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Zum Ende der Seite springen Hinter den feindlichen Linien - Season 5
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Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
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Hinter den feindlichen Linien - Season 5 Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Cunningham

Hinter den feindlichen Linien V - Gezeiten des Krieges
________________________________________
Krieg bedeutet Entwicklung. Zu keiner Zeit der Geschichte der Menschheit entwickelt sich die Technik so schnell wie in Zeiten des Krieges. Wo die Dringlichkeit es einfach erfordert. Sei es Computertechnik, Fertigungsmethoden oder Medizin. Ethik und Moral müssen einen Schritt zurückweichen.
Krieg ist Wahnsinn. Menschlichkeit, Würde, Freiheit, all jene Dinge, die wir für verteidigungswert erachten, für die wir bereit sind zu töten und zu sterben, treten in den Hintergrund, wenn die Waffen sprechen.
Es ist einfach unvorstellbar, so widersinnig, es gibt kein erhabeneren oder schöneren Anblick, als wenn zwei Raumflotten im Nahkampf aufeinander schießen, dieses skurrile Bild von Energiestrahlen, die durch das All rasen und Metall und Fleisch verdampfen.
Es ist abscheulich, wie einem so etwas Spaß machen kann. Ich habe sehr viel getötet, als Jagdpilot, und als ich über Karrashin abgeschossen wurde und mich durch den Dschungel von Karrashin schlug, habe ich auch zwei Akarii aus nächster Nähe erschossen, sah ihnen in die Augen, sah wie der Funke des Lebens aus ihren Augen wich.
Ich hätte mich beinahe zu den Marines versetzen lassen. Robert E. Lee sagte einst: "Es ist gut, dass der Krieg so schrecklich ist, sonst würden wir noch gefallen an ihm finden." Dies war mein einziger wirklicher Krieg und so sehr es schockiert, ich habe ihn genossen.

Harvey "Skunk" Jones, Lt.-Cdr. a. D.
Aus Lords of Space, Kapitel 16 - 127th Fighter Wing "The Angry Angels"


27. November 2634: Die Schlacht von Corsfield endet.

Lucas Cunningham wird auf die TRS Dolphin versetzt.
Darkness wird zum Commander befördert und erhält das Kommando über die Angry Angels. Lightning wird Geschwader-XO.
Monty und Skunk werden zu Lieutenant Commandern befördert

Kurz vor seinem Dienstantritt auf der Dolphin heiratet Lone Wolf Melissa Auson in einer kleinen Zeremonie.

Chris Mithel und Tripple E Gonzales werden mit dem Silverstar ausgezeichnet.


4. Dezember 2634:

Die Bodentruppen der Bundesrepublik Terra landen auf Wron. Einer der längsten Bodenkämpfe des ganzen terranisch-akariischen Krieg beginnt.


Januar 2635:
Lay Rian wird in den Ruhestand versetzt. So entledigt sich Jor seiner größten Kritikerin. Der Großadmiral beginnt mit groß angelegten Umstrukturierungen in der Führungsebene der Flotte.


Melissa Alexander erklärt sich bei ihrer Anhörung gem. § 31 MilitärStrafGesetz in allen Anklagepunkten für verantwortlich/schuldig.
Noch Ende Januar tritt ein Kriegsgericht zusammen.


Vijadh Singh wird als Lehrer auf die TRS Dolphin versetzt. Sein Hauptfach ist einfache Kommandoführung und Verbandsmanöver.
Sein ehemaliger erster Offizier Lieutenant Igor Maleetschev wird als Kursteilnehmer auf die Dolphin versetzt. Er landet in einer Kabine mit Cunningham


Februar 2635: Dr. Willhelm von Braun erstellt eine These, wie weit die Erdstreitkräfte in den Akarii-Raum vordringen können. Das führte zur fiktiven Ziehung der Von-Braun-Linie.


März 2635:
Melissa Auson-Cunningham wird zum Captain befördert und erhält das Kommando über den Zerstörer der Norfolk-Class Drake.


Die Forschungsabteilung der Navy stellt die Arbeiten am Trackball-Projetk ein, da die Software dieses Steuerungsinstrument immer schwerwiegendere Inkompatibilitäten mit der Software modernerer Jagdflieger wie der Nighthawk und Falcon aufweist.


Die Relentless wie auch die Dauntless werden aus den Werften wieder zum Dienst freigegeben. Chris Mithel wird zum Commodore befördert und erhält den Befehl über das Kreuzergeschwader 2.3


Das Kriegsgericht befindet Viceadmiral Melissa Alexander in allen Anklagepunkten für schuldig, nachdem sie für das Manticore-Desaster die volle Verantwortung übernommen hat. Melissa Alexander wird unehrenhaft aus dem Dienst entlassen und verliert alle Pensions- und Leistungsansprüche gegenüber der Navy.


April 2635: Sämtliche Piloten, die gem. § 67a des Navy Kriegsrechts ihren Dienst versehen, werden vollständig - auf Sondererlass Patricia Birminghams - rehabilitiert. Donovan Cartmell wird zum Lieutenant Second Class befördert.
Ebenso wird ihm nachträglich das Flying Cross in Bronce verliehen

Justin "Darkness" McQueen schießt auf einer Routinepatrouille seinen fünfzigsten und einundfünfzigsten Gegner ab. Er erhält das Flying Cross in Silber.



Mai 2635:
Lucas Cunningham schließt als Lehrgangsletzter den Perisher dennoch erfolgreich ab. Er wird zurück auf die Columbia kommandiert, wo er Justin McQueen als CO der Angry Angels ablöst. Lucas ist über seine neue Geschwader XO mehr als "erfreut".

Justin McQueen wird auf die TRS Dolphin zum Kommandantenlehrgang versetzt.


August 2635:
Clifford Davis besteht den körperlichen und psychologischen Fitnesstest für den Flugdienst.
Er wird in den Aufbau- und Fortbildungskurs von Markham Fields gesteckt, um wieder fronttauglich gemacht zu werden.

September 2635:
Die Moskau wird wieder an die Front geschickt. Ein Großteil der Imperial Starlancers wurden zum Bordgeschwader der Moskau versetzt.

Norr Wilko wird von der Nakobi abgezogen und erhält den Posten des obersten Fluglehrers an der Imperialen Raumfahrtakademie auf Akar. Sein Nachfolger als Geschwaderkommandant ist Duv Ren.

Justin McQueen erhält den Befehl auf Miramar ein neues Geschwader aufzubauen. Der 141. Fighter Wing unter dem Namen Thunderbirds soll auf der TRS Corsfield stationiert werden.
Die Imperial Starlancers werden aufgelöst und der Rest des Geschwaders wird zu den Thunderbirds versetzt.


Oktober 2635:
Die Erdflotten überschreitet die "Von-Braun-Linie" mit den Trägergruppen Columbia, Saratoga, Gettysburg, Melbourne und Charles de Gaulle.
Dieser Verband stellt im Carbash-System einen Kampfverband der Akarii und vernichtet einen Flottenträger. Ein weiterer wird schwer beschädigt.
Im Zuge der Kampfhandlungen werden noch acht schwere Kreuzer der Akarii vernichtet, sowie 13 weitere Dickschiffe.


November 2635:
Die TRS Corsfield, ein Flottenträger der Pegasus-Class, wird in Dienst gestellt.
Sein Bordgeschwader, die Thunderbirds, setzt sich zu einem Drittel aus Milizionären, zu einem Drittel aus Überresten der Starlancers, zu einem Sechstel aus Akademieabgängern und zu einem Sechstel aus Piloten zusammen, die von Graxon befreit wurden.

Valeria Shukowa wird auf die Corsfield versetzt, um Justin McQueen als Geschwader-XO zu dienen.
Santiago DeLaCruz wird auf die Columbia versetzt und erhält das Kommando über die Griphen-Staffel.


Dezember 2635:
Cliff Davis wird als fronttauglich eingestuft und als Ersatzpilot auf die Columbia versetzt.

Admiral zweiten Ranges Kjani Rau erhält das Kommando über ein Geschwader bestehend aus zwei Träger/Kreuzer, fünf Kreuzer und acht Zerstörer.
Dieser Verband wird hinter die feindlichen Linien geschickt, um die Versorgungslinien der Erdtruppen in Unordnung zu bringen.


Januar 2636:
Die Columbia-Trägergruppe dringt ins Groshen-System ein und stellt einen riesigen aber kaum bewachten Nachschubkonvoi der Akarii.
Das Groshen-Tontaubenschießen beginnt.
Nur einigen Truppentransportern in Begleitung schwerer Kreuzer gelingt der Ausbruch, während die restlichen Akarii-Versorger kapitulieren müssen.
Einzig Lieutenant Martin Durfee gelingt es durch die schweren Kreuzer zu brechen und einen Akarii-Truppentransporter mit zwei Mavericks abzuschießen.
Er erhält als erster Pilot des Krieges das Flying Cross in Gold, für überragende pilotische Leistungen. Durfee hingegen stürzt darüber nochmal über 15.000 Akarii getötet zu haben in Depression und muss beurlaubt werden.
Der Leichenschauer von Groshen. Die fünfzehntausend Akarii-Soldaten werden von der Anziehungskraft von Groshen VII eingefangen und verglühen in der Atmosphäre. Der gesamte Leichenschauer wird von einer Bordkamera der Dauntless aufgezeichnet.
Zum ersten Mal in diesem Krieg wird auf Schiffen der Erdstreitkräfte eine Gedenktrauerfeier für gegnerische Truppen abgehalten.

Der eigentliche Begleitschutz für den Konvoi wird von den Trägergruppen Saratoga und Peking abgefangen. Zum ersten Mal in der Geschichte hat ein Flottenträger der Lexington Class einen Gefechtseinsatz.
Den Erdstreitkräften gelingt es den Akarii-Flottenträger und einen Großteil der Geleitschiffe zu vernichten, jedoch nicht ohne selbst Federn zu lassen.
Den Akarii gelingt es in einem strategischen Fächerangriff die Saratoga zu stellen und zu vernichten.
Viceadmiral Long wird zum Admiral und Kommandanten der 3. Flotte befördert.

Cliff Davis trifft auf der Columbia ein.
Ebenso wie 16 brandneue F-108 B Falcon, die an die grüne Schwadron gehen.

An dieser Stelle sei bemerkt, dass sich Lone Wolf und Lightning noch keinen Deut besser verstehen, obwohl sie enger als zuvor zusammenarbeiten müssen.

Zwei Akarii-Kreuzer aus dem Geschwader von Admiral Kjani Raus verstecken sich im Strahlungsbereich des Collis Wurmlochsprungpunktes und fangen die Clemenceau Trägergruppe beim Massentransit ab. Die beiden Kreuzer eröffnen aus dem Hinterhalt das Feuer auf die Clemenceau. Der Träger wird vernichtet, ohne dass ein Schuss durch die Erdstreitkräfte fällt. Die beiden Akarii-Kreuzer können entkommen.
Der geplante Angriff auf das Sektorenhauptquartier der Akarii an der Konföderationsfront fällt wegen dem Mangel an Kampfkraft aus.


Februar 2636:
Die Navy beginnt im großen Stil die alten Typhoone durch Falcons zu ersetzen.
Ebenso werden die letzten Phantome an der Front durch Nighthawks ersetzt.


Der letzte Pegasus-Class Träger wird fertig gestellt. Doch statt ihn in Dienst zu stellen, wird er an die Colonial Confederation gegeben, da man sich dafür entschied, den sich kurz vor der Fertigstellung befindlichen Lexington-Class auszurüsten.
Die Colonial Navy stellt ihren ersten Pegasus-Class Träger unter dem Namen CNS Judgement in Dienst.


März 2636:
Die Erdstreitkräfte schicken weitere 60.000 Mann nach Wron, wo der Bodenkampf noch immer kein Ende gefunden hat und die Akarii sich in ihrer Felsenfestung noch immer tapfer gegen die starke Überzahl und die Luftüberlegenheit der Terraner wehren.

Lucas Cunningham schießt seinen fünfzigsten Gegner ab und erhält das Flying Cross in Silber.

Die herkömmliche Exocet wird durch die Exocet MK II. ersetzt. Sie besitzt einen um 5 Prozent effektiveren Sprengkopf und eine um 30 Prozent verbesserte Reichweite.

Die Navy beginnt damit die alten Harpoonwerfer gegen Exocetwerfer auszutauschen.

Des Weiteren wird der Lexington-Class Träger TRS Alexander von Humboldt in Dienst gestellt. Der 142. Fighter Wing - Red Corsairs - besteht aus vielen Piloten, die von Graxon befreit wurden, sowie Angehörigen mehrer planetarer Raummilizen.
Die Alexander von Humboldt wird der dritten Flotte zugeteilt, um den Verlust der Saratoga auszugleichen.

Mai 2636:
Die 2. Flotte, derzeit Speerspitze der Offensivtruppen der Republik, erobert in einem Großangriff der die Trägergruppen Columbia, Corsfield, Moskau und Melbourne umfasst das strategisch wichtige Velorha-System.
Spezialeinheiten des Marine-Corps können die Selbstsprengung der Velorha-Raumwerft verhindern.
In der Werft liegen neben einem Trägerkreuzer der Golf-Class noch zwei leichte Kreuzer der Akarii neuester Generation und der von den Akarii bei Manticore erbeutete Pegasus-Class Träger Deutschland.


Zum ersten Mal wird Prinz Jor von einem anderen Admiral der Akarii öffentlich der Unfähigkeit bezichtigt.
Im akariischen Oberkommando entbrennt ein Machtkampf, wie er seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen wurde.
Jor geht durch die schützende Hand seines Vaters als Sieger hervor.
Viele Posten müssen neu besetzt werden. Die Moral der Akarii-Flotte sinkt ins Bodenlose.


Juni 2636:
Nahil Koo, ehemaliger Großadmiral und Oberkommandierender der Akarii-Flotte, stirbt eines natürlichen Todes.


Die TSN stellt einen weiteren Flottenträger der Lexington-Class in Dienst, die TRS Yamato.
Um das Geschwader, den 143. Fighter Wing - Space Dragons - zu bilden, werden drei Schwadronen von Frontträgern abgezogen, welche durch aufgelöste Schwadronen von Hilfsträgern der 6. Flotte ersetzt werden.
Der 143. Fighter Wing wird ebenfalls mit Piloten aus aufgelösten Schwadronen der 6. Flotte und Milizpiloten aufgefüllt.
Die Yamato wird zur 4. Flotte verlegt, um den Verlust der Clemenceau auszugleichen.


August 2636:
Lt. Martin Durfee wird wieder in den aktiven Dienst versetzt.
Die blaue Schwadron erhält nun auch endlich die neuen Falcon Jäger.

Die Akarii versuchen sich zum ersten Mal seit über einem Jahr mit einer Gegenoffensive. Ihr Ziel ist die Rückeroberung von Velorha.
Da von Velorha jedoch die nächste Offensive der TSN starten soll, fliegen die Akarii direkt vor die Raketenwerfer und Geschützrohre der "Großen Armada", wie sie Renaults Flotte mittlerweile nennen.
Nur durch das beherzte Eingreifen Admiral zweiten Ranges Hahdas Gren wird ein Desaster auf Seiten der Akarii vermieden, und statt aufgerieben zu werden, kann sich ein Großteil der Akarii-Flotte retten.
Dennoch erreicht der Kampfeswille der Akarii-Flotte ein nie geahntes Tief. Die Offiziere sehen sich auf einmal einem Problem gegenüber, welches den Streitkräften der Akarii bisher fremd waren. Es rumort auf vielen Schiffen, die Männer und Frauen sind unwillig und schlampig.

Bei den Kampfhandlungen fällt der "Professor". Durfee wird zum Lieutenant Commander befördert und erhält das Kommando über die silberne Schwadron.

Dahingegen kämpfen die Bodentruppen der Akarii verbissen um jeden Zentimeter Boden.
Auf Alis Minor, Groshen VII. und Kalanis IV. leisten die weit unterlegenen Akarii-Truppen der Terran Republik Army und dem Marine Corps verbitterten Widerstand und bringen den Erdtruppen empfindliche Verluste bei.


September 2636:
Der Akarii-Geheimdienst entschlüsselt das nächste Ziel der Großen Armada. Es ist das derzeitige Fronthauptquartier Beta Borialis.
Jor selbst leitet den Aufbau der Verteidigungsstellungen des eigentlich unwirtlichen Systems.
Er zieht eine mächtige Flotte zusammen, um die Raumstation und die umliegenden Verteidigungsforts zu schützen.
Der Kern dieser Flotte besteht zum ersten Mal aus Trägern der Homefleet der Akarii.
Doch auch dieses vermag die Kampfmoral nicht zu heben. In vielen Köpfen hat sich festgesetzt, dass, wenn die Große Armada den Sprungpunkt passiert, Beta Borialis fallen wird, egal, was man ihnen in den Weg wirft.
Die Offiziere und Mannschaften, die schon zuvor gegen die Menschen gekämpft haben, sind nicht willens als weiteres Kanonenfutter zu enden.


Der Bodenkrieg auf Wron hat sich schon seit langen in eine Mischung aus Verdun und dem Vietnam-Krieg verwandelt. Beide Seiten reiben sich in immer heftigeren Gefechten auf. Schon seit langen hat sich das Interesse der Militärführung von Wron wegverlagert. Nachschub und Verstärkungen bleiben aus, Reporter werden mit reißerischen Storys zu anderen Kriegsschauplätzen gelockt. Wron wird langsam unter den Tisch fallen gelassen, während der Planet in Blut ertrinkt.


Im Bantan System stellt ein Teil von Admiral Raus Geschwader einen Militärkonvoi der Erdstreitkräfte. Nachdem die Eskorte ausgeschaltet wurde, beginnen die Akarii die Frachter zu zerstören.
Der Captain der TRS Knoxville jedoch funkt die Akarii an und erklärt Admiral Rau, dass er ein Lazarett-Schiff befehligte und sich ergebe.
Admiral Rau hingegen lässt die Knoxville ziehen, mit ihr fast fünfhundert verwundete Soldaten, und gibt dem Schiff einen Zerstörer Begleitschutz zum nächsten Sprungpunkt.


Dezember 2636:
Die Staffel Gold der Angry Angel wird mit den neuen F/A 109 B Thunderbolt Jagdbombern ausgerüstet.


Die TSN stellt einen weiteren Träger der Lexington-Class in Dienst. Die TRS Foch. Um den 84. Fighter Wing - Marauders – aufzubauen, wird das Bordgeschwader des leichten Trägers Maryland aufgelöst.
Die Maryland wird an die Colonial Confederation verkauft.


Januar 2637:
Die Zweite Flotte greift Beta Borialis an.
Es sind die Trägergruppen Moskau, Melbourne, Gettysburg, Columbia, Corsfield und Deutschland, die in das Borialis System eindringen.
Die erste Verteidigungslinie bricht unter dem brutalen Frontalangriff der Erdflotte innerhalb weniger Stunden zusammen. Erste Einheiten flüchten aus dem System.
Die innere Verteidigung ist weit aus beherzter.
Doch trotz der heftigen Gegenwehr der Homefleeteinheiten und der Vernichtung der Moskau und der Deutschland müssen die Akarii das System aufgeben. Die Akarii-Flotte wird zersprengt und muss durch verschiedene Sprungpunkte fliehen.
Die Hauptstation von Borealis sowie zwei Verteidigungsforts werden ohne Gegenwehr übergeben.
Die Erdflotte hat einen breiten Keil des Krieges in das Sternenimperium der Akarii getrieben.
Das Fronthauptquartier Beta Borialis ist weiter als Akar selbst von der Grenze der Republik entfernt.


29. Februar 2637:
Hier geht es weiter mit uns.
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Cattaneo
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Cunningham

Was war nur geschehen? Wie hatte das Imperium nur in diese Schwierigkeiten kommen können? Und wie im Namen aller Heiligen hatte sich aus der einst mächtigen Flotte, die Schild und Schwert des Reiches gewesen war, ein verwahrloster Haufen Feiglinge entwickelt? Relath Gor - Kanzler seiner Gnaden Eliak IX., des Imperators des Sternenreiches der Akarii, Erz-Herzog von Gnym, Führer der expansionistischen Partei der Ratskammer des Imperiums, Admiral a. D. der Flotte - war ratlos.
Am liebsten hätte er geweint, wie seine Urenkelin, wenn sie sich das Knie aufschlug, doch das wäre seiner unwürdig gewesen.
Gegen den Seufzer, der seiner Kehle entstieg, schaffte er es nicht anzukämpfen.
"Mylord Kanzler?" Ein Diener im Livree seines Hauses war in das Büro getreten.
"Ja?"
"Die neuesten Berichte sind da, und Eure Gäste sind eingetroffen."
"Gut, ich komme." Gar nicht gut.
Relath schlurfte mühevoll aus seinem Büro, schwer auf seinen Stockdegen gestützt. Es war einer der Tage, wo er ihn dringender brauchte.
Im Roten Saal saßen seine fünf Gäste. Keiner erhob sich, wie es Respekt und gute Sitten forderten, doch Respekt hatte er seit Kriegsbeginn sehr viel eingebüßt.
"Guten Abend liebe ... ah ... Freunde, guten Abend." Sein Gruß verhallte unerwidert. Er fragte sich, weswegen sie ihm böse waren. Der Gefahr für ihre Posten und Reichtümer wegen oder der Gefahr in der das Reich schwebte.
Er entschied, dass es sich in etwa die Wage hielt.
Endlich am Kopfende angekommen, ließ er sich seufzend in den großen Sessel plumpsen.
"Nun, Kern, berichten Sie uns, was sich an der Front genau zugetragen hat, was von unseren Verteidigern in Beta Borealis übrig geblieben ist."
"Verteidiger", Teera Moth, neben Kern Raman die einzige in imperialer Marineuniform, spuckte das Wort förmlich aus, "zu Beginn sprachen wir von unserer Speerspitze und jetzt ...."
Kern wartete ob noch etwas folgen würde, begann dann jedoch mit seinem Bericht: "Der Kampf um Beta Borealis war ein völliges Desaster, auch wenn Teile unserer Flotte Großes geleistet haben, gibt es keine andere Bezeichnung dafür. Hahdas Gren konnte sich mit einer großen Anzahl schwerer Kreuzer und den beiden Trägern Nakobi und Pash ma Rah nach Axion absetzen. Er leitet dort die Vorbereitungen zur Verteidigung."
"Wird ... wird er Axion halten können?" Majl Klyy, Minister für Politische Bildung, wirkte fast ängstlich. Niemand auf ganz Akar hätte ihn jetzt für den berüchtigten Rhetoriker gehalten, den er in Gegenwart des Imperators und in der Ratskammer mimte.
"Laut seinem Communiqué an den Imperator sieht Gren keine Chance Axion mit seinen jetzigen Kräften zu halten. Er hat den Imperator gebeten ... dieser niedriggeborene Kerl hat vom Imperator verlangt, die gesamte Homefleet in Bewegung zu setzen und alles, was von den anderen Fronten verlegbar ist."
"Was ist mit Jor?" Admiral Moth wirkte als hätte sie auf etwas Bitteres gebissen. "Ist er gefallen?"
"Wir dachten es zuerst", antwortete Kern, "wobei es wohl in seinem Stab genug Leute gibt, die dem hochverehrten Großadmiral nicht nur den Tod wünschen, sondern auch bereit wären nachzuhelfen."
Anklagende Blicke richteten sich auf Relath, er beachtete sie nicht: "Er ist nicht tot, also warum befehligt er nicht mehr seine Flotten?"
Kern Raman räusperte sich, sichtbar unwohl: "Sein Flaggschiff, die Korax ma Rah, sowie eine kleine Anzahl von Begleitschiffen ist durch Sprungpunkt Nummer vier aus dem System geflohen. Er befindet sich auf der anderen Seite vom menschlichen Angriffskorridor, vom Rest des Imperiums isoliert."
Relath Gor legte die linke Krallenhand vor die Augen: "Ist er .... er ist doch nicht feige davongelaufen?"
"Nein, Mylord, ihm blieb keine Wahl, die Niederlage war nicht mehr abzuwenden und er war von den anderen Sprungpunkten abgeschnitten."
"Was interessiert uns jetzt noch dieser Versager", Lev Zuuni, schlug mit der geballten Kralle auf den Tisch. Die jüngste der Anwesenden war leitende Direktorin für Flottenbau und entstammte einer sehr alten Familie, deren Linie sich mehr als einmal mit der imperialen gekreuzt hatte, "wie sorgen wir dafür, dass Admiral Gren Axion hält?"
"Mylady", Relaths Stimme war - wie immer im größten Zorn - nur noch ein zischendes Flüstern, "Ihr redet hier von unserem zukünftigen Imperator. Sein Verbleib ist durchaus von höchster Wichtigkeit."
"Ach, was glauben Sie wird geschehen, wenn die Menschen erst Axion eingenommen haben, der nächste Sprung führt sie dann nach Akar. Und dann sind VIERTAUSEND Jahre akariische Geschichte, unser heiliges Imperium, hinweggefegt. Viertausend Jahre haben wir in Einigkeit gelebt, die Sterne bereist, und all das ist jetzt in Gefahr durch eine Rasse, die erst vor fünfhundert? Jahren ihr eigens Sonnensystem verlassen hat. Wir haben wirklich wichtigeres zu tun, als uns um unseren Totengräber zu kümmern."
Relath Gor wollte irgendwas erwidern, der Frau irgendwas an den Kopf werfen und wenn es nur sein Stift gewesen wäre, doch er beherrschte sich.
Es zählte nur das Reich. Es stand über allem. Über seinen Wünschen und seinen Träumen, seiner Eitelkeit, seinem politischem Überleben und dem Fortbestand seines - DES Hauses Gor.
Darüber gab es in seinem inneren keinerlei Diskussionen.
"Sie ...." Der alte Kanzler des einst mächtigsten Staatsgebilde des erforschten Weltraums schluckte trocken. "Sie haben Recht, wir müssen uns dem Imperium zuwenden, auf dass ... es zumindest überlebe."
Axion, das einzig logische Ziel der Menschen, sollte da wirklich dieser Krieg, dieses Massaker entschieden werden? Würde dort das Totenfeuer für seine Nation entfacht werden? Axion, die älteste Kolonie des Imperiums, eine schöne alte Welt, besiedelt in der großen Blüte der ersten - noch - friedlichen Expansion.
Relath Gor hatte Angst. Nicht um sein Leben, er war alt und schwach, viel weniger Dekaden vor als hinter sich. Was habe ich Dir angetan meine Heimat? Was?



Beta Borialis,
Fronthauptquartier 2. Flotte Terran Space Navy
T.R.S. Columbia


"So, ich glaube, Du brauchst die Tabletten nur noch drei Tage nehmen und kannst sie dann absetzen." Lieutenant Commander Peter Langenscheid, Chefarzt der Columbia, legte den Scanner beiseite. "Das Magengeschwür ist verschwunden, aber Du solltest das Rauchen einstellen und regelmäßigere Mahlzeiten wären auch von Vorteil."
Commander Lucas "Lone Wolf" Cunningham, Kommandeur des Bordgeschwaders der Columbia, war dem Arzt einen abschätzigen Blick zu und verkniff sich einen ätzenden Kommentar.
"Ich meine das ernst, Lucas, wenn Du nicht bald anfängst einige Gewohnheiten umzukrempeln, dann hast Du in einem halben Jahr wieder ein Magengeschwür."
Lone Wolf schnitt eine Grimasse, er konnte sich nicht erinnern, wann Langenscheid mit dem 'Du' angefangen hatte, und auch wenn er sich nicht dagegen gewehrt hatte, so störte es ihn gerade in diesen Momenten. Es ist halt einfacher Sie Arschloch als Du Arschloch zu sagen. "Dann nehme ich halt wieder diese blöden Tabletten. Als ob ich derzeit über meinen Lebensgewohnheiten entscheiden könnte."
Langenscheid seufzte: "Komm mit, da wäre noch etwas zu erledigen."
Cunningham ließ sich vom Bett fließen und folgte dem Bordarzt der Columbia in ein Zimmer auf der Intensivstation des Schiffes.
Wenn Krankenstationen eine unheimliche Atmosphäre verbreiten, dann ist die Intensivstation die Hölle. Noch steriler, nur geflüsterte Unterhaltungen, das gleichmäßige Fiepen von Lebenserhaltungseinheiten, grauenvoll.
Das kleine Zimmer enthielt zwei Betten, nur eines war besetzt. Ein junger Mann, bleiches, eingefallenes Gesicht, rötliche Haare. Aus Mund und Nase ragten Schläuche, monotones Arbeiten einer Sauerstoffpumpe, ein Biomonitor piepte im Takt der Herzfrequenz.
Neben dem Bett stand Samantha Burr, Callsign Raven, die Kommandantin eines der beiden Jagdbomberschwadronen der Angry Angels.
"Der Lieutenant ist jetzt seit fünf Tagen im schweren Koma. Die letzten Untersuchungen ergeben eine sehr starke Hirnschädigung. Nach dem Ausstieg erlitt er einen Schlaganfall und war einige Stunden ohne medizinische Versorgung. Wir gehen davon aus, dass der Lieutenant sich nie wieder erholen wird, die positivsten Chancen stehen bei 5 - 7 Prozent. Ich bin der Ansicht, dass wir die lebenserhaltenen Maßnahmen einstellen sollten." Langenscheid verstummte kurz, als Raven sichtlich zusammenzuckte. "Da uns keine Verfügung für diesen Fall vorliegt, brauche ich die Genehmigung des direkten Kommandeurs oder des Geschwaderkommandanten."
Lucas nahm dem Arzt das Klemmbrett ab, zückte seinen Kugelschreiber und kritzelte auf das mit einem Kreuz markierte Feld seine Unterschrift. Beim durchblättern der Unterlagen musste er noch zwei weitere Unterschriften leisten.
"Das war’s jetzt? Drei Unterschriften, Fall abgeschlossen?" Ravens Stimme klang gequält. "Wissen Sie überhaupt seinen Namen Lone Wolf?"
,Nein, und ich will ihn auch gar nicht wissen.' "Sie haben den Doc gehört Raven, keine Chance mehr."
"Ich fragte, ob Sie den Namen des Lieutenants kennen?"
"Nein Raven, kenne seinen Namen nicht, irgendein Ersatzmann vermute ich." ,Ich will all ihre Namen nicht wissen, verflucht noch mal, sie sind tot! Tot! Unwiederbringlich!'
"Und ich soll jetzt den Brief an die Eltern von Jamie Tobin verfassen? Wir waren der Ansicht, dass es besser wäre, ihn sterben zu lassen."
"Warum schreiben Sie nicht den üblichen Mist vom Heldentod, kommt bei den Verwandten der Soldaten immer gut an." ,Wie hält die Frau das nur aus? Sich die Namen all dieser jungen Versager einzutrichtern ohne wahnsinnig vor Schmerz zu werden? Das muss einen doch um den Verstand bringen!'
"Wie können Sie nur so distanziert sein CAG?" In Ravens Auge stand eine Anklage.
,Ansonsten würde ich jedesmal schreien, wenn ich den Mund aufmache.' Lucas reichte dem Doktor das Klemmbrett zurück und wandte sich wortlos ab.
17.12.2015 13:12 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Tyr

Das Startkatapult der Columbia schleuderte die zwei Jäger in das Vakuum des Weltalls. Lautlos zündeten die Triebwerke und dirigierten die Maschinen auf einen Kurs, der sie von dem riesigen Träger wegführte. Binnen weniger Sekunden hatten die Jäger das etwas früher gestartete Shuttle eingeholt und glichen ihre Geschwindigkeit an.
First Lieutenant Kano „Ohka“ Nakakura lehnte sich zurück. Er wusste, dass ein mehrstündiger, wahrscheinlich ereignisloser Flug vor ihm lag. Dennoch blieb er wachsam und behielt die Anzeigen der Bordinstrumente im Auge. Die Ortung potentiell feindlicher Objekte war schwierig, denn der Radarschirm war mit Signalen förmlich überflutet: Schiffe und kleinere Einheiten der TSN und zahllose Wracks und Trümmerstücke – die Überreste der Schlacht.
Unwillkürlich stieg in Ohka eine alte Erinnerung hoch – das Schlachtfeld von Corsfield. Seitdem war viel geschehen...

Zweimal war er seit damals verwundet und einmal aus seiner Maschine geschossen worden. Andere hatten weniger Glück gehabt. Von der „alten Garde“, den Piloten die bei der Aufstellung der Schwarzen Staffel dabei gewesen waren, befanden sich nur noch vier an Bord der Columbia: Monty, La Reine, Crusader und Ohka. Der Rest war gefallen, schwer verwundet repatriiert oder versetzt worden. Darkness hatte ein eigenes Geschwader erhalten und an seine Stelle war Lone Wolf getreten, was das Ego der „Butcher Bears“ natürlich gehoben hatte.
Die Schwarze Staffel hatte sich unter Darkness und Cunningham auch als „Schlachtflieger“ bei Bodenangriffen und der Vernichtung von Frachtschiffen hervorgetan: mehr als ein Dutzend Transporter gingen auf ihr Konto. Auch nach Corsfield hatte es blutige und harte Kämpfe gegeben, viele neue Piloten waren binnen weniger Feindfahrten ausgefallen, tot, oder verwundet. Die TSN war zwar im Vormarsch begriffen, aber die Akarii verkauften sich teuer.
Und die „Angry Angels“, also auch die Schwarze Staffel, waren immer dabei gewesen. Aus den traurigen Überresten der „Blue Angels“ und anderer Staffeln, aus Neulingen, Piloten zweitrangiger Einheiten und sogar ehemaligen Sträflingen war eines der Elitegeschwader der TSN geworden. Das bedeutete eine ungewöhnlich hohe Konzentration an Assen und Dekorationen – aber auch ungewöhnlich hohe Verluste.
Ohka hatte alle Schlachten und Scharmützel überlebt, auch wenn es öfters ziemlich knapp für ihn gewesen war. Mit inzwischen neunundzwanzig bestätigten Abschüssen gehörte er zu den Spitzenassen des Geschwaders und zu den wenigen, die fast von Anfang an dabei gewesen waren, die noch die alte „Redemption“ erlebt hatten. Nun kommandierte er eine Sektion seiner Staffel und wurde von Miguel „Monty“ Terrano, dem XO der „Butcher Bears“, mehr in die Verwaltung eingespannt, als ihm lieb war – aber Monty verlangte von Untergebenen, und erst recht von Sektionsführern, grundsätzlich hundertfünfzigprozentige Leistung. Vor allem, wenn sich der betreffende Sektionschef mit der Hoffnung trug, irgendwann mal zum Lieutenant Commander aufzusteigen und in ferner Zukunft vielleicht auch einmal eine Staffel zu führen...

Nach einem kurzen Blick auf die Instrumente korrigierte Ohka seinen Flugvektor etwas. Dabei kam die zweite Nighthawk in Sicht. Die Maschine hing etwas zurück. Marcus „Crazy“ Roberts, Kanos neuer Flügelmann, hatte zwar trotz seines Callsign ganz gute Anlagen und auch schon einige Erfahrungen bei der Piratenjagd, es mangelte ihm aber noch an Fronterfahrung. Crusader, der früher mit Ohka geflogen war, hatte jetzt seine eigene Rotte – und kurierte momentan zwei Rippen- und einen Armbruch, die Folgen der letzten Schlacht. Piloten mit solcher Flugerfahrung ließ die TSN selten als Flügelmann „versauern“. Also musste jetzt Kano einen neuen Piloten „anlernen“. Monty hatte es hingegen geschafft, La Reine als Flügelfrau zu behalten. Auch wenn sich die beiden menschlich nicht ausstehen konnten, arbeiteten sie gut zusammen. Die alte Rivalität zwischen La Reine und Crusader hingegen war im Laufe der Zeit freundschaftlicher geworden. Die Pilotin hatte sogar die Patenschaft für Crusaders Sohn übernommen.
Kano warf dem Shuttle, das sie eskortieren sollten, einen kurzen Blick zu. Zu Anfang des Krieges war es sehr selten vorgekommen, dass feindliche Schiffe aufgebracht oder feindliche Wracks untersucht werden konnten. Die TSN war in der Defensive gewesen oder hatte sich auf einen gefährlichen Guerillakrieg einlassen müssen. Aber das hatte sich inzwischen geändert – und die „forensische“ Abteilung des NIC war zu einem wichtigen Bestandteil der nachrichtendienstlichen Aufklärung geworden. Man nannte sie wenig wohlwollend „Body Snatchers“, Leichenfledderer, aber sie lieferten Ergebnisse. Es war zur Standardprozedur geworden, nach einem Gefecht die Überreste der feindlichen Streitkräfte zu untersuchen. Dadurch konnten nicht selten wichtige Informationen über Befehle, Einsatzdoktrinen, Geheimdienstinformationen, Waffen und Ausrüstung des Gegners gewonnen werden. Manchmal fand man auch noch Überlebende – deshalb waren die Untersuchungsteams auch bewaffnet und wurden von Jagdmaschinen eskortiert, die jeden Widerstand im Keim ersticken sollten. Der heutige Flug galt den Überresten eines leichten Kreuzers – die letzte Schlacht hatte dem NIC mehr als genug Material geliefert, und die Untersuchungsteams waren ununterbrochen im Einsatz. Sie hatten nur Zeit, bis die Flotte zum Abmarsch bereit war...

Über Funk hörte Ohka die Kommandos des Spürkommandos, ohne ihnen aber besondere Aufmerksamkeit zu schenken:
„Wir docken an...“
„Keine Restatmosphäre, keine Energie mehr.“
„Da vorne... kalter Akarii – Mannschaftsdienstgrad.“
„Unwichtig.“
Währenddessen trieben die Nighthawks neben dem langsam driftenden Wracktrümmern durch das All. Selbst wenn die „Body Snatcher“ sich beeilten, dauerte jeder Einsatz Stunden. Zum Schluss würde man das Wrack sprengen. Was nicht mehr eingeschleppt werden konnte, musste wenn möglich vernichtet werden – diese Richtlinie war ausgegeben worden, nachdem bekannt geworden war, dass Piraten und Schmuggler angefangen hatten, alte Schlachtfelder zu plündern. Selbst beschädigte Akarii-Tech war für diesen Abschaum äußerst wertvoll, und außerdem machten sich manche ein Geschäft daraus, „Andenken“, sogar Leichenteile, zu verkaufen.

Es wurde langsam auch Zeit, dass die „Große Armada“, wie die Akarii die TSN-Flotte angeblich nannten, wieder aktiv wurde. Die Akariis waren harte Gegner und obwohl ihre Moral angeblich in der letzten Zeit deutlich angeschlagen worden war, sie kämpften immer noch verbissen, nicht selten bis zur Selbstaufopferung – und gerade Kano glaubte zu wissen, wie gefährlich ein solcher Gegner war.
Man musste die Akariis unter ständigem Druck halten, durfte ihnen keine Ruhe gönnen...

„Spürteam Eins an Eskorte – Einsatz beendet, Ei gelegt. Zeit, nach Hause zu fliegen.“
„Und, habt ihr was gefunden in der Akarii-Unterwäsche?“ Das war Crazy. Der Neuling hatte ein ziemlich loses Mundwerk. Kano hatte ihm ein paar Mal die Leviten gelesen, dann aber weitestgehend resigniert. Solange Crazy im Einsatz Befehle befolgte, ließ Kano ihm seine Narrenfreiheit.
„Nur die hiesige Variante des Colonial-Playboy. Du stehst doch auf Schuppenhäute...“ stichelte einer der „Body Snatcher“ zurück. Und so ging das noch etwas weiter, bis sich Kano doch noch genervt einschaltete: „Das reicht jetzt langsam! Funkdisziplin.“
Wieder „eingerahmt“ von den beiden Nighthawks dockte das Shuttle von dem Wrack ab und beschleunigte in Richtung der Flotte. Wenige Sekunden später löste ein Funksignal den Nuklearsprengkopf aus, den die „Body Snatchers“ platziert hatten. Eine Druckwelle rüttelte die drei TSN-Schiffe durch. Von dem zusammengeschossenen Akarii-Kreuzer blieb nur noch eine Wolke expandierender, unidentifizierbarer Trümmerstücke. Eine halbe Stunde später landeten die Maschinen auf der Columbia.

Ohka kam nicht weit, dann ließ ihn eine scharfe Stimme stoppen: „First Lieutenant Nakakura!“ Der japanische Pilot drehte sich um und salutierte: „Sir!“
Der kleingewachsene, blasse Lt. Com. quittierte den Gruß mit einem knappen Nicken: „Da sind Sie ja endlich. Wurde auch Zeit, dass diese Leichenräuber fertig werden. Hören Sie, eine der Perimetersonden hat merkwürdige Signale abgestrahlt – es könnte ein Sensorshuttle oder sogar ein Spähschiff im Tarnmodus sein – und da draußen ist keines unserer Schiffe. Wir schicken je eine Sektion Thunderbolt und Crusader, sowie zwei Sektionen Nighthawk und eine Sektion Falcon raus. Und IHRE Sektion ist dabei. Ich übernehme die andere. Der Commander ist gerade nicht verfügbar.“
Kano hätte fast das Gesicht verzogen, aber das reichte Monty schon – ihm entging fast nie etwas, es sei denn er wollte es einfach ignorieren.
„Haben Sie ein Problem, Lieutenant? Ihr kleiner Ausflug mit den ‚Body Snatchers‘ zählt schließlich nicht. Es wird sowieso nur wieder eine Sensorstörung sein. Verdammte Technik...“
„Ja, Sir. Zu Befehl, Sir.“ Monty hatte sich bereits umgedreht und marschierte ab. Also blieb Kano nichts anderes übrig, als zu seiner Maschine zurückzueilen. Von dem Eskortflug war sie immer noch mit vier Phoenix, vier Amraam und zwei Sparrows bestückt. Und gerade jetzt wurde die wuchtige Maschine mit dem in Form eines schwarzen Bärenkopfes bemalten Bug wieder betankt. Es war nicht gerade so, dass Kano einen Druckposten vorgezogen hätte, aber manchmal hatte er doch den Eindruck, dass ihn Monty ihn überdurchschnittlich häufig `rausjagte. Außerdem traute auch er den neuen Perimetersonden nicht. Und eigentlich hatte er gehofft...
Crazys Antwort auf die neue Einsatzorder war nicht druckfähig, aber natürlich gehorchte er letztlich. Binnen zehn Minuten waren die sechzehn Maschinen gestartet und beschleunigten. Wie sich herausstellen sollte, war es wirklich nur ein weiterer falscher Alarm. Der vierte in acht Tagen.



First Lieutenant Helen „Kali“ Mitra war nicht besonders überrascht, dass Kano sie „versetzt“ hatte. In Gedanken bedachte sie ihn, vor allem aber Lt. Com. Miguel „Monty“ Terrano mit ein paar unflätigen Ausdrücken. Aber was hätte sie erwarten sollen? Kano war nun mal, genauso wie Helen, Pilot, und auch wenn sie auf demselben Träger Dienst hatten, konnten sie von Glück reden, wenigstens gelegentlich ein paar Stunden füreinander zu finden. Vor allem, da sie beide inzwischen Sektionschef waren und Monty mindestens so ein Ekel war, wie Helens Staffelchef Skunk. Die Rote Staffel hatte nach Cunninghams Weggang etwas von ihrer Führungsrolle im Geschwader verloren – der Staffelchef war zwar kompetent, aber noch unbeliebter als früher Darkness und als Monty, die beiden schlimmsten Schleifer, die die „Angry Angels“ je gehabt hatten.
Und was sie und Kano betraf... Eine Beziehung innerhalb der Streitkräfte war immer eine heikle Angelegenheit. Auch wenn die meisten Vorgesetzten in der Hinsicht ein Auge zudrückten, der ständige Stress und die Gefahren des Krieges ließen wenig Zeit füreinander. Eigentlich ein Wunder, dass es noch keinen von ihnen im Einsatz erwischt hatte.
Aber sie hatten beide überlebt und (was vielleicht ebenso ungewöhnlich war) sie waren zusammen geblieben. Inzwischen war sogar der „Latrinenklatsch“ verstummt, immerhin gehörten sie beide zu den Veteranen des Geschwader, während die meisten heutigen Mitglieder des Geschwaders erst nach Corsfield dazugestoßen waren. Sogar Monty beschwerte sich nicht mehr, obwohl er sonst JEDE Vorschrift wie ein heiliges Gebot ansah (zumindest für seine Untergebenen).
Natürlich gab es Einschränkungen. Keiner von ihnen beiden erwähnte zum Beispiel das Thema „Heirat“, trotzdem sie seit mehr als zwei Jahren zusammen waren. Verheiratete Soldaten wurden, das war eine eherne Regel, sofort verschiedenen Kommandos zugeordnet.
Aber andererseits – Heirat, eine „normale Ehe“, vielleicht sogar Kinder – das klang sowieso reichlich irreal für Helen. Wie lange dauerte der Krieg jetzt schon für sie – wie viele Jahre? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor und ein „normales Leben“ konnte sie sich nicht einmal mehr richtig vorstellen, genauso wie ein Leben außerhalb der Streitkräfte. Es wäre auch zu grotesk in dieser Umgebung, wo jeden Tag, in jedem Augenblick der Alarm losgehen konnte und der Tod ein allgegenwärtiger Begleiter war.
Helen sah auf die Uhr und seufzte lautlos. In zwei Stunden hatte Skunk eine Staffelübung angesetzt – mit Besprechung würde das sicherlich vier Stunden dauern. Ihr blieb kaum Zeit... Sie ließ den Blick abwesend ringsum schweifen, stockte und fluchte: „WAS ZUM TEUFEL MACHEN SIE?!“ Der so angeblaffte Techniker nahm unwillkürlich Haltung an: „Wir sollten den Zielradar austauschen. Es gab Probleme...“
„Na toll. Aber wenn Sie das schon machen, dann geben Sie gefälligst Bescheid! Die Maschine gehörte zur Alarmstartgruppe. Also müssen wir eine Ersatzmaschine bestücken und bereitstellen. Wenn es Zunder gibt, sollen wir dann mit leeren Tanks und ohne Waffen starten, oder vielleicht lieber doch ohne Zielsuchradar?!“
„Tut mir leid...“ Der Techniker war noch verdammt jung, vermutlich frisch gemustert. Angesichts des Donnerwetters, das über ihn hereinbrach, wirkte er fast einer Panik nahe. Kali bekam regelrecht Gewissensbisse: „Nun fangen Sie nicht gleich an zu heulen. Geben Sie lieber her...“ Sie nahm dem Techniker den Schraubenschlüssel aus der Hand und beugte sich über die Maschine. Manchmal vermisste sie ihre alte Phantome, auch wenn die Nighthawk in eigentlich allen Parametern überlegen war.
„Nun packen Sie schon mit an – ALLES werde ich Ihnen nicht abnehmen...“
17.12.2015 13:13 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cattaneo

Im Orbit um Beta Borialis

Die beiden Offiziere standen auf dem Aussichtsdeck der Columbia. Die Trümmer der Schlacht – zahllose Metallkörper von aufgeschlitzten Schiffsrümpfen bis hin zu Mikroteilchen explodierter Jäger, ein Erbe des Gefechtes, das auch jetzt, über eine Woche nach Ende der Kämpfe noch allgegenwärtig war – entzog sich dem bloßen Auge. Die patrouillierenden Jäger und die hin und wieder aufflammenden Manöverdüsen der Dickschiffe boten allerdings einen beeindruckenden Anblick, vor allem für einen Betrachter, der das Vernichtungspotential der Schiffe kannte.
Und dazu kam der ,Regen des Todes‘. Tausende, ja Millionen Trümmerteile, die bereits von der Schwerkraft des Planeten angezogen wurden und als feuriger Schauer herabstürzten. Für einige Tage noch würden sie ein Mahnmal für die gefallenen Soldaten und Matrosen bieten, oder ein Zeichen für den Sieg der Menschen. Hin und wieder erblühte eine Detonation auf dem Planeten selber, wenn ein besonders großes Trümmerstück aufschlug.
Lieutenant Commander Diane Parker hatte die Hände auf die Lehne eines der Stühle gestützt, die in müßigen Zeiten von Mannschaftsangehörigen benutzt wurden, um einmal den Ausblick auf das Weltall zu genießen. Dass die Navy überhaupt so etwas wie diese Aussichtsgalerie eingebaut hatte, lag daran, dass einige Menschen gelegentlich einen anderen Ausblick brauchten als Wände, die sie gleichsam umzingelten. Außerdem ließen sich hier gut Zeremonien abhalten.
„Und, wie sieht es inzwischen aus?“ fragte sie.
Ihre Untergebene – rangmäßig ihr allerdings gleichgestellt – nahm reflexartig Haltung an: „Die fünf verlorenen Jäger können wir natürlich nicht alle ersetzen. Allerdings – für die dienstfähigen Piloten reicht es aus. Die Maschinen sind bereits einsatzbereit, die Staffel hat also wieder 10 Jäger. Unsere Leichtverletzten sind wieder einsatzbereit.“ Zu früheren Zeiten hätten einige der Piloten wohl längere Zeit als fluguntauglich gegolten, doch der Krieg hatte dazu geführt, dass leichtere Blessuren oft ignoriert wurden, sobald sie halbwegs ausgeheilt waren.
Lightning nickte. So gut wie der Krieg – verhältnismäßig betrachtet – in den letzten Monaten und Jahren auch gelaufen war, Fehlbestände gehörten auch weiterhin zum Alltag. Die Akarii mochten langsam Nerven zeigen, nicht selten aber kämpften sie verbissen bis zum Ende. Und besonders jene, die sich gegen die sinkende Kampfmoral stemmten, von der Gefangene und abgefangene Funksprüche berichteten, waren genauso gefährlich wie ehedem.
So gesehen hatte ihre Staffel noch Glück gehabt. Ein Toter, eine Schwerverwundete – es hätte auch viel schlimmer kommen können. Sie fand jetzt oft nicht mehr so viel Zeit wie früher, um sich um ihre alte Staffel zu kümmern, seitdem sie als XO des Geschwaders arbeitete. Nun, dafür hatte sich ihre Stellvertreterin in den letzten zwei Jahren zu einer guten Offizierin gemausert, auch wenn sie wohl nie das werden würden, was man einen Kumpel nannte.
„Wie geht es Second Lieutenant Walser?“ erkundigte sich die Staffelführerin. Dass sie sich oft mit dem ganzen Geschwader zu befassen hatte – in Anwandlungen ihrer alten Aversionen gegen den Geschwaderkommandeur nannte sie das gelegentlich „Aufkehren hinter dem Elefanten im Porzellanladen.“ – hieß nicht, dass sie ihre direkten Untergebenen völlig aus den Augen verlor.
Lilja legte den Kopf leicht schief: „Da sind die Ärzte nicht so deutlich, wie mir lieb wäre, obwohl sie es eigentlich langsam wissen sollten. Sie wird wohl längere Zeit dienstuntauglich bleiben.“ In ihrer Stimme klang kaum Bedauern mit. Der Tod war für sie, wie für ihre Kommandeurin, längst zum Alltag geworden, so dass sie bei einer schweren Verwundung, wenn diese nicht gerade dauerhafte Folgen hatte, eher von einem Glücksfall sprach. Außerdem war Walser frisch von der Akademie gekommen und gehörte damit nicht zu den ,alten Hasen‘. Nicht, dass man sich nicht um die Neulinge bemühte, aber ihr Ausfall war einfach mathematisch gesehen wesentlich wahrscheinlicher als der von Veteranen. Er wurde mehr oder weniger als etwas fast natürliches angesehen, obwohl man das nie offen zugegeben hätte. Erst bei den folgenden Worten huschte ein Schatten über die Züge der Russin:
„Was den Tod von Darius angeht... Ich habe den Brief an die Woznaks bereits geschrieben.“

Darius Woznak war über ein Jahr bei der Truppe gewesen. Er hatte sich vom Neuling zum Veteranen hochgearbeitet und fünf Jäger der Akarii sowie ein Shuttle abgeschossen. Doch in diesem Gefecht war ein Flugabwehrschütze auf einem der Dickschiffe der Echsen besser gewesen. Darius’ Jäger war verglüht, als Staffel Grün die Bomber ins Herz der Akariiformation eskortiert hatte. Wie so oft würde es auch hier keinen Körper geben, den man bestatten konnte. Es war umso bitterer, als der Pole beim letzten Einsatz erst eine leichtere Blessur davongetragen hatte. Jetzt würde man den Eltern den silbernen und den goldenen Löwen zugleich schicken.
Aber dann konzentrierte sich die Russin wieder auf das hier und jetzt: „Die anderen Piloten sind voll einsatzbereit.“ Lightning nickte zufrieden: „Gut. Ich glaube nicht, dass es sofort wieder losgeht, aber wir werden sehen...“ Lilja knurrte etwas: „Ich werde es langsam leid, dass wir Prinz Jor immer weiter jagen müssen. Wann hat die verdammte Echse endlich den Anstand und lässt sich abschießen?“ Dass der Prinz eine der treibenden Kräfte hinter dem Ausbruch des Krieges gewesen war, war inzwischen auch den Menschen bekannt geworden. Es waren genug höhere Offiziere der Akarii gefangen genommen worden, und auch erbeutete private Aufzeichnungen einiger höherer Kommandeure der Echsen waren den Erdstreitkräften in die Hände gefallen. Die Propaganda der Erde stellte Jor zwar zum Gutteil als machtgierigen aber inkompetenten Karrieristen hin, doch in der Flotte sah man das keineswegs überall so. Nicht wenige sahen in ihm auch einen Grund, warum der Krieg immer noch andauerte – und den Überfall auf Manticore würde man ihm natürlich nie verzeihen.
Lightning grinste nur: „Sieh es mal so, dann bleibt dir immer noch die Hoffnung, dass er dir eines Tages vor die Rohre fliegt. Wer ihn erledigt, der hat den Vertrag für die Hauptrolle im nächsten Sternenepos so gut wie in der Tasche. Obwohl ich bezweifle, dass er sich noch immer persönlich an den Kämpfen beteiligt. Die Freude daran dürfte ihm vergangen sein.“ Die Russin lachte: „Also dafür eigne ich mich wirklich weniger gut. Da müsste ich schon dick Schminke auftragen, damit aus mir eine Filmheldin wird.“
Ihre Kommandantin spann den Faden weiter: „Nun, dann bist du eben die eiskalte Veteranin. Die romantische Rolle würden natürlich jemand anderem zukommen, damit auch das junge Publikum eine Identifikationsfigur hat. Irgendeine rührende Story...“
„Und ich mach dann den Kapitän Ahab, was?“ knurrte die Russin. Das war nur zur Hälfte als Scherz gemeint.

Mit einem Achselzucken tat Lightning den Gedankengang ab: „Na, darüber können wir nachdenken, wenn es soweit ist – würde mich aber nicht wundern, wenn Prinz Jor eher an einem Dolch oder den Zähnen eines Konkurrenten stirbt. Nach DER Schlappe hier wird er es wirklich schwer haben, sich noch zu halten. Außer er findet einen Sündenbock. Aber auch die reichen irgendwann nicht mehr aus. Ein Wunder, dass sie ihn bis jetzt noch nicht gefeuert haben. Na ja, der Papi wird’s schon richten...“
Lilja lächelte süffisant: „Das von einer Frau, deren Volk bis heute ebenfalls an der Monarchie festhält...“ Lightning konterte gutgelaunt: „Kritik von jemanden, dessen Volk seine Herrscher umbringt? Na, das überrascht gar nicht...“ Dann wurde sie ernst:
„Wie machen sich die Neuen eigentlich?“
Die Russin verzog die Mundwinkel: „Na ja... Second Lieutenant Walser wurde ja bei ihrem ersten richtigen Einsatz abgeschossen. Ich will ihr ja nicht extra noch etwas Schlechtes ins Stammbuch schreiben, aber eigentlich hätte sie es besser können müssen.“ Übertriebene Rücksicht war noch nie eine ,Schwäche‘ Liljas gewesen. Sie hatte sich ihr schlechtes Abschneiden in ihrem eigenen ersten Kampf lange nicht verziehen. Angst vor dem Feind konnte sie durchaus nachvollziehen und verzeihen – aber mit dem was sie Inkompetenz nannte, sah es anders aus.
„Sie hat Potential, aber sie hat zu eindimensional gedacht.“ Fuhr die Russin kühl fort: „Es ist hier eben NICHT so, dass du vor Flakfeuer sicher bist – erst recht nicht vor Raketen – wenn du zugleich mit einer Echse kurbelst. Es ist mir klar, dass so etwas nicht leicht zu vermitteln ist. Sie hat Glück gehabt, dass sie vielleicht noch daraus lernen kann.
Dragon und Vasco haben sich ganz gut gehalten. Jeder einen Abschuss – allerdings mit Hilfe. Ihre Teamfähigkeit ist akzeptabel.“
Solche Worte bedeuteten, dass die beiden wirklich etwas von ihrem Handwerk verstanden, denn Lilja geizte normalerweise mit Anerkennung. Besonders ihr Flügelmann wurde keineswegs beneidet, denn die Russin erwartete von ihm Bestleistungen.
„Allerdings... Ich weiß nicht so Recht, ob ich den Arrest von Vasco kassieren soll.“ Der junge Pilot, der im übrigen nicht von der Erde sondern von einer Kolonialwelt stammte, hatte offenbar gewisse Schwierigkeiten, eine weibliche Vorgesetzte zu akzeptieren – geschweige denn drei, wenn man seine Flightleaderin, die XO und die Kommandeurin der Staffel zusammenzählte. Lilja hatte ihn einmal verwarnt – dann hatte sie ihm eine Standpauke gehalten und zu vier Tagen Arrest verdonnert. Andere Offiziere hätten es vielleicht noch einmal mit einem Gespräch versucht, aber Lilja feuerte nach dem Warnschuss stets sofort scharf. Disziplinlosigkeiten gehörten gewiss nicht zu den Dingen, die sie tolerierte.

Lightning musterte die Russin: „Nun, das musst du entscheiden. Gnade ist manchmal nützlich, wenn du glaubst, dir dabei nichts zu vergeben.“ Sie hatte auch in Hinsicht auf diesen Bereich der Menschenführung ihrer Untergebenen einen Gutteil der Arbeit aufgebürdet. Immerhin hatte sie die Verantwortung für ein ganzes Geschwader mitzutragen, und außerdem war Lilja ihrer Meinung nach inzwischen so weit, dass sie auch über Disziplinarstrafen entscheiden konnte, ohne dass sie zu lasch oder – weitaus wahrscheinlicher angesichts ihres Naturells – zu rücksichtslos vorging.
Lilja schien mit sich zu ringen, kam aber schließlich zu einem Entschluss: „Ich denke, ich erlasse ihm die drei verbleibenden Tage – mit der Ankündigung, beim nächsten Mal darf er die Arrestzelle nur noch für den Flugdienst und Nahkampfübungen mit Tyr verlassen...“ Die Kommandeurin lachte auf: „Also DAS sollte wirken!“
„Was Spitfire angeht...“ ,der Pilot gehörte zum Milizaufgebot, war ehemaliger Angehöriger der Nationalgarde und erst seit relativ kurzer Zeit voll von der Flotte übernommen worden, „so muss ich sagen, auch er hat noch an sich zu arbeiten. Der Ausfall von Kraut hat ihn beinahe erledigt – er ist noch nicht so weit, sich zur Not auch alleine gegen zwei Akarii zu halten.“ In den kritischen Tönen von Liljas Einschätzung schwang ein gewissen Maß an Nachsicht mit – im Grunde gab es auch unter den Veteranen etliche, die ihre Probleme gehabt hätten, mit zwei Akarii fertig zu werden.
„Wenn Tyr und Marine ihm nicht zu Hilfe gekommen wären... Ich denke, ich werde ihn mal etwas ins Gebet nehmen. Obwohl er seine Lektion begriffen haben dürfte – auch, dass die Akarii eben doch noch nicht ganz am Ende sind. Außerdem denke ich, wir sollten ihn mit Katana zusammenlegen. Damit hätte deine Sektion wieder vier Maschinen, ich und Dragon arbeiten dann mit Flight 3 und 4 zusammen.“ Es schien Lilja wenig auszumachen, dass der britischstämmige ehemalige Nationalgardist diese Maßnahme leicht als Zurücksetzung empfinden mochte, wurde er doch vom Flightführer zum Flügelmann „degradiert“. Allerdings zählte für Lilja vor allem die Effizienz, und da war es besser die „verwaisten“ Piloten zusammenzulegen, anstatt eingespielte Teams auseinanderzureißen.

„Jetzt haben wir langsam genug Piloten und auch gute Maschinen – aber manchmal glaube ich, die Schnellausbildung hat einen etwas hohen Preis.“ Aber Lilja wusste auch, dass es anders einfach nicht ging. Die Liste der gefallenen, auf Dauer dienstuntauglichen oder für längere Zeit ausgefallenen Piloten war lang. Dazu kamen diejenigen, die dem Druck des Einsatzes psychisch nicht gewachsen waren, oder nach ihrem Abschuss gefangen genommen wurden.
Sie blickte Lightning kurz von der Seite an und ließ ihre Stimme betont gleichmütig klingen: „Und dein Flügelmann?“
Die Kommandeurin winkte ab: „Also eigentlich kannst du dir die Frage sparen. Erstens weiß ich, dass du ihn ohnehin mit Argusaugen beobachtest – vermutlich damit er dir keine Schande macht. Zweitens sitzt du...“ und dabei grinste sie: „doch sowieso an der Quelle um wirklich alle interessanten Einzelheiten über ihn zu erfahren. Sei mal bloß froh, dass ich beide Augen zu mache und so eine tolerante Person bin.“
Lilja errötete leicht: „Immerhin sind Sie die Kommandeurin, und mein Eindruck kann subjektiv sein.“ In diesem Augenblick verfiel sie wieder in die alte Förmlichkeit. Lightning lächelte nur.
„Na gut, dann eben noch mal offiziell: Er macht sich gut. Nicht, dass ich in Ihm unseren kommenden Roten Baron – oder sollte ich sagen Iwan Koschedub? – sehe. Aber er hat Potential. Immerhin hat er jetzt acht Abschüsse. Fünf davon seit seiner Reaktivierung. Ich kann jedenfalls nicht klagen.“ Sie sprach es nicht aus, aber insgeheim fragte sie sich, wie lange ihre Zusammenarbeit mit dem Russen dauern würde. Ihr erster Flügelmann hatte mehr als ein Jahr Krieg mit ihr durchgemacht, dann war er gefallen. Seine drei Nachfolger waren durch Tod und Verwundung ausgeschieden. Erst mit „Sokol“ war eine gewisse „Stabilisierung“ eingetreten.
Lilja schien aufrichtig erleichtert über das Urteil ihrer Kommandeurin. Immerhin hatte sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beigetragen, dass ihr Kamerad aus den ersten Tagen des Krieges einen Platz in Staffel Grün bekam. Ein Versagen seinerseits wäre auch auf sie zurückgefallen, vor allem weil sie sich selber dafür verantwortlich gefühlt hätte.
„Und er passt sich gut ein und kommt mit den meisten Piloten zurecht. Aber das weißt du ja selber.“
Liljas Nicken wirkte verdächtig eilfertig. Sie wusste sehr wohl – ebenso wie ihre Kommandeurin – dass Sokol und Vasco sich nicht eben blendend verstanden. Das war kein Wunder, wenn man bedachte, mit wem der Russe liiert war – während Vasco mit seinen unmittelbaren Vorgesetzten so seine Probleme hatte.

„Nun“ meinte Lightning: „Ich denke, ich werde mich dann mal darum kümmern, das Geschwader wieder auf Vordermann zu bringen.“ Im engsten Kreis frotzelte sie auch heute noch, dass sie einen Großteil der WIRKLICHEN Arbeit machen würde, im Gegensatz zum Geschwaderchef. Aber ihr Verhältnis zu Lone Wolf war inzwischen weitaus weniger von bissiger Feindseligkeit geprägt. So gut wie mit seinem alten Freund Darkness kam der Geschwaderchef mit seiner neuen XO freilich nicht klar, obwohl sie inzwischen schon seit über einem Jahr zusammenarbeiteten. Ihre Charakter und Auffassungen waren einfach zu verschieden, und vermutlich hielt Commander Cunningham auch heute noch seine Stellvertreterin für aufsässig und zu nachsichtig, während sie in ihm einen Karrieristen sah. Aber im Grunde arbeiteten sie recht effektiv zusammen und bügelten sich gegenseitig die Fehler aus, die einer von ihnen vielleicht begehen mochte. Auf einen deutlichen Hinweis auf besagte Unterlassung konnten und wollten sie freilich – beide – in solchen Fällen selten verzichten. Aber sie behinderten sich nicht. Böse Zungen behaupteten, im Grunde ähnelte ihre Zusammenarbeit mit allen Kompromissen, Streitigkeiten und dem alltäglichen Nebeneinander dem Leben eines verheirateten Paares manchmal mehr als die Ehe, die Lone Wolf mit Melissa Auson-Cunningham führte. Vor allem, da der Commander seine Frau nur recht selten sah.
Lilja nahm Haltung an und salutierte. Wiewohl sie inzwischen ihre Vorgesetzte gewohnheitsgemäß duzte – so lange keine höheren Offiziere in der Nähe waren – konnte sie sich von gewissen Formalitäten nicht freimachen. Lightning nahm den Gruß mit einem Grinsen entgegen: „Und nun hau dich in die Koje und schlaf etwas – in sechs Stunden bist du sowieso wieder für eine Patrouille eingeteilt.“
Die Geschwader-XO schaute der Russin kurz nach, dann machte sie sich auf zu ihrem Büro. Es galt, die Dienstpläne des Geschwaders den Verlusten anzupassen – was auch eine Verständigung mit anderen Geschwadern erforderte. Viel Arbeit also...
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Cattaneo

Lilja hatte sich in den vergangenen Jahren stets bemüht, eine gute Soldatin zu sein – eine Rolle, die ihr in mancher Hinsicht auf den Leib geschneidert war. Sie hatte es sogar verstanden, eine ganz passable Offizierin zu werden – wozu sie etwas weniger gute Voraussetzungen hatte. Aber dennoch war sie gerade im Begriff, eine ,Insubordination‘ zu begehen.
Inzwischen war die Russin in ihrer Kabine angelangt. Als Lieutenant Commander hatte sie Anrecht auf „ihre eigenen vier Wände“ – allerdings war das Quartier recht klein. Immerhin war sie nur XO einer Staffel, was bedeutete, dass sie mit weit weniger auskommen musste als viele Offizierskollegen. Nun, ihr reichte es aus. Sie vermisste etwas ihre alte Zimmergenossin, auch wenn sie jetzt das Bad nicht mehr nur im Schichtbetrieb nutzen konnte.
Lilja hatte jedenfalls nicht vor, „befehlsgemäß“ schlafen zu gehen. Jedenfalls noch nicht. Sie zog nur die Schuhe aus und legte sich hin. Ihre Augen starrten zur Decke, ohne dass sie diese richtig wahrnahm. In Gedanken ließ sie noch einmal die letzte Schlacht Revue passieren. Dann begannen ihre Gedanken zu wandern...

Die letzten Feindfahrten hatten viel Veränderung gebracht. Seit Corsfield und Graxon hatte sich der Krieg gewandelt, aber es war nicht nur das. Auch für sie selbst hatte sich viel geändert, auch hier überwiegend zum Guten. Der Preis war allerdings nicht immer gering gewesen, vor allem wenn es um den Preis der militärischen Erfolge ging.
Lilja streckte die Hand aus, ohne genau hinzusehen. Wie von selbst fand sie, was sie suchte. Sie betrachtete das Foto. Es zeigte den einzigen Überlebenden ihrer alten Staffel, Alexander Gulajew. Der Pilot lächelte zurückhaltend, fast etwas ungläubig. Er war in Liljas Alter, doch trotzdem er mindestens soviel durchgemacht hatte wie sie, wirkte er in ihren Augen etwas jünger. Einerseits wohl, weil er für das Foto auf seinen eigenen Beinen hatte stehen können. Als die Aufnahme gemacht hatte, war er zwar seit einigen Monaten schon wieder in der Lage sich zu bewegen, aber so ganz konnte er sein Glück offenbar noch immer nicht fassen. Es war jedoch nicht nur das.
Die Frau neben ihm, der er den Arm um die Hüfte gelegt hatte – ihr Arm ruhte auf seiner Schulter – grinste breit und zwinkerte in das Objektiv.
Lilja lächelte schief – tja, wer hätte gedacht, dass es so kommen würde?
Nachdem sie aus der Doppelschlacht von Graxon und Corsfield nach Hause gekommen waren, hatte sie die Botschaft, dass es für ihren Kameraden offenbar doch Heilung geben konnte, mit ungläubiger Freude aufgenommen. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihm zur Seite zu stehen, so gut es ihr Dienstplan eben erlaubte. Zugleich hatte sie diesmal auch Imp zu sich nach Hause eingeladen – die Deutsche war ihr inzwischen eine echte Freundin geworden, und außerdem hatte sie, selbstsüchtig wie sie war, auch daran gedacht, dass sie so jemanden haben würde, der ihre Interessen teilte. Mit vielen anderen Altersgenossen ihres Heimatortes konnte sie nicht soviel anfangen. So hatten sich Imp und Sokol kennen gelernt. Sie hatten sich recht gut verstanden – vermutlich auch, weil es Imp eigentlich nie schwer fiel, Kontakte zu knüpfen.

Nun, im Laufe der Zeit war aus der Freundschaft eben mehr als „nur“ das geworden. Das war Lilja natürlich nicht verborgen geblieben. Sie hatte versucht, sich über ihre eigenen Gefühle klar zu werden. Hatte sie Neid oder gar Eifersucht empfunden? Nein, vermutlich nicht. Sie und Sokol waren einander nahe gewesen, vor allem nachdem sie beide die letzten Überlebenden gewesen waren, und ihr Kamerad sich mit dem Gedanken abfinden musste, für den Rest seines Lebens ein Krüppel zu sein, doch nie war es Nähe in diesem Sinne gewesen. Vielleicht auch, weil sie nie wirklich einen Gedanken daran verschwendet hatte. Aber es war ihr auch weiterhin schwer gefallen, selbst Sokol gegenüber offen zu sein. Selbst ihm hatte sie nicht alles erzählt. Und vermutlich brauchte es für Liebe Offenheit – in dem Fall war sie wirklich keine Traumpartnerin, von ihrem Äußeren mal ganz abgesehen.
Vielleicht war sie ein wenig neidisch auf Imp gewesen, aber sie hatte dieses Gefühl schnell verdrängt.
Inzwischen betrachtete sie die Beziehung zwischen Imp und ihrem Landsmann als einen Glücksfall für beide, vielleicht auch aus dem verdrängten Eingeständnis heraus , dass sie zu einer stabilen Beziehung vielleicht gar nicht in der Lage gewesen wäre. Wenn sie sich etwas Mühe gegeben hätte, auch in dem Augenblick, wo es ihm besser ging, und er das erste Mal seit langem wieder Mut gefasst hatte... Ihr Aussehen hätte ihn vermutlich nicht gestört, ihren Charakter kannte er, und er hätte sicherlich verstanden, warum sie so geworden war, wie sie nun einmal war. Hatte sie eine Chance verpasst? Sie wusste es nicht, aber sie war auch nicht bereit, darüber gründlich nachzudenken.
Aber vermutlich war es besser so. Immerhin war sie Dienstfanatikerin und dazu eigentlich niemanden gegenüber ganz ehrlich. Es gab Dinge, die sie keinem erzählte.
Nicht, dass Lilja diese Dinge jemals bewusst so gesehen hätte. So wie sie manches vor anderen geheim hielt, gab es auch Dinge, über die sie sich nicht einmal selber Rechenschaft ablegen wollte oder konnte.

Aber an all das dachte sie im Augenblick sowieso nicht. Sie betrachtete das Bild mit ihren beiden Freunden mit einem leichten Lächeln, das ihre Miene weicher, fast freundlich aussehen ließ. Eine Seltenheit.
Dann legte sie das Foto wieder beiseite. Es gehörte zu der Sammlung, die sie den ganzen Krieg über begleitet hatte. Da waren die üblichen Familienbilder und Schnappschüsse von Freunden und Kameraden – letzteres rein zahlenmäßig bei Lilja ein sehr unbedeutender Posten. Dazu kamen noch etliche Datenspeicher, die freilich alles andere als Heimatfilme zeigten. Es waren Aufnahmen von ihren Abschüssen, Bilder zusammengeschossener Akarii-Großraumer, die sie oder andere Piloten aufgenommen hatten. Auch Aufnahmen von der Bombardierung Troffens, die Rangabzeichen eines Akarii-Piloten und ähnliches gehörten zu Liljas Sammlung. Imp hatte für Liljas Andenken in ihrer üblichen burschikos-leichtfertigen Art den Begriff „Chamber of Horror“ geprägt und konstatiert, es fehle nur noch eine Vodoo-Puppe von Prinz Jor mit Nadeln im Herz. Eine Woche später hatte ihr Lilja nachts eine aufs Kopfkissen gepackt – leider hatte Imp am Morgen weniger laut als erhofft aufgeschrieen, als sie das verunstaltete Miniatur-Echsenwesen erblickte.
Einen Ehrenplatz nahm das Modell eines Typhoon-Jägers der Erdstreitkräfte ein, ein Geschenk an Lilja. Fast gleichauf rangierten zwei Aufzeichnungen von Fernsehbeiträgen. Beide hielten Liljas kurze Ausflüge in die Welt der Medien fest. Einmal das erste Interview ihres Lebens – es schien eine Ewigkeit her zu sein. Die zweite Aufnahme war gemacht worden, nachdem die Russin ihren dreißigsten Abschuss erzielt hatte. Mit solchen Erfolgen stand sie zwar noch lange nicht an der Spitze – es gab Piloten die auf das Doppelte kamen – doch unter den russischen Piloten der Streitkräfte hatten sie ihre Erfolge ziemlich weit nach vorne gebracht. Manchmal konnte sie es selbst kaum fassen, dass sie es so weit geschafft hatte. Unzählige – vermutlich ihr ebenbürtige oder gar überlegene Piloten – hatte der Krieg verschlungen. Krieg, Verwundung, Gefangenschaft oder Dienstuntauglichkeit aus anderen Gründen, der Möglichkeiten waren viele. Was Lilja so weit gebracht hatte, so vermutete sie zumindest, war neben einer gehörigen Portion Glück ihre halsstarrige Beharrlichkeit. Sie hatte einfach lange genug überlebt. Und die Abschüsse waren das Ergebnis dieser Beharrlichkeit. Mancher hatte in vergleichsweise kurzer Zeit sechs oder zehn oder gar mehr Abschüsse erzielt – doch dann war er wie eine Sternschnuppe erloschen, und bald verging auch die Erinnerung an ihn.
Sie grinste bei der Erinnerung an ihren „großen Tag“. Zwar war Eitelkeit eine Untugend, aber die Russin gestattet sich ,wohlverdienten Stolz‘. Zumindest sah sie es so.
Der Reporter hatte ihr zunächst die üblichen naiv-dämlichen Fragen gestellt, die dafür dienten, den Zuschauern klarzumachen, was für eine schneidige Draufgängerin sie doch war. Aber bei dem Gedanken, dass für einen Augenblick die Blicke von Hunderttausenden, wenn nicht gar Millionen, auf ihr geruht hatten, lief Lilja auch heute noch ein angenehmer Schauer den Rücken herunter. Sie ließ die Szenerie noch einmal vor ihrem inneren Auge ablaufen.

„Und was haben Sie den jungen Piloten zu sagen, die Ihnen sicher nacheifern wollen? Wie, denken Sie, können die es Ihnen gleichtun?“
Lilja blickte ernst drein: „Nun, ich glaube nicht, dass ich mit überragenden Fähigkeiten gesegnet bin, die es mir erst ermöglichten, so viele Echsen zu erledigen. Ich meine, ein gutes Auge, eine sichere Hand und schnelle Reflexe sind natürlich nützlich. Aber um ein guter Pilot zu sein, braucht es weit mehr als das!“
„Nämlich? Ich denke doch, Sie sollten Ihr Geheimnis nicht für sich behalten.“
Die Russin ging nicht auf den lockeren Ton ein. Allerdings ließ sie sich auch nicht anmerken, dass sie das ,muntere‘ Verhalten des Reporters nervte.
„Weitaus wichtiger sind zwei Dinge: Zum einen das Training. Damit meine ich nicht nur gute Abschlussnoten in der Schule und später bei der Ausbildung, obwohl das natürlich auch viel hilft. Aber auch wenn man erst mal im Einsatz ist, muss man ständig trainieren. So viel wie es geht, und am besten noch mehr als im Rahmen der normalen Bereitschaft angesetzt ist. Das soll nicht heißen, dass ich die Vorschriften unseres Militärs für nachsichtig halte. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es nur nützlich seien kann, wenn man auch einen Teil der Freizeit im Simulator verbringt. Unsere Gegner sind nicht zu unterschätzen, und sie lernen. Wir müssen ihnen immer einen Schritt voraus sein.“
„Nun, das haben Sie ja offenbar geschafft.“
Lilja verzog das Gesicht: „Knapp. Ich bin insgesamt dreimal abgeschossen worden. Zweimal habe ich meinen Jäger nach Hause gebracht, war aber ernsthaft verletzt. Im Schnitt macht das einen solchen Vorfall auf sechs Abschüsse auf meinen Konto. Wenn ich nicht so hart trainiert hätte, hätte ich es vielleicht nicht geschafft.“
Der Mann unterdrückte offenbar eine Grimasse. Ihm lag vermutlich eher an den lockeren Sprüchen von Filmhelden-Piloten, denn die kamen an der Heimatfront besonders gut an. Schließlich kannten die Leute sie ja auch aus Kino und Fernsehen. Lilja eignete sich nur bedingt zur Heldin – nur für einen ganz bestimmten Typ.
,Kalt wie Weltraumeis‘ war eine der Bezeichnungen gewesen, die ein Mitarbeiter einer russischen Zeitung geprägt hatte. Es war keine Neuerfindung – ein derartiges Prädikat war schon einigen anderen Piloten verliehen worden.
„Und was gehört noch zu einem guten Piloten?“
Erst jetzt lächelte Lilja: „Nun, auf jeden Fall die Kameraden. Vorgesetzte, Untergebene, vor allem der Staffelchef und der Flügelmann. Ohne gute Mitstreiter kommt man im Krieg nicht weit, und ich habe das besondere Glück, in der Grünen Staffel zu dienen. Ob auf der Redemption oder jetzt auf der Columbia. Deshalb möchte ich an der Stelle besonders meiner Staffelchefin Diane Parker alias Lightning danken, meiner Zimmergenossin Ina Richter und natürlich all denen, die mit mir in einem Flight geflogen sind. Ohne sie würde ich heute wohl kaum so viele Abschüsse aufweisen können.“
Der Reporter erwiderte das Lächeln. Das war weit mehr nach seinem Geschmack...

Für einen Augenblick gönnte sich Lilja den Luxus, bei dieser angenehmen Erinnerung zu verweilen. Doch bald kamen ungebeten unangenehme Gedanken. War sie eine Heldin? Einige Leute schienen das zu glauben, sie selbst war sich da nie so sicher.
Vor allem aber – ihr Status, ihre Worte hatten auch Folgen. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie vor drei Jahren vor den Schülern einer Kasaner Klasse gestanden hatte. Die Lehrerin hatte sie damals unter vier Augen darauf angesprochen, dass die Schüler den Krieg zu sehr als Abenteuer sahen, als etwas, bei dem man dabeisein sollte. Lilja hatte die Frau nicht verstanden, sah sie den Kampf doch als notwendig an.
Jetzt hatte sie erfahren, dass drei Jungen und zwei Mädchen der Klasse am Tag ihres Schulabschlusses um die Aufnahme in die Streitkräfte nachgesucht hatten. Als Piloten für Kampfflieger. Wenn sie die Ausbildung erfolgreich bestanden – was allerdings nicht garantiert war – dann würden auch sie eines Tages in den Kampf gehen. Dorthin, wo man so leicht getötet werden konnte...
Lilja machte sich gewiss keine Vorwürfe, dass die jungen Menschen zum Töten ausgebildet werden würden. Sie war unverändert der Meinung, dass der Krieg richtig und gerecht war – eine Einstellung, die sie kaum revidieren würde, bevor die Erdstreitkräfte über Akar auftauchten. Aber der Gedanke daran, dass ihre Landsleute vielleicht sterben würden, die Jungen und Mädchen, die bewundernd zu ihr aufgeblickt hatten, weil sie versuchten, es ihr gleichzutun – das machte ihr Angst.
Denn was sollte sie in dem Fall sagen, wenn eines Tages eine Mutter oder ein Vater sie fragen würde, warum ihr Kind sterben musste? Was sie sich dabei gedacht hatte, die Kinder in den Krieg zu rufen – mit der Botschaft, man müsse nur hart genug üben, dann sei ein Akarii kein unüberwindlicher Gegner?
Sie wusste auf diese Frage keine Antwort. Sie verstand bis zu einem gewissen Maße die Gefühle, die jene quälen mussten, die Angehörige im Krieg verloren. Sie hatte schließlich auch einige gute Freunde verloren. Aber sie konnte außer dem, was sie sich selber einredete – dass es notwendig und richtig – nichts entgegnen. Denn daran glaubte sie – wie sonst hätte sie weiter kämpfen können? Es konnte, es durfte nichts weniger seien als das.
Lilja konnte sich nur vor sich selbst rechtfertigen, dass es der freie Entschluss der jungen Männer und Frauen gewesen war, diesen Weg zu beschreiten, und dass es der richtige Weg war. Sie würden der rodina dienen, wie so viele vor ihnen. Und die Mutter Heimat hatte Anrecht auf ihren Schutz, sie brauchte ihn.
Langsam schwand ihr das Bewusstsein, als sie in einen unruhigen Schlaf hinüber dämmerte. Der harte Zug um ihre Mundwinkel passte zu ihrem Ruf, und dem Bild, dass sie auch selber geben wollte. Kalt wie Weltraumeis...
17.12.2015 13:14 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cunningham

Als Lucas den Besprechungsraum betrat, federte Monty aus dem Stuhl hoch. Lightning und Senior Chief Tremmler ließen sich beim Stramm-Stehen weitaus mehr Zeit.
"Rühren, okay, was haben Sie für mich." Er warf sich in einen Stuhl und zündete sich eine Lucky Strike an. Mit dem Rauchen aufhören, lächerlich.
"Der Großeinsatz vorhin war ein blinder Alarm." Montys Stimme deutete ein ,wieder mal’ an.
"Klasse, wir sind unterbesetzt und dann scheuchen wir unsere übermüdeten und ausgepowerten Piloten Pantome jagen." Wütend warf Cunningham sein Feuerzeug auf den Tisch.
"Zumindest die Unterbesetzung wird bald geregelt sein. Wir bekommen Überlebende von der Deutschland." Lightning rümpfte beim Zigarettengestank die Nase.
"Gutes Personal?"
Lucas Stellvertreterin schnaufte: "Das, was uns die Gettysburg übrig gelassen hat."
"Immerhin kommen wieder auf Sollstärke", warf Monty ein und wandte sich an den Chief, "und wie sieht es beim Material aus?"
Der Chief, für seinen Rang recht jung, Kriege hatten es an sich, die jungen und starken, die Fähigen nach vorn zu bringen, Klassischer Militärdarwinismus, kratzte sich am Ohr: "Tja, wir sollten eigentlich jeden Moment Kontakt zu einem Versorgungstender herstellen, die René Margeritt ist seit einer halben Stunde überfällig, Munition und Treibstoff, soviel wie wir können und wollen. Was Ersatzmaschinen angeht, was uns die Jungs von der G-Burg übrig gelassen haben."
Der allgemeine Schiffslautsprecher erwachte zum Leben: "1 MC, hier spricht der erste Offizier: Gelber Alarm für Flugdeck und Hangar! Gesamter Flugverkehr wird eingestellt! Andocken an Versorgungstender in fünf Minuten! Bodencrews bereit machen für die Aufnahme von Treibstoff, Munition und Ersatzteilen!"
"Tja, das war mein Stichwort." Senior Chief Tremmel erhob sich und deutete einen Salut an. "Ma'am, Sirs."
Lucas inhalierte nochmal tief und blickte dann Lightning an: "Und, was lässt uns die G-Burg an Personal über? Ist was Brauchbares dabei?"
"Wie das nun mal so ist in der militärischen Hackordnung, hauptsächlich bleibt uns die Auswahl aus alten Knochen und jungem Gemüse."
"Ich denke, wir sollten eine gesunden Mischung aus beidem nehmen, wenn es geht", warf Monty ein.
"Gut, dann machen Sie beide es so." Lucas erhob sich.
"Ach, und was machen Sie?" Lightning lehnte sich zurück und musterte ihren Kommandanten kritisch.
"Tja, zur Feier, dass mein Magengeschwür weg ist, kipp ich mir einen doppelten Espresso rein und fange mit DER Post an."
Die beiden Lieutenant Commanders zuckten bei der Betonung zusammen. Briefe an die Hinterbliebenen, keiner der beiden beneidete Cunningham um die Aufgabe.



"1 MC, hier spricht der erste Offizier: Gelber Alarm für Flugdeck und Hangar! Gesamter Flugverkehr wird eingestellt! Andocken an Versorgungstender in fünf Minuten! Bodencrews bereit machen für die Aufnahme von Treibstoff, Munition und Ersatzteilen!"
Lieutenant Junior Grade Jan "Fisch" Fischer schmiss die fünf Karten auf den Tisch: "HA! sehet und staunet: Asse und Achten!"
Donovan fluchte und warf seine eigenen Karten auf den Tisch.
"Das ist doch schwul!" Protestierte Petra "Sugar" Martens.
"Ja, genau", bestätigte Donovan Cartmell, Fichers Wingleader und immer noch schwarzes Schaf der Angry Angels. "Niemand gewinnt mit Assen und Achten, Du hättest aussteigen sollen."
"Ach und warum hätte ich das tun sollen?" Fischer kratzte die Reals zusammen, die im Pot lagen.
Jack "Too-Tall" Grayson nippte an seinem Bier. Es war mittlerweile erlaubt, sogar in Alarmbereitschaft kleine Mengen Alkohol zu konsumieren, solange man genügend Klarmacher vorweisen konnte. Kleine grüne Pillen, die die Wirkung von Alkohol binnen Sekunden neutralisierten. Die Navy hatte nach langem Hadern erkannt, dass die Truppen bei Dauereinsatz mehr Zerstreuung brauchten.
"Tja, weil der letzte, der mit so einem Blatt gewonnen hat, ich glaube es war 2629, genauso wie alle seine Vorgänger durch einen Schuss in den Rücken gestorben ist." Too-Tall grinste über den Glasrand hinweg Fischer an. Jack war mit seinen 2 Metern und 18 Zentimetern der nicht nur der größte Pilot auf der Columbia, selbst unter den Marines suchte er seinesgleichen vergebens.
"So ein Quatsch ..." Versetzte Fischer, als er das Entsichern einer Laserpistole hinter sich hörte. Er wollte herumwirbeln, aber noch bevor er sich in Bewegung setzen konnte, wurde er von einem harten Wasserstrahl getroffen und von Kopf bis Fuß durchnässt.
Skunk grinste den jüngeren Piloten von oben herab an und legte die grellbunte Wasserpistole mit dem Soundchip an die Schulter: "Und ich dachte immer, Fische können schwimmen."
Im ganzen Kasino wurden Gelächter laut.
Fischer fuhr hoch: "Wenn Du nicht Lieutenant Commander wärst, würd’ ich Dir die Schnauze polieren!"
"Tja, zumindest wärst Du dumm genug es zu versuchen, Grünschnabel." Skunk stieß den jüngeren Piloten hart in Richtung Stuhl und ging hinter die Bar zurück.
"Dieses Arschloch, warum habt Ihr nichts gesagt?" Fischer blickte in die Runde.
Sugar zuckte die Schultern.
"Er ist immerhin Lieutenant Commander", antwortete Too-Tall, "noch dazu mein direkter Vorgesetzter."
Donovan schüttelte den Kopf und grinste: "Du wärst echt blöd genug, es zu versuchen, was Fisch?"
"Yeah, ..." Sinnierte Fischer.
18.12.2015 09:20 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Tyr

„Kaum lässt man dich von der Leine, wirst du aus der Maschine geschossen!“
Der so gerügte Crusader grinste schwach – er wusste, das war einer von Ohkas seltenen Scherzen. Beide Piloten waren länger als ein Jahr zusammen geflogen und Freunde geworden.
„Ging ja noch halbwegs glimpflich aus, die paar Brüche... Aber pass‘ mal besser ein bisschen auf Submarine auf, bis ich wieder auf dem Damm bin.“ Anna ‚Submarine‘ Gore war Crusaders neue Flügelfrau. Nachdem ihr Vorgesetzter abgeschossen worden war, wäre sie ihm beinahe nachgefolgt, wenn sich nicht Commander Cunningham eingeschaltet und die Bloodhawk weggeputzt hätte, die sich an Submarine gehängt hatte. Das und der Beinahe-Tod ihres Vorgesetzten hatte die junge Pilotin begreiflicherweise ziemlich geschockt.
„Ich glaube nicht, dass wir in der nächsten Tagen Feindkontakt haben werden. Jedenfalls kaum, wenn wir ihn nicht mit Gewalt suchen. Die Akarii dürften so schnell nicht zum Gegenstoß bereit sein.“
„Werd‘ mal nur nicht zu selbstsicher – das passt nicht zu dir, Samurai.“
Kano machte eine wegwerfende Handbewegung und klopfte seinem Kameraden auf die Schulter – diejenige, die nicht in einem Gipsverband steckte: „Und du werd‘ bloß schnell wieder gesund. Wir brauchen dich Draußen und nicht auf dem Krankenrevier. Auch wenn wir momentan Ruhe haben – ich habe das Gefühl, dass die Flottenleitung noch etwas vorhat. Bis bald.“

Sobald Kano die Krankenstation verließ, hatte sein Gesicht wieder den üblichen, emotionslosen Ausdruck, den er sich angewöhnt hatte. Nur wenige Menschen sahen durch diese Maske oder erlebten mal, dass er sie ablegte. Er sah auf die Uhr und beschleunigte seine Schritte. Da Commander Cunningham zurzeit keinen vollen Dienst leisten konnte, blieb viel Arbeit bei Monty hängen – und der ließ Kano großzügig daran teilhaben.
Kano war sich nicht ganz sicher, ob ihn Monty damit von seinen Ambitionen auf den Rang eines Lieutenant Commanders abschrecken, oder ob er Kano prüfen wollte. Wenn Monty wollte, dann konnte er ebenso undurchschaubar sein, wie Kano für die meisten seiner Kameraden.

„Da sind Sie ja, Lieutenant.“
„Sir.“
„Wir bekommen Ersatz. Der Neue wird natürlich in Ihrer Sektion fliegen – hier ist die Akte. Sehen Sie sich das gründlich an, Sie sind mir für den Mann verantwortlich. Ich will nicht, dass er irgendwelchen Mist baut. Lieutenant Jogiches dürfte allerdings der geeignete sein, um ihn zurechtzustutzen.“ Monty hätte wohl beinahe gegrinst. First Lieutenant Ariel „Goliath“ Jogiches hatte früher bei den Schlachtfliegern des Marinekorps gedient, bevor er auf Raumjäger umsattelte. Und seinen Staffelnamen hatte der hünenhafte Pilot aus Tel Aviv mit gutem Grund erhalten – es hieß, er sei einer der wenigen im Geschwader, die Skunk im Zweikampf vermutlich das Schandmaul stopfen konnten. Meistens beherrscht, konnte Goliath im Kampf allerdings auch Risiken eingehen, die unverhältnismäßig schienen. Aber er war ein guter Soldat.
Kano wunderte sich kurz, warum Monty sich so ausgiebig über den Neuen äußerte. Auch wenn kaum jemand den hohen Anforderungen des XO genügte, normalerweise stauchte er den Entsprechenden lieber persönlich zusammen. Kano überflog die Akte des Neuen:
Second Lieutenant Pretcher „Renegade“ Hands war noch ziemlich frisch im Krieg. Er hatte bisher erst einen Einsatz gegen die Akariis absolviert – ohne Erfolge. Seine Leistungen schienen eher durchschnittlich, aber ausreichend. Er war nicht zu draufgängerisch, das war gut – vielleicht hielt er so Goliath etwas zurück.
Dafür schien der Mann Probleme mit Vorgesetzten zu haben. Kano presste kurz die Lippen zusammen. Hands würde sich diese Macke besser schnell abgewöhnen. Goliath war nicht sehr duldsam mit seinem Wingman, und Kano würde auch nicht gewillt sein, die Eskapaden des Neuen zu tolerieren. Monty war ein noch größerer Drillmeister als Darkness – und Commander Cunningham war nicht gerade für seine Duldsamkeit bekannt.
„Nun ja, Sir – damit haben wir neben Crazy und Marat noch jemanden, der mit der Disziplin gewisse Probleme hat. Aber ich sehe nicht...“
„Dann schauen Sie genauer hin.“ Monty wurde sichtlich ungeduldig. Kano widmete sich wieder der Akte – und dann begriff er und hätte beinahe geflucht: „Sir, halten Sie es für passend, den Mann ausgerechnet mit Goliath zusammenzulegen?“
„Ich werde wegen einem mittelmäßigen Neuling nicht die gesamte Zusammensetzung der Staffel durcheinander werfen. Der Mann ist schließlich Soldat! Für irgendwelche Empfindlichkeiten ist hier kein Platz – wenn er sich etwas anderes einbildet, dann sollte er schnellstens eines Besseren belehrt werden. Auf Sonderwünsche hat er keinen Anspruch.“ Montys Stimme war kalt und entschlossen – er würde in dieser Sache nicht nachgeben, das war Kano klar. Kano konnte die Ansicht Montys ja sogar nachvollziehen. Dennoch...
„Ich - verstehe, Sir.“
„Ich sehe, dass Sie das tun. Gut. Behalten Sie ihn im Auge und wenn er Ärger macht – dann greifen Sie durch. Immerhin sind wir die Staffel des Commanders, und das Geschwader gehört zur Elite der TSN. Wenn der Mann nicht unseren Anforderungen genügt...
Und lassen Sie die Maschinen auftanken und für einen Übungsflug ausrüsten. In zwei Stunden ist Start. Die Neuen müssten jetzt übrigens an Bord kommen. Renegade sollte sich in dreißig Minuten bei mir melden. Wenn er nicht pünktlich ist, dann ist der Teufel los.“
„Sir.“ Kano salutierte knapp, drehte sich um und ging. Auf dem Gang beschleunigte sich sein Schritt unwillkürlich. Der Neue würde schließlich in Kanos Sektion fliegen. Kein Grund, ihn gleich mit einem verhagelten Einstand bei Monty beginnen zu lassen, weil er zu spät kam. Es gab auch so genug Konfliktpotential...

Während Kano versuchte, den beschäftigten Flugdeckoffizier davon zu überzeugen, dass die Maschinen der Butcher Bears bevorzugt aufgetankt werden mussten, sah er sich unauffällig um – und entdeckte den neuen Piloten. Kano hatte offenbar die richtige Vermutung gehabt. Second Lieutenant Pretcher „Renegade“ Hands stand bei einer der Maschinen der Schwarzen Staffel. Die Nighthawks boten einen beeindruckenden, fast furchteinflößenden Anblick, der den ‚Butcher Bears‘ sogar schon ein paar Bilder für ein Navy-Magazin eingebracht hatte. Zusätzlich zum Standart-Navygrau waren die Bugspitzen so bemalt, dass sie wie der Kopf eines Bären wirkten, mit blutrotem, aufgerissenem Maul, langen Fängen und roten Augen. Rechts und links waren kurz dahinter auch noch Bärentatzen mit langen, gebogenen Krallen aufgemalt. Außerdem hatte jeder Pilot das Recht, seinen Jäger an der Seite mit einem kleinen Wappen oder Wahlspruch zu versehen.

Der neue Pilot war von durchschnittlicher Größe und schwarzhaarig. Seine Haut war dunkler, als die der meisten Menschen – fast so wie bei Kali.
Kano dankte dem genervten Chief, der schließlich versprochen hatte, dass die Nighthawk rechtzeitig flugbereit sein würden, und näherte sich Hands. Der Pilot bemerkte ihn nicht.
„Lieutenant Hands.“
Renegade fuhr herum und starrte Kano überrascht und reserviert an. Seine ganze Körperhaltung drückte Misstrauen aus. Er sah, dass vor ihm nur ein First Lieutenant stand und beschränkte sich bewusst auf ein: „Hi.“
‚Das fängt ja gut an.‘ Üblicherweise galt der Unterschied zwischen First und Second Lieutenant als geringfügig. Aber wenn man, wie Renegade, bei einer neuen Staffel anfing und selber keine Meriten aufzuweisen hatte, dann erforderte es eigentlich die Tradition, etwas weniger schnodderig zu sein. Wenn Hands so weitermachte, etwa bei Monty...
„Ich bin Kano ‚Ohka‘ Nakakura – Sie werden in meiner Sektion fliegen.“
„Soso. Na toll. Sollen Sie mich zum Staffelchef schleppen?“ Die Stimme klang jetzt eindeutig provozierend, während in Kanos folgenden Worten pures Eis lag: „Zum XO. Das ist so üblich. Sie werden außerdem Ihren Flugführer kennen lernen. Und an Ihrer Stelle würde ich mir einen anderen Ton angewöhnen. Sie sind nicht mehr an Bord der ‚Deutschland‘, und was auch immer dort üblich war, hier werden Sie nach unseren Regeln leben. Und wir sollten uns besser beeilen. Lieutenant Commander Terrano verlangt von ALLEN Piloten prompte und pünktliche Pflichterfüllung. Ein GUTER Rat für Sie – halten Sie sich an diese Regel. Der Lieutenant Commander versteht da keinen Spaß. Also kommen Sie.“
Renegade schien kurz mit sich zu kämpfen, dann hatte er sich im Griff und bedeutete Kano mit einer ironischen Handbewegung, voranzugehen. Während er den Neuen durchs Schiff führte, wandte sich Kano halb zu ihm um: „Sie hatten ja bereits Kampferfahrung, auch auf der Nighthawk, richtig?“
„Ja.“
„Unsere Staffel hat sich neben den klassischen Aufgaben auch auf Schlachtfliegereinsätze spezialisiert – Angriffe auf Frachter und Bodenziele, Unterstützung von Bomber- und Jagdbomberattacken.“
„Ich werde schon klarkommen.“
Schließlich gab Kano es auf – Renegade war offenbar nicht an einem Gespräch interessiert und war selbst für Kanos Verhältnisse bis zur Unverschämtheit einsilbig. Der erste Eindruck war wohl der richtige gewesen: Renegade bedeutete Probleme. Im Geist legte sich Kano die Strategie für die nächsten Tage und Wochen fest. Er würde den Neuen im Auge behalten müssen. Das würde der zwar wahrscheinlich als Schikane auslegen, aber das war Kano momentan egal. Der Mann musste begreifen, dass er im Rahmen der Sektion zu funktionieren hatte. Sonst würde er nicht nur sich selbst, sondern auch andere in Gefahr bringen. Außerdem würde Kano noch ein paar Worte mit Goliath wechseln...

Bei Monty war inzwischen First Lieutenant Ariel „Goliath“ Jogiches eingetroffen. Der breitschultrige, muskulöse Ex-Marinekorpsflieger überragte den XO der Staffel deutlich. Sein Gesicht war ausdruckslos, er musterte Renegade reserviert, aber nicht unbedingt unfreundlich. Kano schloss daraus, dass Monty die Bombe noch nicht hatte platzen lassen. Der junge Pilot fragte sich, was der XO für ein Spiel spielte.
Monty quittierte den etwas laxen Gruß von Renegade mit einem kurzen Hochziehen der Augenbrauen und einem wesentlich sorgfältigeren Salut: „Lieutenant Hands, Willkommen in der Schwarzen Staffel und an Bord der ‚Columbia‘. Ich bin der XO Ihrer Staffel, Lieutenant Commander Miguell 'Monty' Terrano. Ihren Sektionschef haben Sie ja bereits kennen gelernt, und dies ist Ihr Flightführer. Commander Cunningham ist zurzeit beschäftigt – aber Sie werden ihm schon noch früh genug begegnen. Sie werden mit Lieutenant Kranz Ihr Quartier teilen. Haben Sie irgendwelche Fragen?“
Der Neue schien überrascht, er hatte wohl irgendetwas anderes erwartet: „Nein, Sir. Danke.“ Er wollte sich bereits umdrehen und gehen, als Montys Stimme ihn innehalten ließ: „Einen Moment noch.“
Renegade drehte sich wieder um, wirkte auf einmal wieder wachsam, misstrauisch: „Sir?“
„Ihre Leistungen auf der ‚Deutschland‘ – sind ausbaufähig. Sie sind ein vollwertiger Pilot, gewiss. Aber die ‚Angry Angels‘ sind ein Elitegeschwader. Und das bedeutet, dass wir mehr verlangen, als Standardleistungen. Verstehen Sie?“
„Natürlich, Sir.“ Die Stimme von Renegade sagte aber etwas anderes aus – und Monty bemerkte das natürlich.
„Lassen Sie den Unsinn. Ich will ehrlich sein – ich verlange von Ihnen, dass Sie sich MEINEN Standards anpassen, ich werde keineswegs für Sie die Anforderungen senken. Wenn Sie damit nicht klarkommen, dann ist hier kein Platz für Sie. Haben Sie JETZT verstanden?!“
„Ja, das habe ich ‚Sir‘!“ Renegades Stimme klang wütend, er war nicht mehr zu bremsen: „Lassen Sie doch den Scheiß! Ich weiß doch genau, was Sie wollen! Ich bin für Sie nur ein Haufen Dreck – ein halber Verräter! Und das alles weil ich von Pandora komme! Es kotzt mich an, 'Sir'! Meine Familie hat immer nur der Republik gedient! Aber Ihnen ist das scheißegal! Sie...“
„HALTEN SIE DEN MUND!!“ Monty erhob selten die Stimme – deshalb zuckten auch Goliath und Ohka zusammen. Renegade verstummte tatsächlich, allerdings ließ ihm Monty auch keine Gelegenheit, noch einmal etwas zu sagen: „Halten Sie den Mund und hören Sie zu! Es ist mir egal, woher Sie kommen, es ist mir egal, wer Ihre Eltern waren! Aber es ist mir nicht egal, wenn Sie in MEINER Staffel ihren Egotrip durchziehen. Wir sind im Krieg! Wir können uns Ihre idiotischen Allüren nicht leisten. Und ich werde es nicht zulassen, dass Sie mir mit Ihren persönlichen Befindlichkeiten die Zeit stehlen!
Sie haben nur ZWEI Möglichkeiten: Entweder, Sie passen sich ein und bringen Leistung – und das beinhaltet auch, dass Sie das Reglement und die Dienstorder einhalten – ODER, Sie machen weiter mit Ihren Mätzchen. Dann aber garantiere ich Ihnen, Sie werden nicht mal in die NÄHE eines Fliegers kommen. Ich fliege lieber mit weniger Leuten, als mit einem Kindergarten!
Haben Sie mich verstanden? HABEN SIE MICH JETZT VERSTANDEN?!“
Lieutenant Hands schien von diesem Ausbruch sichtlich eingeschüchtert – aber das wäre sogar Goliath so gegangen. Hands mochte disziplinarische Probleme haben, aber er war kein Idiot. Er sah offenbar, dass Monty es ernst meinte. Verdammt ernst.
Also salutierte er, diesmal zackiger, und würgte ein „Ja, Sir.“ hervor. Ein paar Sekunden hielt Monty seinen Blick noch fest, dann nickte der XO langsam: „Gut. Sie können jetzt gehen. In ihrem Quartier finden Sie ihren Dienstplan. In anderthalb Stunden habe ich ein Staffelmanöver angesetzt. Bis dahin.“ Mit zusammengebissenen Zähnen ging Renegade ab und ließ Monty, Ohka und Goliath zurück.
Der XO setzte sich wieder, als sei nichts geschehen. Seine Stimme war jetzt wieder kühl und sorgfältig akzentuiert: „Sie haben eine Frage, Lieutenant Nakakura?“
„Haben Sie es darauf angelegt, Sir?“
„Gewissermaßen. Ja, ich wollte sehen, wie er reagiert, wenn ich ihn unter Druck setze. Aber Sie haben es ja gesehen, es war kaum Druck nötig, damit er die Beherrschung verliert. Ein normaler Pilot hätte unter diesen Umständen wohl kaum so reagiert. Jetzt weiß ich also, wo seine Schwachstellen liegen – und wo bisher Fehler gemacht wurden. Wir werden uns danach richten – auf MEINE Art. Nakakura, Sie werden ihn in der nächsten Zeit hart rannehmen. Seihen Sie streng, aber gerecht. Die Leistungen Renegades müssen besser werden – und er darf sich keine Extratouren rausnehmen. Aber wenn er Leistung bringt, dann sagen Sie ihm das auch. Verstanden?“
„Ja, Sir.“ Kano knallte die Hacken zusammen und ging. Damit blieb nur noch Goliath, auf den sich jetzt Montys Aufmerksamkeit konzentrierte: „Haben SIE ein Problem mit dem Neuen?“
„Nein, Sir!“ Goliath verfiel unwillkürlich in den Tonfall des Marinekorps. Aber seine Antwort war Monty offenbar zu glatt: „Für Sie gilt das selbe wie für Nakakura. Ich glaube ja nicht, dass sich Hands gerade bei mir beschweren wird. Aber wenn ich den Eindruck bekomme, dass Sie ihm etwas durchgehen lassen – oder aber ihn schikanieren – dann haben Sie Ärger. Sie sind ein Veteran, deshalb erwarte ich, dass Sie sich entsprechend benehmen. Hands kann ich diesen Ausrutscher hier durchgehen lassen – Ihnen nicht.“
„Ja, Sir.“ Auch Goliath ging. Er hatte nur zu gut verstanden.

Vor der Tür hatte Kano gewartet. Die beiden Piloten waren nicht regelrecht Freunde, aber sie respektierten sich.
„Wirst du damit klarkommen?“
Goliath lachte zynisch auf: „Gute Frage. Das mir der Alte ausgerechnet `nen Pandoraner geben muss – Verdammt!“ Pandora war eine ziemlich abgelegene Kolonialwelt nahe der Grenze zur Konföderation. Bekannt war der Planet primär für den seit Jahrzehnten tobenden Bürger- und Guerillakrieg verschiedener separatistischer Gruppen gegen die Republik. Einheimische „loyale“ Verbände, Soldaten der Armee und des Marinekorps kämpften in den Bergen, den Städten und den giftigen Dschungeln Pandoras unter hohen Verlusten und mit oft fragwürdigen Methoden. Auch die Fremdenlegion war auf Pandora im Einsatz und im Begriff, ein weiteres blutiges, schmutziges und zugleich glorreiches Blatt ihrer Einsatzchronik hinzuzufügen.
Goliath hatte während seiner Zeit bei den Schlachtfliegern des Marinekorps zwei Jahre auf Pandora gedient. Einmal war sein Vulture abgeschossen worden. Verwundet hatte sich Goliath zu den eigenen Linien durchgeschlagen und wurde, dem Tode nah, krank und voller Parasiten, von einer Legionärspatrouille gefunden.
„Aber immerhin, er ist doch Loyalist. Sonst hätten Sie ihn niemals auf die Akademie gelassen.“
Goliath lachte wieder zynisch: „Kennst du den? Wie viele Loyalisten-Offiziere braucht man für eine typische Pandora-Operation?
Einen, der die Unterstützungstruppen bewilligt.
Einen, der im Fernsehen als Statist fungiert.
Und zwei, die den Plan an die Guerilla verkaufen...“
„Egal. Du hast Monty gehört. Also machen wir es so.“
Goliath schnaubte abfällig: „Na, der passt ja gut zu Crazy. Wir kriegen wirklich die Creme de la Creme als Flügelmänner.“
„Crazy hat nur eine miese Ausdrucksweise. Ansonsten ist er in Ordnung. Manchmal glaube ich, er hat die Hälfte seines Ärgers nur wegen seines Callsign. Renegade hingegen hat ein richtiges psychologisches Problem. Aber das Jammern hilft auch nicht.“
„Na ja. Mal sehen – wir sehen uns dann bei der Übung.“
Kano grinste kurz: „Natürlich – oder dachtest du, ich mache blau?“
Als er in Richtung seines Quartiers ging, arbeitete es hinter seiner ausdruckslosen Miene. Die nächste Zeit würde schwierig werden – jeder Fehler Renegades würde letztlich auf ihn zurückfallen. Aber vermutlich musste er da durch, wenn er sich irgendwann für den Posten des XO qualifizieren wollte. Am Besten, er richtete sich schon mal darauf ein, mit der Hälfte des normalen Schlafpensums auszukommen. Er würde genug zu tun haben...



„Und so was ist an Bord MEINES Schiffes?“ Lieutenant Commander Ross starrte Lieutenant Gandhi entgeistert an und klopfte wütend mit seiner Faust auf den Computerausdruck.
Gandhi zuckte mit den Schultern. Er wusste, Ross war auf Pandora im Einsatz gewesen und sein NIC-Kommando hatte den Spitznamen „Dirty Tricks“ nicht dafür bekommen, dass die Mitglieder beim Poker betrogen. Gandhi war genauso wenig begeistert wie sein Vorgesetzter, auch wenn er sich bemühte, sich das nicht anmerken zu lassen: „Er wurde durchleuchtet, mehrfach. Es liegt nichts gegen ihn vor. Seine Disziplinlosigkeiten reichten nicht aus, ihn rauszuschmeißen. Erstens brauchen wir Piloten und Zweitens spielt da wohl auch die Politik mit rein. Sie wissen schon, irgendein Idiot wollte wohl nicht, dass es heißt, jeder Pandoraner stehe unter Generalverdacht.“
„Für mich steht JEDER unter Generalverdacht.“ Das war nur halb als Scherz gemeint.
„Soll ich die Überwachung einleiten?“
„Ach verdammt. Das ist ja noch schlimmer als mit Davis. Oder mit diesem Cartmell. Ling hatte es noch gut. Warum bekommen wir bloß immer solche kranken Typen? Durchleuchtung hin oder her, das stinkt gewaltig. Natürlich leiten Sie die Überwachung ein. Ich will nicht noch ein ‚Phantom‘ an Bord – das hat uns damals ein paar gute Leute und viel Geld gekostet. Und diese Separatisten sind mindestens ebenso fanatisch, wie die Spinner, die uns damals Schwierigkeiten machten. Ich werde kein Risiko eingehen. Also Überwachung Stufe II. Das heißt...“
„Wir verwanzen sein Quartier und seinen Jäger. Seine Bewegungen werden routinemäßig vom Sicherheitssystem aufgezeichnet. Natürlich Kontrolle seiner Post.“
„Aber er darf nichts mitbekommen.“
„Natürlich, Sir.“ Gandhi salutierte, und ging. Sein Vorgesetzter war also mal wieder auf Blut aus. Wenn bei diesem ‚Renegade‘ irgendetwas faul war – sie würden es herausbekommen. Und dann würde es Ross vermutlich ein persönliches Vergnügen sein, den Typen auseinander zu nehmen und vor ein Erschießungspeloton zu zerren.
18.12.2015 09:20 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cunningham

Berlin Terra
6. März 2637


"Guten Morgen", Patricia Birmingham betrat gut gelaunt den Blauen Saal, welcher ihr als Besprechungsraum für die Lage des Krieges diente. "Wie ich seit Tagen aus der Presse höre, hat sich die zweite Flotte wieder einmal mit Bravour geschlagen. Ich denke, jetzt werden diese Sturköpfe im Draned Sektor wohl endlich Vernunft annehmen und die größeren Parteien dürften wohl auch für einen Separatfrieden zu haben sein."
Der Draned Sektor war der Teil des Akarii-Imperiums, der durch den Vorstoß der Menschen vom Rest des Reiches abgeschnitten war. Ein halbes Dutzend unterjochter Völker probte, angeheizt und unterstützt durch die Terraner, den Aufstand.
Teilweise bekämpften sich die Akarii gegenseitig. Gegen die Erdflotte gab es seit über einem Jahr keine Operationen mehr. Dennoch konnte man diesen Teil der Grenze nicht sich selbst überlassen und musste mit ausreichend Schiffsraum vor Ort präsent sein.
Die Bedrohung durch den Draned Sektor war sehr real, zumal dort noch zwei Flottenträger der Akarii, mit einer adäquaten Begleitflotte, stationiert waren, auch wenn diese vom Hauptnachschub abgeschnitten waren und seit gut zwei Jahren keine Kämpfe mehr gegen die Menschen gesehen hatten.
"Madam", begann Clarissa Steward, "gerade in dem Sektor stehen wir vor einem Problem."
Birmingham verzog den Mund, als habe sie in etwas Saures gebissen.
"Bei der Sichtung des Materials aus Beta Borialis hat sich herausgestellt, dass Jor mit seinem Flaggschiff durch einen Sprungpunkt in Richtung Kabahl im Draned Sektor gesprungen ist." Steward ließ die GunCam-Aufzeichnungen ablaufen.
"Die Korax ma Rah wurde bei den Gefechten zwar beschädigt, wir müssen jedoch von ihrer Einsatzfähigkeit ausgehen."
"Und ferner glauben Sie, dass Jor dort einen stabilisierenden Einfluss haben wird und es möglicherweise schafft eine zweite Front aufzubauen und unsere Truppen in die Zange zu nehmen?" Die Präsidentin der Bundesrepublik tippte sich gedankenverloren mit dem linken Zeigefinger gegen das Kinn.
"Richtig, darin besteht die große Gefahr", bestätigte Nathan Frost, Chief of Naval Operations der Terran Space Navy, "doch gleichzeitig bietet uns dieser Umstand eine große Chance."
Kenneth DeMarko, Bundesminister für Verteidigung, sah den Oberkommandierenden der Raumstreitkräfte an und hob fragend die Augenbraue.
"Wie im Bericht von Captain Grisham vom TIS zu lesen war, wird Jor von unseren Experten als Kopf des letzten Widerstandes gegen uns benannt. Ohne Jor als charismatischen und entschlossenen Anführer wäre laut den Geheimdienstberechnungen schon vor acht Monaten der gesamte Akarii-Widerstand zusammengebrochen. Wenn wir ihn jetzt nach dieser Schlappe der Akarii ausschalten können, dürfte sich der absolute Zusammenbruch abzeichnen."
"Das ist Ihre Meinung?" Wollte DeMarko wissen. Auch wenn er Frost für den Posten des CNO vorgeschlagen hatte, gab es zuviel, was zwischen dem Admiral und der amtierenden Regierung stand, als dass man sich persönlich leiden mochte.
"Das ist die Meinung der Experten.", warf Admiral Steward ein, die Frosts Stellvertreterin war. Sein von der Regierung eingesetzter Kettenhund.
Die Zusammenarbeit von Steward und Frost lief tadellos. Die Navy war doch ein einziger Moloch voller Geschwisterliebe. Nur Admiral a.D. Kenneth DeMarko erfasste diese Liebe nicht.
"Wie wollen Sie vorgehen?" Birmingham blickte immer noch angestrengt auf die Sternenkarte.
"Nun, im Grundsatz ganz einfach: Wir werden Renault befehlen eine seiner Trägergruppen auf die Jagd nach der Korax ma Rah zu schicken. Der Träger ist zu vernichten. Prinz Jor zu töten oder gefangen zu nehmen. Es wäre von elementarer Bedeutung, den Tod des Prinzen zu bestätigen, sollte er nicht gefangen genommen werden können."
Birmingham blickte auf und nickte. "In der Tat, Sie haben Recht, dass Jors Verschwinden aus der Befehlskette für uns nur förderlich sein kann. Wobei, ist es möglich seinen Tod zu garantieren?"
"Das hängt ganz von den Umständen ab, unter denen Jors Verband gestellt wird." Frost scrollte durch sein Datapad. "Eine Akarii-Rettungskapsel hält für etwa zwölf Tage Sauerstoff und Vorräte für etwa zehn Akarii. Sprich, wenn Jor alleine eine Kapsel für sich hat, haben wir in etwa für hundertzwanzig Tage Nahrung und Sauerstoff.
Ergo müssen wir nach der Vernichtung seins Verbandes entweder a) alle Rettungskapseln auflesen oder b) alle Rettungskapsel vernichten, sofern Jor nicht im Jäger fällt, beziehungsweise einzeln aufgefischt wird."
"Ich muss Sie nicht extra auf die Genfer Konvention hinweisen oder?" DeMarko verschränkte die Hände auf dem Rücken.
"Nein Mr. Verteidigungsminister, mir ist die Genfer Konvention durchaus bekannt. Aber Sie als ehemaliger Flottenoffizier sollten auch hier ganz klar die Erfordernisse der Mission sehen."
Schweigen breitete sich aus.


Palast der Einigkeit,
Die ewige Stadt von Pan'chra, Akar

Hahdas Gren betrachtet sich in dem vier Meter Hohen Spiegel und zupft an seiner blauen Ausgehuniform herum. Sie scheint nie richtig zu sitzen, dennoch ist sie allem unnützen Pomp zum Trotz mehr als bequem.
Gren ist für einen männlichen Akarii außergewöhnlich klein und von zarter Statur. Auch wenn er den Kamm stolz aufstellt macht er keine besondere Figur.
Dazu kommt eine innere Energie, die ihn zappelig macht und nervös aussehen lässt.
Er blickt sich unsicher um. Er kennt den Palast von Kindesbeinen an, in der Zeit wo er mit Jor durch die Gärten tobte und die Schlachten von Kellen dem Großen nachgespielt hat.
Auch weiß er, dass er trotz all seinem Können, seinem Wissen und seiner militärischen Fähigkeiten seinen Rang ganz allein seinem gesellschaftlichen Stand und seiner Freundschaft zu Jor verdankt.
Und jetzt würde er seinen Freund verraten, während dieser in der Galaxis verschollen war, doch es ging nicht anders, doch was sollte er dem Imperator sagen, wie sollte er es dem alten Mann klar machen ... er war am Ende seiner Weisheiten.
"Admiral Gren?" Die heisere Altstimme riss ihn aus seinen verzweifelten Gedanken. Seinem Rang unwürdig wirbelte er hastig herum.
Der zweite Mann im Staate stand vor ihm, der Lordkanzler Relath Gor, auf einen Stock gestützt. Alt, dieses Gemäuer ist von Alter durchsetzt.
"Mylord Kanzler." Hahdas verbeugte sich.
"Bitte, bitte Admiral, kommen Sie, seine Majestät erwartet Sie bereits."
Gor führt ihn durch einen langen Korridor. Der alte Kanzler gab die Geschwindigkeit vor. So trotteten sie die Ahnengalerie der akariischen Imperatoren und Kaiser entlang. Schweigend. Das Auftippen von Gors Stock als einzig auffälliges Geräusch.
Bis schließlich doch der Kanzler das Wort ergriff: "Wie wollen Sie Axion verteidigen Admiral? Und hat es in Prinz Jors Richtung schon neue Nachricht gegeben?"
"Das, Mylord, möchte ich doch lieber seiner Majestät vortragen."
Der Kanzler blieb stehen und funkelte Hahdas wütend an, versuchte ihn niederzustarren.
Doch zu viele Jahre in der Gegenwart erlauchter Herren ließen Hahdas gegen derartige Blicke immun werden.
Schließlich gingen sie weiter. Der Korridor führte sie in einen prächtigen Innenhof, mit ausgiebiger Grünbepflanzung und gepflasterten Wegen.
An einem überdachten Teich, mit einer Sitzecke aus Marmorbänken saß Eliak IX., stark gebeugt von Krankheit und der Last des Krieges.
Seine Tochter kniete neben ihm im Gras und sprach leise zu dem alten Mann.
Selbst hier draußen roch es nach Alter und Verfall.
Hahdas rief sich zur Ordnung, der alte Mann konnte nichts für sein Alter, das Alter war der Lauf der Dinge.
"Eure Majestät, Admiral Hahdas Gren!" Meldete ihn der Kanzler.
Hahdas machte einen angemessenen Kniefall vor dem Imperator: "Mein Gebieter."
Eliak Telam hustete: "Lass den Unsinn Hahdas, erheb Dich, als kleiner Junge hast Du schon hier zu meinen Füßen gespielt."
"Ja, Sire, lange ist es her." Hahdas nahm auf einer der anderen Bänke Platz und sah den Imperator genau an.
Dieser musste lange Atem holen, ehe er zu sprechen anfing: "Bitte Hahdas, berichte mir ..." Und schon war der Atem wieder erschöpft.
"Nun, Sire, es tut mir aufrichtig leid, doch ... Euer Sohn ist noch immer auf der anderen Seite des Reiches, von den Truppen abgeschnitten, wir haben ja nicht mal Kontakt zur Korax ma Rah, wir wissen gar nichts."
"In Eurem Schreiben habt Ihr sehr ... ungewöhnlich ... um die Verlegung der Homefleet ... hm ... gebeten, Admiral." Die Prinzessin übernahm das Sprechen für ihren Vater.
"Majestät, Sire, Ihr müsst etwas unternehmen ..."
Der Imperator antwortete, bevor seine Tochter es konnte: "Was ... was kann ... ein alter Mann wie ich schon tun?"
"Ihr müsst einen neuen Flottenkommandanten ernennen!" Konterte Hahdas
"Admiral, während Jors Abwesenheit befehligt Ihr doch die Flotte.", es war Relath Gor, der sprach, sein Gesicht war gleichgültig oder neutral, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache.
"Bei allem nötigen Respekt Euch gegenüber Exzellenz und dem Großadmiral, weder Großadmiral Thelam noch ich sind in der Lage, die drohende Niederlage abzuwenden, geschweige denn den Menschen angemessen Paroli zu bieten."
Entsetztes Schweigen herrschte und Eliak Thelam kämpfte sich auf die Beine. Langsam, schwer auf seinen Krückstock gestützt, humpelte er zu Hahdas hinüber und griff ihn mit seiner Krallenhand fest an den rechten Oberarm.
"Du ... Du denkst tatsächlich ... dass dieser ... dass dieser Krieg verloren ist?"
"Nicht endgültig und nicht vollständig, doch weder Jor noch ich sind in der Lage, die Truppen zu inspirieren, in zu viele Niederlagen haben wir sie geführt, es ist kein Vertrauen mehr da. Wir brauchen einen neuen und zugleich alten Geist! Wir brauchen jemanden, der fähig ist, den Truppen den Siegeswillen wiederzugeben, jemanden, dessen Name immer noch in Ehrfurcht ausgesprochen wird. Ein Name, der Kraft, Mut und Tatendrang verheißt."
"Ja ... ja, Du hast recht, Nahil Koo muss wieder seinen ... seinen Posten übernehmen ... er, er wird verehrt ..."
"Vater", die Stimme der Prinzessin zitterte, "Dein alter Freund, er starb vor über einem Jahr."
Eliak IX starrte seine Tochter erschrocken an, dann seinen Kanzler, dieser nickte.
"Wus ... wusstest Du das ... Hahdas?"
"Ja, mein Gebieter." Hahdas hätte auf der Stelle losweinen können, den Herrscher der Akarii, der seit über 100 Zyklen die Geschicke des prächtigen Sternenreiches lenkte, so zerbrechlich, so alt, so hilflos zu sehen.
"Von wem ... wem hast ... Du eben ... eben gesprochen?"
Hahdas blickte kurz zum Kanzler. Relath Gors dunkle Augen bohrten sich in seinen Körper, beinahe vernichtender als jede Lasersalve.
"Lay Rian, Admiral Lay Rian, vor über zwei Jahren aus dem Dienst entlassen, als Reaktion auf das Debakel bei Corsfield. Sire, was immer Ihr auch von dieser Frau hört, die Männer und Frauen der Flotte beten sie an, den Boden unter ihren Füßen beten sie an."
Der Imperator humpelte zu seinem Sitzplatz zurück und ließ sich schwer darauf niederfallen. Seine Tochter reichte ihm gleich etwas zu trinken. Ihr Gesicht war von Sorge verzerrt.
"Ich ... ich bin ... müde." Entschied Eliak.
Gor und Hahdas verbeugten sind und wandten sich zum gehen. Hahdas ließ verzweifelt die Schultern hängen, würde er also die Menschenlinge in Axion erwarten und wenn nicht ein Wunder ...
"Aber ... ruft mir ... mir diese ... Frau her!" Kurz darauf war der Imperator eingeschlafen.
18.12.2015 09:22 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


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Cattaneo

Die Stimme Liljas war, wie fast immer, ohne Freundlichkeit – vielmehr lag ein schneidender Unterton in ihren Worten. Auch wenn sie nicht von Angesicht zu Angesicht mit den Adressaten der Standpauke redete, die Schärfe blieb ungemindert: „Das war keine sehr beeindruckende Leistung, Lieutenants. Spitfire, ich habe Ihnen oft genug gesagt, Sie dürfen im Gefecht nicht die Übersicht verlieren. Nur der Hase achtet allein auf den Fuchs auf seiner Fährte und wird dann zur Beute des Habichts. Sind Sie ein Hase?“
Über Funk kam eine ganze Weile nur Schweigen, dann ein: „Nein, Ma’am.“
Aber natürlich ließ ihn Lilja nicht so leicht davonkommen: „Schön, dann denken Sie auch nicht wie ein Hase! Sie haben sich von mir so festnageln lassen, dass Dragon Sie ohne Probleme abknallen konnte! Wenn meine Akarii-Gegner so fliegen würden wie Sie, dann hätte ich mindestens das Flying Cross in Silber. Ich hätte doppelt so viele Echsen erledigt und wäre nur halb so oft abgeschossen worden!“
Die Russin brauchte nicht viel Phantasie oder Einfühlungsvermögen, um sich vorzustellen, wie es in dem Piloten aussah. Er war zwar wieder zum Flightführer aufgerückt, seitdem Entsatz auf der Columbia eingetroffen war, aber die Russin schleifte ihn erbarmungslos. Dabei scheute sie auch nicht davor zurück, den Umstand zu erwähnen, dass seine bisherige Flügelfrau schwer verwundet worden war...
Sie erwartete gar keine Antwort – auf solche Standpauken schwieg man beim Militär traditionell.
Erst jetzt mäßigte sie ihre Stimme etwas: „Es ist bis zu einem gewissen Grad verständlich, dass man unter Beschuss auf den Verfolger konzentriert ist. Aber auch die Akarii beherrschen das Spiel Treiber-Schütze. Es kann leicht passieren, dass ein Feind Sie unter Druck setzt, damit Ihnen sein Partner den Fangschuss geben kann. Sie müssen lernen, Ihre Aufmerksamkeit weniger stark zu fokussieren. Denken Sie daran, es ist Blödsinn, was einige behaupten, dass man ganz im Kampf aufgehen muss. Jeder Pilot hat seinen eigenen Stil. Sie sind ganz gut, wenn Sie mit Überlegung kämpfen. Aber das ist kein Tennisturnier, bei dem Sie nur EINEN Gegner haben. Wenn Sie das lernen, sind Sie schneller ein Aß als Sie vielleicht meinen.“
Da Lilja aber nun einmal Lilja war, konnte sie es sich nach diesem aufmunternden Appell nicht versagen, noch hinzuzufügen: „Wenn nicht, dann wird es Ihr Ende sein.“

Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Flügelmann von Spitfire zu, der sich wohl schon gefragt hatte, wann er an die Reihe kommen würde: „Was Sie angeht, so muss ich sagen, Ihr Einsatzgeist lässt zu wünschen übrig. In unserer Staffel brauchen wir bestimmt keine Selbstmordkandidaten, aber Luftkampf wird nicht durch Zaudern gewonnen. Dass Dragon ihren Flightleader so problemlos abschießen konnte, lag nicht nur daran, dass Spitfire zuwenig aufgepasst hat. Sie haben ihm überhaupt erst den Atem dazu gegeben. Ich hoffe doch, Ihnen ist klar was Ihre Aufgabe ist? Ihrem Vorgesetzten den Rücken freihalten, besonders wenn er gejagt wird. Sie müssen dazu den Verfolger nicht gerade rammen – aber wenn man sich wie Sie so weit verjagen lässt, dass man dann nicht mehr zu Hilfe kommen kann...“
„Ja Ma’am. Zu Befehl Ma’am.“ Kam die zerknirschte Entgegnung. Hellcat empfand wohl weniger Wut als – vermutlich – Spitfire. Er war neu in der Staffel und darauf angewiesen sich zu beweisen. Und mit seinen sechs Abschüssen war er eigentlich erfahrener als sein Vorgesetzter – es hätte ihm einfach nicht passieren dürfen. Vermutlich fragte er sich, was eigentlich in ihn gefahren war.
„Einsicht ist gut – aber wertlos wenn Sie nicht danach handeln. Denken Sie immer daran – es ist ein Verbrechen, sich sinnlos zu opfern. Es ist unverzeihlich, jemandem nicht zu helfen, den man hätte retten können. Das ist schwer abzuschätzen, ich weiß. Aber schlussendlich entscheidet das über Leben und Tod – Ihres und das Ihrer Kameraden. Vorsicht kann nie schaden, aber wer sich davon lähmen lässt, ist schlimmer als ein Feigling – denn den regiert die blinde Angst, nicht egoistische Überlegung.“ Sie milderte den Hieb etwas ab – auch das hatte sie erst lernen müssen, um eine akzeptable Offizierin zu sein: „Dragon hat Ihnen hart zugesetzt. Aber Sie müssen an Ihrem Vorgesetzten dranbleiben – ohne Sie kann er zu leicht in die Zange genommen werden. Wenn Sie selber Flightleader werden wollen, müssen Sie erst der perfekte Flügelmann werden.“

Glücklicherweise war es nur ein Spiel, allerdings kein faires. Lilja hatte eine Vorfeldpatrouille zu einem kleinen Manöver umfunktioniert. Die beiden Flights jagten sich abwechselnd gegenseitig und schossen mit computersimulierten Waffen aufeinander. Die Russin behielt natürlich ständig die Anzeigen der „Sensorenbombe“, wie der Zusatzbehälter voller „Augen“ und „Ohren“ genannt wurde, im Blick. Sie war der Meinung, dass es einfach nicht genug Zeit zum üben gab – also nutzte sie jede Möglichkeit.
Nicht fair gespielt hatte sie in so weit, dass sie die Schwachpunkte ihrer Kameraden sehr genau kannte. Spitfire verlor sich leicht im Kampf, und Hellcat war nicht ganz der Draufgänger, als den man den üblichen Piloten betrachtete. Wer wie sie Bescheid wusste, fand leicht einen Punkt, an dem er ansetzen konnte. So hatte sie zusammen mit Dragon – der eigentlich kein besserer Pilot als die anderen beiden Männer war, aber ihre Art zu fliegen inzwischen kannte – das andere Paar aufgesplittert, Spitfire so lange gehetzt bis er nur noch an sie dachte, und Dragon den anderen Jäger verjagen lassen. Es hatte funktioniert.
Lilja verzog leicht frustriert das Gesicht. Die Gewissheit Recht zu haben befriedigte nur wenig. Wenn in einem echten Kampf dergleichen passierte, konnte es leicht fatale Folgen haben.
Das Pilotenmaterial war ja nicht eigentlich schlecht. Aber „eigentlich ganz gut“ war eben oft nicht ausreichend. Die Lazarette und Friedhöfe – im günstigsten Fall – waren voller „eigentlich ganz guter“ Männer und Frauen.

Seitdem der Entsatz eingetroffen war, hatte sich die Russin daran gemacht die Neuen „einzuarbeiten“. Sie hatte kurzerhand verordnet, dass sie nicht nur Dienst und Übungen mit ihren Flightkameraden zu verbringen hatten – auch beim Essen sollten sie sich Gesellschaft leisten und sich ihre Hobbys vorstellen, also auch zumindest einen Teil der Freizeit miteinander verbringen. Auf jeden Fall die körperlichen Übungen in den Sporthalle des Trägers.
Das alles diente keineswegs dem Zweck, aus den Neulingen und ihrer Kameraden eine harmonische Gemeinschaft zu machen. Aber sie sollten – und zwar möglichst schnell – ein „Gefühl“ füreinander entwickeln. Sie mussten lernen, so die Worte der Jagdfliegerprophetin Lilja, wie der andere dachte. Das Bewusstsein bestimmte das Sein, und in diesem Fall das Verhalten im Kampf. Erst wenn sie halbwegs verlässlich vorausahnen konnten, wie ihr Vorgesetzter oder Untergebener sich verhalten würde, hatten sie eine gute Chance, den nächsten Kampfeinsatz zu überstehen.
Lilja wusste, sie konnte sich längere Ausführungen eigentlich sparen. So ziemlich jeder der Piloten hatte Kameraden verloren oder war selber schon abgeschossen worden. Aber zwischen wissen und tun war oft ein Unterschied, und Lilja war gerade dabei, das zu korrigieren.
Sie lächelte knapp, während sie ihre Falcon beschleunigte: „Nun zeigt uns mal, ob ihr lernen könnt. Jetzt seid ihr die Jäger.“

Zwei Stunden später setzten die vier Kampfflieger wieder auf dem Flugdeck der Columbia auf. Wie zu erwarten gewesen, hatte sich während der Patrouille nichts wirklich Wichtiges ereignet. Die Akarii schienen wirklich im Augenblick genug zu haben. Außerdem war es unwahrscheinlich, dass sie auf die Schnelle genug Schiffe zusammenziehen konnten, um gegen die „Große Flotte“ einen Angriff zu starten. Weitaus wahrscheinlicher verminten sie die Wurmlöcher in den nächsten Systemen und bereiteten sich auf den unausweichlichen Fortgang der menschlichen Offensive vor.
Die Laune Liljas hatte sich nur unwesentlich gebessert. Spitfire und Hellcat hatten sich zwar besser geschlagen, aber besser war eben noch nicht gut genug. Hier konnten sie aus Fehlern klug werden – im nächsten echten Raumkampf mochte das ganz anders ausgehen. Aber immerhin, die Zusatzausbildung schien doch etwas zu bringen. Sie konnte nur hoffen, dass es reichte...
Die Russin musterte ihre Untergebenen, dann meinte sie nur knapp: „Erst mal Freizeit. In sechs Stunden möchte ich euch bei den Simulatoren sehen. Seht zu, dass ihr einen Happen esst und eine Mütze Schlaf kriegt. Ab mit euch.“ Eigentlich war man ja dazu übergegangen den Piloten mehr und mehr Freiräume zu gewähren, aber findige Kommandeure konnten die Freizeit durchaus einschränken, wenn sie es für nötig hielten. Und so hatten Piloten, mit deren Leistungen Lilja nicht zufrieden war, wenig ungenutzte Zeit.

Lilja brauchte nicht lange, um sich einen Überblick über das Treiben auf dem Flugdeck des Trägers zu machen. Augenblicklich war nicht viel los – also stand entweder nichts an, oder es war kürzlich wieder ein Verband zu einem dieser Sicherungseinsätze gestartet. Nun, von solchen Aufgaben Marke „Händchen halten“ blieben die Falcon glücklicherweise zumeist verschont. Die agilen Abfangjäger wurden eher als Verteidigungsbereitschaft und für Patrouillemissionen eingeteilt. Lilja war es Recht. Auf diesen Masseneinsätzen ereignete sich sowieso nichts, und man konnte nicht mal eine halbe Stunde für Übungen stehlen. Bestenfalls konnte man Zielschießen auf Wrackteile veranstalten, was zwar recht befriedigend war, aber keine Herausforderung.
Allerdings, da hinten wurden vier Falcons ihrer Staffel bereit gemacht. Natürlich – Imp war zusammen mit drei anderen Piloten ebenfalls für eine Patrouille eingeteilt worden. Lilja schlenderte über das Flugdeck. Eigentlich sollte sie ja besser tun, was sie ihren Untergebenen geraten hatte, aber sie hatte auch so nicht oft Gelegenheit, ihre Freundin zu sehen.
Die Deutsche war offenbar damit beschäftigt, Fidai, Vasco und Katana zu briefen. Auch sie würde – darüber hatte sich Lilja mit ihr verständigt – die Patrouille für ein paar Übungsdurchgänge nutzen. Allerdings war bei ihr die Situation etwas anders. Katana war wirklich kein Neuling mehr, Imps Flügelmann Vasco hingegen schon eher. Lilja hatte mit dem Gedanken gespielt Katanas und Imps Untergebene gegeneinander auszutauschen, doch wenn sie etwas hasste, dann den Launen eines Untergebenen nachzugeben. Nein, Vasco würde sich daran gewöhnen müssen, der Deutschen zu gehorchen. Sie fing den Blick des jungen Piloten und starrte ihn so lange an, bis er den Kopf senkte. Natürlich – Lilja hatte ihm erst vor kurzem einen Teil seiner Arreststrafe erlassen. Nun, hoffentlich brachte es was.
Sie wartete bis Imp mit der Einsatzbesprechung fertig war, dann setzte sie sich neben ihre Kameradin. Sie vermisste es ehrlich, nicht mehr so wie früher mit ihr im gemeinsamen Quartier plaudern zu können...
18.12.2015 09:22 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Tyr

"Und, wie macht sich euer Renegat?"
Kano hätte beinahe die Augen verdreht: "Frag lieber nicht. Wenn ihr damals den gleichen Ärger mit Cartmell hattet... Von den Leistungen her könnte er besser sein - aber er verkrampft sich einfach viel zu schnell. Und er hat echte Probleme mit Befehlen. Ein Wunder, dass sie ihn überhaupt auf der ‚Deutschland' geduldet haben."
"Tja, nicht jeder hat unsere hohen Standards...", Kalis Stimme troff vor Sarkasmus, "...außerdem, wie wir andauernd zu hören bekommen, wir haben Krieg - und das schon das fünfte Jahr. Gute Piloten sind selten. Also müssen es auch die nicht so guten tun." "Jedenfalls habe ich ihn jetzt am Hals. Den Mann nach Montys Vorstellungen zu bearbeiten, ist ein Vollzeitjob."
"Hm... Ich hab' immer gedacht, wenn ich mal auf jemanden eifersüchtig sein soll, dann auf ein junges, japanisches Piloten-Häschen. Dass es ein verkappter Separatist mit Autoritätsproblemen sein wird, der deinen Herz und Verstand so ablenkt..."
"Du wirst aber auch immer komischer." Kano grinste bei seinen Worten schwach, dann richtete er sich aber instinktiv auf, als Montys scharf akzentuierte Stimme durch den Raum schallte: "Wenn ich um ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte, Ladys und Gentleman?!" Die drei Dutzend Piloten richteten ihre Blicke auf den schmächtigen Lieutenant Commander, der vor sie getreten war.
"Die Parameter des Einsatzes sind klar, aber nicht unkompliziert. Vier Sektionen Nighthawk - zwei der Staffel Rot unter Lieutenant Davis und Lieutenant Mitra und zwei Sektionen der Schwarzen Staffel unter meinem Kommando und unter Lieutenant Nakakura - bilden die Jägereskorte. Die Bewaffnung ist auf massive Zerstörungskraft ausgelegt: Phoenix, Hydras und Sidewinder.
Je eine Sektion Thunderbolt und Crusader bilden die Angriffsformation, ausgerüstet mit Atomraketen, HARM's und Hydras. Natürlich werden wir nur aktiv werden, wenn es Probleme gibt. Ziel unseres Einsatzes ist es primär, jede Gewaltanwendung seitens der Akarii schon durch unsere Präsenz zu unterbinden - und wenn es dennoch zu Auseinandersetzungen kommt mit aller gebotenen Härte und Rücksichtslosigkeit zuzuschlagen. Deshalb hat die Einsatzgruppe auch diese Größe - aber schließlich sichern wir auch zwei getrennt operierende Spürtrupps der Marines und des NIC in einer Stärke von jeweils mehr als zwei Platoons. Die Flottenführung will die Aufräum- und Sicherungsaktionen so bald wie möglich beendet haben. Aber das bedeutet nicht, dass die Sorgfalt unserer Arbeit darunter leiden darf. Ich erwarte wie immer äußerste Wachsamkeit und Pflichterfüllung. Das ist alles - Weggetreten!" Die Piloten erhoben sich und verließen den Besprechungsraum. Trotz Montys Worten waren solche Einsätze inzwischen für die meisten nur noch Routine.
"Was meinst du, warum unser alter Eisenfresser immer dieselbe Rede hält? Und warum die da oben unbedingt schnell fertig werden wollen?" Kali hatte sich locker Kanos Tempo angepasst. Der japanische Pilot zuckte kurz mit den Schultern: "Ich glaube, ihm passen solche Einsätze nicht besonders. Er mag es nicht, Schutzengel für die Marines zu spielen, vor allem da wir nicht viel tun können, wenn es INNERHALB der Station Ärger gibt. Und ich glaube, das Flottenkommando macht aus dem gleichen Grund Druck, aus dem sie unbedingt Ersatzteile, Reservemaschinen und Jägertreibstoff anfordern. Sie haben etwas vor..."
"Na ja, ich kann es kaum erwarten." Damit waren sie im Hangar, die Piloten zerstreuten sich und steuerten ihre Maschinen an. Kano schaute noch einmal zu Kali, lächelte: "Bis nachher, Helen." Sie grinste, boxte ihm spielerisch gegen den Oberarm und rannte zu ihrem Jäger.
Ein paar Sekunden später kletterte er die Leiter seiner Nighthawk hinauf. Crazy, dessen Jäger neben Kanos Maschine stand und die kurze Szene zischen ihm und Kali mitbekommen hatte, konnte sich nicht verkneifen, seinen Senf dazuzugeben: "Na, das Glück noch frisch?"
"Kümmere dich um deinen eigenen Dreck." Sehr viel mehr bekam Crazy nie zu hören, solange er gewisse Grenzen beachtete. Wenn er aber die überschritt, dann war mit dem Japaner wirklich nicht gut Kirschen zu essen. Crazy hatte das relativ schnell gemerkt und die beiden Piloten hatten einen halbwegs stabilen Modus Vivendi gefunden.
Fast automatisch ließ Kano die Startprozedur ablaufen - ein paar Sekunden später wurde der Jäger in das All geschleudert. Vierundzwanzig Maschinen der TSN, mit genug Feuerkraft, um einen Kreuzer zu vernichten, beschleunigten in Richtung der Akarii-Raumstationen, die zwar kapituliert hatten, aber immer noch voller Akarii waren und noch längst nicht vollständig durchsucht oder gesichert waren.

Doch als es Ärger gab, begann er nicht an Bord der Stationen.
Inzwischen waren fast anderthalb Stunden vergangen, während denen die Piloten nichts anderes zu tun hatten, als fast reglos im All zu schweben und zu der riesigen Akarii-Station zu starren, die von den Aufklärungsteams durchsucht wurde. Gleichzeit, das wussten die Flieger, gaben sie auch den laufenden Transferbewegungen Rückendeckung, mit denen die Akarii schubweise auf die POW-Transporter geschleust wurden. Das zog sich hin – einerseits wegen der schieren Menge der Gefangenen, andererseits wegen den parallel erfolgenden „Filtrierungsaktionen“, mit denen der NIC versuchte, potentiell für den Nachrichtendienst interessante Gefangene auszusieben.
Da Monty die Operation leitete, herrschte strikte Funkstille – der Lieutenant Commander hielt nichts von unnötigem Geschwätz im Gefechtsfunk. Die Piloten konnten also wenig anderes tun, als sich zu langweilen. Die Veteranen bezeichneten diese Einsätze deshalb auch als „Trockenübung für Langstreckenflüge“.
Umso überraschender war es für Kano , als plötzlich eine unbekannte Stimme durch die Stille im Cockpit schnitt: „ACHTUNG! STÖRFALL! AN ALLE EINHEITEN! STÖRFALL IN 24-30-12!
ACHTUNG! STÖRFALL!...“
Kano brauchte ein paar Sekunden, um den Funkspruch zu verstehen. 24-30-12 bedeutete, was auch immer los war, es geschah praktisch zwischen einer kompletten Zerstörerflottille der TSN, die in der Nähe einer der Akarii-Stationen ‚vor Anker‘ gegangen waren. Wer hatte den Funkspruch abgesetzt? Und was bedeutete eigentlich ‚Störfall‘? Einen Angriff? Einen Unfall?! Während seine Gedanken sich noch überschlugen, lenkte er automatisch seine Maschine in die entsprechende Richtung, griff nach dem Schubhebel – und zögerte.
Jetzt meldete sich Monty: „Lieutenant Mitra – Ihre Sektion und Sektion Bronze halten die Stellung. Die Spürteams werden sich zurückziehen, sie werden nur aktiv, wenn die Bodentruppen Feuer bekommen. Der Rest – FOLGEN!“ Dann schaltete er offenbar auf Breitbandfunk: „Hier Fliegerstreitkräfte der Columbia! Was zur Hölle ist los? Machen Sie gefälligst anständige Meldung!“
Doch es dauerte, bis er klare Informationen erhielt. Als hätte man einen Stein in ein Wespennest geschleudert, meldeten sich jetzt die verschiedenen Funkstellen und vergrößerten die Unklarheiten eher noch. Zerstörer und Fregatten nahmen Fahrt auf und machten ihre Waffen scharf, während sie nach der Ursache des Notrufs suchten.

Als die Maschinen den angewiesenen Sektor erreichten, sahen sie sich in der Gesellschaft von zwei Kreuzern, drei Korvetten und die Zerstörer Hoche, Davout, Ney und Caulaincourt. Wie ein bizarrer Scherz driftete dazu noch ein Frachter der Altair-Klasse durch das All, der gleichzeitig schwerfällig und verwundbar wirkte, in dieser Ansammlung konzentrierter Vernichtungskraft. Doch dieser Frachter war der Grund für den Flottenalarm

„WIE BITTE, Sir?!“ Montys Stimme troff förmlich vor Unglauben und Verachtung. Aber Captain Jeanpierre, Kommandant der Davout, Befehlshaber der Zerstörerflottille und momentan so etwas wie der Einsatzkoordinator, hatte offenbar Wichtigeres zu bedenken, als den unpassenden Ton eines Untergebenen: „Sie haben ganz richtig gehört! Die ‚Devil Island‘ hatte einhundert Akarii übernommen, als es an einer der Filtrierungspunkte des NIC zu Komplikationen kam. Offenbar hatten ein paar ‚interessante Gefangene‘ einige Waffen verbergen können. Der Aufstand griff binnen kürzester Zeit auf bereits verschiffte und noch zu filtrierende POW über. Die Wachtruppen wurden überwältigt – und dann haben die Akarii das Schiff geentert. Gerade noch, dass die Brücke einen halben Notruf absetzen konnte. Die haben wohl nicht mal richtig kapiert WAS ihnen passiert ist.
Vor vier Minuten haben die Akarii offenbar die Maschinen des Transporters unter ihre Kontrolle gebracht. Ach ja – nach unseren Informationen haben sie ein Dutzend NIC-Offiziere, dazu Marinesoldaten und TSN-Mitglieder in noch unbestimmter Zahl in ihrer Hand. Wir schätzen zwischen fünfzig bis einhundert.“
„Schweinerei! Können diese Idioten einen POW-Transporter nicht anständig bauen?!“
„Die ‚Devil Island‘ wurde erst vor einem halben Jahr für die TSN aktiviert. Vorher diente sie als Personentransporter für das Kolonisierungskorps.“
„Verdammt“
„Hören Sie, wenn wir die einfach weiter fliegen lassen, dann sind sie in ein paar Stunden am Sprungpunkt. Dann sehen wir sie wieder. DAS DARF NICHT PASSIEREN.“
„Natürlich darf das nicht passieren. Aber was ist, wenn wir sie nicht daran hindern können?!“ Mit diesen sarkastischen Worten überschritt Monty allerdings offenbar eine Grenze, die Stimme des Captains wurde eisig: „Lassen Sie den Quatsch. SIE werden dafür sorgen, dass das Schiff gestoppt wird. Wir stellen bereits Einsatzteams zusammen, die an Bord gehen werden. Diese verdammten Echsen haben einen tödlichen Fehler begangen!“
„Und ihre Geiseln?“
„Wenn wir zögern, dann ist das Schiff weg. Wir haben nicht die Zeit zu palavern – und die TSN lässt sich nicht unter Druck setzen. Sie müssen das Schiff stoppen, damit die Akarii nicht davonkommen. Die Akarii werden das sicherlich nicht freundlich aufnehmen, und das Risiko ist zu groß, dass sie sich dann gegen ihre Gefangenen wenden, wenn wir nicht sofort danach zuschlagen. Deshalb werden sofort, nachdem Sie den Antrieb und die Waffensysteme des Transporters lahm gelegt haben, die Enterfähren andocken – und das Schiff wird gestürmt. Noch Fragen?“ Der Captain stand hörbar unter Druck, er war schließlich auch nur das Sprachrohr der Flottenleitung. Die ganze Sache mochte Jeanpierre genauso stinken wie Monty, aber Befehl war Befehl. Das wusste natürlich auch Monty: „Wie ist die ‚Devil Island‘ bewaffnet?“
Jeanpierres Stimme klang jetzt fast gequält: „Die Schilde sind verbessert. Vier Lasergeschütztürme und zwei 6er Sparrow-Werfer, das Schiff wurde auch aufgerüstet. Allerdings haben wir die genaue Positionierung der Geschütze nicht verzeichnet. Aber wir wissen natürlich auch nicht, ob die Akarii überhaupt die Waffen übernommen haben – bisher haben sie nicht gefeuert.“
‚Weil sie nicht dumm sind. Na wunderbar...‘ dachte Monty angewidert. Die Situation war verfahren. Einerseits mussten die Waffen des Transporters unbedingt ausgeschaltet werden, damit die Enterfähren ungefährdet andocken konnten. Andererseits mussten die Schäden an der Hülle der „Devil Island“ so gering wie möglich sein, denn an Bord waren nicht nur die Akarii, sondern eben auch Menschen. Deshalb mussten die Schläge gegen die Waffensysteme, die Radargeräte und den Antrieb von geradezu chirurgischer Präzision sein. Aus diesem Grund sollten ja auch die Raumjäger den Job übernehmen – die Geschütze der Kriegsschiffe waren viel zu ungenau und durchschlagskräftig. Mit einem fatalistischen Gefühl der Ausweglosigkeit und sogar einem kurzen Anflug von Selbstekel traf Monty seine Entscheidung und schaltete auf Staffelfunk.
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Cattaneo
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Tyr

„Achtung, an Alle! Der Frachter befindet sich in der Hand revoltierender Gefangener. Sie haben Geiseln genommen – aber sie werden nicht damit durchkommen. Wir werden das Schiff lahm, blind und wehrlos schießen, damit die Marines entern können. Die Schläge müssen SCHNELL und PRÄZIS erfolgen – es gibt keinen Spielraum für Versagen. Sektion Silber – sie teilen sich, ein Flight greift zuerst mit HARM’s das Zielsuchradar des Gegners an, dann unterstützt er den anderen Flight, der sich um die Antriebsanlage kümmert. Das Schiff muss bewegungslos sein.
Davis, Nakakura – wir werden uns um die Geschütze kümmern. Wir greifen koordiniert an, die Flights unterstützen sich gegenseitig, Angriff von allen Seiten. Zerschlagen Sie die feindlichen Schilde mit Raketenbeschuss. Aber dann benutzen Sie die Bordwaffen. Ich will keine Hüllenbrüche – da sind immerhin unsere Leute drin.“ Dieser Befehl passte Monty nicht besonders, denn das würde die Jäger zwingen sehr nahe heranzugehen und sehr genau zu zielen – beides machte sie zu leichteren Zielen, auch wenn sie zahlenmäßig und von der Feuerkraft den Akarii haushoch überlegen waren. ‚Es ist, als müssten wir mit einem auf den Rücken gebundenen Arm kämpfen – und außerdem noch darauf achten, den Gegner nur zu entwaffnen...‘ Aber was jetzt kam, war noch schlimmer. Unbewusst holte Monty kurz Luft und fuhr dann mit ausdrucksloser Stimme fort: „Wir brauchen zwei Zielfinder. Sie werden ein Nahflugmanöver durchführen und wenn möglich das Feuer des Feindes auf sich ziehen. Wir brauchen genau Zielangaben. Aber dies ist kein Befehl. Ich brauche Freiwillige...“

Das kam unerwartet, auch für Kano. Während er die Worte auf sich einwirken ließ, suchten seine Augen unbewusst auf dem Radarschirm nach Kalis Jäger – aber ihre Sektion war ja bei der Station geblieben. Er schluckte kurz und dann, verärgert über sein kurzes Zögern, meldete er sich: „Ich, Lieutenant Commander.“
Beinahe gleichzeitig kamen auch andere Meldungen: Ace, Crusader, Goliath, La Reine...

Monty lächelte frostig. Natürlich, das war zu erwarten gewesen. Die Tradition der TSN und besonders des Fliegerkorps war in dieser Beziehung recht strikt und ließ wenig Spielraum. Am Ende hing es an ihm, die Leute zu bestimmen. Am liebsten wäre er selber geflogen – aber er würde den ganzen Angriff koordinieren und deshalb kam er für die Aufgabe als ‚Zielfinder‘ nicht in Betracht. Im Gegensatz zu anderen Offizieren war er auch nicht der Ansicht, dass man für solche Aufgaben „entbehrliche“ Piloten verwenden sollte. Monty hasste Verluste und für ihn gab es keine „Entbehrlichen“. Das war eine seiner wenigen positiven, menschlichen Seiten und ein Grund dafür, dass er immer noch nur Lieutenant Commander war. Er traf seine Entscheidung.

„Ohka, Ace – Sie machen das. Sie beginnen auf mein Kommando. Der Rest in Offensivformation. Wir greifen erst an, wenn die Akarii das Feuer eröffnen – oder ich den Befehl gebe.“
„Verstanden.“ Kano klang genauso ruhig, wie Montys Stimme. Mit leicht zusammengekniffenen Augen versuchte er seine Chancen abzuschätzen. Die Lasergeschütztürme waren gefährlich, aber auch die Lenkwaffen stellten ein Risiko dar. Es kam natürlich darauf an, ob die Akarii ausgebildete Bordschützen hatten. Doch da die Kriegsgefangenen vorher zur Besatzung einer militärischen Raumstation gehört hatten, wäre es tödlich gewesen, auf sein Glück zu vertrauen.
Ein kurzer Blick auf den Radarmschirm zeigte vier Enterfähren, die sich im Schutz eines der Zerstörer formierten, der den mit Höchstgeschwindigkeit zum Sprungpunkt strebenden Frachter ‚eskortierte‘. Es musste jeden Augenblick soweit sein. ‚Kali reißt mir den Kopf ab, wenn ich mich abschießen lasse...‘ dieser Gedanke ließ ihn fast lächeln.

„Verstanden, die Enterfähren sind in Position. Alles bereit. Haben wir Freigabe?“ Montys Stimme blieb kalt und förmlich, während sich sein Hand unwillkürlich um den Steuerknüppel krampfte. Captain Jeanpierre war die Anspannung jedoch anzuhören: „Sie haben Grünes Licht. Viel Glück.“
„Ace, Ohka – Los!“

Keiner der beiden Piloten bestätigte den Befehl, stattdessen beschleunigten sie ihre Maschinen fast synchron mit ihren Nachbrennern auf Angriffsgeschwindigkeit und rasten auf den gekaperten Frachter zu. Für die Akarii auf der Brücke der „Devil Island“ musste es so aussehen, als würden die beiden Nighthawk angreifen.
Kano drückte auf die Feuerknöpfe, noch bevor er richtig auf Schussentfernung heran war. Auch wenn seine Bordkanonen sowieso kaum Chance hatten, die Schilde zu durchbringen, es ging darum, die Akarii aus der Ruhe zu bringen. Ein kurzer Blick zu Ace’s Jäger, dann riss Kano seinen Jäger herum und änderte seinen Angriffsvektor. Das würde die Akarii zusätzlich irritieren, das Zielen erschweren und sie hoffentlich verwirren. Es hatte auch bei anderen Angriffen auf Frachter funktioniert...
Und dann blitzte es plötzlich an zwei, drei, vier Stellen an dem Rumpf des Frachters auf, zuckten Lasersalven auf die anfliegenden Jäger zu. Kano riss den Steuerknüppel herum und brachte seine Maschine auf einen fast parallelen Kurs zu dem Frachter. Einmal, zweimal wurde der Jäger hart durchgeschüttelt, dann verlor der Akariischütze die Zielerfassung, als Kano die Nighthawk halb auf den Rücken legte und wegtauchte.
‚Hälfte des Auftrags erfüllt!‘ dachte Kano mit einem Anflug grimmigen Triumphes, als die Raketenwarnung losheulte. Offenbar hatten die Akarii auch die Raketenwerfer besetzen können.
Die Sparrow funktionierte mit Bilderkennung – sie war deshalb durch Störkörper kaum abzulenken. Das einzige, was einen Piloten retten konnte, war eine rechtzeitige Vorwarnung und schnelle Reflexe.
Kano wendete den Jäger praktisch „auf der Stelle“, mit einem klassischen „Von Bein“-Manöver, und schob den Nachbrennerhebel nach vorne. Die brutale Kehre und die folgende Beschleunigung pressten Kano in den Pilotensitz, ließen es ihm kurz schwarz vor den Augen wenden. Hatte es gereicht..?
Eine Doppelexplosion beantwortete die Frage mit brutaler Eindeutigkeit, schleuderten Kanos Kopf nach vorne, gegen das Armaturenbrett. Nur der schwere Raumhelm verhinderte einen Schädelbruch. Der Jäger wurde aus seiner Bahn geworfen und überschlug sich förmlich im All.
Eine der Raketen hatte direkt getroffen, eine andere war ein Nahtreffer geworden. Das hatte gereicht, um den Jäger schwer zu beschädigen. Kano brauchte ein paar Sekunden, um wieder zu Bewusstsein zu kommen. Er schmeckte Blut in seinem Mund und die Welt erschien verschwommen. Mühsam überflog er die Anzeigen der Geräte, die noch intakt waren. Er hatte Glück im Unglück gehabt – mal wieder. Sein Jäger hatte zwar den Antrieb verloren, aber das schien reparabel zu sein. Die Versiegelung des Cockpits war jedenfalls intakt und an Bord war kein Brand ausgebrochen – was verhängnisvoll häufig geschah, wenn die Elektronik durch schwere Treffer beschädigt wurde. Zwar hatte der Jäger eine automatische Löschanlage, aber die meisten Piloten trauten dem Gerät nicht besonders. Der Tod durch einen internen Brand war fast genauso gefürchtet, wie der durch ein Loch im Anzug.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Akarii darauf verzichtet hatten, den wracken Jäger endgültig zu vernichten. Ein Blick auf den immer noch funktionierenden Radarschirm zeigte ihm auch, warum...

Der Angriff der Jagdflieger hatte fast perfekt funktioniert. Sobald sie klare Ziele hatten, waren die Maschinen der Columbia über die „Devil Island“ gekommen wie der Zorn Gottes. Der Frachter hatte nie eine reale Chance gehabt, den Angriff zurückzuschlagen. Immerhin hatten die Akarii getan, was sie konnten. Drei Maschinen waren beschädigt worden, ein Pilot der Roten Staffel hatte sich aus seiner Maschine schießen müssen.
Das Gegenfeuer war weitaus verheerender gewesen. Zuerst hatten die HARM’s getroffen und nur noch Trümmer von dem Zielradar hinterlassen. Dann waren die „erblindeten“ Lasergeschütze und die Raketenwerfer ausgeschaltet worden. Als letztes hatte es die Triebwerke erwischt. Dabei allerdings war es unmöglich gewesen, die Richtlinie einzuhalten und Hüllenbrüche zu vermeiden.
Fünfzehn Akarii und fünf „zwangsverpflichtete“ Ingenieure der „Devil Island“ waren in dem Feuersturm gestorben, der durch den Maschinenraum tobte. Die verschmorten Leichen waren danach in den Weltraum gerissen worden. Der Transporter verlor schlagartig an Beschleunigung und wurde aus seinem Kurs gerissen. Einer der flankierenden Zerstörer glitt mit fast lässig wirkender Eleganz zur Seite und wich dem sich auf einem unbeabsichtigten Kollisionskurs nähernden Frachter aus.
Die Sturmfähren hatten ihren Zielanflug fast gleichzeitig mit den Jägern begonnen. Binnen weniger Minuten, während an Bord des gekaperten Frachters noch Chaos und Panik herrschte, dockten die Marines an. Unter einem wahren Lasergewitter stießen die Angriffstrupps vor, mähten binnen Sekunden die Akarii nieder, die sich in der Nähe der Außenschleusen befunden hatten. Dann kamen Gas-, Schock- und Blendgranaten zum Einsatz, unter deren Schutz die Marines vorrückten. Allerdings stießen sie dabei auch verstärkten Widerstand der Akariis, die sich wieder gefasst hatten. Die Kämpfe dauerten fast noch eine Stunde.
Am Ende waren dreißig Marines der Entertruppen entweder gefallen oder verwundet. Zusammen mit den Verlusten am Beginn der Revolte waren fast fünfzig Menschen ums Leben gekommen. Mehr als zweihundert Akarii bezahlten den Aufstand mit ihrem Leben.

Von all dem wusste Kano nichts. Seine Gedanken richteten sich auf naheliegendere Dinge, vor allem, da sein unkontrolliert durchs All trudelnde Jäger auf einen der TSN-Zerstörer zuhielt, die während der ganzen Affäre die „Devil Island“ verfolgt hatte. Sie würden doch nicht...
„Havarierter Jäger! Alles in Ordnung? Wir nehmen Sie in den Traktorstrahl – brauchen Sie sonst Hilfe?“
Kano stieß erleichtert die Luft aus. Das war geschafft: „Hier Lieutenant Nakakura. Danke für die Unterstützung – und nein, ich brauche sonst keine Hilfe. Bringen Sie mich nur zurück zur Columbia.“
„Alles klar, Lieutenant.“ Die Stimme der Kommunikationsoffizierin gewann jetzt eine amüsierte Note: „Und noch etwas, Lieutenant Nakakura – hier ist die ‚Caulaincourt‘. Ich soll Ihnen von Ihrem Bruder ausrichten, dass er Ihnen doch gesagt hat, Sie sollten auch zu den Dickschiffen kommen...“
Kano lachte kurz auf, auch weil er einfach erleichtert war, noch am Leben zu sein. Manchmal bewies das Schicksal einen merkwürdigen Sinn für Humor. Ausgerechnet von dem Zerstörer aufgelesen zu werden, auf dem sein Bruder diente...
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Tyr

Zwei Tage nach dem „Devil Island“-Zwischenfall

Die „Vega Jewel“ war ein Frachter der Altair-Klasse. Das Schiff hatte schon seit Jahren das für Raumschiffe übliche Alter überschritten, und trotz einer sorgfältigen Generalüberholung vor zehn Monaten wäre es unter normalen Umständen längst ausgemustert oder nur noch für Kurzstrecken- oder Depotaufträge verwendet worden. Aber schon seit mehr als vier Jahren herrschten in der Republik alles andere als normale Umstände. Im Krieg war eine ganze Reihe von Raumtransportern verloren gegangen, auch weil es für die üblichen Transportrouten im Hinterland teilweise an Wachschiffen fehlte und die Piraten die Gunst der Stunde nutzten. Die Reparaturwerften waren meist überfüllt mit beschädigten Kriegsschiffen, und an neuen Schiffen wurden vor allem militärische Einheiten gebaut. Also musste die „Vega Jewel“ weiter ihren Dienst tun. Vor mehr als zwei Jahren von der TSN übernommen, diente sie als Transporter für Jägertreibstoff und war damit nur ein kleines Rädchen in der gigantischen Kriegsmaschinerie. Zwar war das Schiff nur schwach bewaffnet, kaum gepanzert, langsam und schwerfällig – aber ohne die Tanker wären die Flottenträger nicht mehr als überdimensionierte, unwirtschaftlich gebaute Kreuzer gewesen.
Die Marine zog die talentiertesten Raumschiffkapitäne und Mannschaften für den Kriegsdienst an Bord von Kampfschiffen, deshalb war auch die Crew des Frachters alles andere als erstklassig.
Es war deshalb nicht wirklich überraschend, dass die „Vega Jewel“ bei ihrem letzten Sprung die angepeilten Koordinaten aufgrund eines technischen Problems oder menschlichen Fehlers um ein Beträchtliches verfehlte. Immerhin war man im richtigen System gelandet und so würde sich nur das Rendezvous mit der Flotte ein wenig verschieben. Nicht mal Captain Patrick O’Donnel, der als reizbar bekannte Kommandant des Schiffes, hielt einen solchen Vorfall für ausreichend, einen seiner berüchtigten Wutanfälle zu bekommen. Stattdessen musterte er nur düster die Anzeigen, die die Position der „Vega Jewel“ anzeigten, und murmelte ein paar halblaute irische Flüche. Außer dem Kapitän waren momentan nur der Steuermann und der Erste Offizier auf der Brücke, aber die Männer arbeiteten schon seit zwei Jahren auf „der verdammten Rostlaube“ zusammen und ergänzten sich hinreichend.
Auf den geknurrten Befehl des Kapitäns hin schwenkte der Tanker auf einen neuen Kurs und schob sich mit halber Beschleunigung vorwärts – mehr hatte der Leitende Ingenieur angesichts des Zustands der Antriebsanlage für nicht ratsam gehalten. Captain O’Donnel ließ sich wieder in seinen Sitz fallen.
„Captain, wir haben einen Kontakt auf dem Radar. Schnell näher kommend, der Signatur nach eine Fregatte oder Zerstörer.“ Der Erste Offizier klang eher gelangweilt, und auch O’Donnel zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Natürlich hatte die TSN-Flotte Späh- und Vorpostenschiffe in weitem Umkreis positioniert, um jede Überraschung durch den Feind unmöglich zu machen.
„Funken Sie das Schiff an und übermitteln Sie unsere Einsatzorder und Anweisungen.“
„Jawohl, Captain... Noch keine Bestätigung, es beschleunigt... – CAPTAIN!“ Die Stimme des Ersten überschlug sich. Mit einem Satz war O’Donnel auf den Beinen, mit zwei Schritten beim Radarschirm. Und während die Sensoren endlich genauere Daten über das sich mit Höchstgeschwindigkeit nähernde Schiff lieferten, fühlte der Captain, wie eine kalte Hand nach seinem Herzen griff: „Oh mein Gott...“

An Bord der Columbia

Kano versuchte zum dritten Mal, die Verankerung der Flügelkanone zu fixieren. Wie bei fabrikneuen Teilen üblich, passte das Geschütz nicht auf Anhieb. Mit zusammengebissenen Zähnen verstärkte der Pilot den Druck, doch die Kanone blieb störrisch – bis zwei weitere Hände zupackten und die Halterung endlich einrastete. Geistesabwesend wischte sich Kano den Schweiß auf der Stirn mit dem Armrücken ab und wandte sich zu seinem Helfer um: „Danke.“
Helen „Kali“ Mitra zuckte nur mit den Schultern: „War doch nichts. Sehen wir lieber zu, dass wir die Mühle endlich wieder voll flugfähig kriegen.“ Mit diesen Worten bückte sie sich unter der Tragfläche hindurch.
Kano hätte beinahe geseufzt. Seine Maschine war wieder fast einsatzfähig, aber das hatte ihm ziemlich viel Zeit gekostet, da er bei den Reparaturarbeiten so gut er konnte geholfen hatte. Andernfalls hätte die Instandsetzung vermutlich noch wesentlich länger gedauert, denn die technischen Dienste waren teilweise immer noch mit den Schäden der letzten Schlacht oder mit der Begutachtung, Ausschlachtung oder Instandsetzung der erbeuteten Einheiten beschäftigt. Aber nicht das bereitete ihm Sorgen.
Seit dem gescheiterten Gefangenenaufstand auf der „Devil Island“ waren zwei Tage vergangen. Und seitdem...
„Du weißt, irgendjemand musste den Auftrag übernehmen. Und dann ist es das Beste, wenn es einer von uns Veteranen macht.“
Kali murmelte einen Fluch in ihrer Muttersprache: „Das hatten wir schon. Hör mal, ich will doch nicht, dass du bei Monty um Freistellung bittest. Aber manchmal...
Wenn der Alte eines Tages vor die versammelte Mannschaft tritt und sagt: ‚Ich brauche Freiwillige für einen Kamikazeeinsatz‘ – dann meldest du dich wohl auch sofort.“
Kano gab keine Antwort. Damit hatte Kali gerechnet. Der Japaner war zu ehrlich für sein eigenes Wohlergehen, und sie kannte die Antwort, die er geben würde, wenn sie weitergebohrt hätte. Sie alle kannten die Risiken, aber manche schienen es regelrecht darauf anzulegen, sie auszureizen.
Sie hatten diese Diskussion schon einmal geführt.
„Ich will einfach nicht, dass sie dir den Goldenen Löwen verleihen, nur weil du unbedingt immer ‚Hier!‘ rufen musst, wenn Monty oder Lone Wolf einen Freiwilligen suchen.“ Der Verwundete Löwe in Gold wurde nur postum verliehen.
Wieder gab es keine Antwort. Kano schien völlig mit der Maschine beschäftigt, aber Kali konnte hinter seinem scheinbar ausdruckslosen Gesichtsausdruck lesen. Aber dass er Gewissensbisse hatte, bedeutete nicht, dass er sich ändern würde.
Kali selber lebte natürlich auch nicht gerade vorsichtig – aber Kano ging Risiken ein, bei denen sie abgebrochen hätte. Der eigentlich nur mäßig gefährliche Einsatz gegen die „Devil Island“ hatte Kali mal wieder daran erinnert. Seine sich selbst gegenüber rücksichtslose Einsatzweise hatte Kano eine ganze Menge Abschüsse eingebracht – allerdings auch eine überdurchschnittlich große Anzahl an Verwundungen und Schäden oder sogar den Verlust seiner Maschine. Und dabei hatte er bisher noch Glück gehabt.
„Hör mal, Samurai. Ich will dir wirklich nicht diese Rede halten, dazu habe ich echt den falschen Beruf. Aber das kann nicht immer glatt gehen. Und ich...“ Sie brach ab, als ein durchdringendes Heulen durch ihre Worte schnitt. Sie kannte dieses Signal – wie jeder Pilot. Gefechtsalarm.

Während Kali zu ihrem Jäger rannte, überflog Kano die Checkliste seiner Maschine und hätte am liebsten laut geflucht. Seine Maschine war praktisch wiederhergestellt, aber weder mit Raketen bestückt, noch betankt – und damit nicht mehr als ein riesiger Haufen Schrott. Was auch immer da draußen los war – er würde nicht daran teilnehmen können. Nicht als Pilot, nicht mit dieser Maschine.
Knapp eine Minute später stürzte Monty in den Hangar, wo inzwischen ein den Veteranen nur zu gut bekanntes organisiertes Chaos herrschte. Er sah Kano bei seiner nicht kampffähigen Maschine stehen und hielt kurz an: „Sie haben genau EINE STUNDE, um Ihren Jäger kampffähig zu machen. Nicht mehr. Kann gut sein, dass wir dann jeden Jäger draußen brauchen.“
„Was ist überhaupt passiert?“ Kano rannte neben dem Lieutenant Commander her, der zu seinem eigenen Jäger hastete und hastig über die Schulter sprach: „Ein Notsignal...Tanker. War verstümmelt. Wir kriegen keine Verbindung mehr.“
Kano konnte nur zurückbleiben und zusehen, wie die übrigen Maschinen der Butcher Bears starteten. Während die Blaue Staffel wie üblich den Schutz des Trägers übernahm, formierte sich die aus der Schwarzen, der Grünen und Silbernen Staffel bestehende Kampfgruppe und jagte mit Höchstgeschwindigkeit in die Dunkelheit des Alls, gefolgt von einem Kreuzer und einer Division Zerstörer – genug Feuerkraft für eine regelrechte Raumschlacht.

Monty prüfte noch einmal die Position der übrigen Maschinen der Staffel. Zusammen mit den Verlusten der letzten Raumschlacht und ohne Commander Cunningham und Lieutenant Nakakura waren sie unter Sollstärke.
Am liebsten hätte er ja Ohka in den Jäger von Renegade gesetzt, aber dann hätte dieser verdammte pandoranische Idiot vermutlich den Aufstand geprobt. Monty hasste es, aus ‚psychologischen‘ Gründen einen renitenten Grünschnabel einem verlässlichen Veteranen vorzuziehen. Aber er hatte nun mal den Pandoraner am Hals und im fünften Jahr des Krieges musste man mit den Piloten auskommen, die man bekam. Die hohen Verluste der Raumjägerverbände zeigten Auswirkungen, trotz aller Propaganda.
Der Lieutenant Commander sah auf den Radarschirm. Kein feindliches Raumschiff in Sicht, aber auch keine Spur von der „Vega Jewel“. Außer...
Monty fluchte wütend, als er erkannte, was die paar Ortungsschatten voraus bedeuteten.
Der Tanker war nur noch Raumschrott, sauber in kleine Einzelteile gesprengt. Zwei, drei Rettungskapseln – und keine Spur von dem Akarii. Jetzt schaltete sich Lightning ein, die das Geschwader zurzeit kommandierte: „Abwehrformation bilden. Wir warten auf die Rettungsshuttles. Hier gibt’s nichts für uns zu tun...“ Ihre Stimme klang kalt vor unterdrückter Wut. Sie waren zu spät gekommen – und der Verlust des Treibstofftankers konnte durchaus eine Verzögerung von mehreren Tagen bedeuten. Und das konnte viel bedeuten...

„Was haben die Befragungen der Geretteten ergeben?“ Admiral Renault machte aus seiner Verärgerung kein Geheimnis.
Captain James Waco antwortete, indem er seine Worte sorgfältig wählte. Immerhin war er der rangniedrigste Offizier bei dieser Besprechung, auch wenn sich Wulff überwiegend in Schweigen hüllte: „Es hat keiner vom Kommando überlebt. Die meisten der zwanzig Überlebenden haben den Angreifer gar nicht zu Gesicht bekommen. Unsere Informationen sind also begrenzt...“
„Und die wären?“ Admiral Renaults Stimme klang ungeduldig.
„Es handelte sich bei dem Angreifer um eine leichtere Einheit. Maximal ein Zerstörer. Er ist nicht aus dem System gesprungen, vielleicht ist sein Sprungtriebwerk defekt. Er hat sich zurückgezogen.“
„Wohin?“
„Vermutlich in den Asteroidengürtel des Systems.“
Ein Fluch war die Antwort auf diese Auskunft. Captain Waco wusste warum. Der Asteroidengürtel war ein Labyrinth aus Fels- und Eisbrocken, die ein fast perfektes Versteck boten und die Wirksamkeit der meisten Sensoren erheblich minderten. Ein geschickter Kapitän in einem beweglichen Schiff konnte sich dort vor verfolgenden Kriegsschiffen fast unbegrenzt lange verbergen.
„Wir verlieren mindestens fünf Tage, bis wir einen anderen Tanker hierher beordert haben. Bis dahin WILL ICH DIESEN BASTARD IN STÜCKEN SEHEN! Wir setzen die ganze Palette ein – Aufklärungsshuttles, Kampfflieger und Kriegsschiffe. Und ich will Ergebnisse!“
"Wir werden unser Bestes tun, Sir." schaltete sich Wulff ein. Er schien den Ausbruch des Flottenbefehlshabers wesentlich gelassener zu nehmen.
"Davon gehe ich aus. Und Captain - machen Sie Druck. Ihre Angry Angels sind doch schließlich eines unserer Elitegeschwader. Dann sollen sie sich mal ihren Ruf verdienen."
„Ja, Sir.“ Captain Waco salutierte, ebenso Admiral Wulff, wenn auch etwas weniger förmlich – der Vorteil des hohen Ranges.
Dann wurde die Verbindung unterbrochen. Für die Jagdflieger war der ,Urlaub‘ jetzt vorbei, das wusste der Captain. Mit einem lautlosen Fluch aktivierte er wieder die Comm-Einheit: „Geben Sie mir Commander Cunningham."
19.12.2015 06:35 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Cunningham

Scheiße fließt abwärts, so hieß es in der alten Soldatenweißheit. Lucas nippte an seinem Kaffee und inhalierte noch einmal kräftig. Die Lucky Strike glühte an ihrer Spitze hell auf. "Haben wir irgendetwas übersehen?"
Er fuhr sich durch das Haar, welches schon erstes Grau zeigte. Er war noch nicht einmal fünfunddreißig.
Diane 'Lightning' Parker legte die Stirn in Falten und betrachtete die Planungskarte, schüttelte dann jedoch den Kopf.
"Besser wird’s wohl nicht mehr gehen", meinte Commander Kevin Schwimmer, der Operationsoffizier der Trägergruppe.
"Also gut, dann wollen wir mal." Cunningham drückte die Zigarette aus und kippte den Rest Kaffee hinunter.
Der Geschwaderbesprechungsraum war gefüllt bis oben hin, neben den acht Kampfschwadronen der Columbia waren auch die Besatzungen der drei SWACS-Shuttles und der sechs Tank-Shuttles anwesend. Was dazu führte, dass statt den hundertvierzig Jagd- und Bomberpiloten noch fünfzig weitere Personen den Raum füllten.
Auf Monty's gebrülltes 'Achtung' bat Lucas die Piloten wieder Platz zu nehmen.
"Also Ladies and Gentlemen, wie sich vielleicht schon rumgeschwiegen hat, haben wir vor ein paar Stunden einen Tanker verloren." Jegliches Geplapper war schon vorweg verstummt, dass er im Pilotenanzug vor die Piloten trat machte deutlich, dass jemand oben dies nicht als Routinemission ansah.
"Die Columbia ist samt einigen Kreuzern und Zerstörern vor dem Asteroidengürtel in Stellung gegangen. Die Jungs vom Nachrichtendienst denken, dass sich unser Pirat hier versteckt hält. Wir haben also ganz schön was abzusuchen." Der Wandschirm zeigte eine Animation des Asteroidengürtels.
"Die Staffeln Gelb, Bronce und Silber bleiben an Bord der Columbia, wobei Gelb und Silber abwechselnd die bewaffnete Luftraumüberwachung übernehmen.
Bronce ist die strategische Reserve, falls wir dort draußen auf etwas treffen, womit wir nicht fertig werden.
Gold wird für Anti-Schiffeinsätze ausgestattet in Pärchen die Tankshuttles begleiten, Sie werden auf Sichtmeldung durch die Suchteams warten. Bei Sichtmeldung werden die beiden dem Ziel am nächsten liegenden Wings sich zur Sektion vereinigen und den Angriff auf den Zerstörer oder die Fregatte durchführen.
Die Rote Schwadron wird den Jagdschutz für die Tanker übernehmen. Nur wenn es nicht anders geht, werden Sie die Tanker zurücklassen, um die Jabos zu eskortieren.
Die SWACS werden sich über dem Asteroidenfeld halten, Schwadron Schwarz gibt Sektionsweise Jagdschutz.
Die eigentliche Sucharbeit im Asteroidenfeld übernehmen Grün und Blau. Sie kriegen minimale Raketenladung, dafür aber Aufklärungspods. Lassen Sie sich unter keinen Umständen auf Kämpfe ein und halten Sie während der Suchaktion unbedingt immer Sichtkontakt mit ihrem Flügelmann, Sichtkontakt, nicht Sensorenkontakt.
Finden Sie den Gegner, melden Sie den Feind und greifen Sie nicht an. Beobachten und beschatten Sie das Ziel. Den Angriff führen die Jabos durch.
Das wäre alles, in fünfzehn Minuten beginnen wir mit dem Start, wegtreten!"

"1 MC! Hier spricht der Captain! Roter Alarm! Gefechtsoperation für Flugdeck und alle Stationen! Ich wiederhole Roter Alarm!"
Auf dem Flugdeck war hektisches Treiben. Die ersten Jäger waren voll aufmunitioniert und waren schon an die gelben Schlepper angekoppelt, die die Maschinen zu den Katapulten ziehen würden.
"Kindermädchen spielen, ich dachte, der Alte hat echt Schneid, stattdessen dürfen wir jetzt am Rockzipfel von solch verschissenen SWACS hängen." Petra Martens zog eine Grimasse.
Keiner der Piloten aus der schwarzen Schwadron antwortete ihr.
Goliath blickte etwas angewidert zu der jüngeren Pilotin hinab.
Von ihren Kameraden vernachlässigt, fanden ihre Augen und ihr Mundwerk ein neues, williges Ziel: "Hey Renegade, so ein Asteroidenfeld muss doch für Dich DIE Gelegenheit sein ..."
Der angesprochene Neuling sprang sofort darauf an: "Hast Du etwa ein Problem mit uns Pandoranern?"
"Keine Ahnung, sag’s mir, seit IHR problematisch?"
"Du kleine Schnepfe ..." Ein Gerangel entstand. Renegade war zwar nicht gerade kräftig, aber wendig und windig, schlüpfte unter Goliaths Klammergriff einfach weg und wäre beinahe an Ohka vorbeigekommen.
Monty war nicht da um einschreiten zu können, da er für Cunningham den SWACS-Crews noch Befehle weitergab.
Jedoch stand Cunningham mit den Lieutenant Commandern Durfee und McGill, die Schwadronkommandanten Silber und Bronce in der Nähe und wurde schließlich von McGill auf das Chaos aufmerksam gemacht.
Schnell und entschlossen packte jetzt Goliath den Pandoraner am Kragen des Fliegeroveralls und schob ihn in Richtung der großen Aufzüge für die Jäger.
"Los, vorwärts, überprüft eure Maschinen!" Kanos Aufforderung war mehr für Cunninghams Ohren bestimmt, als für seine Kameraden.
Sugar rieb sich die Haare am Hinterkopf, wo Renegade sie zu fassen bekommen hatte und trottete unwillig hinter den anderen Piloten her.

Den Status als Elite-Einheit verdankten die Angels nicht allein ihren Piloten, sondern auch dem technischen Personal. Präzise und routiniert liefen alle Handgriffe ab. Die Jäger wurden im Hangardeck betankt, auf die Hebebühnen bugsiert und nach oben aufs Flugdeck gebracht. Dort wurden die Maschinen von den Munitionstechnikern in ihren roten Overalls aufmunitioniert und an die Piloten übergeben, die zusammen mit einem Techniker die Bestückung überprüften. Dann wurden die Jagdflieger und -bomber an die gelben Traktoren gekoppelt und zu den vier Dampfkatapulten – ein System, welches im zweiten terranisch-globalen Krieg entwickelt wurde – gezogen. Die Dampfkatapulte waren hinter einem leichten Kraftfeld und somit schon vom Vakuum umgeben. Jeder dieser Startschlitten führte durch eine lange Röhre, durch die die Jäger ins All geschleudert wurden.
Diese Abteilung des Schiffes unterstand Mario Atti, dem Bosun, dem dienstältesten Unteroffizier des Schiffes.
Atti bedeutete einem Piloten mit erhobenen Daumen "alles klar" und ließ dann den rechten Arm mit ausgestreckten Zeigefinger über den Kopf kreisen. Der Pilot gab Maximalschub. Dann salutierten beide voreinander und Atti ließ sich aufs linke Knie fallen, die rechte Hand ausgestreckt in Richtung Ende der Startbahn.
Das Katapult wurde vom Piloten ausgelöst und die F 108 A Falcon wurde ins All geschleudert.

Lucas hastete über das Flugdeck zu seiner Maschine, die gerade auf Lift Nummer eins stand und fertig aufmunitioniert worden war.
Er verzog kurz das Gesicht, als er die vier Phönix-Raketen unter dem Rumpf sah. Er war eher jemand, der den Dogfight bevorzugte, aber jetzt war nicht die Zeit für eine Umbestückung.
Chief Petty Officer Werner Henske sein Crewchief zuckte entschuldigend die Schultern: "Der Boss meinte, bei so einer Mission seien Phönix besser geeignet."
Cunningham grunzte. Was wusste Tremmler schon vom Raumkampf.
Schnell aber ohne Hektik überprüften die beiden die zehn Raketen. Vier Phönix, vier Amraams und zwei Sidewinder.
Schließlich kletterte Lone Wolf Cunningham ins Cockpit. Dort fuhr er die Systeme des Jägers hoch und ging die Checkliste durch, während er von einem Traktor zum Katapult gezogen wurde. Schnell wurde die Startprozedur durchgegangen, dann wurde Lucas in den Sitz gepresst.
Das Funkeln der Sterne hatte ihn wieder. Eine wundersame Stille umgab ihn.
"Skipper: Ich bin direkt hinter ihm." Selbst durch die gefilterten Funksysteme kam ihm Sugars Stimme blechern und unangenehm vor.
Ein schneller Blick aufs Radar zeigte ihm seine Sektion und das zu eskortierende SWACS. "Sugar! Red! Marat! Einfache V-Formation bis zu Echolot zwo, danach Eskortformation Alfa. Sugar und ich Steuerbord!"
Die Bestätigungen waren einsilbig.
"Big Basket hier Schwarzer Leader! Status des Startvorgangs?"
"Hier Big Basket", meldete sich die Columbia. "Wir sind fast fertig, etwa sieben Minuten noch!"
Ein Rundumblick brachte ihm die Belerophon ins Blickfeld, ein Schwesterschiff der Dauntless, um das die grüne Schwadron sich sammelte und kreiste. Auf der anderen Seite der Columbia lag die Dauntless und spielte Sammelboje für die blaue Schwadron.
Schließlich erhielt er von allen Schwadronenkommandanten und Shuttles die Bereitschaftsmeldung.
"Schwarzer Leader an alle Sucheinheiten: Ausrücken und gute Jagd!"
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Cattaneo

Am Rande des terranischen Flottenverbandes im Beta Boriales-System driftete die TRS Relentless durch den freien Raum. Die großen Sichtschirme auf der Brücke zeigten den Besatzungsmitgliedern die Sterne der benachbarten Systeme. Dem Bild haftete eine fast bedrückende Fremdheit an. Vor wenigen Jahren noch hätten nur die wenigsten Menschen – selbst unter den Falken der Flotte – sich träumen lassen, dass einmal menschliche Schiffe hier operieren würden. Es war ein langer Weg gewesen, der die terranischen Schiffe an diesen Ort geführt hatte. Und nicht wenige Menschen meinten, er wäre ZU lang gewesen. Zu teuer erkauft – mit zu vielen Toten, zu vielen Schlachten. Zu vielen Niederlagen.
Und auch wenn die Schiffe des Geschwaders 2. 3. Glück gehabt hatten, so war es auch für die schweren und leichten Kreuzer kein leichter Weg gewesen. Fast jedes Schiff hatte zumindest einmal Schäden und Verluste erleiden müssen, und mehr als ein Kreuzer war dauerhaft ausgefallen – zerstört, aufgegeben oder als nicht mehr reparaturwürdig ausgeschlachtet.
Allerdings beschäftigten sich wohl die wenigsten Besatzungsmitglieder damit, über den Krieg und seine Kosten zu reflektieren. Sie hatten ihre Aufgaben, und das Auge des Kommandanten war scharf. Außerdem war die Gefahr noch lange nicht vorüber – vollkommen auszuschließen war ein feindlicher Gegenangriff nicht.

Nur der Geschwaderkommandant selber, Commodore Chris Mithel, gönnte sich für einen Augenblick den Luxus, seine Gedanken schweifen zu lassen. Er selber hatte es in seiner Laufbahn durchaus weit gebracht – weiter vermutlich, als seine Eltern es ihm zugetraut hätten. Der Krieg war zu einem beachtlichen Karrieresprung für ihn geworden. Vom Lieutenant Commander und XO eines leichten Kreuzers bei Manticore bis zum Commodore und Chef eines eigenen Geschwaders. Und mit etwas Glück war das noch nicht das Ende...
Aber genug der Gedanken, dafür war später immer noch Zeit.
Freilich – umsonst war es nicht gewesen. Um die Augen waren etliche Falten dazugekommen. Das Haar des Commodore, das zu Anfang des Krieges noch schwarz mit einigen hellen Strähnen gewesen war, färbte sich immer mehr in Eisgrau. Mithel hielt sich über menschlicher Eitelkeit stehend – an und für sich war eine solche Ansicht allerdings schon selber eitel – und versagte es sich, die Spuren des Alters und der Strapazen zu verfälschen. Aber seine Augen blickten immer noch so scharf wie früher, und wenn er durch die Gänge des Schiffes schritt und die Stationen kontrollierte, so waren seine Schritte elastisch wie eh und je und seine Stimme schneidend wie immer.
Mithel gehörte durchaus – auch wenn man es oft anders hörte – nicht zu den Kommandeuren, die keinen Gedanken an ihre Untergebenen verschwendeten und in ihnen nur Trittsteine für ihren eigenen Aufstieg sahen. Freilich hatte er eine eigene Art, seine „Fürsorge“ zu zeigen. Natürlich konnte er die Kapitäne seines Verbandes nicht so behandeln wie normale Offiziere. Einfluß- und Kontrollmöglichkeiten gab es aber auch ohne dies genug. Und Mithel nutzte seine Möglichkeiten.
Die drei schweren Kreuzer – die Relentless, die Merciless und die Repulse – hatten ebenso wie die sechs leichteren Einheiten, die Redemption, Dauntless, Annihilator, Executioner, Fearless und Obliterator, die Schlacht relativ gut überstanden. Gut insoweit, dass sie alle einsatzbereit waren. Ganz ohne Blutverluste und Schäden war es nicht abgegangen. Die Propaganda mochte sich darin gefallen, die Akarii als bereits erledigt hinzustellen – aber nicht nur ihre Armee kämpfte immer noch verbissen.

Im Moment las der Geschwaderchef aufmerksam die Order, die ihm vom Oberkommando des Trägerverbandes übermittelt worden war. Er registrierte, dass sein Erster Offizier schweigend neben ihm verharrte und offenbar auf neue Befehle wartete. Aber Mithel ließ sich nicht stören. Seine Untergebene schien freilich – wie fast immer – der Gleichmut in Person. Auch einer der Gründe, warum er mit ihr gut zusammenarbeitete.
Liu Shan-Lee war als Ersatz für Ariane Raffarin auf die Relentless gekommen. Mithel hatte damals seine Kontakte spielen lassen, denn er hatte recht genaue Vorstellungen gehabt, was für einen Ersten Offizier er wollte, ja brauchte. Da dem Kapitän durchaus bewusst gewesen war, wo seine persönlichen, nun, nennen wir es einmal Schwächen, lagen, war ihm klar gewesen, dass er jemanden brauchte, der auf dem Schiff die Funktion eines „guten Vorgesetzten“ übernehmen konnte. Jemand, den die Leute „liebten“, wo sie ihn als ihren Kapitän in erster Linie respektieren. Raffarin hatte diese Funktion hervorragend ausgefüllt. Ersatz für sie zu finden war nicht leicht gewesen, aber glücklicherweise wusste der Brite nach langen Jahres des Dienstes bestens, wie und wo er Einfluss ausüben musste, um zu erhalten was er wollte. Und so bekam er eine chinesisch-stämmige Offizierin, die als XO auf einem Zerstörer gedient hatte und nun für einen Karrieresprung bereitstand.

Liu Shan-Lee stammte von Alpha Zentauri, war also eine „Kolonistin“. Sie war dreißig Jahre alt und machte sich vermutlich Hoffnung, eines Tages selber ein Schiff zu kommandieren. Vor allem aber galt sie als ruhig und in der Lage, selbst mit schwierigen Besatzungsmitgliedern gut umgehen zu können. Vielleicht lag es daran, dass sie einer großen Familie entstammte, oder einer überfüllten Siedlerkolonie – jedenfalls wusste sie, wie man die Harmonie mit einem Minimum an Druck aufrechterhielt. Sie war damit genau der „Samthandschuh“, den Mithel für seine „stählerne Faust“ brauchte. Der Kommandeur der Relentless war klar, dass er auch hätte versuchen können, sich selbst zu ändern. Aber er hatte in erster Linie gelernt durch Autorität und nicht durch Sympathie zu kommandieren. Lob und Tadel konnte er vergeben – aber Freundschaft zu schließen fiel ihm schwer, nicht zuletzt weil seine Anforderungen hoch waren. Er und die Chinesin waren recht schnell miteinander klargekommen. Sie hatte sich als etwas weniger gehorsam erwiesen als Mithel gewünscht hätte – sie trat auch ihm gegenüber für die Besatzungsmitglieder ein, wenn der Commodore wieder einmal gewohnt hart durchgreifen wollte – aber das kannte er bereits von Raffarin. Ein wenig vermisste er – obwohl er es nie zugegeben hätte – Raffarins Humor bei seiner neuen Untergebenen. In dieser Hinsicht war Liu zurückhaltender – wenn sie Witze machte, dann gegenüber Untergebenen und Kollegen. In den Jahren, die sie inzwischen zusammenarbeiteten, war sie auf jeden Fall ein guter Ersatz für Raffarin gewesen, und inzwischen akzeptieren und respektierten sie sich beide.
Was Raffarin betraf, nun, Mithels ehemalige XO war inzwischen längst von ihren Kriegsverletzungen genesen, selber Captain und befehligte den leichten Kreuzer Redemption – benannt nach dem Zeus-Träger, auf dem das Geschwader der Columbia zu Anfang des Krieges gedient hatte. Das Schiff war Mithels Geschwader zugeteilt worden. Mithel hätte es gern seiner Fürsprache zugute gehalten, dass Raffarin so schnell Karriere gemacht hatte. Aber er wusste, der Krieg spielte da ebenfalls eine erhebliche Rolle. Und wohl auch die Unterstützung anderer höherer Offiziere, die auch zu seinen Förderern gehörten. In der Flotte lief der berufliche Fortschritt seit eh und je auch über Protektion, und Mithel machte da keine Ausnahme.
Für einen Augenblick lächelte der Brite knapp, als er an seine ehemalige Stellvertreterin dachte. Er hatte sie vermisst – als Kommandeur wie auch als Mensch. Sie hatte zu den wenigen Menschen gehört, die er als seine Freunde bezeichnet hätte, wenn er über solche Dinge je mit jemandem gesprochen hätte. Deshalb freute ihn, dass sich für sie trotz ihrer schweren Verletzung, die sie ihre Stelle auf seinem Schiff gekostet hatte, am Ende die Dinge eben doch zum Besten gewendet hatten. Dienstlich wie privat. Sein Waffenoffizier und Captain Raffarin hatten vor anderthalb Jahren geheiratet. Nun, auch so etwas kam vor, allerdings konnte von einer normalen Ehe kaum die Rede sein, jetzt im Krieg...

Doch jetzt hatte er etwas anderes zu tun. Er nickte seiner Stellvertreterin kurz zu: „Machen Sie Meldung an die Kommandeure – Fortfahren mit den Reparaturarbeiten unter Höchstdruck. Ich will jeden halben Tag Meldung haben, und ich erwarte, dass die Schiffe so schnell als möglich wieder gefechtsbereit sind. Wo ein Akarii ist...“
Dann wandte er sich an seinen Kommunikationsoffizier: „Verbindung zur Repulse herstellen. Captain Atkins.“
Mithel wartete, bis das dunkle Gesicht des Kreuzerkapitäns auf einem der Bildschirme erschien. Der Captain salutierte, was Mithel mit einem knappen Nicken quittierte: „Captain Atkins, neue Anweisungen für Sie. Ihr Schiff und die Redemption werden sich, sobald Ihr Schiff wieder voll einsatzbereit ist und alle neuen Besatzungsmitglieder eingetroffen sind, dem Suchverband anschließen, der diesen Raider aufspüren soll. Sie geben den Schiffen Rückendeckung. Laut Plan soll es ja nicht zu einem Gefecht kommen, aber verlassen Sie sich nicht darauf. Vielleicht stoßen die Akarii nach.“
Mithel brauchte nicht genauer auszuführen, was das wirkliche Risiko war. Wenn die Akarii ein paar Zerstörer unter dem Schutz des Asteroidengürtels in die Nähe der terranischen Schiffe bringen konnten...
Die Salven von zwei Zerstörern konnten ausreichen, einen schweren Kreuzer in ein Wrack zu verwandeln. Es hatte solche Fälle auf beiden Seiten gegeben.
„Und halten Sie vor allem auch Ihre Marines bereit. Vielleicht will das Oberkommando am Ende doch noch ein Enterteam an Bord schicken. Die Redemption ist Ihnen bei dem Einsatz taktisch unterstellt.“ Er zögerte einen Augenblick, aber dann straffte er sich:
„Sie haben ja neue Mannschaften und Offiziere erhalten. Nutzen Sie die Gelegenheit, sie auf Herz und Nieren zu testen – besser jetzt als in einer wirklichen Krise. Mithel Ende.“
Der Brite nahm die Bestätigung von Captain Atkins zur Kenntnis. Vielleicht war Atkins ein wenig pikiert, dass ihn Mithel auf die neuen Besatzungsmitglieder angesprochen hatte. Es würde Atkins‘ Schiff vielleicht ganz gut tun, eine „Übung mit scharfer Munition“ zu fahren. Der Kreuzer hatte eine ganze Anzahl neuer Offiziere erhalten oder erwartete noch Ersatz, bis hoch zum XO. Mithel schätze solche notwendigen Feldverstärkungen nicht allzu sehr, weil mitunter einfach die Zeit fehlte, das neue Personal richtig „einzuarbeiten“. Und auch auf einem Kriegsschiff funktionierte das eingespielte Kollektiv noch immer am besten. Neue Leute waren neue Chancen, aber auch neue Risiken. Nun, sollte sich Atkins darum kümmern – mehr als ihn dazu aufzufordern konnte Mithel nicht, sonst sah es so aus als misstraue er seinen Kapitänen.
Aber der Geschwaderchef behielt seine Untergebenen nun einmal gerne etwas im Blick. Er wusste freilich, dass er sich gegenüber den Kommandanten zurückhalten musste. Schließlich konnte er nicht alles selber erledigen – und die Gefühle von Menschen, deren Wort an Bord ihrer Schiffe quasi Gesetz war, waren empfindlich.
Er war sich sicher, dass die beiden detachierten Schiffe ausreichen würden. Falls nicht die Jäger alleine schon im Stande waren, die Aufgabe erfolgreich zu einem Abschluss zu bringen.

Dann wandte er sich wieder an Commander Shan-Lee: „Bereiten Sie bitte für Morgen, Fünf Uhr Bordzeit, eine Alarmübung vor. Auf allen Schiffen ausgenommen der Redemption und der Repulse. Und dann setzen Sie sich bitte mit der Schadensbekämpfung in Verbindung.“ Er wies auf einen Bildschirm, auf dem die Relentless als voll einsatzbereit gemeldet wurde. Das Schiff hatte im letzten Gefecht nur geringe Schäden erlitten – ein Raketenturm war durch eine Fehlzündung fast vollständig zerstört worden, glücklicherweise hatte es nur einige Verletzte gegeben, keine Toten. Dazu war es bei der Landung eines havarierten SAR-Shuttles zu einigen Beschädigungen im Hangar gekommen.
„Wir brauchen sie im Augenblick nicht. Sie können unseren Begleitschiffen zugeteilt werden und bei den Arbeiten helfen. Machen Sie Druck dahinter, dass die anderen Schiffe schnell wieder einsatzbereit sind.“
Die Asiatin nickte: „Zu Befehl. Ich würde weiterhin vorschlagen, dass die Küche sich mal etwas Mühe gibt, zu Feier des Tages. Immerhin steht unsere Mannschaft in vollem Einsatz und hat die Schäden schnell repariert. Und dann könnten wir den schichtweisen Betrieb der Freizeitmöglichkeiten wieder etwas großzügiger gestalten.“
Mithel stimmte ihr zu. Er sah durchaus ein, dass man der Mannschaft auch mal etwas Freiraum lassen musste. Seine Erste Offizierin erinnerte ihn in regelmäßigen Abständen daran – nicht zu Unrecht: „Sie haben freie Hand. Veranlassen Sie das nötige.“
Dann hob er die Stimme etwas: „Steuermann – drei Grad Backbord horizontal und zehn Grad vertikal negativ abfallen – Beschleunigung 10, ab jetzt. Kommunikation an die Restflotte – aufschließen. Abfangformation bei Quadrant 13 – 4.“
Der gigantische Kreuzer setzte sich mit einer beinahe absurden Eleganz in Bewegung und driftete wieder auf den Flottenverband zu. Um ihn formierten sich die Begleitschiffe der Relentless, fächerten elegant auf, während zwei der Kreuzer den Schutz des Geschwaders verließen.
Mithel lächelte ruhig. Das war es, wofür man lebte – und auf seine Art war es fast ebenso schön, wie einen Gegner zu zerschmettern. Zehntausende Tonnen Stahl zu dirigieren, inmitten der großartigsten Kulisse, welche das Universum zu bieten hatte.
19.12.2015 06:36 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ironheart

Vickers-Interstellar-Raumwerften, Orbit um Mars
Kurz nach dem Angriff der Akarii auf Manticore

Mit klopfendem Herzen stand John Vickers IV vor den mit Mahagoni getäfelten schweren Flügeltüren vor dem Büro seines Vaters, John Vickers III, dem Vorstandsvorsitzenden der Vickers-Werften und dem Präsidenten der Vickers-Group. Dem obersten Dienstherren von mehr als einer Millionen Menschen in unzählig vielen Firmen, die überall in der Bundesrepublik verstreut waren. Das schwere Holz der Tür wirkte auf der Vickers-Raumwerft, die ansonsten durch und durch aus Stahl bestand, irgendwie fehl am Platze. Doch John Vickers wusste, welchen Zweck diese Tür haben sollte. Der Sage nach stammte sie aus einer längst vergangenen Ära und war einmal das Hauptportal des Kapitols in Washington D.C. gewesen. Als die Vereinigten Staaten sich in die Bundesrepublik Terra eingebracht hatten und das Kapitol seine Bedeutung verloren hatte, hatten sich die Vickers diese Originaltür gesichert. Denn wie so vieles in der Hauptstadt der ehemaligen Weltmacht war diese Tür mit einem Ziel erbaut worden. Sie sollte denjenigen, der sie aufstoßen musste, mit Ehrfurcht erfüllen. Und sie verfehlte ihr Ziel nicht im Geringsten.
Einen letzten Blick ließ John auf seine makellose und brandneue Uniform eines 2nd Lieutenant der Terranischen Navy fallen. Dann atmete er ein letztes Mal tief durch und öffnete dann die Türen, ohne anzuklopfen.
Der Raum war für die Verhältnisse an Bord einer Raumwerft gigantisch. Es gab einige Hangars, die kleiner waren als das Geschäftszimmer seines Vaters. Als John eintrat und forschen Schrittes zu dem Schreibtisch seines Vaters schritt, kam ihm der Weg wie eine Ewigkeit vor. John wusste, dass er im übertragenden Sinne den ersten Einsatz als Offizier der Terran Navy jetzt und hier vor sich hatte.
Erst als er auf fünf Schritte heran war, hob sein Vater seinen graumelierten Kopf und blickte ihn aus müden Augen an. `Mein Gott` schoss es John durch den Kopf `er ist so alt geworden.` Über drei Jahre hatten sie sich nicht mehr gesehen. Drei Jahre ohne einen einzigen Besuch in der Akademie, wobei diese nur einen Katzensprung entfernt gewesen war. Sicher, John hätte seinerseits seine Familie besuchen können. Doch er hatte gewusst, dass eh niemand Zeit für ihn gehabt hätte. Also war er lieber auf Mars geblieben und hatte die Zeit anderweitig genutzt.
„Hallo John, schön dich mal wieder zu sehen.“ Sein Vater legte einen so jovialen Tonfall an den Tag, so als ob sie sich gerade einmal eine Woche nicht gesehen hatten.
John ging nicht darauf ein. „Du wolltest mich sehen, Vater, und hier bin ich.“ John Vickers Jr. War nicht aus freien Stücken hier und das war noch untertrieben. Der Senior hatte sogar drei seiner Männer zu ihm geschickt, damit sie ihn holen kamen.
„Sehr schön, mein Sohn, wie ich hörte, hast du deine Zeit an der Akademie erfolgreich beendet.“ John Vickers Sr. stand auf und ging hinüber zu einer Bar, holte eine kleine Karaffe und zwei geschliffene Kristallgläser heraus und schenkte sich und seinem Sohn großzügig ein. „Lieber wäre mir gewesen, du wärst bei meiner Abschlussfeier anwesend gewesen, Vater.“ John Vickers Sr. drehte sich zu seinem Sohn um, hielt ihm ein Glas hin und lächelte nachsichtig. „Du weißt, dass ich im Augenblick nicht gerade frei über meine Zeit verfügen kann.“ Im ersten Augenblick dachte John Jr. daran abzulehnen. Doch die nächsten Worte seines Vaters stimmten ihn einigermaßen milde. „Du weißt, ich wäre gerne gekommen, aber dieser Angriff der Akarii…Wir haben jetzt dermaßen viel zu tun, dass ich mich einfach nicht unabkömmlich machen konnte, verstehst du das?“
„Aber sicher doch, Vater“ antwortete John Jr. ihm matt. `So wie es in den letzten 24 Jahren auch immer gewesen ist…` fügte er in Gedanken bitter hinzu. Er hatte sich, genau wie seine vier älteren Geschwister, schon lange damit abgefunden. Wäre Mutter noch am Leben, wäre es vielleicht anders gewesen. Aber so hatte sich sein Vater voll und ganz auf das Firmenimperium konzentriert. Da spielten die eigenen Kinder nur am Rande eine Rolle.
„Es ist gut, dass Du deine Akademie beendet hast, dann kannst du dich jetzt voll und ganz deinen neuen Aufgaben widmen.“
John runzelte die Stirn. „Wovon redest du, Vater? Ich habe noch keinen Marschbefehl erhalten.“
„Ganz recht, John. Ich selbst habe dafür gesorgt. Keine Sorge, du brauchst nicht an die Front, du wirst die Vickers Advanced Weapon Corporation auf Lunar übernehmen.“
„Ich werde WAS?“ John war schockiert. Doch es dauerte nur wenige Augenblicke, dann hatte er sich wieder gefangen. Letztlich hatte er mit genau so etwas gerechnet. Alle seine Kameraden hatten direkt nach Abschluss des Examens ihre Marschbefehle erhalten, nur er war von den Männern seines Vaters abgeholt worden. Die schrägen Blicke, die sie ihm deswegen zugeworfen hatten, würde er niemals in seinem Leben vergessen.
„Vater, das kann nicht dein Ernst sein! Die Echsen haben Manticore überfallen, wir sind im Krieg. Und du sagst mir, ich solle der Front fernbleiben, mich hinter einem Schreibtisch verstecken und eine deiner Fabriken leiten?“
„Was wäre so schlimm daran? Wir Vickers waren schon immer mehr zum Kaufmann geboren, weniger zum Soldaten. Deine drei größeren Brüder, deine ältere Schwester, deine Cousins und Cousinen, sie alle helfen der Bundesrepublik, indem sie die Wirtschaft in Schwung halten. Diesen Krieg wird nicht die Seite gewinnen, die die besseren Krieger hat, sondern die besseren Händler, Kaufmänner und Wirtschaftskapitäne. Das war schon immer so und das wird jetzt wieder so sein.“
„Vater, ich bin jetzt ein Soldat. Und wir sind im Krieg. Mein Vaterland braucht mich…“
„Ach mein Junge, hör auf mit diesem patriotischen Mist. Was erwartest du da draußen? Ruhm und Ehre? Krieg ist immer grausam, unmenschlich. Glaub mir, es ist bei weitem nicht so glorreich wie es die Propaganda glauben machen will. Verflucht, ich selbst weiß es, ich habe diese Propaganda betrieben. Aber nicht damit du in den Krieg ziehst, sondern damit wir mehr Waffen verkaufen können.“
„Vater, ich habe mit Summa cum laude abgeschnitten! Ich war einer der Besten meines Jahrgangs.“
Ein spöttisches Lächeln huschte über das Antlitz seines Vaters. „Ach, und du glaubst, das war dein Verdienst…?“

Jetzt verschlug es John doch die Sprache und seine Knie wurden weich. Nein, nein das durfte nicht sein. Hatte sein Vater wirklich die Noten gekauft? Hatte er seinen Einfluss spielen lassen um seinen Sohn möglichst gut aussehen zu lassen?
„Nein“ John schüttelte vehement seinen Kopf. „Nein Vater, das glaube ich dir nicht. ICH habe in den Simulatoren gestanden und ich HABE meine Kameraden gesehen. Und ich war BESSER als sie. Du kannst vielleicht meine Professoren gekauft haben, aber nicht sämtliche Kadetten.“ Doch der Zweifel nagte bereits an seiner Seele.
„Gut, mein Sohn, aus dir spricht die geborene Arroganz eines Führers. Willst du diese Gabe als 2nd Lieutenant auf einem unbedeutenden Schiff der Navy vergeuden?“
John Vickers Jr. schaute betreten auf den Boden, dann fiel sein Blick auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in dem Kristallglas ins seiner Hand. Mit einem Ruck legte er das Glas an seine Lippen und trank es in einem Schluck aus. Der rauchige Geschmack des Whiskey brannte durch seine Kehle, benebelte ihn und öffnete ihm die Augen zugleich.
„Ja, ich werde Karriere in der Navy machen und du wirst mich nicht davon abhalten können.“ sagte er zu seinem Vater und knallte das Kristallglas auf seinen Schreibtisch. Dann drehte er sich zackig herum und schritt wieder aus dem Büro heraus, ohne sich noch einmal umzuschauen. Er hatte seine Entscheidung getroffen und würde sich von niemandem mehr davon abhalten.
„Er hat den Stolz seiner Mutter“ murmelte John Vickers Sr. leise vor sich hin. Dann drückte er den Knopf zu seinem Sekretariat. „Verbinden Sie mich mit Admiral Frost.“ Wenn er seinen Sohn schon nicht davon abhalten konnte, so konnte er ihm doch zumindest seinen Wunsch erfüllen, oder?

**************************************

Fünf Jahre später, Im System Beta Borealis
An Bord der Columbia

Donovan „Noname“ Cartmell atmete heftig und unruhig. Der letzte Schlagabtausch war fast mörderisch gewesen. Er versuchte sein wild pochendes Herz unter Kontrolle zu bringen und sich zu konzentrieren. Er spürte das harte Holz in seinen Händen und beobachtete seinen Gegner ganz genau. Sein Sichtfeld war eingeengt und die Maske, die er trug, half ihm nicht gerade dabei die Bewegungen seines Gegners vorherzusehen.
Dann ging es wieder los, in rasend schneller Geschwindigkeit. Den ersten Schlag konnte er gerade noch parieren, dann ging er in den Gegenangriff über. Den dritten und vierten Schlag musste er wieder parieren, dann geriet er zusehends in die Defensive. Der fünfte, sechste und siebte Schlag kam, und Donovan hatte Mühe seinen Stock zu halten. Und dann, mit einem Mal, war es vorbei. Der achte Schlag prallte gegen seine Brust und raubte ihm den Atem, sein Gegner drehte sich blitzschnell um seine Achse und der neunte Schlag krachte in seinen Rücken.
Wütend riss sich Donovan seinen Helm vom Kopf und hieb ihn frustriert auf den Boden. „Verflucht, Crusader, diesmal hätte ich dich fast gehabt.“
Crusader verbeugte sich kurz und knapp, eine Geste die Donovan mit hochrotem Kopf sofort nachholte, zog sich ebenfalls die Maske herunter und grinste breit. „Solange du nicht lernst, deine Gefühle im Zaum zu halten, Donovan, wirst du weder mir noch Ohka jemals gefährlich werden können. Aber ich muss zugeben, du hast Fortschritte gemacht.“ sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Für Außenstehende schien Kendo eine einfache Sportart zu sein, doch wer diesen Sport ernsthaft betrieb wusste, wie schweißtreibend ein ausgiebiges Kendo-Training
„Noch eine Runde?“ fragte Crusader, doch Donovan schüttelte nur den Kopf. „Nein, danke, ich bin fix und fertig. Ich warte lieber auf Fujimori.“
„Ich verstehe.“ grinste Crusader und schaute den Piloten von der Seite an.
„Hey, ich meinte Kendo, ist das klar?“
„Aber sicher.“ grinste Crusader weiter bis Donovan die Augen verdrehte. „Meine Güte, ja, ich finde sie sehr schnuckelig, aber das findet sie sicherlich anders herum nicht.“
„Ach und warum nicht?“ fragte Crusader während sich die beiden auf den Weg zu den Unkleidekabinen machten.
„Naja, bis auf ein paar Verrückte wie dir, Ohka, Kali, Skunk und dem Rest meiner verrückten Staffel gibt sich doch kaum jemand mit mir ab. Und wenn, dann bin ich immer noch nur gerade mal so geduldet. Und wenn Fujimori mit Euch nicht Kendo trainieren würde, hätte ich sie wohl nicht mal kennen gelernt.“
„Du warst vor ihr beim Kendo, du trainierst jetzt schon fast ein Jahr mit uns. Vielleicht hat sie wegen dir angefangen?“
„Ach Unsinn, wer will schon mit dem Abschaum der Navy…“
Crusader schüttelte den Kopf. „Donovan, jetzt hör auf. Du bist wieder im Range eines Second Lieutenant, du hast das Cross in Bronze. Verflucht, seit du in einer Nighthawk fliegst, bist du immer besser geworden. Zwar nicht so gut wie ich…“ grinste Crusader und steckte dafür einen Rempler ein. „Aber immerhin so gut, dass man dir jetzt auch einen Wing übertragen hat. Würden sie das tun, wenn sie nicht überzeugt wären, dass sie es mit einem guten Piloten zu tun haben?“
Jetzt musste auch Donovan ein wenig Grinsen. „Naja, vielleicht hast du ja Recht. Aber ich und Fujimori…?“
In diesem Augenblick gellte der Alarm los. „Ich denke, die Antwort auf diese Frage wird warten müssen.“ sagte Crusader und beide hasteten in die Umkleidekabine. Der Krieg hatte sie von einem Augenblick auf den nächsten wieder.

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An Bord der Columbia

Lieutenant Commander Santiago „Tigre“ DeLaCruz ging zu seinen Leuten und wusste sofort, wie er ihre Gesichtsausdrücke zu deuten hatte. Offensichtlich hatte sich die Einsatzbesprechung bereits herum gesprochen.
„Gelbe Staffel, sofort an eure Maschinen, ich will dass ihr in einer halben Stunde voll aufgetankt, aufmunitioniert und abmarschbereit seid.“
„Wozu denn“ maulte Mouth, die ihr Callsign aus genau diesem Grunde hatte. „Wir dürfen doch eh nur wieder Babysitter für Big Basket spielen, während sich die anderen die Abschüssen holen.“
`Und abgeschossen werden` schoss es Tigre durch den Kopf. Sicher, Mouth hatte Recht, verglichen mit den Nighthawks hatten die Griphen gegen die Akarii zumindest auf dem Papier keine Chance. Doch dafür war die gelbe Staffel auch selten an der vordersten Front und spielte eher zur Absicherung eine Rolle. Wie geschaffen für Tigre, der seine Staffel auch auf genau das eingetrimmt hatte. Sollten die anderen doch ihren Kopf immer wieder hinhalten, seine Leute waren letztlich diejenigen, die die Sicherheit der kleineren und dabei trotzdem mindestens ebenso wichtigen Shuttles und Frachter und nicht zuletzt der Columbia selber gewährleisteten. Es mochte sein, dass die anderen die gelbe Staffel abschätzig betrachteten, doch dafür hatte Tigre in den knapp zwei Jahren, in denen er auf diesem Schiff Dienst tat, gerade einmal eine Handvoll Piloten verloren. Es gab andere Staffelführer, die nach jeder Schlacht so viele Verluste zu beklagen hatten. Viel Feind, viel Ehr, viel Tod, wie man so treffend sagte. Beta Borealis hatte erneut alle Staffeln hart getroffen, ganz zu schweigen von der Vernichtung der Moskau und Deutschland. Doch die Gelben hatten verglichen mit den übrigen weniger stark gelitten. Ein einziger Pilot war tot, ansonsten hatten sie nur ein paar leichte bis mittelschwere Verwundete davon getragen. Dafür hatten sie aber auch nur insgesamt drei Maschinen abgeschossen, aber darum war es Ihnen auch nicht gegangen. Je mehr du von ihnen störst, desto weniger können dein Mutterschiff angreifen, war die eiserne Regel der Defensivstaffeln, zu denen die Gelben nun mal zweifellos gehörten.
„Ruhe, Mouth!“ schnauzte inzwischen Diane „Lady Death” Balestier die kleinwüchsige schwarze Pilotin an. „Wenn du ein Problem mit Lone Wolfs Befehl hast, willst du es ihm vielleicht selbst sagen?“
„Nein, Ma´am“ gab Mouth kleinlaut zurück und war dann still. Tigre nickte seiner XO zu, die schon seit ihren gemeinsamen Tagen bei der Operation Magellan mit ihm in einer Staffel diente. Damals hatte er fast alle seines Kommandos verloren und ohne Diane hätte er nicht gewusst, ob er hätte damit fertig werden können. Doch ihre pragmatische und resolute Art hatte ihm in mehr als nur einem Fall geholfen.
Sie war als ehemalige Staffelführerin, die sich seit Manticore mit dem Wissen abgefunden hatte, den Rang eines 1st Lieutenant niemals verlassen zu können, perfekt als XO der gelben Staffel geeignet.
Im Grunde genauso wie Tigre. Karriere zu machen schien viele der Staffelführer und XO´s anzutreiben, so als befänden sie sich in einem Wettstreit untereinander. Doch Tigre und Lady Death wussten, dass es Wichtigeres gab als das: Leben, Freiheit und Freundschaft.
Sie würden ihren Dienst ohne Murren und Maulen erfüllen. Und sie würden diesen gottverfluchten Krieg irgendwie überleben.
Zumindest betete Tigre darum, denn sicher war keiner von Ihnen, zu keiner Zeit!

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An Bord der REPULSE
Im Beta Borealis-System

Commander Igor Maleetschev verließ das Shuttle und trat hervor in den Hangar der REPULSE. Er war hier um seinen neuen Dienst anzutreten, nachdem sein früheres Schiff, die INDIANAPOLIS, während der Schlacht um Beta Borealis bei dem Versuch die DEUTSCHLAND zu schützen vernichtet wurde. Sie hatten hart gekämpft, doch letztendlich hatte das Schiff wie so viele andere nicht überlebt. Und nun wurden die Überlebenden und Unverletzten auf die anderen Schiffe aufgeteilt. Er hatte bislang noch nicht einmal Unterlagen erhalten, um sich auf sein neues Kommando vorzubereiten.
Als er die kurze Rampe des Schiffes herunter schritt, pochte sein Herz, und er war sowohl nervös als auch erfüllt von Vorfreude. Er erkannte, dass ein Teil der Crew angetreten war, um den neuen Ersten Offizier des Ticonderoga-Kreuzers und einige weitere neue Crewmember in Empfang zu nehmen. Und Igor war sich dieser Ehre durchaus bewusst, die es bedeutete einem so großen Schiff als Erster Offizier zugewiesen worden zu sein.
Auch die REPULSE war während der Beta-Borealis-Schlacht angeschlagen worden, aber die Kreuzergruppe 2.3 hatte besser zusammenhalten und die COLUMBIA schützen können. Aber ohne Verluste war auch hier der Kampf nicht über die Bühne gegangen. Die Sekundärbrücke mitsamt dem früheren XO war vernichtet worden, dazu noch knapp ein weiteres Fünftel der knapp 900 Mann starken Crew. Und das war der Grund, warum Igor nun hier war.
Er blieb vor dem Kapitän stehen und salutierte zackig. „Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen, Captain.“
Captain Jamal Atkins erwiderte den Gruß. „Erlaubnis erteilt. Willkommen an Bord Commander.“
Dann drehte sich der Kapitän des Ticonderoga-Kreuzers zu seinen Leuten um. „Commander, darf ich Ihnen Lieutenant Commander John Vickers vorstellen. Er ist der Zweite Offizier.“
Igor drückte die Hand des jungen Mannes, der ihm viel zu jung für einen Lieutenant Commander vorkam. `Reiß dich zusammen, Igor` schoss es ihm durch den Kopf. `Du bist eigentlich auch nicht alt genug für einen Commander.` Es war Krieg und unter diesen Umständen hatten schon häufig Männer in sehr jungen Jahren eine Karriere gemacht, für die in andere in Friedenszeiten Jahrzehnte benötigten.
Captain Atkins stellte ihm weitere verantwortliche Offiziere vor, unter anderem einen ebenfalls noch sehr jungen 1st Lieutenant, der ihm als Heinrich Prinz zu Sayn-Bismark vorgestellt wurde und der der leitende Waffenoffizier des Schiffes war. Dann noch eine Joanna Newham, eine 2nd Lieutenant, die die Verantwortung für den Nachschub trug und die laut Atkins ebenfalls neu auf dem Schiff war. Igor fragte sich, ob sie etwas mit der einflussreichen Politikerfamilie der Newhams zu tun haben könnte, die reihenweise Senatoren und Gouverneure stellten.
Und als Atkins ihm den letzten der Führungsoffiziere vorstellte, der wie Igor selbst gerade erst an Bord gekommen war, runzelte Igor endgültig die Stirn. „1st Lieutenant Guillaume Girad haben Sie ja bereits auf dem Flug hierher kennen gelernt. Er wird die Kommunikationskontrollen übernehmen. Vielleicht kennen Sie seinen Großonkel, Admiral Girad von der dritten Flotte“ sagte Atkins und Igors Blick zuckte wieder zum Zweiten Offizier hinüber. `Vickers? Sayn-Bismark? Newham? Girad?`
Es war ja durchaus üblich, dass es auch Kinder von Prominenten in den Streitkräften gab. Bestes Beispiel war der verstorbene Prinz James Windsor gewesen. Doch das gleich vier dieser Art auf einem Schiff Dienst taten, war äußerst ungewöhnlich und kam ihm nicht wie ein Zufall vor. Und dann waren sie alle noch so blutjung. Irgendetwas stimmte hier nicht, und zwar gewaltig, dessen war sich Igor mit einem Mal sicher. Die REPULSE war ein schwerer Kreuzer der Ticonderoga-Klasse, wenn auch nicht das neueste Schiff, doch dafür mit einer hervorragenden Crew und einem erstklassigen Kapitän. Sie kämpfte fast immer an vorderster Front, hatte schon viele bedeutende Schlachten miterlebt. Captain Jamal Atkins war ein angesehener Offizier, ein ruhiger, sicherer Kapitän. Er hatte das Schiff bereits durch fast alle Schlachten dieses Krieges geschleust und stets das Glück auf seiner Seite gehabt, und sowohl er als auch einige seiner Offizierscrew hatten Auszeichnungen erhalten. Bis sie nach Beta Borealis kamen. Einige Treffer mittschiffs, die Vernichtung der Sekundärbrücke, der Verlust einiger wichtiger Offiziere inklusive des XO und fast einem Fünftel der Crew hatte das Schiff schwer getroffen.
Man kannte also getrost von einem Neuanfang sprechen. Und das dann mit einem Haufen neuer Offiziere, von denen einige ihren Posten unter zumindest zweifelhaften Vorzeichen bekommen haben könnten..
Maleetschev bemühte sich, nicht voreilige Schlüsse zu ziehen, aber er fragte sich auch, warum er hier war. Er war von seinem früheren Posten abgezogen worden, um hier die vakant gewordene Position des Ersten Offiziers zu übernehmen. Und irgendetwas sagte ihm, dass das kein Zufall war. Er fühlte sich eigentlich noch nicht weit genug für die Position eines XO auf einem Ticonderoga. Aber offensichtlich sah das die Führung der zweiten Flotte anders.

„Commander, in Anbetracht der Situation sollten wir vielleicht direkt zu meiner Kabine gehen?“ fragte ihn Captain Atkins höflich aber bestimmt.
„Aye, Sir“ gab Igor zurück, obwohl er sich fragte, welche Situation der Captain meinte. Als sie sich ein paar Schritte entfernt hatten, drehte sich Igor noch einmal zu den übrigen Offizieren um und sah, dass sich Vickers und die anderen drei unter großem Hallo begrüßten. Sein Instinkt hatte ihn also nicht betrogen, die vier kannten sich offensichtlich sogar sehr gut.
Als sie schließlich in der Kapitänskajüte angekommen waren und die Tür geschlossen war, legte der Captain sofort los, während er sich hinsetzte und Igor den leeren Stuhl anbot. „Was halten Sie von den Führungsoffizieren, Mr. Maleetschev?“
Igor räusperte sich. „Ich habe noch keine Einblick in die Akten gehabt, daher kann ich mir kein Urteil bilden, Sir.“
Atkins musterte Igor. „Das werden Sie aber sehr schnell tun müssen. Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein, ich brauche Ihre Hilfe.“
Igor runzelte die Stirn. Er hatte mit vielem gerechnet, nur nicht hiermit.
„Ja, ganz Recht. Ich brauche Ihre Hilfe. Sie haben John Vickers und Heinrich Sayn-Bismark kennen gelernt und ich sage es gleich vorneweg: Die beiden sind Nervensägen. Arrogant, aufsässig, besserwisserisch, karrieregeil, die ganze Palette. Und jetzt da zusätzlich auch noch Joanna Newham und dieser Girad an Bord sind, wird es sicher nur noch schlimmer werden.“
Igor schüttelte den Kopf. „Sir, ich verstehe nicht ganz, warum das Ganze ein Problem sein sollte...“
„Hören Sie, Commander. Ihr Vorgänger und ich hatten alle Hände voll zu tun nur mit Vickers und diesem selbst ernannten Prinzen von irgendwas. Jetzt da auch noch eine Politikertochter und ein Admiralsneffe mit von der Partie sind, wird diese Clique meine und auch Ihre Autorität vollkommen untergraben.“ Igor setzte zur Widerrede an, doch Atkins ließ ihn nicht ausreden. „Ich meine, ich kenne Ihre Akte, Commander, und sie mussten sich genau wie ich alles hart erarbeiten. Uns hat niemand etwas geschenkt, und diese Rotzlöffel von Möchtegernoffizieren kommen mit ihren guten Beziehungen daher und denken, sie könnten das Kommando übernehmen. Alle diese verzogenen Gören aus gutem Hause taugen doch nicht ein Stück zu etwas Gutem, oder?“
„Da bin ich nicht ganz ihrer Meinung, Sir. Auf der Dolphin habe ich das Zimmer mit Lucas Cunningham geteilt und er ist ein tadelloser Offizier…“
Atkins nickte. „Ja, ich kenne ihn, er kommandiert die Angry Angels. Aber er ist eher die Ausnahme, glauben Sie mir Commander. Vickers und seine Leute sind da leider ganz anders. Sie glauben ja nicht, welche Hebel Sayn-Bismark in Bewegung gesetzt hat, um seinen Kumpel zum XO dieses Schiffes zu machen. Ich musste das einfach verhindern, und als ich Captain Singh um Rat gefragt habe, hat er mir Sie empfohlen.“
„Sie haben Captain Singh gefragt?“
„Ja.“ antwortete Atkins während er Igors Akte öffnete, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag. „Ihre Auszeichnung und ihre Ergebnisse beim Perisher sprechen ohnehin schon Bände. Zudem waren sowohl Singh als auch Ihr letzter Captain der Meinung, sie wären dieser Aufgabe gewachsen. Sie sind jung, sie sprechen quasi ihre Sprache und sie haben ebenfalls eine steile Karriere gemacht. Doch die haben Sie sich selbst erarbeitet, sie stehen mit beiden Beinen auf dem Boden und lassen sich von großen Namen nicht beeindrucken.“ Atkins blickte Igor mit festem Blick an. „Ich möchte, dass Sie mir bei dieser Aufgabe helfen, Commander. Wenn wir beide versagen, kann sich das fatal für das Schiff auswirken. Oder glauben Sie, dass ein Haufen karrieregeiler Society-Prominenz in der Lage wäre, ein Kriegsschiff zu führen? Gott behüte uns vor so einer Situation…“
Igor blickte seinen neuen Kapitän an und war sich mittlerweile gar nicht mehr so sicher, ob er sich auf seinen neuen Posten überhaupt freuen konnte.
19.12.2015 06:37 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Tyr

Zweiter Tag der Suche

Inzwischen waren fast vierzig Stunden seit dem Zwischenfall mit dem Tanker vergangen.
Und von dem Akarii fehlte jede Spur. Waren viele der Piloten zu Anfang der Suche noch optimistisch gewesen und hatten mit einem schnellen Erfolg gerechnet, so begriffen nach den ersten zwölf Stunden immer mehr, dass sie eben doch ein verdammt großes Raumgebiet zu durchkämmen hatten.
Und da von den Trägern der Zweiten Flotte nur die Columbia im Einsatz war, waren die Einsatzkräfte für die Suche begrenzt.
Die beiden Falcon-Staffeln hatten die eigentliche Aufklärungsaufgabe im Asteroidengürtel übernommen. Vierundzwanzig Jäger waren für diese Aufgabe nicht viel, und so kamen sie nur langsam vorwärts.
Der Asteroidengürtel war ein Labyrinth aus unzähligen Gesteins- und Eisbrocken von der Größe eines Staubkorns bis zu der einer Korvette. Die Reichweite der Sensoren war in diesem ständig in Bewegung befindlichen Irrgarten begrenzt. Die unterstützenden Kriegsschiffe und SWACS-Shuttles tasteten den Rand des Asteroidengürtels ab, doch im Inneren des Gürtels lag die ganze Arbeit auf den Schultern der zu Aufklärern umfunktionierten Jäger.
Dies war eine aufreibende, langwierige und gefährliche Arbeit.
Ausgesetzte Sensorbojen sollten sicherstellen, dass die bereits durchkämmten Gebiete auch „sauber“ blieben. Allerdings waren diese Geräte noch relativ neu, notorisch unzuverlässig und nicht sehr gut angesehen. Es hatte schon zwei Fehlalarme gegeben.

Die Schwarze Staffel eskortierte sektionsweise die drei im Einsatz befindlichen SWACS-Shuttles. Diese Arbeit war weniger anspruchsvoll als die Aufgabe der Staffeln Blau und Grün, aber wesentlich langweiliger.
Die Piloten waren in den letzten zwölf Stunden praktisch nicht aus ihren Maschinen gekommen und hatten vorher nur ein paar Stunden ausruhen können. Inzwischen hielten sich die meisten nur noch mit ‚Wachhaltern‘ und Pflichtgefühl auf den Beinen.
Die Veteranen beherrschten immerhin die Kunst, während des endlos scheinenden Eskortflugs immer mal für ein paar Minuten ‚abzuschalten‘. Aber das war natürlich kein Ersatz für Schlaf und Ruhe.
Während die SWACS-Shuttles quälend langsam, aber mit stupider Gründlichkeit über dem Asteroidengürtel kreuzten, blieb den Piloten wenig zu tun, als den vorgeschriebenen Abstand zu halten, auf die kurzen Funksignale der anderen SWACS-Teams und der im Inneren des Asteroidengürtels operierenden Falcon-Wings zu achten und zu warten. Zu warten...

Kano musste ein Gähnen unterdrücken. Er war hundemüde. Langsam fragte er sich, ob sie nicht ein Geisterschiff jagten. Schon dreimal hatte eines der SWACS-Shuttle oder eine der Falcons einen potentiellen Kontakt gemeldet – zusammen mit den Sensorbojen fast ein halbes Dutzend Fehlalarme, bei denen nie mehr gesichtet wurde, als ein seltsam geformter oder aus ungewöhnlichen Materialien bestehender Asteroid.
Entweder der Akarii war ungewöhnlich geschickt, oder er hatte ein schon unwahrscheinlich zu nennendes Glück. Oder die TSN suchte an der falschen Stelle...
„Sektion Drei, melden. Ohka hier, Alles klar.“
„Crazy hier. Kein Schwanz regt sich.“
„Goliath, Alles klar.“
„Renegade. Klar.“
Dieses Ritual wiederholte sich, mit geringfügig abgewandeltem Wortlaut jede halbe Stunde. Eigentlich war der einzige Sinn dabei, die Piloten halbwegs aufmerksam und wach zu halten.
Kano ließ den Kopf kreisen und blickte kurz hinüber zur Caulaincourt, die zu den unterstützenden Kriegsschiffen gehörte, die nach den ersten zehn Stunden der Suche zusätzlich zum Einsatz gekommen war, als klar wurde, dass die SWACS-Shuttle und die Raumjäger nicht ausreichten. Er war gerne Raumpilot, aber in diesem Augenblick beneidete er die Bordmannschaften der Kriegsschiffe. Die konnten wenigstens ihre Beine ausstrecken...

„Hier Beagle Zwei an Ohka. Wir haben da eine Anomalie auf Zwei Uhr, Drei.“ Die trockene, blechern klingende Stimme des Shuttlepiloten vertrieb mit einem Schlag alle Müdigkeit. Oder jedenfalls fühlte sich Kano momentan so: „Was haben Sie gefunden? Ist es...“
„Wohl kaum, zu klein. Könnte auch nur Raumschrott sein. Aber die Zusammensetzung ist untypisch für die Asteroiden. Vielleicht mussten sie was reparieren. Oder sind mit einem Asteroiden kollidiert...“
„Verstanden – Ohka an alle, V-Formation!“ Die Piloten der Sektion bestätigten einer nach dem anderen, die Stimmen klangen jetzt wachsam und angespannt. Auch wenn die meisten wussten, dass es vermutlich wieder nur falscher Alarm sein würde, jede Abwechslung war willkommen. Und vielleicht war es ja tatsächlich...
Kano rief den Flugplan auf. Nach dem Einsatzplan der Späher waren in diesem Quadranten zwei Maschinen der Blauen Staffel im Einsatz, wenn auch noch etwas zurück: „Huntress, hier Ohka. Unser SWACS hat was Interessantes gefunden. Wir kommen mal kurz rein.“
Die Antwort war schwer zu verstehen, das Asteroidenfeld störte auch die Kommunikation. „Verst...Kontakt halten...Wir folgen in einer Min...Bei uns nichts auf...ar...Glück!“
Kano überlegte, was die Staffelchefin ihm hatte sagen wollte, kam zu einem plausiblen Ergebnis und antwortete: „Verstanden, Danke. Bis gleich.“

Fast unwillkürlich kontrollierte er die Bordwaffen. Die Kanonen waren bereit und aufgeladen. Statt der vollen Bestückung von zehn Raketen trug die Maschine zwei Zusatztanks und acht Flugkörper: Phoenix und Sidewinder, die schwersten für die Nighthawk verfügbaren Raketen, die im Einsatz gegen größere Schiffe am sinnvollsten waren. Nicht, dass es ihre Aufgabe sein würde, den Gegner zu vernichten, dafür würden die Crusaders der Goldenen Staffel zuständig sein.
Das SWACS-Shuttle änderte den Kurs und beschleunigte so abrupt, dass die Nighthawks kurz zurückblieben. Offenbar brannte der Shuttlepilot auch darauf, etwas anderes zu tun, als endlos die vom Bordrechner vorgegebenen Suchschleifen zu fliegen.
Kano grinste beinahe, dann konzentrierte er sich auf die Bordinstrumente.
Ja, da war zweifelsohne etwas, eine regelrechte Wolke von Objekten, die sich auf einer geringfügig anderen Bahn bewegten, als die umgebenden Asteroiden. Und wenn die vom SWACS-Shuttle überspielten Daten stimmten, dann war die Zusammensetzung dieser Objekte ungewöhnlich und kaum natürlichen Ursprungs.

Während sich das Shuttle mit hoher Geschwindigkeit dem Asteroidengürtel und der Anomalie näherte, überlegte Kano fieberhaft, was die Herkunft dieser Objekte sein konnte, wenn sie denn von dem gesuchten Akarii stammten.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass es sich dabei um ausgestoßenen Müll handelte. Der Akarii würde doch nicht so dumm sein, eine Spur zu hinterlassen. Für die Überreste eines Zusammenstoßes hingegen war es zuwenig Material. Wenn das ein akariischer Versuch war, einen derartigen Unfall und die Beschädigung des Gejagten vorzugaukeln, dann war es ziemlich dilettantisch gemacht. Aber wenn das nicht der Grund war, was dann?
Unwillkürlich hatte er etwas den Schub gedrosselt und die anderen Maschinen der Sektion waren ihm darin gefolgt.
Kanos Gedanken rasten. War das vielleicht ein Köder für einen Hinterhalt? Unmöglich, nirgendwo in der näheren Umgebung konnte sich ein Kriegsschiff verstecken. Das ungewisse, aber unverkennbare Gefühl naher Gefahr wurde immer stärker.

Und dann wusste er es – und die Erkenntnis fuhr wie glühende Klinge durch seine Gedanken.
„ABBRUCH! ABBRUCH! ABDREHEN – MAXIMALSCHUB!!“ Seine Stimme überschlug sich beinahe. Goliath reagierte sofort, gefolgt von Crazy und Renegade. Letzterer aber gehorchte nicht stumm: „Was soll der Scheiß?!“
Gleichzeitig schaltete sich der Shuttlepilot ein: „Spinnt ihr?! Was soll der...“ Er kam nie dazu, den Satz zu beenden und die Antwort auf seine Frage erreichte ihn nicht mehr.
Denn binnen Sekunden blühten zwischen den durchs All treibenden Asteroiden und Metalltrümmern eine, zwei Miniatursonnen auf, dehnten sich aus und verschlangen lautlos, fast beiläufig Raumschrott, Gesteins- und Eisbrocken – und die Raumfähre.
Kanos Ruf kam zu spät für die sechs Männer des SWACS-Shuttles: „MINE!!“
Im gleichen Augenblick erfasste die doppelte Druckwelle die fliehenden Nighthawks, wirbelte die tonnenschweren Hochleistungsjäger wie Spielzeugflugzeuge aus ihrer Bahn.
Die Instrumente in Kanos Maschine spielten verrückt, während er verbissen versuchte, mit den Steuerdüsen die Flugbahn zu stabilisieren.
Gleichzeitig herrschte auf den Funkkanälen totales Chaos. Entsetzensschreie, Flüche und Fragen machten für Sekunden jede Verständigung unmöglich.
Endlich hatte Kano den Raumjäger wieder unter Kontrolle, sah sich nach den drei anderen Maschinen um. Da war Goliath, neben ihm Renegade. Dann sah er Crazy und musste einen Fluch unterdrücken. Die Maschine seines Flügelmanns taumelte immer noch unkontrolliert durch den Raum. Von dem Haupttriebwerk war fast nichts mehr übrig, das hintere Drittel des Rumpfes war regelrecht ausgeweidet.
„Crazy - Melden!“
Die Stimme des Piloten klang schwach, der Empfang war schlecht: „...hier...interne Ex...iebwerk. Cockpit beschäd...verwundet.“
„Halt durch. Hilfe ist unterwegs.“ Angespannt verfolgte Kano die Bahn des schwer beschädigten Jägers. Wenigstens entfernte sich die Maschine vom Asteroidengürtel. Dann schaltete er um: „Ohka an Columbia! Wir brauchen sofort eine Rettungsfähre! Minenexplosion. Shuttle Zwei vernichtet. Schwarz Zehn schwer beschädigt, Pilot verwundet. Beeilen Sie sich!“

Die Zeit verging quälend langsam, bis endlich die Antwort kam: „Wir sind unterwegs. Geben Sie genaue Position des Havarierten...“
Eine halbe Stunde später war Crazy an Bord des Rettungsshuttles. Sogar den beschädigten Jäger hatte man bergen können, auch wenn die Maschine vermutlich in den nächsten drei, vier Wochen genauso wenig würde starten können, wie der Pilot.
Die anderen drei Nighthawks der dritten Sektion, alle leicht bis mittel beschädigt, kehrten zur Columbia zurück.
Kano landete mit einem unguten Gefühl. Er würde einiges zu erklären haben...


„So ein gerissener Hund.“ in Wulffs Worten schwang gleichzeitig Wut, Frustration, aber auch eine gewisse, grimmige Bewunderung mit.
Captain Waco war nur wütend: „So kann man es auch sagen. Dieses Arschloch hat genau vorausberechnet, wie wir vorgehen werden. Er setzt uns einen netten Köder vor die Nase, nicht zu auffällig, aber so, dass wir todsicher mal nachsehen werden. Dazu noch zwei Raumminen und die Falle ist komplett. Zumindest kann er uns so den Spaß ganz schön verderben. Und die Suche verzögern. Ganz zu schweigen davon, dass einiger unserer Leute jetzt wohl die Hosen gestrichen voll haben werden. In diesem Scheiß-Asteroidenfeld eine Mine rechtzeitig zu finden – das ist wie Tontaubenschießen im Dunkeln...“
„Da dürften Sie recht haben, Captain.“
„Und was nun – Sollen wir einfach aufstecken und bis Weihnachten warten?!“ explodierte Captain Waco.
Damit ging er zu weit, Wulffs Stimme gefror zu purem Eis: „Sie vergreifen sich im Ton, Captain!“
„Entschuldigen Sie, Ma‘am.“
„Wir geben nicht auf. Wir machen weiter. Aber ich will, dass Sie die genauen Parameter der erbeuteten Raumminen an die Aufklärer und die verbliebenen SWACS-Shuttle schicken. Und alles was nur im ENTFERNTESTEN die passende Größe oder Zusammensetzung hat, wird in seine Einzelteile zerblasen. Der Trick hat einmal funktioniert – aber das war das letzte Mal.“
„Soll ich bei den anderen Trägern Verstärkung anfordern?“ Wacos Stimme klang wenig enthusiastisch. Und in dieser Frage war auch Wulff derselben Meinung: „Auf keinen Fall. Das würde uns ewig anhängen, wenn eine komplette Trägerkampfgruppe – ein Elitegeschwader – nicht mit einer dreckigen Fregatte oder einem Zerstörer fertig wird. Wir schaffen das und wenn wir jeden einzelnen Asteroiden sprengen müssen!“
„Jawohl!“

Die drei noch flugfähigen Piloten aus Kanos Sektion nutzten die Zeit, bis ihre Maschinen wieder startbereit waren, um etwas zu essen. Allerdings nicht gemeinsam, Renegade suchte sich gezielt einen eigenen Tisch.
Doch auch Ohka und Goliath hatten sich wenig zu sagen, sie waren einfach fertig. Hastig, ohne richtig zu schmecken was sie da runterschlangen, aßen sie. Danach legte Kano, noch in Fliegerkombination, den Kopf auf die Arme und war binnen Sekunden eingeschlafen. Goliath schlief ebenfalls, den Kopf auf die Brust gesackt.
Keine Stunde später aber mussten sie wieder starten. Die Jagd ging weiter.
19.12.2015 06:38 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Die meisten Piloten hatten angenommen, dass sich die Suche nach den Akarii relativ einfach gestalten würde. Immerhin handelte es sich – soweit bekannt war – bei den Gegnern nur um einen Zerstörer. Das Columbia-Geschwader hatte schon viele Schiffe dieser Größenklasse aufgespürt und unschädlich gemacht, nicht selten unter Bedingungen, die keineswegs als optimal zu bezeichnen waren.
Dass es den Gesuchten gelingen würde, sich so geschickt ihren Verfolgern zu entziehen, hatten nur wenige für möglich gehalten. Aber schließlich waren sie eher an den „leeren Weltraum“ gewöhnt – die Bedingungen in einer Umgebung wie dieser waren etwas völlig anderes. Die Reichweite der Sensoren verringerte sich, und wie auf der Erde in der Zeit vor der Entwicklung tauglicher Radargeräte Wolken den Kampffliegern Deckung geboten hatten, konnte sich der Zerstörer inmitten der Gesteinsbrocken verbergen.
Zunächst hatten einige vermutet, der Akarii hätte einfach zugeschlagen und sich dann über einen Sprungpunkt abgesetzt – oder ein Wurmloch. Erst die Minen, die Beagle Zwei zerrissen und einen Jäger beschädigten, hatten mit dieser Annahme aufgeräumt. Die Lässigkeit, mit der einige Piloten die „sinnlose Suche“ betrieben hatten, gehörte nun der Vergangenheit an. Blutverluste, vor allem, wenn sie durch solch „heimtückische“ Methoden entstanden, stachelten die Soldaten stets zusätzlich an.
Aber dennoch war der Akarii nicht zu finden. In Paaren und Sektionen durchsuchten die Maschinen der Staffeln Blau und Grün das Asteroidenfeld, und langsam machte sich Ernüchterung und Erbitterung breit. Für zwei Dutzend Maschinen war das Gebiet groß – beinahe zu groß, um einen Erfolg sicherzustellen. Außerdem konnten natürlich nicht alle Maschinen zugleich suchen – sie mussten aufgetankt und gewartet werden, und die Piloten brauchten Ruhe.

Die Dritte Sektion von Staffel Grün war bereits seit zwei Stunden im Einsatz. Die vier Maschinen bildeten einen Suchstreifen. In ihrer gewohnt ,rücksichtsvollen' Art hatte Lilja absolute Funkstille angeordnet. Sie wollte damit sicherstellen, dass die Aufmerksamkeit der Piloten gewahrt blieb, vor allem aber wollte sie eine Anpeilung durch die Akarii verhindern. Ohnehin bestand die Möglichkeit, dass der Gegner irgendwo 'stillgelegt' lag und seine Passivortung laufen ließ, in der Hoffnung, rechtzeitig die Ortung der menschlichen Jäger zu bemerken, so dass er sich absetzen konnte. Hier genügten Entfernungen, die ansonsten im Weltraum quasi ein Katzensprung waren, und die Jäger würden an ihrer Beute achtlos vorbeiziehen. Deshalb wollte Lilja es den Akarii nicht noch zusätzlich leicht machen. Eine Ausnahme durfte nur gemacht werden, wenn die Maschinen von außerhalb angerufen wurden oder ein Notfall beziehungsweise ein ernsthafteres Problem vorlag – und das machte die Situation der Piloten noch etwas unangenehmer. Ein paar müßige Worte konnten helfen, die endlose Zeit etwas weniger endlos erscheinen zu lassen. Das grandiose Schauspiel des Asteroidenfeldes hatte inzwischen an Zauber verloren, und stundenlang auf die kleinen Monitore zu starren und die Zusammensetzung der Objekte in der Umgebung zu überprüfen, war eine Beschäftigung, die nicht unterhaltsamer war als Schreibtischarbeit. Aber bei dieser konnte man wenigstens mal aufstehen – und meist bestand wenig Aussicht, dieser Beschäftigung auch noch in den nächsten Tagen nachgehen zu müssen.

Liljas Jäger war innerhalb des Suchstreifens auf der Position „Links außen“. Die Russin trommelte mit ihren Fingern probeweise auf einem ihrer Ortungsbildschirme, ließ das aber fast sofort wieder sein. Mit den Handschuhen ihrer Fliegerkombination war das auch kein Vergnügen. Blieb also nur dasitzen und starren. Sicher hätte sie sich in Gedanken an einen anderen Ort versetzen können, doch dazu war sie zu pflichtbewusst. Außerdem gefiel ihr die Umgebung ganz und gar nicht. Für einen Jäger war zwar zwischen den Asteroiden noch genug Platz – Mikrotrümmer verglühten an den Schilden. Aber man musste die Bahnen der Raumkörper im Auge behalten. Selbst ein „kleiner“ Asteroid konnte eine ähnliche Durchschlagskraft entwickeln wie eine Rakete, wenn er schnell genug war.
Immer wieder wanderten ihre Augen zu den Symbolen auf dem Ortungsschirm, welche die anderen Kampfflieger darstellten. Sie machte sich wenig Gedanken um Katana, aber die beiden anderen waren bei weitem nicht so erfahren. Die Russin lächelte grimmig. Wenn sie nicht selber Funkstille angeordnet hätte, wäre sie vermutlich alle fünf Minuten einem der Neulinge mit einer Ermahnung oder Anfrage zur Last gefallen, um nur ja sicherzugehen, dass diese nichts falsch machten.

Ein weiterer Bildschirm zeigte eine grobe Karte des Asteroidenfeldes. Die Bereiche, die bereits abgesucht worden waren, waren grün eingezeichnet. Gelb leuchteten die Gebiete, die noch zu durchsuchen waren, rot die Abschnitte, in denen im Augenblick Maschinen auf der Jagd waren. Sensoren in den bereits kontrollierten Bereichen sollten gewährleisten, dass sich der Akarii nicht durch die Linien schlich – aber ob das auch gelingen würde, blieb eine andere Frage.
Die Russin kontrollierte noch einmal ihre Route. Noch etwa eine halbe Stunde Flug, dann wurde es langsam Zeit, an den Rückweg zu denken. Endlich würde sie an etwas anderes denken können als an die kalten Eis-, Gesteins- und Metallbrocken. Wenn alles glatt ging.

Doch als das Unglück sich schließlich ereignete, konnte Lilja nichts dagegen tun. Die Sektion hatte das Ende ihres Suchstreifens erreicht und setzte zur Wende an. Die Kommandeurin gab knappe Anweisungen, selbst jetzt darum bemüht, nur ja kein überflüssiges Wort zu verlieren. Die vier Falcon-Abfangjäger drehten in einer koordinierten Bewegung bei und machten sich auf den Rückflug.
Fidais Jäger flog im „Inneren“ der Formation. Die letzten Stunden hatte der junge Pilot angestrengt auf die Anzeigen gestarrt. Er wollte um jeden Preis einen Zwischenfall vermeiden, bei dem er um Hilfe rufen musste. Und wenn es ihm gar gelingen sollte, den feindlichen Raider aufzuspüren... Doch nichts hatte irgendwelche Hinweise auf den Zerstörer der Akarii gegeben.
Als der Befehl zur Wende kam, folgte Fidai dem Manöver seines Vorgesetzten. Er warf einen raschen Blick auf die Anzeigen, ob diese einen Asteroiden nennenswerter Größe in seiner Flugbahn zeigten, doch die Sensoren gaben Entwarnung. Für einen Augenblick dachte er an den langen Rückflug zur Columbia und die nutzlose Einsatzbesprechung, die dort auf sie warten würde – die wer weiß wievielte. Er war nur eine Sekunde abgelenkt, aber das genügte.
Dicht an seiner rechten Seite rammte ein kleiner, aber schneller Asteroid einen größeren Brocken. Beide Himmelskörper zerbrachen in einer Wolke aus Eis, Metall und Gestein, die wie Schrapnelle in alle Richtungen davonrasten. Wäre Fidais Jäger nur ein wenig weiter entfernt gewesen, er hätte vermutlich reagieren können, oder die schiere Weite des Weltraums hätte ihn vor Schaden bewahrt.
So aber blieben ihm nur Sekunden zwischen dem Aufheulen des Alarms und den ersten Einschlägen – zu wenig Zeit. Hektisch versuchte er, den Nachbrenner einzuschalten und sich aus dem Gebiet des kosmischen „Beschusses“ zu retten. Aber er war nicht schnell genug.
Die Schilde des Jägers leuchteten auf, dann kollabierten sie. Einige wenige Brocken brachen durch, und schlugen mit Dutzenden Kilometern in der Sekunde auf die Außenhaut der Maschine. Auch die Panzerung nützte wenig.

Ein scharfes Zischen kündigte den Druckverlust der Pilotenkanzel an. Reflexartig überprüfte der Pilot die Versieglung seines Anzugs – die war noch in Ordnung. Aber das war auch das einzig Positive in dieser Situation. Die Bildschirme flammten noch einmal kurz auf, dann erloschen sie. Binnen Sekunden war die Maschine tot – so tot wie der Weltraum draußen. Dazu drehte sich der Jäger um sich selbst, durch die Wucht und Richtung der Einschläge in eine Rollbewegung versetzte. Fidai biss sich auf die Lippen. Ihm blieb keine Wahl – nicht mehr. Wenn die Triebwerke noch funktioniert hätten, hätte er den Jäger stabilisieren können. Im Augenblick konnte er jedoch nicht den geringsten Schub erzeugen. Und sein Jäger taumelte unkontrolliert und nicht eben langsam durch ein Gebiet, in dem eine Vielzahl von kleineren und kleinsten Brocken driftete. Die Chancen für einen weiteren Einschlag waren gering – aber dennoch vorhanden.
Mit einer Handbewegung aktivierte er den Schleudersitz und ließ sich aus dem Jäger katapultieren. Bei dem Gedanken, was selbst ein Mikrometeorit mit ihm und seinem Anzug anstellen konnte, fühlte er sich wie ein irdischer Seefahrer, der gezwungen war, in haiverseuchten Gebieten sein Schiff zu verlassen.

Erst jetzt hatte er Zeit, die Sprechanlage seines Anzugs zu aktivieren – der Bordfunk war schon vorher ausgefallen: „Hier Fidai. Einschlag im Jäger. Musste Aussteigen.“
Für einen Augenblick herrschte Schweigen auf dem Funkkanal. Dann ertönte die kühle, barsch klingende Stimme Liljas. In diesem Moment schien auch sie ihre übliche Gelassenheit zu verlieren: „Verdammt noch mal...!“ Doch schon war sie wieder ganz Kommandantin: „Positionsbake aktivieren und checken. Ich benachrichtige den Träger, dass sie ein Shuttle schicken, von der Columbia oder einem der Wachschiffe.“ Ihre Stimme klang ruhig, aber unterschwellig drohend, als sie hinzufügte: „Auswertung später.“
Fidai fröstelte, und das lag nicht nur an der Kälte in seinem Anzug. Er war noch keine Woche bei seiner neuen Staffel und hatte schon einen Jäger verloren, dazu nicht einmal im Kampf. Was mochten seine Kameraden jetzt von ihm denken? Vorerst blieb ihm jedoch nur, abzuwarten und auf Rettung zu hoffen.
So stark und unverwundbar die Kampfmaschinen auch schienen – unter Umständen konnten auch außerhalb des Gefechtes wenige Sekunden ausreichen, und aus ihnen hilflose Wracks machen. Oder Särge.

Ein halbe Stunde später sammelte ein Shuttle der Repulse den Piloten auf. Fidai hatte eine Unterkühlung, war aber sonst unverletzt. Nach kurzer Untersuchung wurde er an die Columbia unterstellt.
Im zentralen Hangar erwarteten ihn bereit Lightning und Lilja. Die Kommandantin der Staffel musterte den Iraker kurz, wie um sich zu überzeugen, dass es ihm gut ging. Liljas Mine hingegen war „sturmumwölkt“, auch wenn sie sich in Gegenwart der Staffelchefin zurückhielt. Ihre Blicke waren aber mehr als deutlich.
Lightning wäre es keinesfalls eingefallen, den Piloten sofort mit Vorwürfen zu überschütten. Ihre Stimme klang nichtsdestotrotz kühl: „Lieutenant, ich freue mich, dass Sie unversehrt zu uns zurückgekehrt sind. Sie kennen die Vorschriften – ich erwarte umgehend Bericht.“ Sie hörte schweigend den Bericht an. Fidai beschönigte nichts, doch er versuchte auch zu erklären, warum er so und nicht anders gehandelt hatte. Sie ließ sich nicht anmerken, was sie dachte: „Ich erwarte umgehend einen schriftlichen Bericht, den ich dem Geschwaderchef vorlegen kann. Sie haben vier Stunden Zeit – bis auf weiteres sind Sie vom Flugdienst freigestellt.“ Fidai salutierte. Er wusste, was dies alles bedeutete. Die Streitkräfte würden sehr genau wissen wollen, warum ein mehrere Millionen teurer Jäger verloren gegangen war, noch dazu im Einsatzgebiet, wo mit Ersatz nicht zu rechnen war. Und sollte man zu dem Schluss kommen, dass er schuld war...
So konnte er nur vorschriftsmäßig grüßen und warten, bis man ihn gehen ließ. Er bemerkte sehr wohl den vernichtenden Blick, den ihm Lilja zuwarf. Die Russin schien keine Probleme zu haben, schon jetzt ein Urteil zu fällen. Und er fragte sich, ob seine Zeit auf der Columbia vorbei war, noch ehe sie richtig begonnen hatte.
20.12.2015 09:31 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ironheart

Sekundärbrücke, An Bord der REPULSE
Im Beta-Borealis-System

„Und ich sage euch, eigentlich müssten wir dieses Schiff führen und nicht dieser alternde Atkins und sein Emporkömmling von XO…“ Heinrich Prinz zu Sayn-Bismarck hatte seine Arme über der Brust verschränkt und zeterte mal wieder aus allen Rohren gegen die aktuellen Kommandanten der REPULSE, auch wenn er das im Augenblick nur flüsternd tat. Neben ihm standen Guillaume Girad, Joanna Newham und John Vickers „Wenn du das Kommando gehabt hättest, John, dann hätten wir diesen Renegaten ganz alleine ausfindig gemacht und hätten die Arbeit nicht ein paar jämmerlichen Jägern überlassen.“ Girad und Newham nickten eifrig, doch John Vickers blickte die Monitore der Sekundärbrücke nachdenklich an. Während dieses Einsatzes hatte Commander Maleetschev das Kommando auf der Brücke geführt und Vickers hatte das Kommando über die Sekundärbrücke erhalten. Der Captain hatte seine Entscheidung natürlich nicht begründet, aber John wusste, dass Atkins seinen neuen XO in Aktion hatte erleben wollen.
„Guillaume hätte das Schiff entdeckt,“ fuhr Sayn-Bismarck leise fort, so dass ihn die übrigen Besatzungsmitglieder and Bord der Sekundärbrücke nicht hören konnten, „du hättest den Angriffsbefehl gegeben, ich hätte den Arsch in die Luft geblasen und Joanna hier hätte uns allen einen schönen Kaffee gebracht…“
„Hey,“ protestierte Joanna Newham ob der Frotzelei des Chefs der Ortung und übertönte damit das gedämpfte Gelächter ihrer Kollegen „pass lieber auf, oder du kannst die Ersatzteile für deine Waffensysteme in Zukunft selbst bestellen.“
„Ist ja gut, ist ja gut“ gab Sayn-Bismarck zurück, wohl wissend, dass man sich lieber nicht mit der Nachschubchefin anlegen sollte, wenn man nicht im bürokratischen Sumpf ersaufen wollte.
„Trotzdem, John…“ Sayn-Bismarck schien nicht locker lassen zu wollen. „Wir sollten dieses Schiff führen. Nicht Atkins oder Maleetschev. Wir sollten uns etwas einfallen lassen, wie wir die beiden inkompetenten Trottel loswerden können, oder? Ich meine ein paar Kommentare und Bemerkungen und Kommentare an den richtigen Stellen und…“
Jetzt drehte sich John Vickers erst um und schaute seinen Kollegen an. Doch gerade in dem Augenblick, in dem er antworten wollte, kam ihm ein junger Ensign zuvor. „ACHTung, XO betritt die Brücke.“

Commander Maleetschev kam schnurgerade in die enge Sekundärbrücke und stellte sich zielstrebig vor den vier Offizieren auf, die bis auf John Haltung angenommen hatten. Während dieser sich langsam aus dem Kommandantensessel aufrichtete, sah er aus dem Augenwinkel, dass Newham einen tiefroten Kopf bekommen hatte, Girad versuchte ausdruckslos stur gerade aus zu schauen und Heinrich abschätzig grinste. John versuchte in den Augen des Commanders zu erkennen, ob er Sayn-Bismarcks Worte gehört hatte, was aber im Grunde unmöglich sein konnte, so leise wie sie gesprochen hatten. „Sir, alle Systeme melden Status Grün, bitte um Erlaubnis die Sekundärbrücke übergeben zu dürfen.“
Maleetschevs Augen verengten sich einen Augenblick, dann ließ er John mit einem kurzen Wink stehen. Stattdessen ging er hinüber zu Sayn-Bismarck und blickte diesem direkt in die Augen und das aus etwa zehn Zentimetern Abstand. Kein Wort fiel und Maleetschev wartete, doch wenn er gedacht hatte, dass Sayn-Bismarck sich von so etwas aus der Fassung bringen ließ, hatte sich der junge Russe getäuscht. Der Prinz blickte weiterhin mit einem abschätzigen Blick geradeaus und schien den Commander verhöhnen zu wollen.
„Lieutenant, können Sie mir sagen, was sie so witzig finden?“
„Nein, Sir! Ich bin nur gut gelaunt.“
„Mir wäre nicht bewusst, dass Sie dafür einen besonderen Grund haben sollten. Es sei denn, das Sie die Leistungen ihres Teams als schlechten Witz beschreiben würden. Dann würde ich tatsächlich mitlachen wollen.“
Das arrogant abschätzige Lächeln verschwand sofort vom Gesicht des Waffenoffiziers. „Sir, das kann ich nicht auf mir und meinen Männern sitzen lassen. Ich bin der Meinung, dass…“
„Ihre Meinung interessiert mich nicht, Lieutenant“ unterbrach ihn Maleetschev schroff. „Ihre Waffenabteilung hat volle vier Minuten gebraucht, nachdem die Jäger Ihnen die Koordinaten des feindlichen Schiffes übermittelt haben. Das ist inakzeptabel. Sie haben ihre Leute nicht im Griff, es wird generell zu langsam gearbeitet und es werden Fehler gemacht, die uns im Ernstfall alle den Kopf kosten können.“
Sayn-Bismarcks Augen hatten sch zu harten Schlitzen verengt, aber zum Glück war er schlau genug jetzt den Mund zu halten und starr geradeaus zu starren.
„Gut, Mr. Vickers, Sie behalten vorerst die Brücke.“ Dann griff Maleetschev zum Bordfunk und ließ sich die Primärbrücke geben. Nach einigen Befehlen hatte er eine ganze Latte an Übungsmissionen beim Captain angemeldet, was bei den Offizieren und Besatzungsmitgliedern der Sekundärbrücke mit einem Stöhnen quittiert wurde. Dann wandte er sich wieder an die versammelten Offiziere. „Wechseln Sie ihre Teams in vier Stunden aus, Sie werden die Übungen jetzt zweifach durchführen lassen. Ich erwarte Ihre detaillierten Berichte dann in zehn Stunden auf meinem Schreibtisch, haben wir uns alle verstanden?“ Ein zweites Stöhnen folgte dem ersten, doch der XO ging kommentarlos darüber hinweg und wandte sch wieder dem Ausgang zu.

„Commander, auf ein Wort bitte.“ rief ihm John nach, innerlich sich mühevoll im Griff haltend. Er und seine Offiziere hatten jetzt 10 Stunden Dienst auf ihrem Buckel und sollten nun 10 weitere Stunden ableisten.
Maleetschev winkte ihn heran, verließ aber trotzdem die Sekundärbrücke. John holte ihn vor dem Aufzug erst wieder ein.
„Mit Verlaub, Commander.“ John versuchte so höflich wie möglich mit seinem neuen Vorgesetzten zu bleiben. „Wenn Sie ein Problem mit Sayn-Bismarck oder seinem Team haben, hätten Sie das lieber in einem persönlichen Gespräch klären sollen statt in einer voll besetzten Sekundärbrücke, oder?“
Maleetschev Gesicht zeigte nun offene Wut. „Ich denke nicht, dass ich mich vor Ihnen rechtfertigen müsste, oder, 2O?“
„Nein, Sir.“
„Dann sind wir uns ja einig. Weggetreten.“
John Vickers nickte nur, drehte sich um und ging wieder zurück zur Sekundärbrücke. Wie es aussah, war er drauf und dran seine beiden Vorgesetzten gegen sich aufzubringen. Doch das war ihm im Augenblick egal, er hatte sich in den Kopf gesetzt Karriere zu machen und es seinem Vater zu zeigen. Und weder Atkins oder Maleetschev würden ihn dabei aufhalten können. Dafür würde er schon sorgen.
20.12.2015 09:32 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Ace

Der Befehl, einen Flight der Schwarzen Staffel zu ersetzen, der am Rande des Trümmerfelds patrouillierte, kam für Ace sehr überraschend. Noch überraschender waren die Informationen, dass einer der Jäger auf eine Mine gelaufen war... Und wer den Flight anführte. Kano Nakakura.

„Wie geht es Ohkas Flight?“
„Hier Big Basket. Geht es auch etwas militärischer, Ace?“
„Du hast mich auch so verstanden, Mahou“, kommentierte ich amüsiert.
Die Stimme von Second Lieutenant Ichigo klang halb verärgert, halb frustriert, als sie antwortete: „Nachdem er Minen gemeldet hat, forderte er einen SAR an. Es hat jemanden aus seinem Flight erwischt. Soll ich zum Pult der Schwarzen rüber gehen und den Lieutenant Commander löchern, oder wartest du auf das aktuelle Datenupdate?“
„Schon gut, ich warte auf das Update“, erwiderte ich leise.
„Hergehört, Rote Bande. Unser kleiner Akarii hat ein paar Minen ausgestreut. Die Schwarzen sind gerade auf welche aufgeflogen. Wie viele es sind und wo sie sich befinden, geschweige denn welche Sprengkraft sie haben, ist nicht bekannt. Also achtet auf merkwürdige Metallanomalien. Und auch wenn so eine Metallansammlung nicht explodiert, vermerkt sie.
Es kann gut sein, dass es sich um eine Antischiffsmine handelt, die darauf lauert eines unserer Dickschiffe zu erwischen. Obwohl ich bezweifle, dass sich auch nur einer unserer Kähne hier reintrauen wird.“
Dreimal hallte mir ,Verstanden’ entgegen.
Ich grinste schief. Von dem jungen Burschen, der vor fast vier Jahren voller Enthusiasmus an Bord der REDEMPTION gekommen war, um seine Heimat zu verteidigen, war nicht mehr viel geblieben. Ich war abgeschossen worden, hatte eine atomare Explosion aus nächster Nähe erlebt, war Kriegsgefangener gewesen und hatte in einem Monate dauernden Prozess Krebs ausheilen und einen neuen rechten Arm regenerieren müssen.
Danach hatte ich wochenlang darum kämpfen müssen, um wieder flugtauglich zu werden.

In diesem Moment hätte ich mir gerne über die Stirn gewischt, obwohl die Ventilation des Helms sich des feinen Schweißfilms bereits annahm. Das waren nur meine persönlichen Probleme gewesen. In der Zwischenzeit war es unserer Flotte tatsächlich gelungen, die Akarii nicht nur wieder über die Grenze zu treiben, sondern sogar in ihr Territorium einzudringen. Mittlerweile weit genug, um über ein Drittel des Staatsterritoriums vom Hauptreich zu trennen.
Nun schon einfältigerweise von einem Sieg zu sprechen, ja sogar von einer bedingungslosen Kapitulation, hielt ich für zu früh.
Gewiss, die Akarii waren auf dem Rückzug. Gewiss, der Thronerbe Prinz Jor sollte mit seinem Flaggschiff von seinem Reich getrennt worden sein.
Und gewiss, ich hatte läuten hören, dass unsere Trägerkampfgruppe die Korax ma Rah jagen sollte.
Aber ich befürchtete ehrlich gesagt, dass die Gefangennahme oder sogar der Tod des Prinzen eher dazu führen würde, dass sich die Moral der Akarii hob.
Er stand für zu viele Niederlagen, für zu viele zu blutig erkaufte Siege. Sein Tod wäre für das Reich eine große Erleichterung, und wenn er auch nur einen Funken Anstand und Ehre der alten Art im Leib gehabt hätte, dann hätte er sich längst in ein Kloster zurückgezogen und Gerüchte über seinen Tod gestreut oder wäre gleich durch die eigene Hand gestorben.

„Mist, ich denke schon wie ein Akarii.“, murmelte ich leise.
„Das haben schon andere über dich gesagt, Ace.“, erwiderte Jules Rome, genannt Trajan. In der Stimme des First Lieutenant und Flightleader lag milder Spott.
Trajan war genau wie ich Gefangener im Höllenberg auf Graxon gewesen. Wir waren uns dort nie begegnet, aber dennoch schuf die gemeinsame Erfahrung einen gewissen Zusammenhalt. Kaum das er als Verstärkung unsere Reihen gefüllt hatte, war ein gutes Vertrauensverhältnis entstanden.
„Du redest wieder.“, beschwerte ich mich leise. „Wer hat denn in nur drei Wochen die Grundlagen vom Drom gelernt?“
„Not kennt kein Gebot, das weißt du doch, Ace“, konterte der Pilot amüsiert. „Also, bisher sind uns noch keine Minen um die Ohren geflogen. Was sagt deine endlose Weisheit dazu?“
„Die sagt, dass dieser Bastard entweder nicht genügend an Bord hatte, um das ganze Trümmerfeld zu verminen – ist ja auch logisch, du bräuchtest ein Dutzend Leviathan, um ein wirklich effektives Minenfeld zu legen – oder das Ohka mit seinem schwarzen Leuten dem Banditen näher ist als wir.“
„Kommt drauf an,“, meldete sich meine Flügelfrau zu Wort, „es ist ja auch möglich, dass der Akarii die Minen nach dem Zufallsprinzip ausgelegt hat, um uns zu täuschen. Oder um uns auf jeden Fall schmerzhaft zu erwischen.“
„Gute Analyse, Artist.“, lobte ich die junge Frau. „Einmal davon abgesehen, rechnen wir hier bestenfalls mit einer Fregatte, die kann einfach nicht so viele Minen bunkern, wenn sie so tief im Feindgebiet operiert.“
Für einen Moment schalt ich mich bei diesem Gedanken. Denn vor ein paar Wochen war dies hier noch ein Akarii-System gewesen. Wir konnten es ohne weiteres mit einer versprengten Einheit zu tun haben. Vielleicht sogar mit einer kleinen Flottille. Doch ich sprach den Gedanken nicht aus, denn wenn wir hier auf eine Flottille aus Dünnschiffen trafen, würde sowieso jede Hilfe zu spät kommen und unser Können und unser Glück würde entscheiden, wer überlebte. Wichtig war dann nur, dass Big Basket die Meldung bekam, während die Piloten um ihre Leben kurbelten.
„Fregatte?“, hakte Leth nach, Trajans Flügelfrau.
„Eventuell eine Sierra III. Mit der werden wir fertig, wenn wir die Goldenen Jungs und Mädels zu Hilfe rufen. Und jetzt genug gequatscht. Wir werden fürs Fliegen bezahlt, nicht dafür, dass wir den Akarii mit Streustrahlung unserer Richtfunkverbindungen unsere Position präsentieren.“
Wieder hallte mir dreifaches ,Verstanden’ entgegen.

Ich zog die Nighthawk tiefer, umrundete einen besonders großen Asteroiden und kam hinter ihm wieder hoch. Trajan und Leth vollführten das gleiche Manöver im neunzig Grad-Winkel zu mir, während mir Lydia van Bredow wie ein Schatten folgte.
Wir verzichteten während des Suchflugs auf Nachbrenner. Erstens wäre die Beschleunigung in einem Asteroidenfeld irrsinniger Wahnwitz gewesen, und zweitens hätten wir dann erst Recht unsere Positionen preisgegeben.
„Ich habe da was in der Ortung, warte mal… Enthält mir etwas viel Metall, wenn ich die anderen Brocken in der unmittelbaren Umgebung als Vergleich heranziehe.“
„Bricht da wieder der Wissenschaftler in dir durch, Trajan?“, scherzte ich.
„Zwei oder drei Brocken“, setzte er seinen Bericht stoisch fort. „Könnten Minen sein. Umfliegen oder abschießen?“
Ich dachte kurz nach. „Bleib außer Reichweite, aber vergewissere dich zuvor, dass der Akarii nicht zufällig in deinem Rücken ist. Dann schieß sie ab. Zwei Sidewinder sollten reichen.“
„Verstanden.“
„Hältst du das für klug, Ace?“, tadelte meine Flügelfrau mich. „Selbst mit unseren Boostern könnten wir unsere Position nicht besser verraten.“
Ich grinste schwach. „Weißt du, während ich auf der Erde in Rekonvaleszenz war, habe ich in Texas an einem alten Ritual teilgenommen. Es ist illegal und allen Beteiligten hätten hohe Strafen gedroht, wenn sie erwischt worden wären. Sie haben Klapperschlangen gejagt. Und weißt du, wie sie das gemacht haben? Sie haben das hohe Gras angesteckt, in dem sich die Schlangen versteckt gehalten haben.
Ich habe natürlich nicht mitgemacht, aber eine militärische Lehre war es dennoch.
Dass wir hier sind weiß der Akarii, spätestens nachdem Ohka die Mine erwischt hat. Im Gegenzug sollten wir jetzt seine ungefähre Position bestimmen.“
Ich dachte einen Moment über meine eigenen Worte nach. „Kannst anfangen, Trajan.“
„Roger.“
Zwei Sidewinder lösten sich von der Nighthawk und hielten auf die Asteroiden zu. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatten sie die Felsbrocken erreicht.
Als die Raketen hoch gingen, kam es zu spektakulären Sekundärexplosionen und Trajan stellte beinahe zufrieden fest: „Minen. Hm.“
„Wir werden erfasst! Zielsuchradar!“, kam Leths plötzlich hektische Stimme auf.
„Raus da“, befahl ich leise. „Artist, Haupttriebwerk aus.“
„Sind schon fast raus.“, sagte Trajan und zog in einer weiten Schleife davon. Er hatte also wirklich etwas aufgeschreckt. Zum Glück schien der Gegner nicht nahe genug zu sein, um die beiden Nighthawks unter effektives Feuer zu nehmen. Denn sonst wäre längst ein kleines Inferno ausgebrochen.
„Haupttriebwerk ist aus. Ace, du willst doch nicht etwa…“
„Wäre doch gelacht, wenn der Akarii gerade jetzt auf zwei treibende Metalltrümmer achten würde.“, brummte ich leise. Ich fühlte, wie ich mich anspannte. Von wo war der Peilstrahl gekommen? Wo versteckte sich der Akarii?
„Komm schon, ich tu dir auch nichts. Will dich nur mal ansehen…“, murmelte ich leise.

Langsam drifteten unsere beiden Jäger antriebslos auf ihrem festen Kurs durch das Feld. Die nächsten fünf Minuten war nicht zu befürchten, dass wir mit einem kosmischen Trümmerbrocken kollidieren würden, wenn wir den Kurs beibehielten – genügend Zeit, um ein wenig Sightseeing zu betreiben. „Ich habe da was in der Ortung. Zehn Uhr, drei unter Horizont.“, klang Artists Stimme auf. „Große Metallansammlung hinter dem dicken Brocken.“
Ich stutzte einen Moment. Das Ding würden wir relativ nahe passieren. Auch wenn wir uns tot stellten und… Ich mochte gar nicht daran denken.
„Jetzt habe ich es auch in der Ortung. Artist, wenn ich irgendetwas brülle, gehst du auf Nachbrenner und versuchst, so viele Asteroiden wie möglich zwischen dich und diese Metallansammlung zu bringen, verstanden?“
„Nachbrenner? Hast du nicht vorhin noch gesagt, Nachbrenner in einem Asteroidenfeld ist bäh?“, scherzte sie unsicher.
„Genau. Und du sollst jetzt herausfinden, wieso.“, erwiderte ich im gleichen Tonfall.
Wir krochen an dem Asteroiden vorbei. Unwillkürlich hielt ich den Atem an.
Da erkannte der Computer mit der passiven Ortung die ersten Konturen. Es war noch keine saubere Erfassung, aber was da in unsere Richtung ragte, war definitiv das Heck. Eine Heckform die… „DRAUFTRETEN!“
Ich löste meinen Booster aus, neben mir stieg Artist auf das Pedal.
Gleichzeitig ging ich in den Slide, drehte mich dem Schiff entgegen und löste die Hälfte meiner Raketen aus. Nun, sie sollten nicht treffen. Sie sollten die Akarii wenigstens etwas beschäftigen, damit sie es schwerer hatten, uns zu treffen.
Gleichzeitig erklang der Erfassungsalarm auf. Der Computer meldete ein halbes Dutzend Raketen im Anflug. Vier davon hatten mich erfasst.
„Big Basket, Big Basket, hier Rote Sektion drei! Wir haben den Akarii aufgescheucht, Computer ermittelt Koordinaten! Es handelt sich um einen Zerstörer der Hotel IV-Klasse, ich wiederhole, es handelt sich um einen Zerstörer der Hotel IV-Klasse!“
Bildlich gesprochen direkt unter mir, nur zweihundert Meter entfernt zerplatzte ein Felsbrocken durch einen Fehlschuss des Akarii. Die Trümmer schlugen teilweise in meinen Schirm ein, belasteten ihn.
„Artist, brich weg! Such dir deinen eigenen Weg raus!“
„Ace, ich…“
„Im Moment bilden wir ein Ziel! Zieh nach links, ich versuche ihr Feuer auf mich zu ziehen!“
„Verstanden!“
Die schnittige Nighthawk veränderte ihren Kurs nur um wenige Grad, aber die reichten aus um schnell eine Distanz von mehreren Kilometern aufzubauen. Ich blieb noch etwas auf meinem alten Kurs, während der Zerstörer hinter mir zum Leben erwachte und weitere Raketen hinter mir her schickte. Dabei war die erste Welle noch nicht mal heran.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, fluchte ich unbeherrscht, als zwei Raketen nicht auf die Abwehrmaßnahmen hereinfielen. Eine zerriss meinen Schirm, die andere prügelte in mein Heck. Nun konnte ich aus allernächster Nähe erleben, wie gut die Panzerung der Nighthawk wirklich war.
Allerdings fielen Antrieb und eine ganze Reihe weiterer Systeme aus. Und die zweite Salve folgte schon.
„Irgendwie ist das heute nicht mein Tag.“, murmelte ich und wünschte mir erneut, mir den Schweiß selbst von der Stirn wischen zu können.
20.12.2015 09:32 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Tyr

Das Ende der Jagd

Die verbliebenen Nighthawks von Sektion Drei waren kaum gestartet, als sich die Lage von einem gefährlichen Katz-und-Maus-Spiel mit einem unsichtbaren Gegner zu einem offenen Gefecht änderte.
Ace hatte den Feind gesichtet, und als dem Akarii klar gewordenen war, dass er entdeckt wurde, hatte er das Feuer eröffnet.
Jetzt, da der Feind endlich gestellt war, reagierten die Piloten der Angry Angels und die Mannschaften der Kriegsschiffe mit der Präzision und Schnelligkeit jahrelanger Übung und Erfahrung.
Die Sektion Zwei der Staffel Gold war der gemeldeten Feindposition am nächsten. Sofort beschleunigten die vier Thunderbolt auf Angriffsgeschwindigkeit, um den Feind zu stellen.
Gleichzeitig rückten die an der Suche beteiligten Kriegsschiffe vor und gingen rings um den Asteroidengürtel in Position, bereit, jeden Ausbruchsversuch des Akarii abzublocken oder zu Hilfe zu eilen, wenn die Kampfflieger versagen würden.
Kanos Sektion schloss zu den Maschinen der Roten Staffel auf, die den Feind gesichtet hatten. Etliche der Nighthawk waren beschädigt worden, und sie alle hatten ihre Raketen verschossen, wie Kano feststellen musste. Er presste die Lippen zusammen - die sieben Nighthawk und die vier Thunderbolt besaßen vielleicht auf dem Papier die Feuerkraft, einen Hotel IV zu vernichten, aber das war eine knappe Rechnung, selbst wenn der Zerstörer als Überlebender der letzten Raumschlacht beschädigt war...
Dort war der Zerstörer, trotz der deutlichen Gefechtsspuren an seinem wuchtigen Rumpf immer noch ein gefährlicher Gegner. Und nach seiner Geschwindigkeit und dem Geschick, mit dem er durch den Asteroidengürtel navigierte, war die Besatzung alles andere als durchschnittlich.
Kano traf seine Entscheidung schnell: "An Alle - noch nicht angreifen, wir warten auf Verstärkung."
"Wer hat Sie denn zum Einsatzführer gemacht?!" Das war der Sektionsführer der goldenen Sektion. Zwischen den Jagdbombern und den reinen Jägern war das Verhältnis nicht immer gut.
Kanos Stimme klang kalt: "Lassen Sie den Unsinn! Er kann uns nicht entkommen. Es ist sinnlos, ein überflüssiges Risiko einzugehen. Wir WARTEN!"
Glücklicherweise schaltete sich jetzt die Leitstelle ein: "Big Basket an alle: Sektion Rot Zwei und Gold Drei schließt auf. Kombinierter Angriff - Monty..."
"Verstanden!" schaltete sich die kühle, präzise Stimme des Lieutenant Commanders ein: "Genug mit dem Streit. Hängt euch an den Zerstörer, aber haltet Abstand. Wir sind in fünf Minuten vor Ort."
"Bestätigt - Formation auflösen." Auf Kanos Befehl fächerten die Nighthawks auf, ähnliche Befehle wurden in den anderen Sektionen gegeben. Die Kampfflieger glichen ihre Geschwindigkeit dem flüchtenden Zerstörer an und suchten sich einen Weg durch das Asteroidenfeld. Wie Haie einem verwundeten Wal, folgten die Angry Angels ihrem Gegner. Die Jagd hatte lange gedauert. Jetzt wollten sie Blut sehen...

Auch für die Veteranen war der Flug keine Kleinigkeit. Durch diesen Irrgarten aus Gestein und Weltraumeis zu fliegen, erforderte Aufmerksamkeit und schnelle Reflexe. Vor allem, wenn man gleichzeitig ein feindliches Schiff verfolgte. Gerade die jüngeren Piloten mussten höllisch aufpassen. Die Veteranen der Angry Angels hatten hingegen bereits Erfahrung in diesem Geschäft, waren aber auch deswegen auf der Hut.
Dennoch genoss Kano die Verfolgungsjagd. Die Nighthawk war für ihre Größe und Armierung erstaunlich wendig und agil. Während er sich durch das Asteroidenfeld schlängelte, geschickt den Raumkörpern auswich, die bei einem Zusammenstoß seinen Jäger in einen Haufen Schrott verwandelt hätten, verzog sich Kanos Mund zu einem dünnen Lächeln. Sie blieben dran, der Akarii hatte keine Chance zu entkommen. Allerdings...
"POTENTIELLE MINE AUF ZWO UHR VORRAUS!!" Crazy und Kano eröffneten gleichzeitig das Feuer, ließen das verdächtige Objekt zerplatzen.
Dennoch stieß der feindliche Zerstörer weitere Objekte aus, bei deren Größe es sich nur um Sensorbojen oder Minen handeln konnte. Weit von der Wendigkeit der terranischen Kampfflieger entfernt, pflügte er durch das Asteroidenfeld. Kleinere Asteroiden verglühten einfach an seinen Schutzschilden. Größere Exemplare, die ihm zu nahe kamen, wurden von den Bordkanonieren vernichtet.
"Ausweichmanöver." Die Nighthawks veränderten kurz ihren Generalkurs.
Dennoch blühten auf einmal im Weltall vor ihnen die lautlosen Feuerblumen der Nuklearexplosionen auf, als mehrere Minen zündeten. Mit einem Fluch sah sich Kano um, doch keiner der Nighthawks oder Thunderbolt schien den Minen zu nahe gekommen zu sein. Was also...
"AUSWEICHMANÖVER!!" Geistesgegenwärtig reagierte Kano und riss seinen Jäger beiseite, als plötzlich vor ihm ein sicherlich einhundert Meter umfassender Asteroid auftauchte.
Die Schockwelle der Minenexplosionen hatte die "Ordnung" des Asteroidengürtels gestört, die Raumkörper aus ihrer Bahn geworfen. Und genau das war auch das Ziel des Akarii gewesen. Die TSN-Maschinen flogen hektische Ausweichmanöver. Doch sie schafften es nicht alle. Eine der Thunderbolts war um wenige Sekundenbruchteile zu langsam und verglühte in einer lautlosen Explosion, als die Maschine mit einem Asteroiden kollidierte.
Kano bis die Zähne zusammen. Dieser verdammte Hund! Er sah sich kurz um. Wo blieb bloß Monty, wo die Sektion Gold Drei?!
Da waren sie, querab, offensichtlich mit dem Ziel, sich vor den fliehenden Akarii zu setzen. Die Kampfflieger achteten darauf, außerhalb der Schussreichweite des Akarii zu bleiben.

"Monty an Alle! Auf Signal kombinierter Angriff – Wir kommen von Vorne Rechts, ihr greift an der linken Flanke an. Nighthawks – Primärziele sind wie immer Waffen und Sensoren. Nach erstem Anflug, Angriff nach eigenem Ermessen..." Montys Stimme wurde noch kälter: "Löscht ihn aus!"
Die knapp zwanzig Maschinen der zwei Angriffsschwärme beschleunigten. Die Deckung nutzend, die die driftenden Gesteins- und Eisbrocken boten, griffen sie an.
Als der Rumpf des Zerstörers in Kanos Zielerfassung auftauchte, war er vorbereitet. Noch waren die Schilde des Akarii intakt, deshalb drückte er nur auf die Feuerknöpfe der Bordkanonen. Natürlich richtete er so kaum Schaden an. Aber darauf kam es jetzt auch nicht an. Denn hinter den Nighthawks folgten die Thunderbolt-Jagdbomber. Und deren Schiff-Schiff-Raketen waren eine ganz andere Sache.
Der Wirrwarr aus Asteroiden, das dem Akarii-Zerstörer vorher Schutz geboten hatte, erwies sich jetzt als nachteilig. Die Akarii-Schützen hatten Schwierigkeiten, die Angreifer anzuvisieren.
Kanos Maschine wurde durchgeschüttelt, als ihn eines der Akarii-Geschütze aufs Korn nahm. Er reagierte sofort, ließ die Maschine nach unten wegtauchen, riss sie dann zur Seite, um sofort wieder den Zerstörer anzuvisieren.

Aber nicht alle anderen hatten soviel Glück. La Reine, Montys Flügelfrau, wurde von gleich zwei Geschützen unter Feuer genommen. Jetzt nahm sie auch noch einer der Raketenwerfer des Zerstörers aufs Korn. Während das Geschützfeuer die Schilde niederhämmerte, explodierte die erste Rakete an einem Täuschkörper - doch die zweite schlug am Heck des Jägers ein, vernichtete das Triebwerk der Nighthawk.
Buchstäblich im letzten Augenblick katapultierte sich die Pilotin aus ihrer zusammengeschossenen Maschine, bevor vier weitere Raketen einschlugen und den Jäger verglühen ließen.

Jetzt waren die Thundebolts heran. Während ihre Bordkanonen loshämmerten, feuerten die acht Maschinen fast gleichzeitig ihre Raketen ab.
Der Akarii-Kapitän reagierte schnell und entschlossen. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit wechselte er den Kurs, tauchte unter einem Asteroiden hindurch, während seine Bordgeschütze auf die anfliegenden Raketen feuerten und das Schiff ganze Schwärme von Täuschkörpern ausstieß.
Aber es reichte nicht.
Auch wenn nicht einmal die Hälfte der Marschflugkörper traf, ihre Wirkung war verheerend. Der Zerstörer wurde aus seiner Bahn gerissen, drehte sich schwerfällig um sich selber, während aus mehreren Hüllenrissen Sauerstoff austrat. Noch war er nicht vernichtet, noch feuerten einige der Geschütze – aber das Schiff war endgültig dem Tode geweiht. Aber selbst jetzt noch, im Todeskampf, war es gefährlich. Eine Raketensalve erwischte eine der Thunderbolts, die mit Bordwaffen und Raumkampfrakten ihren Angriff fortgesetzt hatte.
Die beiden Piloten mussten aussteigen, kurz bevor der Treibstoff explodierte und das gesamte Heck des Jägers abrissen.
Kano drückte den Steuerknüppel nach vorne und setzte zu einem neuen Anflug an. Die Laserbatterie, die er anvisiert hatte, feuert immer noch sporadisch, wenn auch weniger präzise. Die zwei Phoenix-Raketen und das Feuer der vier Bordkanonen trafen ihr Ziel und hinterließen nur noch Trümmer. Kano riss die Maschine hoch, wendete den Jäger und richtete den Bug wieder auf den angeschossenen Zerstörer.
Jetzt lösten sich die ersten Rettungskapseln von dem getroffenen Giganten, der ununterbrochen und erbarmungslos von den Kampffliegern angegriffen wurde und einen langsamen, qualvollen Tod starb.

Doch jetzt schaltete sich Montys Stimme ein, wie immer kühl und präzise: "Angriff einstellen. Angriff einstellen."
Die Jäger lösten sich von ihrer Beute, die steuerlos durchs All taumelte, direkt auf einen riesigen Asteroiden zu. Der Zerstörer verging in einer blendenden Explosion. Kanos Mund verzog sich zu einem seltsamen Lächeln, voller Triumph, Erleichterung, aber auch Anerkennung. Triumph und Erleichterung, weil die Jagd endlich zu Ende war, der Gegner vernichtet. Anerkennung, weil der Gegner bis zuletzt erbittert und geschickt gekämpft hatte.

"Ich zähle vierzehn plus Rettungskapseln. Schwarz Fünf an Big Basket. Wir brauchen sofort ein SAR-Shuttle für unsere ausgestiegenen Piloten. Und für die Akarii."
"Verstanden, Schwarz Fünf. Lassen Sie ihre Flieger aber noch einmal nach Minen suchen. Wir wollen keine unnötigen Verluste."
"Ich auch nicht, Big Basket." Montys Stimme klang leicht verschnupft - er reagierte leicht gekränkt. Kano achtete nicht mehr auf den Schlagabtausch zwischen dem Kommunikationsoffizier und dem Lieutenant Commander, sondern konzentrierte sich auf seine Bordinstrumente. Seine Maschine war ohne größere Schäden geblieben, er hatte noch zwei Sidewinder und genug Treibstoff. Während er einen Scan der expandierenden Trümmerwolke einleitete, die noch vor wenigen Minuten der feindliche Zerstörer gewesen war, kniff er mit einmal überrascht die Augen zusammen.
Was war das? Natürlich gab es größere Trümmerstücke - aber dieses eine schien einen merkwürdigen Kurs zu folgen und war ungewöhnlich regelmäßig geformt. Er kannte diese Form... Verdammt!
Wie von selbst packten seine Hände den Schubregler, beschleunigte er die Maschine auf Höchstgeschwindigkeit. Erst dann öffnete er einen Kanal zu Monty: "Hier Ohka! Verdächtiges Objekt auf Drei Uhr, vermute feindliches Shuttle!"
Monty's Antwort war ebenso kurz wie eindeutig: "Aufbringen oder Vernichten!"

Der Akarii schien gehofft zu haben, sich im Schutz der Trümmerwolke und des Asteroidenfeldes davonstehlen zu können. Sobald er sah, dass er entdeckt war, gab er Vollschub.
Kano holte schnell auf. Kurz visierte er das fliehende Shuttle an und feuerte. Die Strahlenbahnen gingen nur knapp vor der Raumfähre vorbei – eine unmissverständliche Aufforderung zu stoppen. Stattdessen eröffnete das Shuttle ebenfalls das Feuer. Die Zwillingskanone auf dem Rücken des Shuttles verfehlte den Nighthawk, aber die zwei abgefeuerten Raketen waren besser gezielt. Mit knapper Not konnte Kano der einen durch eine scharfe Kehre entkommen, doch die zweite explodierte an seinem rechten Flügel, vernichtete die Steuerbordschilde.
Kanos Gegenfeuer war nicht minder gut gezielt. Seine Bordwaffen hämmerten auf die Heckschilde des Shuttles ein, brachten sie zum Kollabieren. Das feindliche Schiff wendete, um das verwundbare Heck zu schützen. Kano beschleunigte, passierte das wendende Schiff und vollführte ein Von-Bein-Manöver, eine abrupte 180°-Wende mit vollem Gegenschub. Jetzt war er wieder im Rücken des Akarii, visierte dessen Triebwerke an. Ein leiser Signalton bestätigte die Zielerfassung und Kano schickte seine letzten Raketen auf den Weg, während er die Bordkanonen auslöste und das überhastete, schlecht gezielte Gegenfeuer ignorierte.
Eine Rakete traf, schlitze das Heck des Shuttles auf. Die Strahlenbahnen der Bordkanonen schlugen in die Bresche, bohrten sich in das Innere der Fähre. Das Akariischiff explodierte, ohne dass einer der Insassen aussteigen konnte.
"Ohka an Monty, Shuttle vernichtet."
"Verstanden. Kehren Sie zurück und setzen Sie die Suche nach Minen fort."
Während Kano den Befehl bestätigte und seine Maschine beschleunigte, fragte er sich kurz, wieso das Shuttle überhaupt geflohen war. Shuttles hatten zwar Sprungtriebwerke, aber die Sprungpunkte waren weit und sicherlich überwacht, und das Schiff hatte nur Luft und Energie für maximal ein paar Tage...




"Und wie sieht es aus?"
"Das Shuttle ist zerstört worden. Keine Überlebenden."
"Es hätte ja auch noch gefehlt, wenn irgendein Idiot unsere Position verraten hätte."
"Ich verbiete mir diesen Ton! Kommandant Lias Kar hat seine Pflicht getan. Als klar war, dass er entdeckt wurde, hat er lieber den Tod gewählt, als das Risiko einzugehen, uns möglicherweise zu verraten."
"Wenn er nicht jemandem anderen von uns erzählt hat."
"Nein, er kannte seine Pflicht. Jedes Wissen um diesen Posten ist mit ihm gestorben."
In Wirklichkeit war Boras Ras, Befehlshaber des Akarii-Spähposten Einhundertvier alles andere als sicher. Der Spähposten war ursprünglich nur eine automatische Station gewesen, die den Asteroidengürtel überwachte. Als es sich abzeichnete, dass der Krieg auch hierher kommen könnte, hatte der Geheimdienst heimlich die Robotstation zu einem Spähposten ausgebaut und mit sechs Geheimdienstmitarbeitern bemannt.
Diese sechs bildeten die letzte intakte Akarii-Einheit in diesem System, das stand jetzt fest.
Sie hatten genug Lebensmittel, Wasser, Sauerstoff und Energie, um mehrere Wochen auszuhalten, doch keine stärkeren Waffen, als die Laserpistolen an ihren Gürteln. Sie konnten nur beobachten.
"Sollen wir die neuen Entwicklungen funken?"
"Sind Sie wahnsinnig?!" Boras Ras funkelte seinen Stellvertreter wütend an. Kemen Orta war nicht dumm, aber zu sehr Bürokrat für einen solchen Einsatz hinter feindlichen Linien.
"Wir haben Befehl..."
"Wenn Sie nur in die NÄHE des Funkgeräts kommen, reiße ich Ihnen ihre Eingeweide heraus! Wir müssen warten, bis die verdammten Glatthäute sich wieder beruhigt haben und zu ihrer Flotte im planetaren Umfeld zurückgekehrt sind."
"Zu Befehl!"
Boras Ras wandte sich ab und starrte wieder hinaus, in die Dunkelheit des Alls, wo vor wenigen Minuten der letzte Akarii-Zerstörer in diesem System vernichtet worden war.
Das war es – der Kampf um dieses System war endgültig vorbei. Sie konnten nur noch versuchen, so viel wie möglich über den Feind zu erfahren, der seine Offensive sicherlich bald fortsetzen würde. Wenn die Menschen allerdings nicht bald dieses System verließen und die Zentrale ein Schiff zum Spähposten Einhundertvier schickte, dann blieb ihnen eigentlich nur der Selbstmord, bevor sie erstickten. Aber noch war es nicht soweit.
Durch die aufgezeichneten Sensordaten, abgefangene und entschlüsselte Funksprüche, erfuhren sie viel über den Feind, unter anderem auch über das berüchtigte Elitegeschwader 'Angry Angels', das sich besonders bei den Kampffliegern der Akarii-Flotte eines schon fast legendären Rufs erfreute.
Irgendwo in der Fülle an gesammelten Informationen, da war sich Boras Ras sicher, steckte der Schlüssel für die Vernichtung der "Großen Armada" des verfluchten Admiral Renault. Sie mussten ihn nur finden...
20.12.2015 09:33 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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