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Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
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„WAS?“ Die Stimme von Ernst Stahl, genannt Steel, hallte einmal bis zum Bug der Zigarre und kam dann als vielstimmiges Echo zurück. Die Hände des Piloten zitterten leicht, als er seinen Gegenüber musterte. „Sag mal, Armstrong, hast du Todessehnsucht?“
Dave winkte ab. „Reg dich nicht auf. Es hat ja funktioniert.“
„Reg dich nicht auf…Du hast gut reden! Das sind Japaner! JAPANER! Die haben fünftausend Jahre Militärgeschichte, während du Kraut bestenfalls bei den Römern anfangen kannst! Außerdem haben sie eine der effektivsten Armeen der Welt, darunter Piloten, die sich mit deinem Fallschirm den Arsch abwischen, nachdem sie dich in tausend Fetzen geschossen haben! Und funktioniert hat es ja wohl nur, weil…Weil…Keine Ahnung, warum es funktioniert hat. Wäre ich der Kapitän der Zigarre gewesen, hätte ich dich auf der Stelle an den Haaren ergriffen und aus dem Zeppelin geschleift, verbunden mit dem Hinweis, dass du ohne Anruf erschossen wirst, wenn du noch einmal zu nahe kommst.“
Armstrong zog die rechte Augenbraue hoch. „Übertreibst du da nicht etwas?“
„Übertreiben? Verdammt, weißt du überhaupt, wie viel Glück du gehabt hast? Dave, mein Gott, du kannst die Japaner doch nicht Zwangsverpflichten! Genauso gut hättest du sie dazu auffordern können, sich selbst die Eier abzuschneiden!“
„Anscheinend haben sie den Schnitt aber doch gemacht, oder?“, erwiderte Armstrong, jetzt langsam wütend werdend. „Hey, mir blieb keine andere Wahl! Ich war kaum in die Zigarre gekommen, da hat Ishida mir aufs Gesicht zugesagt, dass ich ein deutscher Deserteur bin! Du weißt, welchen Stellenwert Deserteure bei ihnen haben! Hätte ich vielleicht in einem hübschen weißen Yukata auf dem Landefeld Selbstmord begehen müssen, um die Reinheit zwischen uns herzustellen? Oder hätte ich mich ihnen unterordnen sollen? Abgesehen davon, dass Ishida sicherlich keinen Deserteur unter seinen Leuten geduldet hätte.
Und abgesehen davon, dass unsere Leute kaum unter ihm fliegen würden!“
„Ist ja gut! Schrei nicht so.“
„Das sagt der Richtige.“
„Es wundert mich jedenfalls, dass deine Methode mit der Brechstange erfolgreich war. Wie hast du es geschafft? Hast du sie bestochen?“
„Sehr witzig“, brummte Dave. „Ich dachte mir, wenn ich sie Zwangsrekrutiere und darauf hinweise, dass ich in erster Linie Oberkommandierender der Hawaii-Streitkräfte bin, dann schieben sie die Desertion beiseite. Immerhin weiß ich ganz genau, dass sie hierher gekommen sind, um gegen die ANZAC zu kämpfen. Ich dachte, sie schlucken die Kröte und wählen das kleinere Übel, als gegen uns fliegen zu müssen. Ishida konnte ja schlecht wieder kehrt machen und nach Hause fliegen. Aber richtig eingesackt hatte ich sie erst, nachdem mir der Reporter zu Hilfe gekommen war. Er hat den Samurai erklärt, ich wäre weniger ein Deserteur und mehr ein Ronin, ein Wellenmensch.“
„Ronin? Reporter? Sprich nicht in Rätseln, Armstrong.“
„Ein deutscher Reporter ist an Bord, Richard Sorge mit Namen. Hat mir tüchtig zur Seite gestanden. Na, auf jeden Fall hat der gute Mann damit wirklich aus der Patsche geholfen und mir lange Diskussionen erspart. Ich werde dafür sorgen, dass es ihm heute Abend besonders gut geht.“
„Heute Abend?“ Argwöhnisch sah Steel herüber, zwischen seinen Augen bildete sich eine steile Falte.
„Um die Herren zu beruhigen, musste ich versprechen, sie heute Abend auszuhalten. Ein Lokal in Pearl City. Es heißt Dragon and Sword und ist mit Sicherheit sauteuer. Ich habe Happy schon los geschickt, damit er mit der Eigentümerin redet und einen Saal für uns loseist, oder was sonst immer dieser Kasten zu bieten hat.“
„Hm. Dann gehst du also am Vorabend der Schlacht einen saufen?“, sagte der Deutschamerikaner vorwurfsvoll.
„WIR gehen am Vorabend einer Schlacht einen saufen, Ernst. Aber du hältst dich diesmal bitte etwas zurück. Nach der Party in Seattle hast du nämlich reichlich beschissen ausgesehen, mein Bester. Und ich vertrage einen kräftigen Schluck.“
Steel wurde rot, teils vor Ärger, teils vor Scham. „ES IST NICHT…“ Er schluckte hart. „Es wird heute nicht passieren.“
„Gut, dann sind wir uns ja einig. Aber wenn du dich anderweitig amüsieren willst, die Bordkasse bezahlt heute alles.“
„Wie meinst du das denn schon wieder?“
„Nun, nur weil ich wie ein idiotischer Mönch lebe, musst du das ja nicht auch. Und da du ja von deiner Kleinen in Sky Haven weit entfernt bist – ich werde nicht petzen.“ Armstrong winkte ab, als Steel aufbrauste. „Nur ein Witz, Ernst. Nur ein Witz. Also, mach dich stadtfein. Beide Staffeln, dazu kommt der Doc und Sam. Der Rest spielt Zeppelinsitter. Außerdem will ich Gallagher nüchtern und in der Nähe ihrer Marines wissen, falls es in der Stadt oder am Palast noch mal unruhig wird.
Ich habe auch Mizunami-san gefragt, aber er meinte sein Platz sei jetzt neben seiner Majestät.“
„Wo auch unser Platz wäre“, wandte Steel schroff ein.
„Wenn da nicht ein paar Japaner wären, die ich unbedingt bauchpinseln muss“, erwiderte Armstrong ebenso schroff. „Okay? Du musst ja nicht mitkommen, wenn du unbedingt nicht willst.“
Steel ballte die Hände zu Fäusten, entspannte sie wieder und ballte sie erneut. „Entschuldige. Aber langsam spüre ich meine Nerven. Scheint, als würde der Schatten im Wasser mehr an mir nagen als ich zulassen will.“
„Mach dir um die Geschichte keine Sorge, Steel. Verdammt, ich habe es dir doch gesagt, U-Boote können nicht fliegen. Sie sind für uns vollkommen uninteressant.“
Wieder krampfte Steel die Fäuste. „Vielleicht hast du Recht. Ich sollte den Abend über abschalten. Und die Kasse bezahlt alles?“
„Alles.“
„Hm. Vielleicht komme ich auf deinen Vorschlag zurück. Und vielleicht solltest du das auch mal tun, Dave. Du bist jung, ungebunden, und solltest dich ab und an mal strapazieren dürfen.“
„Bei mir ist das nicht so einfach wie es ausschaut“, erwiderte Armstrong.
Steel lachte gehässig. „Es geht mich ja überhaupt nichts an, aber irgendwo solltest du zugreifen, Dave. Wenn man da oben den Feind im Visier hat, drückt man auch ab, anstatt erst einmal seinen schönen Kurvenflug zu beobachten, oder?“
Mit diesen Worten ließ der Deutschamerikaner den Commander stehen.
„Treffer und versenkt“, murmelte Dave, als er seinem besten Mann hinterher sah.
01.06.2020 19:13 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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„Guten Nachmittag, Commander Stone.“ Die zierliche Dame in dem roten Kimono verbeugte sich höflich vor dem Mann aus Texas. „Es ist mir eine Freude, dass der frischgebackene Oberkommandierende der Streitkräfte von Hawaii in mein bescheidenes Etablissement einkehrt.“
Dave erwiderte die Verbeugung. „Es freut mich, dass Sie für meine Kameraden und Gäste einen Platz in Ihrer hervorragenden Gaststätte gefunden haben, Madame Yamamoto.“
„Yadda. Sie schmeicheln diesem alten Gemäuer“, erwiderte sie und entfaltete einen Fächer, hinter dem sie ihre Röte versteckte. „Kommen Sie bitte, Commander Stone. Ich habe den Garten für Sie freigemacht.“ Die Frau wandte sich um und ging mit zierlichen Schrittchen voran. Armstrong warf Steel einen undefinierbaren Blick zu und folgte der Frau.
Happy, der sie beide zur „Inspektion“, wie er es nannte, hergerufen hatte, grinste schief.
Sie durchquerten die Gaststätte, die gerade zum Leben erwachte. Eine Menge junger Damen, gekleidet in Jeans und Kleidern, all dem, was man unter Freizeitbekleidung in diesen Tagen verstehen mochte, unterstützt von grobschlächtigen oder feminin hübschen Kerlen, bereiteten das Lokal vor. Neugierige Blicke trafen die Ankömmlinge, und Happy war sich in seiner burschikosen Art nicht zu fein, einem Mädchen das ihm gefiel schöne Augen zu machen.
„Happy“, ermahnte Dave, und zog den Piloten am Kragen hinter sich her. „Merk dir ihr Gesicht und verschiebe es auf später.“
„Ich meine ja nur!“, brummte der texanische Pilot.

Sie folgten Madame durch einen Korridor, vorbei an Toiletten, Vorratsräumen und der Küche bis zu einer Tür. Vor der Tür war ein Absatz, vor dem ein paar Sandalen standen, säuberlich Paar für Paar geordnet.
„Bitte, meine Herren, tauschen Sie Ihr Schuhwerk“, sagte Madame höflich. „Wir verlassen die eigentliche Gaststätte und kommen in einen Bereich, den ich nur selten für meine Gäste öffne.“
„Zieht die Stiefel vor dem Absatz aus und die Sandalen auf dem Absatz an“, flüsterte Happy. „Yamamoto-chan hätte vorhin beinahe einen Schlaganfall gekriegt, weil ich es vorhin falsch gemacht habe.“
Die beiden Piloten gehorchten und ernteten dafür einen erfreuten Blick der Madame über den Rand ihres Fächers hinweg. Dann öffnete sie die Tür – und eine neue Welt tat sich auf.
„Ja, da brat mir doch einer ne Zero kross in Öl“, entfuhr es Dave Stone, als er auf die Holzveranda trat. Der Bereich, der sich vor ihnen öffnete, war mindestens so groß wie das Lokal, vielleicht sogar noch größer. Er umfasste einen kleinen Garten mit einem Teich, einem Bächlein – und einem kompletten Haus, das ihn bis zur hohen Holzmauer im Westen umschloss. Das Haus war ein niedriger Bungalow, die Wände waren aus Papier. Trotz der frühen Stunde füllten Bedienstete Öllampen und entzündeten sie. Viele der Papierwände waren aufgeschoben und verrieten geschäftige Arbeit.
„Dies ist mein Wohnhaus“, informierte Madame sie mit Stolz in der Stimme. „Commander Stone, ich überlasse Ihnen und Ihren Gästen den Ostflügel. Es befinden sich zwei große Säle und mehrere kleine Räume dort, genug um hundert Mann aufzunehmen.“
„Nach japanischen oder europäischen Maßstäben?“, argwöhnte Armstrong.
„Nach japanischen“, gab die Madame zu. „Ebenso bitte ich Sie, den Nordflügel nicht zu betreten. Er ist mein eigentliches Wohnhaus, und Sie verstehen, dass es einen Punkt in meinem Leben geben muss, an dem ich meinen Beruf vom Weltlichen trenne.“
Ein lauter, hohler Klang ging durch den Garten und die beiden Piloten zuckten zusammen. Steels Hand zuckte zum leeren Waffenholster.
„Ruhig Blut, Krauts“, mahnte Happy grinsend. „Seht Ihr den Bach? Es war dieses Stück Bambus. Ist so ein Feature für japanische Gärten, hat man mir erklärt. Die Pipeline da drüber füllt den Bambus auf, bis er Übergewicht kriegt und sich dann nach vorne in den Teich ergießt. Soll angeblich die Ruhe fördern.“
„Gut, dass du so umfassend informiert bist, Happy“, flüsterte Dave zurück. „Madame Yamamoto, selbst verständlich respektieren wir Ihre Privatsphäre. Ich werde jeden meiner Leute schwer bestrafen, der sie nicht zu würdigen weiß. Und ich werde mit Sho-sa Ishida sprechen, damit er es bei seinen Leuten genauso hält.“
Erschrocken blinzelte die Madame den Freibeuter an. „Ishida? Ihre Gäste, Commander Stone, sind die Offiziere der KAMIKAZE?“
Dieser Blick verwirrte Dave etwas. „Jawohl, Madame. Ist das so merkwürdig?“
„Ich…Ich weiß nicht, ob es dann so gut ist, dass Sie mein Lokal ausgesucht haben. Obgleich ich Japanerin und stolz auf meine Herkunft bin, kann ich meine westliche Erziehung nicht leugnen. Kurz und gut, ich bin gegenüber meiner Heimat etwas kritisch eingestellt, und ich pflege in meinem Haus sehr liberal zu sein und niemandem den Mund zu verbieten. Ich weiß nicht, ob Ihre Herren Offiziere damit umzugehen verstehen.“
„Nun“, sagte Dave etwas ratlos. „Es war Ishida-sans Vorschlag, Ihr Lokal aufzusuchen. Er sagte, es sei das Beste in ganz Pearl City. Damit wird er wohl in Kauf genommen haben, dass hier ein offenes Wort gesprochen wird.“
Dies schien die Madame nicht wirklich zu überzeugen. Sie klappte ihren Fächer ein und sah den Deutschen ernst an. „Dennoch. Ich werde mich nicht verstellen und dies auch nicht von meinen Mädchen und Burschen verlangen. Ich hoffe, Sie verstehen das.“
„Nicht nur. Ich verspreche auch, auf Ishida einzuwirken, wenn er wider Erwarten…Nun, mit Kritik nicht umgehen kann. Darauf mein Wort, Madame Yamamoto.“
Die Madame klappte ihren Fächer wieder auf und lächelte mit den Augen. „Ich danke Ihnen, Commander Stone. Ich weiß, dass Sie ein Mann von Ehre sind, der sein Wort zu halten pflegt. Kommen Sie bitte weiter, ich will Ihnen nun die Räume zeigen.“

Nacheinander gingen sie die beiden Säle und schließlich das gute Dutzend Zimmer ab, deren Zweck Dave in dem Moment klar wurde, als er eine ruhige Stimme von der Seite sagen hörte: „Gäste im Privattrakt? Das wird wohl eine unruhige Nacht für uns.“
„Makiko!“, entfuhr es der Madame. „Dame.“
Die drei Piloten wandten sich der Stimme zu, und Happy hielt es wie immer, offen und ehrlich. Er pfiff anerkennend.
Die junge Frau in der Tür, die sich seitlich geöffnet hatte, trug nur einen Yukata, eine Art leichten Kimono. Ihr Haar war triefend nass und eine unvorsichtige Bewegung bewies, dass sie unter dem beigen Kleidungsstück mit den Chrysanthemenmotiven nicht sehr viel mehr tragen konnte.
„Gomen, Mama. Ich wollte nicht unhöflich sein.“ Sie verneigte sich vor den drei Männern, gerade weit genug, um in ihren Ausschnitt zu sehen, aber nicht weit genug, um alle ihre Geheimnisse zu enthüllen. „Hajimemashite. Ich bin Kiki. Zu Ihren Diensten.“
„Makiko!“, entfuhr es der Madame erneut.
„Commander Dave Stone“, erwiderte Dave und stellte auch Steel vor. Happys Protest ignorierte er fieserweise. „Wie ich sehe, bereiten Sie sich auf den Abend vor. Lassen Sie sich von uns nicht dabei stören“, fügte Dave hinzu.
„Oho. Möchten Sie mir vielleicht dabei zusehen, Commander Stone?“
Die Lippen des Deutschen wurden von einem spöttischen Lächeln umkranzt. „Ich denke, für den Moment haben Sie mir genug gezeigt, Kiki-san.“
Die junge Dame errötete und zog eine Spur zu hastig als das es ernst gemeint konnte, ihren Kragen zu.
„Dennoch freue ich mich darauf, Sie heute Abend zu sehen“, fügte Dave hinzu.

Madame hieß sie weiterzugehen. Sie ließen eine amüsiert dreinblickende hübsche japanische Frau von vielleicht achtzehn Jahren zurück, die zu Happys Pech nicht einen Deut auf seinen Versuch einging, sie in ein Gespräch zu verwickeln.
„Komm, Happy, die ist zu jung für dich“, tadelte Dave und zog den alten Freund mit sich.
„Ha. Nur weil du keinen Schlag bei den Frauen hast, gilt das nicht für mich“, erwiderte der Texaner und knuffte seinem Vorgesetzten freundschaftlich in die Seite.
Yamamoto führte sie in ihren Trakt des Gebäudes, wo eine Tür zum Garten weit offen stand und die warme Nachmittagsluft und den Wind des Hafens hinein ließ.
Ein niedriger Tisch und vier Sitzkissen standen bereit, eines in jeder Richtung. Lediglich die Südrichtung war offen gelassen worden, damit die Gäste den Garten genießen konnten. Und das vierte Kissen lag ebenfalls im Norden, leicht versetzt allerdings.
Die drei Piloten mussten sich hinhocken, wobei Dave den Norden bekam und Steel den Platz zu seiner Rechten. Yamamoto-san hockte sich auf das vierte Kissen rechts neben dem Commander.
Eine junge Frau im Kimono trippelte mit einem Tablett herein und stellte vor jeden der drei Gäste eine flache, kleine Schale ab. Dem folgte eine kleine, längliche Flasche, die sie vor Madame abstellte.
Nachdem sie sich zurückgezogen hatte, forderte Madame die Gäste auf, die Schalen zu nehmen. Dann füllte sie die Schalen mit der klaren Flüssigkeit aus der Flasche, zuerst für den Commander, dann für Steel und schließlich für Happy. „Kanpaii, meine Herren.“
Gehorsam tranken sie die klare Flüssigkeit, und prompt verschluckte sich Steel. „Das Zeug ist ja warm!“
Happy grinste breit. Er hatte diese Reaktion erwartet und war augenscheinlich etwas enttäuscht, dass Dave nicht reagierte.
„Okawarii, onegai“, sagte der Commander und hielt der Madame die geleerte Schale hin.
Mit dem typischen höflichen Lächeln der Asiaten füllte sie nach, und kurz darauf auch Steel und Happy.
„Guter Sake sollte immer warm serviert werden“, informierte sie die drei. „Ich hoffe, Sie sind mit den Arrangements zufrieden, Commander Stone?“
„Ich bin mehr als zufrieden. Und ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie uns als Gäste in Ihr Haus eingeladen haben. Dies wird ein sehr guter Abend werden, und das liegt einzig und allein an Ihnen, Madame.“
„Yadda. Schmeicheleien werden Sie zu nichts führen, Commander“, tadelte die Besitzerin des Lokals amüsiert.
Dave lächelte schief. „Na dann, auf einen tollen Abend. Kanpaii, meine Herren.“
„Warmer Schnaps. Ich könnte mich dran gewöhnen“, brummte Steel und kippte sein Schälchen.
01.06.2020 19:13 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Der Abend begann etwas steif. Die Führungsoffiziere hatten dein einen Saal fast für sich, es waren in einem Raum für zwanzig Leute lediglich ein Dutzend versammelt; nebenan, wo es sich die Piloten gemütlich gemacht hatten, klangen die ersten erfreuten und lauten Stimmen schon nach wenigen Minuten auf.
So begannen die Japaner und die Texaner mit einem Stehempfang, auf dem Sekt gereicht und Fingersnacks gereicht wurden, bevor Madame Yamamoto westlich geschminkt, aber im traditionellen Kimono gekleidet den Raum betrat und sich vor den Anwesenden leicht verneigte. „Zu Tisch, bitte. Das Essen wird serviert.“
Madame platzierte Armstrong als Gastgeber an das Stirnende des Tisches, das andere Ende blieb frei. Die Japaner bekamen die Ehrenplätze auf der rechten Seite, ganz voran natürlich Sho-sa Ishida und sein Fliegerchef Tai-i Sakai. Auf dem dritten Platz folgte Sorge, was Dave registrierte, ohne sich die Überraschung anmerken zu lassen. Links saßen zuerst Steel und Sam, danach kamen der Doc und die anderen Piloten, die das Pech hatten, nicht im anderen Raum sein zu dürfen. Aber letztendlich wog sich die Zahl mit sechs gegen sechs gut auf.
Madame hockte sich wieder hinter Dave, diesmal lag ihr Kissen jedoch auf der linken Seite. `Weit weg von den Japanern´, ging es Dave durch den Kopf.
Ishida registrierte das, aber seine Miene war wie aus Beton gegossen. Sakai hingegen brachte seine Missbilligung mit einem leisen Schnauben zum Ausdruck.
Gemildert wurde dieser Affront dadurch, dass Madame Yamamoto zwar zuerst dem Commander, dann aber Ishida und Sakai einschenkte. Diesmal nicht in Schalen, sondern in kleinen, bauchigen Keramiktassen. Danach bekamen erst Steel und Sam ihre Tassen gefüllt. Die anderen Piloten und Offiziere wurden von zwei jungen Damen bedient, die ebenfalls traditionell mit Kimonos bekleidet waren. Im Gegensatz zur Madame trugen sie ihr Haar zu einer traditionellen Frisur hochgesteckt.
„Lassen Sie mich mein Getränk erheben“, sagte Dave, „und auf drei Dinge trinken. Auf den Kaiser des japanischen Reichs, auf den König des herrlichen und freien Hawaiis und auf unsere tapferen Kampfgefährten von der stolzen KAMIKAZE, die an unserer Seite von nun an streiten werden. Prost, meine Herren. Prost, Sam.“
Die Chefin der Techniker sah kurz überrascht auf. Allerdings war ihr Gesichtsausdruck alles andere als freundlich, als sie zu Dave herüber sah.
Madame schenkte sofort nach; auf ihren Wink hin öffnete sich die Tür erneut und junge Damen und Herren servierten das, was man auf Hawaii ein ordentliches Luau nannte, die Zutaten eines zünftigen heimischen Grillfestes.

Während des Essens wurde wenig geredet; die Herren trugen auf und ab, während Madame und die Mädchen im Kimono nachschenkten.
Nach der Mahlzeit fuhr einer der Kellner einen Wagen mit Kuchen und Pudding herein, aus dem sich jeder etwas aussuchen konnte. Japaner waren Kuchenfanatiker und nahmen dieses Angebot dankbar an.
Sam ließ sich ebenfalls ein großes Stück Schokoladentorte geben, was Dave doch etwas verwunderte. Die junge Frau neigte nur selten zu Süßigkeiten.
Danach servierten die Damen Bier und Schnaps und was immer gewünscht wurde, wenn die Vorratskammern des Hauses es hergaben.
So standen Dave und Steel später auf der Veranda, sahen zusammen mit Ishida und Sakai auf den prächtigen Garten, und hielten in den Händen schwere Whiskygläser.
„Armstrong“, sagte Ishida unvermittelt.“
„Ishida-san?“
„Mein Zorn ist fast verraucht. Sie haben bisher einen perfekten Abend inszeniert, und ich weiß das zu würdigen. Übrigens bin ich dankbar, dass Sie nicht versucht haben, uns mit einer eigenen Version der Teezeremonie zu erfreuen. Auch das Luau war eine gute Idee. Weiß der Teufel warum alle Welt annimmt, Japaner würden im Ausland am liebsten Sushi und dergleichen essen wollen.“
Dave schmunzelte. Etwas Ähnliches hatte auch Madame bei der Menubesprechung gesagt.
„Es freut mich, dass wir uns allmählich zusammenraufen“, erwiderte Dave. Steel hört aufmerksam zu, sagte aber nichts.
„Etwas in der Art, ja. Sie haben heute Vormittag erwähnt, dass wir einen eigenen Bereich verteidigen sollen?“ Ishida hob fragend beide Augenbrauen.
Saburo Sakai spannte sich merklich an.
„Nun, Sie können sicherlich meinen Wunsch verstehen, dass ich gerne mit der Elite der japanischen Streitkräfte fliegen möchte. Wissen Sie, ich habe viel Erfahrung im Staffelkampf und mehr als einmal alle zwölf Flieger der NORTH ins Gefecht geführt. Für unseren Flug nach Hawaii haben wir mehr als ein Dutzend Geschwaderübungen abgehalten. Das heißt, ich habe sie koordiniert und Steel hat sie zusammen getrieben.“
Nun zeigte der Deutschamerikaner eine erste Regung. Er hob sein Glas und prostete den beiden Japanern zu.
„Sie sind ein erfahrener Kapitän, Ishida-san, und Sie ein erfahrener Staffelführer, Sakai-san. Ich bin sicher, dass Sie mehr als eine Bereicherung für unsere Bemühungen sind, den offensichtlichen Überfall der ANZAC abzuwehren. Mehr noch. Mittlerweile denke ich, dass es ohne Sie nicht geht. Es kommen zwei weitere Zigarren zu uns, sie fliegen im Verband und werden ebenfalls zur Mittagszeit in Fliegerreichweite von Oahu sein. Sie können Fisch oder Fleisch sein.“
„Das…sind keine guten Nachrichten, Commander“, gestand Ishida.
„Warum pusten wir sie dann nicht einfach vom Himmel, bevor sie uns gefährlich werden können? Ein massiver Überfall mit unserer Staffel, mit Ihren drei Kontingenten von der NORTH, der LONGHORN und der SHOOTIST, und wir sind eine Sorge los!“
„Und währenddessen überlassen wir den Luftraum über Oahu der ANZAC“, erwiderte Steel spöttisch.
Sakai bekam keinen seiner berüchtigten Wutausbrüche. Stattdessen grinste er dünn. „Gut erkannt, Steel.“
„Ich will Ihnen nichts verheimlichen“, fügte Armstrong kurz darauf hinzu, „die Lage ist weit vertrackter, als sie es schien, bevor ich und die anderen beiden Kommandeure losgeschickt wurden. Und bevor man Sie nach Hawaii geschickt hat.“
Ishida runzelte amüsiert die Stirn und hielt Sakai zurück, bevor der abwehren konnte. „Sprechen Sie weiter, Commander.“
„Jedenfalls habe ich die Möglichkeit ergriffen, als sie sich mir bot, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen. Aber entgegen kommen will ich Ihnen, meine Herren. Steel ist mein Stellvertreter, auf der Erde und in der Luft. Dennoch möchte ich Sie bitten, Ishida-san, die Nummer zwei zu sein. Sollte mir etwas zustoßen, dann werfen Sie die ANZAC ins Meer zurück.“
Steel versteifte sich merklich. Durch Sakai ging ein Ruck. Nur Ishida lächelte unergründlich. „Ihre Leute sind bei mir in den besten Händen, das verspreche ich, Armstrong.“
Dave streckte dem Offizier die Rechte entgegen, und der Japaner ergriff sie ohne zu zögern. Gesprochen wurde dabei nicht. Es war ein Abkommen unter Offizieren, das bedurfte keiner Worte.

„Commander Stone? Haben Sie einen Augenblick für mich?“, erklang eine Frauenstimme aus Richtung des Nordflügels.
Ishida, der in die richtige Richtung sah, ließ ein belustigtes Lächeln über sein Gesicht huschen. „Meine Herren, wir sollten drinnen warten. Der Commander hat zu tun.“
Er ergriff Sakai am Arm und machte eine einladende Handbewegung in Richtung Steel, der nach kurzem Zögern folgte.
Das machte Dave neugierig. Er wandte sich um und erkannte die junge Dame vom Vormittag wieder. „Kiki-san.“
Die junge Frau trug diesmal Bluse und Rock, wobei der Rock so hoch geschlitzt war, dass sie problemlos darin laufen konnte. Die Bluse hingegen schien eine Nummer zu klein zu sein und hatte wahrlich Mühe, ihr aufgeknöpftes Dekolletée zu bändigen.
Ernst sah sie zu ihm herüber. „Commander, darf ich Sie um einen Gefallen bitten?“
Dave schmunzelte ruhig. „Welcher Art ist dieser Gefallen, Kiki-san?“
„Es geht um Mama. Ich meine, um Madame Yamamoto. Es ist so…Ich fand es von vorne herein für eine schlechte Idee, ausgerechnet die Besatzung eines japanischen Kampfzeppelins in dieses Haus zu lassen. Sicher, wir bieten traditionelles japanisches Flair und viele von uns sind Japaner, aber Madame ist nicht hier, weil sie es gerne möchte.“
Dave runzelte die Stirn. Mama war in gewissen Kreisen, wie er wusste, die nette Umschreibung für eine Bordellmutter. Nicht, dass er nicht auch schon so weit gedacht hatte.
„Yamamoto-san ist eine Migrantin“, schoss Dave ins Blaue. „Sie hat sich mit ihrer westlichen, liberalen Einstellung ein paar Feinde zuviel gemacht. Und deshalb hat sie nun einen Betrieb auf Hawaii. Liege ich soweit richtig?“
„Und sie hat ihre liberale Einstellung nicht abgelegt.“
„Ich erinnere mich daran, dass sie so etwas am Nachmittag erwähnt hat.“
„Es geht noch weiter. Mama sagte, dass sie die Gelegenheit nutzen wollte, um den Imperialen – wie hat sie sich ausgedrückt – ein paar Watschen zu verpassen. Darf ich Sie bitten, dass Sie Mama nicht nur vor den Japanern beschützen, Commander Stone, sondern auch vor sich selbst?“ Mit den letzten Worten war sie nahe heran getreten, nahe genug, dass Dave ihr Haar riechen und ihren Atem schmecken konnte. „Wenn Sie mir diesen Gefallen tun, Commander, dürfen Sie sich etwas wünschen.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte sich so gut sie es konnte, aber beim besten Willen konnte sie damit Daves Körpergröße nicht kompensieren. Mit einem frustrierten Laut gab sie auf.
Dave lachte leise und klopfte der jungen Frau auf die Schulter. „Kiki-san, Sie brauchen mich nicht zu becircen, damit ich auf Madame aufpasse. Ich habe ihr bereits mein Wort gegeben.“
„Sie nehmen mich als Frau nicht ernst“, tadelte sie ihn.
„Ich nehme Sie ernst als junge Dame, die es gut mit ihrer Chefin meint. Ist das nicht genug? Und jetzt gehen Sie bitte, Kiki-san, bevor ich hier auf der Veranda über Sie herfalle.“
„Aber Commander“, erwiderte die junge Frau auf den Scherz des Deutschen. Das schien ein guter Ausgleich für den missratenen Kuss zu sein.
Mit einem Lächeln wandte sie sich um und ging zum Nordflügel zurück.
„Ein toller Hintern“, murmelte Dave und wollte wieder hineingehen. Da hörte er die Schiebetür des Saals mit den Piloten auffahren und sah noch einen Fuß im Raum verschwinden. Als er den Saal wieder betrat sah er sofort, dass Sam fehlte.
Dave schob es auf die nun weitestgehend nicht mehr traditionell bekleideten Damen, die nun den Raum für sich eingenommen hatten.

Als Armstrong wieder Platz nahm, fuhr er damit mitten in einen Schlagabtausch zwischen Yamamoto-san und Ishida-san.
„Ich weiß nicht, was die Armee sich dabei denkt“, sagte die Dame des Hauses in einem sehr freundlichen Tonfall und dem Lächeln eines Engels, das bei Dave sämtliche Sirenen aufgellen ließ, „in ein Land einzufallen, das eine ebenso alte Kultur hat wie wir. Welcher Sinn liegt darin, ein Millionenvolk zu unterwerfen und einen Schattenstaat zu gründen? Die Mandschurei ist lange tot, und die Welt tut gut daran, dass es so bleibt.“
„Ich darf Sie an die Boxeraufstände erinnern, Yamamoto-san“, erwiderte Ishida äußerlich ruhig. „Es ist keinesfalls so, dass die verschiedenen Interessengruppen, bestehend aus Imperialen, Roten und Demokraten, einander genug bekämpfen, um nicht einmal Appetit auf ihre Nachbarn zu spüren. Oder glauben Sie, die Sowjets fallen in Nordchina ein und erretten die Welt vor zweihundert Millionen Chinesen?“
„Das ist es also? Hat Japan Angst, dass die Barriere, die das chinesische Meer bildet, einmal nicht ausreichen wird? Dass der göttliche Wind eines Tages nicht mehr weht?
Wachen Sie auf, Ishida-sama. Die Boxeraufstände fanden im gebildeten Osten des Landes statt. Das Gros Ihrer zweihundert Millionen Chinesen sind ungebildete Bauern und Leibeigene, die weit davon entfernt sind, lesen und schreiben zu können, geschweige denn eine Gefahr zu sein.“
„Man kann ihnen lesen und schreiben beibringen. Und es ist noch viel einfacher, ihnen beizubringen, wie man eine Waffe hält und abfeuert.“
„Die alte Nemesis der Samurai“, erwiderte Madame. „Ein einzelner ungeschickter Gewehrschütze kann einen Schwertmeister mit zwanzig Jahren Erfahrung niederstrecken. Es wundert mich, dass die Nachfahren der Samurai davor immer noch Angst haben.“
„Und stellen Sie sich vor“, fuhr Ishida ungerührt fort, „wenn zum Beispiel die Kommunisten in China das Ruder ergreifen. Gebündelt mit ihrer Ideologie und durch derartige Massen gestärkt wären sie ein eroberungswütiger Moloch, der über seine Nachbarn herfallen würde. Siam, Formosa, Tibet, Indien, ja, Sibirien, Korea, sogar Japan läge in ihrer Reichweite.“
„Und das ist Grund genug, ganze Dörfer in Nordchina hinzurichten? Gibt es der Meinung der Armee nach genügend Chinesen oder steckt ein System dahinter? Wenn ja, dann möchte ich es nicht kennen lernen.“
Ishida setzte zu einer geharnischten Erwiderung an.
„Habe ich schon erwähnt“, fuhr Dave dazwischen, „dass ich eine Zeitlang für die Flying Tigers geflogen bin?“
„Sie waren bei den Flying Tigers? Sie gehörten zu der verblendeten Truppe, die glaubt, man könne China noch demokratisieren? Haben Sie Japaner abgeschossen?“, fragte Sakai so schnell, dass Ishida gar nicht reagieren konnte.
„Nein, Sakai-san. Ich habe keine Japaner abgeschossen. Ich habe Transporter geflogen.“
„Transporter. Wie nett. Schwerfällige Maschinen unter Begleitschutz zu fliegen ist doch wirklich mal eine Leistung“, spöttelte Sakai milde.
„Wer redet hier von Begleitschutz?“, erwiderte Dave und prostete zugleich Ishida zu. Das entschärfte die Situation für den Moment. Und der Deutsche hatte nicht das Verlangen, die Situation noch einmal so sehr aus der Hand zu geben.
Aber ohne Sam, mit einem Doktor Mertens, der seinem japanischen Gegenüber an den Lippen hing und einem schweigsamen und verschlossenen Steel würde das nicht so leicht werden. Vor allem nicht, wenn Madame auf ihren „Watschen“ bestand.
01.06.2020 19:14 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Letzen Endes erfolgte die Kontaktanbahnung ungefähr so, wie es Steel erwartet hatte. Natürlich geschah es nicht sofort – das wäre zu auffällig gewesen. Nein, man ließ ein, zwei Stunden vergehen, in deren Verlauf sich die ganze Runde merklich auflockerte und die zu Anfang durchaus bestehenden Spannungen etwas nachließen. Bier, Schnaps, Wein und hübsche Mädchen sorgten zusätzlich dafür, dass die Wachsamkeit langsam einschlief. Während einige Romantiker momentan zu den süßlichen Klängen irgendeines Hula-Songs tanzten, sprachen andere wacker dem Alkohol zu, oder genossen die Aufmerksamkeit der ‚Damen’ des ‚Dragon and Sword’. Ein paar hatten sich bereits absentiert, unter anderem der deutsche Reporter, der sich von einem Mädchen hatte wegziehen lassen, dass seine Tochter hätte sein können.
Einige andere fanden ihr Vergnügen im Glücksspiel. Und andere Piloten und Offiziere schwelgten sogar hier in Fachsimpeleien und Kriegsgeschichten.
Steel hatte sich beim Trinken zurückgehalten, ohne direkt ungesellig zu sein. Aber er war sowieso nicht gerade der Typ, mit dem die meisten der hier Anwesenden unbedingt ihre Freizeit verbringen wollten.
Offenbar war aber dann doch einem der Mädchen des ‚Dragon and Sword’ aufgefallen, dass der hochgewachsene, rotblonde Pilot etwas einsam wirkte. Kurzerhand, und ohne seine Meinung dazu zu erfragen, hatte sie sich auf seinen Schoß gesetzt und ihn mit einem Schwall von Fragen überschüttet.
Der Pilot schien erst etwas überrumpelt zu sein, machte aber natürlich keine Anstalten, die vollbusige Hawaiianerin wieder zu verscheuchen. Im Gegenteil, er schien ihr gegenüber recht schnell aufzutauen, und ließ sich ihre überzeugend vorgespielte Bewunderung gerne gefallen, zumal er nicht nur einen erstklassigen Blick in die großen, braunen Augen des Mädchens hatte, sondern auch in ihr sehr freizügiges Dekollete.
‚Madame Yamamoto’ legte Wert darauf, dass zumindest ihre teureren Mädchen nicht nur Stroh im Kopf hatten – außer natürlich, der zahlende Gast stand auf Dummchen.
Dieser zahlende Gast schien sich momentan blendend zu amüsieren, hatte es aber auch gar nicht eilig, das Gespräch in eine etwas weniger öffentliche Umgebung zu verlegen. Schließlich war es wieder das Mädchen, das behauptete ihr Namen sei Angel, das die Initiative ergriff. Während ihre Hände mit dem Hemdkragen des Offiziers spielten, beugte sie sich vor und flüsterte Steel etwas ins Ohr. Ihre Lippen berührten dabei wohl nicht nur zufällig seine Haut. Der Pilot riss kurz die Augen auf, dann grinste er. Bereitwillig ließ er sich von dem Mädchen auf die Beine und von der Party wegziehen. Seine rechte Hand war auf dem Po der jungen Frau zum Halt gekommen. Sie schien nichts dagegen zu haben. Schließlich hatten die beiden ihr Ziel erreicht, eines der Zimmer, das die Mädchen des ‚Dragon and Sword’ für ihre ‚Arbeit’ benutzten. Aber noch ehe Angel die Tür öffnen konnte, presste der Pilot sie an die Wand, und küsste sie. Seine linke Hand glitt unter Angels Bluse. Das Mädchen hatte keine Eile, den Kuss abzubrechen. Aber dann löste sie sich dennoch, scheinbar atemlos und mit geröteten Wangen: „Vorsicht, Pilot…Doch nicht mitten auf dem Gang. Was wenn jemand jetzt hier vorbeikäme…“
Steel grinste, und ließ seine Hand weiter über Angels Haut wandern: „Wenn diese Jemand so hübsch sein sollte wie du…“ Aber dann ließ er sich doch von dem kichernden Mädchen, das sich unter den Erkundungen seiner Hand wand wie eine Katze, in das Zimmer bugsieren.

Allerdings war das Zimmer keineswegs leer. Auf dem Bett lag ein Mann in einem weißen Anzug, die Füße lässig auf das Fußende des Bettes gestützt. Zwischen seinen Lippen glomm eine Zigarette. Die Züge des Mannes waren scharf geschnitten, der schmale, aber ausdrucksvolle Mund nachdenklich verzogen. Die dunklen Augen musterten die beiden Eintretenden wachsam. Weder er, noch Steel schienen über das Zusammentreffen überrascht. Der deutsche Agent löste seine Hände von Angel, und nickte dem Mädchen knapp zu. Die schürzte kurz spöttisch die Lippen, drehte sich aber ohne ein weiteres Wort um, und verließ den Raum durch eine Seitentür, die von einem papierenen Wandschirm verdeckt worden war. Die beiden Männer musterten sich ein paar Augenblicke. Dann war es der Liegende, der zuerst das Schweigen brach: „Sie sind Parzifal.“
„Und Sie sind Tokio.“ Damit war die jeweilige Identität bestätigt, und auch wenn keiner der beiden Männer sich gestatte, irgendwelche Gefühle zu zeigen, entspannten sie sich doch innerlich etwas. Beide unterzogen den jeweils anderen einer kritischen Musterung. Richard Sorge sah vor sich einen Mann, den er im Stillen als gefährlich einstufte. Er kannte zumindest auszugsweise Ernst von Stahlheims Karriere und Ausbildung. Dieser Agent war skrupellos, und der Abwehr gegenüber absolut loyal. Schlimmer noch, er war intelligent. Mochte er auch kein Nazi sein, so half er durch das, was er als seine ‚Pflicht’ ansah, dem Faschismus sicherlich mehr, als mancher ‚überzeugte Nazi’. Alle seine ‚Tugenden’ – Loyalität, Mut, Entschlossenheit, Intelligenz – wurden dadurch ins Negative verkehrt. Unter anderen Umständen hätten die beiden Männer Freunde werden können. Aber so sah Sorge nur einen Feind vor sich. Einen Feind, dem er zwar eine gewisse Achtung nicht verwehren konnte, dessen Los und Schicksal er besser verstand, als er wollte – aber dennoch ein Feind. Natürlich durfte er sich das nicht anmerken lassen.
Steels Urteil über sein Gegenüber war weniger eindeutig. Er war sich ganz und gar nicht sicher, was er von diesem Mann halten sollte. Natürlich hatte er schon von diesem Mann gehört, und einige seiner Artikel und Analysen mit großem Interesse gelesen. Aber er konnte nicht genau erkennen, was hinter den markanten Zügen dieses Mannes vor sich ging.
„Ich nehme an, ihr Mädchen ist auch im Nachbarzimmer?“
„Allerdings. Ich denke, die beiden finden schon etwas, womit sie sich die Zeit vertreiben können.“ Das klang spöttisch. Steel grinste zurück, und klopfte sich leicht aufs linke Ohr. Verbündete oder nicht, sie beide gingen davon aus, dass die Mädchen lauschen würden. Im Grunde war das allerdings egal. Momentan hatte die Abwehr nichts zu verbergen.
Steel registrierte angenehm überrascht, dass dieser Richard Sorge offenbar doch mehr vom Geschäft verstand, als er gedacht hätte. Nun ja, die Tokioter Abwehr würde nicht irgendjemand schicken. Nicht zu dieser Mission. Und Humor schien der Mann auch zu haben.
Diese Einstellung wurde bestätigt, als Richard Sorge hinzusetzte: „Ich lasse mir üblicherweise Zeit. Aber ich weiß natürlich nicht, wie Ihre Angewohnheiten sind. Aber eine Stunde haben wir wohl, oder? Zu viel Eile ist ungesund…“
„Das wichtige zuerst.“
„Natürlich.“ Richard Sorge nickte knapp. Aus der Seitentasche seines Anzugs zog er einen kleinen Notizblock: „…es hat seine Vorzüge, Reporter zu sein.“ Er riss ein einzelnes Blatt heraus, legte es auf den kleinen Holztisch, kritzelte eine Reihe von Zahlen auf das Blatt, und schob es Steel zu. Dieser blickte ein paar Augenblicke auf das Blatt, dann nickte er knapp, und schob das Papier wieder zurück. Schweigend sah er zu, wie Richard Sorge das Blatt zusammenknüllte, mit seiner Zigarette anzündete, und in den Aschenbecher warf, der auf dem Boden neben dem Bett stand. Keiner der Männer sagte etwas, bis das Papierstück zu Asche zerfallen war.
„Sie wissen nicht, was diese Zahlen bedeuten?“
Richard Sorge nickte knapp: „Ich weiß nicht, welche Stelle sie GENAU bezeichnen. Aber ich weiß, was Sie tun werden.“
Steel nickte knapp. Das hieß, Sorge besaß das Vertrauen des Tokioter Abwehrchefs. Dass man dem Kurier nicht den Schlüssel für die codiert übermittelte Position der Aufnahme von Steels Maschine durch ein japanisches U-Boot gegeben hatte, war eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, für den Fall, dass Sorge doch noch abgefangen worden wäre.
„Sie haben mich doch sicherlich nicht hierher bestellt, um mir nur die Zahlen zu geben.“
Der Reporter grinste schief: „Vielleicht will ich mich ja auf Staatskosten amüsieren, und wir holen jetzt die Mädchen wieder rein…“ Er zuckte kurz mit den Schultern, wurde dann übergangslos wieder ernst: „Natürlich will die Abwehr in Tokio aus erster Hand wissen, was Sie erfahren haben. Sie wissen schon – Sky Haven und Seattle, Ihr Einsatz gegen die Bolschewiken. Sie scheinen da ja ein paar Mal in ein richtiges Wespennest gestochen zu haben. Wenn wir warten, bis New York oder Berlin uns mitteilt, was Sie herausgefunden haben, dann sind die Neuigkeiten zum Gutteil längst nicht mehr neu. Und in unserem Geschäft gibt es nichts uninteressanteres, als die Neuigkeiten der letzten Woche. Eigentlich interessant, wie sich Presse und Geheimdienstgeschäft gleichen. Außerdem sind die Prioritäten von New York und Berlin nicht unbedingt die Toppprioritäten unserer Dienststelle. Sie wissen schon, jede Residentur hat ihren eigenen Fokus.“ Da war es wieder, dieses nicht unsympathische, aber irgendwie schiefe Grinsen, das sich vertiefte, als Sorge hinzufügte: „An diesen Ereignissen bin ich besonders interessiert. Wir können schließlich nicht JEDE Einzelheit der letzten Monate durchkauen.“ Diesmal war er es, der leicht gegen sein linkes Ohr tippte. Natürlich, von dem Angriff auf die Aleuten sollten die Japaner vorerst nichts erfahren. Steel musterte den Reporter einen Augenblick lang. Irgendwie erinnerte ihn das hier an sein Gespräch mit Neville Sinclair. Beide Kontaktaufnahmen waren während einer Party erfolgt, auch wenn es paradoxerweise im ‚Dragon and Sword’ gesitteter zuging. Und Sorge war Steel weitaus sympathischer. Aber auch diesmal war er sich irgendwie sicher, dass sein Gegenüber eigene Interessen verfolgte. Allerdings wollte Richard Sorge nur Informationen, und nicht etwa die Unterstützung für eine windige Operation auf eigene Rechnung. Und er schien von Stahlheim auch nicht direkt zu belügen. Es konnte nichts schaden, wenn er sich gegenüber Sorge entgegenkommend zeigte. Außerdem, irgendwie fühlte er sich dem Reporter gegenüber…verbunden. Als würde dieser verstehen können, unter welchem Druck Ernst von Stahlheim stand. Das war kein bewusstes Gefühl, eher ein instinktives Empfinden: „Also gut. Was wollen Sie wissen?“
In der nächsten dreiviertel Stunde sah sich Ernst von Stahlheim einem wahren Trommelfeuer aus Fragen ausgesetzt. Seine Achtung gegenüber dem Reporter stieg. Dieser Mann hatte Talent. Richard Sorge verzichtete natürlich darauf, sich irgendetwas aufzuschreiben. Aber seine gelegentlichen Nachfragen bewiesen, dass er sich von Stahlheims Kernaussagen mühelos merken konnte. Eigentlich eine Verschwendung, dass der Mann nur Reporter und Gelegenheitsarbeiter für die Abwehr war. Er hätte das Zeug gehabt, weitaus mehr zu sein.
Zwischendurch informierte Sorge in kurzen, prägnanten Sätzen von den jüngsten Entwicklungen in Tokio und in Deutschland. Mit einer gewissen Überraschung registrierte von Stahlheim, dass Richard Sorge offenbar auch nicht gerade ein glühender Nazi war, obwohl er in Japan in die örtliche Parteizweigstelle eingetreten war. Normalerweise waren Auslandsdeutsche besonders nationalistisch – oder vielmehr nationalsozialistisch. Als hätten sie etwas zu beweisen. Nun, Sorge schien das nicht für nötig zu halten, und irgendwie machte ihn das noch sympathischer.
Es war Sorge, der schließlich nach einem Blick auf seine Armbanduhr, das ‚Verhör’ abbrach: „Ich glaube, dass wär’s fürs Erste. Außerdem fragen sich die da unten vielleicht schon langsam, wo wir bleiben. Sie gehen zuerst. Amüsieren Sie sich. Es könnte unsere letzte Chance sein.“ Dann gewann sein Lächeln eine düstere Note, ein dunkler Zynismus schwang in seinen Worten: „Wissen Sie eigentlich, was das für eine Chance für den Commonwealth-Dienst wäre? Fast die gesamte militärische Führungsspitze der texanischen und der japanischen Streitkräfte ist hier versammelt. Eine einzige Bombe…“
Von Stahlheim nickte knapp: „Ich weiß, was Sie meinen.“ Bei diesen Worten näherte er sich lautlos der halb verborgenen Seitentür des Raums, riss sie ruckartig auf.
Angel, die hinter der Tür gekniet hatte, wäre beinahe in den Raum hineingefallen. Überrascht starrte sie den deutschen Agenten an, der sie ein paar Augenblicke mit ausdrucksloser Miene musterte. Dann grinste der Deutsche jäh, und zog einige zusammengerollte Geldscheine aus seiner Hosentasche. Immer noch grinsend schob er das Geld in den Ausschnitt des Mädchens und ließ seine Hand einen Augenblick dort verweilen: „Eine kleine Entschädigung für deine Arbeitszeit.“
Das leichte Zucken in ihren Augen entging ihm nicht. Sie verstand also deutsch. Er drehte sich um, nickte dem amüsiert grinsenden Sorge noch einmal kurz zu und verließ den Raum. Das letzte was er hörte, bevor der die Tür hinter sich schloss, war Sorges „…unsere Verbündeten…“ und einige gemurmelte Worte Angels, die einen unbedarfteren Menschen eventuell schockiert hätten. Dass ein Mädchen solche Worte kannte…
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Nach einer guten Stunde als Puffer zwischen Madame und Kapitän registrierte es Dave sehr erleichtert, als Steel in den Saal zurückkehrte. Der junge Pilot wirkte gelöst, regelrecht entspannt. Und er lächelte sogar, als er Armstrong ansah.
Die Runde hatte sich mittlerweile aufgelockert, und Dave gab Steel diskret zu verstehen, dass er sich der Gruppe um Sakai anschließen sollte.

Das war kurz bevor auf der Veranda das Trappeln von schweren Stiefeln erklang. Stiefel in Madames Allerheiligstem? Dave sah auf.
Tatsächlich erschien ein schwer atmender Polynesier in der offenen Tür zum Garten, nahm seine Uniformmütze ab und meldete atemlos: „Commander Stone, Sie müssen sofort zum Palast kommen! Der Polizeichef schickt Ihnen einen Hoplit!“
Dave fuhr hoch. „Was ist passiert?“
Der junge Polizeibeamte krampfte beide Hände um die Mütze. „Es gab eine Sabotage. Ein Gaskraftwerk ist in Honolulu explodiert. Im Moment geht alles drunter und drüber und seine Majestät will zu den Löscharbeiten stoßen und…“
Mehr brauchte der Mann nicht zu sagen. Er nahm die Hand von Madame Yamamoto und hauchte einen Kuss darauf. „Ich bedanke mich für den wundervollen Abend. Leider ruft mich die Pflicht fort. Wenn es sich passt, werde ich Sie morgen aufsuchen, Madame, und mich in Ruhe bedanken.“ Er sah in die Runde, aber Steel hatte schon verstanden und war vorgelaufen. Man hörte seine Stimme im Nebenraum donnern, und auch Sakai konnte eins und eins zusammenzählen.
„Wir beenden den Abend vorerst“, sagte Ishida. „Lassen Sie uns das nach dem Sieg über die ANZAC wiederholen, Armstrong.“
„Was denn? Sie kommen mit mir, Ishida-san. Als meine Nummer zwei gehören Sie jetzt ebenfalls in den Palast.“

Armstrong nickte Madame noch einmal zu und hastete dann auf die Veranda hinaus. Auf dem Weg zu seinen Stiefeln schnappte er sich Steel. „Du übernimmst das Kommando über die Zigarre. Blue soll alles startklar machen, aber noch am Boden bleiben. Richte dich auf einen Nachtflug ein, und bete zu Gott, dass er nicht nötig wird. Sobald ich im Palast bin, rufe ich an. Und bring mir Sam heile nach Hause, hast du gehört?“
„Ja, ja. Nun geh schon und sorge dafür, dass seine Majestät keine Dummheit macht.“
Ishida erschien neben ihm, und gemeinsam kletterten sie in ihr Schuhwerk. Ein deftiger Fluch Sakais begleitete sie bis ins eigentliche Lokal, wo sich die Nachricht bereits herumgesprochen hatte.

Der polynesiche Polizist führte sie auf einen freien Platz, auf dem kurz danach ein Hoplit landete. Die beiden Offiziere stiegen ein und waren kurz darauf auf dem Weg zum Palast in Honolulu, während unter ihnen die Piloten und Offiziere der NORTH und der KAMIKAZE aus dem Lokal strömten.

*438*

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Der Palast glich einer Festung, als sie landeten. Scheinwerfer und Patrouillen aus Marines und Polizei sicherten die Straßen, die Eingänge waren verbarrikadiert und das Haupttor mit einer Sandsackbarriere und einem MG gesichert.
Dave sah sich kurz um und erkannte in der Ferne das rötliche Flackern eines Großbrandes.
Sie wurden anstandslos eingelassen und Mizunami empfing Armstrong noch am Eingang. „Seine Majestät hört nicht auf mich! Bitte, Commander Stone, sprechen Sie ein Machtwort!“
Armstrong nickte Ishida zu und folgte dem Polizeichef zu den Privatgemächern seiner Majestät.
Als sie das Zimmer betraten, war Kamehameha der Dritte schon beinahe fertig. Er trug eine
Gefechtsuniform der texanischen Marines und Gallagher war gerade dabei, sein Gesicht zu schwärzen.
Als Dave eintrat erklärte sie mit einem Schulterzucken: „Wenn er sich von diesem Wahnsinnstrip nicht abbringen lässt, dann habe ich darauf bestanden, dass er sich zumindest tarnt.“
„Majestät, was haben Sie vor?“
„Ah, Commander Stone. Es ist gut, dass Sie es so schnell hierher zurück geschafft haben. Bitte gehen Sie ins CIC, solange ich fort bin. Ich glaube nicht, dass die Explosion einen verfrühten Angriff der ANZAC begleitet, aber ich möchte, dass ein fähiger Mann die Daten, die hereinkommen, sicher bewertet.“
„Majestät, darf ich vorstellen, das ist Sho-sa Ishida Isoruke, Kapitän des kaiserlichen Luftschiffs KAMIKAZE.“
Der König reichte dem Japaner in westlicher Manier die Hand. „Willkommen auf Hawaii, Sho-sa Ishida. Hätte es die Zeit zugelassen, hätte ich mich der Feier heute Abend angeschlossen, um Sie kennen zu lernen. Ich hoffe, Sie nehmen Commander Stone seinen kleinen Kunstgriff nicht mehr übel.“
„Mitnichten, Majestät. Bitte lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen und Ihnen die Grüße von Admiral Yamamoto zu überbringen, die er mir aufgetragen hat, wenn ich Ihnen persönlich gegenüberstehe.“
Die Augen des Königs leuchteten auf. „Das hat er Ihnen aufgetragen? Ich nehme die Grüße erfreut hingegen und biete dem Admiral an, jederzeit meine schönen Inseln zu besuchen.“
Der König sah Dave kurz an. „Commander, gehen Sie jetzt bitte in die CIC.“
„Das werde ich nicht tun. Zumindest nicht alleine. Wir werden zusammen da runter gehen und uns zusammen die Nacht um die Ohren schlagen, Majestät.“
„Haben Sie nicht gehört? Ich gehe mit Captain Gallagher und einem Trupp ihrer Männer da raus, um mir die Situation bei dem brennenden Kraftwerk anzusehen.“
„Nein, das werden Sie nicht, Majestät.“
„Hören Sie, ich habe Sie vielleicht zum Chef der Verteidigung gemacht. Aber ich habe Sie nicht zum Chef meines Lebens gemacht. Es ist meine Pflicht, jetzt bei meinem Volk zu sein. Sie müssen wissen, dass ich in der Not für sie da bin, dass ich sehe was sie sehen. Dass ich mich nicht in meinem Elfenbeinturm verkrieche und…“
Dave trat schnell einen Schritt vor und ergriff den König bei den Schultern. „Verdammt, Volk hin, Volk her, haben Sie vergessen, was Sie selbst mir vor Tagen gesagt haben? Auf der Insel, wahrscheinlich in der ganzen Hauptstadt wimmelt es von Agenten, die nichts lieber tun würden, als Sie zu töten! Selbst wenn Sie da in Tarnfarben runtergehen, werden Sie Dutzende Agenten erwarten! Sie werden da sterben, und was dann? Was dann?
Junge, du bist am Leben, um deinem Volk zu dienen. Kannst du das, wenn du in deinem eigenen Blut liegst? Es ist löblich, dass du bei deinen Leuten sein willst, aber du nützt ihnen am meisten, wenn du am Leben bleibst! Also geh mit mir ins CIC, nimm Mizunami-san mit und sprich mit mir und Ishida-san! Lass uns den Job machen für den wir ausgebildet wurden und für die Menschen da sein – auf unsere Art!“
„Ich will mich nicht feige verkriechen“, stammelte Kamehameha der Dritte.
„Ich werde jeden persönlich niederschießen, der es wagt zu behaupten, dass der hawaiianische König ein Feigling ist. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, Majestät.“
„Die Pflicht der Samurai ist es, bei den Bushi im Feld zu sein“, klang Ishidas Stimme auf. Sie war ernst und zwingend und von einem Zwang, den selbst Dave bemerkte. „Aber die Pflicht des Shoguns ist es, auf seinem Hügel zu stehen und die Truppen zu lenken. Majestät, bewegt Euch nicht! Ich werde mein Bestes geben, um für Euch im Feld zu stehen. Darauf habt Ihr mein Ehrenwort als Samurai!“

Der König antwortete lange Zeit nicht. Als er sich schließlich fasste, wischte er sich verstohlen die Augen aus. Der Mann war noch jung, aber voller Enthusiasmus und Sorge für seine Schutzbefohlenen. Und Dave hatte nicht vor, niemals vor, diesen Mann zu enttäuschen.
„Lassen Sie uns unseren Job machen, Majestät. Zusammen“, sagte Dave ernst.
„In Ordnung, Commander. In Ordnung, Sho-sa. Mizunami-san, ab sofort gilt Alarmbereitschaft. Ich will über alles informiert werden, was da unten am Kraftwerk passiert.“
„Jawohl, Eure Majestät.“
Ishida und Stone wechselten einen kurzen Blick, als seine Majestät mit Gallagher im Schlepp voraus ging.
„Ich schulde Ihnen was“, sagte der Deutsche schließlich.
„Geschenkt, Armstrong. Wenn Kamehameha der Dritte stirbt, ist es nicht im Sinne von Japan. Und ich persönlich sehe einen tüchtigen jungen Mann wie ihn ungern sinnlos sterben. Verschwendet wird wahrlich genug in dieser Welt.“
Stumm nickte Dave, voller Anerkennung. „Sie sind ein guter Mann, Ishida-san.“
„Und Sie sind ein Frechdachs, der mit viel Glück überlebt hat, den König wie einen kleinen Jungen zu behandeln. Haben Sie Narrenfreiheit bei ihm?“
Dave dachte über diese Worte nach. „Er steht auf meine Flügelfrau, denke ich.“
„Ach, wie nett. Bringen Sie mich ins CIC? Ich kenne den Palast noch nicht.“

***
„Ich denke, jetzt ist die richtige Zeit, um sämtliche Alarmrotten nach Oahu zu ziehen“, bemerkte Mizunami ernst.
Armstrong dachte kurz darüber nach. Abgesehen von den beiden Alarmrotten auf der Hauptinsel verfügte die hawaiianische Polizei über vierzehn weitere Flieger, die über die Inseln verteilt waren. Sie zusammenzuziehen hätte bedeutet, die Schlagkraft der Verteidiger noch einmal zu erhöhen. Aber es hätte auch bedeutet, die anderen Inseln, unter ihnen die größte, Hawai´i, vollkommen schutzlos zurückzulassen. Vor allem aber der SHOOTIST den Rückhalt zu nehmen.
„Nein, Mizunami-san. Wir haben ein wenig mit den beiden Alarmrotten trainiert, die auf Oahu stationiert sind. Aber nicht mit den anderen Maschinen. Sie sollen bleiben wo sie sind und ihre Aufgaben wahrnehmen. Es wäre aber nett, wenn sich die Maschinen auf Hawai´i Captain Arguile unterstellen würden.“ Er deutete mit einer weit reichenden Geste auf den Kartentisch. „Außerdem, mein guter Freund, ist das was wir jetzt brauchen bodengebundene Polizei, und keine Flieger.“
Der Stadtplan von Honolulu hatte sich dramatisch verändert. Die Explosion am Kraftwerk war nur der Auftakt gewesen für etwas, was Dave in Gedanken mit Aufstand umschrieb. Auf den Straßen in manchen Vierteln herrschte offener Krieg, und sowohl Mizunami als auch der Commander hatten keine andere Lösung gesehen, als eine Ausgangssperre zu verhängen und mit brachialer Gewalt durchzusetzen.
Dennoch, die Stadtviertel, die sich bereits in den Klauen eines aufkeimenden Bürgerkriegs befanden, mussten mühsam befriedet werden. Sehr mühsam.
Dave erschrak, als er daran dachte, was der Morgen von der prächtigen Stadt enthüllen würde.
Kamehameha der Dritte trat mit einer Tasse frischen Kaffee an den Kartentisch heran. „Wie schlimm ist es?“
„Zwei europäische Viertel melden Schießereien, ein Industriegebiet mehrere Brände. Lagerhallen und Fabriken australischer Firmen. Es sieht nicht sehr gut aus, Majestät.“
„Was macht der Brand?“
„Die Feuerlöschmannschaften haben Polizeischutz erhalten und es geht gut voran. Sie werden nicht gestört. Natürlich habe ich mit Absprache mit Captain Gallagher begonnen, die anderen neuralgischen Punkte der Hauptstadt abzusichern.“
„Commander. Wir haben einen Anruf, den Sie entgegen nehmen sollten“, sagte eine der Melderinnen.
Armstrong runzelte die Stirn, trat an den Telefonapparat und schaltete den Lautsprecher ein. „Commander Stone hier.“
„Hier spricht Konsul Watanabe. Commander Stone, hiermit protestiere ich in aller Form. Die japanische Botschaft ist autarkes Staatsgebiet des japanischen Reiches und ich kann diese Verletzung internationalen Rechts nicht gutheißen.“
Armstrong winkte Ishida heran. „Entschuldigen Sie vielmals, Exzellenz, aber könnten Sie Ihren Vorwurf präzisieren?“
„Meinen Vorwurf präzisieren? Meine Botschaft wurde angegriffen! Beschossen! Was gibt es da zu präzisieren?“
„Exzellenz, ich spreche Ihnen hiermit mein aufrichtiges Bedauern aus und entschuldige mich für die Übergriffe. Sobald unsere Krisensituation beendet ist, verspreche ich Ihnen eine volle Untersuchung der Angelegenheit, verbunden mit schweren Strafen für die Täter.“
„Davon kriege ich nicht die Kugeln aus meinem Schreibtisch“, erwiderte der Botschafter mit triefendem Spott in der Stimme.
Ishida machte eine auffordernde Geste in Richtung des Commanders.
„Moment, Exzellenz, ich übergebe für einen Moment an meinen Stellvertreter.“
„Ihren Stellvertreter? Ich will mit Ihnen reden, nicht mit irgendwelchen Subalternen! Ich…“
„Sho-sa Ishida Isokure dessu. Exzellenz Watanabe, wie schlimm ist die Lage an der Botschaft?“
„Kapitän Ishida? Ich wusste nicht, dass Sie Stellvertreter des Gaijin geworden sind.“
„Bitte beantworten Sie meine Frage.“
„Nun, wir haben die Situation unter Kontrolle. Die Infanterie hat mit Patrouillen begonnen und wir wurden nicht erneut beschossen.“
„Hatten Sie Verluste, Exzellenz?“
„Nein, aber…“
„Dann ist ja gut. Ich muss Sie bitten, die erhöhte Alarmbereitschaft beizubehalten, bis die Situation bereinigt ist. Es kann sein, dass wir es hier mit einem Aufstand zu tun haben. Aber im Diplomatenviertel ist es im Moment noch sicher. Dennoch, zögern Sie nicht, unsere Hilfe anzufordern, wenn Sie die Situation nicht alleine bewältigen können.“
Daraufhin schwieg der Konsul einige Zeit.
„Es wird eine Untersuchung geben?“, fragte er schließlich.
„Es wird eine Untersuchung geben“, bestätigte Ishida.
Seine Majestät streckte fordernd die Hand aus. Der Japaner gab das Telefon bereitwillig weiter. „Kamehameha der Dritte hier. Exzellenz Watanabe, ich entschuldige mich in aller Form für die Umstände, die Ihnen bereitet wurden.“
„Majestät“, keuchte der Botschafter erschrocken auf.
„Aber im Moment haben wir es mit einer Krisensituation zu tun. Sobald meine Zeit es zulässt werde ich Sie empfangen. Aber bis dahin muss ich Sie bitten, uns arbeiten zu lassen.“
„Selbstverständlich, Majestät. Ich bin sicher, dass die Wachen der Botschaft mit der Situation fertig werden, ohne eine weitere Last für Euch zu sein. Watanabe Ende.“
Erleichtert gab der König das Telefon an Armstrong zurück. „Danke für Ihre Hilfe, Ishida-san.“
Der Japaner wehrte lächelnd ab. „Geschenkt, Majestät. Zivilpersonen geraten viel zu leicht in Panik. Ich dachte mir, ich sollte besser eingreifen, um das japanische Ansehen keinen Schaden nehmen zu lassen.“
Armstrong wollte dem etwas hinzufügen, aber die gleiche Melderin schob ihm einen Zettel zu.
Mit Erstaunen las der Pilot und grunzte wütend. „Stellen Sie fest, in welche Richtung sie fliegen. Und ich brauche sofort eine Verbindung zu meiner Zigarre.“
„Was ist passiert, Armstrong?“, fragte der König. Er schien recht stolz darauf, den Piloten bei seinem Callsign angesprochen zu haben.
„Soeben haben zwanzig Mann mit Handgranaten und Tommyguns mit Hilfe von zwei Hoplits in der Innenstadt eine Bank ausgeräumt. Es scheint, dass eine oder mehrere der Zigarren auf dem Cook Air Field nun ihre Absichten offenbaren.“
„Schlaue Bande. Sind hier geblieben, um im allgemeinen Getümmel ihre Bordkasse aufzubessern“, fügte Ishida hinzu.
„Die Verbindung zu Ihrem Zeppelin steht, Sir.“
„Danke. Steel? Hör zu, lass sofort eine Rotte aufsteigen. Es fliegen gerade zwei Hoplits über Honolulu herum, die eine Bank geknackt haben. Ich will, dass du sie findest und zur Landung zwingst. Wenn sie stur sind, knall sie ab. Honolulu ist kein rechtsfreier Raum.
Ihr solltet sie gut sehen können, die Beleuchtung der Stadt und der Großbrand werden sie so genau abzeichnen als würden sie mit Scheinwerfern beleuchtet.“
„Bankräuber? In dieser Situation? Was für eine Schweinerei. Ich schicke Max und Papillon hoch.“
„Ach, eines noch. Es wäre nett wenn wir herausfinden könnten, von welcher unserer fünf freundlich abwartenden Zigarren auf dem Cook Air Field sie gestartet sind. Wenn es keine Umstände macht.“
„Ich sehe zu, was ich tun kann. Boss, bedeutet das, dass wir uns nun auch noch mit Kleinganoven herumschlagen müssen? Es hilft uns nicht gerade, wenn wir die Nacht zum Tag machen. Ich meine, die ANZAC stehen vor der Tür.“
„Ich weiß. Aber dies ist nun mal unser neuer Job. Sorge dafür, dass die Piloten so viel Schlaf wie möglich kriegen.“
„Ja, Boss.“
„Ach, und Steel?“
„Ich weiß schon was du sagen willst, Dave. Ja, ich werde auch schlafen gehen, wenn ich es erlauben kann. Noch was?“
„Nein, das war es. Hol mir einfach diese Bastarde vom Himmel.“
Armstrong legte wieder auf und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Mist.“
„Nett formuliert, Commander.“ Der König reichte dem Deutschen eine Tasse Kaffee, eine weiter an Ishida.
„Danke, Majestät. Uns steht eine lange Nacht bevor.“
In diesem Moment konnte er noch nicht ahnen, wie lang erst der Tag sein würde.

***
James Conrad Fadden fühlte sich merkwürdig unruhig. In diesem Moment sollten die Agenten des MI6 die ersten Aufstände anzetteln, Übergriffe auf australische Firmen provozieren und die Situation heiß fahren.
Die letzten Berichte, die ihn erreicht hatten, waren nicht sehr erfreulich gewesen. Er machte sich wenig Sorgen um die beiden texanischen Freibeuter, die offensichtlich die Verteidigung Honolulus verstärkt hatten. Aber die japanische Zigarre lag ihm schon jetzt quer im Magen.
General Godley hatte zwar gesagt, dass die ANZAC sehen musste, wo sie im internationalen Vergleich stand; der Kampf gegen Piloten der Oberliga kam also lediglich früher als später; aber Fadden hatte die stille Befürchtung, dass sie etwas zu gut waren. Er bot sechsunddreißig Flieger auf, hochmodern, beinahe neu und perfekt gewartet. Dem standen vierundzwanzig Texaner gegenüber, denen er nicht wirklich große Bedeutung zumaß. Ebenso wenig den beiden Alarmrotten auf Oahu. Die achtzehn japanischen Marineflieger hingegen konnten ein echtes Problem werden.
Die Vorsicht gebot es, im Deckmantel der Fregatten zu operieren, aber auf diese Weise konnten sie ihre Invasionsziele nicht erreichen. Sich von der Flak der Schiffe verhätscheln zu lassen bedeutete auch die eigene Agilität aufzugeben.
Sie mussten die Bodenziele niederkämpfen, markierte Artilleriestellungen zerbomben und den Luftraum erobern. Vorher war die Landung ein Wagnis. Und die Texaner konnten sich als fähiger erweisen als die Führung der ANZAC erwartete. Er jedenfalls würde sie lieber ein wenig überschätzen als sich böse überraschen zu lassen.
Die dritte Zigarre machte im wenig Sorgen. Wenn alles so lief wie er es wollte, dann würden die zwölf Piloten der SHOOTIST genug mit sich selbst zu tun haben.
„Signal von achtern, Sir. Commodore Scott von der PADDY“, meldete sein Stellvertreter.
Das bedeutete Lichtsignale. Funk war bis zum Angriff untersagt. Nachts kommunizierten sie mit Licht und tags mit Flaggen.
Kurz darauf wurde ihm die Abschrift des Textes herübergereicht.
Fadden runzelte die Stirn, als er den Text las, den der Flottillenchef ihm hatte zukommen lassen. „Bootsmann, schalten Sie Radio Honolulu an.“
„Aye, Sir.“
Kurz darauf erfüllte statisches Rauschen die Brücke, bis der Bootsmann den richtigen Sender traf. Es krachte ein wenig, und Fadden durchfuhr es heiß und kalt als er sich klar machte, dass DAS keine statische Störung gewesen war.
„…sprechen wir von offenen Übergriffen auf die europäische Bevölkerung. Die aufgebrachten asiatischen Mitbürger greifen bevorzugt australische Firmen an. Die verschreckten Europäer schießen scharf zurück, nachdem fünf Häuser in Brand gesteckt wurden. Nach der Explosion des Gaskraftwerks war die Lage ohnehin angespannt, und nun scheint es als hätte jemand die Lunte entzündet. Die Polizei tut was sie kann, aber sie kann nicht überall sein.
Es wird auch von dem Absturz zweier ziviler Hoplits berichtet, die angeblich über den Dächern der Stadt attackiert worden sind. Helfer sind unterwegs, werden aber von den grassierenden Aufständen behindert. Wir schalten jetzt live zu…“
Fadden runzelte die Stirn. „Ich finde, jetzt übertreibt es der MI6 etwas.“
Lieutenant Commander Salysbury, sein Stellvertreter auf der SIDNEY, reichte ihm mit zitternden Händen einen weiteren Zettel. „Commander, das kam rein, bevor Sie aufgestanden sind. Ich hatte noch keine Gelegenheit, es Ihnen zu geben.“
James Conrad Fadden nahm das Telex aus den Händen seines Untergebenen, warf einen Blick darauf und erstarrte. Nervös sah er in die Runde. „Aber wenn die MI6-Mission eingestellt ist, wer hat dann…?“
Seine Hände ballten sich zusammen. „Oh Gott. Oh, heiliger Gott. Jetzt ist es wirklich ein Aufstand. Jetzt werden unsere Leute wirklich massakriert.“
„Nachricht von Commodore Scott von der PADDY, Sir.“
Ein weiterer Zettel gelangte in seine Hände und mit zitternden Fingern las er.
Der Angriff wurde vorverlegt, der Plan geändert. Der Hilferuf der australischen Gemeinde lag vor, aber Scott schätzte die Situation als viel zu ernst ein. Deshalb sollten die SIDNEY und die JAMES COOK vorpreschen und mit dem ersten Licht des Tages mit der Operation beginnen. Ziel war es, bis zum Mittag im Hafen von Pearl City landen zu können.
„Kein Plan überlebt den Kontakt mit der Wirklichkeit“, zitierte James Conrad Fadden Napoleon. „Geben Sie Alarm für die gesamte Besatzung. Plan B tritt in Kraft.“
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„Ich dachte, Dave hätte gesagt, nur eine Rotte?“
Steel warf Max einen Blick zu, der sie eigentlich auf der Stelle hätte einfrieren müssen. Seine Stimme klang nicht viel freundlicher: „Wenn ich will, dass du denkst, dann sag ich dir vorher Bescheid. Und jetzt rauf mit dir! Bringt Bonnie und Clyde gefälligst auf den Boden. Wie du das machst, ist mir egal. Zwing sie zur Landung, oder knall sie ab. Nur entkommen dürfen sie dir nicht. Mit zwei popligen Hoplite werdet ihr beiden Superflieger doch wohl fertig werden?!“
Max warf Papillon, der anderen ‚Superfliegerin’ einen kurzen Blick zu: „Und warum jagst du dann die anderen drei Maschinen vom Dog Pack hoch? Und warum fliegst du nicht selber mit?“
„Weil ich Wichtigeres zu tun habe, als ein paar miese Bankräuber über den Himmel zu scheuchen. Und die drei anderen Jäger sind…Rückendeckung. Alles Weitere erfahrt ihr, wenn es soweit ist. Und nun zieht endlich Leine!“ Jetzt hielt es Max doch für angebracht, nicht weiter nachzubohren. Während sie zu ihrer Maschine rannte, wandte sich Steel bereits zu den verbliebenen Piloten seiner Staffel zu. Mit kurzen, prägnanten Worten umriss er ihnen ihre Aufgabe, drohte ihnen an, im Falle eines Versagens jeden Knochen einzeln zu brechen, und scheuchte sie zu ihren Maschinen. Damit war wenigstens EIN Teil der Falle aufgestellt. Und nun zum zweiten…

Keine zwei Minuten später hatte Steel gefunden, wen er suchte: „Ich brauche ein Dutzend Ihrer Leute. Maschinenpistolen, Handgranaten, vielleicht auch Karabiner. Aber auf jeden Fall ein Kaliber .50 MG und ein transportables Funkgerät. Ich weiß, dass ihr solche Dinger habt…Und dann brauchen wir noch ein Megaphon.“
Captain Norah Gallagher kannte den hoch gewachsenen Deutschamerikaner, respektierte ihn, hegte aber keine besonderen Sympathien ihm gegenüber. Diese Einstellung wurde erwidert. Aber da er nun mal de facto so etwas wie der Stellvertreter des Commanders war, stand er gewissermaßen höher in der Rangliste.
Durch sein Verhalten bei diversen Kampfeinsätzen hatte Steel immerhin seine Fähigkeiten auch am Boden bewiesen. Allerdings war Gallagher schon vor einiger Zeit zu der Ansicht gekommen, dass der Pilot mit den kalten Augen jedenfalls nicht nur eine Fliegerausbildung absolviert haben musste. Dazu war er einfach zu gut. Aber im gewissen Sinne erleichterte ihr das auch die Notwendigkeit, seinen Befehlen Folge zu leisten.
„Na schön, meine Jungs stehen in fünf Minuten einsatzbereit. Sonst noch was?“
„Ja. Ich komme natürlich mit – und deine Leute sollen sich möglichst unauffällig verhalten. Na ja, so unauffällig, wie das mit dem ganzen Eisen möglich ist. Wir wollen keine unnötige Aufmerksamkeit erregen.“
„Und dann brauchen wir ein `50er und eine Direktverbindung für Luftunterstützung?“
„Ganz recht. Und ich hoffe, das reicht. Ein paar Panzerspähwagen wären mir allerdings lieber.“
„Na, das kann ja heiter werden!“

’’’’’’’’’’’’’’’’’’’

„Max für NORTH STAR. Wir sind in der Luft. Erwartete Zeit bis Feindkontakt, eine Minute. Bisher noch nichts zu sehen.“ Max Stimme klang etwas belegt. Angeblich ging Hawaii nie schlafen, erhellten die Lichter der Straßen und Vergnügungsviertel den Himmel über Kilometer hinaus. Das Bild sollte großartig sein. Ein, allerdings nur bedingt wohlwollender, Reporter hatte das Schauspiel als eine ‚Hymne aus Licht’ genannt, ‚gewidmet dem Hedonismus und dem Profit.’
Doch heute Nacht…An vielen Stellen herrschte am Boden absolute Finsternis. Die Stromversorgung musste dort zusammengebrochen, oder gezielt sabotiert worden sein. Oder die Menschen hatten die Lichter aus Angst gelöscht. Dafür loderten an anderen Stellen Brände auf. Das brennende MacArthur-Gaswerk hatte sich von einem veralteten Gebäude aus der Kolonialzeit in das Tor zur Hölle verwandelt. Immer noch schossen Flammen Dutzende Meter hoch in den Himmel. Und all das waren nur der Aufruhr und das Chaos, den die Einwohner Hawaiis und ein paar Agenten entfacht hatten. Die eigentliche Invasion hatte noch nicht einmal begonnen.
Ironischerweise war es das Feuer am Boden, das Max ihre Beute entdecken ließ. Vor dem rotgelben Hintergrund der Brände hoben sich für einen kurzen Augenblick die gedrungenen Silhouetten von zwei Hopliten ab. Die Maschinen flogen niedrig.
Im Stillen dankte Max ihrem ‚Wahlbruder’ und Steel für das intensive Nachtflugtraining. Andernfalls hätte sie den Gegner wohl übersehen: „Hier Max! Ich sehe unsere Kunden. Zwei Uhr, niedrig. Wir gehen ran.“ Gleichzeitig ließ sie ihre Maschine nach unten sacken. Ihre Defenders hatten eine um fünfzig Meilen höhere Maximalgeschwindigkeit, und ihre vier `40er MG waren den vier `30ern der Hopliten an Durchschlagskraft überlegen. Dennoch, sie würde kein Risiko eingehen, auch wenn inzwischen ihre „Rückendeckung“ – eine Vampire und zwei Avenger – in der Luft waren. Binnen weniger Sekunden war sie in Schussreichweite. Die Piloten der beiden Autogyros schienen sie noch nicht bemerkt zu haben. Allerdings war an ihrem Kurs noch nicht zu erkennen, ob sie das Cook-Airfield anflogen, ein anderes Flugfeld – oder vielleicht auch eine bereits in der Luft befindliche Zigarre. Nun was auch immer ihr Ziel war, Max war fest entschlossen, sie dort nicht ankommen zu lassen. Sie stellte die Frequenz ihres Funkgeräts auf eine der üblichen Frequenzen: „Fremde Hopliten – Achtung! Sie werden der Beteiligung an einem Bankraub beschuldigt! Im Namen der Polizei und der Verteidigungsstreitkräfte von Hawaii fordere ich Sie auf, unseren Anforderungen folge zu leisten. Im Falle von Widerstand sind wir berechtigt, Sie abzuschießen!“
Es erfolgte keine Reaktion. Die Autogyros flogen einfach weiter, als hätten sie Max Worte nicht gehört. Was natürlich durchaus möglich war. Max wechselte die Frequenz und wiederholte ihre Botschaft. Einmal, zweimal – immer noch keine Reaktion.
„Jetzt reicht es!“ Sie hatte genug. Eine schnelle Korrektur ihres Flugkurses, ein kurzer Druck auf die Knöpfe ihrer Bordwaffen – eine doppelte Leuchtspurgarbe zerschnitt die Luft dicht vor dem ersten Autogyro. Aber eine Reaktion blieb aus, stur folgten die beiden Maschinen weiter ihrem bisherigen Kurs. ‚Entweder die Typen sind so blind wie neugeborene Katzen, völlig verblödet – oder sie glauben, damit durchkommen zu können. Aber nicht mit mir!’ Am liebsten wollte Max jetzt das Feuer eröffnen, aber noch hielt sie sich zurück. Eine letzte Chance wollte sie den Autogyros geben: „Papillon, halt mir den Rücken frei. Ich geh noch einmal ran.“
„Wenn du meinst…“
Die Entfernung zu den Hopliten sank rapide. Jetzt trennten sie nur fünfzig, vielleicht vierzig Meter. Und noch immer erfolgte drüben keine Reaktion. ‚Letzte Gelegenheit, ihr Schwachköpfe…’
Was im nächsten Augenblick geschah, erwischte Max auf dem falschen Fuß. Der eine der Hoplite-Piloten verringerte schlagartig seine Geschwindigkeit, hatte den Bugpropeller praktisch ausgeschaltet. Die Devastator der jungen Pilotin hatte auf einmal einen erheblichen Geschwindigkeitsüberschuss, und passierte den Autogyro. Darauf hatte dessen Pilot nur gewartet, er eröffnete sofort aus allen Rohren das Feuer. Max Maschine wurde brutal durchgeschüttelt, während die Leuchtspurgarben von mindestens zwei `30ern in ihre Maschine hämmerten. Ihr Glück war es, dass der Gegner offenbar keine Luftkampfraketen geladen hatte, und der andere Autogyro zu langsam reagierte. Max legte die Maschine auf die Seite und flog eine Hochgeschwindigkeitskurve, die die Zielkünste des feindlichen Piloten offenbar überforderte. Zwar schaltete sich jetzt der zweite Autogyro ein, aber der Beschuss seiner Bordwaffen ging zum Großteil ins Leere. Dennoch kam es Max einen Augenblick lang so vor, als flöge sie durch ein tödliches Labyrinth aus Leuchtspurfäden. Das erinnerte sie unangenehm an den Nachtangriff auf den japanischen Flugplatz auf den Aleuten. Damals hatte ihre Maschine ganz schön einstecken müssen.
Aber dann griff Papillon in den Kampf ein. Der fast auf der Stelle schwebende Autogyro, dessen Bug vom Mündungsfeuer seiner Maschinengewehre erhellt wurde, war ein leichtes Ziel. Die Devastator kam aus einer perfekten Angriffsposition, von Hinten, leicht überhöht, über einen Gegner, der sich völlig auf ein anderes Ziel konzentrierte. Das Sperrfeuer aus vier Maschinengewehren Kaliber .40 war von mörderischer Wirkung. Die Einschläge erfassten zuerst das Heck des Auogyros und wanderten dann zum Bug. Der Hoplite schien von der Wucht des Angriffs regelrecht durchgeschüttelt zu werden. Jäh richtete sich der Bug der Maschine nach oben, ging der Autogyro in einen unkontrolliert wirkenden Steigflug über. Vermutlich hatte der Pilot reflexartig den Steuerknüppel nach hinten gerissen. Dann war Papillon an der Maschine vorbei, drehte zu einem erneuten Angriff, während das größtenteils nur schlecht gezielte Sperrfeuer des zweiten Autogyros die Dunkelheit zerschnitt. Mit der Plötzlichkeit eines Hais, der aus der Tiefe angriff, schaltete sich Max wieder in den Kampf ein. Der Bug ihrer Maschine zielte genau auf den schwerfällig aufwärts steigenden Autogyro, den Papillon bereits schwer beschädigt hatte. Sie presste die Lippen zusammen, als sie auf die Feuerknöpfe ihrer Maschinenwaffen drückte.
Zwar war der Boden des Hoplite relativ gut gepanzert, aber das konzentrierte Feuer von vier Maschinengewehren war dann doch zuviel für den vor allem für schnelle Piratenraids gedachten Autogyro, der sich ohnehin in einem viel zu steilen Steigflug befand. Die Maschine legte sie beinahe auf den Rücken, um dann immer schneller nach unten abzuschmieren. Nichts und Niemand konnte diesen Sturz mehr aufhalten. Die Männer an Bord hatten keine Chance. Nur ein paar Sekunden, und der Hoplite verging in einer mörderischen Explosion, als er auf den Boden aufschlug.
Für den anderen Autogyro hatten sich damit die Chancen dramatisch verschlechtert. Der Pilot war sich dessen offenbar bewusst, denn anstatt den Kampf fortzusetzen, versuchte er mit Höchstgeschwindigkeit zu entkommen. Die beiden Devastator blieben an ihm dran, wie Bluthunde, die eine Fährte aufgenommen hatten.
Es wurde eine grausame aber kurze Hetzjagd. Der Hoplite raste im Tiefflug über die Stadt hinweg, einem wirren Zickzackkurs folgend, um den Verfolgern das Ziel zu erschweren, und sie vielleicht abzuhängen. Aber die Jagdflieger blieben an ihm dran, überschütteten ihn wieder und wieder mit einem wütenden Kreuzfeuer, das die feindliche Maschine unbarmherzig beutelte. Doch aufgeben wollte der Pilot offenbar nicht. Stattdessen ließ er sich plötzlich noch weiter zum Boden sacken, während er abrupt an Geschwindigkeit verlor. Noch ehe die beiden Devastator in Schussposition waren, sah Max, wie sich aus dem wie betrunken hin- und herschwankenden Autogyro einige dunkle Gestalten fallen ließen. Sie begriff – der Pilot wollte offenbar wenigstens seine Kameraden retten, die im Transportraum der Maschine saßen. Ein paar kurze Augenblicke zögerte sie – dann drückte sie auf die Auslöser der Waffenknöpfe. Fast gleichzeitig flog auch Papillon ihren Angriff. Nur ein paar Sekunden Dauerfeuer, eine gigantische Explosion – und ein Regen brennender Trümmerteile ging auf die Erde nieder.

Sie fand keine Zeit, sich zu entspannen, oder zu freuen, denn plötzlich erschallte Happys Stimme aus ihrem Funkgerät: „Achtung! Feindliche Jäger im Anflug! Wir greifen an!“
Max riss den Steuerknüppel zurück. Ein Jagdflieger brauchte Höhe zum Manövrieren. Suchend sah sie sich um. Wo war der Feind?
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Steel grinste humorlos: „Dachte ich’s mir doch, dass Bonnie und Clyde noch ein paar Spielkumpanen in der Luft hatten. Die haben sich aber Zeit gelassen.“
„Und nun?“
„Warten wir, ob sich hier auf dem Flugplatz was tun. In ein paar Sekunden begreifen unsere Freunde nämlich, dass ihre paar Luftakrobaten in eine Falle getappt sind. Sie sollten eben besser auf die Hunnen aus der Sonne achten.“
Captain Gallagher kannte dieses Sprichwort aus dem letzten Krieg. Trocken konterte sie: „Der Mond scheint. Und ich sehe hier nur einen Hunnen – und der ist am Boden.“
Steel sah sie einen Augenblick lang völlig ausdruckslos an. In dem schwachen Licht einer schwankenden Hängelampe, wirkten seine Augen wie aus dunklem Glas. Übergangslos grinste er. Aus irgendeinem Grund hätte der Anblick Gallagher fast eine Gänsehaut verursacht: „Wenn sie bemerken, dass sie mehr abgebissen haben, als sie schlucken können, dann werden sie entweder noch mehr Jäger hochschicken – oder sich aus dem Staub machen. Und dann haben wir sie.“
„Wenn sie überhaupt hier sind. Ich meine auf diesem Flugfeld.“
Steel kam nicht dazu, zu antworten, denn jetzt mischte sich einer der anderen Marines ein, die zusammen mit Steel und Gallagher im Schatten eines heruntergekommenen Wartungshangars hockten: „Captain, da drüben tu sich was!“

Tatsächlich, bei Hangar Drei, einem der zurzeit belegten Luftschiffhangars waren plötzlich Aktivitäten zu sehen. Die gigantischen Tore wurden – offenbar von Hand, und so leise wie möglich – geöffnet.
„Die Schweine wollen stiften gehen. Verdammt, es muss natürlich ausgerechnet der Hangar sein, der am weitesten weg ist. Die beeilen sich aber. Na ja, nicht so schnell…“ Steel griff nach dem Funkgerät, und suchte die Frequenz, die die Piloten des Dog Pack benutzten: „Wir könnten etwas Luftunterstützung gebrauchen. Wie sieht’s bei euch aus?“
Nach einigen Sekunden war Max Stimme zu hören: „Verdammt, die beiden Hunde sind besser, als ich dachte! Zwei Fury! Tut mir Leid, momentan – PASS AUF! WEGBRECHEN!“
Mit einem Fluch schaltete Steel ab: „Soviel dazu. Also müssen wir das wohl selber erledigen. Captain – schicken Sie einen Mann zu der Fla-Scheinwerferbatterie Zwei. Wenn es hier laut wird, möchte ich den Hangar ausgeleuchtet, wie einen Schießstand auf dem Rummelplatz.“
Ein paar Sekunden später waren die Marines auf dem Weg. Allerdings offenbar nicht so schnell, wie Steel es gerne hätte. Die beiden Männer, die das MG, beziehungsweise das sperrige Funkgerät schleppten, waren langsamer als der Rest. Steel fluchte leise, aber recht farbig: „Beeilung, ihr Hurensöhne! Wenn die ihre Zigarre erst mal draußen haben, dann kriegen wir sie niemals. Dann sind die weg – und wenn sie wollen, dann legen sie gleich noch den Platz unter Feuer. Verdammt, wir hätten die Flak alarmieren sollen…schneller, ihr Bastarde!“
Vielleicht war es eben diese Eile, die ihnen zum Verhängnis wurde. Bei dem halben Dutzend Männer, die gerade die Hangartore im Licht der spärlichen Hangarbeleuchtung öffneten, schien einer zu stutzen, wirbelte herum – und griff nach der Bren, die über seiner Schulter hing.
„FEUER!“ Steels Stimme ging unter im Hämmern der Maschinenwaffen, als die Marines das Feuer eröffneten. Die Piraten hatten keine Chance gegen die Feuerkraft von einem vollen Dutzend Maschinenpistolen. Rodrick, der Gunner des platoons, warf sich zu Boden, stützte das schwere `50er an der Wand der Baracke ab, in deren Schutz sie gerade vorrückten, und eröffnete das Feuer. Das dumpfe Stakkato des SMG fiel in das hechelnde Knattern der leichten Automatikwaffen ein. Binnen Sekunden waren die Piraten niedergemäht, aber Steel erlaubte sich keine Zufriedenheit. Er wusste, das war nur der Anfang. Jetzt kam es auf Schnelligkeit an. Während mit einmal die Scheinwerfer der Fla-Batterie aufflammten, und den Hangar der Piraten in gleißendes Licht tauchten, gellte Steels Stimme: „Vorwärts! Sprung auf, Marsch, Marsch!“
Es war ein furchterregendes und gleichzeitig berauschendes Gefühl, dieser Sturmlauf durch das gleißende Licht der Fla-Scheinwerfer. Einige der Marines feuerten im Laufen aus der Hüfte, andere konzentrierten sich nur aufs Rennen. Steels Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung und Anspannung. Sie mussten es schaffen! Sie konnten…
Und im nächsten Augenblick brach aus dem Hangartor ein wahrer Feuerorkan los. Schwere und leichte Maschinenwaffen eröffneten fast gleichzeitig das Feuer. Geblendet durch die Scheinwerfer konnten die Piraten nicht gezielt feuern. Sie setzten ganz einfach auf massierte Feuerkraft.
Bereits in den ersten Sekunden wurden zwei der Stürmenden von den Leuchtspurgarben regelrecht zerfetzt, nur ein paar Herzschläge später erwischte es einen dritten tödlich, wurden zwei andere Marines verwundet zu Boden geschickt. Das war zuviel, der Sturmangriff brach zusammen: „Volle Deckung! Volle Deckung!“
Steel fand sich am Boden wieder. Er konnte sich gar nicht erinnern, sich zu Boden geworfen zu haben. Rechts und Links sah er die Marines des Kommandos liegen, einige von ihnen offenbar verwundet. Gallaghers befehlsgewohnte Stimme ertönte sogar den Gefechtslärm: „Zurück! Alle Mann zurück! Deckung suchen!“
Geduckt, manche kriechend, zogen sich die Marines zurück. Es war ihr Glück, dass der Gegner immer noch geblendet war, und das Blindfeuer etwas zu hoch lag.

Einige Sekunden später warf sich Steel in den Schutz einer heruntergekommenen Wartungsbaracke. Neben sich sah er Gallagher und drei weitere Marines, darunter der Mann mit dem Funkgerät. Die anderen Marines, die es geschafft hatten, sich zurückzuziehen, hatten fragwürdigen Schutz hinter einigen Materialstapeln und einem anderen Wartungshangar gefunden. Ein Blick in die Gesichter der Männer zeigte Steel, dass er den Männern wohl kaum noch einen Sturmangriff befehlen konnte. Außerdem wäre es Selbstmord gewesen.
„Sie haben die Waffengondeln der Zigarre eingesetzt.“ Gallagers Stimme klang nüchtern, als würde sie über das Wetter sprechen.
„Ja. Sie haben schnell reagiert.“
„Verdammte Hurensöhne. Was nun? Halten wir sie fest, bis wir Verstärkung kriegen?“
Steel nickte langsam. Das schien momentan die einzige Lösung: „Geben Sie das über Funk durch. Und dann sagen sie auch der Flak…“
„Die Flakstellungen haben keine Funkgeräte.“
„Was?“
„Wissen Sie das nicht? Wir hatten einfach nicht genug mobile Geräte. Außerdem brauchen die Bodentruppen die, um im Fall der Invasion ihre Bewegungen zu koordinieren. Die Flak-Stellungen sollten durch Feldtelefone koordiniert werden.“
„Und?“
„Sie sind noch nicht dazugekommen, das System zu installieren.“
„Schweinerei! Dann schicken Sie einen Melder los!“
Ein paar Sekunden später hastete einer der Marines nach hinten, offenbar nicht ganz unzufrieden, dass er hier weg kam. Die anderen Marines konzentrierten sich wieder auf den Hangar der Piraten. Die Heftigkeit des Feuergefechts ebbte etwas ab, beschränkte sich nur noch auf einzelne Garben, die von beiden Seiten abgefeuert wurden, um den Gegner festzuhalten, und die eigene Wachsamkeit zu betonen.
Auch Steel schoss ein paar Mal, ohne groß zu zielen. Momentan achteten die Piraten darauf, kein gutes Ziel zu bieten. Steel handelte fast automatisch, während seine Gedanken um ein und denselben Punkt kreisten. Momentan herrschte ein Patt, aber das würde kippen, wenn Verstärkungen eintrafen. Wenn weitere Marines eintrafen, dann konnten sie versuchen, sich zum Hangar vorzuarbeiten. Und wenn die Flak sich einschaltete…
Aber das mussten auch die Piraten wissen. Ihnen musste klar sein, dass sie mit jeder Minute schwächer wurden, und die Angreifer stärker. Steel konnte nicht glauben, dass die Piraten einfach den Kopf in den Sand stecken würden. Das widersprach ganz einfach der Natur dieser Typen, die lieber unbesonnen und planlos, als gar nicht handelten. Entweder warteten die Piraten selber auf Verstärkung, oder sie würden irgendetwas unternehmen.
Wie als Antwort auf diese Gedanken sah Steel, wie sich in dem gigantischen Doppelhangar, der die Piraten-Zigarre beherbergte, etwas bewegte. Einige Augenblicke konnte er die Bilder, die sein Auge erfasste nicht völlig richtig zuordnen – dann begriff er. Und im selben Augenblick eröffneten die Piraten wieder aus allen Rohren das Feuer. Einige Augenblicke später fiel der Flakscheinwerfer aus, der bisher den belagerten Hangar ausgeleuchtet hatte. ‚Scharfschütze…’ registrierte Steel abwesend. Aber das war nur ein Reflex: „Gallagher!“
Im nächsten Augenblick war die Marines-Captain neben dem Piloten: „Was machen die da?!“
„Diese Himmelhunde! Die wollen ausbrechen!“
„Wie?!“
„Mit ihrer verdammten Zigarre!“
„Aber das ist doch Wahnsinn! Man kann ein Luftschiff doch nicht einfach nur mit dem Bordantrieb aus dem Hangar dirigieren! Man braucht Bugsierfahrzeuge, Führungsleinen…“
Steel schnitt ihr lakonisch das Wort ab: „Tja wie es aussieht, wollen die es jedenfalls mal versuchen.“
„Wir brauchen die verdammte Flak! Mit unseren paar Mpi’s und dem einen `50er haben wir doch keine Chance! Die haben mindestens ein halbes Dutzend MG Kaliber .40 und .50, und auch noch leichtere Kaliber!“
„Keine Zeit…“ Steels Stimme klang abwesend, während in seinem Kopf eine Idee Gestalt annahm. Das war riskant. Es klang verrückt. Aber es könnte klappen…
„Geben Sie mir Feuerschutz!“ Damit sprang er auf und rannte geduckt zurück.
„Was…Wie – STEEL! Was zur Hölle haben Sie vor?!“ Aber Gallagher bekam keine Antwort. Der Pilot war schon verschwunden.
„Will der Typ stiften gehen?“
Gallagherignorierte die Frage: „Ach Scheiße! Volles Rohr! Alles was drin ist!“ Das Feuer der Marines steigerte sich zu einem Sperrfeuer – ohne dass sie allerdings mit ihren leichten Waffen verhinderten konnten, dass der gigantische, patronenähnliche Leib der Piratenzigarre sich langsam, schwerfällig, aber scheinbar unaufhaltsam aus dem Hangar schob: „ALLES WAS DRIN IST!“

Steel musste nicht weit rennen, gerade mal etwas mehr als einhundert Schritt. Dann hatte er sein Ziel erreicht: den schweren Tanklaster, den irgendein Mitglied des Bodenpersonals, nebenbei entgegen diverser Sicherheitsrichtlinien, ganz einfach im Schatten eines Hangars geparkt hatte. Die Türen waren verschlossen, konnten aber dem Kommandomesser des deutschen Agenten nicht lange widerstehen. Dann war Steel auch schon im Fahrerhaus. Binnen weniger Sekunden hatte er den Wagen kurzgeschlossen und gestartet.

Über dem Hämmern der Maschinenwaffen glaubte Gallagher plötzlich ein weiteres Geräusch zu Hören – das Heulen eines schweren Fahrzeugmotors. Kurz fragte sie sich, ob das vielleicht die Verstärkung war, aber dann verwarf sie den Gedanken. Nach ihrem Wissen gab es auf sämtlichen Hawaiiinseln nicht einen einzigen Panzerspähwagen, geschweige denn eine Tankette.
Und dann sah sie die Quelle des Motorlärms. Beinahe währe ihr die Kinnlade heruntergefallen.
„Was will denn der hier?! Der hat sich wohl verfahren!“
Aber Gallagher hatte schon begriffen, wer in dem Auto sitzen musste – und was er vorhatte: „Dieser verrückte Hund! SPERRFEUER! GEBT IHM FEUERSCHUTZ!“

Steel näherte sich dem Hangartor nicht direkt von vorne. Das wäre Wahnsinn gewesen, er hätte keine Chance gehabt. Stattdessen hatte er einen Bogen geschlagen, steuerte die Frontseite des Hangars schräg von der Seite an. Dadurch blieb er weitestgehend im toten Winkel der feindlichen Maschinengewehre, und geriet auch nicht ins Kreuzfeuer der eigenen Schützen. Achtzig Meter, Siebzig, Sechzig. Mit dem Wagenheber, den er im Fahrerhaus gefunden hatte, verkeilte Steel das Lenkrad.
Das feindliche Zeppelin war schon zu einem Drittel aus dem Hangar!
Jetzt mussten sie dort drüben auf die neue Gefahr aufmerksam geworden sein, denn die Leuchtspur eines leichten Maschinengewehrs tastete nach dem rasenden Wagen, erfasste die Fahrerkabine.
Steel duckte sich, als die Frontscheibe zersprang. Im nächsten Augenblick ließ er sich aus dem Wagen fallen, schlug schwer auf und rollte über den Boden, die Arme um den Kopf geklammert, den Mund aufgerissen. Gleich…

Der fahrerlose Wagen folgte stur weiter seinem Kurs, ungeachtet des planlosen Feuers des einzelnen Bordschützen, der die Gefahr – zu spät – erkannt hatte. Dann rammte der LKW mit mörderischer Wucht den Rumpf des Zeppelins, nahe der vorderen Motorgondel.

Das Luftschiff war natürlich mit Helium gefüllt, nicht mit Wasserstoff. Andernfalls hätte schon ein einzelner gut platzierter Treffer gereicht, um den Zeppelin zu vernichten. Aber auch so war die Wirkung der Explosion von fast dreitausend Liter Flugzeugtreibstoff verheerend. Der Hangar verwandelte sich binnen eines Herzschlages in ein brüllendes Flammeninferno. Diejenigen Piraten, die sich noch am Boden befanden, hatten nicht den Hauch einer Chance.
Die Explosion packte das gigantische Zeppelin, und rammte es mit mörderischer Wucht gegen Wand und Decke des Hangars. Die Schutzhülle des Luftschiffs zerriss an zahllosen Stellen, als bestände sie aus Papier. Das Feuer erfasste die Zigarre, die Motorgondeln, die Waffenstände, den Hangar. Was dann nach einigen Sekunden brennend auf den Hallenboden aufschlug, hatte nicht mehr viele Ähnlichkeiten mit einem Luftschiff, war nur noch ein Chaos aus Metall und Stoff.

Gallagher hatte die Augen zusammengekniffen, um nicht geblendet zu werden. In ihren Ohren hallte immer noch die Explosion nach. Mit einem fast irrealen Gefühl starrte sie in die lodernden Flammen des Hangars: „Allmächtiger…“ Es klang fast ehrfürchtig.
Die Marines ihres Kommandos sammelten sich um den Captain. Keiner schoss mehr. Das war jetzt überflüssig. Wenn es Überlebende gab, dann stand ihnen der Sinn bestimmt nicht nach einem Kampf.
„Wo ist Steel?“
Gallagher deutete stumm auf das Inferno vor ihnen. Zu einer anderen Antwort war sie momentan nicht imstande. Einige Augenblicke lang sagte keiner der Männer und Frauen etwas, starrten sie nur wie hypnotisiert auf die Flammenhölle vor ihnen.
Es war Gallagher, die das Schweigen brach, auch wenn ihre Stimme belegt klang: „Wir…sollten nach unseren Leuten sehen. Und…vielleicht gibt es auch Überlebende…“
Langsam setzten sich die Soldaten in Bewegung. Allerdings hielten sie jetzt wieder ihre Waffen wieder schussbereit – die eingeübten Reflexe griffen wieder.

Als einer der Marines deshalb vor sich eine Bewegung wahrzunehmen glaubte, hob er zuerst die Waffe: „Halt…wer.“ Aber dann sank der Lauf der Mpi herab, während der Marines ungläubig die Gestalt anstarrte, die auf ihn zuschritt: „Großer Gott…“

Keiner Soldaten, auch Gallagher, sollten den Augenblick jemals vergessen, der sich ihnen bot. Der brennende Hangar, aus dem jetzt meterhohe Flammen schlugen, bot einen wahrhaft teuflischen Hintergrund.
Es war Steel. Seine Uniform war angeschmort, qualmte an einigen Stellen sogar noch. Gesicht und Hände des Piloten waren rußgeschwärzt. Ein unheimliches, fast wahnsinnig wirkendes Grinsen verzerrte das Gesicht des Piloten, das durch das weiß der aufgerissenen Augen noch unheimlicher wirkte. Abergläubische Geister hätten glauben können, einem leibhaftigen Dämon gegenüberzustehen. Jedenfalls keinem Menschen.
„Funkgerät.“ Steels Stimme klang leise, heiser, fast erstickt: „Das Funkgerät.“
Keiner der Marines sagte etwas, regte sich auch nur, als Steel durch sie hindurch ging. Als währen sie gar nicht vorhanden.
„Max? Wie sieht’s bei euch aus?“
„Die Hoplite sind unten. Wir haben auch noch eine Fury runter geschickt, die andere ist abgehauen…Was zur HÖLLE ist bei euch da unten los?!“
„Die Zigarre hat sich zum Bleiben entschieden. Ihr…bleibt erst mal oben und fliegt Luftsicherung über dem Airfield.“
„Warum….“
„TU es einfach.“ Damit schaltete Steel ab und wandte sich wieder Gallagher zu, die ihn mit einer Mischung aus Unglauben, Skepsis und Hochachtung musterte. Ihre Stimme klang ausdruckslos: „Hübsche Leistung. War’s das jetzt für uns?“
Steel blieb ihr eine Antwort schuldig. Stattdessen griff er nach dem Megaphon, dass der Funker zusätzlich hatte schleppen müssen. Falls Gallagher bemerkte, dass Steels Hände bei diesen eigentlich einfachen Handgriffen leicht zitterten, dann sparte sie sich jedenfalls ein Kommentar.
Allerdings waren Steels Schritte fest, und auch seine Stimme gewann immer mehr an Stärke und Sicherheit, während er sich von dem brennenden Hangar entfernte. Seine megaphonverstärkte Stimme hallte über das Airfield, wobei die Sirenen der Flughafenfeuerwehr eine surreale Untermalung lieferten: „ACHTUNG, AN ALLE LUFTSCHIFFE! Die Mannschaft eines Zeppelins hat versucht, die Unruhen zu einem Überfall zu nutzen! Diese Männer sind jetzt tot, oder verwundet, ihr Luftschiff vernichtet. DAS ist die Strafe für Piraterie und Raub! Über die Hawaii-Inseln wurde das Kriegsrecht verhängt. Jeder feindselige Akt wird mit gleicher Härte geahndet werden. Es steht ihnen frei abzufliegen. Es steht ihnen frei, zu bleiben. Aber wenn sie gegen die Streitkräfte oder die Regierung von Hawaii aktiv werden, dann WERDEN SIE STERBEN!“
Zweimal wiederholte der Pilot diese Botschaft, fast Wort für Wort. Dann erfolgte die erste Reaktion: „Die wollen weg!“
Die Aasgeier und Kriegsgewinnler, die auf eine schnelle Beute gehofft hatten, machten sich davon.

Ernst von Stahlheim ließ das Megaphon sinken und sah Captain Gallagher an: „JETZT ist der Einsatz für uns vorbei.“
Das Megaphon entglitt seinen Fingern und krachte scheppernd auf den Betonboden des Airfields.
Callagher musterte immer noch das Inferno: „Ich möchte wissen, was der Commander dazu sagen wird…“
Jäh, übergangslos begann Steel zu lachen. Er taumelte, ging in die Knie. Mit der rechten Hand auf den Boden gestützt lachte er weiter, bis ihm die Tränen über das Gesicht rannen.
13.06.2020 11:02 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Im Haus von Fumio Kazuo, dem inoffiziellen Vorsitzenden der japanischen Gemeinde auf Hawaii, brannte kein Licht. Trotzdem schlief keiner der Einwohner. Der Hausherr selber stand in seinem Schlafzimmer, und starrte durch die geschlossenen Fensterläden in die Nacht. Seine überreizten Sinne ließen ihn bei jedem fernen Schuss zusammenzucken. Und es fielen viele Schüsse. Die Straße war menschenleer und ebenso dunkel wie die Häuser, die sie säumte. Die Angst hatte die Einwohner des Oberschichtsviertel fest im Griff. Sie hatten sich in ihren Häusern verschanzt und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
Die an einzelnen Stellen auflodernden Brände schienen Fumio Kazuo wie Vorboten des Verhängnisses. Er wusste, es waren vor allem Weiße, die dort draußen angegriffen wurden. Aber das konnte ihn nicht beruhigen.
Er fürchtete den Gegenschlag der Polizei und der europäischen Einwohner, der bewaffneten Schutzverbände der weißen Fabrikbesitzer und Großgrundbesitzer. Aus einigen Unruhen und Brandanschlägen konnte sich leicht ein Feuer entwickeln, das alles verzehrte, was er in den letzten zwanzig Jahren hier aufgebaut hatte. Ein Feuer, das auch ihn und seine Familie nicht verschonen würde. Und wenn die ANZAC landen würden, dann würden sie Rache wollen. Der weiße Mann verzieh niemals, und war bereit, jeden toten Weißen mit hunderten toter Farbiger auszugleichen.
All das hatte er nicht gewollt. Er war ein Patriot. Er sehnte den Tag herbei, da das Sonnenbanner über Hawaii wehen würde. Aber nicht so…
Was hatte es für einen Sinn, wenn Japan ein zerstörtes und zerrissenes Hawaii eroberte? Fumio war klar, ihm fehlte die Rücksichtslosigkeit und kalte Entschlossenheit, die die Kommandeure der japanischen Armee und Marine kennzeichnete. Und jetzt glaubte er zu erkennen, dass er für diese Männer auch nur ein Werkzeug war. Nützlich, aber ersetzbar. Was kümmerte es Admiral Yamamoto oder General Yamashita, mit wie viel Blut und Leid der Sieg erkauft war?

Eine Bewegung alarmierte Fumio Kazuo. Eine kleine Gruppe Männer rückte auf der Straße vor, unheimlich in ihrer Lautlosigkeit. Sie waren so schnell und agierten so flüssig, dass Fumio Kazuo erst viel zu spät realisierte, dass sein Anwesen das Ziel der Männer war. Sie hielten sich nicht mit der Gartentür auf, sondern kletterten einfach über den Zaun. Dabei bewegten sie sich mit einer unheimlichen Selbstsicherheit. Fumio Kazuo glaubte einen Schrei in seiner Kehle aufsteigen zu fühlen, der aber erstickt wurde, als er im Mondlicht die Schirmmützen erkannte, die die Männer trugen. Aber das ergab doch keinen Sinn…
Im nächsten Augenblick hämmerte jemand wuchtig gegen die Haustür. Die Botschaft war unmissverständlich. Wenn die Tür nicht geöffnet wurde, dann würde man sie aufbrechen. Gleichzeitig drang eine scharfe, energische Stimme an das Ohr des Geschäftsmanns: „Aufmachen! Polizei!“

Als Fumio Kazuo das Erdgeschoss erreichte, hämmerte es schon wieder gegen die Tür. Der Geschäftsmann war so aufgewühlt, das er nicht einmal auf die Idee kam, einen seiner Bediensteten zur Tür zu stücken. Er registrierte nur etwas beruhigt, dass sein Leibwächter zur Stelle war.
Fumio Kazuo holte tief Luft, und öffnete die Tür, während er versuchte seiner Stimme einen ruhigen, autoritären Ton zu geben: „Wie kommen Sie eigentlich dazu…“
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Wer auch immer auf der anderen Seite der Tür stand, warf sich mit voller Wucht dagegen und stieß Fumio Kazuo zur Seite. Im nächsten Augenblick schien der Vorraum voller Männer in der Uniform der hawaiianischen Polizei, schickte ein brutaler Hieb gegen den Kehlkopf Kazuos Leibwächter zu Boden, fühlte sich der Geschäftsmann von rohen Händen gepackt und mitgerissen.
Wenige Sekunden später fand er sich im Wohnzimmer wieder, zusammen mit seinem unglücklichen Bodyguard. Während einer der Polizisten die beiden Männer mit vorgehaltener Pistole in Schach hielt, waren die anderen ausgeschwärmt.
Ohnmächtig und von der Plötzlichkeit des Überfalls immer noch geschockt, musste Fumio Kazuo zuhören, wie schwere Stiefel über die Treppen und Fußböden seines Hauses trampelten, hörte Flüche und Poltern, einen erstickten Schrei einer Frau – bis eine scharfe und befehlsgewohnte Stimme Ruhe befahl. Nach weniger als einer Minute waren sämtliche Einwohner des Hauses im Wohnzimmer zusammengetrieben.
Doch nur für ein paar Sekunden, dann wurden die Bediensteten und Kazuos Leibwächter schon wieder hochgerissen und in den Keller getrieben.
Jetzt erst kam Fumio Kazuo dazu, die Angreifer genauer zu mustern. Es waren nur vier Mann, drei Asiaten und ein Polynesier. Sie alle waren mit Pistolen bewaffnet.
Dann trat ein fünfter Mann ein, und Fumio Kazuo fühlte, wie sich eine tödliche Kälte in seinem Magen ausbreitete: „Sie!“
Hiroshi Shimadas Gesicht verzog sich zu einem zynischen Lächeln: „Ich dachte mir schon, dass Sie sich an mich erinnern.“ Übergangslos wurde er wieder ernst. Seine Stimme blieb leise, aber die Drohung die in seinen Worten ließ Fumio Kazuo zusammenzucken: „Wo sind meine Gewehre? Wo ist mein Sprengstoff?“
„Was?“
„Sie wissen genau, was ich meine! Sie kennen Ihre Pflicht! Bisher haben wir nicht einmal genug Waffen erhalten, um eine Kompanie zu bewaffnen! Erwarten Sie, dass ich die ANZAC mit Knüppeln und Messern angreife? WO SIND MEINE WAFFEN?!“
Fumio Kazuo schaffte es nicht, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken: „Aber…was soll ich denn machen?! Der Aufruhr…die Ausgangssperre! Überall ist Polizei!“
Shimada machte eine jähe, fast schneidende Handbewegung. Fumio Kazuos Frau zuckte zusammen, als hätte der hagere Mann sie geschlagen: „WO SIND DIE WAFFEN? Ich frage nicht noch einmal!“
„Ich habe Waffen! Viele Waffen! Mindestens dreihundert Gewehre, dazu Maschinengewehre, Handgranaten, Munition! Alles aus amerikanischen Beständen! Und Sprengstoff! Aber die Lager…befinden sich in der Innenstadt! Da kommen wir doch niemals durch!“
Shimada grinste humorlos: „Lassen Sie das meine Sorge sein, Kazuo.“
„Aber wie…“
„In einem Punkt haben Sie Recht. Unsere normalen Kanäle können wir nicht benutzen. Und wir haben auch nicht unbegrenzt Zeit. Wenn wir die Waffen verteilen, wenn wir die Verteidigung vorbereiten wollen…dann müssen wir uns relativ frei bewegen können. Selbst WENN die Unruhen abflauen sollten – damit wären weder die Ausgangsperre vom Tisch, noch die Straßensperren und Kontrollposten. Und ich will auch nicht, dass meine Jungs im Ernstfall gegen die ANZAC UND die verdammten Gendarmen kämpfen müssen. Und SIE sind die Lösung für dieses Dilemma!“
„Ich?“
„Sie werden zum Palast fahren, und dem König ein Angebot unterbreiten. Sagen Sie ihm, ich biete ihm dreihundert Mann, die ihm helfen werden, den Aufstand zu beenden. Und noch mehr Freiwillige, wenn die Invasion erfolgen sollte. Egal wo sie erfolgt. Sagen Sie ihm, es läge jetzt in seiner Hand. Wir akzeptieren das Oberkommando der Streitkräfte. Aber wir verlangen unsere eigenen Offiziere.“
„Aber warum…“
„Wie gesagt, ich brauche die Waffen, und volle Bewegungsfreiheit. Vielleicht können Sie dem König auch noch einige Gewehre abschwatzen, wer weiß? Wenn die Invasion abgewehrt wird, dann steht er außerdem in unserer Schuld. In Ihrer übrigens auch. Das sollte Ihnen gefallen. Und bedenken Sie das Signal, dass ein solches Vorgehen für andere Invasoren darstellen würde. Das WÄRE die Volksfront…“
„Vielleicht…“
„Nicht vielleicht. Sie KÖNNEN, und Sie WERDEN!“ Shimadas Augen wanderten über Fumio Kazuos Familie, und über die geschmackvolle Einrichtung des Wohnzimmers: „Sie haben ein Haus, Geld, und eine Familie. Ich habe nichts davon. Und deshalb fürchten Sie mich. Deshalb bin ich stärker als Sie, und gefährlicher.
Aber Sie brauchen mich nicht zu fürchten. Wir stehen schließlich auf derselben Seite. Wenn Sie vorm König stehen, dann denken Sie daran, wessen Interessen Sie vertreten – und was Sie alles verlieren können. Denken Sie daran.
Ich bin sicher, Sie werden sehr überzeugend sein…“
Fumio Kazuo fühlte sich überrollt und völlig überfordert. Es war zuviel auf einmal. Und die Scham, vor seinem fünfjährigen Sohn und seiner jungen Frau derartig bloßgestellt zu werden, zermürbte ihn zusätzlich. Ja, er hatte Angst vor diesem Mann mit den brennenden Augen, Angst vor den kaltgesichtigen, schweigenden Männern, die ihn umgaben. Sein unsteter Blick huschte im Zimmer hin und her: „Ich komme doch niemals zum Palast durch. Es sind überall Straßensperren.“
„Sie werden die Polizisten schon durchlassen. Vor allem, wenn Sie selber eine Eskorte aus zwei Uniformierten haben.“ Shimada wies zu seinen Untergebenen: „Diese Fetzen können manchmal recht nützlich sein.“
„Aber…warum ich?“
Shimada lachte jäh auf: „Wer fragt sich das nicht heutzutage?! Aber die Antwort müsste Ihnen klar sein. Ihr Wort hat Gewicht. In der japanischen Gemeinde, und – wegen dem Geld, das sie repräsentieren – auch beim König. Sie wird man vorlassen. Wenn ich gehen würde…Kann sein, man würde auf mich hören. Aber vielleicht würde ich nicht mal in den Palast kommen. Kann auch sein, man würde mich verhaften. Oder erschießen…“
„Dann sind Sie also nicht nur ein Verbrecher, sondern auch noch ein Feigling?!“ Es war nicht Fumio Kazuo, der die letzten Worte hervorgestoßen hatte. Es war die Stimme einer Frau, wütend, mit einem leichten Zittern, aber entschlossen.
Shimada wandte seinen Kopf knapp zur Seite und musterte die Sprecherin, die den Gewerkschaftsführer wütend anfunkelte. Sie mochte vielleicht Mitte zwanzig sein, war eindeutig Japanerin, und momentan nur mit einem leichten Kimono bekleidet. Die schwarzen Haare trug sie für eine Japanerin recht kurz. Sie war hübsch, aber jetzt war ihr Gesicht vor Verachtung verzerrt.
„Ich glaube, wir hatten noch nicht die Ehre, einander vorgestellt zu werden, Kazuo.“
Fumio Kazuo musterte sich räuspern. Seine Stimme klang heiser. Mit leisem Grauen sah er, dass die Waffen von mindestens zwei der ‚Polizisten’ auf seine junge Frau zielten.
„Bitte, bewahren Sir Ruhe. Das ist Shoean, meine Frau. Sie weiß nicht, wer Sie sind! Bitte…“
Shimada winkte spöttisch ab: „Kein Wunder, dass Ihr Mann Sie so sorgfältig hütet…falls Sie es noch nicht begriffen haben, eine Invasion steht unmittelbar bevor. Und zu allem Überfluss droht jetzt auch noch ein Bürgerkrieg. Ihr Mann…kann den vielleicht noch einmal eindämmen.
Und was Ihre Frage betrifft…
Dreitausend australische Infanteristen bereiten sich gerade auf die Invasion dieser hübschen Postkartenidylle vor. RICHTIGE Soldaten, nicht solche Freizeitkrieger wie unsere jämmerliche Gendarmerie. Bestens ausgerüstet mit Maschinengewehren, Mörsern und Geschützen, gut ausgebildet, und unterstützt von Kriegsschiffen und Militärzeppelinen. Wenn sie landen, und sie WERDEN landen, dann werden wir uns ihnen entgegenstellen. Und ich werde meine Männer anführen. Egal wo die ANZAC landen, ich werde mit meinen Männern dort sein. In dieser Stadt, und auf den anderen Inseln werden in diesem Augenblick irgendwo pausenlos Brandflaschen und Rohrbomben hergestellt. Einige meiner Leute versuchen sogar, LKWs durch Metallplatten in behelfsmäßige Panzerwagen zu verwandeln. Aber das reicht nicht. Wir brauchen richtige Waffen. Kämpfen werden wir auf jeden Fall. Reicht Ihnen das, um Ihre Fragen betreffs meiner Motive und persönlichen Tapferkeit zu beantworten?!“
Die junge Frau gab keine Antwort, auch wenn ihre Augen rebellisch aufblitzten. Vielleicht hatte sie auch die verzweifelten Gesten bemerkt, die ihr ihr Mann machte. Sie nahm den kleinen Jungen neben sich in den Arm, der nur mühsam ein Aufschluchzen unterdrücken konnte. Shimada wandte sich wieder zu Fumio Kazuo: „Genug geschwätzt. Machen Sie sich fertig. In zwei Minuten sind Sie auf den Weg. Ich denke, Ihnen ist die Bedeutung Ihrer Mission klar.“
„Und…“ Fumio Kazuo schaute zu seinen Angehörigen.
„Sie brauchen sich keine Sorge zu machen. Ihre Familie wird absolut sicher sein. Ich verbürge mich persönlich dafür.“
„Aber…“
„Ich sagte, genug geschwätzt! Kommen Sie schon!“ Halb geschoben, halb gezogen von zweien der ‚Polizisten’ wurde Fumio Kazuo aus dem Raum komplimentiert.

Shimada drehte sich zu seinen beiden verbliebenen Untergebenen um: „Einer an die Tür, einer ins Dachgeschoss. Haltet die Augen auf.“ Die beiden Männer nickten knapp, fast synchron, und verließen den Raum.
Der Gewerkschaftschef zuckte leicht mit den Schultern, als würde er irgendetwas abhaken. Dann setzte er sich in einen der Sessel, die im Raum standen. Mit einem leichten Grinsen musterte er die beiden Personen, die immer noch am Boden kauerten: „Sie können es sich ruhig etwas bequemer machen. Das kann jetzt noch ein paar Stunden dauern.“
Shoean erhob sich und setzte sich auf das Sofa. Ihren Sohn hielt sie dabei eng an den Körper gepresst. Einerseits, um ihn zu beruhigen, aber andererseits auch, um sich selbst zu schützen. Mit einem Mal erinnerte sie sich wieder daran, dass sie nicht mehr als einen dünnen Schlafkimono trug, und darunter nackt war. Und Shimada musste sich dessen bewusst sein, der Art nach, wie er sie unverholen musterte. Sie war alleine mit diesem Mann. Niemand würde ihr helfen können. Sie hatte Angst – und das entfachte eine Wut in ihr, die durch das wenig mutige Verhalten ihres Ehemanns geschürt wurde. Eine Wut, die sie die ihr früher einmal anerzogene Rollenvorstellung einer japanischen Frau vergessen ließen.
„Haben Sie keine Angst, dass der König eine Abteilung Polizei schickt?!“
Shimada zuckte abfällig mit den Schultern: „Ich habe…noch ein paar Vorposten in der Gegend. Wenn tatsächlich Polizei anrücken sollte, kriegen wir das schon schnell genug mit. Für was halten Sie mich? Für einen Idioten?“
„Ich halte Sie für einen Verbrecher!“ Im nächsten Augenblick hätte sie diese Worte am liebsten zurückgeholt, aber ihr Gegenüber zeigte keine Verärgerung.
„Sparen Sie sich ihre Entrüstung. Ich kenne meine Pflicht. Und die gilt zuerst meinen Leuten. Wenn das bedeutet, dass ich einem Geldsack wie Kazuo den Schlaf rauben muss, dann macht mir das keine Probleme.“
„Und Sie dazu Frauen und Kinder bedrohen müssen!“
„Ihnen ist nichts passiert. Und Ihnen wird nichts passieren. Ein paar Stunden nur, und ich und meine Leute verschwinden. Wie Wasser, das aus einem Sieb rinnt. Und Sie können dann wieder ihr bürgerlich-behagliches Leben weiterleben.“
„Und das soll ich Ihnen glauben?!“
„In ein paar Stunden werden Sie das wohl müssen. Kazuo weiß das natürlich nicht. Deshalb ist er ja auch so leicht unter Druck zu setzen. Er glaubt immer noch an das Schreckgespenst von den roten Massen, die eines Tages aus den Fabriken und Slums hervorbrechen und über seine Familie herfallen werden.“
„Sie sind Kommunist?“
„Ich war einer. Bis ich begreifen musste, dass die weltweite Revolution der Werktätigen ausbleibt. Sie wird niemals stattfinden.“
„Und was sind Sie jetzt? Ein Bandenchef?“
„Ich bin Gewerkschaftsführer. Aber im Gegensatz zu Ihrer Gesellschaftsschicht kann ich mir den Luxus nicht leisten, nur für meine Ideale – oder mein Wohlleben - zu leben. Meine Leute wollen vor allem höhere Löhne, und bessere Arbeitsbedingungen. Ein bisschen mehr Gerechtigkeit jetzt, statt irgendwann die klassenlose Gesellschaft. So sind die Menschen nun mal. Und wir brauchen Geld für Streikkassen, für unsere Arbeit – und für Waffen.“
„Und warum müssen Sie Kazuo in ihre Geschäfte verwickeln?“
„Sie wissen GAR NICHTS über seine Geschäfte. Fragen Sie doch mal, was er in seiner Freizeit so tut. Ich versichere Ihnen, die Vorstellung, dass er irgendwo in der Stadt eine Geliebte hat, wäre eine recht harmlose Erklärung.“
Shoean zögerte. Das Gespräch mit dem hageren Mann in der abgetragenen Alltagskleidung erschien ihr wie der Tanz am Rande eines Vulkans. Sie erinnerte sich nur zu gut an die Skrupellosigkeit, mit der er Kazuo unter Druck gesetzt hatte. Auch wenn er sich jetzt ‚zivilisiert’ gab, sie fürchtete, das könnte jeden Augenblick umschlagen. Und was dieser Mann mit den unheimlichen Augen dann tun würde…
„Lassen Sie wenigstens meine Bediensteten wieder aus dem Keller.“
Shimada grinste kurz: „Tut mir leid. Ich will nicht, dass mein Gesicht zu vielen hier auffällt. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Ich will auch nicht, dass zum Beispiel ihr unfähiger Leibwächter oder einer ihrer Hausdiener den Helden spielt. Und machen Sie sich keine Sorge, Sie brauchen keine Anstandsdame.“
Shoean biss sich wütend auf die Lippen. Die nächsten Worte kamen gegen ihren Willen, instinktiv: „ICH habe Sie gesehen!“
Shimada lachte jäh auf: „Sie werden mich ganz bestimmt nicht anzeigen. Wenn die…spezielle Natur meiner Zusammenarbeit mit Ihrem Ehemann jemals durch Sie oder Ihn publik gemacht würde... Dann wäre das alles andere als vorteilhaft für ihn. Politisch, gesellschaftlich…und er hätte damit Leute verärgert, die weitaus gefährlicher sind, als ich.
Glauben Sie mir, Sie haben jeden Grund, über dieses kleine Treffen heute Nacht und mein Gespräch mit Kazuo Stillschweigen zu bewahren.“
13.06.2020 11:04 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Es war eigentlich noch stockfinstere Nacht. Doch in diesen breiten bedeutete das überhaupt nichts. Die einzige Hindernisse, die über den Horizont ragten, waren die acht Inseln von Hawaii, und im Osten lag die Hauptinsel Hawai´i in einer Position, die es der aufgehenden Sonne sehr leicht machte, ihr Licht vorbeizuschleusen.
Der beginnende Tag war noch nicht ganz da, aber die mondlose Nacht mit dem prächtigen Sternenhimmel erhellte noch immer den kleinen Kutter und die ihn umgebende See.
Andrew Kiko, gebürtiger Hawaiianer und Fischer in einer Generation, die er nicht mehr zurückzählen konnte, gähnte ausgiebig. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Andererseits hatte Hawaii ausschließlich schöne Tage, die nur noch mit ein wenig Aktivität gefüllt werden mussten.
Sein Auge ging zu zwei großen Schatten, die gierig die Sterne fraßen. Sie würden etwa fünf Meilen westlich an dem Kutter vorbeiziehen, wenn sie Geschwindigkeit und Kurs beibehielten.
„Antony“, sagte Kiko und gähnte erneut. „Bring die Netze auf tausend Meter. Bald beginnt der Fisch aufzuschwärmen, dann werden wir einen guten Fang machen.“
„Aye.“
„Und benachrichtige Honolulu, dass die SIDNEY und die JAMES COOK gerade an uns vorbei ziehen. Voraussichtliche Ankunftszeit eine Stunde.“
Der junge Fischer und Geheimdienstoffizier grinste seinen Vorgesetzten an. „Aye.“
Andrew Kiko gähnte erneut. Das war ein Leben. Fischen, auf die herrliche See fahren und dann auch noch doppelt bezahlt werden. So ließ er sich das gefallen.
Aber ein wenig Sorge um seine Heimat hatte er doch, wenn schon ein dahergelaufener Nichthawaiianer so mir nichts, dir nichts das Oberkommando über die Inseln erhielt.
Seine Majestät war eben noch jung. Andererseits hatte er mit seinen Entscheidungen bisher immer richtig gelegen.
Mit einem schnellen Satz war Andrew bei den Netzen und half seinen Leuten beim pullen. Um ein Haar hätten sie die Schleppleine verloren. Wenn er auch nicht immer auf alles aufpasste.

***
„Wie ist es gelaufen, Steel?“
„Max und Papillon haben die Hoplits sauber erwischt. Es war wie du gesagt hast. Sie waren ausreichend ausgeleuchtet. Natürlich sind ihnen ihre Kameraden in den schwereren Mühlen zu Hilfe gekommen. Und natürlich sind sie mir in die Falle gegangen.
Anschließend haben wir uns die Zigarre vorgenommen, von der sie gestartet sind.“
„Sehr gut. Dann hat Hawaii wohl seine erste Prise.“
„Nun, Boss, das würde ich nicht so sagen.“
„Hm?“
„Die Zigarre ist leider ausgebrannt. Gallagher hat drei Mann verloren, weitere fünf wurden verletzt. Bei den Piraten gab es keine Überlebenden. Aber zumindest sind jetzt alle anderen Kriegsgewinnler und Kleingauner abgezogen.“
Dave dachte kurz nach. „Immerhin. Wie ist der Name der Zigarre? Gewesen, meine ich?“
„Moment, ich schau in Blues Dossiers nach. JUSTICIA. Witzig, nicht?“
Der deutsche Pilot rekapitulierte kurz, was er über diese Zigarre aus Jeff Daynes Bericht wusste und nickte unbewusst. Ja, das war witzig, in mehrerlei Hinsicht. Und innerlich atmete er auf, dass er dieses Ganovenpack los war.
„Lass deine Piloten landen und steck sie in die Kojen. Wir…Moment, ich kriege hier gerade etwas rein.
Hm. Mist. Steel, schick alle Piloten in die Betten. Wecken in vierzig Minuten. Die ANZAC ist in einer Stunde in Fliegerreichweite.“
„Geht es also endlich los, ja?“, erwiderte Steel und schaltete ab.
„Majestät. Ich muss zu meinem Zeppelin zurückkehren. Ebenso Ishida-san.“
„Bevor Sie gehen“, sagte Kamehameha der Dritte, „können Sie mir vielleicht bei einem Dilemma helfen. Wenn die Stadt brennt, wenn Aufstände wüten, ist es sicher nicht sehr hilfreich für Sie, oder?“
Seine Majestät sah Dave ernst an. „Was kann ich tun? Wie kriege ich meine Leute zur Vernunft?“
Der Blick hatte etwas Verzweifeltes, und Dave fühlte sich ein wenig an den jungen Thomas David Marquardt erinnert, der vor seinem mündlichen Abitur stand, seinen Atem prüfte, erschrocken feststellte, dass er alles, absolut alles vergessen hatte und mit der kreatürlichen Angst in den Prüfungsraum trat, den eine Fliege verspüren mochte, die wusste, dass sie den Flug in das tödliche Spinnennetz nicht mehr stoppen konnte.
„Ihr müsst eines immer bedenken, Majestät. Die Menschen setzen Prioritäten. Wenn Ihr das verinnerlicht habt, seid Ihr als Herrscher einen beträchtlichen Schritt weiter.“ Dave legte dem Monarchen eine Hand auf die Schulter. „Hat Ihr Lehrer Euch in der Schule gescholten, wenn Ihr ungehorsam wart, Majestät?“
„Es kam vor.“
„Habt Ihr Eure Lehrer gemocht, Majestät?“
„Nicht alle“, gab der Monarch zu.
„Und habt Ihr auf die Lehrer gehört?“
„Meistens. Wenn ich wusste, dass sie es ernst meinten.“
Dave grinste schief. „Dann wisst Ihr jetzt alles, was ich Euch beibringen kann, Majestät. Ich bin ab sofort auf meinem Schiff unter dem Callsign Armstrong zu erreichen. Wir sehen uns nach der Schlacht, Majestät.
Mizunami-san, folgen Sie mir bitte.“
Ishida verabschiedete sich stumm, mit einem Lächeln und einer Verbeugung. Dann folgte er Dave nach.
„Nett von Ihnen, den jungen König eine so wichtige Sache beizubringen. Aber wird er es umsetzen können?“
„Er ist der König. Wenn nicht er, wer dann?“, erwiderte Armstrong ernst.
„Wir werden sehen. Was ist mit meinem Bereich? Sie haben mir einen eigenen Bereich zur Verteidigung versprochen.“
„Gegessen, Ishida-san. Wir operieren auf Staffel-Ebene. Ziele werden der Situation entsprechend zugeteilt. Aber ich verspreche, dass ich Sakai-san nicht dreinreden werde, wie er zu fliegen oder seine Leute einzuteilen hat.“
„Immerhin.“
„Und noch etwas. Sobald alle Flieger gestartet sind, ziehe ich meine Zigarren ins Hinterland über die Berge zurück.“
„Sie wollen einen zweiten Posten zum nachmunitionieren aufbauen, Dave-san?“
„Auch. Vor allem will ich nicht, dass dem australische Zerstörer auffällt, was für prächtige Ziele die Zigarren doch abgeben.“
Der Japaner lächelte höflich. „Ein guter Gedanke, Dave-san.“
„Schön, dass wir da einer Meinung sind. Auf uns wartet ein langer Tag, Isokure-san.“
„Auch da sind wir einer Meinung, Armstrong“, erwiderte der Japaner, aber er lächelte nicht mehr.

***
Ein Hoplit brachte die beiden Kommandeure vom Palast direkt zum Landefeld. Im Stillen dankte Dave dem Konstrukteur des Palastes für seine paranoide Einstellung. Durch seine Konstruktion war er leicht zu verteidigen. Obwohl, so weit waren weder die Aufstände noch die Australier.
„Die Sonne geht auf“, stellte Ishida fest.
„Ist das bei euch nicht immer ein gutes Zeichen?“, fragte Dave gedankenverloren.
„Erst, wenn wir sie am Morgen nach der Schlacht sehen“, erwiderte der Japaner.
Der Hoplit landete auf dem Air Port und die beiden Kommandeure trennten sich mit einem knappen, entschlossenen Nicken.
Auf der NORTH und der LONGHORN war schon Geschäftigkeit ausgebrochen, ebenso auf der KAMIKAZE. Auf allen drei Luftschiffen wurden die Flugzeuge aus dem Hangar auf die Piste verfrachtet. Der Plan sah danach vor, dass die drei Zigarren abheben und nach Norden abfliegen würden. Es müsste ein Wahnsinniger sein, der es zuerst durch die Absperrung der Verteidiger wagte und dann in den Feuerhagel von drei hochgerüsteten Zeppelinen.
Die Bewachung der NORTH war stark. Die Marines hatten ernste, entschlossene Gesichter. Sie wussten, dass sie hier bleiben würden, wenn die NORTH startete. Aber da war ihr Job. Und er würde noch sehr hart werden.
Dave betrat die Zigarre, bekam von Johnny einen Kaffee in die Hand gedrückt und machte sich auf, um sich in die Fliegerkluft zu werfen. Dies war Hawaii, aber da oben konnte es dennoch kalt werden. Sehr kalt. Und auch im wärmsten Wasser kühlte ein Körper irgendwann aus, solange dieses nicht die Körpertemperatur übertraf.
„Boss, du hast Besuch“, sagte Blue anstelle einer Begrüßung. Er winkte in Richtung des kleinen Büros, das Dave für seine Verwaltungsarbeit benutzte.
„So? Wen denn?“
„Von der VELVET, einen Frachtzeppelin, umgebaut für militärische Belange. Ich habe dir einen Report über ihn gegeben.“
Als er sein Büro betrat, empfing ihn Ernst Stahl mit steinerner Miene. „Boss“, sagte er nur, aber das eine Wort war für den Gast gedacht gewesen, nicht für ihn.
Der erhob sich jetzt, und unwillkürlich dachte Dave an ein in Bewegung geratenes Gebirge.
Der Hüne von Mann, der aufstand und sich dann umwandte, war größer als Klutz. Und vor allem bestand er nicht aus Fett, wie der dicke Deutschamerikaner. Er schien eher aus einem einzigen Stück Hartholz geschnitten worden zu sein.
Der riesige, glatzköpfige Mann lächelte den Commander freundlich an und entblößte dabei eine Doppelreihe makellos weißer Zähne im schwarzen Gesicht. „Commander Stone.“
„Der bin ich“, sagte Dave und ergriff die ausgestreckte Rechte des Mannes. Sein Griff war trocken und fest, und er war Armstrong beinahe sofort sympathisch.
Danach nahm er Platz. „Was kann ich für Sie tun, Sir? Etwas zu trinken?“
„Sir hat mich schon lange kein Weißer mehr genannt“, stellte der Farbige fest und grinste. „Ist eventuell eine gute Idee gewesen, herzukommen.“
„Schön, dass Sie mir Ihre Gedanken offen mitteilen. Wie wäre es, wenn Sie das bei all Ihren Gedanken tun würden? Ein Name wäre nett. Dann vielleicht der Grund Ihres Besuchs.“
„Entschuldigen Sie, Sir. Ich war mir bis eben nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee war herzukommen. Aber jetzt…Mein Name ist Arthur King. Ich bin Eigner, Kapitän und Staffelführer der VELVET. Mir unterstehen die nette Zigarre im Norden sowie eine Mannschaft von dreißig Mann. Dazu kommen sechs Maschinen gemischter Klasse. Ich und meine Leute sind internationale Begleitflieger.“
Dave dachte kurz nach. Sicher, IST und BAS arbeiteten lediglich national, selten mal in Mexiko oder Kanada. Viele Abenteurer und Piloten füllten diese Lücke und eskortierten Frachtzeppeline und Schiffe in internationalen Gewässern.
„Hat Ihre Truppe auch einen Namen?“
Der große Mann grinste. „Kings Black Guards.“
Steel hob leicht eine Augenbraue. „Man hört ein wenig über Sie, wenn man sich auf dem Air Center umhört. Es scheint, als wären Sie öfters hier.“
„Wir betrachten Hawaii als unsere zweite Heimat, Sir. Unsere wichtigsten Begleitschutzrouten laufen über diese herrlichen Inseln und wir sind mehrmals im Jahr hier. Auch unser nächster Konvoi wird hier an uns übergeben werden.“
„Übergeben werden? Heißt das, Sie haben jetzt gerade…nun, Zeit? Irgendwie gefällt mir die Richtung, in die Sie steuern, Mr. King.“
„Richtig. Wir haben gerade Zeit. Und da haben wir uns gedacht, warum nutzen wir diese herrliche Zeit nicht, um ein wenig bei der Verteidigung unserer zweiten Heimat mitzuhelfen? Das heißt, wenn Sie mit uns fliegen wollen, Commander.“
„Warum sollte ich nicht mit Ihnen fliegen sollen? Ich kann mich an einen Bericht über Sie erinnern, der Ihnen und den Black Guards bescheinigt hat, dass Sie fliegen können. Zudem in der Staffel. Das ist mehr als die meisten können.“
Steel unterdrückte mühsam ein Grinsen.
„Außerdem, warum sollte ich Vorurteile gegen normale Begleitschutzflieger haben?“
Diese Worte irritierten den Riesen. „Es ist nicht, weil wir Begleitschutzflieger sind, Sir. Es ist, weil wir schwarz sind. Meine ganze Zigarre ist schwarz.“
„Macht Sie das zu schlechten Piloten?“
„Nein, Sir, aber…“
„Hören Sie, mehr muss ich nicht wissen. Ich rekrutiere Sie hiermit. Und ich vertraue darauf, dass Sie Ihren Job tun, Kapitän King. Meine Rache wäre übrigens furchtbar, wenn wir von Ihnen hintergangen würden.“
„Daran zweifle ich nicht, Commander.“
„Sie decken unsere Zigarren. Genau die richtige Aufgabe für einen Begleitschützer. Ich informiere die offiziellen Stellen von unserem Zuwachs. Gehen Sie jetzt und bereiten Sie sich und Ihre Leute auf den Einsatz vor. Die Bezahlung erfolgt nach internationalen Parametern, ebenso Reparaturkosten und Bergerecht. Einverstanden?“
„Einverstanden. Wow. Das ging schnell und unkompliziert. Ich danke Ihnen, Commander.“
„Armstrong. Es heißt Armstrong.“
Der schwarze Riese erhob sich und ergriff die Hand des Deutschen. „Also Armstrong.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Boss.“

Als der Riese gegangen war, um seine Vorbereitungen zu treffen, warf Armstrong seinem Stellvertreter einen schiefen Blick zu. „Zwei Fragen, Steel. Draußen raucht ein ganzer Hangar und du hast keine Augenbrauen mehr. Willst du mir irgendetwas erklären?“
Der Industrial lachte rau. „Für das was ich getan habe würde man mich in einer ordentlichen Air Force zuerst peitschen lassen und danach für Orden und Beförderung vorschlagen, Dave.“
Mit wenigen, kaum reißerischen Worten berichtete er seinem Vorgesetzten von der Falle, von dem startbereiten Zeppelin und der Fluchtvereitelung. Auch den gefährlichsten Part mit dem Tankwagen vergaß er nicht und konnte der Versuchung nicht widerstehen, doch ein wenig farbig zu erzählen.
„Gratuliere. Du bist einer von wenigen Piloten, die nicht nur ohne Flieger einen anderen runtergeholt haben, du hast dir gleich eine ganze Zigarre gekrallt. Ich wette, das wird unseren Ruf durch die nächste Hangardecke hebeln.“
Armstrong stand auf und klopfte dem anderen Piloten auf die Schulter. „Aber warum bist du nicht auf die Idee gekommen, das Cat Pack zu wecken und Tontaubenschießen auf das unbewegliche Ziel machen zu lassen? Oder die Lufttorpedos der NORTH und der LONGHORN einzusetzen?“
Für einen Moment entgleisten die Gesichtszüge des Piloten. „Ich…Ich…“, stammelte er.
Dave winkte ab. „Einen Orden kann ich dir nicht versprechen, aber für nen ganzen Zeppelin gibt es eine satte Abschussprämie, das verspreche ich dir. Machen wir uns fertig, Steel. Wir kriegen bald Besuch.“
13.06.2020 11:05 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Fumio Kazuo schwitzte fürchterlich, als er in die kleine Bibliothek eingelassen wurde. Anfangs hatte er befürchtet, an der Tür abgewiesen zu werden, oder noch früher an den Straßensperren. Und auch jetzt hatte er Angst, dass seine Majestät keine Zeit für ihn aufbringen konnte. Über all diesen Gedanken hing für ihn die Angst um seine Frau und seinen Sohn, die sich nun in Shimadas Gewalt befanden. Sicherlich, der Mann meinte es gut. Aber konnte man jemandem ohne Besitz, der lediglich über Macht verfügte, zutrauen dass er moralische Werte entwickelte, wie sie seinesgleichen zu pflegen verstand?
Vielleicht tat er dem Mann furchtbar unrecht, aber immerhin war der Gewerkschaftsführer mit Waffengewalt in sein Haus eingedrungen. Immerhin hatte er den Sprecher der japanischen Gemeinde als falscher Polizist getäuscht.
Sicherlich, auch er verstand Sinn und Zweck seines Hier seins, verstand sehr gut, dass die Unruhen aufhören mussten, wenn sie eine Chance gegen die ANZAC haben wollten.
Er hatte keine Lust, zuerst die australische Fremdherrschaft über sich ergehen zu lassen, nur um anschließend eine russische oder japanische Besetzung zu ertragen. Hawaii war frei, unabhängig und für jedermann offen. Wieso wurde ihm jetzt erst bewusst, wie sehr ihm dieser Umstand gefallen hatte?
Konnte er in der Heimat die Freiheiten haben, die er hier genoss? Die Unabhängigkeit in seinen geschäftlichen Entscheidungen? Gab es einen anderen Ort auf der Welt für ihn, an dem er seine phantastische Frau sein lassen konnte was sie war, anstatt sie in das Rollenklischee einer hübschen Puppe zu drängen?
Er hatte seinen Sohn und alle Kinder die noch folgen wollten, hier erziehen wollen, ihnen diese wunderbaren Inseln zu Eigen machen lassen. Das tiefe, fast Zen-gleiche Verständnis für die Dynamik der Freiheit entwickeln lassen.
Wieso hatte er die Bedrohung, vor der Hawaii schon immer gestanden hatte, so vollendet ignoriert? Japan, die amerikanischen Überreste, Australien, Russland, Deutschland, alle hatten zumindest ein Auge auf die Inseln, auf den einzigen Hafen in zweitausend Kilometern Umkreis.
So gesehen war der Angriff der ANZAC der Dreh- und Angelpunkt ihrer Zukunft. So gesehen entschied sich hier, ob Hawaii frei bleiben würde. Es entschied sich, wer seine Maske fallen ließ und auf ihrer Seite war – oder gegen sie.
Umso wichtiger wurde es, dass seine Mission ein Erfolg wurde, mehr als ohnehin schon, jetzt wo Shimada seinen Sohn und seine Frau bedrohte.

Eine Seitentür öffnete sich, und Mizunami trat ein. „Seine Majestät kommt sofort, Kazuo-san. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
Der Japaner betrachtete den Landsmann genauer. Der Polizeichef hatte dunkle Ringe unter den Augen, er ging auch ein wenig steif. Ein klares Zeichen von Übernächtigung.
„Nein, danke, Mizunami-san.“ Nervös ging er in dem Raum auf und ab.
Kurz darauf ging die Nebentür erneut auf, und Kamehameha der Dritte trat ein.
„Majestät!“
Der junge Mann kam heran und ergriff nach europäischer Sitte die Hand des Japaners. „Kazuo-san, was führt Sie in dieser schweren Stunde zu mir?“
Auch die Augen des Königs lagen tief in den Höhlen. Außerdem stieß er mit jedem Atemzug eine Wolke an Koffein aus, die gut zu den weit aufgerissenen Pupillen passten. Dieser Mann hatte sich nicht geschont, während er selbst sich in seinem Haus verkrochen hatte.
„Die Lage ist schlimm, Majestät“, begann der Japaner ernst.
„Wem sagen Sie das? Bis jetzt sind es nur ein paar Viertel rund um das Gaswerk. Aber wenn es so weitergeht und wenn die ANZAC landen, bricht das totale Chaos aus.“
„Sie meinen, die ANZAC werden wirklich landen?“
Seine Majestät lachte spöttisch. „Es werden europäische Viertel angegriffen. Glauben Sie mir, eine bessere Ausrede für ein Eingreifen einer ausländischen Macht gibt es nicht. Jetzt, da wir unsere Unfähigkeit so offen demonstrieren, unsere Bürger zu beschützen… So werden sie es zumindest formulieren.“
„Ich verstehe.“
Kamehameha setzte sich und bedeutete dem Sprecher der japanischen Gemeinde, ihm gegenüber Platz zu nehmen. „Also, was kann ich in dieser frühen Stunde für Sie tun?“
Der Japaner straffte sich. „Ich hatte eine Unterredung mit Shimada-san. Er kam in mein Haus und…Und machte mir klar, dass ich selbst nicht untätig sein darf. Er machte mir klar, dass die Unruhen nur der Auftakt sind. Die eigentliche Gefahr sind die ANZAC, das sehe ich jetzt ein. Shimada-san hat mich…gebeten, Majestät ein Angebot zu unterbreiten. Er bietet Euch dreihundert seiner Leute als Hilfspolizisten an, erwartet aber, dass sie eigene Offiziere stellen dürfen.“
Der König wechselte einen missmutigen Blick mit Mizunami. „Warum kommt Hiroshi nicht selbst zu mir? Hat er so wenig Selbstvertrauen, oder taugt seine Hilfe nichts?“, blaffte er.
Kazuo wischte sich über die Stirn. Das Gespräch ging in keine gute Richtung. „Majestät. Das Letzte was wir jetzt tun sollten ist eine Hilfe wie Shimada-san abzulehnen. Dreihundert Mann, das wäre eine vortreffliche Verstärkung für die Polizeieinheiten. Diese Männer kennen im Gegensatz zu den texanischen Marines die Städte und Dörfer, die Verbindungswege und dergleichen. Shimada-san hat außerdem zugesagt, dass er seine Leute auch gegen die ANZAC-Invasion führen wird – notfalls gegen Euren Willen, Majestät.“
„Das ist ein starkes Stück.“ Kamehameha grinste unvermittelt. „Sie, Kazuo-san, gehen zurück zu Shimada-san und teilen ihm folgendes mit: Im Moment brauche ich ihn und ich benutze ihn so, wie es am besten für Hawaii ist. Wenn es ein Morgen gibt, dann werde ich ihn und seine Leute angemessen belohnen.
Aber ich werde nicht zulassen, dass irgendwelche selbstgefälligen Milizen wüten und treiben, wie es ihnen passt. Davon haben wir schon viel zu viel in der Stadt.“ Er sah zur Seite. „Mizunami-san.“
„Majestät.“
„Schicken Sie ein paar Beamte mit Kazuo-san mit. Sie sollen Shimada-san als Stabsleute zur Seite stehen. Und was noch viel wichtiger ist, sie sollen die dreihundert Mann und in erster Linie Hiroshi selbst vereidigen. Er wird Captain. Seine Unterführer Polizeileutnants. Wenn auf meiner Insel Gewalt ausgeübt wird, dann nur in offizieller Funktion. Und wenn er den Eid, den er schwört, bricht, dann soll er mich kennen lernen. Doch wenn er seine Sache gut macht, dann wird er über seine Belohnung nicht meckern können.“
Seine Majestät lächelte amüsiert. „Informieren Sie außerdem den Chef der Verteidigung über die veränderte Situation, Mizunami-san.“
Der Chef der Verteidigung, das musste dieser Texaner sein, von dem er schon so viel gehört hatte. Wenn dieser vor Selbstvertrauen strotzende Mann trotz seiner Übermüdung mit einem Lächeln über den Texaner sprach, dann wollte Kazuo ihn irgendwann einmal kennen lernen.
Seine Majestät schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Führen Sie jetzt Ihren Auftrag aus, Fumio.“
„Jawohl, Majestät“, erwiderte der Japaner laut und vernehmlich und fühlte sich gut, sogar sehr gut in den Händen dieses Mannes aufgehoben.
„Ach, und noch etwas. Richten Sie Hiroshi aus, dass er Sie das nächste Mal nicht erpressen soll, wenn er was von mir will.“
„Was? Aber er hat nicht…“
„Bitte halten Sie mich nicht für einen Idioten. Diesmal lasse ich es durchgehen, dass einer meiner Untertanen gegen einen anderen die Hand erhebt, wenn auch nur zur Drohung. Gehen Sie jetzt.“
Kazuo sah angespannt zu Mizunami. Dieser Mann würde die Worte seines Königs auf jeden Fall übermitteln, und das machte ihm zu schaffen. „Sofort, Majestät.“
Seine Majestät hatte Recht, einfach Recht.
Gemeinsam mit dem Polizeichef verließ er die Bibliothek.

Zurück blieb ein junger Mann, der sich für ein paar Sekunden den Luxus gestattete, verzweifelt in sich zusammen zu sinken. Diese Bürde war schwer, so unglaublich schwer. Sicher, irgendwann hatte es passieren müssen. Irgendwann hatte eine Großmacht versuchen müssen, die kleinen reichen Inseln zu erobern. Aber warum schon jetzt? Er fühlte sich jung, unreif und hatte Angst einen Fehler zu machen. Angst, viele Fehler zu machen.
„Majestät. Ihr habt in fünf Minuten die Sendezeit bei Radio Honolulu“, sagte ein leise eingetretener Mann in Diener-Livree.
Kamehameha der Dritte straffte sich, dachte an das Beispiel seines Vorfahren, der diesen Namen als Erster getragen und alle acht Inseln vereinigt hatte und nickte wie selbstverständlich. „Ich komme sofort.“
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Als Fumio Kazuo die letzten Schritte bis zu seiner Haustür zurücklegte, fühlte er, wie die Nervosität in seinem Inneren nicht etwa nachließ, sondern eher noch stärker wurde.
Die Rückfahrt war nicht angenehm verlaufen. Die beiden ‚Leibwächter’ die ihm Shimada aufgenötigt hatte, hatten ihn keinen Augenblick aus den Augen gelassen. Und auch wenn sie nichts gesagt hatten, ihm war klar, was sie von seinen neuen Begleitern – einem Captain, einem Commander und zwei Lieutenants der Polizei – halten mussten. Ihm war auch klar, welche Einstellung die Polizeioffiziere zu ihrer neuen Aufgabe hatten.
Shimada hatte so einen gewissen Ruf. Zudem war er Kommunist, oder es jedenfalls gewesen. Die Zusammenstöße zwischen Gewerkschaftsleuten und Polizei kosteten zwar in letzter Zeit nur noch selten Menschenleben, aber Verletzte gab es regelmäßig. Angesichts der Tatsache, dass die Polizei dabei mehr oder weniger offen und regelmäßig die Position des Establishments vertrat, war es nicht verwunderlich, dass es wenig gegenseitige Sympathie gab. Und was Shimada persönlich von dem Arrangement halten mochte…
Das war auch der Grund, dass Kazuo den vier Polizeioffizieren nahe legte, sich doch bitte Draußen ein wenig zu gedulden, damit er die Situation klären konnte. Das kam zwar bei den Polizisten nicht gut an, aber letztlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als einzuwilligen. Wenigstens in diesem Fall gereichte Fumio Kazuo sein Reichtum und politischer Einfluss zum Vorteil. Auf keinen Fall wollte er Shimada unvorbereitet mit den Polizeioffizieren zusammentreffen lassen. Nach allem was er von dem Mann wusste, hatte er das Temperament eines Bluthundes. Und die Reflexe einer gereizten Schlange. Und Kazuos Frau und sein Sohn befanden sich in der Gewalt dieses Mannes…

An der Tür wartete schon einer der beiden ‚Polizisten’ Shimadas, die zurückgeblieben waren. Der Mann sagte kein Wort. Aber die Hand, die auf dem Griff des schweren Dienstrevolvers ruhte, wirkte verkrampft. Schweigend gab er den Weg frei.

Die Szenerie, die sich Fumio Kazuo in seinem Wohnzimmer vorfand, ließ ihn erleichtert aufatmen. Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich wenigstens diesmal nicht bewahrheitet. Hiroshi Shimada saß in einem Sessel. Der Gewerkschaftschef wirkte entspannt, ohne jedoch seine Wachsamkeit einzubüßen. Und natürlich schien er von Fumio Kazuos Erscheinen nicht überrascht zu sein. Kazuos Sohn schlief zusammengerollt auf dem Sofa, eine Decke über sich. Neben ihm saß Shoean, Kazuos Frau. Trotz ihrer recht leichten Kleidung wirkte sie weniger peinlich berührt, als aufgebracht. Von Zeit zu Zeit warf sie Shimada einen wütenden Blick zu, was den aber nur zu amüsieren schien.
Bei Fumio Kazuos Eintreten hellte sich Shoeans Miene auf. Shimada sah ihn direkt an: „Was sollen die vier Lamettaheinis von der Polizei?“
„Woher..?“
„Er hat vor zehn Minuten einen Telefonanruf bekommen. Offenbar hat er seine Spitzel auch in der Nähe des Palastes.“ Shoeans Stimme klang bissig.
Shimada warf ihr einen nachsichtigen Blick zu: „Ihre Frau ist nicht nur ungewöhnlich hübsch und intelligent, sie hat auch eine Zunge wie ein Kaiken. Bei Gelegenheit müssen Sie mir verraten, wie Sie es schaffen, nicht völlig an die Wand gespielt zu werden.“
Kazuo gefiel der Ton nicht, der in Shimadas Worten mitschwang. Seine Stimme klang schroffer, als beabsichtigt: „Ich war beim König. Er will Ihr Angebot annehmen. Die Polizeioffiziere sollen als Verbindungsleute fungieren. Ihre Unterführer und Sie werden selbst als Polizeioffiziere vereidigt.“
„Was!“ Shimada schrie nicht, seine Stimme war nur ein leises Zischen. Aber gerade deswegen fuhr es Shimada durch Mark und Bein. Auch Shoean zuckte zusammen. In einer fließenden Bewegung war Shimada auf den Beinen. Sein Gesicht war wutverzerrt. Der Gewerkschaftsführer schien im Augenblick zu einem Mord fähig: „Was denkt sich dieser lächerliche Operettenkönig?! Ich bin nicht sein verdammter Hampelmann! Ich biete ihm eine Miliz! Eine Arbeitermiliz! Keine weitere Bande von bezahlten Todschlägern! Ich tue das für MEINE Leute, für UNSERE Sache! Nicht für eine Uniform, ein paar Rangstreifen – und ganz gewiss nicht für IHN! Wenn er glaubt, er könne mich so einfach kaufen und auf ihn einschwören…“
Kazuo fiel Shimada hastig ins Wort, etwas was er noch nie zuvor gewagt hatte: „Aber das müssen Sie doch verstehen! Er…vielleicht fürchtet er Sie. Er weiß, wie viele Leute Sie mobilisieren können. Wenn er das zulässt, ohne das es klar und für jeden offensichtlich ist, dass ER es ist, der die Entscheidung fällt, und die Kontrolle hat…Dann hätte er sein Gesicht verloren. Und weder Polizei noch die Geschäftsleute würden so etwas dulden. Das…ist doch nur ein politisches Manöver!“ Auch wenn er sich vielleicht nicht ganz an die Wahrheit hielt, auf jeden Fall traf er den richtigen Ton. Shimadas Stimmung wechselte so schnell, wie sich der Wind drehen konnte. Jetzt lag fast so etwas wie Belustigung in seinen Worten: „Meinen Sie das wirklich? Ein verführerischer Gedanke…Wenn er endlich erkennt, was Arbeiter und Bauern für eine Macht darstellen, wenn er am Ende ANGST haben sollte…Das Wissen darum wäre es fast schon wert.“
„Aber natürlich dürfen Sie das nicht deutlich werden lassen. Verhalten Sie sich klug, Shimada. Denken Sie daran, die Weide biegt sich und überlebt, wo der steinerne Turm im Sturm fällt.“
Aber damit war er zu weit gegangen. Shimada musterte Kazuo düster: „Versuchen Sie nicht, mich zu manipulieren! Ihre hübschen Gleichnisse und Sprichwörter bedeuten mir nichts. Ich folge einem anderen Pfad.
Es kann mich viel kosten, wenn ich bei diesem Spiel mitmache. Für meine Männer sind die Polizisten ein Feind. Verdammte Bluthunde! Es hat genug Tote gegeben, vor allem auf unserer Seite…“
„Aber doch schon seit Jahren kaum noch. Ich dachte, Sie hätten sich…arrangiert.“
„Sagen Sie so etwas niemals! Es gab Übereinkünfte mit den Fabrikbesitzern, ja. Aber deswegen mache ich mich noch lange nicht gemein mit diesen Kapitalistenknechten!“
„Aber es muss sein.“ Fumio Kazuos Stimme klang entschiedener, als er es war.
Shimada nickte widerwillig, aber zustimmend: „Das weiß ich. Wir brauchen die Bewegungsfreiheit und die Autorität, um bei der Abwehr der Invasion mit maximaler Effizienz agieren zu können. Also muss es sein.
Aber denken Sie daran, Kazuo – in spätestens zwei Stunden will ich die Waffen aus Ihrem Lager haben. Und wenn ich Sie dazu persönlich in die Innenstadt schleppen muss. Und jetzt holen Sie diese uniformierten Hampelmänner rein. Bringen wir diese Farce zu Ende! Wir haben wahrlich Wichtigeres zu tun!“

Kazuo drehte sich um und hastete aus dem Raum. Auch wenn es ihm hart ankam, auf Shimadas Geheiß laufen zu müssen. Er hoffte, dass die erreichte Einsicht bei dem Gewerkschaftsführer anhielt. Und dass die Polizeioffiziere ihre Standesdünkel und berechtigten oder unberechtigten Vorurteile gegenüber Shimada und seinen Leuten zügeln konnten.
Shimada drehte sich wieder zu Shoean um, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen: „Und, wollen Sie uns weiter Gesellschaft leisten? Da Sie schon den ersten Teil der Geschichte erleben konnten…“
Shoean schnaubte abfällig, ein wenig damenhafter Laut. Vorsichtig nahm sie ihren Sohn in die Arme. Er wachte nicht einmal auf: „Ich glaube, ich habe genug von Ihrer Gegenwart. Für jetzt und für die nächsten zwanzig Jahre.“
„Dann bleibt mir ja wenigstens noch etwas Hoffnung.“ Er musste offenbar immer das letzte Wort haben. Schlagfertig zumindest war er. In der festen Absicht, das sinnlose Geplänkel nicht noch einmal aufleben zu lassen, wollte Shoean den Raum verlassen. Aber irgendetwas ließ sie an der Tür noch einmal innehalten. Und es war nicht der unangenehm direkte Blick, den sie auf sich ruhen spürte. „Und was ist Ihr Pfad, Shimada? Nimm dir was du willst?“ Ihre Stimme klang herausfordernd.
Shimada zögerte kurz: „Nein. Auch wenn Sie das vielleicht nicht glauben wollen, ich bin kein Bandit. Außerdem…es hätte keinen Sinn. Man bekommt niemals das, was man sich am meisten ersehnt. Und wenn man es sich einfach nimmt, dann zerstört man es.
Aber wenn Sie schon nach meinem Pfad fragen…“ Shimadas Stimme wurde hart: „Der Tod wiegt leicht wie eine Feder, aber die Pflicht wiegt schwerer als ein Berg.“
Shoean kannte diese Worte. Das war der Faden, nach dem das Leben eines Samurai ablaufen und enden sollte. Schweigend verließ sie den Raum. Es gab nichts mehr zu sagen.

Am Ende einige man sich natürlich. Auch wenn Shimada seine Abneigung gegenüber der Polizei und dem Eid, den er leisten sollte, nur unschwer verhehlen konnte. Auch wenn sich mehr als einer der Polizeioffiziere auf die Lippen beißen mochte, um nicht seine Verachtung laut herauszupoltern. Es war zum Gutteil Fumio Kazuo zu verdanken, dass es bei einigen eher harmlosen Beleidigungen und Verdächtigungen blieb. Allerdings war die Polizei nicht bereit, den Arbeitern Waffen zu liefern. Und Shimada weigerte sich, seine Leute regelrecht in die Polizeieinheiten einzugliedern. Es wurde vereinbart, dass die Mitglieder der Arbeitermilizen farbige Armbinden tragen sollten. Sie sollten das Recht haben, Plünderer zu verhaften, und sich zu verteidigen, aber weder Hausdurchsuchungen noch Beschlagnahmungen vornehmen können. Und so weiter.

Nach mehr als einer Dreiviertelstunde zäher Verhandlungen war Fumio Kazuo der Erschöpfung nahe. Aber er wusste, die Nachtarbeit war für ihn noch nicht vorbei. Jetzt musste er auch noch dafür sorgen, dass die Arbeiter ihre Waffen erhielten. Shimada hatte das ganz bestimmt nicht vergessen. Und natürlich würde er wollen, dass die Polizei diesen Transfer nicht in seinem vollen Ausmaß mitbekam. Das war allerdings auch Kazuos Anliegen, denn wenn jemand entdeckte, dass er für die Arbeitermilizen genug Waffen und Sprengstoff organisierte, um zwei volle Kompanien zu bewaffnen, dann würde er sich nicht mehr aus dieser Angelegenheit herausreden können. Auch nicht mit einem Hinweis auf eine Erpressung durch Shimada. Dann wäre er gesellschaftlich unten durch. Denn wenn es etwas gab, was viele Industrielle, Großgrundbesitzer und Geschäftsleute noch mehr fürchteten als die ANZAC, dann war es das Volk in Waffen. Vor allem wenn jemand wie Shimada an der Spitze stand.
Am liebsten hätte Fumio Kazuo sich einfach aufs Sofa gelegt, und wäre sofort eingeschlafen. Aber dazu hatte er keine Zeit. Später vielleicht…
Shimada hingegen wirkte energiegeladen und hellwach, als er zusammen mit den Polizeioffizieren das Haus verließ. Kazuo fragte sich unbehaglich, woher der Mann eigentlich die Kraft dafür nahm. Einen Mann wie Shimada zum ‚Freund’ zu haben, war beängstigend. Ihn zum Feind zu haben, konnte tödlich sein.
Das wenige, was er über Shimada wusste, steigerte diesen Eindruck noch. Kazuo war nicht ganz sicher, was Shimada eigentlich antrieb. Und das beunruhigte ihn. Es war jedenfalls nicht nur die Gier nach Geld, Macht, oder andere Annehmlichkeiten. In dem Fall wäre Shimada leichter einzuschätzen gewesen. Einerseits kümmerte er sich um seine Leute, konnte führsorglich und freundlich sein. Aber von seinen Untergebenen und Partnern forderte er auch strikte Einhaltung der getroffenen Abmachungen. Es gab fürchterliche Geschichten darüber, wie er mit Verrätern umging. Shimada war ein Mann, der sprichwörtlich über Leichen ging. Und der ebenso so durch Einschüchterung, Erpressung und Terror seine Ziele erreichte, wie durch Verhandlungen und Kompromissbereitschaft. Und man konnte sich nie so ganz sicher sein, welche Seite seines Wesens gerade die Oberhand zu haben schien. Fumio Kazuo vermutete, dass Shimada diesen Ruf ganz gezielt nutzte, um seine Gegner zu entnerven.
Über seine Vergangenheit war wenig bekannt. Auf jeden Fall hatte der Mann früher zu der inzwischen verbotenen kommunistischen Partei Japans gehört. Deswegen hatte er auch Japan verlassen müssen. Was seine spätere Abkehr von der Parteilinie bewirkt hatte, war nicht ganz klar. Vielleicht Desillusionierung über den rüden Dirigismus, der teilweise in der Komintern eingekehrt war? Die Erkenntnis, dass die Weltrevolution nicht kommen würde? Oder dass der erste Versuch, die kommunistische Gesellschaft zu schaffen mit einigen sehr hässlichen Makeln behaftet war?
Vielleicht war Shimada auch Pragmatiker genug gewesen, um zu erkennen, was seine Leute wollten, und was er erreichen konnte. Einige recht kommunistische Ansichten und Attitüden hatte er jedenfalls behalten.
Dass er sich Japan verpflichtet hatte, mochte verschiedene Gründe haben. Nicht zuletzt einen immer noch starken Nationalismus und das brennende Bestreben, sich in den Augen des Heimatlandes, das ihn verstoßen hatte, doch noch zu beweisen. Außerdem mochte die bei vielen weißen Geschäftsleuten und Industriellen virulente rassistische Arroganz gegenüber den vor allem asiatischen Arbeitern eine Kooperation mit dem japanischen Geheimdienst erleichtern. Auf jeden Fall schien Shimada weder Skrupel noch Zweifel zu kennen.

Fumio Kazuo war da anders. Ja, er war Patriot. Aber in letzter Zeit waren ihm zunehmend Zweifel gekommen, die er immer schwerer unterdrücken konnte. Doch ein Zurück gab es für ihn nicht mehr. Auch wenn man es ihm gegenüber nie direkt zugegeben hatte, er wusste, der japanische Geheimdienst hatte ihn in der Hand. Und allein das bloße Wissen darum garantierte seine Kooperation. Das war ein Dilemma, das umso belastender war, je mehr Zweifel er an der Richtigkeit der japanischen Strategie hegte.

Hiroshi Shimada nahm sich nicht die Zeit für irgendwelche Selbstbetrachtungen oder Zweifel. Er hatte genug zu tun. Er musste seinen Unterführern und Männern die neue Lage begreiflich machen. Und er musste dies tun, ohne als ein gewissenloser Opportunist zu erscheinen, der für einen Rang und Soldversprechungen zum Polizisten geworden war. Obwohl der König auch unter der Arbeiterschaft Anhänger hatte, kaum jemand in der Gewerkschaft mochte die Polizei. Die meisten verabscheuten sie. Aber an der Stelle setzte Shimada an. Sie würden, so versprach er, die uniformierten Bluthunde durch ihre Disziplin beschämen, und durch ihre Tapferkeit im Kampf. Indem sie die Sicherung der Straßen übernehmen würden, würden sie verhindern, dass wieder einmal nur die Interessen der Reichen geschützt würden. Und sie würden sich durch ihren Dienst für das Königreich und für Hawaii das Anrecht darauf verdienen, ihre legitimen und gerechten politischen und sozialen Forderungen durchsetzen zu können. Das wirkte.
Shimada musste auch die ersten Kontingente der ‚Hilfspolizei’ losschicken, wobei er allerdings darauf zu achten versuchte, dass die Männer nicht ZU gut bewaffnet waren. Knüppel, Pistolen, Schrotflinten und Jagdgewehre reichten fürs Erste. Was die Arbeitermilizen an echtem Kriegsgerät besaßen – Karabiner, Mpi’s, einige Maschinengewehre, dazu Handgranaten, Bomben und Brandsätze – sollte für die Abwehr der Invasion aufgespart werden.

Nur kurze Zeit später waren die ersten Arbeiterstreifen auf den Straßen unterwegs. Die meisten von ihnen trugen die verabredeten bunten Armbinden. Allerdings dominierte dabei die Farbe Rot. Tatsächlich zeigte die erhöhte Präsenz schnell Wirkung. Und die meisten Randalierer überlegten es sich zweimal, ehe sie ihre meist ebenfalls wenig beeindruckenden Waffen auf die Milizionäre richteten. Shimadas Kampfgruppen hatten einen ziemlich beeindruckenden Ruf, und vielfach griffen sie auch jetzt schnell durch. Die Unruhen kamen nicht ganz zum Erliegen, und an einigen Stellen kam es zu Reibereien zwischen Polizei und Miliz, zwischen Miliz und ‚Schutzwehren’ der reicheren Bürger, oder natürlich mit diversen Aufrührern. Und manchmal mochten die Milizionäre auch mal durch die Finger sehen, wenn sie die Aufrührer kannten. Aber die Heftigkeit der Unruhen ließ nach, die Feuer breiteten sich nicht weiter aus. Gleichzeitig begannen der Transport und die Verteilung der Waffen. Tatsächlich ging das jetzt fast problemlos über die Bühne. Die LKWs der Arbeitermiliz kamen ohne größere Probleme durch die Straßensperren…
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Etwa zur gleichen Zeit, an Bord der KAMIKAZE

Die gesamte Besatzung des Zeppelins war im Hangar versammelt, bis auf die wenigen Soldaten, die gerade auf Posten standen. Auch Sho-sa Ishida und Tai-i Sakai waren anwesend.
Keiner der Soldaten sagte etwas, alles vollzog sich in andächtigem Schweigen. Das Zentrum der Zeremonie war der kleine Shinto-Schrein, der bei der Indienststellung der KAMIKAZE in einer Hangarecke eingerichtet worden war. Eigentlich war die Bezeichnung ‚Schrein’ ein fast zu großes Wort für ein Objekt, dass nicht größer war, als ein kleiner Wandschrank. Eigentlich wäre ein stillerer, abgeschiedener Raum angemessen gewesen. Aber Platz war knapp an Bord eines Militärzeppelins, und in der Hitze eines Gefechts, unmittelbar vor dem Einsatz, konnte ein Pilot wohl kaum durch das ganze Schiff eilen, um seinen Frieden mit den Ahnen zu suchen. Und immerhin, diejenigen ihrer Vorfahren, die selber Samurai gewesen waren, mochten den Ort sogar für passend halten.
Der Reihe nach traten die Marinepiloten vor den Schrein, neigten mit gefalteten Händen den Kopf, und verharrten einen kurzen Augenblick lang, in stummer Zwiesprache mit jenen, die ihnen vorangegangen waren – ihren ruhmreichen Vorfahren, und ihren Kameraden, die vom Feindflug nicht zurückgekehrt waren. Davor hatte jeder der Piloten Sho-sa Ishida einen Brief, oder sogar ein kleines Päckchen überreicht, wie es Sitte vor dem Einsatz war. Diese Päckchen und Briefe enthielten die Abschiedsworte der Piloten an ihre Kameraden und Verwandten, und in der Regel auch noch eine Haarsträhne, oder Fingernägel. Wenn sie nicht vom Einsatz zurückkehrten, wenn ihre Körper nicht mehr geborgen werden konnten, dann würden die Haare oder Nägel an ihrer Stelle verbrannt werden, und ihre Seelen so Ruhe finden und sich ihren Ahnen und Kameraden zugesellen können.
Im Wissen um diese Gewissheit, was hatte ein Samurai dann noch zu fürchten? Der ‚bushido’, der Weg des Krieges, verlangte ohnehin die ständige Bereitschaft zum Tode, die Verleugnung des Lebenswillens. Wenn die Wahl bestand, zwischen dem Weg des Lebens und dem des Todes, so wählte ein wahrer Samurai ohne Zögern den Tod. So zumindest lehrte es die Überlieferung, und auch wenn keiner der jungen Piloten wirklich sterben wollte, so vollzogen sie das Ritual, dessen Wurzel Jahrhunderte alt war, mit andächtigem Ernst.
Dann formierten sich die Piloten in einer Linie, in ihrer Mitte Tai-i Sakai. Ein Mannschaftsmitglied reichte den Piloten weiße Stirntücher, auf denen die rote Sonne prangte. Nachdem die Piloten die Tücher angelegt hatten, die sie unter ihren Pilotenhauben tragen würden, verteilte ein anderer Matrose mit respektvoll gesenktem Kopf kleine Keramikschalen, in die ein dritter Matrose Sake eingoss. Die Piloten hoben die Becher in Richtung des Shinto-Schreins, als würden sie jemanden Unsichtbares grüßen, und tranken schweigend.
Nachdem die Zeremonie vollendet war, herrschte ein paar Augenblicke lang Schweigen. Ein Schweigen, das Ishidas Stimme wie ein Schwert zerteilte: „Es lebe der Kaiser!“
„BANZAI! BANZAI! BANZAI!“
Die Staffel war bereit für den Kampf.

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Seine Majestät, Kamehameha der Dritte, sah in die Nacht über Honolulu hinaus.
Er hatte heute einige wichtige Lektionen gelernt, nicht zuletzt wegen dem Söldneranführer, den er aus reinen Sachgründen zum Oberkommandierenden der Hawaii-Streitkräfte gemacht hatte. Aber es hatte sich nicht nur ausgezahlt, der Mann hatte nicht nur das Glück des Teufels selbst, er hatte dem König auch etwas sehr Wichtiges beibringen können. Dies und vieles mehr.
Wenn Kamehameha der Dritte – oder wie er mit seinem Geburtsnamen eigentlich hieß, Harold, an den Besuch Kazuos dachte, und daran wie er die Lektion des Texaners das erste Mal angewendet hatte, dann fühlte er sich zugleich niedergeschlagen und empor gehoben. Wäre Armstrong jetzt hier, würde er den König sicherlich mahnen, sich nicht vom Hochgefühl fortnehmen zu lassen, um nicht den Blick für seine Leute zu verlieren. Ein Gedanke, die dem schüchternen Jungen niemals zuvor eingefallen wäre.
In Berlin hatte er Wirtschaft studiert, deutsche Geschichte und einige Semester in Sprachen belegt. Alles Dinge, von denen er glaubte, später in seinem Amt als König profitieren zu können. Damals war er ängstlich gewesen, verschreckt und hatte sich in dem riesigen fremden Land furchtbar alleine gefühlt. Er hatte nur wenige Freunde gehabt, bis er irgendwann verstanden hatte, dass es allein auf diese paar ankam. Freunde, mit denen er durch dick und dünn ging. Die ihn verteidigten, wenn ihn andere Schlitzie riefen, denen er half, wenn sie in dem einen oder anderen Fach nicht weiter kamen.
Menschen, die ihn mit an die Nordsee genommen hatten, damit er wieder einmal das Meer hatte sehen können. Oh, was hatte er bei diesem Anblick geweint.
Die vier hatten damals nicht gewusst, dass sie den zukünftigen hawaiianischen König in ihrer Mitte gehabt hatten. Vielleicht war es ihnen auch nur schrecklich egal gewesen, wenngleich es ihnen merkwürdig hätte vorkommen müssen, dass er ein-zweimal im Monat zu dem freundlichen alten Mann ins Stadtschloss gerufen wurde, den jedermann den Kaiser nannte.
Der alte Knabe mit der verkrüppelten Linken war ein aufmerksamer Zuhörer gewesen und ein passabler Tutor. Vor allem aber hatte er ihm einige Lektionen beigebracht, die Harold – oder Kamehameha der Dritte – lange Zeit für vergessen geglaubt hatte.
Heute, Jahre später, erschienen ihm die Freunde, erschien ihm der freundliche alte Mann so fern, so unendlich fern. Ihre Worte verblassten, ihre Gesichter verschwammen, und er wurde sich wieder einmal bewusst, welch schweres Amt er mit dem Rücktritt seines Onkels Charles dem Zweiten übernommen hatte.

Oh ja, er war schüchtern. Oh ja, er hatte Angst. Angst um sein eigenes Leben, um das seiner Untergebenen, um das seiner Untertanen und um die Leben aller Unschuldigen, die im Wirrwarr der Unruhen bedroht waren.
Er hatte Kazuo hart angegangen und einige Forderungen hart am Limit gestellt, das war ihm klar. Sein Versuch, die Gewerkschaften zu kontrollieren, indem er sie den Polizeieid schwören ließ, musste Shimada auffallen. Aber der Mann war nicht dumm und hatte sicherlich die Macht erkannt, die Kamehameha ihm da geboten hatte.
Vor allem aber hatte Shimada ihn als König ansehen sollen, nicht als Bückling, nicht als Tyrannen. Mochte er auf ihn fluchen, mochte er ihn schimpfen, seine Milizen waren bald unterwegs, um für Ordnung auf den Straßen zu sorgen. Und im Gegensatz zur Polizei konnten die Unruhestifter, die Plünderer und Gelegenheitsmobs sie nicht einschätzen – oder auch viel zu gut.
Sein Plan würde aufgehen und die Belohnung für Shimada würde entsprechend groß ausfallen, das schwor er sich.
Im Warteraum des Palastes wartete Mr. Kreuzberger von der Europäischen Liga, jenem Dachinstrument europäischstämmiger Hawaiianer, das versuchte, die Interessen der weißen Minderheit und der weißen Finanzmajorität zu wahren. Er würde sein nächstes Problem werden.
Doch zuerst galt es die Lektion zu vertiefen, die er von Armstrong erhalten und an Kazuo vertieft hatte. All die Dinge in Erinnerung zu rufen, die der alte freundliche Mann ihm beigebracht hatte, das Beispiel welches seine Freunde gewesen waren. Er musste nun König sein.
Nicht länger spielen, nicht länger funktionieren. Er musste einer werden.

„Majestät, es ist alles bereit.“
Kamehameha nickte seinem Untergebenen knapp zu und trat vor das Mikrophon, welches die Techniker von Radio Hawaii aufgebaut hatten. Ein Lautsprecher stand auch im Warteraum und der König wusste, dass eine Audienz von Mr. Kreuzberger nicht mehr nötig sein würde, wenn all dies vorüber war.
Ein letzter Blick galt dem fernen CIC, auf dessen Karten der ANZAC-Verband Oahu immer näher kam. So wie es aussah, würde die japanische Staffel als erstes auf die Australier treffen. Gut so.

***
Armstrong schluckte gerade den letzten Rest an Kaffee runter, während die NORTH STAR, die LONGHORN, die KAMIKAZE und die VELVET sich auf den Start vorbereiteten, um hinter der Hügelkette im Norden erneut Stellung zu beziehen und als Ausweichflughafen zu dienen. Das Cook Air Center war leider in der Reichweite des Zerstörers und auch der Fregatten, wenn sie hart über Land kamen, und Dave riskierte niemals zuviel, vor allem nicht für die Nonkombattanten.
Er verließ die Messe und trat in den Hangar hinaus. Seine Männer und Frauen waren bereits angetreten, und der riesige Hangar wirkte ohne die Flugzeuge erschreckend leer. Die warteten bereits draußen auf ihre Piloten, voll aufmunitioniert und die Motoren vorgewärmt.
Armstrong ging auf Steel zu und besah sich das mit Pflastern zugekleisterte Gesicht des Industrials. „Junge, Junge, du hast aber auch immer ein Schwein“, brummte er ihm auf deutsch zu.
Dem Angesprochenen entglitt ein burschikoses Grinsen.
Dave schmunzelte und ließ dann seinen Blick über die Angetretenen gleiten.
„Jetzt ist es also soweit. Wir stehen vor einer vollkommen neuen Aufgabe. Ich weiß, Steel hat euch ganz schön wehgetan, als er euch die Grundlagen des Staffelkampfs beigebracht hat, noch schlimmer war sicher der Kampf im Geschwader.
Aber es war nötig. Wir werden auf einen technisch bestens ausgerüsteten Gegner treffen, dessen Piloten es durchaus mit den Assen zuhause aufnehmen können. Dieser Gegner beabsichtigt, diese schöne Insel mit Krieg zu überziehen, das wäre alleine schon ein Verbrechen. Aber schlimmer ist, dieser Gegner ist im Geschwaderkampf trainiert, etwas was wir bisher nur üben konnten.
Leute, dies wird ein harter Kampf, ein schwerer Kampf, und ich weiß, dass am Ende der Schlacht ein paar Gesichter in dieser Aufstellung fehlen werden.“
Armstrong senkte den Blick, und ein Raunen ging durch die Piloten.
„Ruhe im Glied!“, fuhr Steel wütend auf. Sofort verstummten die Stimmen.
„Ich will euch in diesem Punkt nichts vormachen. Jeder Fehler kann euer letzter sein. Darum haltet euch an meine Anweisungen, haltet euch an Steels Befehle. Bleibt immer zu zweit zusammen, damit ihr einander den Rücken decken könnt und vergesst nicht, dass wir hier draußen auf alles schießen, was keinen hawaiianischen Tag, ein texanisches Cartoon oder eine japanische Aufgehende Sonne trägt.
Versucht nicht die Helden zu spielen, bringt euch nicht unnötig in Gefahr. Dies ist ein Verschleißkampf. Sieger ist der, der am Ende des Tages mehr Flugzeuge übrig hat. Ich verlasse mich darauf, dass ihr wie immer euer bestes gebt.
Der Flughafen ist unser Stützpunkt. Sollte es den ANZAC gelingen zu landen, werden wir auf den Zigarren aufmunitionieren. Habt immer ein Auge auf die Treibstoffanzeige und die Munition. Und was das Wichtigste ist: Benutzt den Booster so viel wie euer Herz begehrt.“
Nun wurde wieder geraunt, hocherfreut geraunt. Der Einsatz des Boosters war ansonsten die Heilige Kuh, die nicht geschlachtet werden durfte. Selbst gegen die Russen hatten sie den Booster nur ein paar Mal benutzt.
„Ach, noch etwas. Alle Abschussprämien sind für die Dauer des Einsatzes ausgesetzt.“
Ungläubige Rufe antworteten ihm.
„Damit will ich verhindern, dass ihr unbedingt etwas Extrageld verdienen wollt. Als Ausgleich erhält jeder Pilot an Bord der NORTH und der LONGHORN eine Prämie von zweihundert Dollar, wenn wir diese Schlacht gewinnen.“
Das hob die Stimmung wieder ein wenig.
„Und jetzt geht da raus und zeigt denen, dass die NORTH STAR alles ist, nur nicht zweitklassig!“
Dem antwortete gedämpfter, aber entschlossener Jubel.
Steel trat kurz vor und rief: „Dirty Pack, zu den Maschinen! Hopp, hopp, hopp, die ANZAC warten nicht auf uns!“

„Boss!“ Blues Stimme klang über die Lautsprecher im Hangar auf. „Wenn du in deinem Vogel sitzt, dann mach mal Radio Honolulu an. Der König hält eine Ansprache.“
Nun hatte es Armstrong eilig, in seinen Vogel zu kommen.
Wie immer stand Sam bereit, um ihm zu helfen. Aber sie würdigte ihn nicht wirklich eines Blickes und erledigte ihre Arbeit mechanisch.
Dave nahm sich nicht die Zeit, um darauf zu achten, stattdessen aktivierte er das Radio.
„…unterbrechen nun unser Programm für eine Sondersendung. Der König von Hawaii, Kamehameha der Dritte, wird nun zu ihnen sprechen.“
Es folgte ein Jingle, und kurz darauf klang die Stimme des jungen Mann auf, der das Pech hatte, in dieser schwierigen Lage das letzte Wort haben zu müssen.
„Hawaiianer! Dies ist für unser kleines Reich eine schwere Stunde! Die Hauptinsel Oahu und die Hauptstadt Honolulu wird, wie ihr alle sicher bereits wisst, von schweren Unruhen erschüttert. Einher gegangen ist dies mit Angriffen auf Farmen im Inland.
Man könnte meinen, dass die Hawaiianer polynesischer Herkunft und die Hawaiianer japanischer Herkunft den Hawaiianern europäischer Herkunft ihr Geld und ihr Prestige neiden und sich nun erhoben haben, um eine gerechte Umverteilung der Vermögenswerte zu erreichen.
Das stimmt nicht!
Stattdessen weisen alle Indizien daraufhin, dass Agenten ausländischer Mächte, die Hawaii die Freiheit und den bescheidenen Reichtum neiden, schon seit Wochen im Land sind, um den Anschein eines Aufstands zu erwecken, sodass es ihren Dienstherren leichter möglich ist, in dieses herrliche Land einzufallen, uns unsere Freiheit fortzunehmen und den bescheidenen Besitz, den wir Hawaiianer unser eigen nennen.
Zum Beweis meiner Worte stelle ich hiermit fest, dass KEINE Unruhen im Gang sind. Vielmehr ziehen organisierte Banden von Plünderern durch die Hauptstadt, Verbrecher der schlimmsten und primitivsten Sorte! Die Polizei wurde bereits ausgesandt, um sich dieser Gefahr anzunehmen. Außerdem wurden Hilfspolizisten ernannt, die sich in tiefer Sorge um unser schönes Heimatland freiwillig gemeldet haben. Sie alle werden die Plünderungen, die Brände und die bewaffneten Milizen bis zum Morgengrauen unter Kontrolle bringen.
Zum Mittag wird dieser so genannte Aufstand nicht mehr existieren, und die Verbrecher, die sie angeführt haben, werden gefasst worden sein. Man wird sie gemäß der Gesetze Hawaiis vor Gericht stellen und schwer bestrafen.
Hawaiianer! Bewahrt die Ruhe! Hört auf die Anweisungen von Polizei und Hilfspolizisten, zögert nicht ihre Hilfe zu rufen, wenn die Plünderer euch bedrohen. Und zögert nicht, Plünderer anzuzeigen, die sich vor der Gerechtigkeit und dem Gesetz verbergen wollen, jetzt, da wir ihnen die Maske heruntergerissen haben und ihre geldgierigen und mordlüsternden Antlitze zu sehen sind!
Hawaiianer! Tut euren Teil dazu, um Hawaii, um Oahu, um Honolulu zu verteidigen, indem ihr das Gesetz unterstützt.
Von dieser Minute an soll niemand mehr etwas zu fürchten haben, ist der Ausnahmezustand aufgehoben. Und bis zum Mittag werden alle Spuren der Verbrecherbanden ausgetilgt sein.
Hawaiianer, vertraut auf euren König!“
Armstrong pfiff anerkennend. „Netter Schachzug. Indem er aus dem Aufstand ein simples Kapitalverbrechen macht, kommen wir in die glückliche Situation, auf einen Kampf zu verzichten.“ Armstrong beugte sich zur Fury neben seiner Maschine herüber. „Hast du das gehört, Ernst?“
„Ja, aber wird es was nützen? Ist seine Majestät nicht viel zu blauäugig, wenn er glaubt, er braucht nur zu sagen, dass alles gut wird? Ich meine, das ist doch Schwachsinn, selbst wenn er tausend Polizisten einsetzt!“
„Das wissen wir beide. Und das weiß sicherlich auch die ANZAC. Aber hier geht es um Diplomatie. Da zählen nicht die Fakten, sondern das was ausgesprochen wird. Wir sehen uns oben, Ernst.“
Der Deutschamerikaner hob als Zeichen der Bejahung den rechten Daumen, dann schloss er seine Kanzel.
Armstrong ließ sich festschnallen, zog die Schutzbrille vor die Augen und musterte ein letztes Mal seine Anzeigen.
Dann lächelte er seine Cheftechnikerin an. „Sam, wie wäre es mit einem kleinen Kuss als Glücksbringer?“
Die blonde Technikerin sah ihn überrascht an. Wut, Ärger und ein undefinierbarer Ausdruck huschten über ihr Gesicht. „Wenn`s denn sein muss“, brummte sie und drückte Armstrong einen groben Kuss auf die Wange. „Der ist fürs sichere Fliegen, Boss.“
Enttäuscht sah er seine Technikerin an. „Das war alles?“ Er hatte sie verärgert, ja, definitiv verärgert. Aber wann und wo? Himmel, Frauen waren so komplexe Geschöpfe, so leicht in Rage zu bringen und so…so…Schwierig!
Bevor er es sich versah, hatte Sam ihn französisch geküsst. Als sie sich von seinen aufgerissenen Lippen löste, flüsterte sie: „Und der ist fürs Zurückkommen, Dave.“
Für einen Moment schnappte der Pilot mit den Lippen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Aber dann fing er sich wieder. Eigentlich hatte sich das sehr gut angefühlt. „Gibt es denn mehr, wenn ich zurückkomme?“, fragte er übermütig.
„Wie, reicht dir denn ein Kuss?“, fragte sie, schlug die Augen nieder und brachte den großen Deutschen damit reichlich aus der Fassung. „Ähemm.“
„Nun geh schön spielen und hol einen für mich vom Himmel, Dave.“
Das Kanzeldach wurde zugeschoben, er lenkte die Fury auf die Startpiste und hob vor allen anderen ab.
Dave aktivierte den Funk und rief: „Hör auf so dreckig zu grinsen, Steel.“
„Das kannst du sehen?“
„Nein, aber ich spüre es in meinem Nacken.“
Die Antwort war ein freundlich-spöttisches Lachen.
13.06.2020 11:10 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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„Niitaka Yama Nobore!“, erklang es über Funk.
Die Japaner hatten die Mitte der Formation, die LONGHORN-Piloten flogen die rechte Flanke und die NORTH verteidigte den Luftraum zur Linken, und damit auch Honolulu.
„Das ist das Codewort. Die Japaner haben Sichtkontakt mit den Australiern. Sakai-san, bitte berichten Sie.“
„Mein Späher meldet, dass alle sechsunddreißig Flugzeuge gestartet sind und knapp vor den beiden Luftschiffen herfliegen, Stone-san. Wann greifen wir an?“
„Vorerst gar nicht. Höhe gewinnen und kreisen, Tai-i. Vielleicht kommen wir ohne Angriff aus der Sache raus.
ANZAC-Zeppeline, ANZAC-Zeppeline, hier spricht Commander David Stone von der Verteidigung Hawaii. Das Cook Air Center auf Oahu ist gesperrt, ich wiederhole, das Cook Air Center ist gesperrt. Bitte weichen Sie auf die Hauptinsel Hawai´i aus. Ich wiederhole, bitte weichen Sie auf die Hauptinsel Hawai´i aus.“
„Hier spricht Captain Fadden von der Luftkorvette SIDNEY. Sir, ich fordere Sie hiermit ultimativ auf, uns den Luftraum nach Oahu freizugeben. Wir sind in dringlicher humanitärer Mission unterwegs, um australische, neuseeländische und britische Staatsbürger zu evakuieren, die vom asiatischen Aufstand akut bedroht sind.“
„Captain Fadden, ich informiere Sie hiermit im Namen meines Herrschers, Kamehameha dem Dritten, dass es keinen Aufstand gibt. Es gab Sabotageaktionen und einige umher streunende Banden von Plünderern, die die Sabotage eines Gaskraftwerks für ihre Zwecke nutzen wollten, aber die Lage ist unter der Kontrolle der Polizei. Ihnen ist gestattet, mit einer Abordnung Ihrer Offiziere in einem Hoplit Honolulu anzufliegen und sich persönlich von der Sicherheitslage zu überzeugen. Für Ihre Sicherheit, Captain Fadden, sorgt die Landesverteidigung von Hawaii.“
„Ich muss mit meinem Botschafter sprechen.“
„Ihr Botschafter hat die Botschaft gestern vor der Explosion des Gaskraftwerks geschlossen und das Land verlassen. Ich bitte Sie hiermit, sich auf das Ehrenwort des souveränen und international anerkannten Herrschers von Hawaii, Kamehameha dem Dritten, zu verlassen.“
„Ich muss mit meinem Geschwaderkommandeur Rücksprache halten, Sir.“
„Stone-san, es sieht so aus als würden die ANZAC aufkreisen. Es scheint so als würde Ihre Masche funktionieren.“
„Es wäre doch schön, wenn wir den Tag ohne Blutvergießen beenden könnten, oder? Ich lasse das Dragon&Sword für uns reservieren.“
„Ich nehme an, Sie bezahlen wieder, Stone-san.“
„Selbstverständlich, Sakai-san.“
„Boss, die NORTH meldet, dass sie Funkkontakt mit der SHOOTIST hat. Wie es aussieht, haben die beiden Zigarren, die uns solche Sorgen machen, insgesamt sechzehn Flieger rausgejagt. Zwölf davon greifen gerade den Verteidigungsgürtel der SHOOTIST an, die anderen haben Kurs auf Hawaii.“
„Hm. Ausgerechnet jetzt.“
„Warte, warte, das Beste kommt noch. Sie haben sich zuvor als australischer Hilfsverband bezeichnet. Wird wohl doch nichts mit dem ruhigen Abend im D&S, Boss.“
„Commander Stone, hier spricht noch mal Fadden. Sicherlich haben Sie schon von dem Zwischenfall über Hawai´i gehört. Ich versichere Ihnen, dass wir die Angelegenheit durchaus gütlich regeln können und versuche mein Möglichstes, den Angriff der Hilfstruppen abzubrechen! Ich…“
„Da kommt was aus der Sonne auf die ANZAC-Flieger zu, Boss!“, rief Steel aufgeregt.
Armstrong blinzelte in den hellen Sonnenschein, und ja, dort zeigten sich wirklich zwei Flügelspitzen am Rande der Sonnenscheibe. Diese stand noch recht tief und erklomm den Horizont gerade erst. Und damit bot sie selbst einem Anfänger die Möglichkeit, sich in ihrem Licht zu verbergen.
„MAYDAY! MAYDAY! ICH WERDE BESCHOSSEN!“
„ICH HABE NE RAKETE IM FLÜGEL! SIE BOHRT SICH IN MEIN GESTÄNGE!“
„Commander Stone, was soll das? Warum greifen Sie meine Piloten an?“
„Moment Mal, Moment Mal, keiner meiner Leute hat die Formation verlassen!“
„Der Angreifer trägt die Bemalung der hawaiianischen Flieger. Ich muss das als kriegerischen Akt auffassen, wenn meine Leute von regulärem Militär angegriffen werden.“
„Hat sich also was mit dem gemütlichen Abend. Herrschaften, es geht los. Und einer soll zusehen, wo unser hawaiianischer Angreifer geblieben ist.“
„Dusk hier. Der wird gerade von den Aussies in den Bach geschickt. Kein Fallschirm bisher.“
„Mist!“, brummte Dave wütend. „Wir ziehen uns in die Deckung des Festlandes zurück. Steel, schnapp dir dein Dog Pack und fliege den Piloten des Hilfsverbandes entgegen. Sakai-san, Sie ziehen sich als Erste zurück. Damit werden Sie voraussichtlich mit Ihren Piloten die Kampfhandlungen eröffnen.“
„Ich habe verstanden, Stone-san.“
In einem Krieg gewann meistens der, der sich das Schlachtfeld aussuchen konnte, ging es Armstrong durch den Kopf. Auf diese Weise sah es wenigstens nicht ganz so aus, als würde er vor den ANZAC davonlaufen. Aber sich hier binden zu lassen hätte bedeutet, vom Zerstörer und den Fregatten unterfahren zu werden und in ihr Flakfeuer zu geraten – etwas, was über Land nicht so einfach passieren konnte.
Der Tag würde sehr lang werden, dachte Armstrong bei sich.
***

Stunden nach Sonnenaufgang würde Polizisten das Flugfeld drei von Oahu anfahren, weil die Telefonanrufe der anderen Stationen nicht abgenommen wurden.
Sie würden eine vollkommen ausgebrannte Defender finden, dazu zwei tote Männer in Pilotenkleidung. Dazu kamen ein halbes Dutzend Mechaniker, von hinten erstochen oder erschossen. Alle Männer waren kaltblütig und überraschend erledigt worden, ohne jeden Pathos oder Spielsinn der Angreifer. Hier hatte niemand gemordet, der Spaß daran hatte, hier hatte jemand eliminiert. Und er war so schlau gewesen, nur undeutliche Spuren zu hinterlassen, die auf mindestens drei Mann schließen ließen. Und ein fehlendes Flugzeug, dessen Trümmer gerade auf den Weg zum sechstausend Meter tiefer gelegenen Meeresgrund waren.
Natürlich dachten sich die Männer ihren Teil.
Natürlich dachte sich der Polizeichef Mizunami seinen Teil.
Und natürlich dachte sich seine Majestät seinen Teil.
Aber so war die Politik, sie sprachen es nicht aus.

***
„Hiermit breche ich die Funkstille“, sagte Conrad James Fadden mit ruhiger Stimme ins Mikrofon. „Durch den Angriff der hawaiianischen Flugpolizei müssen wir leider davon ausgehen, dass die Situation auf den Inseln von Hawaii ernster ist als wir bisher angenommen haben; mittlerweile ist es nicht auszuschließen, dass die britische Botschaft besetzt wurde.
Das Angebot von Kamehameha dem Dritten kann eine Falle sein, ich mache da mir und Ihnen, Gentlemen, nichts vor.
Dennoch wollen wir nicht zu sehr mit der Tür ins Haus fallen.
Commander Carlisle, Commander Atley, Sie erhalten hiermit den Befehl, den Luftraum über Pearl City zu sichern, damit wir ein Kommando an Land schicken können, entweder um uns selbst über die Sicherheitslage auf Oahu zu informieren oder die Evakuierung der europäischen Zivilisten zu leiten. Sie werden nicht als Erste feuern. Wir wurden zwar angegriffen, aber es kann sich immer noch als Missverständnis herausstellen, als Kriegsprovokation einer dritten Partei. Sollten Sie jedoch während der Sicherung des Luftraums angegriffen werden, haben Sie die Erlaubnis, das Feuer zu eröffnen. Captain Fadden, Ende und aus.“
Fadden verschränkte die Arme auf den Rücken und trat vor. Gerade in diesem Moment sah ein Hoplit der SIDNEY nach dem Piloten des hawaiianischen Fliegers, während sich die Flugzeuge der Texaner und der Hawaiianer in breiter Linie zurückzogen.
Schade. Wären sie geblieben, hätte er den Luftkampf mit ihnen erzwingen können.
Die nachrückenden Schiffe hätten dann mit Flak in den Luftkampf eingreifen können. Eine Tatsache, dessen sich anscheinend auch der Texaner bewusst war, der diese Operation leitete. Über Land reichte die Flak der ANZAC nicht. Sie mussten zuerst sehr, sehr nahe an das Land heran kommen, bevor sie wenigstens etwas zum tragen kam.
„Skipper, Commodore Scott für Sie.“
„Ich komme. Commodore, ich habe soeben den Angriff befohlen. Meine Flieger gehen raus, um den Luftraum über Pearl zu sichern.“
„Gut, Captain. Ich ziehe die Schiffe mit Höchstfahrt nach. Was glauben Sie, Conrad, haben die Texaner noch mehr in Petto, oder kann ich die TASMANIA in der Deckung der NORFOLK zurückfallen lassen?“
Fadden dachte über diese Frage ernsthaft nach. „Nun, die Texaner auf der SHOOTIST dürften in diesem Moment mehr als genug mit sich selbst zu tun zu haben. Zudem wurde eine Halbstaffel detachiert, um ihnen zu Hilfe zu eilen, wie es für mich aussieht. Außerdem zieht sich der Anführer der Texaner, ein Commander Stone, über das Festland zurück, wo unsere Flak ihn nicht erreichen kann. Nein, ich denke nicht, dass er noch mehr Reserven hat. Das ist alles, womit wir zu tun haben, Sir.“
„Gut. Dann führen Sie Ihre Befehle aus, Conrad. Erobern Sie mir den Luftraum über Pearl oder gestatten Sie mir wenigstens, mit der PADDY die aufgeklärten Geschützstellungen der Hawaiianer zu zerschlagen, bevor ich mit der TASMANIA eine Gefechtslandung wage. Ich schicke drei meiner Schnellboote voraus, um ein erstes Kommando zu landen. Ich möchte Sie hiermit um Unterstützung für diese Männer bitten.“
Fadden schluckte schwer. Schnellboote waren flink, aber klein und schlecht bewaffnet. Scott konnte es nur wagen, sie mitten in die drei Lagunen von Pearl City zu schicken, weil Hawaii keine Kriegsschiffe hatte, schon gar nicht im Hafen. Die Kommandos, die von den Booten an Land gehen würden um einen Brückenkopf zu errichten, gingen ein furchtbares Risiko ein. Gelang die Landung der TASMANIA nicht und wurden die Schnellboote vernichtet, war das Kommando gefangen gesetzt.
„Ich werde zusehen was ich kann, Sir. Vergessen Sie nicht, das Cook Air Center ebenfalls zu bestreichen, um die Zeppeline zu bekämpfen, Sir.“
„Das können wir vergessen. Die neuesten Informationen besagen, dass sie hinter die Hügelkette von Pearl verlegt wurden. Außerdem landen sie nicht. Sie sind für uns absolut unangreifbar, außer wir erobern die Lufthoheit. Und selbst dann würde ich Sie in das Kreuzfeuer von drei fliegenden Zeppelinen nur mit mindestens einer Staffel hineinjagen, Conrad.“
„Ein Notflughafen“, brummte Conrad Fadden.
„So sehe ich das auch. Bringen Sie Ihre Zeppeline nahe an die Küste heran, aber verlocken Sie die Texaner nicht zu einem Handstreich. Dafür sind die Zigarren zu kostbar.“
„Verstanden, Sir.“
„Colonel Hicks plant jedenfalls, bis zum Mittag Pearl erobert und bis zum Morgen auf dem Weg nach Honolulu zu sein. Tun Sie Ihr bestes, damit der Job gelingt. Wäre nett, wenn Sie alles runterholen könnten, was über Oahu fliegt und nicht zu uns gehört.“
„Ich will sehen was ich tun kann, Sir.“
„Tun Sie einfach Ihr Bestes. Scott Ende und Aus.“
Fadden nickte schwer und trat an den Kartentisch heran. Der Hoplit mit dem Piloten, so er denn noch lebte, konnte jede Sekunde zurückkehren. Seine Leute waren bis auf die beiden Maschinen, die leichte Schäden vom Angriff davongetragen hatten und nun geflickt wurden, da draußen und rückten auf Oahu vor, genauer gesagt auf den Lagunenhafen von Pearl City.
Und vor ihm lauerte eine Wand aus texanischen und japanischen Maschinen.
Wie hatte sich General Alexander ausgedrückt? Wenn es hoffnungslos wurde, sollte er sich zurückziehen. Nun, soweit waren sie noch lange nicht. Im Gegenteil. Durch den Wegfall der sechs Maschinen der Halbstaffel rechnete er sich ernsthafte Chancen aus, die TASMANIA sicher an das Land zu bringen.
Nachdenklich schob er die Symbole der beiden ANZAC-Zeppeline näher in die Bucht auf der Karte hinein. Bald würden sie wissen, wie die Piloten im internationalen Vergleich abschnitten.

***
„Da kommen sie“, brummte Rocket.
„Wir überlassen den Japanern den ersten Schuss. Demarkationslinie ist drei Meilen vor dem Festland. Sakai-san, wenn es Ihnen Recht ist.“
„Natürlich, Stone-san. Sie haben die ANZAC angemessen gewarnt. Sobald wir gewonnen haben, wird niemand daran zweifeln, dass wir die internationalen Verträge eingehalten haben.“
Dave schmunzelte dünn. Und wenn sie verloren, würde niemand daran zweifeln, dass die ANZAC durch den Angriff der einzelnen Defender, die feige aus der Sonne gekommen war, als erste attackiert worden war.
„Okay, hergehört, Cat Pack. Wir bleiben arscheng zusammen. Achtet auf eure Flügelleute und versucht über Land zu bleiben. Im Hafen von Pearl und auf dem Cook Air Center haben wir zusätzliche Geschütze aufgestellt. Das meiste davon ist MG, aber wenn wir die Aussies da rüber locken können, umso besser.“
„Verstanden.“
„Rook, ich sage es Ihnen übrigens nur dieses eine Mal: Sie fliegen eine Devastator, Ihr Flügelführer Silence eine Brigand. Also achten Sie auf seinen Hintern und versuchen Sie ruhig, ein oder zwei Australier zu einem Rendezvous mit Gossip zu überreden.“
Über den Kanal wurde leise gelacht, als Dave seine kleine Rede an den ehemaligen BAS-Piloten Jerrard Ryan beendet hatte.
„Will es versuchen, Boss“, antwortete der junge Mann überglücklich. Er war zwar nur Reservepilot, bis Klutz und Stick wieder aufsteigen konnten, aber Dave hatte das miese Gefühl, dass er einen gut ausgebildeten Ersatzpiloten, der ihm persönlich etwas schuldete, noch bitter brauchen würde.
„TORA!“, erklang Sakais Stimme über Funk. „Stone-san, wir haben den ersten Kurvenkampf. Die ANZAC verhalten sich sehr diszipliniert und lassen sich nicht zu Einzelgefechten verleiten.“
Dave fluchte unterdrückt. Das bedeutete, dass er seine Idee, den Gegner über die eigene Flak zu locken, vorerst vergessen konnte.
„Okay, wir schlagen in der Flanke zu. Leute, ein letztes Mal: Lasst euch nicht über das Wasser ziehen. Bevor ihr euch verseht sind die Schiffe da, und glaubt mir, ihr wollt nicht wissen, wie ein Vogel aussieht, der durch eine SchiffsFlak geflogen ist.“
„Armstrong von Blue“, klang die Stimme seines Skippers über Funk auf. „Steel meldet Kontakt. Die SHOOTIST fliegt Kreis, hat zwei Flieger verloren und drei abgeschossen. Er selbst hat Feindkontakt mit dem Dog Pack. Sie liegen im Kurvenkampf.“
Der Kreis war eine alte britische Abwehrmaßnahme, die von den Briten gerne bei Verteidigungen geflogen wurde. Wenn die Maschinen einer Staffel im Kreis flogen, gab es immer jemanden, der das Heck seines Vordermanns decken konnte, falls sich ein Gegner hinter ihn zu setzen versuchte. Deshalb hatten die Deutschen auch den Fokkerhüpfer erfunden, der einen Angriff auf einen Kreis ermöglichte, ohne wirklich dem Hintermann vor die Linse zu geraten.
„Er soll sich beeilen und dann wieder herkommen, Blue.“ Mühsam unterdrückte er das Verlangen, in den Kampf einzugreifen, sich einen Gegner zu suchen und in den Bach zu schicken. Dies waren ANZAC! Nur mit ruhiger Überlegung würde er dem Feind beikommen können.
„Wir kommen Ihnen zu Hilfe, Sakai-san.“
„Ich weiß das zu schätzen“, brummte der Japaner.

***
Dave riss seinen Vogel in die Tiefe und drehte ihn auf den Rücken. Mit dem letzten Fitzel seiner Höhe hatte er aus dem Sturzflug einen umgekehrten Immelmann gemacht und sauste nun für bange Sekunden fast direkt über der Wasseroberfläche dahin, bevor er die Mühle wieder hochzog. „Dusk, ist alles klar?“
„Dank dir, Boss. Der ANZAC, der dich dabei gestört hat, meinen neuen Freund von meinem Heck zu jagen hängt übrigens immer noch an dir dran. Komm auf meine Höhe, dann kann ich ihm ein paar verpassen.“
„Okay“, erwiderte Dave und zog stärker hoch.
Die Lage war ernst. Die Japaner hatten schon drei Flieger verloren, dafür aber fünf Australier in den Bach geschickt. Die Gegner flogen Avenger, Brigand, Warhawk und Balmoral. Von letzteren, den schweren Bombern, waren nur noch zwei in der Luft. Die beiden anderen hatten den Kratern auf Hawaii beim Versuch, taktische Stellungen in Pearl zu bombardieren, zwei neue hinzugefügt.
Seine Leute, vor allem von der LONGHORN, hatten auch schwer gelitten. Drei waren mit leeren Kanonen nach Hause geschlichen, Dave selbst hatte Rainmaker heim gejagt, damit er die Gefechtsschäden in dem Sieb flicken ließ, dass ursprünglich mal eine Tragfläche gewesen war.
Vier weitere LONGHORN-Piloten waren im Austausch für zwei Aussies abgeschmiert, und wenn dieses Missverhältnis so weiterging, dann würde der von Dave erwartete lange Tag sehr kurz werden.
Zwei weitere hatten dem Dirty Pack im Austausch für Silence anfallen müssen.
„Ich wünschte es wäre Nacht, oder der Preuße käme“, brummte der Commander.
„Ich glaube, ein Texaner ist dir jetzt wirklich lieber. Dreh ab auf drei. Eins, zwei, drei!“
Dave warf seine Fury herum und drückte den Auslöser für den Booster. Sofort machte seine Maschine einen weiten Satz, und Dusk nutzte das freie Schussfeld, um sich ihren ersten Abschuss zu holen. Der Avenger begann zu brennen, während der Pilot absprang.
Dave grinste dünn. Nichts konnte sich schnell durch das verstärkte Cockpit einer Avenger fressen. Vielleicht sollte er sich auch ein paar für das Dirty Pack zulegen, die Dinger waren robust.
Schweres Flakfeuer erinnerte ihn wieder an seine eigenen Probleme. Mittlerweile waren die Fregatten heran. Sie griffen massiv in den Luftkampf ein, während der Zerstörer die wenigen Landgeschütze unter Beschuss nahm, die von den Amerikanern nach ihrem Rückzug nicht demontiert worden waren, um die Küste von Californien zu schützen.
Mist, der Luftkampf dauerte schon lange genug, um ihn nachlässig zu machen. Hastig riss er seine Fury herum und ließ sie weiter steigen.
„Armstrong von Blue. Wir haben Silence und Gossip aufgesammelt. Haben beide schwer was abgekriegt, aber der Doc ist schon bei der Arbeit. Wenigstens ist an beiden noch alles dran.“
„Danke für die Zwischenbilanz, Blue. Wie sieht es bei Steel aus?“
„Ist bereits auf dem Rückmarsch. Die australischen Hilfstruppen wurden mit nachhaltigen Argumenten überredet, dahin zu gehen, wo der Pfeffer wächst.“
„Ist außer Piper noch jemand gestorben?“
„Papillon ist in den Bach gekracht, wir wissen noch nicht, wie es ihr geht. Die SHOOTIST hat sofort einen Hoplit los geschickt.“
„Melde dich, wenn du mehr weißt.“
„Roger. Blue Ende und Aus.“
„Oh-oh…Das sieht gar nicht gut aus, Boss. Das dicke Ding, das da auf sechs Uhr angekrochen kommt, das haben wir doch nicht bestellt, oder?“
Instinktiv sah Armstrong nach Süden. „Das muss der Truppentransporter sein. Mist.“
Er wechselte die Frequenz. „Armstrong, hier Armstrong. Mizunami-san, ich denke, Sie sollten jetzt Pearl City evakuieren lassen und Verteidigungsstellungen errichten.“
„Das habe ich mir auch gedacht. Die Evakuierung des Hafens ist beinahe abgeschlossen. Die Sperrstellungen stehen bereit. Konzentrieren Sie sich aufs Fliegen. Ich übernehme den Boden.“
„Danke, Mizunami-san. Wenn wir das hier überleben, dann wird es mir eine Freude sein, Sie ins Dragon and Sword einzuladen.“
„Ich nehme dankend an.“
Dave wollte etwas hinzufügen, einen Scherz vielleicht, soweit die Zeit reichte, aber ein Geschehen am Rande seines Sichtfeldes erregte seine Aufmerksamkeit. Er sah eine knallrote Bloodhawk auf den Truppentransporter niedersausen; und er sah eine Fregatte, die genau diese Bloodhawk mit ihrer Flak zerlegte wie ein Schrotgewehr einen Pappmaché-Flieger.
„ROCKET!“, brüllte Dave, als die Maschine explodierte. Er wechselte wieder auf die Staffelfrequenz.
„…ENDLICH AUS, BOSS!“
Eines stimmte wirklich, wenn man über Klischees nachdachte. Eine unachtsame Sekunde hier oben konnte tatsächlich den Tod bringen. Dieser Gedanke ging Armstrong durch den Kopf, als er die Erschütterungen in seiner rechten Tragfläche spürte, die abgesprengte Panzerung sah und des Leuchtens der Magnesiumkugeln gewahr wurde, die sich in seine Tanks fraßen.
Kurz entschlossen riss er sein Kanzeldach auf. „Dusk. Du hast das Kommando. Armstrong steigt aus, ich wiederhole, Armstrong steigt aus.“
„Gute Landung, Boss. Dein Rücken ist vorerst frei“, klang die gepresste Stimme seiner Flügelfrau auf.
Er stöpselte sich ab, sah sich ein letztes Mal um und erkannte sowohl den Truppentransporter als auch den stetig näher kommenden Erdboden und verließ dann seine todgeweihte Maschine. Schade. Diese Fury hatte er sehr gerne geflogen. Aber schon hundert Meter unter ihm hatten die Magnesiumkugeln die Tanks erreicht und zerfressen. Sie explodierten, streuten Fragmente zu allen Seiten, und eines davon traf Armstrong am Schädel. Ihm wurde schwarz vor Augen.

***
„…machen wir nun? Hier kann er nicht bleiben.“
„Wir verstecken ihn.“
„Aber wo?“
„Ich mach das schon. Folgt mir, aber sorgt dafür, dass uns niemand verfolgt.“
Dave stöhnte leise. Sein Schädel brummte widerlich und der harte Griff, in dem er steckte, schmerzte. „Wo…Wo issn meine Mühle?“
Eine zarte Frauenhand berührte seine Wange. Die Hand war kühl, herrlich kühl. Dann berührten zwei feuchte Lippen die andere Wange. „Das tut mir jetzt mehr weh als Ihnen, Commander.“ Kurz darauf versank Dave wieder in Dunkelheit, begleitet vom kurzen, heftigen Schmerz eines Kinntreffers.

***
„Ich habe Carlisle verloren, Sir. Außerdem drei weitere Piloten und mittlerweile insgesamt neun Maschinen. Die Japaner verstehen ihr Handwerk. Und die Texaner sind besser als wir erwartet haben.“
„Ich weiß, Conrad. Und ich kann Ihre Piloten nur beglückwünschen, dass sie so lange durchhalten. Aber die entscheidende Phase der Operation tritt nun ein. In einer Viertelstunde landen wir die TASMANIA am Brückenkopf an. Und sobald dreitausend Mann mit vollem Gerät Pearl City unter Kontrolle haben, ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Honolulu.“
Fadden verbiss sich die Antwort. Der Katzensprung erschien ihm plötzlich sehr lang zu sein.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 19.06.2020 19:08.

19.06.2020 19:07 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Die LKWs waren bis zur Grenze ihrer Tragfähigkeit belastet. Auf der Ladefläche eines jeden der fünf Fahrzeuge drängten sich etwa dreißig Mann. Es waren keine Soldaten, wie auch die LKW keine Armeetransporter waren. Die Männer trugen Zivil, sah man von den meist roten Armbinden ab, die an ihren Ärmeln prangten. Über den Wagen flatterten zwei Fahnen. Das eine war das Banner des unabhängigen Hawaii. Das andere war eine blutrote Fahne, ohne jedes Emblem. Die Arbeitermiliz zog in den Krieg.
Eigentlich lagen zwischen Honolulu und Pearl City nur etwa zwanzig Meilen, dennoch schien die Fahrt für Hiroshi Shimada endlos. Die Straßen waren verstopft von Flüchtlingen, die aus Pearl City heraus-, und Truppen, die nach Pearl Harbor hineinwollten. Teilweise mussten die Wagen auf Nebenstraßen ausweichen, minutenlang warten – oder kamen nur weiter, nachdem die Männer der Arbeitermiliz liegen gebliebene Fahrzeuge und langsame Handkarren rücksichtslos in den Straßengraben bugsiert hatten.
Mancher in der Miliz musterte argwöhnisch den Himmel, hielt nach feindlichen Jägern Ausschau. Wenn sie hier, auf offener Straße erwischt wurden…

Die Transporter beförderten zwei ‚Kompanien’ mit insgesamt knapp einhundertfünfzig Kämpfern. Die Männer gehörten zu den Besten, die Shimada zur Verfügung standen, und für ihre Möglichkeiten waren sie sogar recht gut bewaffnet. Die meisten hatten Militärkarabiner oder Maschinenpistolen, einige auch Schrotflinten oder Jagdgewehre. Dazu kamen vier leichte Maschinengewehre und eine Menge Handgranaten, Brandflaschen und selbst gebastelte Sprengkörper. Und hatten sie auch genug Munition für ihre Waffen. Vor allem waren die meisten dieser Männer mit ihren Waffen zumindest halbwegs vertraut.
Shimada wusste, dass weitere Milizverbände aus Honolulu und dem Umland nachrücken würden. Aber diese Verstärkung war meist nicht einmal annähernd so gut bewaffnet. Außerdem stand es im Augenblick noch in den Sternen, ob es überhaupt genug Transportmittel für sie geben würde.
Nun, Shimada hatte klare Befehle ausgegeben. Wenn nicht anders möglich, dann würden sie eben LAUFEN. Die Entfernungen waren auf Oahu nicht so groß. Angesichts der teilweise völlig verstopften Straßen würde der Zeitverlust ohnehin nur gering sein.
‚Verdammte Panik!’ Die Flüchtlinge brachten den ganzen Aufmarsch durcheinander, und es gab offenbar keine ausgearbeiteten Pläne, mit ihnen fertig zu werden, oder sie von den Hauptstraßen wegzuleiten. Auch die beiden fertig gestellten ‚Panzerwagen’, mit Metallplatten und MGs aufgerüstete LKWs, mussten irgendwo in diesem Chaos sein. Allerdings kamen sie wohl noch langsamer vorwärts, als Shimadas zwei Kompanien.
Der hagere Gewerkschaftsführer hatte sich selber mit einem Enfield-Gewehr, einem halben Dutzend Handgranaten und 200 Schuss Munition ausgerüstet. Dazu kam eine Automatik in seiner Jackentasche. Sein hohlwangiges Gesicht war ausdruckslos, nur in seinen Augen lag ein fast gehetzter Ausdruck. Die Zeit lief ihnen davon. Solange die Invasoren in Pearl City feststeckten, hatten seine Milizen eine Chance. Auf offenem Gelände, gegen gut ausgebildete Infanterie, ohne Schützengräben oder Deckungslöcher, hatten sie keine.
Es wäre von Shimada vielleicht klüger gewesen, nicht persönlich in das Kampfgebiet vorzurücken. Aber der Gewerkschaftschef wusste, er war es seinen Leuten schuldig, dieselben Risiken zu tragen wie sie. Wenn er das nicht tat, hätte er keinen Anspruch mehr darauf erheben können, dass sie ihm folgten. Und wie hatte er noch vor ein paar Stunden gesagt? ‚Egal wo die ANZAC landen, ich werde mit meinen Männern dort sein.’ Er würde dieses Versprechen halten.

Hiroshi Shimada starrte nach vorne, wo er in der Ferne bereits Pearl City erahnte. Über die LKW-Kolonne hinweg brauste eine Rotte Kampfflugzeuge in Richtung Invasionsstrand. Dort, in der Ferne, glaubte Shimada hier und da gelbrote Feuerblumen aufblühen zu sehen, und dunkle Qualm- und Rauchschwaden, die gen Himmel stiegen. ‚Haltet aus. Wir kommen!’

*********

In Pearl City waren in diesem Augenblick bereits andere Arbeitermilizen in die Kämpfe verstrickt. Als die Invasion begann, hatten sie sich teils spontan, teils auf die hastigen Befehle ihrer Anführer hin formiert. Binnen kürzester Zeit waren die ersten Barrikaden entstanden. Den hastig zusammengetrommelten Arbeitertrupps mangelte es an Waffen und Munition, aber sie waren zum Kampf bereit. Zusammen mit den alarmierten Einheiten der Polizei leisteten sie den Invasoren erbitterten, wenn auch manchmal recht unorganisierten Widerstand. Ihre genauen Kenntnisse des Terrains kamen ihnen dabei zugute.
Unterstützung erhielten Polizei und Arbeitermilizen durch die ‚Schutztruppen’ der japanischen Handelsmission von Pearl City. Die zwanzig Männer waren in Wirklichkeit allesamt reguläre Soldaten, sie verfügten über leichte Maschinengewehre und sogar zwei Mörser.
Die anlandenden Infanteristen hatten schon am Strand einen höheren Blutzoll entrichten müssen, als viele von ihnen erwartet hatten. Trotz des Unterstützungsfeuers der Kriegschiffe hatten Maschinengewehre und Schützen der Polizei die Landungstruppen unter Feuer genommen. Und als die Soldaten in die Stadt vorstießen, fingen die Schwierigkeiten erst an. Binnen kürzester Zeit sahen sich die ANZAC-Soldaten in Kämpfe auf engstem Raum und kürzeste Distanz verwickelt, Kämpfe die teilweise mit Messern und bloßen Fäusten geführt wurden. Und über der Stadt tobte ein erbitterter Luftkampf, bei dem auch die Flugzeuge der ANZAC auf heftigeren Widerstand trafen, als erwartet. In der Luft war der Gegner sogar in der Überzahl, und er wurde durch einige leichte Luftabwehrwaffen unterstützt – die allerdings teilweise ziemlich unterschiedslos auf jedes Flugzeug feuerten, dass in ihrem Visier auftauchte.

All das wusste, ahnte, oder vermutete Shimada. Womit er nicht gerechnet hatte, war der Anblick, der sich ihm an dem Sammelposten bot, der das Ziel seiner Kolonne war. Zusammen mit dem Polizei-Commander, der als Verbindungsoffizier fungierte, sprang er von der Ladefläche des Wagens: „Was soll das?“
‚Das’ war eine größere Ansammlung von Männern, die sich auf dem Platz staute. Es waren Zivilisten, etwa achtzig, dem Anschein nach überwiegend Arbeiter. Kaum einer war bewaffnet. Shimada kannte den Mann, der sie eigentlich in die Schlacht hätte führen sollen. Aber Yamagata schien viel zu sehr damit beschäftigt, mit dem Polizeioffizier zu streiten, der hier offenbar das Kommando hatte. Der hoch gewachsene Weiße im Rang eines Captain schien am Rande eines Wutausbruchs zu stehen.
„Was ist hier los?“
Der Captain drehte sich zu Shimada um. Und er wirkte nicht erfreut: „Da sind Sie ja…Captain. Würden Sie Ihrem…Lieutenant gefälligst sagen, dass er entweder seine Leute nach Vorne bringen, oder sich zum Teufel scheren soll? Ich habe Wichtigeres zu tun, und wenn die hier nur herumstehen, dann locken sie höchstens feindliche Flieger an.“
Yamagata ließ das nicht auf sich sitzen: „Wir haben keine Waffen! Ich verlange…“
„Ich HABE keine Waffen für Sie.“
„Dann können Sie es vergessen, dass wir…“
„YAMAGATA!“ Shimadas Stimme ließ Yamagata herumfahren. Hinter ihm stand Shimada, das Gesicht vor Wut verzerrt, und in der Hand seine Automatik-Pistole. Der junge Mann glaubte einen Augenblick lang, der Gewerkschaftsführer wolle ihn erschießen – und er zuckte regelrecht zusammen, als Shimada ihm stattdessen mit einer jähen Bewegung die Pistole in die Hand drückte: „Hier hast du eine Waffe. Männer…“, er drehte sich zu den Milizionären um, die von den Wagen sprangen: „Wer eine Zweitwaffe hat, gibt sie ab. Wer zwei Handgranaten hat, kann eine entbehren. Macht schon!“
Tatsächlich kam so einiges zusammen, aber Yamagatas Leute waren immer noch ziemlich unterbewaffnet. Nicht einmal die Hälfte der Leute hatte jetzt eine Waffe, die über einen Knüppel oder ein schweres Haumesser hinausging.
„Mehr nicht?“
Shimada fuhr zu Yamagata herum. Er wusste, dass dieser zu jenen in seiner Organisation gehörte, die von dem zeitweiligen Bündnis mit dem König nicht viel hielt. Im gewissen Sinne hatte Shimada dafür Verständnis. Aber was zuviel war, war zuviel. Seine Stimme klang leise, aber die Wut, die in seinen Worten lag, ließ Yamagata erbleichen: „Mehr haben wir nicht! Was erwartest du? Einen Panzerzug? Da draußen in der Stadt kämpfen und sterben deine Brüder! Und du willst hier herumplärren?! Du willst Waffen? Dann hol sie dir! Holt euch eure Waffen – BEIM FEIND! Reißt sie ihnen aus ihren toten Händen!“

Aber Shimada fühlte selbst, dass er die Männer mit diesen Worten und diesem Befehl alleine noch nicht losschicken konnte. Das war noch nicht genug. Sie brauchten mehr.
Im nächsten Augenblick erklomm er die Ladefläche des Wagens, von dem er vor zwei Minuten herunter gesprungen war. Hoch aufgerichtet stand er da, für alle zu sehen, und seine scharfe Stimme erreichte jeden der Männer, die hier versammelt waren: „KAMERADEN! BRÜDER! Der Feind bedroht eure Heimat! Nicht nur den König, oder die Reichen! Wären nur sie alleine bedroht, ich würde von keinem von euch verlangen, sein Leben einzusetzen! Der Feind bedroht viel mehr, als irgendwelche Hoheitsrechte, oder eine Regierung! Viel mehr, als die Frage, welche Flagge in Zukunft über unseren Inseln wehen soll!
Er bedroht eure Städte und Häuser! Er bedroht all das, was Ihr euch je in eurem Leben aufgebaut und erkämpft habt! Was euch eure Väter und eure Mütter vererben konnten! Und mehr noch, er bedroht eure Familien! Wer von euch will jetzt tatenlos dabeistehen und zusehen, wie die verdammte Soldateska eure Frauen und Töchter zu ihrer Beute erklärt? Seid Ihr Männer, oder seid Ihr Feiglinge?!
Wollt Ihr beiseite treten, und die Polizei für euch kämpfen lassen? Wollt Ihr nur mit den Schultern zucken, und sagen ‚Was geht mich das an?’?! Es geht JEDEN von euch an, Mann für Mann! Ihr sagt vielleicht, ihr kämpft nicht für einen Staat, der euch nur als Bürger zweiter Klasse sieht?! Für einen Staat, der nur den Wenigen gehört, die sich ein gutes Leben machen können, die Geld, Privilegien und Macht besitzen?!
Kameraden! Ich verstehe eure Zweifel! Aber GERDE DESWEGEN müssen wir kämpfen! Beschämen wir sie mit unserem Mut! Zeigen wir ihnen, was wir wirklich wert sind! Denn wenn wir jetzt die Linie halten, wenn wir den Feind zurückschlagen…
Dann wird keiner mehr wagen, euch euren gerechten Lohn zu verweigern! Dann wird keiner mehr wagen, euch für geringer zu halten, nur weil er Geld hat, und Ihr nicht! Denn dann habt Ihr bewiesen, wozu ihr fähig seid! Wenn das Volk aufsteht, und seine Freiheit mit Waffen verteidigt – dann kann niemand, NIEMAND ihm seine Freiheit mehr nehmen!

Und warum kommt der Feind denn hierher, diese Invasoren, diese Banditen, zu unseren Inseln, die niemals Australien oder Neuseeland gehört haben und die niemals eine Bedrohung für sie darstellten? Haben Sie nicht genug Land für sich auf ihrem Kontinent? Bietet ihnen Australien nicht alles, was sie brauchen? Bodenschätze und Land haben sie genug! Glaubt Ihr, sie kommen nur hierher, um eine Fahne aufzupflanzen? Für Handelsverträge und Konzessionen?! NEIN! Sie wollen etwas ganz anderes!
Australien ist ein Land nur für Weiße! Warum wohl verbieten sie es jedem, dessen Hautfarbe eine andere ist, ein Bürger ihres Landes zu werden? Weil sie keine farbigen ‚Bürger’ wollen! Sie wollen Sklaven! Sklaven und Untertanen! Wie haben sie sich denn ihr Reich erschaffen? Indem sie jene, die schon Jahrtausende vor ihnen dort lebten ausrotteten und versklavten! DAS ist es, was euch blüht!
Sie wollen ihr Imperium der Weißen ausdehnen! Und Ihr, ihr seid für sie nicht viel mehr als Tiere!
Ihr werdet für sie Sklavenarbeit verrichten müssen, und es wird alleine in ihrer Gnade liegen, ob Ihr genug Lohn erhaltet, um euch und eure Familien ernähren zu können. Es wird kein Recht geben, auf dass Ihr euch berufen könnt! Kein Recht, dass eure neuen Herren anerkennen werden, außer ihrer eigenen Willkür und ihre perversen Vorstellungen von der Herrschaft der weißen Rasse!
Eure Söhne werden in den Minen Australiens Sklavenarbeit verrichten müssen, fern von der Heimat! Und eure Töchter werden die Bordelle Australiens füllen. Denn DAS ist der Platz, der in der Vorstellung des Feindes den Menschen zusteht, die nicht weiß sind!
Wollt Ihr das zulassen? Wollt Ihr das schweigend erdulden, den Kopf neigen, damit man euch die Halseisen anlegt?! NEIN! Lieber kämpfen wir, und lieber sterben wir, als dass wir uns diesem Schicksal beugen! Nicht nur für uns kämpfen wir, sondern auch für unsere Kinder!

Es ist Zeit! Zeit, dass die Invasoren erkennen, dass sie nicht länger mehr schalten und walten können, als wären sie Götter, und wir nur Wilde, die beim Klang ihrer Waffen schreiend fliehen! Es ist Zeit, dass sie lernen, dass jeder Mensch – egal welcher Hautfarbe er ist – ein Recht hat, sein Leben selbst zu leben! Das Recht, nicht fraglos Knechtschaft und Schande zu erdulden! Dass wir das Recht haben, für unsere Freiheit zu kämpfen!
Sie werden lernen, sie werden blutig lernen, dass die Tage ihrer Herrschaft vorbei sind!“
Shimada hielt kurz inne und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Die meisten hörten zu wie gebannt. Denn die Männer, zu denen er sprach, seine Männer, waren Polynesier, Chinesen und Japaner. Für sie war seine Rede bestimmt. Und er erreichte ihre Herzen.
Die weißen Polizeioffiziere am Rand zogen allerdings saure Mienen.
„Der Feind glaubt an einen leichten Sieg. Und würden wir uns im offenen Feld stellen, dann hätten sie nur vielleicht sogar Recht. Aber jetzt, in der Stadt, nützen ihnen ihre Maschinengewehre nicht viel. Und ihre Geschütze haben wenig Wert. Vielleicht tragen ihre Gewehre weiter als unsere – aber das bedeutet nichts, wenn wir sie in den Straßen unserer Stadt stellen! Sie sind verunsichert, orientierungslos – WIR ABER SIND IN DIESEN STRASSEN ZUHAUSE! Wir werden nicht zu ihren Bedingungen kämpfen! Ihre Strategien und Kampfregeln bedeuten uns nichts! Schlagt sie tot, wie man Ratten totschlägt! Geht sie aus nächster Nähe an! Legt Hinterhalte, baut Barrikaden! Kämpft listig, verschlagen, und kämpft mutig! Jedes Haus ist für euch eine Festung! Jede Straße ein Schlachtfeld! Jeder Graben, jeder Kanal eine befestigte Stellung! Lassen wir sie ausbluten in den Straßen unserer Stadt! Sie sind fern von daheim, und jeden Mann, den sie verlieren, den werden sie nicht ersetzen können! Ihr Nachschub ist knapp, und Verstärkung fern, WÄHREND WIR IMMER STÄRKER WERDEN!
Der Feind hat es gewagt, eure Heimaterde zu betreten! Es ist Zeit, ihnen zu zeigen, dass sie hier nur der Tod erwartet! SIE WERDEN NICHT DURCHKOMMEN!!“
Und wie auf dieses Stichwort ratterten zwei monströs wirkende Fahrzeuge über die Straße nach Honolulu heran. Man konnte erkennen, dass es ursprünglich normale Lastkraftwagen gewesen waren. Jetzt aber hatte man das Fahrerhaus und die gesamte Karosserie mit Metallplatten gepanzert. Die provisorischen Panzerfahrzeuge wirkten klobig, archaisch – ähnelten den ersten gepanzerten Fahrzeugen, die zu Beginn des Großen Krieges teilweise zum Einsatz gekommen waren. Während des spanischen Bürgerkriegs hatten die loyalen Milizen gegen die putschenden Truppen ähnliche Fahrzeuge eingesetzt.
Auf den gepanzerten Ladeflächen der Wagen drängte sie je ein halbes Dutzend bewaffneter Männer. Sie wirkten nicht wenig überrascht, als sie mit Gejohle und donnerndem Jubel begrüßt wurden. Sogar Shimada lächelte. Seine Panzerwagen hatten es geschafft, genau zur rechten Zeit einzutreffen.

Shimada ließ den Männern keine Zeit, aus der fast blutgierigen Stimmung aufzuwachen, in die sie seine Rede versetzt hatte. Hastig formierten sich seine beiden Sturmkompanien, und diejenigen von Yamagatas Männern, die man zumindest halbwegs hatte bewaffnen können.
Der Rest bekam den Auftrag, Schützenlöcher anzulegen und auch die normale Bevölkerung dazu heranzuziehen. Diese Maßnahme fand auch die Billigung des Polizei-Captains, auch wenn seine Stimme reichlich unterkühlt klang: „Sie glauben, dass die ANZAC aus der Stadt ausbrechen werden, uns einzukreisen versuchen?“
„Soviel müssten sie eigentlich seit der Somme und Ypern gelernt haben. Sie wären wahnsinnig, wenn sie es nicht tun würden. Vor allem, wenn sie sich in der Stadt festrennen.“
Der Captain nickte knapp, fast widerwillig. Die nächsten Worte Shimadas überraschten ihn aber doch: „Sie sagen meinen Jungs am besten, wo sie diese Verteidigungslinie ausheben sollen.“
„Sie unterstellen Ihre Leute meinem Kommando?“
„Offensichtlich. Mein Platz ist Vorne. Machen Sie das Beste aus dem, was Sie haben.“
„Danke.“ Das klang immer noch reserviert. Der Captain verzog kurz den Mund, fast spöttisch: „Interessante Rede. Vor allem wie Sie die Motive der ANZAC aufgedeckt haben.“
„Spielt keine Rolle. Wenn ich meinen Leuten damit Feuer machen könnte, würde ich auch sagen, dass die Aussies Blut trinken.“
„Und Sie glauben wirklich, Ihre Leute können standhalten?“
Shimada warf seinem ‚Kollegen’ einen frostigen Blick zu: „In Spanien hat es funktioniert, habe ich gehört. Am besten Sie fragen mich das in vierundzwanzig Stunden noch einmal. Sie wissen ja, wo Sie mich finden können!“

Shimadas Einheit stieß mitten in eine Krisensituation hinein. Nachdem die ANZAC zuerst von dem unerwartet heftig aufflackernden Widerstand in den Straßen von Pearl City überrascht worden waren, hatten sie sich relativ schnell gefasst, umorganisiert und stießen nun mit starken Sturmkolonnen entlang der Hauptstraßen vor. Diese Abteilungen führten neben den üblichen Infanteriewaffen auch schwere Maschinengewehre und Flammenwerfer mit sich.
Die einzige Artilleriebatterie der Invasoren brachte ihre Fünfundsiebzig-Millimeter-Haubitzen am inzwischen gesicherten Strand in Stellung, unterstützt von den Mörsern der Infanteriekompanien. Die ANZAC-Luftwaffe konnte allerdings keine Unterstützung leisten, denn sie kämpfte gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner um das eigene Überleben. An ihrer Stelle griffen die PADDY und die leichten Geschütze der TASMANIA in den Bodenkampf ein. Sogar die Schnellboote beschossen mit `30er und `50er Maschinengewehren und Zwei-Zentimeter-Flak ausgemachte Feindstellungen in höheren Gebäuden in Hafennähe. Die japanische Handelsmission lag in einem mörderischen Kreuzfeuer, aber immer noch leisteten die Wachtruppen verbissenen Widerstand.

Die vorrückenden Kolonnen sollten über Funk je nach Bedarf die Artillerieunterstützung anfordern und so schnell wie möglich bis zum Stadtrand vorstoßen. So sah jedenfalls die Theorie aus.
An einigen Stellen stießen die ANZAC-Kolonnen jedoch auf Barrikaden, die von Polizei und Milizen erbittert verteidigt wurden. Gleichzeitig gerieten die Infanteriekolonnen unter andauernden Beschuss aus Gebäuden und Seitenstraßen. Ignorierten die vorrückenden Kolonnen dieses Störfeuer, so erlitten sie ständig Verluste, drohten die Sturmtruppen ihren Zusammenhalt und Angriffsgeist zu verlieren. Versuchte man aber, gegen die Heckenschützen vorzugehen, dann kostete das Zeit und die ANZAC-Verbände drohten sich zu verzetteln.
Stieß man zu schnell vor, blieben einzelne Feuernester und Heckenschützen zurück. Rückte man systematisch vor und vernichtete jeden Widerstand, so kostete das Zeit – und viel Blut.

Außerdem erwies sich die Kommunikation der vorrückenden Verbände als schwieriger, als erwartet. Die leichten Funkgeräte der Infanterie, bewährt bei den Manövern im australischen Outback, zeigten sich in der dicht bebauten Stadt als störanfällig. Feldtelefonleitungen zu legen würde Zeit kosten, zumal die Vorräte an Telefondraht begrenzt waren. Keiner im australischen Befehlsstab hatte damit gerechnet, dass man derartiges Material jetzt schon brauchen würde, im Straßenkampf.

Den ANZAC-Soldaten musste der Kampf wie eine chaotische Hölle erscheinen. Es gab keine klar erkennbare Front, und keine erkennbare Logik in dem verbissenen Kampf auf kürzeste Distanz. Statt mit einigen Polizeiverbänden mussten sie auch noch gegen die Arbeitermilizen und zu allem Überfluss auch noch ausländische Söldner kämpfen. Überall, so schien es, konnte der Tod lauern, aus jedem Fenster, jeder Kellerluke, jeder Richtung zuschlagen. Noch chaotischer wurde dieser Hexenkessel aus Explosionen, Schüssen und Schreien durch die Gerüchte, japanische Truppen würden die Verteidiger unterstützen. Und über den Barrikaden wehten nicht selten rote Fahnen, was manche junge Offiziere zu dem Irrglauben verleitete, auch russische Truppen ständen im Abwehrkampf. An vielen Stellen brachen Brände aus, verursacht durch zerschossene Gasleitungen, Flammenwerfer, Brandflaschen und explodierende Granaten.

Vielleicht hätte es die Angreifer getröstet, wenn sie gewusst hätten, dass auch die Verteidiger unter Chaos und Verwirrung zu leiden hatten. Die Kommandostrukturen von Milizen und Polizei waren nicht aufeinander abgestimmt, und die Koordination gestaltete sich als schwierig. Geschütze oder Granatwerfer waren kaum vorhanden. Im Bereich Kommunikation sah es noch übler aus als bei den ANZAC. Nur die Polizei hatte überhaupt einige Funkgeräte, und diese waren oft veraltet, unhandlich, oder litten ebenfalls unter Störungen. Wo möglich wurden Melder eingesetzt. Bei den Arbeitermilizen verwendete man zu diesem Zweck vor allem halbwüchsiger Burschen, die jeden Schleichweg in der Stadt kannten. Dennoch waren ihre Verluste hoch.
Einige findige Polizeioffiziere oder Milizkommandeure nutzten auch das immer noch weitestgehend funktionstüchtige öffentliche Telefonnetz, um sich bei den verschreckten Einwohnern nach dem Vorrücken des Gegners oder der Situation eigener Einheiten zu erkundigen.

Die Verluste der Verteidiger waren mörderisch. Aber gleichzeitig ließen sie die Angreifer auch für jeden Meter Boden zahlen. Mit Zeit und mit Leben.

Eines der beiden provisorischen Panzerfahrzeuge der Arbeitermiliz überlebte nicht einmal eine Stunde – bei einer Barrikade kassierte der Wagen durch Zufall eine Haubitzengranate und flog in die Luft. Es gab keine Überlebenden. Der andere Wagen hingegen brachte durch sein bloßes Erscheinen und das wütende, wenn auch wenig gezielte MG- und Schützenfeuer seiner Insassen eine ganze Infanterieabteilung zum Stehen. Unter den Angreifern verbreitete sich kurz darauf dass Gerücht, der Feind verfüge über Panzerspähfahrzeuge japanischer oder russischer Herkunft.
In der japanischen Handelsmission hielten die Überlebenden der zwanzig Wachsoldaten selbst dann noch die Stellung, als die Geschütze der PADDY den Gebäudekomplex in Schutt und Asche legten. Aus den Trümmern und den halb verschütteten Kellerräumen peitschten immer noch einzelne Schüsse, bis eine Abteilung australischer Infanterie mit aufgepflanztem Bajonett die Ruinen stürmten. Von zwanzig Verteidigern überlebten nur drei Mann, schwer verletzt. Aber sie hatten den Vormarsch der ANZAC für mehrere Stunden behindert und dem Gegner einen hohen Blutzoll abverlangt.
19.06.2020 19:10 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Hiroshi Shimada presste sich flach auf den Boden, die Arme schützend über den Kopf gepresst. Rings um ihn schien die Welt unterzugehen, oder die Hölle ihre Pforten zu öffnen, als mehrere Haubitzengranaten einschlugen. Zum Glück waren sie nicht besonders gut gezielt, nur zwei der Granaten trafen überhaupt in die Nähe der Barrikade. Die aber reichten, um einen tödlichen Hagel aus Splittern zu verstreuen, der vier Milizionäre zerfetzte, die nicht schnell genug in Deckung gegangen waren.
Doch es folgten keine weiteren Einschläge.
Nur für einen Augenblick herrschte fast so etwas wie Stille, bis auf den entfernten Kampflärm anderer Gefechte. Dann war ein neuer Ton zu hören, den die Verteidiger Hawaiis schnell zu erkennen und zu fürchten gelernt hatten: das Schrillen der Offizierspfeifen, die die Infanteristen vorwärts trieben. Angriff! ANGRIFF!

Sofort war Shimada auf den Beinen, und mit wenigen Schritten bei der Barrikade. Mit Erschrecken registrierte er, wie wenige Männer ihm noch folgten. Eine seiner ‚Kompanien’ hatte er schon vor Stunden an einen anderen Brennpunkt werfen müssen, ebenso Yamagatas Männer. Zwei Zusammenstöße mit dem Feind hatten Shimada fast zwanzig Leute gekostet. zwanzig weitere hatte er widerwillig einem Polizei-Commander geben müssen, der einen Gegenstoß organisieren wollte, während Shimada mit den restlichen Kämpfern einer umkämpften Barrikade zur Hilfe geeilt war. Als sie endlich vor Ort waren, waren die ANZAC bereits teilweise in die provisorische Verteidigungslinie eingebrochen. Shimadas Leute waren im letzten Augenblick eingetroffen, hatten die ANZAC werfen, und auch den nächsten, überhastet vorgetragenen Sturmangriff abwehren können.
Dann hatte für kurze Zeit Ruhe geherrscht, abgesehen von einem heftigen Feuerwechsel. Und dann hatten die ANZAC Artilleriefeuer angefordert. Als sich Shimada jetzt umsah, sah er noch etwa dreißig Männer seiner Kompanie und der ursprünglichen Verteidiger. Die übrigen waren tot, verwundet, geflohen – oder von dem Beschuss so geschockt, dass sie zu keiner vernünftigen Handlung mehr fähig waren.
Aber der Rest war immer noch bereit zu kämpfen. Das verbliebene Maschinengewehr hämmerte los, und die Gewehre und Maschinenpistolen der anderen Kämpfer fielen mit ein.
Die ANZAC-Soldaten rückten diesmal vorsichtiger vor, auf beiden Seiten der Straße. Zwei weiter hinten postierte Vickers-Maschinengewehre gaben Sperrfeuer, und versuchten vor allem diejenigen der Verteidiger unten zu halten, die aus den Häusern schossen. Das Gegenfeuer mochte etwas schwächer sein, aber natürlich boten die sprungweise vorrückenden Infanteristen auch wesentlich bessere Ziele. Einer der Angreifer wurde von einer Maschinengewehrgarbe fast in zwei Teile geschnitten.
Shimada runzelte kurz die Stirn. Indem die Australier einzeln oder in kleinen Gruppen, von Deckung zu Deckung vorrückten, erlitten sie natürlich weniger Verluste. Aber es steckte auch keine Energie hinter ihrem vorsichtigen Vorgehen. Wie wollte der feindliche Offizier seine Männer dann noch zum Sturmangriff mitreißen? Was hatte er vor?

Die Antwort auf diese Fragen war von einer brutalen Eindeutigkeit. Aus dem Fenster eines der Häuser, die von den ANZAC bereits gesichert worden waren, streckte sich ein kurzes Rohr – und eine Feuerzunge leckte über den Kamm der Barrikade.
„FLAMMENWERFER!!“
Die Wirkung dieser im Großen Krieg eingeführten Waffe war grauenhaft. Die Flammen hüllten das Maschinengewehr der Verteidiger und seine Bedienungsmannschaft ein, und verwandelten sie in kreischende Feuergestalten, die sich am Boden wälzten, und nichts mehr mit einem Menschen gemein zu haben schienen. Mit fast bedächtig wirkender Langsamkeit wanderte der Flammenstrahl über die Barrikade, entzündete dabei alles Brennbare, was er berührte – Holz, Stoff und Fleisch.
Hiroshi Shimada hatte sich im buchstäblich letzten Augenblick beiseite werfen können. Aber noch während ihm die brennende Hitze ins Gesicht schlug, ihm fast den Atem nahm, überlegte er fieberhaft. Mit grausamer Klarheit erkannte er jetzt die Absicht des Gegners. Der Flammenwerfer sollte die Verteidiger unten halten, den vorrückenden Soldaten Deckung geben, bis sie die Barrikade fast schon erreicht hatten. Und er konnte auf keinen Fall von seinen Leuten erwarten, dass sie weiter schossen, während dieser furchtbare Feuersturm über sie hinwegwanderte.
Ruckartig wandte er sich um, und jagte den beiden Männern, die das Maschinengewehr bedient hatten, je eine Kugel in den Leib. Es gab nichts, was er sonst für sie hätte tun können. Ein schneller Tod war die einzige Hilfe, die es für sie hier noch gab. Außerdem demoralisierten ihre Schreie die anderen Kämpfer. Aber das war natürlich keine Lösung für das Problem. Sie mussten etwas gegen den Flammenwerfer tun. Und zwar schnell.
„GRANATEN! HANDGRANATEN!“ Shimadas befehlende Stimme übertönte sogar den Gefechtslärm. Tatsächlich leisteten ein paar der Verteidiger, die noch über Handgranaten, selbst gebastelte Sprengkörper oder Brandflaschen verfügten, dem Befehl Folge. Während Shimada seine letzte Granate vom Gürtel losriss, den Sicherungsring abzog und die Granate schleuderte, flogen drei, vier weitere Sprengkörper in Richtung des vorrückenden Feindes. Aber das war nur ein Aufschub.
Wieder wanderte der Feuerstrahl des Flammenwerfers über die Barrikade. Auch wenn diesmal keiner der Verteidiger getroffen wurde, das Feuer hielt sie am Boden.

Alle bis auf einen. Shimada hatte die kleine Schwachstelle des Gegners erkannt, wenn man es denn so nennen konnte. Der Flammenwerferschütze lenkte seinen Feuerstrahl gleichmäßig, methodisch über die Barrikade. Das machte ihn berechenbar, gab Shimada ein paar Sekunden Zeit. Mit einem gewaltigen Satz war er auf der von Flammen umloderten Barrikade, kniete fast auf dem Kamm der provisorischen Befestigung, riss sein Gewehr hoch, zielte. Er ignorierte die Flammen, die seine Kleidung und seine Haut versengten, ignorierte das aufflackernde Schützenfeuer der Angreifer. Es gab nur noch ihn - und sein Ziel.
Der Flammenwerferschütze hatte sich in dem Versuch, sein Feuer möglich präzise zu lenken halb aus dem Fenster gelehnt, hinter dem er in Stellung gegangen war. Shimada sah ihn fast überdeutlich - die verrußte, dreckverschmierte Khaki-Uniform, den schweren Metalltank der das Flammenwerferöl barg, das schweißverklebte, strohblonde Haar des hageren Soldaten. Im letzten Augenblick wandte der Soldat den Kopf zur Seite, starrte Shimada scheinbar direkt in die Augen. Der Mund des Australiers verzog sich zu einem lautlosen Schrei.
Shimada drückte ab. Es war ein fast perfekter Schuss. Er hatte auf den Schützen gezielt, aber wegen der leichten Drehung des Soldaten traf die Kugel stattdessen den Flammenwerfertank.
Die Wirkung jedoch war nicht minder verheerend. Der explodierende Tank hüllte den Soldaten in ein Flammenmeer, das Feuer fraß sich binnen Sekunden in seine Uniform und sein Fleisch. Spritzer des brennenden Öls sprühten über fast die gestammte Breite der Straße, wie ein Regenschauer direkt aus der Hölle.

Doch inzwischen waren die australischen Infanteristen fast schon an die Barrikade herangekommen, die Enfield-Gewehre mit aufgepflanzten Bajonett vorgestreckt.
„HOCH MIT EUCH! STEHT AUF UND KÄMPFT!!“ Shimadas Stimme riss die in Deckung gegangenen Verteidiger hoch, trieb sie wieder auf die Barrikade.
Einer der Milizionäre hastete zum Maschinengewehr, sprang dabei achtlos über die verkohlten Leiber seiner Kameraden hinweg. An dem glühend heißen Metall der Waffe verbrannte er sich die Hände. Nur ein paar Schuss lösten sich, dann hatte das MG Ladehemmungen.
Noch während der Schütze an dem Verschluss der Waffe rüttelte, rammte ihm ein hünenhafter Australier das Bajonett in die Brust. Handgranaten und Sprengladungen explodierten auf beiden Seiten der Barrikade, dann gingen sich die Kämpfer gegenseitig an die Kehle.
Shimada rammte den Kolben seiner Waffe einem feindlichen Soldaten ins Gesicht, der versuchte, die Barrikade zu erklimmen. Mit blutverschmiertem Antlitz fiel der Mann zurück, nur um gleich darauf von einem anderen ersetzt zu werden, dessen Bajonettstoß Shimada nur knapp ausweichen konnte. Mit Knüppeln, Feldspaten, Beilen, Messern und den bloßen Fäusten fielen die Männer übereinander her wie im Blutrausch.
Shimada fand sich auf einem Gegner liegend wieder, dem er die Kehle zupresste, während der Australier mit blau anlaufendem Gesicht seinem Gegner die Faust ins Gesicht rammte, bis zum letzten Augenblick seines Lebens kämpfend. An einer anderen Stelle schlug ein Australier wieder und wieder mit seinem Gewehrkolben auf einen Polizisten ein, obwohl dessen Kopf längst nur noch eine blutige, breiige Masse war. Kaum noch Schüsse ertönten – ein Australier, der mit seiner Sten aus der Hüfte feuerte, wurde von einem Milizionär förmlich über den Haufen gerannt, der dem ANZAC-Soldaten wieder und wieder ein fußlanges Jagdmesser in den Leib rammte. Dumpfe Schreie, Keuchen, ersticktes Stöhnen – keine Worte, oder Befehle waren zu hören. Der Krieg war reduziert auf ein brutales Abschlachten auf nächste Entfernung, Mann gegen Mann.
Shimada hatte einem toten Gegner das Seitengewehr entrissen, wandte sich dann zur Seite und hätte um ein Haar die wuchtig geschwungene Klinge einem Milizionär in die Seite gerammt. Dann aber drehte er sich zum nächsten Gegner um, und stieß ihm die Klinge in den Rücken. In fast demselben Augenblick ließ ihn eine Bewegung, die er aus den Augenwinkeln wahrnahm, herumfahren. Der schlecht gezielte Bajonettstoß des feindlichen Soldaten fuhr wie ein Peitschenhieb über seine Hüfte, zerschnitt Kleidung und Haut. Wie Raubtiere, geduckt, mit gebleckten Zähnen umkreisten sich die beiden Kämpfer, auf eine Schwäche, einen Fehler des Gegners lauernd.

Der Angriff lief sich fest, und flutete dann ab. Im Schutz einer Rauchgranate zogen sich die überlebenden ANZAC-Soldaten überstürzt zurück.

Das Ende des Kampfes kam so abrupt, dass es Hiroshi Shimada wie ein Faustschlag traf. Um ein Haar wäre er gestürzt, konnte sich gerade noch im letzten Augenblick abstützen. Sein umherirrender Blick wanderte über eine Szenerie des Grauens. Der Boden war überdeckt von Leichen – Soldaten, Milizionäre, Polizisten. Erschossen, verbrannt, erstochen, erschlagen, erwürgt, zerfetzt. Die überlebenden Verteidiger waren vielfach verwundet, dem Zusammenbruch nahe. Über und über mit Blut verschmiert, ähnelten sie Schlachtern, die Gesichter zu grotesken Fratzen der Erschöpfung verzerrt. Aber sie hatten standgehalten.
Shimada hatte Mühe, seine eigene Stimme zu erkennen: „Sammelt…die Waffen…Sie kommen…kommen wieder.“ Er wusste, sie hatten wahrscheinlich nicht allzu viel Zeit.
Weniger als zwanzig Männer standen noch auf den Beinen.

Der junge Meldeläufer, der etwa fünf Minuten später die Barrikade erreichte, musterte die grauenhafte Szenerie nur mit einem kurzen Blick. Im Lauf der letzten Stunden hatte der Junge schon mehr Leichen gesehen, als er es sich in seinen schlimmsten Albträumen hätte vorstellen können. Die grauenhaften Bilder hatten zu einer seltsamen Betäubung geführt, die ihm erlaubte, immer noch zu ‚funktionieren’, trotz all des Grauens ringsum.
„Captain Shimada! Die ANZAC rücken über die Lincoln Avenue vor und fächern auf. In ein paar Minuten sind sie hier.“
Shimada nickte wie automatisch. Auch er konnte jetzt noch nichts fühlen. Keine Wut, keine Enttäuschung, keine Angst. Er war wie betäubt: „Wir ziehen uns zurück.“
Einer der Überlebenden, ein stämmiger Arbeiter, starrte den Gewerkschaftsführer mit einer Mischung aus hilfloser Wut und Ungläubigkeit an: „Was…zurückziehen? War das alles hier umsonst?!“
„Umsonst?! Nein, das war es nicht. Wir haben Zeit gewonnen. Und wir haben sie bluten lassen. Wir haben ihnen den Schneid abgekauft. Aber nur ein Narr kämpft in einem brennenden Haus. Wir lassen uns zurückfallen, bis zur nächsten Barrikade. Glaubt mir, die ANZAC werden bald die Lust verlieren.“
„Aber…“
„NICHTS ABER! Willst du es ihnen einfach machen, uns umzulegen? Wir halten sie auf! Wir werden sie schlagen! Aber zu UNSEREN Bedingungen. Und unsere Kameraden können die Waffen gebrauchen. Seht zu, wer von den Verwundeten noch transportfähig ist. Dann rücken wir ab.“
‚Und vielleicht kann ich dann genügend Leute zusammentrommeln, um einen Gegenstoß vorzubereiten. Fünfzehn sind jedenfalls zuwenig.’
Nur ein paar Minuten später rückten die Überlebenden ab. Fünfzehn Männer, die noch aus eigener Kraft laufen konnten, und einige wenige transportfähige Verwundete. Die Schwerverwundeten mussten zurückbleiben. Es gab keine andere Möglichkeit, denn sie hatten weder geeignete Transportmittel, noch genug Zeit, um alle mitzunehmen. Allerdings trug jeder der noch gehen konnte mindestens zwei Gewehre oder Maschinenpistolen über der Schulter.
Der Kampf um diese Barrikade war vorbei. Der Kampf um Pearl City ging weiter. Gnadenlos.
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Einige Stunden später

Inzwischen hatte die Sonne bereits den Zenit überschritten, und immer noch tobte der Kampf um Pearl City mit unverminderter Härte. Langsam, teilweise unter erheblichen Opfern, rückten die Verbände der ANZAC vor. Längst war das, was bei manchen der Planer eine schnelle Sicherungsoperation gewesen war, zu einem blutigen Straßenkampf mutiert.
Und im Luftraum über Pearl City sah es noch ungünstiger für die Invasoren aus. In drei, vier heftigen Luftgefechten mit teilweise über zwanzig Beteiligten, hatten die Verteidiger jeden Vorstoß der ANZAC abblocken können. Sie waren zahlenmäßig überlegen. Auch wenn sie höhere Verluste erlitten, sie konnten sich das noch leisten.
Momentan war am Himmel fast so etwas wie Ruhe eingekehrt, bedingt durch die kurze Einsatzflugdauer der Maschinen beider Seiten. Bis auf einige wenige Patrouilleneinheiten waren die Jäger zu ihren jeweiligen Basen zurückgekehrt, um aufzumunitionieren aufzutanken, und leichte Schäden zu reparieren.
Steel hatte langsam die Übersicht verloren, wie oft er in den letzten Stunden mit feindlichen Jägern zusammengetroffen war. Waren es vier Gefechte gewesen, oder doch fünf? Jedenfalls hatte er eine gegnerische Avenger und eine Balmoral abschießen können, und hatte bei mindestens zwei weiteren Abschüssen geholfen. Der Verlust von Marquardt hatte die Kampfmoral des Dirty Pack zwar angeschlagen, aber nicht gebrochen. Es war sowieso eine ziemliche Dummheit von Kamehamea gewesen, jemanden zum Oberbefehlshaber zu ernennen, der einen Jäger flog. Völlig ungeachtet der Eignung – oder Nichteignung – von Marquardt, ein Kommandeur der sich derart exponierte, setzte seine Streitkräfte einem erheblichen Risiko aus. Kein Mensch konnte gleichzeitig kämpfen und kommandieren. Allzu leicht verlor ein solcher Befehlshaber die Übersicht. Oder das Leben.
Von der Unmöglichkeit, eine halbwegs konstante Befehl- und Informationskette aufzubauen einmal ganz zu schweigen. Ein Ausfall des Oberbefehlshabers brachte die Verteidigungsstreitkräfte in eine schwierige psychologische Situation. Und selbst wenn der nachrückende Offizier kompetent und fähig war, es entstand zwangsläufig eine gefährliche Übergangsphase.

Nun ja, diese Übergangsphase hatten sie gemeistert. Ishida war vielleicht nicht so charismatisch wie Marquardt, aber militärisch mindestens ebenso fähig. Und er war so klug, sich nicht unnötig zu exponieren. So gesehen hatten die Verteidiger mit dem Kommandowechsel sogar gewonnen. Abgesehen natürlich von der moralischen Situation. Und der Verstimmung mancher Texaner, aber auch Hawaiianer, von einem Offizier der japanischen Streitkräfte Befehle entgegennehme zu müssen.
„Macht hin. In fünfzehn Minuten will ich die Maschine wieder startbereit haben.“ Ausnahmsweise führte das nicht zu einer bissigen Retourkutsche seitens Sams. Die Chefmechanikerin blieb stumm. Steel glaubte auch zu wissen, warum.
Einer der anderen Techs aber konterte: „Und wenn nicht?“
„Na ja, ich könnte dich als Abwurfmasse benutzen. Noch nie etwas von ‚lebenden Bomben’ gehört?“
Der Tech sparte sich eine Antwort. Irgendwie gefiel ihm das zynische Grinsen des Piloten nichts. Steel hatte keinen sehr guten Ruf. Nicht, dass er seine Drohung ernst meinen mochte – aber er hatte todsicher seine Mittel, jemandem die Hölle heiß zu machen.
„Steel.“
Er drehte sich zu Max um: „Was gibt’s?“
„Nachricht vom Cat Pack. Momentan machen die ANZAC sich rar am Himmel. In einer halben Stunde sollen wir sie ablösen.“
„Das gefällt mir nicht. So heftig haben wir die ANZAC nun wieder auch nicht verprügelt. Sind nicht mal Patrouillejäger oben?“
„Nein.“
„Die bereiten was vor, merk dir meine Worte. Ich denke, wir sollten Ishida benachrichtigen.“
„Hm…“ Max Stimme klang belegt. Ihre Augen wirkten müde. Am liebsten hätte Steel mit den Augen gerollt. ‚Kaum fällt unser Freund aus den Wolken…’ Nach Steels persönlicher Meinung war es Marquardt keineswegs wert, dass sich gleich zwei Frauen – wenn aus verschiedenen Gründen – Sorgen um ihn machten.
Und er konnte es nicht gebrauchen, das seine Quasi-Stellvertreterin keine hundertprozentige Leistung brachte: „Hör mal, Max…“
„Steel! Ishida will dich sprechen!“
‚Ach verdammt!’ „Ich bin unterwegs!“

*********

Gleichzeitig war auch auf dem Boden vorerst so etwas wie eine trügerische Ruhe eingekehrt – relativ gesehen. Zwar schlugen weiter Granaten ein, und immer noch knallten pausenlos Schüsse. Aber die Intensität der Feuergefechte hatte etwas nachgelassen, und seit inzwischen fast einer Stunde war kein größerer Angriff mehr erfolgt. Die ANZAC hatten ihren Vormarsch verlangsamt, den Druck abgeschwächt.
Leider waren die Verteidiger viel zu verstreut, unorganisiert, und ihre Kommunikationslinien überlastet, als dass sie das richtig realisiert hätten. Abgesehen von einigen Ausnahmen.

Hiroshi Shimada spuckte aus, aber der bittere Geschmack nach Cordit blieb weiter auf seinen Lippen, wie eingebrannt. Mit ausdrucksloser Miene hörten er und zwei seiner Unterführer dem Bericht mehrerer Melder zu. Nachdem diese geendet hatten, herrschte kurz Schweigen. Aber nur für ein paar Augenblicke: „Das ich das richtig verstehe, die verdammten ANZAC beschränken sich vorerst nur noch auf Schützenfeuer, richtig?“
„Ja. Nach allem was wir wissen…“
„Und unsere Spione melden, dass sie massiv Truppen verlagern?“
„Einige. Vielleicht. Was das betrifft, gibt es keine Klarheit. Wir wissen nicht, wie viele oder wohin…“
„Es gibt sowieso nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie planen einen gleichzeitigen, synchronisierten Vorstoß, um uns einfach zu überrollen…
Oder sie sind klüger geworden, und versuchen uns zu umgehen. Das würde bedeuten, dass sie sich umgruppieren, Truppen zum Stadtrand durchschleusen, und dann den Sack zumachen.“
Shimada bekam keine Antwort auf seine Überlegungen, aber damit hatte er auch nicht gerechnet. Er überlegte laut weiter: „In dem Fall würde ich allerdings auch wieder etwas mehr Druck in der Stadt machen. Damit wir nicht umgruppieren können. Damit wir gebunden bleiben. Und dann machen sie uns von hinten fertig. Bastarde.“
„Und was..?“
„Gute Frage. Ich kann hier nicht einfach abhauen. Würde sich nicht gut machen. Außerdem KÖNNTE ich mich ja auch irren. Hört zu. Ihr…“, das galt den Meldern, „…seht zu, dass ihr die Beine in die Hand nehmt – sagt denen hinten Bescheid, dass sie die Augen aufhalten sollen.“
„Zu Befehl.“
„Dann verschwindet schon!“ Dann wandte sich Shimada an einen seinen Unterführer: „Yamagata. Die meisten der Leute hier in Pearl City kennen dich. Ich geb’ dir zwanzig Mann. Mit denen machst du dich auf den Weg, und verstärkst unsere rückwärtigen Verbände. Wenn man das so nennen will. Sieh zu, was du zusammenkratzen kannst – Versprengte, Freiwillige. Wenn ich mich irre – gut. Dann bringst du die Leute wieder nach vorne. Aber wenn ich doch Recht habe, dann liegt es an dir, die ANZAC aufzuhalten. Zieh alles zusammen was du findest. Jeden Mann der laufen kann.“
Yamagata nickte schwerfällig. Sein Gesicht wirkte wie erloschen. Shimada hätte lieber jemand anderen geschickt – oder wäre selber gegangen. Aber er konnte hier nicht weg. Wenn das sich herumsprach, konnten seine Leute zu der Ansicht kommen, er wolle sich verdrücken. Und Yamagata war der einzige der populäreren Gewerkschaftsfunktionäre Pearl Citys, der momentan in Reichweite war. Also blieb ihm nichts anderes übrig.

Kaum eine halbe Stunde später erneuerten die ANZAC ihre Angriffe an allen Brennpunkten. Diesmal setzten sie weniger auf Geschwindigkeit, als auf massive Feuerkraft. Es begann mit einem heftigen Feuerschlag. Die Haubitzen, Granatwerfer und Schiffsgeschütze schossen ihre Rohre heiß. Die Verteidiger duckten sich hinter Mauern, Barrikaden, verkrochen sich so gut es ging vor dem Beschuss. Verstärkung nach hinten zu schicken war auf keinen Fall mehr möglich. Und genau darauf hatten die ANZAC gerechnet.
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Die Kolonne, die den Ausbruch unternahm, bestand aus mehr als zwei Bataillonen. Die schweren Vickers-Maschinengewehre hatten die Soldaten zurücklassen müssen, dafür hatten sie Flammenwerfer und leichte Bren-MGs.
Ihr Einsatzbefehl war relativ simpel – Vorstoßen in das Umland von Pearl City, einen Bogen schlagen, und den Verteidigern in den Rücken fallen. Teilweise war der Vorschlag aufgekommen, gleich auf Honolulu zu marschieren. Aber das hätte immerhin mindestens vier Stunden Marsch bedeutet. Außerdem brauchten die ANZAC Pearl City als Basis – und das verlangte, das die Stadt zumindest als halbwegs gesichert gelten konnte.

Zuerst stieß die Sturmkolonne auf relativ wenig Widerstand. Sie kam problemlos durch die Vororte von Pearl City, abgesehen von sporadischem Schützenfeuer. Der Gegner hatte einfach nicht die nötigen Reserven, um mehr aufzubieten. Außerdem waren die Vororte vor allem von Mitgliedern der Mittelschicht bewohnt, darunter relativ vielen Weißen. Viele waren geflohen, oder versteckten sich in den Kellern. Widerstand wollte jedenfalls kaum jemand leisten.

Erst auf den Landstraßen und den Feldern rings um Pearl City änderte sich die Lage etwas. Zufällig stieß die ANZAC-Kolonne mit einigen LKWs zusammen, die weitere Kämpfer nach Pearl City brachten. Die schlecht bewaffneten Milizionäre und Freiwilligen hatten natürlich keine echte Chance, aber sie leisteten zumindest hinhaltenden Widerstand, und verlangsamten den Vormarsch etwas. Das wütende, etwa zwanzig Minuten dauernde Feuergefecht und die Qualmwolken der brennenden LKWs alarmierten jedenfalls auch andere Verteidiger über die Gefahr, die auf ihrer Flanke aufgetaucht war.

Die Reaktionen drauf variierten teilweise erheblich – einige der Verteidiger verloren die Nerven, warfen die Waffen weg, flüchteten völlig regellos. Wo nicht Offiziere und entschlossene Kämpfer die aufkeimende Panik unterdrückten, konnte ein einziger Mann, der zusammenbrach, eine ganze Gruppe infizieren und mit sich in die Flucht reißen. An mindestens zwei Stellen wurden Offiziere erschossen oder niedergestochen, die sich den Flüchtlingen entgegenstellen wollten. Fast ein Dutzend Männer wurde allerdings gleichzeitig bei dem Versuch niedergeknallt, mit ihrem Tod die wankenden Verteidiger wieder ‚auf Linie zu bringen’. Meistens funktionierte das auch.

Der Vormarsch der ANZAC verlangsamte sich in dem Maße, wie sich der Widerstand organisierte. Vereinzelte Scharfschützen und kleine Kampfgruppen, oft nicht mehr als ein halbes Dutzend Mann stark, nahmen die Sturmkolonne aufs Korn. Die ANZAC-Soldaten wiederum, frustriert und wütend von dem heftigen Widerstand und den unerwartet hohen Verlusten, die sie im Laufe des Tages erlitten hatten, schossen auf alles, was sich bewegte.

Ein Bewässerungsgraben stoppte den Vormarsch vorerst, gehalten von etwa zwanzig Polizisten, vierzig Kämpfern der Arbeitermiliz unter Kommando von Yamagata, und etwa dreißig Freiwilligen. Nicht alle der Verteidiger hatten Schusswaffen, und ihre Munition war knapp. Aber zumindest im Augenblick konnten sie die ANZAC aufhalten. Ein Vickers-Maschinengewehr Modell 1912 war die schwerste Waffe, über die die Verteidiger hier verfügten. Doch da der Vormarsch kurz stoppte, konnte die Meldung von dem feindlichen Umgehungsmanöver endlich weiter nach hinten gelangen. Bis zum Oberkommando der Verteidigungsstreitkräfte.

*************

Sho-sa Ishida reagierte ebenso schnell, wie entschlossen. Sofort gingen Befehle an die Bodenstreitkräfte hinaus, ALLES was noch irgendwo zu greifen war, dem Gegner entgegen zu werfen. Wenn die ANZAC ‚den Sack zumachten’, dann, fürchtete Ishida, war Pearl City so gut wie gefallen.
Alles was momentan an Flugzeugen vorhanden war, wurde in die Luft geschickt. Das schloss auch vier Jäger der Kings Black Guards mit ein. Ishida war bereit gewesen, den Piloten der VELVET so ziemlich alles zu versprechen – allerdings schloss das wohl auch ein Erschießungskommando mit ein, wenn sie auf stur geschaltet hätten. Die Autogyros der KAMIKAZE und der drei texanischen Zeppeline wurden binnen kürzester Zeit mit buchstäblich den letzten aktivierbaren Reserven voll gestopft und Richtung ‚Front’ gejagt. Geflogen wurden die Maschinen von Reservefliegern und Piloten, deren Jäger zu einem früheren Zeitpunkt der Luftkämpfe abgeschossen worden waren.

Die zusammengetrommelte Luftflotte, immerhin fast dreißig Maschinen, unterstand Tai-i Sakai. Sein Befehl war eindeutig. Die feindlichen Streitkräfte aus der Luft bombardieren, und sie zum Stehen zu bringen – koste es, was es wolle.

*************

Das Eingreifen der Luftstreitkräfte in die ‚Schlacht am Graben’ wurde von den Autogyros eingeleitet. Im Tiefflug erreichten sie das Schlachtfeld, setzten die hastig zusammengekratzten Reserven ab, die fast sofort unter Feuer gerieten. Sie kamen buchstäblich im letzten Augenblick, denn die ANZAC hatten bereits dazu angesetzt, die Verteidiger zu überflügeln. Dank der neu dazu gestoßenen Verstärkung konnte eine zusätzliche Abwehrfront aufgebaut werden, im rechten Winkel zu dem Bewässerungsgraben, der sich zum Zentrum der Schlacht entwickelte. Bis zu den Hüften knieten die Verteidiger in dem zähen Schlamm, der sich an manchen Stellen Rot färbte vom Blut der Verwundeten und Sterbenden. Inmitten des teilweise fast mannshohen Grases lieferten sich Australier, Hawaiianer und ausländische Söldner einen verbissenen Kampf ohne Pardon.

******

Steel blickte sich um, ließ seinen Blick von einer Seite des Cockpits zur anderen schweifen. Ein seltsames Lächeln verzerrte seine Lippen. Inmitten dieses Jägerpulks zu fliegen, im Wissen um die Bedeutung ihres Einsatzes, war ein fast berauschendes Gefühl.
Aber das ließ ihn nicht die Wachsamkeit vergessen. Dieser Angriff hatte das Potential dazu, von entscheidender Bedeutung zu sein. Und der Gegner musste das wissen.
„FEINDLICHE FLIEGER! AUF DREI UHR!“
Jetzt sah auch Steel die australischen Jäger, hoch oben am Himmel. Das war unangenehm, doch nicht unerwartet. Natürlich hatten sie Höhenvorteil, aber dafür waren sie zahlenmäßig unterlegen. Es waren wohl nicht einmal zwanzig. Aber sie brauchten ja nicht unbedingt zu siegen. Sie mussten die Flieger der Verteidigungsstreitkräfte nur daran hindern, ihren Angriff durchzuführen. Wenn ihnen das gelang, wenn die hawaiianischen, texanischen und japanischen Flieger zurückfliegen mussten, um aufzutanken und aufzumunitionieren, dann hatten die australischen Bodentruppen Zeit gewonnen. Mindestens eine Stunde. Und das konnte entscheidend sein.

Im nächsten Augenblick schallte Saburo Sakais befehlsgewohnte Stimme aus dem Funkgerät: „Achtung! Primärziel sind die feindlichen Bodentruppen. Unsere Befehle sind klar. Die Piloten der KAMIKAZE werden ihnen den Rücken frei halten. Alle anderen – ANGRIFF!!“
Auf den ersten Blick war das Wahnsinn. Es waren momentan nicht einmal zehn japanische Flieger in der Luft. Sie würden einer doppelt überlegenen feindlichen Streitmacht gegenüberstehen. Aber dennoch folgten die meisten der anderen Maschinen dem Befehl.
Zwei Piloten der Kings Black Guards allerdings ignorierten Sakais Anordnung. Und auch Steels Maschine kippte nicht ab zum Sturzangriff. Irgendetwas hielt ihn zurück. Vielleicht sein Gefühl für Fairness. Er hätte es ganz einfach vor sich selber nicht rechtfertigen können, wenn er jetzt dem Luftgefecht den Rücken zukehrte.
Außerdem stellte er sich sowieso lieber einem gefährlichen Gegner, als vor ihm davonzufliegen.
Saburo Sakai hatte keine Zeit mehr, auf diese Befehlsverweigerung zu reagieren. Denn im nächsten Augenblick war der Gegner schon über ihnen.

*******
Der Luftangriff der knapp zwanzig Kampfflieger kam über die vorrückenden ANZAC-Truppen wie ein Gottesgericht. Zu ihrem Glück waren sie bereits aufgefächert, teilweise in Deckung. Dennoch war es für die Männer buchstäblich die Hölle auf Erden, und viele der Soldaten sollten diese grauenerregende Erfahrung nicht überleben.
Etwa achtzig Maschinengewehre und Bordkanonen spieen Tod und Verderben, unterstützt von Dutzenden Raketen. Ein wahrer Tornado der Vernichtung wurde entfesselt, der Dutzende Menschenleben binnen Sekunden auslöschte. Die Geschossgarben schnitten durch die Reihen der ANZAC wie eine Sense durch Gras. Die Raketen explodierten in einer wahren Kette von Feuerblumen, überschütteten die feindlichen Reihen mit zahllosen scharfkantigen Schrapnellen.
Das konnte kein Mensch aushalten. Im Feuerorkan der angreifenden Maschinen, die wieder und wieder, wie stählerne Raubvögel zur Erde stießen, brach der Angriff zusammen.
An einigen Stellen nutzten die Verteidiger diese Situation für schneidige, aber völlig unkoordinierte Gegenangriffe. Dabei hatten sie allerdings Glück, wenn sie nicht in einen Tiefflugangriff der eigenen Flieger gerieten. Doch auf jeden Fall zerbrach der Vormarsch der ANZAC an dieser doppelten Belastung. Teilweise zogen sich die australischen Truppen überstürzt zurück, andere versuchten sich im Gras zu verstecken – oder aber sie eröffneten wütend das Feuer auf die über ihnen kurvenden Maschinen und die teilweise vorrückenden Verteidiger, bis sie überrannt oder zusammengeschossen wurden. Der Kampf zerfiel in zahllose Einzelgefechte und Scharmützel. Als die ANZAC zurückfluteten, hinterließen sie zahllose Tote oder Schwerverletzte.

******
Aber es war dennoch kein völlig einseitiger Kampf gewesen. Denn ein paar ANZAC-Maschinen stießen durch, und schlugen gnadenlos zu, voller rasender Wut über das Massaker an ihren Kameraden.
Happys Maschine erhielt schwere Treffer durch eine gegnerische Avenger, die ihre massive Feuerkraft voll ausspielte. Der texanische Pilot hatte keine Chance. Mit letzter Kraft riss er den Steuerknüppel zurück, warf die Cockpitkanzel ab, sprang ab.
Im nächsten Augenblick explodierte das Flugzeug. Es war nicht das einzige. Mindestens zwei Maschinen schmierten mitten im Sturzangriff ab, bohrten sich in den Boden wie Geschosse, vergrößerten so noch das Chaos am Boden. Zahllose Raketen, Flammenwerferstöße und Explosionen entzündeten das Gras, überzogen das ‚Schlachtfeld am Graben’ mit einem dicken Rauchschleier, der Soldaten und Piloten die Sicht nahm.

******
Auch über dem Rauch tobte die Schlacht weiter. Die japanischen Maschinen und ihre wenigen Verbündeten hatten sich den herabstürzenden ANZAC-Maschinen mit dem Mut der Verzweiflung gestellt. Allerdings waren die meisten japanischen Maschinen eher leichtere Kaliber, wendig, aber nicht allzu schwer bewaffnet. Das half ihnen zwar, dem Feindfeuer zu entgehen, und die ANZAC in Kurvenkämpfe zu verwickeln, aber ihnen fehlte es an Schlagkraft.
Für Steel war es ein Tanz mit dem Tod. Er war alleine, Hammer hatte er mit zum Angriff auf die Bodentruppen geschickt. Dort war eine Vampire auch nützlicher, als in diesem Hexenkessel. Er kam nicht zum Zielen, oder gar zu einem Abschuss – hier ging es nur darum, den Gegner zu beschäftigen. Und, wenn möglich, zu überleben. Mehrmals wurde seine Maschine getroffen, und nur der Nitrobooster oder ein halsbrecherisches Manöver am Rande der Belastbarkeit retten seine Maschine. Wenn eine feindliche Maschine dabei zufällig im Fadenkreuz seines Jägers auftauchte, drückte er auf die Feuerknöpfe – ohne jedoch die Wirkung der Treffer beobachten zu können.
Es gelang ihnen, fast drei Viertel der ANZAC-Flieger zu binden. Aber der Preis war hoch. Drei japanische Maschinen stürzten ab, und eine der Kings Black Guards taumelte in den schwarzen Rauch hinab, ohne dass sich ein Fallschirm öffnete.
Auf der Gegenseite verloren die ANZAC nur zwei Maschinen – bis dann die anderen Maschinen der Verteidigungsstreitkräfte in den Luftkampf eingriffen. Sie hatten ihre Aufgabe erfüllt. Die ‚Schlacht am Graben’ war entschieden.
19.06.2020 19:14 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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„Hey, Sarge, wenn Sie weiter auf dem Zeug kauen, kriegen Sie schwarze Zähne!“
„Klappe, Smith. Das gibt Haare auf der Brust. Etwas, was du nie verstehen wirst.“
Gelächter erfüllte den Raum. Hier saßen sie nun, eingepfercht seit einer knappen Woche, auf dem direkten Wege in ein Gefecht, das laut ihrer Offiziere ein Spaziergang werden sollte. Nun machten sie dumme Witze, um die verständliche Nervosität zu bekämpfen, die sie dennoch alle im Griff hatte.
Sergeant Stonefield schnitt ein Stück Kautabak ab und hielt es Private Smith hin.
„Nein, danke, Sarge. Ich mag weder Kautabak noch Haare auf der Brust!“
„Nimm mal besser den Kautabak. Du gehst dann zwar als Jungfrau über den Styx, aber wenigstens hast du mal wo rein gebissen“, rief Willinsborough und hatte das Gelächter auf seiner Seite.
„Wer geht hier als Jungfrau?“, rief Smith wutentbrannt. „Außerdem wird das doch ein Spaziergang. Hat der LT gesagt. Oder, Sarge?“
Stonefield schob sich den Streifen Kautabak selbst in den Mund, und war sich dessen bewusst, dass die Privates und Corporals wegen der unbedachten Worte von Smith und Willie an seinen Lippen hingen. Immerhin hatte er reale Kampferfahrung im Großen Krieg gemacht. Er hatte viel erlebt. Mehr als ihm lieb war.
„Ob es ein Spaziergang wird oder nicht, sollten wir hinterher klären, Smith.“
Wieder klang Gelächter auf.
„Was soll uns schon erwarten? Wir sind eine ganze Division. Wie viel kriegen die Hawaiianer auf die Reihe? Dreihundert? Mehr?“, rief jemand aus dem Raum.
„Dreihundert gegen dreitausend. Und Ihr denkt gleich, deshalb wird alles gut gehen?“ Stonefield sah streng in die Runde. „Ich will euch mal was sagen. Im Großen Krieg hatten die Froschfresser an der Grenze zu den Hunnen ein paar mächtige Festungen aufgebaut.
Deshalb sind die Hunnen auch durch Belgien durch, um sich wieder mal die Hauptstadt der Froschfresser vorzunehmen. Also verlegten die alles was laufen konnte Richtung Belgien.
Leider war das ne Finte, und die Krauts griffen bei den Forts an, mit allem was sie hatten.
Aber da waren noch Besatzungen in den Festungen, und die nahmen sich ein Herz und verteidigten die Linie, wieder und wieder, wieder und wieder. Sie starben wie die Fliegen, aber sie hielten die Hunnen auf. Und wisst ihr auch wieso sie sie aufhalten konnten? Weil sie eine Scheißangst um ihre Familien hatten. Weil sie auf ihrem eigenen Boden standen. Wären die Froschfresser bei den Hunnen einmarschiert, dann hätten sie wahrscheinlich genauso Keile gekriegt.
Meinetwegen glaubt daran, dass das ein Spaziergang wird. Aber ich haue jedem von euch meinen Spazierstock in die Rippen der glaubt er geht in Sidney über den Markt. Denn es kann ganz schnell anders aussehen.
Immerhin verteidigen diese Burschen ihre Heimat, und wenn sie das das erstmal kapieren, dann haben wir ein echtes Problem.“
„Sarge. Können wir nicht wenigstens so tun als würden wir daran glauben, dass wir nur landen um die englischen Dödel zu evakuieren?“
Wieder wurde gelacht, und der alte Mann spie einen Strahl Saft in einen Eimer.
„Meinetwegen. Aber merkt euch meine Worte. Wo scharf geschossen wird, da wird auch getroffen. Also Kopf runter, verstanden?“
„Ja, Sarge.“
„Dann ist ja gut.“
Stonefield schmunzelte, aber das war nur Fassade. Er wusste, wie so ein Kampf ausgehen konnte. Er wusste, was alles passieren konnte, wenn die Planung der hohen Herren und die Realität kollidierten. Und er wusste, dass die Partys mit den Hula-Mädchen garantiert noch nicht gesichert waren.
Er hatte Gallipolli erlebt, hatte an der Westfront gekämpft. Sich vom Private zum Sergeant hochgedient. War ausgetreten und wieder eingetreten.
Oh, er hasste es zu kämpfen. Aber in langen Jahren im Zivilleben hatte er eines gelernt. Die Welt hatte ihn zu sehr verdorben, um etwas anderes sein als ein Soldat. Und deshalb stürzte er sich mehr oder freiwillig in ein Unternehmen, das auf dem Papier wirklich gut aussah. Aber das hatten die Pläne beim Angriff auf die Türken auch.

***
James Conrad Fadden besah den sich entwickelnden Luftkampf mit gemischten Gefühlen. Wie er voraus gesehen hatte, zogen sich die Söldner und die Japaner über Land zurück und hatten dort Deckung der eigenen Flak. Fadden hätte die Flieger gerne über die Fregatten und den Zerstörer gezogen, um den gleichen Vorteil zu genießen, aber anscheinend wusste der gegnerische Commander nur zu genau, dass die Australier über Land gehen mussten, aber die Söldner nicht über das Wasser.
Gerade scherte die PADDY aus, um mit ihren vier 12er Zwillingstürmen das Land zu beschießen, Stellungen auszuheben, die seine Balmorals nicht oder noch nicht erreicht hatten und kleine Bunker zu vernichten. Der Kommodore ging kein Risiko ein. Auch wenn die Amerikaner nach der Aufgabe Hawaiis fast alles an Feuerkraft abgebaut hatten, so war das, was noch übrig war etwas, was dem Verband Verluste hinzufügen konnte. Verluste, die man vermeiden konnte, wenn man nun etwas Munition verschoss.
Fadden stimmte dem zu, nicht nur deshalb, weil die PADDY nun auch mit ihren Flakgeschützen in den Luftkampf eingreifen konnte. Das sie es nicht tat – noch nicht – lag an der Umsicht des Kommodore, der klar erkannt hatte, dass die Entfernung für sichere Schüsse noch zu hoch war. Zu leicht konnte man eigene Flieger versehentlich treffen.
Wie dem auch immer war: Ziel war es in Pearl City zu landen. War dies geschafft, war die TASMANIA im Middle Loch der Lagune von Pearl, dann stießen die schnellen Lander vor, brachten Infanterie mit Mörsern, Handgranaten und Flammenwerfern vor und etablierten die Landezone für das schwere Gerät der Division.
Die von den Schnellbooten abgesetzten Abteilungen hatten bereits Brückenköpfe etabliert, waren dort aber festgenagelt worden. Der Widerstand war bei weitem stärker als sie alle von ein paar Hawaiianischen Polizisten erwartet hatten.
Ziel war es gewesen, zumindest die Hafenmeisterei und den Kai des Middle Loch zu besetzen, aber davon waren sie noch weit entfernt.
Unwillkürlich ballte Fadden die Hände. Er hatte bereits Piloten UND einen Staffelführer verloren, und die Infanterie erreichte ihre Ziele nicht. Vielleicht war dieser Brocken etwas zu groß, um ihn zu schlucken. Vielleicht sollte er die Autorität benutzen, die General Godley ihm verliehen hatte, um dem ein Ende zu machen, bevor es wirklich gefährlich für die Expedition wurde.
„Yaeger ist soeben gelandet, Sir. Er bringt Aufnahmen von der Schlacht, die Sie sich unbedingt ansehen sollen.“
„So, sollte ich das, Eins O?“, fragte Fadden geistesabwesend. Dann aber nickte er. „Bereiten Sie alles vor. Es muss nicht gut sein, aber schnell.“ Yaeger war ein guter Mann, ein guter Offizier und ein guter Pilot. Wenn er sagte, Fadden sollte diese Aufnahmen sehen, dann hatte das seinen Grund.

Fünf Minuten später war Yaeger bereits wieder draußen, aufmunitioniert, die Mühle geflickt und der Kampfesmut ungebrochen. Fadden wollte sich für die Entscheidung, die Zeppeline über See zu belassen, nicht selbst beglückwünschen, wenngleich er bisher mit dieser Entscheidung Recht zu haben schien. Noch.
Im Moment saß er in einem abgedunkelten Raum, der verhinderte, dass das Negativ beschädigt wurde, und sah sich eine Farbenverkehrte Version des Filmes vor der Entwicklung an. Yaeger hatte ein paar sehr gute Aufnahmen der Gegner geschossen und deutlich war zu sehen, wie er sich mit seiner Devastator hinter eine Fury klemmte und einfach nicht locker ließ. Der Unterschied in der Ausbildung und Erfahrung trat hier deutlich zutage und bestätigte Fadden in seiner Meinung, dass – WAS WAR DENN DAS?
„Zurückspulen!“
„Jawohl, Sir.“
Tatsächlich, es gab keinen Zweifel. Die Fury, die sicher geglaubte Beute, machte einen wahnwitzigen Satz nach vorne, der sie aus der Reichweite des australischen Piloten brachte. Das war… Interessant. „Entwickeln Sie den Film, erstellen Sie drei Kopien und schicken Sie eine, sobald die Lage es erlaubt, per Hoplit zur PADDY.“
„Jawohl, Sir.“
Als Fadden wieder auf seiner Brücke stand, rasten seine Gedanken. Das, was er da gesehen hatte, musste ein so genannter Nitro-Booster gewesen sein. Diese Geräte, in Amerika entwickelt und selbst dort immer noch selten, mussten dem Piloten der Fury das Leben gerettet haben. Einen solchen Booster in die Hände zu bekommen würde ein interessantes Ergebnis sein. „Eins O, kommen Sie doch mal her.“
„Sir?“
„Ich will, dass Sie eine spezielle Karte erstellen mit allen Orten, an denen ein Texaner den Boden küsst. Sobald Colonel Hicks seine Leute drüben hat, will ich, dass er ein paar seiner Jungs drauf ansetzt, um die Wracks abzugrasen. Wenn es irgendwie geht und sich noch lohnt würde ich gerne wenigstens einen verdammten Motor in die Hände bekommen, besser zwei oder drei. Haben Sie verstanden?“
„Jawohl, Sir.“
Fadden verschränkte die Arme hinter dem Rücken und marschierte wieder an den Kartentisch.
Vielleicht sollte er das Ende noch etwas hinausschieben.

***
Als sich die Soldaten der Division an Deck drängten, sahen sie auf und das direkt in die Hölle. Über ihnen am Himmel erfüllten die kurbelnden Flugzeuge den Himmel, Rauch, Explosionen und Feuergarben erfüllten ihn. Dazu kam das Feuer des Zerstörers und der drei Fregatten, die versuchten, die Landung der TASMANIA zu decken, so gut sie es konnten.
Stonefield sah nach oben, sah nach unten ins Wasser und nickte zufrieden. Gut, keine Ölschicht auf dem Wasser. Wäre er der Feind gewesen, er hätte ein paar tausend Liter Flugbenzin ins Hafenwasser gekippt und hätte es angezündet, wenn die Angreifer in ihren Landungsbooten waren. Entweder waren sie nicht so grausam oder nicht so ideenreich.
Wieder bellten die Zwillingskanonen der PADDY auf, und an Land, genauer gesagt, der Hafenanlage, sackte eine Lagerhalle in sich zusammen.
„Das ist doch in Ordnung, oder, Sarge?“, fragte eine ängstliche Stimme. „Wir kommen doch an Land, oder, Sarge?“
„Natürlich kommen wir an Land. Hört nur auf den LT und auf mich, dann wird alles gut gehen. Ausrüstungscheck, sofort! Sobald wir im Middle Loch sind, kommen die Schnellboote längs und geben unseren Landern Geleit. Und wenn wir auf die Hafenanlage treten, will ich alle Waffen geladen sehen!“
„Ja, Sarge.“
Stonefield klopfte dem jungen Soldaten aufmunternd auf die Schulter und drängte sich durch die Meute der Ersten Welle bis zu seinem direkten Vorgesetzten.
„Sir, die Charly-Kompanie ist bereit.“
„Sehr schön, Sarge. Sie gehen als einer der Ersten an Land. Ich verlasse mich darauf, dass Sie Ihre Kids sicher rauf bringen. Aber seien Sie vorsichtig, auf Ihrer Flanke liegt die japanische Handelsmission. Passen Sie auf, dass sich keine Kugel dahin verirrt. Wir wollen keinen internationalen Zwischenfall auslösen.“
Mit einem breiten Grinsen deutete der Sarge nach oben, wo Flugzeuge mit der japanischen Aufgehenden Sonne gegen die ANZAC-Flieger kämpften.
„Ich weiß, ich weiß. Aber ich habe strikte Anweisung, die Handelsmission in Ruhe zu lassen. Aber wenn Sie beschossen werden, dürfen Sie zurückfeuern, Sarge.“
„Na, das ist doch mal ein Wort. Haben wir etwa mal einen vernünftigen Mann in der Kommandokette?“
„Vorsicht, Sarge, das kann Ihnen leicht als Insubordination ausgelegt werden.“
„Aber nicht doch, Captain. Mit solchen Dingen können die Kiddies spielen, um sich wie große Krieger zu fühlen. Aber doch keine alten Krieger wie wir zwei.“
Captain Kelly grinste dünn. „Hören Sie auf mir um den Bart zu gehen, Stonefield. Die paar Gefechte in Indien haben aus mir keinen Veteranen gemacht. Also behandeln Sie mich nicht so.“
„Ich sage nur wie es ist, Captain.“
„Wenn ich übermütig werde und draufgehe, sind Sie Schuld, Stonefield.“
„Damit werde ich leben müssen, Sir.“
Der Captain der Charly-Kompanie lachte amüsiert. Er mochte, schätzte und verehrte den Sergeant. Vor allem deshalb, weil er den Hang dazu hatte zu überleben. Eine Eigenschaft, die jeder ernsthafte Soldat irgendwann zu schätzen lernte.
„Wir sind gleich dran. Ich will ein zügiges Manöver, und ich will eine ordentliche Schützenreihe auf dem Kai sehen.“
„Ich gebe mein Bestes, Sir.“
„Ach, und Stonefield. Passen Sie etwas auf Ihren Lieutenant auf. Weber ist engagiert und hat Herz, aber ich weiß nicht was passiert, wenn die Kugeln um seine Ohren fliegen. Wenn es irgendwie geht, schaffen Sie ihn lebend zurück.“
„In einem Stück, Sir?“
„Nun hauen Sie schon ab, Sie alter Spötter“, tadelte der Captain grinsend.

Kaum war Stonefield wieder bei seiner Einheit, da gingen die Bootsmannspfeifen und riefen die Mannschaften zum Borden auf. Die Schnellboote kamen längsseits, ihre MGs hämmerten in die Hafenanlage und bildeten ein Schild zwischen den niedrigen Landern und dem Hafen.
„LOS! LOS! LOS!“, rief der Sergeant und trieb seine Leute über die Netze in die Boote.
„Sir, wenn Sie vorgehen möchten…“
Lieutenant Second Class Weber sah den Untergebenen für einen Moment verdutzt an. Dann nickte er, stieg linkisch über die Reling und begann das Netz hinab zu klettern.
Was für eine Gelegenheit. Die meisten Truppen waren noch an Bord, dazu das Gros der Ausrüstung. Und die TASMANIA war wie eine fette bleierne Ente im Middle Loch festgesetzt. Eine stehende Zielscheibe. Hoffentlich hielten die Marineflieger, was sie versprochen hatten. Stonefield hatte im Großen Krieg einmal einen Luftangriff erlebt und konnte den Rest seines Lebens darauf verzichten, diese Erfahrung zu erneuern.
Endlich schwang er sich selbst über die Reling und kletterte in die Tiefe.
Kaum hatte er den Boden des Bootes unter sich, gab der Kaugummikauende Bootsführer Gas.
Mit einem Affenzahn, der die Soldaten an die rauen Zeiten mit Seegang erinnerte, schoss das Boot auf die Kaianlage zu.
„Hergehört!“, rief Stonefield und war sich bewusst, dass in drei weiteren Booten gerade die gleiche Ansprache gehalten wurde. „Wir sind die rechte Flanke. Wir gehen raus, verstärken die Vorhut und rücken auf die Gebäude vor. Ziel ist es, die Hafenmeisterei zu erobern, bevor die zweite Welle ankommt, verstanden?“
„Jawohl, Sarge!“
„Ach, und noch was. Wir kommen bei den Japse vorbei. Lasst sie in Ruhe, ja? Selbst wenn sie auf euch ballern, fragt vorher mich was ihr tun sollt, kapiert?“
„Jawohl, Sarge!“
„Und wehe ihr Lausebengel hört nicht! Dann ziehe ich euch die Hosenböden stramm, versprochen!“
Grinsende Gesichter blickten ihm entgegen. „Jawohl, Sarge!“
19.06.2020 19:16 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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