übers Gesicht und seufzte: "Sorry Boss, da mit dem Chief habe ich echt Mist gebaut. Verdammt gewaltigen Mist."
Der Geschwaderkommandant blickte Skunk an, als ob dieser die Untertreibung des Jahrhunderts gemacht hätte: "Was glauben Sie wird unser JAG-Offizier aus der Sache machen, wenn Waco nicht wie üblich den Deckel drauf hält? Haben Sie eigentlich nur die leiseste Ahnung, was Sie Rindvieh wieder mal für einen Scheiß gebaut haben?"
"JA, SIR!" Etwas kleinlauter: "So in etwa."
"Verdammt Skunk, es interessiert heute wirklich keinen mehr, wenn sich der eine oder andere Pilot beim Landgang danebenbenimmt, rauft oder sonst was, dazu sind Piloten zu wichtig. Wir haben den JAG ja mittlerweile so weit, dass er wegguckt, wenn Sie mit den Ledernacken spielen gehen. Selbst Sergenat Major Kamal ..."
"Jamal", warf Skunk ein.
"Jamal, Kamal, mir doch egal wie der Dreckspringer heißt, auf jeden Fall hat ja auch der seinen Boys and Girls eingeimpft Sie nicht für längere Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, solange Sie sich zurückhalten und keinen Marine nachhaltig verletzen."
Skunks Gesichtszüge entgleisten.
"Was?" Wollte Cunningham wissen. "Haben Sie gedacht ich weiß nichts von Ihrer Absprache mit diesem ... Marine? Ich mag zwar der meistgehasste Mann an Bord dieses Schiffs sein, das macht mich aber weder blind noch dämlich."
Skunk blinzelte: "Sagen Sie mal Skipper, Sie predigen hier doch nicht ohne Grund. Sie sind doch nicht blind oder dämlich genug, um gegen eine Mauer zu reden. Sie spielen doch nicht einfach so den netten Onkel der sich Sorgen macht, Sie wollen doch was?"
"Naja, da ich in Ihrem Fall wohl den Anwalt mimen darf, will ich Ihnen doch einfach mal ein paar rechtliche Tipps geben, ungestört."
Lucas war zur Wand gegenüber der Tür gegangen, hatte sich gestreckt und der Überwachungskamera den Stecker gezogen. Hier in der Brigg ging das tatsächlich so einfach, und wenn ein Angeklagter mit seinem Anwalt sprach, durfte die Brigg nicht überwacht werden.
"Hören Sie Skunk, Sie haben echt Scheiße gebaut, wie Sie so blumig feststellten. Und diesmal kann es verdammt bös' ausgehen. Die Scheiße ist nur so ein Stückchen", Cunningham hielt Daumen und Zeigefinger nur einen Millimeter auseinander, "davon entfernt durch den Ventilator zu fliegen. Aber das Schlimmste an der Angelegenheit ist: Nicht Sie asoziale Imitation eines Menschen werden die Konsequenzen tragen, sondern blöderweise wohl unser Chefmechaniker."
Der Lieutenant Commander blinzelte Cunningham an.
"Der JAG hat durchblicken lassen, dass er gegen Dodson ermitteln will. Erstmal Schlagen eines vorgesetzten Offiziers und was diese Null sonst noch dazu konstruieren will, möchte ich mir nicht ausmalen."
"Fuck!"
"Ja Fuck! Skunk. Ganz großer Fuck. Wie klingt Befehlsverweigerung im Angesicht des Feindes? Für mich klingt das ganz stark nach Exekutionskommando und was sagen Ihre haarigen Ohren dazu?"
"Das können die doch nicht machen, Dodson und ich haben uns geprügelt, na und ... Außerdem habe ich angefangen."
Lone Wolf warf die Hände in die Höhe: "Oh, klasse, Schlagen eines Untergebenen, kommen Sie Commander, möchten Sie der Jury nicht mitteilen, warum Sie den armen Chief verprügelten? Machen Sie das öfters?"
Der inhaftierte Staffelführer straffte sich: "Was spielen Sie für ein Spielchen, wenn der JAG das mit den Marines gefressen hat, wird er jetzt nicht so einen Wind machen, also kommen Sie zur Sache, was wollen Sie, damit Sie nicht zu Commander San Martin gehen und ihm diesen Floh ins Ohr setzen?"
Beinahe wäre Cunningham zusammengezuckt, doch er schaffte es ein triumphierendes Grinsen auf sein Gesicht zu zaubern: "Tja Skunk, ich habe da tatsächlich etwas womit Sie sich quasi freikauf... nein, nennen wir es reinwaschen. Ich brauch da ein paar Piloten." ,Da hätte er mich doch fast ertappt.'
Der Geschwaderkommandant der Angry Angels erzählte von der Jagd auf Jor und dem Rettungskapselproblem und wie er es im Zweifel beheben wollte.
"Sie Bastard!" War Skunks Antwort. "Wenn uns nicht diese Gitterstäbe trennen würden, würde ich dafür sorgen, dass Sie wohl die nächsten sechs Wochen im Lazarett verbringen."
Die Antwort des Geschwaderkommandanten war ein gönnerhaftes Grinsen: "Nun kommen Sie mir nicht mit Skrupeln, die Sie nicht haben. Sind Sie dabei?"
"Unter einer Bedingung."
"Die wäre?" Verlangte Cunningham zu wissen.
"Lassen Sie Cartmell aus der Rechnung." Skunk starrte seinem Vorgesetzten direkt in die Augen. "Er steht doch auch auf Ihrer Liste gedungener Killer."
"Richtig, tut er, und die Entscheidung ob er mitmacht oder nicht, wird ganz allein bei ihm liegen. Keine Erpressung, zumindest das verspreche ich Ihnen."
22.12.2015 08:14 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ironheart

Versammlungsraum II an Bord der COLUMBIA
Im System Beta Borealis

Major Hue Zha Bao sah sich im Versammlungsraum der COLUMBIA um und versuchte sich zu entspannen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Er war der rangniedrigste Offizier im Raum und fragte sich immer noch, warum Colonel Hammersmith ihn bei dieser Einsatzbesprechung dabei haben wollte. Neben dem Regimentskommandeur waren Admiral Wulff, Rear-Admiral Mullins, Commodore Mithel, Captain Waco, Captain Atkins, Captain Schneider, Commander Cunningham und Commander Richard Nissler anwesend, der im Augenblick vorne stand und Ihnen den kommenden Auftrag erläuterte. Er hatte sich schon in knappen Worten über ihre bevorstehende Jagd auf die Korax ma Rah ausgelassen und schwenkte nun um zu dem Auftrag des 217. Regiments.
„Meine Herrschaften, kommen wir nun zum Auftrag des 217. Sturmregiments. Wie Sie wissen ist das erste Bataillon auf der RELENTLESS, das zweite Bataillon auf der KAMI und das noch im Aufbau befindliche dritte Bataillon auf der REPULSE stationiert. Damit verfügt das Regiment insgesamt über knapp 10 Kompanien und damit über 32 einsatzfähige Infanteriezüge. Alles in allem eine durchaus schlagkräftige Verstärkung unseres Marineinfanteriekontingents. Colonel Hammersmith?“
„Danke, Richard. Ich darf vermelden, dass das 217. volleinsatzfähig ist. Unsere Verluste hier in Beta Borealis waren gering und konnten bereits wieder kompensiert werden. Das dritte Bataillon hätte ich zwar gerne auf volle Einsatzstärke gekriegt, bevor wir wieder ausgerückt wären. Vor allem fehlt mir hier noch ein geeigneter Kommandeur, aber man kann nicht alles haben. Captain Johansson wird mit seiner Erfahrung in der Lage sein, die verstärkte Kompanie zu leiten, zumal wir ihm die fähigsten Lieutenants als Zugführer zur Seite gestellt haben.“
„Gut“ antwortete Admiral Wulff und wandte sich wieder Nissler zu, der den Ball wieder aufnahm und wieder fortfuhr.
„Sie fragen sich sicher, was wir mit dem 217. anfangen sollen. Nun, es gibt im Grunde vier Optionen. Erstens: Das 217. verstärkt die Infanteriekontingente und kann im Notfall durch die Verfügbarkeit eigener Sturmfähren schnell von Brandherd zu Brandherd hüpfen und die Angriffe wenn nötig zurückschlagen.
„Dann müsste es uns aber schon ziemlich dreckig gehen, oder?“ warf Waco dazwischen.
„Richtig, Skipper. Ich denke und hoffe vor allem nicht, dass es dazu je kommen wird. Kommen wir nun zur zweiten Option. Wie Sie wissen, hat das 217. große Erfahrungen mit der Enterung und Erstürmung gegnerischer Raumstationen und Dickschiffe. Im Verlaufe der Schlacht könnte es sich als sinnvoll erweisen, einen havarierten Kreuzer oder Zerstörer zu übernehmen.“
„Nun, ich denke bei diesem Auftrag werden wir anderes zu tun haben, als einen Kreuzer der Akarii zu entern.“ Diesmal war es Rear-Admiral Mullins, der seinen Einwurf hervorbrachte. Hue spürte, dass die hohen Offiziere nicht gerade begeistert über die Anwesenheit des Regiments zu sein schienen. Jedenfalls erkannte er deutlich mehr Widerstände gegen die möglichen Einsatzfelder ihrer Einheit, als er sich gedacht hatte.
Commander Nissler lächelte, bevor er fortfuhr. „Man kann nie wissen, Admiral. Die Option besteht und daher sollten wir sie im Auge behalten. Dann gibt es noch die dritte Option. Sollten wir die Korax ma Rah stellen und vernichten, steht noch die Frage aus, wie wir die zu erwartende Fülle an Rettungskapseln nach Prinz Jor untersuchen können. Auch hier können wir die zusätzlichen 32 Sturmfähren des 217. nutzen, um die Kapseln und auch die Rettungsfähren aufzubringen und zu durchsuchen.“
„Die Korax ma Rah und ihre Begleitschiffe haben deutlich mehr als 32 Kapseln.“
„Ein Grund mehr, jede erdenkliche Einheit einzusetzen. Zusammen mit unseren eigenen Infanteriekontingenten können wir die Fülle der verschiedenen Rettungsgefährte absuchen.“
Waco schüttelte den Kopf. „Rettungskapseln sind das eine, Rettungsfähren sind das andere. Diese werden fliehen. Wie wollen Sie die aufbringen?“
„Natürlich werden die Fähren die erste Priorität haben. Die Angry Angels werden jede Fähre stellen können und die Sturmfähren des 217. sind nicht umsonst an Bord der Kreuzer stationiert. Von dort aus sind sie weiter vorne in der Schlacht und durch ihre verstärkten Antrieb in der Lage die Fähren schnell zu stellen. Die dadurch reduzierte Reichweite der Sturmfähren dürfte dabei nicht ausschlaggebend sein.“
Hue blickte hinüber zu Cunningham, dessen Gesicht eine Maske der Unbeweglichkeit war. Ob die Jägerjockeys die Fähren nur stellen oder abschießen würden war eine Frage, die sich wohl jeder von Ihnen stellte.
„Ich glaube nicht, dass Prinz Jor an Bord einer Rettungsfähre oder einer Kapsel fliehen wird“ warf jetzt Atkins ein. „Er ist Jagdflieger und dementsprechend wird er in einen Jäger steigen.“
„Dann wird es Commander Cunninghams Aufgabe sein, ihn zu finden und zu erwischen. Aber je mehr Sicherheit wir über Jors Verbleib nach dieser Schlacht haben können, desto besser.“

Als keiner der Offiziere widersprach, fuhr Nissler wieder fort, aber erst nachdem ihm Wulff mit einem Seitenblick zunickte. Offensichtlich war Nissler mit dem nächsten Punkt nicht ganz wohl zumute. „Kommen wir zur vierten Option. Unter gewissen Umständen kann es durchaus sinnvoll erscheinen, die Korax ma Rah selbst zu entern.“
Mehrere der Flottenoffiziere atmeten hörbar aus, Waco entfuhr sogar ein lautes Lachen. „Schwachsinn.“
„Das ist nicht ihr Ernst!?“ Commodore Mithel, der bislang nur geschwiegen hatte, blickte düster hinüber in Hammersmiths Gesicht. Er war nicht direkt feindselig, aber seine Stimme spiegelte deutlich wieder, was er von diesem Auftrag hielt.
„Doch, das ist es, Commodore.“ gab jetzt Hammersmith ungerührt zurück. „Major Hue war vor knapp zwei Jahren bei der Erstürmung der Kiril Param dabei und auch damals hieß es, dass es Selbstmord sei. Unsere Einheit hat die Velorha-Werfen übernommen. Auch damals hieß es, dass wir das nicht schaffen könnten. Doch ich bin der Meinung, es wäre den Versuch wert.“
„Sie haben niemals genug Männer um die Korax zu übernehmen!“ Waco, als Captain eines Trägers, war am offensichtlichsten gegen einen solchen Angriff. „Wissen Sie eigentlich wie viele Männer ein einsatzfähiger Träger hat? Ganz zu schweigen von der Defensivbewaffnung? Ihre Fähren würden nicht mal nahe genug rankommen, um einen einzigen ihrer Männer abzuladen.“
„Deswegen sind wir auch auf den Kreuzern stationiert. Die können einiges einstecken und uns nahe genug ranbringen, so dass die Verluste akzeptabel wären.“ Bei diesen Worten schüttelte Atkins den Kopf. „Wir sind doch kein Taxiunternehmen…“ aber Hammersmith ging nicht weiter auf ihn ein, sondern fuhr fort. „Außerdem würden wir bei einem derartigen Angriff nicht alleine gehen. Die übrigen Infanterieverbände würden uns verstärken. Mit allen Einheiten zusammen hätten wir Brigadestärke. Und die Jäger, Bomber und Kreuzerverbände würden die Korax schon sturmreif schießen müssen, das ist natürlich klar. Niemand redet hier von einem Sturmangriff auf einen vollintakten Träger. Major Hue wird Ihnen unseren Angriffsplan vorstellen.“
Hues Herz pochte jetzt stark, als er sich nach vorne begab. Er war nicht sonderlich gut in solchen Sachen und hatte versucht, den Colonel dazu zu überreden den Einsatz selbst vorzustellen. Aber Hammersmith war hart geblieben, er schien etwas damit zu bezwecken. Der Bildschirm hinter Hue flackerte und erwachte zum Leben und die Ansicht einer vergrößert und stilisiert dargestellten Weltraumschlacht erschien.
„Madam, Sirs. Wir haben das Szenario mehrfach durchgespielt und folgende Ergebnisse erhalten. Sollten wir es schaffen die Begleitschiffe der Korax auszuschalten und dem Träger sowohl die Schilde als auch die Bewaffnung zu rauben, könnte ein Angriff“ bei diesen Worten schaltete Hue die Simulation ein „aus mehreren Richtungen kommend gegen die Korax ma Rah Erfolg versprechend sein.“ Die Simulation zeigte im Hintergrund, wie die Sturmfähren der kombinierten Infanterieverbände unter dem Schutz- und Geleitflug der Kreuzer, Zerstörer und Jäger wie ein Rudel Wölfe über den riesigen Träger herfiel. Vereinzeltes Gegenfeuer der Korax vernichtete dabei einige der Fähren und Geleitschiffe, doch ein Großteil der Angreifer konnte landen.
„Wie hoch sind die kalkulierten Verluste?“ fragte die Admirälin.
„Im Schnitt liegen die Verluste bei 50-60%“ gab Hammersmith ungerührt zurück. Hue musste sich selbst zusammenreißen, um nicht zusammen zu zucken.
„Ein stolzer Preis. Erfolgswahrscheinlichkeit?“
„Die Erfolgswahrscheinlichkeit liegt bei 70%.“

Stille legte sich über den Raum. “Und Sie glauben, dass das gut genug ist für sie und ihre Männer?“
“Ja, Ma´am, das glaube ich in der Tat. Wie steht es mit Ihnen, glauben sie an uns?“ fragte Hammersmith mit einem breiten Grinsen zurück.
Admiral Wulff zuckte nur kurz mit den Schultern. “Nun, ich denke, dass Ihre vierte Option ein Himmelfahrtskommando darstellt.”
„Sollten wir scheitern, können Sie die Korax immer noch in die Luft jagen.“
Schneider lächelte. “Ach, ich denke, unsere Chancen stehen nicht schlecht. Die KAMI ist schnell, die 217. erfahren und schlagkräftig und Jor wird niemals auf die Idee kommen, dass wir so etwas Verrücktes versuchen werden.”
“Wenn wir denn überhaupt eine Gelegenheit bekommen werden…” gab Hammersmith zurück und bevor jemand weitere Fragen stellen konnten, fuhr er weiter. “Machen wir uns doch nichts vor: Bei dieser Rechenaufgabe gibt es eine Menge Unbekannte. WENN wir Jor ausfindig machen können und WENN wir ihn überhaupt in der Raumschlacht schlagen können und WENN die Raumjockeys und Dickschiffkapitäne – nichts für ungut, Commodore, Commander – ihn nicht in tausend Stücke schießen und WENN er nicht an Bord eines Jägers kämpft und WENN wir diesen Husarenritt überhaupt erfolgreich ausführen können, DANN werden wir erst an Bord der Korax ma Rah sein. Und WENN wir dann überhaupt in der Lage sind, seine Leibgarde auszuschalten, dann erst können wir ihn kriegen, ob nun tot oder lebendig. Ich persönlich glaube eher, dass wir aus einem ganz anderen Grund geholt worden sind.”
Commander Nissler legte den Kopf schräg beiseite. “Und der wäre?“
“Erlaubnis frei reden zu dürfen, Admiral“
„Das tun Sie doch schon die ganze Zeit, Colonel“ gab Wulff zurück.
Doch Hammersmith ließ sich nicht irritieren. „Nun, ich glaube, dass wir nur dabei sind um den Eindruck zu erwecken, der Plan sähe vor Prinz Jor lebendig zu kriegen. Wir sind nur mit von der Partie, damit man sagen kann: Seht her, wir hatten Truppen zum Sturm auf die Korax ma Rah dabei, aber aus diesem Grunde oder aus jenem Grunde mussten wir das Flaggschiff in Stücke schießen. Was die Navy sich nicht leisten kann, sowohl nach Innen als auch nach Außen, ist es den Eindruck zu erwecken, dass es bei dieser ganzen Aktion um ein gigantisch angelegtes Exekutionskommando handelt. Natürlich muss sich die Navy Optionen offen halten, aber ich glaube, dass die Option, die Korax ma Rah zu Entern die unwahrscheinlichste ist.“
Schneider schüttelte den Kopf „Ich weiß nicht Colonel, wenn wir die Korax ma Rah vernichten, werden wir keinen Beweis haben, dass Jor wirklich tot ist. Wenn wir seine Leiche nicht bergen können, könnte sich ein Kult um ihn aufbauen und die Akarii könnten in dem Glauben weiterkämpfen, der Kronprinz wäre noch am Leben. Er könnte den Draned-Sektor stabilisieren, ob nun tot oder nur verschollen. Und das könnte den Krieg um Monate, wenn nicht sogar Jahre verlängern.“
„Unsinn, wenn die Korax ma Rah vernichtet ist und sich Prinz Jor nicht mehr meldet, werden die Echsen schon einsehen, dass ihr Kronprinz tot ist“ gab Waco dazu.
„Ja, vielleicht in ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Und in der Zwischenzeit werden die Akarii Gerüchte streuen lassen, Jor wäre in den Untergrund gegangen, er würde erst an einem Ort gesichtet werden, dann an einem anderen. Genug Gerüchte, um den Widerstand der Akarii auf einem Dutzend der Planeten aufrecht zu halten, deren Sternensysteme wir leichtsinnigerweise bereits unser eigen nennen. Wir haben vor uns noch ein immer noch gigantisch großes Imperium, hinter uns liegen noch einige nicht befriedete Systeme wie Wron und Karbash und dann hätten wir neben uns noch den Draned-Sektor. Wie lange meinen Sie können wir es uns leisten an drei Fronten gleichzeitig zu kämpfen.“
Waco schüttelte den Kopf. „Ich sage es noch einmal, wenn wir die Korax ma Rah pulverisieren, werden die Echsen Prinz Jors Tod hinnehmen…“
„Ach wirklich?“ Jetzt unterstützte Hammersmith Captain Schneiders vorherige Worte. „Darf ich Sie an den britischen Thronfolger James Windsor erinnern? Vor knapp drei Jahre verschollen, vermutlich tot und doch haben die Briten nach dem Tode George XII nur einen vorübergehenden neuen König eingesetzt, bis James wiederkehrt um den Thron zu besteigen. Warum sollte so was nicht auch bei den Akarii passieren.“
“Ich denke Sie irren sich, Colonel” gab Commander Nissler zurück “Ich glaube…“
Das reichte Admiral Wulff anscheinend und sie stand geräuschvoll auf. Äußerlich gelassen polterte ihre Stimme aber doch hörbar als sie den Satz Nisslers beendete „, …Sie sollten alles dafür tun, für diesen bestimmten Tag vorbereitet zu sein. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich diesen Befehl jemals geben werde, aber Sie sollten bereit sein, falls ich es doch tun sollte. ”
“Oh, das werden wir” gab Hammersmith zurück „wir werden bereit sein.“

Doch Hue war sich nicht sicher, als er in die skeptischen Blicke der Offiziere blickte. Vor allem Commodore Mithel aber auch Commander Cunningham, der während der gesamten Sitzung nicht ein Wort von sich gegeben hatte, schienen ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
Und Hue wusste nicht, was ihm größere Sorgen machen sollte. Die Sorge, mehrere Monate auf diesem Kahn festzuhängen und den vielleicht größten Erfolg dieses Krieges tatenlos mit ansehen zu müssen. Oder die Sorge, doch den Befehl für die vierte Option zu erhalten und dabei einen Großteil seiner Leute und vielleicht sogar sein eigenes Leben zu verlieren.
23.12.2015 06:45 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ace

Julianes Hände krampften sich zusammen, während sie hinaus sah, hinaus in das erbarmungslose, menschenfeindliche All. Sie biss sich auf die Lippe und schmeckte Blut. Aus ihren Augen liefen Tränen wie ein haltloser Strom und sie fiel nur deswegen nicht um, weil ihre Beine schlicht zu schwach waren, um dem Zug der Schwerkraft zu folgen.
Was sie sah, erschien ihr wie die wahr gewordene Hölle. Die COLUMBIA hatte sich so gedreht, dass Groshen VII seitlich neben dem Schiff stand – und somit den besten Blick auf das bot, was hier schon seit Tagen tobte und noch Tage dauern würde. Die DAUNTLESS hatten die ersten Aufnahmen geschickt, und mittlerweile war die Trägergruppe nach der Geleitzugschlacht von Groshen nahe genug, um eine Beobachtung mit bloßem Auge zu erlauben. Die unbesiedelte, kalte Sauerstoffwelt war ein High Gravity-Planet mit ungewöhnlich kompakter Atmosphäre. Das führte dazu, dass kosmische Trümmer ungewöhnlich stark und damit sehr grell verglühten.
Kosmische Trümmer und Akarii.
Sie wollte schreien, das Entsetzen fortbrüllen, zusammenbrechen, aber sie stand nur da, starrte hinaus und zählte die grellen Lichtblitze, die bis in den Orbit hinauf reichten. Ihre Tränen und das Blut von ihren Lippen liefen ihr das Gesicht hinab, tropften vom Kinn auf die Uniform.
Wenn es einen Beweis dafür gab, dass Krieg reiner, purer Wahnsinn war, dann lag hier vor ihr der Beweis.
Sie hatten den gegnerischen Konvoi aufgebracht und fast alle Schiffe wie beim Tontaubenschießen vernichtet. Juliane erinnerte sich daran, wie sie selbst wie in einem Rausch gefangen war und Anflug auf Anflug auf die gegnerischen Dickschiffe geleitet hatte. Sie hatte nicht verlieren wollen, gegen ihren Lieblingsfeind, Lightning und die grüne Staffel. Mehr abgeschossene Akarii, mehr vernichtete Dickschiffe, all das erschien ihr in diesem Moment so verdammt fern.
Einem Teil der Schiffe, gedeckt von einer Abteilung schwerer Kreuzer, war der Ausbruch gelungen. Fünf Truppentransporter mit je fünfzehntausend Infanteristen an Bord hatten sich unter permanentem Beschuss auf dem Weg zum Sprungpunkt gemacht, die COLUMBIA und ihre Begleitflotte im Schlepp. Hier über Groshen VII hatte das Finale stattgefunden. Die leichteren, schnelleren Schiffe hatten den Konvoi gestellt, waren aber ohne die Kreuzer der 2.3 zu schwach gewesen um mehr als eine Lücke zu schlagen. Eine Lücke, welche die Goldenen genutzt hatten. Sie waren durchgebrochen und Durfee hatte einen der Truppentransporter mit zwei Mavericks vernichtet.
Das Schiff war geplatzt wie eine reife Frucht, die Besatzung und die Infanteristen waren, so sie nicht in den Explosionen verdampft waren, ins kalte All gesogen worden und froren dort nach den entsetzlichen Schmerzen der Dekompression und des in den Adern kochenden Blutes zu Stein. Groshen VII fing dann die Leiber mit seiner Gravitation ein, die Leiber und die Reste des Transporters. Und nach und nach verglühten nun die Leiber der toten Infanteristen in der Atmosphäre.
Der Leichenschauer wurde dieses Phänomen genannt. Fünfzehntausend Leichen, jede Stunde fielen im Durchschnitt dreihundert über diesem Teil des Planeten herab.
Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn, purer, blanker Wahnsinn. Der Krieg war Wahnsinn, die Kämpfe waren Wahnsinn. Diese fünfzehntausend, die namenlos gestorben waren, ohne eine Chance, sich zu wehren, waren Opfer dieses Wahnsinns.
Ja, sie hatten den Krieg nicht gewollt. Und ja, sie selbst war freiwillig hier, um für ihre Heimat zu töten. Und sie hatte getötet, lag nun bei achtzehn Abschüssen und zwei Unterstützungen bei Fregatten.
Aber sich einzureden, dass sie alle Soldaten waren und dann so etwas zu sehen und zu wissen, was dort passierte, waren zwei verschiedene Dinge.
Sie senkte den Kopf, brach in den Knien ein, legte die Hände vors Gesicht und schluchzte bitter. Der Krieg hatte einen neuen, grausamen Höhepunkt erreicht.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Juliane sah auf.
Martin Durfee, ausgerechnet der Martin, der gerade das Flying Cross in Gold bekommen hatte, stand neben ihr.
„Weißt du, Huntress, das ist bereits mein zweiter Truppentransporter gewesen. Damit habe ich dreißigtausend Akarii auf dem Gewissen. Meine Seele ist jetzt so rabenschwarz, ich fahre direkt in die Hölle.“
Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. „Ich dachte, ich wäre der einzige, der fast verrückt wird, wenn er das sehen muss. Es wundert mich, dass die anderen nicht eine Party feiern, zum Licht der Blitze tanzen und trinken. Es wundert mich, dass kein Salut geschossen wird, um die Toten zu verhöhnen. Es wundert mich, wie man den Tod von fünfzehntausend Akarii als Heldentat feiern kann. Es…“
Mit einer ruckartigen Bewegung trennte er das Flying Cross von seiner Uniform, hielt es in der Hand und presste sie dann so lange zusammen, bis sich die Metallteile in sein Fleisch geprägt hatten. Blut lief die Hand herab, tropfte auf den Boden.
„Ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr. Findet das Töten denn nie ein Ende? Wie tief muss ich noch fallen, damit alle zufrieden sind? Warum erwischt es mich nicht? Warum nicht? Verdient habe ich es doch schon lange.“
„Martin…“
Tränen liefen seine Wangen herab. Sein Körper bebte. Doch als er Juliane ansah, lächelte er. „Danke, Huntress. Danke, dass wenigstens du… Dass… Ich…“
Sie erhob sich, plötzlich wieder von Kraft erfüllt und drückten den verdutzten Bomberpiloten an sich. „Natürlich bist du schuld. Natürlich ist deine Seele schwarz genug, um in die Hölle zu fahren. Aber bei mir ist es genauso. Wer einmal getötet hat, kann nie wieder zurück. Du bist verdammt, ich bin verdammt. Und jeder einzelne, der in diesem Krieg kämpft und gekämpft hat.
Daran, dass du es nicht einfach hinnimmst, dass du es nicht akzeptierst, dass du Tränen vergießt, erkennst du aber eines. Gott hat uns nicht vergessen. Gott hat uns nicht aufgegeben. Wir sind noch nicht ganz in der Hölle. Nur einen Fußbreit, und den können wir irgendwann wieder zurückgehen. Egal ob wir einen oder eine Million Akarii getötet haben.“
„Es tut gut, mit diesen Gedanken nicht alleine zu sein“, schluchzte der Bomberpilot und umklapperte die Deutsche, als wäre er am ertrinken. Im gewissen Sinne stimmte das sogar.

„Achtung, Achtung. An die gesamte Besatzung. Auf Befehl des Captains findet in einer Stunde in der großen Messe ein Gedenkgottesdienst für die Toten des Akarii-Truppentransporters MIGAR statt. Teilnahme für Piloten und Offiziere ist Pflicht, Entschuldigungen werden nicht akzeptiert. Durchsage Ende.“

Irritiert sahen sich die beiden Piloten an. Nur langsam lösten sie sich voneinander.
„Was war das denn gerade? Ein… Ein Gedenkgottesdienst? Auf der COLUMBIA? Befohlen vom Skipper für unsere Feinde?“ Juliane bohrte sich in den Ohren. „Habe ich Visionen, oder was?“
„Nein, ich habe es auch gehört. Komisch. Vor fünf Minuten war ich noch bereit, aus einer Schleuse zu springen, aber jetzt… Du solltest dich umziehen. Bei Gottesdiensten ist Sonntagsuniform Pflicht.“
„Du auch, Martin. Ob Waco die Idee für den Gottesdienst hatte?“
„Sicherlich hat Cunningham das für die Piloten angeordnet und Waco hat es auf alle Offiziere ausgedehnt.“
„Sicherlich. Auch gerade Cunningham.“ Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und das Blut von den Lippen. „Die große Messe, in eine Stunde.“
Die beiden nickten sich zu und verließen den Aussichtsraum.
**
Huntress schreckte aus ihrem Dämmerschlaf hoch. Mist, jetzt war sie schon wieder bei der Ordnung der Akten eingeschlafen. Die verdammten Sondertouren, die Cunningham angeordnet hatte und dann dieser verdammte Akarii-Sprit, auf dem man ritt wie auf einer Kanonenkugel, all das forderte seinen Preis.
Sie hatte schon wieder von Groshen geträumt. Die Presse hatte das damals als großen Sieg gefeiert. Sollten sie doch. Solange ihnen daheim das Schicksal erspart blieb, welches hier draußen so großzügig über Menschen und Akarii hereinbrach, war sie zufrieden.

Annegret murmelte irgendwas von Nachtisch in ihrem Halbschlaf. Was Juliane half, vollends in die Wirklichkeit zurückzukehren. Sicher, die junge Frau hatte ihr bei den Dokumenten helfen wollen. Und dann waren sie wohl beide eingeschlafen.
Nachdenklich betrachtete sie das Gesicht von Annegret Lüding, genannt Rapier, ihrer XO der blauen Staffel. Sie flogen jetzt schon so lange zusammen, dass sie es sich anders gar nicht mehr vorstellen konnte.
Die junge Frau war schon bei der ersten Mission der REDEMPTION dabei gewesen, eine Veteranin des Geschwaders. Und nun war sie Julianes wichtigste Stütze, um die Blauen beisammen zu halten.
Kurz sah sie auf die Uhr. Bis zum nächsten Einsatz für Rapier würden noch zweiundzwanzig Stunden vergehen. Der Vorteil einer Doppelschicht. Man konnte nach sechzehn Stunden anstrengender Patrouille zweiunddreißig Stunden ausruhen.
Juliane beschloss, die Kameradin noch etwas schlafen zu lassen. Sanft strich sie über das Gesicht der jungen Frau und musste schmunzeln. Wann hatte sie angefangen, Annegret wie ihre kleine Schwester zu behandeln? Wann hatte sie die vorlaute, dreiste, klatschende und nervige Frau nur derart ins Herz geschlossen?
Sicher, es war gefährlich, sich derart intensiv auf Untergebene einzulassen. Wenn sie starben oder versetzt wurden, war es ein kleine Tod für einen selbst. Genauso war es gewesen, als Demolisher versetzt wurde. Man hatte ihm eine eigene Staffel auf der MARYLAND in Aussicht gestellt und er war zu den Aces of Texas zurückgekehrt. Später war er mit seiner Staffel auf die FOCH gewechselt, nachdem die Entscheidung getroffen worden war, die MARYLAND an die Colonials zu verkaufen. Auch keine schlechte Karriere.
Zurzeit machte der Träger Jagd auf eine Akarii-Flotte, die hinter ihren Linien wütete und den Nachschub abfing. Genau wie die RED in der guten alten Zeit.
Hoffentlich überlebte der große, ewig fröhliche Afroamerikaner. Nichts wünschte sie ihm mehr als nach Hause zurückkehren, seine Neffen und Nichten zählen und irgendwann selbst einmal eine Familie aufbauen zu können.
Leise verließ sie das Büro, um Rapier nicht zu wecken.

In der Messe angekommen holte sie sich einen Kaffee und setzte sich weit, weit hinten an einen Tisch.
„Huntress, schön das ich dich treffe. Kann ich dir mal ein paar Fragen stellen?“
„Nein, kannst du nicht.“ Sie sah auf und erkannte ausgerechnet Cliff Davis. „Aber das hat dich ja noch nie abgehalten. Also schieß los.“
Der Pilot der Roten Staffel setzte sich ihr grinsend gegenüber, in der Hand einen eigenen Kaffeebecher. „Danke, Schatz. Also, es geht um die blauen Anforderungsformulare.“
„Die blauen?“ Indigniert zog Huntress eine Augenbraue hoch. „Ace, wie hat dich Skunk denn soweit gekriegt? Die blauen Formulare sind Staffelchefsache.“
„Ach“, meinte der große Pilot mit dem Stoppelschnitt, „ich habe mich drum gerissen. Erst wollte ich ja nur Kali entlasten. Aber so langsam wird es Zeit für mich, eine eigene Staffel zu bekommen. Da kann es nicht verkehrt sein, wenn ich mich auf den Verwaltungsquatsch vorbereite.“
„Du willst ne Staffel haben? So dreckig geht es uns aber noch nicht, Mr. Strahleweiß“, neckte sie ihn.
„Huntress…“, mahnte Cliff mit einem Gesicht als hätte ihm gerade jemand befohlen, einen Hundewelpen zu töten.
„Schon gut, schon gut. Wie läuft es eigentlich so mit Kali? Kommt Ihr klar?“
„Oh, ich liebe sie noch immer. Deshalb kommen wir ja auch miteinander aus. Und deshalb freue ich mich ja auch, dass es so gut mit Ohka läuft.“
Der große Pilot mit den blauen Haaren warf einen schnellen Blick durch den fast leeren Raum, bevor er sich halb erhob und Juliane einen Kuss auf die Lippen drückte. „Aber du bist immer noch meine Nummer eins.“
„Cliff…“, hauchte sie entsetzt. „Wenn das einer gesehen hat…“
„Wenn schon. Ist doch eh schon das Geschwader dreimal rauf und runter. Die Klatschtanten konzentrieren sich sowieso gerade auf die neuen und deren Beziehungskisten. Hey, wenn du mir bei den blauen Formularen hilfst, kriegst du noch einen Kuss.“
Juliane lächelte dämonisch. „Du speist mich mit einem lächerlichen Kuss ab? Schon vergessen, dass du hier mit Huntress redest, der tödlichen Chefin der blauen Staffel?“
„Zwei Küsse?“, bot Cliff grinsend an.
„Nein, mein Lieber, das muss schon eine Auson-Welle werden. Bei DEM Aufwand. Und bei deiner langsamen Auffassungsgabe…“
Cliff prustete unterdrückt. Auson-Welle, benannt nach der ehemaligen Ersten Offizierin der REDEMPTION, die mittlerweile mit Lucas Cunningham verheiratet war.
Es war damals im Geschwader ein offenes Geheimnis gewesen, dass die beiden es regelmäßig miteinander getan hatten. Was nur alle verwundert hatte war, dass sich die beiden verliebt hatten. Soviel Herz hätten die wenigsten Cunningham zugetraut. Aber anscheinend war es groß genug und heiß genug, um sogar Eisblock Auson zu schmelzen.
Seitdem galt die Auson-Welle vor allem für… etwas ernsthaftere Beziehungen.
„Okay, die Auson-Welle. Und wann wollen wir heiraten?“ Er zwinkerte der erfahrenen Pilotin zu.
„Noch nicht so bald. Warten wir mal dein Flying Cross in Gold ab“, sagte sie und machte eine großspurige Geste. „Sonst hast du Schwierigkeiten, dass meine Familie dich akzeptiert.“
Cliff sah sie ernst an. „Das habe ich ernst gemeint, Schatz.“
„Oh. OH! Was?“
„Habe ich dich dran gekriegt.“ Ace lächelte verschmitzt. „Also gut, bis zu meinem Flying Cross in Gold. Einverstanden.“
„Ich weiß wirklich nie, wann du Witze machst, Cliff.“
„Und das ist auch gut so. Sonst hast du womöglich in unserer Ehe das Kommando.“
„Was? Besteht da auch nur der geringste Zweifel, First Lieutenant?“, tadelte sie.
„Ma´am, nein, Ma´am“, erwiderte Ace und salutierte karikiert.
„So will ich das hören. Und jetzt mal zu meiner Auson-Welle. Wo hast du Probleme im blauen Formular?“
Der Weltraumgeborene lächelte schief und holte eines der dreilagigen, fünfseitigen Formulare hervor. „Hier. Seite drei, Absatz elf, Absatz neunzehn, Seite vier, Absatz eins, neun, fünfzehn und zwanzig. Und Seite fünf. Absatz drei, dreizehn und neunundzwanzig.“
„Du bist wirklich noch ein Kind, Cliff“, tadelte sie ihn scherzhaft. „Jetzt muss ich dir sogar noch Nachhilfe geben.“
„Du kriegst ja auch was dafür, nicht wahr?“
„In der Tat“, murmelte sie schmunzelnd und widmete sich dem Dokument.
In Momenten wie diesem war sie froh, und zwar nur in diesen Momenten, dass gerade Krieg war. Sonst hätte sie Menschen wie Demolisher, Rapier, Chip, Foreigner, Darkness und diesen hier, Ace, nie kennen gelernt. Und das wäre ein unglaublicher Verlust gewesen…
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Ace

So langsam nahm sein Schiff, die KAMI, Formen an, wie Justus Schneider zufrieden feststellte. Die Aussicht, vorzeitig befördert zu werden hatte viele engagierte und erfahrene Leute angelockt. Leider auch ein paar Hitzköpfe von einer Sorte, wie er sie nicht mal auf der guten alten KAZE gewollt hätte.
So wie diesen jungen Ensign, der vor seinem Schreibtisch stand und eisern den Salut hielt, bis Schneider irgendetwas sagte.
Oh, er kannte diesen Typ Offizier. Er war selbst so gewesen, vor langer Zeit. Bevor die KAZE ihm alle Flausen ausgetrieben hatte. Ja, das Schiff war eine sehr gute Schule für ihn gewesen. Er hatte auf ihr etwas sehr wichtiges gelernt: Seine Verwandtschaftsverhältnisse mit einem Admiral Frost als Patenonkel und einem Admiral Schneider als Cousin dritten Grades nützten ihm überhaupt nichts an Bord eines Schiffes, denen das scheißegal war.
Früher, als Hitzkopf, hatte er mehr als einmal durchsickern lassen, mit wem er verwandt war, wenn er gemeint hatte, irgend etwas könnte besser und effizienter laufen, wenn es nach seinen Vorstellungen und Ideen ging.
Nun, meistens hatte er damit Recht gehabt, aber dass er wie ein Elefant im Porzellanladen Dutzende Leute gegen sich aufgebracht hatte, sogar seinen eigenen Skipper, der ihn eigentlich zum Perisher empfohlen hatte, hatte er erst wirklich gemerkt, als ihm ein Besatzungsmitglied der KAZE mit einem Draht von hinten hatte den Hals abschnüren wollen.
Nach einer anständigen Prügelei und einem gebrochenem Arm – bei ihm – sowie einer gebrochenen Nase und mehreren gebrochenen Rippen – bei seinem Gegner – war er zu erschöpft gewesen, um rum zu erzählen, mit wem er verwandt war. Aber mit einer Ruhe, die ihn im Rückblick heute noch erstaunte, hatte er den Mann nach dem Grund für den Angriff gefragt. Und einen sehr tiefen Einblick in die Seele eines gedemütigten und erniedrigten Mannes werfen können, dem absolut nichts geblieben war als der Dienst auf einem alten Kahn wie der KAZE.
An diesem Tag war er nicht länger nur der stinkfaule Kapitän mit der lockeren Dienstauffassung oder der übereifrige, besserwisserische Offizier, der überall Ungerechtigkeiten gegen sich witterte – weil er mit Schneider verwandt war oder obwohl er mit Schneider verwandt war.
Er hatte zum ersten Mal jemanden verstanden. Und plötzlich hatte der Arm gar nicht mehr so sehr geschmerzt, als er die Wunden sah, die jener Mann in seiner Seele trug.
Danach hatte es noch ein halbes Jahr gedauert, bis ihn auch der letzte Mann an Bord als Chef akzeptiert hatte. Es war der Beginn einer sehr erfolgreichen Zusammenarbeit gewesen. Und die Geburt eines ad hoc-Psychologen, der sicher war, einigen seiner Leute das Leben gerettet zu haben.

Doch dieser da, der war genauso wie er selbst damals, frisch von der Akademie, überzeugt von sich und der Welt und seinen Ideen, gefüttert mit den neuesten Erkenntnissen von der Akademie und verstört, warum diese noch nicht umgesetzt waren. Hungrig, bereit zum Kampf und innerlich entschlossen, weder in der ersten Schlacht ohnmächtig zu werden noch sich hinter seiner Konsole zu verkriechen. Wobei er letztere Einsichten erst nach dem Einsatz gewann. Dieser da war ein Hitzkopf, ein Besserwisser, ein Trottel, der eine Offiziersuniform trug. Und am Kragen den Patch eines Waffenoffiziers. Vierter Chefgunner sollte er werden. Das war eine direkte Freikarte, um in einem oder anderthalb Jahren Second Lieutenant zu werden.
Schneider beobachtete den jungen Mann über den Rand seiner Kaffeetasse. Der junge Mann mit dem schwarzen Kurzhaarschnitt hielt diese Stellung nun schon seit zehn Minuten ein – und Justus hatte nicht vor, ihn so schnell zu erlösen. Hier und jetzt musste er sofort klarstellen, wer hier der Skipper war.

In Gedanken ging er zur Besprechung zurück, die an Bord der COLUMBIA abgehalten worden war. An ihren Auftrag, Jors Flaggschiff zu stellen und vielleicht zu entern. Und er machte sich klar, dass diese Besatzung noch hart an sich arbeiten musste, damit sie zur Speerspitze der Kreuzerkampfgruppe werden konnte, die es aufgrund der verbesserten Waffen und der überlegenen Beschleunigung sein sollte. Dieser junge Offizier war dabei und würde vielleicht den entscheidenden Schuss aus den schweren Akarii-Partikelkanonen auf die KORAX MA RAH abgeben.
Seufzend leerte Schneider den Kaffeebecher und stellte ihn hart auf dem Tisch ab. Dann erhob er sich und salutierte. Als er den Arm abnahm, senkte auch der junge Ensign den Arm.
Schneider seufzte noch mal und kam dann um den Schreibtisch herum.
Er schloss den jungen Mann in die Arme. „Schön, dich zu sehen, Ian.“
„Hi, Justus.“
Er hielt den jungen Mann ein wenig von sich, um ihn ausgiebig zu betrachten. „Mann, bist du gewachsen. Na, ich habe dich auch drei Jahre nicht gesehen. Hast auch ordentlich Muskeln zugelegt, Junge. Du bist wirklich schon zwanzig?“
„Was mir einfällt, du hast mir die letzten zwei Jahre keine Karte zum Geburtstag geschrieben, Justus.“
„Tut mir Leid, ich war mit Akarii töten beschäftigt.“
„Ausrede“, tadelte der junge Mann.
Justus grinste. „Nimm Platz, Kleiner. Kaffee?“
„Gerne.“
„Sag mal, springt deine Mom nicht im Dreieck, weil jetzt alle drei ihrer Kinder im Krieg dienen? Cliff als Pilot, Jean bei der Infanterie und du jetzt als Schiffsoffizier?“
„Nenn es Gruppenzwang. Nur das ich als einziger meinen Kopf gebraucht habe, als es drauf ankam. Ich will hier mindestens als Commodore aus dem Krieg ausscheiden. Meinst du Cliff schafft das auf seiner Nighthawk? Oder Jean bei den Schlammstampfern? Mit viel Glück kriegt Cliff mal ein Geschwader, dann ist er bestenfalls Commander. Und Jean schafft es allerhöchstens zum Second Lieutenant. Und das auch nur, wenn alle ihre Vorgesetzten fallen.“
„Das gilt auch für dich, mein Freund. Ohne dass ich ausfalle, der Erste Offizier, der Zweite Offizier und noch ne ganze Reihe weiterer Lieutenant Commander, First und Second Lieutenants, kriegst du so schnell kein Kommando“, tadelte er den Cousin. Ian Davis, zwanzig Jahre alt, im Weltraum geboren und Sohn eines Pärchen, das mit der CARNEGIE, einem eigenständigen Frachter, zwischen der Colonial und der Republik gependelt hatte, bevor er zwangsrekrutiert worden war.
„Oh. Stimmt ja. Mist!“, sagte der junge Mann und zwinkerte.
„Na, wenigstens warst du schlau genug dir eine Truppengattung auszusuchen, in der du theoretisch keine größeren Stolpersteine auf dem Weg nach oben hast.“, brummte Justus beschwichtigend.
„So war der Plan, Jus.“
Sie schwiegen einige Zeit und der Kapitän der KAMI versuchte in dem Gesicht des jungen Mannes zu lesen. Er ging eindeutig nach seiner Mom, allerdings hatte er das Temperament von seinem Vater geerbt. Hm, einen Davis an Bord zu haben war vielleicht gar nicht mal so schlecht. Meistens konnten sie was, diese Davis-Leute.
„Um mal eines klarzustellen: Du bist hier an Bord von meinem Schiff. Und hier habe ich das sagen. Danach Commander Ichihiro, dann kommt Commander Andread und ein ganzer Haufen weiterer Commander, First und Second Lieutenants. Du bist irgendwo in der Mitte der Hackordnung bis runter zu den Crewmen.“
„Ist schon klar. Ist schon klar.“ Er nahm einen Schluck Kaffee. „Ich werde mich unterordnen. Sir.“
„Gute Antwort. Gerade für einen dickschädeligen Davis.“, schmunzelte Schneider.
„Und das von einem noch dickschädeligeren Schneider.“, konterte Ian.
„Vorsicht, junger Mann, dünnes Eis.“
„Phhh. Ich wollte schon immer mal die Arrestzelle eines Schiffs kennen lernen.“
„Den Gefallen kann ich dir schneller erfüllen als dir lieb ist, mein Freund.“
„Du würdest freiwillig auf deinen besten Junioroffizier verzichten? Kann ich mir nicht vorstellen, Jus.“
Schneider hielt die Luft an. Und entließ sie wieder geräuschvoll. „Das Selbstbewusstsein hast du in jedem Fall von deinem Opa geerbt, Ian. Aber gut, ich gebe dir Gelegenheit, dich zu beweisen. Dieses Schiff wird die nächsten Tagen und Wochen so lange üben, bis wir wenigstens einigermaßen als Kampfeinheit ernst genommen werden. Und dich werde ich ganz besondern ran nehmen, junger Mann.“
„Das ist in Ordnung. Besondere Offiziere, besondere Behandlung, Jus.“
„Ist dir dein Ego nicht manchmal im Weg, Ian? So beim durch Türen gehen oder so?“
„Nicht bei Hangartoren. Obwohl, ab und an ecke ich da auch mal gegen.“ Der junge Ensign grinste breit.
„Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass diese Frotzeleien…“
„Ist schon klar, Jus. Nur solange wir unter uns sind. Ansonsten heißt es Sir und Jawohl. Kein Kapitän kann es sich leisten, dass einer seiner Offiziere seine Befehle nur zögernd ausführt oder erst lange hinterfragt.“
Überrascht sah Schneider den jungen Davis an. „Von euch dreien bist du der mit Abstand vernünftigste, glaube ich.“
Ian lachte dazu. „Darf ich dich zitieren? Ich will Jean im Dreieck springen lassen.“
„Nur zu, nur zu.“

Sie saßen noch beisammen bis die Tassen geleert waren. „Richten Sie sich jetzt ein, Ensign. Sie haben Dienst ab eins achthundert. Für heute sind noch drei Übungen angesetzt, die letzte werden Sie mitmachen. Sie können wegtreten.“
Ian nickte, erhob sich und salutierte. Mit einer perfekten Kehre wandte er sich um und verließ den Raum.
Auf dem Weg hinaus stieß er beinahe den schlanken Asiaten um, der gerade hatte klopfen wollen. Für einen Augenblick schenkten sich die zwei den üblichen Blick, den zwei verschiedene Waffengattungen einer Armee füreinander übrig hatten. Dann fiel Ians Blick auf die Rangabzeichen. „Entschuldigung, Sir“, sagte er, nickte und drückte sich an dem anderen vorbei.

„Ein Neuer?“, fragte Hue Zha Bao, als er das Büro betrat.
„Vierter Waffenoffizier. Was führt Sie zu mir, Bao?“
„Ihr Kaffee. Tahoma Hochlage ist einfach zu verführerisch.“
Justus grinste schief und holte eine frische Tasse, die er großzügig voll schenkte.
Dankbar nahm der Major der Bodentruppen die Tasse entgegen.
„Und was führt Sie noch zu mir? Ich meine, außer dem Kaffee?“
„Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich zwei Enterübungen angesetzt habe. Dazu benutze ich drei Ihrer Fluchtshuttles, Justus. Sowie acht Rettungskapseln. Diese Dinger zu entern ist nicht wirklich Neuland für uns, aber unter Gefechtsbedingungen haben wir es noch nicht oft genug gemacht. Gerade unter hohen Geschwindigkeiten haben wir unsere Defizite. Ich bin mit der Idee, diesen Träger entern zu müssen, nicht wirklich glücklich, aber wenn der Befehl kommt, will ich mir nicht vorwerfen müssen, meine Leute nicht gut genug trainiert zu haben.“
„Das hätte Commander Ishihiro auch genehmigen können.“, tadelte Justus, aber ohne es wirklich ernst zu meinen. Er verstand den Mann nur zu gut. Jeder Offizier der Flotte führte seine Leute wissentlich in Gefahr. Und einige gingen noch darüber hinaus. Weil sie es mussten. So wie Hue.
„Ja, schon, aber so komme ich wenigstens zu einer Tasse gutem Kaffee.“
Die beiden Männer lachten.
Damals, als sich Hue ihm vorgestellt hatte, da hatte die Chemie zwischen ihnen sofort gestimmt. Schneider bezeichnete so etwas als Liebe auf den ersten Blick, natürlich mit einem Augenzwinkern. Außerdem kam Bao gut mit dem Humor des Deutschen zurecht, was ihm weitere Pluspunkte eingebracht hatte.
„Was?“, fragte der Major amüsiert. „Suchen Sie immer noch nach dem Schriftzug Held auf meiner Stirn?“
Damit spielte er auf ihre erste Begegnung an, bei der Justus den Mann erst minutenlang fixiert hatte, bevor ein einziges Wort gewechselt worden war. Als Erklärung hatte Justus angegeben, Carl Johansson hätte ihn eindringlich vor Hue gewarnt; ihm stände das Wort Held auf die Stirn tätowiert. Und bei solchen Menschen gab es nur zwei Taktiken. Entweder dicht hinter ihnen bleiben oder sehr, sehr viel Abstand zu ihnen halten.
Das Hue bei Operation Magellan gewesen war und Johansson ihm damals schon sehr wohlwollend von dem asiatischen Offizier berichtet hatte, kam noch hinzu.
„Ich bin sicher, man sieht es nur, wenn einem die Laserimpulse um die Ohren fliegen.“, brummte Schneider in seinen Becher.
Die Chemie zwischen ihnen war so gut gewesen, dass er den Major sogar zum Captains Dinner auf der RELENTLESS mitgenommen hatte, zu der Commodore Mithel geladen hatte.
Wo man den Marine aber geflissentlich zu ignorieren versucht hatte, denn in der Navy war nicht, was nicht sein konnte. Und so sehr man die Schlammstampfer schätzte – am liebsten dort wo sie auch nützten, nämlich im Schlamm irgendeines feindlichen Planeten – ein Major unter Kapitänen war schon… eine merkwürdige Kombination.
Im Nachhinein machte Schneider dieses kleine Paradoxon richtig Spaß. Und er glaubte auch wirklich daran, dass Mithel ihm ungeachtet seiner Akte eine Chance geben wollte. Was ihn für den steifen Engländer weit mehr einnahm als damals für Captain Singh, den ersten Kommandeur von vielen der Einsatzgruppe Magellan.
„Ich stelle jemanden ab, darauf zu achten, wenn mir die Schrapnellfragmente um die Ohren fliegen. Versprochen, Justus.“
„Bei meinem Glück“, erwiderte Schneider und seufzte viel sagend, „bin ich dann dabei.“
Hue lächelte. „Es gibt noch einen Grund, aus dem ich hier bin, Justus. Wir sollten die Zusammenarbeit unserer Teileinheiten rapide verbessern. Damit das Entern des Trägers klappt, damit wir mit geringsten Verlusten angreifen können, müssen wir den Angriff unserer Sturmshuttles mit dem Feuerschutz der KAMI koordinieren. Bis die Piloten reagieren, bevor sie beschossen werden. Bis Ihren Gunnern die Finger bluten. Bis die Leute unsere Befehle ausführen, bevor sie ausgesprochen werden. Ich bin eigentlich Ihrer Meinung, Justus. Wir müssen Jor lebend fangen oder tot bergen, damit kein Mythos um seine Person entstehen kann. Noch macht man ihn für die desolate Lage des Reiches verantwortlich, aber als Schatten könnte er die ganze Situation umkrempeln.
Außerdem habe ich was gegen die Idee, die Fluchtkapseln der KORAX abschießen zu lassen.“
„Also doch ein Held“, seufzte Schneider. „Lassen Sie Ihren Heiligenschein regelmäßig nachziehen oder geht es einigermaßen ohne Wartung, Bao?“
„Hm, wie halten Sie es mit Ihrem? Wird er nicht manchmal etwas eng?“
Die beiden sahen sich an und lachten. „Stellen Sie einen entsprechenden Übungsplan auf, Bao. Ich lasse ihn von Mithel genehmigen. Es kann nichts schaden, wenn meine Crew noch vertrauter mit der Kanonenkugel wird. Immerhin wollen wir alle überleben.“
„Und den Krieg beenden, indem wir Jor dran kriegen.“
„Amen.“

Kurz ging ihm Hues Lebenslauf durch den Kopf. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, genauer gesagt in einem Slum, hatte er sich zu den Marines gemeldet, ein hartes Leben gehabt, aber sich nach und nach hochgearbeitet. Nach Operation Magellan war aus dem Straßenjungen von einst schon ein First Lieutenant geworden, für seine Tapferkeit und seine Verletzungen ausgezeichnet und bald darauf ein Spezialist für Enteroperationen, der weit über die Zweite Flotte hinaus bekannt geworden war. Die Erfahrungen der Operation Magellan bei der Enterung der halb fertigen Raumstation hatten ihm dabei geholfen. Mehr noch. Man hatte, auf dieser Erfahrung basierend, eine eigene Einheit ausgehoben.
Was für eine steile Karriere. Der Mann hatte das ohne Beziehungen geschafft. Er musste einfach irgendwo am Körper der Schriftzug Held tragen.
Schneider merkte, wie er neidisch wurde auf die Leistung des anderen. Das erfüllte ihn mit Stolz, Stolz darauf, den anderen so nahe an sich heran zu lassen, um ein wenig eifersüchtig zu werden. Sie beide würden gute Freunde werden. Hoffentlich.
Der Mann war direkt aus dem Schmutz der Straße aufgestiegen und hielt nun schon Vorträge vor Kapitänen und Admirälen.
„Sie sind beeindruckend, Bao“, sagte Schneider ernst.
„Hey, ich dachte, Sie haben schon eine Freundin. Eine verteufelt hübsche noch dazu, habe ich mir sagen lassen.“, scherzte der Major.
„Ich bin Bigamist.“, warf Schneider trocken ein.
Den Gesichtszug des Marines als geistreich zu bezeichnen war in etwa ebenso sinnvoll wie eine Nova als ein klein wenig heiß zu beschreiben.
„Und Sie überraschen mich jeden Tag aufs Neue, Justus.“
„Tja, so was hält eine Beziehung lebendig, finden Sie nicht, Bao?“ Schneider zwinkerte.
„Was unsere Beziehung lebendig hält, ist dieser verteufelt gute Kaffee, Justus. Haben Sie noch eine Tasse für mich?“
Justus musste schmunzeln. Er mochte den Burschen wirklich. „Kommt sofort.“
„Gut kellnern können Sie ja auch, Justus“, scherzte der Marine.
„Ich stecke eben nicht nur für die Akarii und für meine Vorgesetzten voller Überraschungen, Bao“, erwiderte Schneider. Sein aufgesetztes Lächeln zeigte dabei eindeutig, dass er seine Worte ernst meinte.
„Das habe ich befürchtet“, murmelte der Asiate und zwinkerte ebenfalls.
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Ace

Justus Schneider warf einen Blick über die Brücke – seine Brücke. Noch waren sie in Wartestellung, noch in der Schwebephase, im Feindesland zu sein, aber nicht im Einsatz.
Noch hatte die Crew der KAMI Zeit – was übrigens auf japanisch Gott bedeutete, wie sich Justus von seinem Ersten Offizier hatte erklären lassen – sich auf das Schiff einzustellen und die Kanonenkugel richtig zu reiten.
Doch im Moment war alles ruhig. Der letzte Alarmdrill war vierzig Stunden her und die Crew war mit Routinearbeiten und kleineren Trainings beschäftigt.

Justus nickte in die Runde, zuerst in Richtung von Commander Andread, dem Chefrudergänger, dann zu Commander Yvette Dumas, der Herrin der Waffen. Anschließend sah er Haruka Ichihiro an, den XO des Schiffes.
Yvette erhob sich. „Übernehmen Sie, Mr. Davis.“
„Aye, Ma´am. Habe die Waffenkontrolle.“
Ichihiro erhob sich von seinem Platz und nickte Commander Jackson Henrik zu, dem Chef von Funk und Ortung. „Mr. Nasahari“, sagte der Mann von Texas, „Sie haben den Supervisorposten.“
Der ältere Mann stand auf, machte das Hauptpult frei, das von den anderen Offizieren und Mannschaften der Funk- und Ortungsabteilung umgeben war.
Nasahari verließ seinen Platz nicht, um das prestigeträchtige Pult des Commanders einzunehmen.
„Übernehme Supervisorposten, Aye.“
Der alte Texaner, der seine Wehrzeit in der Flotte abgeleistet hatte, aber nach Kriegsbeginn wieder zurückgekommen war, tauschte einen verstohlenen Blick mit Commander Dumas aus.
Schneider erhob sich nun von seinem Platz als Kapitän des Schiffes und schlenderte nach vorne, zum Platz des Rudergängers. Ein Pilot arbeitete dort gerade. Sprich, er überwachte die Routinesequenzen, mit denen das Schiff im Verband gehalten wurde.
Ein weiterer Pilot stand bereit, um ihn notfalls zu ersetzen. Und der Commander aus den Colonials, der seinen Jungs und Mädels gerne mal auf die Finger sah.
Ichihiro trat neben ihn und winkte Schneider zu sich heran. „Skipper, das sollten Sie sehen.“
Henrik und Dumas wurden darauf aufmerksam und traten ebenfalls heran.
Haruka grinste Justus breit an, als er ihm einen Farbbeutel in die Hand drückte. „Bitte, Skipper, Sie haben die Ehre.“
Der Deutsche schmunzelte. Nachdenklich ließ er den Blick über die Front des Schiffes gleiten. Entgegen der romantischen Vorstellungen der Zivilisten in der Republik verfügte eine Brücke nicht über weit ausladende Fenster, durch die das Sternenlicht ungehindert herein scheinen konnte. Auch navigierten die Piloten der Navy nicht auf Sicht. Bei den Geschwindigkeiten und Distanzen, mit denen im modernen Raumkampf gehandwerkt wurde, eine völlig illusorische Idee.
Stattdessen verbarg sich die Hauptzentrale, die eigentliche Brücke des Schiffes, hinter meterstarkem Stahl. Nur die Zweitbrücke, tief in die Eingeweide des Schiffes gepflanzt, war theoretisch noch sicherer.
An den gigantischen Wänden hingen riesige Panoramabildschirme, auf denen computeraufbereitete Ansichten des Weltalls zu sehen waren, um den Menschen eine greifbare Illusion ihrer Arbeit zu geben. Aber sie konnten jederzeit etwas anderes darstellen.
Justus wog den Farbbeutel nachdenklich in der Hand, dann warf er ihn gegen die nächste Wand. Auf einem Panoramabildschirm zerplatzte sie und hinterließ einen fußballgroßen, roten Fleck.

„LECK IM SCHIFF!“, brüllte Schneider aus Leibeskräften. „SKIPPER, ALLE RUDERGÄNGER, XO, WAFFENOFFIZIER UND FUNKOFFIZIER SIND TOT! WAS TUN SIE?“
Konsterniert starrten die Junioroffiziere den Skipper an.
„Leck im Schiff. Rapider Druckabfall. Automatischer Alarm an Bord.“, instruierte Haruka leise, betätigte einen Knopf auf einem nahen Pult und ließ den Übungsalarm erklingen.
Nasahari reagierte zuerst. Er sprang auf, riss dabei eine gewehrähnliche Vorrichtung neben seinem Pult mit sich und rannte auf den roten Fleck zu.
Schneider und seine Offiziere machten ihm respektvoll Platz.
„PLOMBE!“, rief der Mann aus Leibeskräften. Kurz darauf entließ er einen Schuss aus dem großen, breitläufigen Gewehr. Eine spezielle Hartplastikmischung schoss als großer, unförmiger Klumpen hervor, entfaltete sich und legte sich als großer Fleck über den etwas kleineren roten Fleck.
„Leck abgedichtet“, sagte Haruka ernst. „Druck stabilisiert sich.“
„Was steht Ihr hier noch so rum? Leckmannschaft auf die Brücke! Sanitäter auf die Brücke!“
Der Inder sah zu seinem Arbeitsplatz herüber. „KOMMT IN WALLUNG, HERRSCHAFTEN!“
Die Automatismen griffen, weckten die Offiziere und Mannschaften aus ihrer Starre. Eine Durchsage gellte durch das Schiff, informierte die Crew über den Stand der Übung, namentlich, dass alle wichtigen Offiziere und das Ruder ausgefallen waren.
Ein anderer Funker informierte das Flaggschiff über den Schaden.
„Ausfall der Partikelkanonen an Backbord“, meldete Haruka ungerührt. „Ausfall der Steuerdüsen Alpha bis Charly an Backbord. Hüllebrüche in den Sektoren Alpha, Ecco und Foxtrott.“
Nasahari sah zu seinen Leuten herüber. „Und? Wo bleiben die Schadensmeldungen?“
Die Junioroffiziere waren entsetzt und überrascht – vor allem als die Schadensmeldungen wirklich über ihre Monitore liefen. „Ausfall der Partikelkanonen eins bis…“, rief Second Lieutenant Chausiku Denge aufgeregt. „Ausfall der Steuerdüsen Alpha bis Charly!“
„GEFECHTSALARM FÜR DAS SCHIFF! MR. DAVIS, FEUER FREI! NOTRUF AN DIE FLOTTE! TEMPO, TEMPO!“

Die erfahrenen Offiziere grinsten sich an. „Das macht er gut, oder?“, schmunzelte Andread.
„Wir können es noch etwas schwerer machen. Haruka.“
„Aye. Druckabfall auf der Brücke. Plombe hält nicht.“
Nasahari sah den XO verzweifelt an, bevor der Vakuumalarm durch die Zentrale gellte.
„Keine Feinde auf der Ortung, Sir! Ich kriege nichts vor meine Rohre!“, rief Davis. „Programmiere Sperrfeuer mit Raketenwerfern, da ich von getarnten Zielen oder Minen ausgehen muss!“
Nasaharis Hände krampften sich zusammen. „ALLES RAUS HIER!“
„Aber Lieutenant, wir…“
„ICH SAGTE RAUS, DENGE! LAUFSCHRITT!“
Mit wild wedelnden Armen scheuchte er die Offiziere und Mannschaften zu den Ausgängen.
Dies war der Moment, in dem sich die Offiziere wieder aufteilten. Willkürlich warfen sie weitere Farbbeutel an die Wände, drei insgesamt, und markierten anschließend Mannschaften und Offiziere in direkter Nähe.
„Beinbruch. Humpeln Sie zur Tür.“
„Tot. Tot. Tot. Arm verloren, schwerer Schock. Schwere Wunde am Kopf.“
„Tot. Sterbend. Tot. Bauch aufgerissen, Gedärme quellen hervor.“
„Druckabfall wird kritisch.“, meldete Ishihiro.
Die ersten Leute der Brückencrew erreichten die Ausgänge, gerade als ihnen Sanitäter und Leckmannschaften entgegen kamen. Dies führte für einen Moment zu Konfusion, bis wieder Nasaharis klare Stimme aufklang. „DIE RICHTUNG! RAUS!“
Er griff einem der Männer, die laut Commander Dumas ein Bein verloren hatten, unter die Arme und schleppte ihn mit sich auf das rettende Schott zu.
„Druck fällt auf Null Komma zwei fünnef Bar. Denge, Sie sind am Bein verletzt, das atmen fällt Ihnen schwer. Die Lecks erzeugen einen Sog, der Sie mitzureißen droht. Klammern Sie sich an Ihrem Sitz fest!“, befahl Schneider der afrikanischen Funkspezialistin.
Mittlerweile war das Chaos am Schott behoben. Nasahari scheuchte alles, was den rettenden Gang hatte erreichen können vor sich her. „WEITER, WEITER! DIE VERLETZTEN BLEIBEN HIER! DER REST SOFORT WEITER ZUR ZWEITBRÜCKE! DA IST IMMER NOCH EIN UNBEKANNTER FEIND DRAUßEN! DAVIS, WO BLEIBEN SIE?“
Der junge Ensign hatte das Schott schon fast erreicht, als er ein letztes Mal ins Rund sah. Nur noch die „Sterbenden“ und „Toten“ lagen in der Zentrale oder hatten sich effektvoll über ihre Arbeitsplätze drapiert.
Dann sah er Second Lieutenant Denge, die sich an ihrem Sitz festklammerte.
„Ma´am! Kommen Sie!“
„Es geht nicht. Ich kann nicht laufen!“
„ENSIGN! ICH BRAUCHE SIE AUF DER ZWEITBRÜCKE!“, brüllte Nasahari.
Zudem ging das Schott langsam zu, um weiteren Druckabfall zu verhindern.
Unschlüssig schätzte Davis die Entfernung zu der Offizierin ein und warf einen Blick auf das sich schließende Schott. Entschlossen warf er sich herum und sprang hindurch. Fünf Sekunden später schloss es sich.
Die Offiziere sahen sich immer noch grinsend an.
„Evakuierung der Zentrale erfolgreich. Verluste: Siebzehn. Einundzwanzig Verletzte konnten evakuiert werden.“
„Gut. XO, Sie gehen zu den Lecks Backbord und sabotieren dort die Arbeiten. Mr. Andread, Sie kommen mit mir auf die Zweitbrücke und helfen mir, unsere unbekannten Feinde zu spielen. Dumas, Sie bewerten die Versorgung der Verwundeten und die Vorsortierung. Henrik, Sie bestimmen weitere Schäden im Schiff, hauptsächlich sekundäre Schäden durch Rückkopplungen. Vergessen Sie nicht jede Menge Ärger einzubauen, wegen Inkompatibilitäten durch unsere Technik zur Akarii-Technik.“
Die vier nickten.
„Der Rest der Toten hier holt sich erstmal einen Kaffee auf den Schreck. Bis zum Ende der Übung bleibt Ihr auf euren Plätzen.“

Chausiku Denge schüttelte an ihrem Platz fassungslos den Kopf. „Ich dachte wirklich, er kommt mich holen. Aber dann ging er auch durch das Schott. Tsss. Diese Kids von der Akademie heutzutage.“
Schneider legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wäre er hierher gekommen, dann hätte ich ihn als tot markiert. Der Druckabfall auf ein Viertel des Normwerts kann nur durch große Lecks in der kurzen Zeit erfolgen. Er wäre tot gewesen oder durch eines der Lecks gesaugt worden, bevor er Sie erreicht hätte. Und ich wäre sehr wütend mit ihm geworden, wenn er es trotzdem versucht hätte, weil es „nur“ eine Übung war.“
Die junge Frau mit dem militärischen Kurzhaarschnitt schnaufte. „Das weiß ich. Aber das macht es nicht wirklich netter, oder, Skipper?“
„Nein, in der Tat nicht“, lachte Schneider. „Da wird Ihnen jemand die nächste Woche wohl den Kaffee an den Arbeitsplatz bringen müssen.“
Die Kenianerin schmunzelte, bevor sie alarmiert einen Blick auf ihr Pult warf. „Skipper, hier ist ein C2C vom Flaggschiff.“
„Captain zu Captain? Stellen Sie es mir auf den großen Schirm“, meinte Schneider stirnrunzelnd.
Kurz darauf erschien das Gesicht Mithels überlebensgroß vor ihnen. „Captain Schneider, wir haben eben einen Notruf von Ihrem Schiff empfangen. Da Sie eine Übung angemeldet haben, reagieren wir erst jetzt. Es wurde noch nicht korrigiert.“
Die Führungscrew der KAMI warf sich bedeutungsvolle Blicke zu.
„Entschuldigen Sie, Commodore, aber da muss einer meiner Funker in der Hektik des Gefechts den normalen Kanal benutzt haben. Die entsprechende Person wird das Funkprotokoll erneut lernen und von mir persönlich abgefragt werden. Die Abmeldung der Übung erfolgt frühestens, sobald die Zweitbrücke besetzt ist.“
„Zweitbrücke? Sie sind noch nicht fertig?“
„Unbekannter Angreifer, während das Schiff auf Ruhekurs ist. Alle wichtigen Offiziere sind ausgefallen, die Brücke wird wegen Vakuumalarm geräumt. Weitere Schäden an Waffen und Schiff auf Backbord. Angreifer ist nicht identifiziert. Raketenwerfer schießen Sperrfeuer gegen getarnte Gegner oder Minen.“
Mithel runzelte die Stirn. „Ein Stealth-Angriff gegen einen meiner Ticonderoga? Scheint erfolgreich gewesen zu sein. Was mache ich jetzt mit Ihnen, Schneider? Auf meinem Schiff liegt ein Notruf vor, während Ihr Schiff mit evakuierter Brücke und aus allen Rohren feuernd vor der Formation meiner Flotte fliegt.“
„Richtig, Sir. Was machen Sie?“, fragte Schneider ernst.


CA Relentless

Der Brite lächelte schmal, allerdings auch irgendwie unangenehm. Möglicherweise glaubte er, Schneider nähme es sich heraus, IHN prüfen zu wollen. Manche Offiziere waren in dieser Hinsicht nicht nur misstrauisch, sondern geradezu paranoid zu nennen. Oder der Commodore war über den bisherigen Erfolg der Übung alles andere als zufrieden, was freilich nachzuvollziehen gewesen wäre. Vielleicht meinte er auch, es sei eigentlich SEINE Sache, darüber zu entscheiden, wann eine Schwadronsübung anstand. Aber offenbar war er vorerst bereit mitzuspielen. Mithel warf einen Blick auf die Bildschirme seiner Brücke. Der Brite zuckte innerlich mit den Schultern: ´Es kann eigentlich nicht schaden, wenn die anderen Schiffe des Verbandes mal eine kleine Überraschung erleben. Im Ernstfall…’
Dann bellte er eine Reihe von Befehlen.
"Achtung, dies ist eine Übung, ich wiederhole eine Übung. Ortungsstation - Telemetrie des Einschlags ermitteln, Koordinaten an die Feuerleitstände. Sperrfeuer in die entsprechenden Quadranten. Formation der Schwadron auflockern. Aufbrechen in folgende Richtungen...
Dauntless soll der Kami Feuerschutz geben. Geschwindigkeit auf Maximum, Position positiv voraus zum Havaristen. Zielerfassung nach eigenem Ermessen. Feuerleitcomputer der Schwadron an das System der Dauntless ankoppeln.
Repulse und Relentless – Traktorstrahlen ausrichten und darauf vorbereiten, den Irrläufer zu stoppen."
Das Lächeln des Commodore wurde noch ein wenig finsterer: "Breitbandspruch an den Rest der Flotte: Notfallübung, wiederhole, Notfallübung. Situation wie folgt: Angreifer im Sektor, Vektoren folgen. Kami schwer beschädigt, Feindstärke unklar. Fordere Geleitschutz durch zwei Schwadronen Kampfflieger an, Radarshuttle wird bereit gemacht."

Während die Besatzung der Relentless reagierte – dafür, dass es für sie überraschend kommen musste, fingen sie sich sehr schnell, aber anders als die Kami waren sie ein eingespieltes Team – fügte er in leichtem Plauderton und auf dem noch offenen Kanal zur Kami hinzu: "Ihnen ist doch klar Captain Schneider, dass so etwas mit größter Wahrscheinlichkeit das Ende Ihres Schiffes bedeuten würde. Vorausgesetzt, Sie haben es nicht nur mit einer Mine zu tun. Ihr blindes Sperrfeuer und meine gerade anlaufenden Hilfsmaßnahmen reichen kaum aus, einen entschlossenen Angreifer aufzuhalten – ich würde mich auf eine Breitseite mit mehreren Schiff-Schiff-Raketen vorbereiten." Im nächsten Augenblick verzog er das Gesicht leicht – seine Prophezeiung ging gerade eben in Erfüllung.
"Achtung, Mithel an alle. Ortung weist auf den Einschlag von Atomraketen hin, vermutlich zwei feindliche Fregatten im Sensortarnmodus."
Mithel hatte seinem Ortungsoffizier freie Hand gelassen, die Übung nach eigenem Ermessen fortzuführen und den Hinterhalt „auszuarbeiten“. Der junge Commander musste improvisieren, und das unter den strengen Augen seines Kapitäns. Solche Aufgaben waren nie sehr beliebt – man musste immer raten, ob der Kommandeur einen realistischen Gegner wünschte oder ein schlechtes Abschneiden als Demütigung betrachtete. Mithel freilich hatte schon vor längerer Zeit in dieser Hinsicht klargestellt, dass er jedem den Kopf abreißen würde, bei dem er den Eindruck hatte, er würde nur aus Angst vor einer eventuellen Verärgerung des Commodore den Gegner unterbewerten.
Also ließ sich Lieutenant Commander Fuchida etwas einfallen. In der Simulation tauchten auf einmal ein halbes Dutzend Symbole auf, die zielsicher auf die Kami zuhielten. Zugleich flackerten etwa 90.000 Kilometer seitlich voraus Anzeigen auf und verschwanden – offenbar simulierten Mithels Brückenoffiziere dort die feindlichen Schiffe. Die Kami schien sich zu fangen und eröffnete jetzt gezieltes Abwehrfeuer, doch obwohl die Zweitbrücke jetzt offenbar besetzt worden war, reagierte das Schiff naturgemäß langsamer als die anderen Kreuzer.

Inzwischen trafen auf der Relentless die Meldungen der verschiedenen Stationen ein. Die Kanonen des Flaggschiffes tasteten durch das All, unterstützt durch ganze Schwärme von kleinen Lenkraketen. Natürlich war das nur simuliertes Feuer, schließlich gab es da draußen weder Ziele noch konnte man es sich leisten, Munition zu verschwenden. Mithel musterte die Anzeigen.
"Rettungsmaßnahmen erst möglich wenn der Gegner gestoppt ist. Wir können unmöglich riskieren, im Falle einer inneren Sekundärexplosion zu dicht an der Kami zu sein. Außerdem brauchen wir unsere Beweglichkeit."

Auf den Bildschirmen gruppierten sich die Kampfschiffe neu. Die leichten Kreuzer schoben sich zwischen die Kami und die vermutete Position der Fregatten, während gleichzeitig die Ortungsspezialisten den Weltraum nach weiteren versteckten Schiffen des Feindes durchsuchten. Die Schiffe der Schwadron feuerten aus allen Rohren. Mithel schien entschlossen, die Sache auf seine Art und Weise zu lösen, auch weil ihm klar war, dass die Kampfflieger vermutlich zu spät kommen würden.
Wie Delphine einen verwundeten Artgenossen umkreisten die übrigen Kreuzer die waidwunde Kami. Anders als die Tiere blieben sie aber in gewissem Abstand.

Die Abfangwaffen der Dauntless eröffneten das Feuer und schossen eine Rakete nach der anderen ab. Freilich blieb auch der Gegner nicht untätig und ließ der ersten Salve weitere folgen. Die Akarii schafften es immer wieder, mit ihren elektronischen Gegenmaßnahmen einer Zielanpeilung durch die Kreuzer zu entgehen. Während die feindlichen Marschflugkörper auf die Kami zuhielten, vervielfältige sich das Sensorecho plötzlich. Die Schiff-Schiff-Raketen stießen Täuschköpfe aus, die es erschwerten sie zu bekämpfen.
Schließlich brach einer der Flugkörper durch das Abwehrfeuer und erwischte die Kami mittschiffs. Die feindlichen Schiffe zogen sich zurück, verfolgt vom wütenden Feuer der übrigen Kreuzer. Eine Fregatte schaffte es, die andere wurde zerstört.

Mithels Gesicht hatte sich nicht im Mindesten aufgehellt. Er war offenbar weder mit seinen Schiffen noch mit dem Schneiders zufrieden.
"Kein sehr guter Ausgang, für die Schwadron und schon gar nicht für die Kami. Ich werde mal mit den Feuerleitoffizieren sprechen müssen.
Und noch etwas, Captain - auf meinem Schiff hat die Zweite Brücke stets zumindest eine Notbesatzung."
Schneider schien diese unterschwellige Kritik nicht allzu sehr anzufechten: „Nun, sehen Sie es so – immerhin kam die Übung so für ALLE überraschend. Das Versagen meiner Mannschaft war sozusagen ein erwünschter Nebeneffekt. Welche bessere Art gibt es, Realität zu simulieren?“
Der Commodore schien leicht pikiert – vermutlich weil er der Meinung war, dass er seine eigene Tauglichkeit bereits zur Genüge gegenüber einem Kampfrichter demonstriert hatte, der viele Fehler schon beim ersten Mal mit dem Tod bestrafte. Und dazu kam, dass er sich fragte, ob dergleichen „erwünschte Nebeneffekte“ im nächsten Kampf nicht seiner Schwadron teuer zu stehen kommen mochten. Aber wenn man fair war, dann konnte man von Schneider kaum erwarten dass er in ein paar Tagen aus einem „neuen“ Schiff einen Veteranen machte. Was nicht hieß, dass Mithel es nicht mehr oder weniger verlangte, verlangen musste. Immerhin blieb nur noch wenig Zeit bis zum Sprung in das Gebiet des Feindes.

Schneider sah durchaus das Wetterleuchten auf dem Gesicht seines Vorgesetzten, auch wenn er wohl nicht alle Nuancen erkannte – immerhin kannte er Mithel noch nicht sehr lange.
Er neigte leicht den Kopf: "Danke, dass Sie mitgespielt haben, Commodore Mithel. Alle an dieser Übung beteiligten haben gesehen, wo sie ihre Defizite haben. Und welchen Standard sie erst noch erreichen müssen, bevor sie vollwertige Kampfeinheiten der Schwadron sind."
Der Schwadronschef nickte nur unmerklich, was alles bedeuten konnte. Möglicherweise war er der Meinung, dass Schneider diese Einschätzung besser IHM überlassen sollte. „Mithel Ende.“
An Bord der Relentless blickte sich Mithel schweigend um. Die niederen Offiziere gingen nicht gerade in Deckung vor diesen dunklen Augen, aber sie fühlten sich schon etwas unbehaglich.
„Ein Lob an Lieutenant Commander Fuchida. Sie haben schnell und innovativ reagierte.“ Der Angesprochene lächelte und verneigte sich – solcher Zuspruch kam nicht oft.
„Was die anderen Stationen angeht, ich denke, da gibt es noch einiges zu verbessern – ungeachtet dessen, dass die Außenfeger genau so etwas verhindern sollten. Ich erwarte die Kommandeure der Stationen in drei Stunden zum Rapport.“
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