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Zum Ende der Seite springen Einhorn und Affe
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Senex Senex ist männlich
Sergeant Major


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Einhorn und Affe!

„Sind sie tot? Sind sie wirklich tot?“ „Da kann es keinen Zweifel geben, die zwei sind absolut hinüber!“ „Dann lass uns schnell gehen! Verschwinden wir, bevor jemand kommt!“ „Das geht nicht, Apfelblüte. Die Vorsteherin hat uns dieses Zimmer zugeteilt – und sie wird es den Assistenten des Magistrats sicher mitteilen. Das muss sie sogar!“ „Bei meinen Ahnen, so habe ich mir meinen Besuch im ‚Reich der Weidenblüten’ nicht vorgestellt!“ Die beiden Soldaten der Konföderation Capella und ihre ‚Begleiterinnen’ bemühten sich, nicht in das Zimmer zu blicken, in dem die beiden Leichen lagen. „Ling, lauf hinunter und sag der Vorsteherin, sie soll die Konstabler anrufen. Wir bleiben hier und geben acht, dass niemand hineingeht!“

*

Hung Mao, einer der persönlichen Aufklärungsassistenten des Richters Tschau, ein untersetzter, vierschrötiger Mann, dem das Wort ‚Bulle’ quer über das breite Gesicht geschrieben stand, beobachtete das gewohnte Ballett des forensischen Teams. Gerichtsmediziner, Spurensammler und Fotografen bewegten sich um das Bett mit der Frauenleiche und den Stuhl mit dem männlichen Toten. Sein Blick fiel auf ein Glitzern neben dem Bett. Stöhnend bückte er sich, wobei er sich zum x-ten Mal fragte, warum Spuren immer zu Boden fallen mussten. Beinahe hätte er sein Frühstück neben dem gefundenen Ohrring platziert. Hung hatte in den dreißig Jahren seiner Laufbahn schon einiges gesehen und erlebt, doch dieser Gestank, eine Mischung aus Blut, Schweiß, Exkrementen und Intimflüssigkeiten weckten sein langjähriges Magengeschwür zu neuem Leben. Ein Gehilfe des Gerichtsmediziners bückte sich nach seiner Tasche und bot ihm einen Mundschutz an. Die Gaze war stark mit wohlriechenden Essenzen getränkt, und als Hung sie über Mund und Nase schob, fühlte er sich gleich besser. Dankend legte er dem Gehilfen die Hand auf die Schulter. „Doktor!“ Seine Stimme klang dumpf hinter dem Schutz. „Sehen Sie doch bitte nach, ob eine der Leichen Ohrringe trägt und wenn nicht, ob ihre Ohren gestochen sind!“ Der Gerichtsmediziner betrachtete kurz die Leichen und konnte schnell sein Ergebnis berichten: „Die Frau trägt zwei hübsche Korallen, die Ohren des Mannes sind unversehrt!“ Hung winkte einem Fotografen. „Von diesem Schmuckstück hätte ich gerne von da, von da und von da eine Aufnahme, dann eine Nahaufnahme von ....“ Der Fotograf nickte. „Weiß schon, die Nahaufnahme am besten von hier und vielleicht von hier – da kann man die Befestigung und den Herstellerstempel gut erkennen!“ „Hervorragend mitgedacht!“ Hung freute sich innerlich. Meistens waren die Mitarbeiter der forensischen Teams nicht berühmt für eigenständiges Denken – und wenn Hung an manche seiner Kollegen dachte, wunderte er sich nicht darüber. Die meisten Magistratsassistenten erstickten jede eigene Idee der ‚Kulis’, wie sie die Teams nannten, bereits im Ansatz. Hung war eine der seltenen Ausnahmen, die sich sogar von Servitoren Informationen erhofften, die nicht dezitiert gefragt wurden. Und er hatte Erfolg damit. Dieser Erfolg hinderte seine Kollegen aber leider nicht daran, weiterhin auf alle anderen herabzusehen und ihre Standesdünkel hintanzustellen.

Chefoberkonstabler Chiang betrat den Raum und verzog angeekelt das Gesicht. Dann verneigte er sich schnell vor Hung und bat um Verzeihung, dass er sein Gesicht nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Er wusste, dass er jetzt an Gesicht verloren hatte, aber Hung nickte nur. „Der Gestank macht uns allen zu schaffen, Chiang. Vergessen wir es. Was ist mit der Vorsteherin? Sie muss doch etwas bemerkt haben!“ Der Chefoberkonstabler zog sein Notizbuch zu Rate. „Die Vorsteherin, ihr Name ist Lotosknospe, gibt an, dass sie heute zur Stunde des Hundes ihren Posten an der Rezeption bezogen habe. Eigentlich wäre dies der Dienst ihrer Tochter Blauweiß gewesen, doch habe sie diese angerufen, weil ihr sehr übel geworden sei. Als sie kam, lag Blauweiß schweißgebadet in einem Zimmer im Erdgeschoss, das der Tai Pan dieses Etablisements für besondere Gäste mit Gehbehinderung eingerichtet hatte.“ Hung nickte. „Und die Überwachungskameras? Keines der Häuser in der ‚Welt der Weidenblüten’ verzichtet auf Videoüberwachung, um ihren Mädchen gegebenenfalls zu Hilfe kommen zu können!“ Chiang hob zweifelnd die Augenbrauen, worüber Hung nun gegen seinen Willen lächeln musste. „Chiang, die Tai Pans dieser Häuser haben einen schlechten Ruf, nachdem wir mit den ‚rundäugigen Teufeln’ in Kontakt gekommen sind, uns einige haben tatsächlich die Arbeitsweise von Zuhältern übernommen. Aber traditionsbewusste Tai Pans sorgen sich um die Mädchen und bilden sie nicht nur zu Bett-Hetären aus, sondern lassen sie auch die alten Künste wie Musik und Tanz erlernen, um die Gäste damit zu erfreuen. Und dieses Haus ist zwar nicht das erste am Platz, sonst hätten unsere beiden Soldaten wohl zu wenig Sold in der Tasche gehabt. Aber es wird traditionell geführt. Und diese Häuser sind wichtig für Männer mit zu wenig Geld, um sich eine Mätresse leisten zu können. Vor allem für junge Männer ohne Ehefrau, die von ihren Hormonen gequält werden. Es ist besser hier in solchen Häusern, wo die Mädchen gesund und sauber sind, als dass sie als Vergewaltiger enden oder sich bei illegalen Gespielinnen irgendwelche Krankheiten holen! Aber lassen wir das – was ist jetzt mit der Überwachungsanlage?“ Wieder konsultierte Chiang sein Büchlein. „Wie ich es rekonstruieren konnte, kam dieses Pärchen zur Stunde der Ziege und bekam von der Tochter der Vorsteherin, bereits genannter Blauweiß, dieses Zimmer zugewiesen. Nachdem sie Tee getrunken hatten und das Mädchen ihrem Gast etwas vorspielte, kamen die beiden zur Sache. Kurze Zeit später wurde Blauweiß von heftigen Magenkrämpfen gepeinigt und musste ihren Posten verlassen. Unbestimmte Zeit später fühlte sie sich in der Lage, ihre Mutter anzurufen, die dann zur Stunde des Hundes den Posten übernahm. Eine Kontrolle der Überwachungskameras ergab für dieses Zimmer einen makellosen Zustand, das Bett war sauber gemacht. Also vermietete sie das Zimmer an die beiden Soldaten, die dann die Leichen fanden.“ Hung betrachtete die Wände und die Tür. „Und niemand konnte etwas hören. Sehen Sie sich das an, Chiang. Bei dieser Dicke könnte hier eine Handgranate explodieren, die anderen Gäste könnten nichts hören! Doktor, untersuchen Sie doch bitte auch Blauweiß, und nehmen Sie ihr Blut für eine toxikologische Untersuchung ab. Danke!“

*

„Der toxikologische Befund ergibt, dass jemand Blauweiß eine Droge in den Tee getan haben muss. Während sie sich heftig erbrechen musste, wurde die Überwachungsanlage manipuliert und das Bild eines Raumes eingespeist, der makellos in Ordnung war. Insgesamt hatten der oder die Täter fast drei Stunden Zeit, das Verbrechen zu begehen.“ Richter Tschau nahm seinen Fächer aus dem Ärmel und schritt, sich frische Luftzufächelnd, in seinem Büro auf und ab. „Gute Arbeit, Hung. Wie denkst Du Dir den Tathergang?“ Hung nahm schnell noch einen Schluck des bitteren Tees, den der Magistrat so gerne mochte. „Euer Ehren, der Autopsiebericht steht noch aus, und sonst haben wir zwar einiges gefunden, aber ich habe noch keine eindeutigen Beweise!“ Tschau fuhr herum und klappte den Fächer zu, ehe er damit auf seinen Assistenten zeigte. „Lassen wir die Spiele, Hung! Du hast mich von Posten zu Posten begleitet, Du warst schon bei mir, als ich noch ein kleiner Stadtrichter war! Ich bin mir sicher, dass Du schon eine Theorie hast. Lass Deine Gefühle, Deine Intuition sprechen. Du weißt, ich werde Dich nicht festnageln, wenn die Untersuchungen andere Indizien und Beweise zum Vorschein bringen. Aber Du hast sicher schon eine Hypothese!“ Hung nickte. „Ein Gefühl, ja. Ich denke, es waren mehrere, nicht nur einer. Die ganze Arbeit – die Vergiftung von Blauweiß, die Manipulation an der Überwachungsanlage, zu der auch die Beschaffung einer Aufnahme des gesäuberten Zimmers gehört – sprechen gegen einen Lustmord. Es muss mehr dahinterstecken. Die Art der Verletzungen deutet eher darauf hin, dass man mit Folter hinter ein Geheimnis kommen wollte. Hinter welches Geheimnis, ist bisher noch völlig unklar. Die Leiche des Mannes wurde noch nicht identifiziert, das Mädchen wurde als Koralle erkannt. Sie arbeitet seit drei Jahren dort und ist bisher nie irgendwie aufgefallen. Es wirkt so, als wäre sie zuerst gefoltert worden, um dem Mann zu zeigen, was auf ihn zukomme, wenn er nicht kooperiere. Dann hat man sich ihn vorgenommen. Es gibt auch keine Spuren eines sexuellen Missbrauchs, was eine eher professionelle Arbeit vermuten lässt. Aber das sind, wie gesagt, nur Theorien, Spekulationen, Euer Ehren. Diese unwürdige Person hat für seine Vermutungen keinen wirklichen Beweis. Vielleicht verrenne ich mich auch in etwas völlig falsches!“ Der planetare Verwalter Tschau nickte. „Vielleicht. Aber ich für meinen Teil halte viel von Deinen Überlegungen – und nach dem, was ich hier an Fotos und Berichten liegen habe, bin ich geneigt, dieser Theorie fürs erste zuzustimmen. Wie sehen Deine nächsten Schritte aus?“ Hung kratzte sich die schütteren Haare. „Zuerst die Identifikation des Mannes, dann sehe ich mir den Tatort noch einmal an. Dazu möchte ich mir die Vorgeschichte des Mädchens genauer unter die Lupe nehmen, vielleicht entdecken wir da etwas, das bisher übersehen wurde. Und ich möchte mit Oberst Chan sprechen. Immerhin haben zwei seiner Soldaten die Leiche gefunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er oder die zwei Soldaten etwas wissen, aber vielleicht haben die beiden etwas gesehen, das bisher untergegangen ist. Auch für Soldaten war der Anblick schockierend – selbst auf dem Schlachtfeld bieten Leichen selten einen derartigen Anblick. Ihre Begleiterinnen sind in Behandlung, wenn sie dann soweit sind, möchte ich auch mit denen sprechen. Ansonsten können wir – wie immer – nur abwarten, ob sich eine Spur ergibt.“ „Natürlich! Nun, damit hast Du ja einiges zu tun, Hung. Ich möchte Dich nicht länger von Deiner Arbeit abhalten. Aber gib mir Bescheid, wenn Du etwas Neues erfährst.“ Als Hung den Raum verlies, arbeitete der Richter schon wieder an den Akten, die er beim Eintreten seines Assistenten beiseite gelegt hatte!

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Oberst Trankh, Trankhs Panduren!
Decius Caecilius Metellus, Master Sergeant, Dantons C.


Grüsse vom 'Alten'

03.04.2003 11:24 Senex ist offline E-Mail an Senex senden Beiträge von Senex suchen Nehmen Sie Senex in Ihre Freundesliste auf
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