The World of BattleTech
Registrierung Kalender Mitgliederliste Teammitglieder Suche Häufig gestellte Fragen Zur Startseite

The World of BattleTech » BattleTech Foren » Kurzgeschichten » [OT ]Crimson Sky: Next Chapter » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
Letzter Beitrag | Erster ungelesener Beitrag Druckvorschau | Thema zu Favoriten hinzufügen
Seiten (8): « erste ... « vorherige 3 4 [5] 6 7 nächste » ... letzte » Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Zum Ende der Seite springen [OT ]Crimson Sky: Next Chapter
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Kamehameha der Dritte sah auf die Karte, die ihre Hauptinsel darstellte, Oahu. Die Symbole der fünf großen Schiffe wurden tiefer und tiefer in die Abbildung des Lochs geschoben.
„Es ist also soweit? Sie landen?“, fragte Captain Gallagher.
Der König nickte. „Der Abzug des Dog Packs hat uns der Feuerkraft beraubt, um die ANZAC auf See zu halten. Aber das ist noch nicht schlimm. Verstärkungen sind bereits unterwegs, um die Polizeikräfte in Pearl zu unterstützen. Außerdem verlegen bereits die von mir ernannten Hilfspolizisten.“
Gallagher runzelte die Stirn. „Kann man diesem Shimada trauen?“
„Kann man einem tollwütigen Hund trauen? Ich glaube ihm nur zwei Dinge. Erstens, dass er Hawaii nicht in der Hand der Australier sehen will. Und zweitens, dass ich ihn bändigen, aber nie zähmen kann. Er wird seinen Job machen, und wenn wir alle Glück haben, wird er dabei sterben. Aber haben wir Pech, dann entsteht da draußen ein charismatischer Arbeiterführer, mit dem wir zu rechnen haben.“
Gallagher unterdrückte ein Schmunzeln. „Sie wären überzeugter mit Ihrer Horrorvorstellung, Majestät, wenn Sie Ihre Worte nicht mit solcher Begeisterung vorbringen würden. Was haben Sie geplant? Wie wollen Sie ihn verwenden? Als Druckmittel gegen den Mittelstand?“
„Ich habe vor, noch während der ersten Gefechte den Vorsitzenden der Europäischen Liga zu laden, Samuel Kreuzberger. Und ich habe vor, ihn mit Shimadas Beispiel nachhaltig zu beschämen. Vielleicht eist das ein paar der Milizen los, die uns in der Nacht solchen Ärger bereitet haben und man wirft sie ebenfalls in die Schlacht.
Und bevor Sie es aussprechen, Norah: Nein.“
„Was, nein? Ich habe doch noch gar nichts gesagt.“
„Aber Sie wollten. Sie hatten gerade vor, mir zu sagen, dass Sie Ihre Marines ausschicken, um in Pearl einzugreifen. Außerdem wollten Sie sie begleiten. Nein, Ma´am. Sie haben Ihre Befehle. Sie sichern den Palast und das Cook Air Center. Meinetwegen holen Sie Ihre Marines von der LONGHORN herüber und schicken Sie alles was Sie entbehren können, aber werden Sie Ihren Befehlen gerecht.“
„Seltsam“, erwiderte Gallagher, „gestern stand hier noch ein eigenwilliger Junge, dem ich gehorchen musste, wenn er unsinnige Risiken eingehen wollte. Heute steht hier ein Mann, dem ich gehorchen will.“
Kamehameha der Dritte wandte sich ab, damit die Anführerin der Marines nicht sah, dass er erleichtert lächelte. „Unter Stress offenbaren die Menschen ihre wahre Persönlichkeit, Norah. Und jetzt schicken Sie schon alles was Sie entbehren können nach Pearl runter. Aber nehmen Sie Hoplits von den Zigarren. Wie es scheint, sind die Straßen verstopft. Wir regeln das.“
Gallagher salutierte vor dem Mann, der König war und machte sich an, ihre Befehle auszuführen.
„Majestät, Commander Stone wurde soeben abgeschossen! Er taumelt unkontrolliert an seinem Fallschirm auf Pearl City nieder.“
„Das ist schlimm, aber noch nicht schlimm genug. Sho-sa Ishida ist ein nicht minder fähiger Mann wie Commander Stone. Befolgen Sie alle seine Anweisungen, als wären es meine.“
„Jawohl, Majestät.“
Kamehameha sah wieder auf die Karte und erschauderte. Kleine Symbole auf der Karte lagen nun auf der Kaianlage, jedes stand für eine halbe Kompanie. Und es wurden immer mehr, und sie wurden immer tiefer in die Stadt geschoben.
`Verdammt´, dachte seine Majestät, `Dave, warum ausgerechnet jetzt?´

***
„SARGE!“ Stonefield wirbelte herum, hob die doppelläufige Jagdflinte und löste eines der Hartmantelgeschosse mit Weichkopf aus. Der hawaiianische Polizist, der sich hinter das volle Ölfass geduckt hatte, wurde dennoch getroffen und zu Boden gerissen, als das Geschoss zuerst das Ölfass, danach das Öl und dann seinen Körper durchschlug. Diese Munition war dazu gedacht, Bären zu stoppen, und ließ sich nicht von ein wenig Stahl und Öl aufhalten.
Erst danach sah sich Stonefield nach dem Rufenden um.
„Himmel, was ist das denn für ne Sauerei?“ Atemlos verließ der Sergeant seine Deckung und hetzte zu dem Verwundeten, der am Boden lag. „SANI! Durchhalten, Coppersmith, durchhalten. Die Sanis sind schon auf dem Weg. Was ist überhaupt passiert?“
„Weiß nicht. Eben stand er noch hinter der Hausecke und dann klappte er zusammen wie ein Kartenhaus.“
„Wie stand er? Mit dem Gesicht zum Feind?“
„Nein, er sah zurück zu Parrish und Chandler, die gerade die Munitionskisten gebracht haben. Er…“
„SANI! Parrish hats erwischt!“
„Verdammte Scheiße. Da sitzt ein Scharfschütze und ballert auf uns. Chandler, lauf zum LT und sag ihm, dass die japanische Handelsmission uns beschießt. Wir müssen da wegrücken.“
„Ja, Sarge.“

Stonefield seufzte und drückte sich wieder an seine Ecke. Sie hatten schon ein beträchtliches Stück Weg geschafft und waren dabei, einer Hauptstraße zu folgen. Einige Gruppen waren weiter vorgedrungen als sein Platoon, aber die hinterließen auch nicht ein so sauberes Hinterland und mussten sich dann mit Scharfschützen rumärgern. Verdammt, hatte denn jeder verdammte Hawaiianer ein Gewehr oder eine Pistole zuhause?
Und warum leisteten sie einen solchen Widerstand? Warum flohen sie nicht Hals über Kopf und überließen das Schlachtfeld Idioten wie ihm, die sich hier ein wenig bei Mord und Tod amüsieren wollten?
„Geht nicht, Sir. Aus der Handelsmission sind vorhin Mörsergranaten rüber gekommen. Der LT hat vom Cap Anweisung gekriegt, die umliegenden Häuser frei zu räumen. Dann soll eine der neu kommenden Kompanien den Handelsstützpunkt überrennen.“
„Überrennen? Warum rufen wir nicht ein paar Flieger und bomben das Scheißhaus einfach platt?“
Wortlos deutete der Melder über sich, wo die ANZAC-Piloten noch immer einen schweren Stand hatten und langsam aber sicher in die Unterzahl gerieten.
„Okay, okay. Schnapp dir Corporal Ross und sag ihm, er soll seine Truppe nehmen und die Ausfallstraße im Osten verstärken. Keine Maus kommt rein oder raus. Aber er soll aus der Sicht der Mission bleiben. Wenn ne Granate von oben kommt, nützt ihm keine Deckung was.
Sobald der Ärger vorbei ist, soll er aufschließen.“
„Ja, Sarge.“
„Und wir kümmern uns jetzt endlich um diese Sperrstellung! Granaten, Männer!“
Gehorsam griffen drei der Infanteristen nach ihren Handgranaten, zündeten sie und warfen diese in Richtung Sperrstellung.
Stonefield setzte sein Gewehr an und wartete. Tatsächlich erschien kurz darauf ein Gesicht; zweifellos versuchte der hawaiianische Polizist, eine der Granaten zurück zu werfen, bevor sie explodierte. Der zweite Lauf der Jagdwaffe ruckte, und der Mann sackte mit einem hässlichen Loch im Kopf zu Boden. Kurz darauf detonierte seine Handgranate. Auch die anderen beiden Granaten taten ihr Werk.
„Vorrücken!“

Die Einheit rückte voran, und das nicht nur auf der Straße. Ein Teil der Leute ging durch die Gebäude, einige über die Dächer, wenn sie dicht genug standen. Die meisten Häuser waren leer, nur selten trafen sie auf Polizisten, und viel seltener auf Zivilisten.
Noch ignorierten die Australier die Zivilisten, solange diese nicht gerade eine Pistole in der Hand hielten; aber Stonefield sah es kommen, dass sie von den ständigen Angriffen aus allen Ecken und Winkeln irgendwann so genervt und verängstigt sein würden, dass sie jeden Hawaiianer ohne Anruf erschießen würden. Und wahrscheinlich taten sie gut daran.
„Chandler! Lauf zum LT und sag ihm, wir haben die Kreuzung genommen. Er soll uns Verstärkung nachschicken, damit wir die Straße runter gehen können.“
„Ja, Sarge.“
„Und richte dich nicht auf, wenn du über die Barrikaden gehst!“
„Ja, Sarge!“
Stonefield sah dem Jungen nach und stellte zufrieden fest, dass der Junge sein Wort hielt.
Die Verstärkungen, die aber Minuten später eintrafen, waren nicht so vorsichtig. Mehrere enterten die Barrikaden zugleich, und dazu auch noch aufrecht erhobenen Hauptes. Dies war der Moment, in dem eine Maschinenpistole stotternd Tod und Verderben über die Männer spie. Drei oder vier fielen hinten über, einer landete vorne und starrte wie irre schreiend auf seine fehlenden Finger.
„Da oben!“, rief jemand, hob eine der neuen Waffen, die Bazooka, und feuerte das Geschoss in das erste Stockwerk eines Geschäftsgebäudes.
„Nicht! Die Dinger sind für Panzerfahrzeuge gedacht!“, blaffte der Sergeant, aber da war das Malheur schon angerichtet. Die Granate explodierte im ersten Stock, die Fenster wölbten sich unter dem Explosionsdruck nach außen, und Stonefield war sich sicher, dass der Schütze tot sein musste, wenn er nicht vorher stiften gegangen war.
„Für Panzerfahrzeuge, verdammt! Für Panzerfahrzeuge! War das ein Panzerfahrzeug?“
„Sarge, die Dinger eignen sich super, um die Heckenschützen auszutreiben. Die Schlitzies haben sowieso keine Panzerfahrzeuge, geschweige denn Panzer. Warum also nicht die Bazooka da nehmen wo es praktisch ist?“
Stonefield schnappte sich den Mann, schlug ihm nachdrücklich und hart auf die Schulter und riss ihn am Kragen zu sich heran. „Smithers, dies ist das erste und letzte Mal, dass ich das sage. Noch ein Widerwort und ich erschieße dich dabei, wie du gerade desertierst. Hast du das verstanden? Und jetzt spar dir die Munition für wichtigere Dinge! Gefressen?“
„Ja, Sarge“, murmelte der Mann kleinlaut.
„Aber Sarge, die anderen Platoons machen es doch genauso mit ihren Bazookas.“
„Wenn alle anderen sich eine Zielscheibe auf den Arsch malen und der PADDY hinhalten, machst du das dann auch? Ruhe in der Reihe! Wir gehen weiter vor!“
Stonefield schüttelte verständnislos den Kopf. Wenn das so weiterging, gab es keine Munition für die Bazookas mehr, bevor sie über die Stadtmitte hinaus waren.
„Sarge, Cellerfield und Leluc vom der Hotel-Kompanie. Wir sollen uns bei Ihnen melden.“
Stonefield sah die zwei an. Einer trug den gefürchteten Flammenwerfer, der andere Mann hatte eines der transportablen Funkgeräte dabei.
Flammenwerfer brachten keine guten Erinnerungen. Beim Anblick dieser Dinger erschienen traumatische Bilder in seinem Geist. Die wabernden grünen Chlorgasschwaden über der Erde und in den Gräben, die ewige Angst, die eigene Maske könne undicht sein. Das Entsetzen, wie die ewig hustenden und auf Raten sterbenden Lungenverletzten zu enden.
Und dann die Feuer und Tod speienden Dämonen, die aus den Schwaden hervor kamen, ihre Feuerzungen in die Gräben sprühten und gleich Dutzende Männer wie lodernde Fackeln aufleuchten ließen.
„Sie sind Cellerfield?“
Der Mann mit dem Flammenwerfer nickte. „Sie gehen zum Cap. Ich kann Sie hier nicht gebrauchen. Smith bringt sie rüber. Leluc, Sie bleiben bei mir. Und damit meine ich, einen halben Meter hinter meinem Arsch, als hätten Sie Gefallen dran gefunden. Kapiert?“
„Ja, Sarge.“
„Gut. Ausführung. Smith, bring den Flammenwerfer zum Cap.“
Stonefield sah Cellerfield und Smith nach. Sie liefen geduckt die Häuserzeile entlang nach Westen, wo sich Captain Kelly und der Rest der Charly-Kompanie auf einer Hauptstraße voran arbeiteten. Deutlich hörte er die Signalpfeife des Caps singen, und kurz darauf sah er ihn schon, wie er, unverwundbar und sicher, mitten auf der Straße entlang ging, während seine Soldaten an den Rändern entlang schlichen.
Kurz entsponn sich ein Disput zwischen Smith und ihm, dann wurde Cellerfield vorgeschickt und Smith kehrte zurück.
Der Private ließ sich zwischen Leluc und den Sarge fallen und sagte: „Sieht ganz gut für uns aus, Sarge. Wir rücken langsamer vor als geplant. Aber Colonel Hicks hat sagen lassen, es sei alles noch im Rahmen.“
„Hm. Wenn der Colonel das sagt, dann ist ja alles gut“, brummte Stonefield.
„Sarge, ich habe das HQ dran. Wir sollen den Kopf unten halten, weil die PADDY und die TASMANIA ein paar Salven rüberschicken. Sie haben es auf die Japse abgesehen.“
„Endlich tut mal einer was gegen das Nest“, brummte der Sergeant, konnte sich aber eines gewissen Erschauerns nicht erwehren, als er daran dachte, was passierte, wenn die mittelschweren Kanonen die Handelsmission auseinander nahmen.
„Da ist noch was. Sie laden gerade die Fahrzeuge aus. Damit kommen wir ruckzuck nach Pearl City rein.“
„Und da beginnt die richtige Scheiße erst.“
Lauter Lärm, schlimmer als er bisher schon war, ließ die Soldaten zusammenzucken oder aufsehen, je nach Gemüt.
„Das ist die Handelsmission“, stellte jemand fest und Stonefield stimmte zu. Hoffentlich ging es schnell für die armen Teufel.
„Auf, auf, weiter geht’s!“

***
Kamehameha der Dritte benutzte diesen Raum, das so genannte Staatsbüro nur äußerst selten. Seinen Schreibkram erledigte er in der kleinen Bibliothek neben dem CIC. Aber ab und an war der monströse Raum einfach…nötig.
„Herein“, sagte der König automatisch auf das klopfen hin.
„Eure Majestät, Mr. Kreuzberger ist nun da.“
„Na endlich“, brummte der König, gerade laut genug damit der Vorsitzende der Europäischen Liga ihn hören konnte.
Natürlich hatte Kreuzberger die Vorkommnisse der Nacht, vor allem aber seine Ansprache, nicht unbeantwortet gelassen. Es waren nur kleine, subtile Sticheleien, aber alle waren darauf abgezielt, dem jungen König seine Grenzen aufzuzeigen. Eine dieser Sticheleien war die Verspätung des Europäers. Er hatte seine Majestät geschlagene dreißig Minuten warten lassen.
Im Gegenzug ließ Kamehameha ihn nun eine satte Minute schmoren, bevor er die erlösenden Worte sprach: „Ich lasse bitten.“
Kurz darauf kam Kreuzberger herein, ein kleiner, dicker Mann mit Nickelbrille und zweireihigem Anzug. Ihm gehörten zwei Brauereien und eine recht große Farm für Zuckerrohr da draußen und es hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass seine persönliche Miliz letzte Nacht nicht nur seine Häuser verteidigt hatte.
„Guten Morgen, Majestät. Ein schöner Tag ist das heute, und dann passiert so eine hässliche Sache.“
Kamehameha erhob sich, setzte ein freundliches, aber irgendwie auch besorgtes Lächeln auf, und deutete auf den freien Sessel vor dem gigantischen Schreibtisch. „Samuel. Es freut mich, dass Sie Zeit für mich gefunden haben. Bitte, setzen Sie sich.“
Kreuzberger gab dem König die Hand und ließ sich dann in den Sessel fallen, der ihm von Captain Gallagher mit unbewegter Miene zurecht gerückt wurde.
Danach trat die Texanerin neben den Schreibtisch und legte beide Hände auf den Rücken. Aber jedem Menschen mit einem Funken Beobachtungsgabe musste auffallen, dass ihre Pistolentasche geöffnet war.
„Was diese unsägliche Situation angeht, Majestät, so kann ich Euch im Namen der Europäischen Liga versichern, dass…“
„Aber, aber, mein lieber Samuel. Ich habe Sie zu mir gebeten, um mit Ihnen eines meiner Themen zu besprechen. Wenn Sie danach noch Zeit haben, höre ich mir gerne an, was meine hawaiianischen Untertanen europäischer Herkunft und die europäischen Investoren zu sagen haben.“
Kreuzbergers Gesicht überzog sich mit leichter Röte, aber Kamehameha ließ ihm keine Zeit, um sich von diesem Affront dem Älteren gegenüber zu erholen.
„Samuel, wir befinden uns in einer schwierigen Lage. Ich meine wir alle, egal ob wir polynesischer, japanischer oder europäischer Herkunft sind. Es ist offensichtlich, dass die Australier unsere wunderschöne Insel erobern wollen. Und wir haben eben nicht viel mehr zu unserer Verteidigung als die texanischen Truppen, das zwangsverpflichtete japanische Luftschiff, vierhundert eilig zusammen gezogene Grenzschutzpolizisten und etwas über dreihundert Freiwillige unter Shimada-san.“
Kamehameha seufzte lang und tief. Er unterschlug natürlich ein paar Dinge, wie die Luftüberlegenheit der Verteidiger und das Potential der Arbeiterbewegung, weitere Kräfte auszuheben, geschweige denn von den anderen Inseln Polizisten kommen zu lassen – was die Hoplits der Polizei gerade tatsächlich auch taten.
„Aber die ANZAC sind bereits gelandet. Unter einem sehr fadenscheinigen Grund, und nachdem eine hawaiianische Patrouillenmaschine entführt und zu einem Angriff auf die australisch-neuseeländischen Piloten verwendet wurde.
Sehen Sie, ich zweifle nicht daran, dass wir ein Patt erreichen. Und ich sehe auch die Möglichkeit, dass wir siegen werden. Immerhin ist dies unsere Heimatinsel und wir kennen das Gelände.
Aber als treu sorgender Herrscher muss ich mich um jeden Aspekt meiner Arbeit kümmern und für alle Eventualitäten vorbeugen.“
Wieder atmete der König heftig aus. „Verdammt, Samuel, ich sehe doch genau, in welcher Zwickmühle die Europäische Liga steckt! Wenn sie mir hilft und die ANZAC gewinnt, dann hat jedes einzelne Mitglied große Chancen als Kollaborateur festgesetzt und erschossen zu werden.“
Kreuzberger zuckte bei diesen Worten zusammen, was Gallagher mit einem leicht verzogenen linken Mundwinkel kommentierte.
„Helft ihr mir aber nicht und wir werfen die ANZAC unter großen eigenen Verlusten ins Meer, dann wird euch von den eigenen Leuten vorgeworfen, ihr wärt nicht patriotisch genug, ja, die ANZAC wäre euch lieber gewesen als der rechtmäßige König.“
„Es ist schrecklich, Majestät“, kommentierte Kreuzberger, den dieser Gedanke ebenfalls entsetzte. Im Geiste sah er wohl schon Arbeiteraufstände auf allen acht Inseln entstehen.
„Jedenfalls, ich habe Sie heute gerufen, Samuel, um Sie von diesen beiden Damokles-Schwertern zu befreien. Hiermit gebe ich Ihnen Anweisungen, Ihre Werkstruppen aus allen Kampfhandlungen heraus zu halten. Sollten die ANZAC gewinnen, wovor Gott uns behüten will, dann sind Sie und die Europäische Liga auf der sicheren Seite.
Und für den Fall, dass wir gewinnen, werde ich den Befehl schriftlich ausstellen und vervielfältigen lassen. Jedes Mitglied des Europäischen Rates kann sich damit auf mich als Herrscher berufen. Ich hoffe, das nimmt Ihnen etwas von der Unsicherheit, in der wir alle schweben, Samuel.“
Der dicke kleine Mann sah den König von Hawaii aus großen Augen an. Er zwinkerte, nahm seine Nickelbrille ab, hauchte auf die Gläser und begann sie zu putzen. „Wissen Sie, Majestät, es gibt noch eine Möglichkeit. Es kann, wie Sie selbst sagen, passieren, dass wir die ANZAC zurück ins Meer treiben und die Europäische Liga dafür Ausrüstung und Werksschutz – wenn sich dieser freiwillig meldet – zur Verfügung stellt. Ich denke, dies ist nicht die Zeit, um einfach still da zu sitzen und den großzügigen Freibrief anzusehen, den Ihr ausstellen wollt, Majestät. Danke dafür, aber ich lehne ab.
Ich werde mich im Rat dafür stark machen, dass auch die anderen Mitglieder zumindest mit Material helfen, so gut es geht. Versprechen kann ich Euch nichts, Majestät, wir sind ein urdemokratisches System. Aber auf mich könnt Ihr euch verlassen! Ich tue was in meiner Macht steht. Ich kann in zwei Stunden ein Feldlazarett in der Nähe von Pearl errichten, fünftausend Liter Trinkwasser bereitstellen und acht Großküchen mit der Kapazität von je fünfzig Mann verlegt haben. Und außerdem will ich sehen, was ich noch für Euch – für Hawaii – tun kann.“
Dem kleinen Mann glühten die Wangen, als er aufsprang. „Ich werde mich sofort an die Arbeit machen.“
„Moment, Moment, mein lieber Samuel, Ihr Eifer in allen Ehren, aber mein Angebot gilt dennoch für jedes einzelne Mitglied der Europäischen Liga. Bitte erwähnen Sie das, wenn Sie mit Ihren Kollegen sprechen. Immerhin ist der Rat, wie Sie so schön sagen, ein urdemokratisches Gebilde.“
„Natürlich. Natürlich, Majestät. Aber ich werde in erster Linie alles dafür tun, was Hawaii nützt. Ich hoffe, meine Kollegen sehen das ebenso. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, Majestät, ich habe viel zu tun.“
„Samuel, Sie hatten noch ein Thema mit mir zu besprechen“, erinnerte der König.
„Was? Oh, das hat sich erledigt, Majestät. Ich bin auf meinem Weg.“
Der Europäer verabschiedete sich mit einer Verbeugung und machte auf dem Absatz kehrt.

Als Gallagher und der König wieder alleine waren, musste die stattliche Texanerin an sich halten, um nicht auf den Boden zu spucken. „Wasser? Küchen? Lazarette? Gerade jetzt brauchen wir Munition und Gewehre. Und Leute, die damit umgehen können.“
„Ruhig Blut, Norah. Ich bin mir sehr sicher, dass der gute Samuel mit der festen Absicht hergekommen ist, mir die Neutralität der Europäischen Liga abzuringen.“
„Die Ihr ihm gerade geschenkt habt.“
„Richtig. Aber ich habe auch an seine patriotischen Gefühle appelliert, so klein sie auch sein mögen. Das Gespräch hätte nicht schlechter ausgehen können als mit einer Neutralität der Europäer. Jede Hilfe, die wir jetzt von dieser Seite bekommen, und sei sie noch so klein, wird uns willkommen sein. Und für frisches Wasser und eine warme Mahlzeit werden sowohl Polizisten als auch Gewerkschafter noch sehr dankbar sein. Es ist schon nach Mittag, und der Tag ist noch lang.“
„So kann man es auch sehen. Aber werden sie Truppen loseisen?“
Der König grinste. „Ich habe ihn einen Drückeberger genannt. Ich glaube nicht, dass er das auf sich sitzen lassen wird, jetzt wo er uns Hilfe zugesagt hat. Wie die anderen Mitglieder der Liga reagieren ist das Problem.“
„Vielleicht gibt es ein paar Patrioten unter ihnen.“
„Ich hoffe eher auf die, die mit einer patriotischen Großtat verschleiern wollen, dass sie eigentlich der ANZAC die Daumen drücken“, sagte Kamehameha mit spöttischer Stimme.
19.06.2020 19:18 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Himmel, Arsch und Zwirn, was ist denn hier passiert?“ rief Smith aufgeregt. Die Charly-Kompanie hatte nach der Eroberung des Hafens Ruhepause gehabt, während die zweite, dritte und vierte Welle nach Pearl City vorgestoßen waren. So weit Stonefield es wusste, erwarteten Hicks und die anderen Lamettahengste dort „Unterstützung durch die weiße Zivilbevölkerung, was eine Sicherung sowohl des Hafens als auch der Stadt Pearl sinnvoll machte, bevor man nach Honolulu vorstieß“.
Wie diese Unterstützung für die zweite, dritte und vierte Welle ausgefallen war, sah die Charly-Kompanie nun, während sie durch die Straßen Richtung Hauptkampflinie gingen.
„Hat denn noch keiner Zeit gehabt, sie weg zu räumen? Denkt denn niemand an ihre Würde?“, rief Willinsborough aufgeregt.
Stonefield konnte den Jungen verstehen. ANZAC wie Hawaiianer lagen teilweise tot nebeneinander, erstochen, erschlagen, erschossen oder verbrannt.
„Ruhe im Glied. Wir sollen zur HKL vorrücken, und das tun wir auch!“, rief der Sarge scharf.
Sein analytischer Verstand übernahm die Oberhand. Er zählte die Toten, und kam schnell auf dreißig auf beiden Seiten, wenn er die beiden vollkommen verkohlten länglichen Dinger in dem immer noch schmorenden Hauseingang als Soldaten rechnete und nicht als Zivilisten, die einem nervösen Jungen mit Flammenwerfer zu nahe gekommen waren.
„Leluc.“
„Sarge?“
„Holen Sie mir mal den Cap an die Leitung. Ich will wissen in welche Richtung wir weiter vorgehen sollen.“
„Basket three von Basket three two, bitte kommen. Sarge, ich habe den Cap dran.“
„Gib ihn mir. Sir, wir sind direkt vor der Hauptstraße. Scheint so als hätte es hier mächtig Ärger gegeben. Überall liegen noch Tote rum, unsere und ihre.“
„Habe es schon mitgekriegt. Sie gehen gerade dreihundert Meter parallel zu mir. Lieutenant Weber ist zwischen uns, Lieutenant Stanley links von mir. Wir gehen vor bis zur Barrikade, die von der dritten Welle genommen wurde. Da warten Sie auf weitere Befehle. Der LT wird mit dem Rest des Platoons zu Ihnen aufschließen, Sarge.“
„Habe verstanden. Liegt was Besonderes an? Leichen sammeln?“
„Hoffen Sie auf ne ruhige Pause, Stonefield?“, lachte der Captain über Funk. „Weber wird Ihnen alles erklären, verstanden?“
„Verstanden, Sir. Basket three two aus.“ Stonefield reichte den Hörer des Feldfunkgeräts zurück. Soweit er wusste, gab es pro Kompanie nur zwei, zudem hatten sie eine beschissene Reichweite und waren in diesem Häuserwust ständig gestört. Dass der Cap das Funkgerät ihm und nicht einem seiner LTs zugeteilt hatte, sprach Bände über seine Gedanken.
„Wir rücken bis zur nächsten Barrikade vor. Dort machen wir Pause, bis der LT aufgerückt ist. Weitersagen.“

Fünf Minuten später hatte die Truppe Gelegenheit, einen Blick in die Hölle zu werfen. Augenscheinlich hatte hier einer der Flammenwerfer gewütet. Die Barrikade brannte lichterloh. Ebenso eines der Eckgebäude, die Fenster im Ersten Stock waren allesamt rußgeschwärzte Löcher in der Wand. Außerdem lagen hier besonders viel Tote herum. Stonefield zählte fünfzig bei ihren und lediglich dreißig bei den Hawaiianern. Dieses Missverhältnis gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht.
Wenigstens begann sich die Zivilbevölkerung zu verkriechen. Der Sarge hätte wenig Freude gehabt, nach einer Lynchnummer oder einer Vergewaltigung aufzuräumen. Oder beidem.
Die Männer hatten Angst, waren müde und sahen ihre Kameraden sterben. Wer dann auch noch auf die dumme Idee kam, die Regeln zu brechen, wurde zwangsläufig bestraft. Stonefield hatte das schon zu oft gemacht. Viel zu oft. Waren Menschen so fragil?
„Schön zu sehen, dass Sie es geschafft haben, Sarge“, sagte Weber und ließ sich neben Stonefield gegen die Hauswand sinken. Nun war das Platoon auf Soll.
„Wir hatten seit dem Hafen keine Feindberührung mehr. Nicht mehr seit wir beim Sturm auf die Handelsmission der Japse ausgeholfen haben.“
„Ja, war keine schöne Sache, habe ich mir sagen lassen. Die PADDY und die TASMANIA haben ordentlich was reingerotzt, und die Schlitzaugen haben aus dem Keller weiter geschossen. Respekt. Und dabei waren das nicht einmal richtige Soldaten.“
„Heißt das, wir sollten uns mit den Japanern besser nicht anlegen?“, fragte der Sarge grinsend.
„Im Gegenteil. Ich brenne darauf, gegen sie zu kämpfen. Die Japaner sind wahrscheinlich die einzigen würdigen Gegner, die wir ANZAC-Soldaten im Pazifik finden werden. Ich habe gehört, die Überreste wurden mit dem Bajonett gestürmt, und keiner hat sich ergeben.“
„Keiner“, bestätigte Stonefield. „Wir konnten lediglich ihre Schwerverletzten auf dem Verbandsplatz und ihren Arzt einkassieren. Alles was laufen konnte und eine Waffe hielt, hat sich bis zur letzten Kugel gewehrt. Hässliche Sache, das.“
„Ja, sicherlich“, erwiderte der LT, aber seine Augen leuchteten dabei, dass sich Stonefield wieder einmal fragte, ob die Begeisterung des LTs für alle militärischen Dinge, die mit Standhaftigkeit und Selbstaufopferung zu tun hatten, nicht irgendwann in seinem Tod endeten. In seinen Augen hatten die Japaner in der Handelsmission dumm gehandelt. Spätestens nachdem die PADDY gefeuert hatte, hätten sie sich ohne Ehrverlust ergeben können. Eigentlich sogar müssen, einmal ganz davon abgesehen, dass sie keiner behelligt hätte, wenn sie überhaupt nicht angefangen hätten zu feuern.
„Sarge, ich habe einen Spezialauftrag für Sie.“ Weber zog seine Karte hervor. „Schauen Sie mal, hier knapp außerhalb von Pearl hat die Maschine von Commander Stone, dem Chef der hawaiianischen Abwehr, den Boden geküsst. Soweit ich weiß, hat sie den Bruch gut überstanden. Die vierte Welle und die erste machen sich gerade klar, um mit den Jeeps und den gepanzerten Transportern die Straße nach Honolulu anzugreifen. Danach sollen wir der zweiten, und dritten die Tür offen halten, um bis zur Hauptstadt vorzustoßen. Das wird eine Operation mit gut tausend Mann unter Waffen, Sarge.“
„Aha. Und was hat die Maschine von diesem Scheiß Texaner damit zu tun?“
„Hier kommen Sie ins Spiel. Gehen Sie mit Ihren Jungs während des Angriffs mit der Flanke mit. Die Mike-Kompanie macht hier für den Ausbruch die Flankenbewegung nach Norden. Dabei kommt sie am Wrack vorbei. Sie gehen mit, stoßen aber nur bis zur Maschine vor. Dann sichern Sie das Gelände, bis wir ein paar Monteure raus geschickt haben, die sich den Motor der Mühle angucken. Wenn es sich lohnt, bauen sie das Ding aus und Ihre Leute eskortieren das Ding bis in den Hafen zurück. Verstanden?“
„Jawohl, Sir. Und dann?“
„Dann sitzen wir bereits in Honolulu, haben Pearl City unter Kontrolle und essen Ananas. Sie müssen dann leider den Fraß von der Feldküche an Hafen fressen“, erwiderte der LT mit falschem Bedauern in der Stimme. „Aha, und was macht den Motor so besonders?“
„Haben Sie schon mal was von dem Nitro-Booster gehört?“
„Habe ich. Interessant. Die Texaner haben so ein Ding?“
„Das wollen wir herausfinden. Und wenn es geht einen mitnehmen.“ Weber klopfte Stonefield auf die Schulter. „Lassen Sie Abmarschbereitschaft herstellen. Sie gehen zur Mike-Kompanie rüber, ich schließe mich dem Cap an. Major Henderson gibt ihm über Funk gerade ein paar Anweisungen mit. Soweit ich weiß haben die Sternchen ein japanisches Lokal requiriert und trinken Sake, während sie uns übers Feld schubsen.“ Der Lieutenant lachte über seinen eigenen Scherz. „Also, wir sehen uns dann wieder, wenn Ihre Abteilung nach Honolulu nachkommt.“
Mit einem Gefühl, als hätte er Steine im Magen, sah er Weber nach. Na, das konnte ja was werden.
„Auf, auf. Wir gehen rüber zur Mike. Dort spielt für uns die Musik.“

***
„Sarge, diese Musik gefällt mir nicht!“
„Schnauze, Cellerfield. Sei lieber froh, dass die armen Teufel von der Mike noch vor uns sind. Außerdem sind wir gleich da!“
Die Soldaten der ANZAC liefen auf breiter Linie auf eine Abwehrstellung der Hawaiianer zu. Stonefield kannte diesen Anblick, und er hasste ihn. Vereinzelnd flohen die Verteidiger, aber für seinen Geschmack blieben viel zu viele in den Gräben zurück. Verdammt, der Gegner war in der Stadt schon stark, und hier draußen brachte er fast tausend Mann beinahe zum stehen?
Er tröstete sich mit dem Gedanken daran, dass er mit seinen Jungs nur bis zum Vogel kommen musste.
Dennoch, irgendwie hatte Stonefield das zwingende Gefühl, hier nicht sehr willkommen zu sein. Überhaupt ganz und gar nicht willkommen.
Deshalb registrierte er mit Erleichterung, dass die Reihe der Mike-Kompanie, die stetig auf die Abwehrlinie des Gegners zumarschierte, nun bereits die abgeschossene Fury erreicht hatte. Ab hier würde es nicht mehr lange dauern bis…
Irritiert sah der Sarge auf. Etwas im Lärm der Schlacht hatte sich verändert. Ein Geräusch, das er schon lange nicht mehr gehört hatte und…
Ja, eindeutig. Das war… „AUF DEN BODEN!“ Ein verfluchter Luftangriff! So klangen die Flugzeuge, die sich bisher über ihnen gegenseitig beharkt hatten nur, wenn sie auf den Boden zustürzten, um Tod und Vernichtung über sie zu bringen.
Stonefield stürzte der Länge nach hin, sah suchend nach oben. Gleich zwei Flieger, eine Vampire und eine Brigand, jagten schräg auf sie zu, schossen ihre Kanonen und MGs ab und zogen anschließend wieder hoch.
Doch das Donnerwetter hatte nicht seinem kleinen Halbzug gegolten, sondern der Mike-Kompanie. Die Salven waren natürlich nicht direkt durch ihre Reihen gepflügt. Dafür war ein Schützenrudel zu weit auseinander gezogen. Aber was sie getroffen hatten, würde sich zeitlebens daran erinnern, wenn der Mann das Pech hatte noch zu leben.
„Das sieht scheiße aus, Sarge.“
„Sprung auf, Marsch! Wir müssen zum Wrack!“
„Sarge, da sind noch mehr! Pennen denn unsere Marineflieger?“
„Die wollen nichts von uns. Die gehen beim 1. Bataillon spielen! Lauf weiter, Leluc!“
„Aber DER will was von uns! Flieger auf drei Uhr!“
„DECKUNG!“ In Anbetracht ihrer Lage wurde selbst ein Busch zu einem willkommenen Sichtschutz. Selbst eine Grasbewachsene Bodenmulde hatte nun ihren Reiz.
Die Brigand, vielleicht die gleiche wie zuvor, schoss über sie hinweg, feuerte aus allen Rohren und zog dann wieder hoch.
„Meldung über Verletzungen an mich!“
„Keine Verletzungen hier!“
„Hier auch nicht!“
„Wir sind okay, Sarge. Scheint so als könnten diese Fliegeridioten nicht zielen, oder?“
Stonefield lachte rau. „Leluc, zu mir. Hörer her. Big Basket von Basket three two, Big Basket von Basket three two.“
„Hier Big Basket.“
„Big Basket, das Geschenk brennt gerade lichterloh. Einer der Luftangriffe hat den Motor hochgejagt. Und wie es aussieht, gehen auch die Tanks bald hoch. Die Flügel dampfen gerade so schön, da ist bestimmt ne Magnesiumladung drin.“
„Basket three two, können Sie die Stellung halten, bis wir Techniker bei Ihnen haben?“
Stonefield hob kurz den Kopf. Über dem Lärm des Schlachtfeldes hing das singen der Offizierspfeifen, die ihre Leute zurück riefen.
„Während eines allgemeinen Rückzuges, Sir?“
„Ja oder nein, Basket three two?“
„Negativ, Big Basket. Hawaiianische Kräfte stoßen in den leeren Raum nach.“
„Okay, Basket three two. Es ist wirklich nichts zu retten?“
„Was haben Sie gesagt, Big Basket? Wegen der Explosion der Tanks habe ich Sie nicht genau verstanden!“
„Schon gut, Basket three two. Ziehen Sie sich geordnet zurück und schließen Sie sich wieder Basket three an.“
„Verstanden, Big Basket. Basket three two Ende.“
Stonefield sah in die Runde. „Wir ziehen uns zurück. Geordnet, klar? Wenn ich einen laufen sehe, brate ich seine Eier auf Toast!“ So viel zu der Idee, einen der Nitro-Booster zu bergen.
Kurz sah der Sergeant über die Ebene hinweg. Ein Luftangriff sah immer schlimmer aus als er dann im Nachhinein war, aber die verdammten Texaner hatten sie wirklich übel erwischt. Vor allem aber hatten sie gerade tausend Mann zum Rückzug gezwungen.
Hicks mussten die Eier gerade jetzt mächtig auf Grundeis gehen. Eigentlich blieb ihm für einen schnellen Vorstoß auf Honolulu nun nur noch ein Nachtangriff. Und die Hoffnung, dass die Verteidiger nicht auch nachts flogen. „Abmarsch!“
19.06.2020 19:21 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die vier Anwesenden im Büro waren so hochkarätig wie es die Lage nur erlauben konnte.
Namentlich waren dies Captain James Conrad Fadden von der SIDNEY, Commander Colin Willinsborough von der JAMES COOK, Captain Jebediah Carlisle, Kapitän der PADDY und Commodore Aaron Scott, der offizielle Geschwaderkommandeur.
Die vier Männer trafen sich im Admiralsbüro von Scott an Bord der PADDY, während die Infanterie-Division an Land und Faddens Flieger in der Luft ums Überleben kämpften.
„Hier sind die letzten Verlustzahlen nach dem Ausbruchsversuch“, sagte Scott und schob den beiden Marinefliegern zwei mit Schreibmaschine getippte Zettel herüber.
Beide nahmen die Papierdokumente zur Hand. Willinsborough wurde blass, während Fadden erstaunt auf pfiff. „Junge, Junge.“
„Ich glaube, das trifft den Kern nicht ganz, Jim“, sagte Carlisle ernst. „Hicks wird da hinten massakriert, solange die Texaner die Lufthoheit haben. Der Verlust ihres Commanders hat sie nicht entscheidend geschwächt. Wer immer die Nummer zwei ist, versteht sein Geschäft.“
„So sehe ich das auch. Sind die Zahlen amtlich?“
„Einhundert Tote, dazu die gleiche Anzahl Vermisster. Die meisten liegen irgendwo in der Stadt oder auf dem Feld. Zusammen mit den gut zweihundert am Hafen und in der Stadt Gefallenen und den achtzig zum Teil schwer Verwundeten haben wir bereits über ein Fünftel unserer Streitmacht verloren“, brummte Scott knatschig. „Bei King und Vaterland, dies ist ein Desaster.“ Müde rieb sich der Commodore die Schläfen. „Himmel, hier auf See können wir uns so lange halten wie wir wollen. Aber in der Luft und auf dem Festland geht uns bald die Puste aus.“
„Sir, ich bin sicher, dass unsere zahlenmäßige Überlegenheit und die bessere Ausrüstung letztendlich die Einnahme von Honolulu erzwingen wird“, sagte Fadden fest. „Aber wir werden horrende Verluste haben, und das hilft uns nicht in unserem Plan. Außerdem haben wir alles erfahren, was wir wissen wollten.“
„Richtig, Jim. Teil zwei unserer Mission war es, uns auf Oahu einzuigeln, bis der unvermeidbare Gegenschlag einer anderen Großmacht erfolgt, und dabei auszuhalten, bis uns Commonwealth-Truppen entsetzen können. Aber wenn wir die Hälfte unserer Infanteristen verlieren, dann sehe ich dafür schwarz. Einmal ganz davon abgesehen, dass der Rest übel verprügelt sein wird.“
„Vielleicht hätten sie uns Panzer mitgeben sollen. Der Renault FT-17, den wir von den Franzosen eingekauft haben, hätte im Stadtkampf mit der MG-Bewaffnung sicherlich einen Vorteil gebracht“, warf Carlisle ein.
„Hätte, würde, könnte. Wir haben die Franz-Wannen nun mal nicht, und Hicks sieht nicht, dass er einen Phyrrus-Sieg einfährt. Niemand hätte gedacht, dass sich die Hawaiianer so verzweifelt, und vor allem so erfolgreich wehren würden“, wandte Willinsborough ein.
„Natürlich wehren sie sich erfolgreich“, sagte Fadden ernst. „Immerhin verteidigen sie ihr Heim und ihre Familien.“
„Aber generell sind wir uns einig, dass es so nicht weitergehen kann.“ Scott sah in die Runde.
Die Männer nickten einer nach dem anderen.
„Soweit so gut. Aber wir können nicht einfach den Rückzug befehlen. Erstens wäre das fataler für unsere Truppen als die ohnehin schon großen Verluste. Zweitens wären dann etliche Soldaten und Piloten umsonst gefallen. Und drittens geht es mir gegen den Strich, mich ohne Niederlage zurückzuziehen“, sagte Scott.
Fadden lachte laut auf. „Das erinnert mich an etwas. Im Großen Krieg, nachdem der Tank die Kriegslage massiv verändert hat, haben Achse und Alliierte einen Waffenstillstand ausgehandelt. Begleitet wurde dieser mit massiven Desertationen auf beiden Seiten. Die Soldaten waren nach vier Jahren Grabenkrieg einfach müde und wollten nach Hause.
Aber die Krauts behaupten seither immer wieder, sie wären auf dem Schlachtfeld ungeschlagen gewesen. Zum Glück haben die Franzmänner und unsere werten Dienstherren den Krauts diesen Glauben gelassen und sich mit hohen Reparationszahlungen begnügt. Es soll den Krauts recht gut getan haben.“
„Gut genug um einen Verrückten wie diesen Hitler an die Macht zu bringen und das Heer erneut aufzubauen. Gott, würde dieser Mann nicht so unendlich viel Energie darauf verschwenden, die Iron Route von Norwegen über die Nordsee nach England zu belagern, dann würde dieser größenwahnsinnige Gefreite den nächsten Großen Krieg anzetteln.“ Der Commodore schüttelte den Kopf. „Ohne den Kaiser und Hindenburg, die ihn zurückhalten, wäre vielleicht schon offener Krieg mit den Froschfressern ausgebrochen.
Und was, mein lieber Jim, hat es mit unserer Situation zu tun, dass die Krauts sich einreden, ungeschlagen vom Feld gegangen zu sein?“
James Conrad Fadden grinste schief. „Nun. Noch können wir auch ungeschlagen vom Feld gehen.“
„Mit Schimpf und Schande ins Meer gejagt trifft es eher“, warf der Neuseeländer ein.
„Nein. Ich spreche hier von einem Waffenstillstand und einem geordneten Rückzug. Ein Rückzug, der es uns erlaubt, unser Material, unsere Verwundeten und unsere Toten zu bergen.“
„Ich fühle mich nicht befugt, so etwas zu befehlen, solange Hicks noch kämpft“, brummte Scott ernst.
„General Godley hat mir den Auftrag gegeben, die Sache zu beenden, bevor ein zweites Gallipolli draus wird“, erinnerte Fadden die anderen vier Männer. „Und dies wird nur deshalb kein zweites Gallipolli, weil wir hier lediglich mit dem Stamm einer Division angreifen.“
„Entschuldigen Sie, wenn ich nun etwas selbstsüchtig werde, aber ich habe weder Lust auf das Kriegsgericht noch auf etwas so harmloses wie eine Degradierung!“, warf Carlisle wütend ein. „Vor allem lasse ich mir nicht Feigheit vor dem Feind vorwerfen!“
„Wollen Sie lieber da rausgehen und auf dem Feld der Ehre sterben?“
Der Kapitän der PADDY straffte sich. „Sir, wenn Sie damit sagen wollen, dass mein persönlicher Mut und meine Liebe für unser Vaterland nicht stark genug sind, dann…“
„Beruhigen Sie sich wieder, Jeb. Sie sind als Skipper der PADDY wesentlich nützlicher als mit dem Karabiner in der Hand auf dem Schlachtfeld. Ich kann Ihre Sorgen übrigens verstehen. Auch ich habe keine Lust auf einen Eintrag in meine Dienstakte oder den Verlust meines Kommandos.“
„Ich glaube, keiner will sein Kommando verlieren. Aber wir wollen auch unsere Jungs nicht mehr sterben sehen.“ Der Commodore sah Fadden zwingend an. „Aber Sie haben eine Idee, oder?“
„Ja. Einer muss den Anfang machen. Einer muss den Rückzug befehlen. Und einer muss die Schuld auf sich nehmen. Einer spielt den Sündenbock und wäscht alle anderen rein. Wie einst Pilatus mit dem Wasserbad waschen die anderen ihre Hände in Unschuld, während unser Sündenbock ans Kreuz genagelt wird.“
„Und wer soll den Sündenbock spielen?“
Fadden lächelte schief. „Was hat Hicks als nächstes vor, Sir?“
Scott runzelte die Stirn. „Warum fragen Sie? Er wird einen Durchbruch bei Nacht versuchen.“
„Sehen Sie, da haben wir unseren Sündenbock.“
„Sie wollen HICKS…“ Carlisle fuhr aus seinem Stuhl auf, setzte sich aber zögernd wieder. „Natürlich. Er hat die meisten Verluste. In Pearl City wird immer noch gekämpft, obwohl er zahlenmäßig überlegen ist. Der Durchbruch ist spektakulär gescheitert. Und der Durchbruch bei Nacht wird ebenfalls abgeschlagen werden. Wie ich hörte fliegen die Texaner auch nachts. Und Hicks weiß das.“
„Natürlich. Aber er wird es dennoch versuchen. Und wenn diese Attacke so blutig abgeschlagen wird wie die, die im Geschützfeuer der Bordkanonen der texanischen und japanischen Flieger unterging, haben wir unseren Grund. Sie, Sir, müssen Hicks dann wegen taktischer Fehler seines Kommandos entheben. Danach müssen Sie einen Waffenstillstand empfehlen. Ich bin sicher, dass Kamehameha der Dritte froh genug sein wird, uns los zu sein und keine weiteren Zugeständnisse außer unserem Abzug haben will.“
„Das ist eine Flucht auf der ganzen Linie.“
„Ich bin noch nicht fertig, Colin. Jedenfalls war das noch nicht alles. Wir wollen natürlich ein wenig mehr. Verlangen Sie von seiner Majestät, Kommunikation zu den Europäern auf der Insel zu erhalten, um sich von ihrer Unversehrtheit zu überzeugen. Wir schieben alles andere auf den Angriff des Hawaiianers auf meine Flugzeuge und sagen, unsere eilig angeworbenen Hilfstruppen hätten falsche Befehle gehabt. Dann trennen wir uns im Einvernehmen mit einem blauen Auge. Aber wenigstens sterben nicht noch weitere zweitausend ANZAC-Soldaten.“
„Und was ist, wenn Hicks wider Erwarten der Durchbruch gelingt?“
„Dann haben wir unseren Phyrrus-Sieg“, erwiderte Fadden niedergeschlagen.
„Nanu? Sie schlagen nicht vor, den Hawaiianern was zu stecken?“
„Colin, sie müssten Narren sein, wenn sie sich nicht denken können, was Hicks als Nächstes vorhat. Wir können nur hoffen, dass der Angriff nicht zu blutig wird. Dies ist der Fehler an dem wir den Colonel aufknüpfen werden.“
Eisiges Schweigen antwortete dem Australier. Schließlich nickte einer nach dem anderen. In diesen Sekunden war über die gesamte weitere Karriere eines Offiziers entschieden worden.

542
19.06.2020 19:23 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Als Dave Stone aus seinem Dämmerschlaf erwachte, fühlte er sich wie gerädert. Zudem wusste er nicht, wo er war. Oder wie er hier her gekommen war. Seine letzte Erinnerung war etwas heißes, scharfes, dass in gestreift hatte. Er stöhnte leise, als eine unbedachte Bewegung die Luft aus seinen Lungen trieb.
„Er wacht auf“, klang eine Frauenstimme auf. „Sag Mama Bescheid. Aber diskret.“
Ein Gesicht tauchte vor seinen kaum einen Schlitz weit geöffneten Augen auf, unheimlich groß, mächtig und…hübsch.
„Commander Stone, können Sie mich verstehen?“
Zögerlich zwinkerte der deutsche Pilot.
„Wir haben Sie draußen aus einem Baum gepflückt, nachdem Sie mit dem Fallschirm abgesprungen sind. Commander, erkennen Sie mich?“
„Kiki…“, hauchte Stone und versuchte die bleierne Müdigkeit zu vertreiben. „Ist…?“
„Ja, wir haben Sie ins Dragon&Sword gebracht. Wir mussten Ihnen was zum schlafen geben, als die ANZAC kamen, damit Sie sich nicht selbst verraten konnten.“ Die junge Japanerin strich sich eine Strähne ihres langen schwarzen Haars aus dem Gesicht. „Colonel Hicks und sein Stab haben sich hier eingenistet. Wir wussten zuerst nicht, ob sie auch das Haus von Mama in Beschlag nehmen, deshalb dachten wir, es wäre besser, wenn Sie leise bleiben.“
„Ist… in…Ord…“, brachte der Commander der Texaner mühsam hervor.
„Commander, wir geben Ihnen nun etwas, um Sie wieder klar zu kriegen. Die Betäubung würde auch so in ein paar Stunden abklingen, aber Sakai-san besteht darauf, dass Sie wieder zu sich kommen.“
„Sakai…San?“
„Tai-i Sakai Saburo, zu Ihren Diensten, Commander“, erklang die spöttische Stimme des Japaners. Sein Gesicht erschien vor Dave, ebenfalls riesig groß und zudem mit einem untypischen Grinsen verziert. Irritiert nahm der Kaperkapitän zur Kenntnis, dass der drahtige Japaner den linken Arm in einer Schlinge trug. „Ihr…Arm?“
„Nur ein kleiner Unfall beim Aussteigen, Commander. Speiche ist gebrochen. Mit ein paar Wochen Ruhe ist der Arm bald wieder wie neu.“
„Wie geht es ihm?“, klang die Stimme von Frau Yamamoto von der Tür her auf.
„Er ist wach, aber immer noch benommen.“
„Gut. Ich habe hier das Mittel. Du musst es intramuskulär in den Bizeps injizieren. Intravenös wäre zu stark und könnte dazu führen, dass der Commander die Kontrolle über seinen Körper verliert. Und ein lautes Poltern kann uns verraten.“
Frau Yamamoto beugte sich über Dave. „Commander, wir haben gerade den Stab der ANZAC zu Gast. Sie sind kurz nach Ihnen gekommen und wir hatten keine Gelegenheit mehr, Sie fort zu schaffen. Und noch lassen sie mein Haus in Ruhe, aber…“
Dave angelte mit einer ungelenken Bewegung nach der Hand der Japanerin. „Schon…Schon gut…Wenn es sein muss…liefern Sie…mich aus.“
„Da sind wir noch lange nicht“, erwiderte die Frau streng. „Und Sie sollten so schnell nicht aufgeben. Da draußen kämpfen immer noch Ihre Truppen, und sie brauchen ihren Anführer!“
„Sho-sa Ishida macht einen guten Job“, warf Sakai ärgerlich ein.
„Niemand macht Ihnen Ihren imperialen Kampfhund madig“, versetzte Frau Yamamoto. „Immerhin führt er, soweit ich das beurteilen kann, die Verteidiger nicht schlechter als Commander Stone. Und seine Majestät schenkt ihm das gleiche Vertrauen wie Stone-sama. Aber Sie kennen doch selbst den Unterschied zwischen der Nummer eins und der Nummer zwei.“
„Schon gut“, erwiderte Sakai barsch. „Ich bin nicht zum Streiten hier.“
Dave angelte nach der Hand des japanischen Piloten. „Sakai-san…Was machen Sie hier?“
Saburo Sakai lächelte dünn. „Es läuft ganz gut für uns. Die Australier haben den Hafen und ein paar Vororte erobert, aber Pearl City gehört ihnen noch lange nicht. Und ihr Ausbruchsversuch scheiterte im Feuer unserer Flugzeuge. Leider habe ich einen Moment nicht aufgepasst, und der gegnerische Staffelkapitän hat mich zu Boden geschickt. Der Wind trieb mich dann rüber in die Innenstadt, und Frau Yamamoto hat mich dann freundlicherweise aufgenommen, bevor die Australier mich erwischt haben.“
„Achtung, Commander, das wird jetzt kurz wehtun“, meldete sich Kiki erneut und zog eine Spritze auf. „Zehn Milliliter?“
„Das wird reichen. Commander, Sie werden sich gleich sehr schwer fühlen. Bleiben Sie nach der Spritze noch fünf Minuten liegen, bevor Sie versuchen sich aufzurichten. Ein Metallsplitter hat Sie an der rechten Schläfe gestreift und dort eine blutige Schmarre gerissen. Wir sind uns eigentlich ziemlich sicher, dass Sie keine Gehirnerschütterung haben, aber…“ Die Dame lächelte viel sagend, und Dave erwiderte das Lächeln, so gut er es konnte.
„Verstehe.“
„So, schon vorbei. Sie sind ja ein großer Junge. Haben nicht mal die Miene verzogen.“ Kiki tätschelte seine Wange. „So mag die Mami das.“
„Sehr witzig“, brummte Dave zur Antwort. Er hatte überhaupt nicht mitgekriegt, dass die junge Japanerin die Spritze angesetzt und injiziert hatte.
Übergangslos ging es ihm besser, wenngleich die Schwere eintrat, die Frau Yamamoto prophezeit hatte.
„Ich danke Ihnen, Yamamoto-san“, sagte Sakai. „Sobald der Commander ganz klar ist und sobald wir sicher sind, dass er ansonsten körperlich unversehrt ist, werden wir Sie verlassen, bevor die ANZAC uns doch noch entdecken und Ihnen einen Strick draus drehen.“
„Ach, wie rücksichtsvoll von Ihnen“, erwiderte die Japanerin mit spöttischem Ton. „Seien Sie vorsichtig. Einer meiner Jungen bringt Sie durch die Hintergärten bis an den Stadtrand. Von dort müssen Sie es alleine bis zur Linie schaffen.“
„Versteht sich von selbst, Madame. Sie waren dem Commander und mir sehr hilfreich. Wir beide werden das nicht vergessen.“
„Nun werden Sie nicht sentimental. Das steht einem imperialen Kriegstreiber überhaupt nicht“, erwiderte sie mit übertriebenem Pathos. „Commander, ich verlasse Sie jetzt. Ich muss mich um Colonel Hicks und seine Leute kümmern. Makiko, kümmere dich bitte um die beiden Gentlemen.“ Frau Yamamoto verneigte sich kurz vor den beiden Männern, dann verließ sie das Zimmer wieder.
„Mann, Mann, Mann, dass ausgerechnet Mama mal einen von euch Eisenfressern als Gentleman bezeichnen würde, hätte ich nie gedacht.“ Kumpelhaft klopfte Kiki dem Piloten auf die Schulter. „Scheint so als hätten Sie bei Mama einen Stein im Brett.“
„Ich gehe mir gleich was dafür kaufen. Commander, wie sieht es aus?“
„Es geht mir schon besser.“ Trotz der Warnung richtete sich Dave auf und wurde wider Erwarten nicht durch ein Schwindelgefühl bestraft. „Das Zeug ist richtig gut.“
„Noch nicht aufsetzen. Sie haben doch gehört, was Mama gesagt hat. Vertrauen Sie ihr. Sie ist ausgebildete Krankenschwester.“
„Es geht aber wirklich. Sakai-san, haben wir Waffen?“
„Ich habe Ihre Luger sichergestellt. Dazu haben wir meine Glock. Jede hat zwei Reservemagazine.“
„Handgranaten, Gewehre und dergleichen?“
„Wenn Sie was von diesem Zeug haben wollen, müssen wir es uns von der ANZAC holen, Commander.“
„Nicht hier drin. Draußen vielleicht. Dazu ein paar Uniformen und…“
„Für Sie mag das passen. Aber mir wird man den Australier nicht abnehmen. Einmal abgesehen davon, dass ich nicht als Spion erschossen werden möchte, sondern als Bushi des Kaisers.“
„Akzeptiert. Außerdem müssten wir dann unsere Klamotten mitschleppen und vor den eigenen Linien wechseln. Das könnte lächerlich wirken.“

„Makiko!“ Eine junge Frau stürmte herein. „Colonel Hicks sucht dich. Er hat dich in Mamas Haus gehen sehen und kommt gleich rüber!“
Kiki sprang entsetzt auf. „Sie müssen sofort weg!“
„Nein, dafür reicht die Zeit nicht mehr!“ Die junge Frau, die sie gewarnt hatte, krallte ihre Fingernägel in die Matten auf dem Boden und riss sie hoch. Darunter offenbarte sich eine Bodenklappe. „Schnell, Tai-i, Commander. Hier rein!“
Die beiden Piloten verloren nicht viele Worte und schlüpften in das entstandene Loch. Über ihnen wurde die Klappe wieder aufgelegt. Leises Rascheln verriet, dass die Matte wieder an ihrem Platz landete.
Atemlos lauschten die beiden Männer in die Stille.

„Angel, wo sagtest du, finde ich…Oh, da bist du, Kiki.“
„Colonel. Was verschafft mir die Ehre, dass Sie nach mir suchen? Angel, du kannst gehen.“
„Was denn, was denn, hat der Colonel keine Lust auf einen schönen Dreier?“
Eine markante männliche Stimme räusperte sich vernehmlich, und das andere Mädchen verschwand mit einem Kichern auf dem Gang.
„Nanu? Hast du geschlafen? Habe ich dich gestört?“
„Natürlich haben Sie nicht gestört, Colonel. Für Sie habe ich immer Zeit.“
Unwillkürlich ballte Dave die Hände. Irgendwie gefiel ihm überhaupt nicht, was er zu hören bekam. Und er hatte eine Ahnung, wohin das führen würde.
„Kommen Sie, setzen Sie sich, Colonel. Was kann ich für Sie tun, Sir?“
„Es ist so, Kiki, dass du…Du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich meine, da draußen sterben meine Jungs beim Versuch Hawaii aus den Klauen der korrupten japanischen Arbeiterbanden zu retten, aber ich denke nur an dich.“
Dave musste an sich halten, um nicht laut aufzulachen. Eine derart plumpe Anmache hatte er schon lange nicht mehr gehört. Gleichzeitig aber blieb ihm dieses Lachen im Halse stecken. Verdammt! Kiki! Das ging in eine Richtung, die ihm beinahe körperliche Schmerzen bereitete. Zu genau erinnerte er sich daran, was beinahe aus seiner kleinen Schwester Maxine geworden wäre, wenn er nicht schnell genug eingegriffen hätte.
Natürlich, Dave wusste, dass Kiki längst eine „Professionelle“ war. Aber es gab solche und solche, und Kiki hatte nie den Eindruck auf ihn gemacht, dass sie ihr Gewerbe gerne unter Zwang ausübte, oder Madame Yamamoto dies von ihr verlangte.
Nun aber wurde sie gezwungen. Und wegen ihm und Sakai konnte sie den australischen Anführer nicht einfach abwehren.
Sakais Rechte krallte sich in Daves Hand und der Deutsche ließ leise zischend die wütend angestaute Luft entweichen. Danach ging es ihm besser.
„Was war das?“
„Das kam sicherlich aus dem Garten, Colonel. Sie denken also nur an mich? Kann es ein schöneres Kompliment für eine Frau geben?“
„Kiki, ich will dich!“
Bettwäsche raschelte und bewies, dass der Offizier nach seinem Entschluss nicht lange mit weiteren Maßnahmen zögerte. Leises Schmatzen berichtete den unfreiwilligen Lauschern von aufgeregten Küssen, und die mit heiserer Stimme vorgetragenen Liebesschwüre ließen Dave erbeben. Wieder raschelte etwas, diesmal Kleidung, und das Geräusch der Küsse nahm eine neue Intensität an.
Erneut krallte sich Sakais Hand in jene des Deutschen, und der war dankbar für diesen Halt. Verdammt, wenn er könnte wie er wollte, würde er Kiki diese… Arbeit ersparen! Er würde das an ihr wieder gut machen, wirklich wieder gut machen, auf irgendeine Weise. Und es tat ihm unendlich weh, dass er, um seinen eigenen Hals zu retten, gezwungen war, seine tiefsten Ideale zu verraten.
Plötzlich hörten die Geräusche auf.
„Das muss Ihnen doch nicht peinlich sein, Colonel. Sie haben so viel Stress zurzeit und so viele Ihrer Leute sind bereits gefallen, und wie ich hörte müssen Sie noch diesen schweren Nachtangriff vorbereiten. Da kann doch niemand erwarten, dass der kleine Colonel genauso stramm steht wie der große!“
Sakai atmete verblüfft aus. Auch Dave war überrascht. Was? Der Offizier hatte ihn nicht hoch gekriegt? Anders ließen sich die Worte Kikis nicht erklären.
„Ja, sicher, ich habe viel Stress zur Zeit. Und die Freiheit von ganz Hawaii hängt von mir ab.“
„Colonel, wir haben so viel Zeit füreinander, wenn Sie erst einmal gewonnen haben. Wir brauchen nicht zu hetzen. Wenn wir mehr Ruhe und mehr Zeit haben, dann werde ich Sie erst massieren, dann werden wir zusammen baden, und dann werden wir auch ein richtiges Bett haben, und nicht diesen harten Futon.“
„Ja, du hast Recht. Wir können an dieser Stelle immer noch weiter machen.“
Erneut raschelte Kleidung. Ein Gürtel klapperte, eine Männerstimme räusperte sich verlegen. „Wir holen das nach“, sagte er mit unsicherer Stimme. Nun, das klang zumindest männlicher als „wir versuchen es erneut“.
Dann ging eine Tür, und mit einem Seufzer ließ sich Kiki wieder auf den Futon sinken.

Nach einiger Zeit klang Angels Stimme wieder auf. „Na, das ging ja schnell. Die Infanterie scheint ziemlich fix zu sein, was?“
„Hat sich was. Die Truppe wollte nicht so marschieren wie der Colonel wollte.“
„Na kein Wunder. In seinem Alter passiert das schon mal. Ich stehe draußen Schmiere. Hol du mal deine Zaungäste wieder raus.“
Die Matte raschelte, dann ging die Luke auf.
Tai-i Sakai grinste über das ganze Gesicht. „Er hat ihn nicht hoch gekriegt? Mir wäre das nicht passiert.“
„Na, werden Sie mal so alt wie der gute Colonel Hicks, dann sprechen wir uns wieder“, erwiderte Kiki schmunzelnd.
Nach dem Japaner kletterte Dave hervor. „Kiki, es… Es tut mir Leid. Es tut mir so unendlich Leid.“
„Was denn, was denn? Es ist doch absolut nichts passiert, Commander.“
„Aber es hätte passieren können und…“
„Ich bin kein unschuldiges Mädchen mehr.“
Dave legte eine Hand auf die Schulter der jungen Frau. „Aber Sie hätten es für mich getan, und für Sakai-san. Um unsere Leben zu retten. Oder zumindest unsere Freiheit. Und das ist etwas, was ich niemals von dir verlangt hätte, Kiki.“
„Sie sind zu weich. Und Sie sind wirklich Kaperfahrer?“, tadelte sie.
„Es geht nicht um weich oder hart. Es geht nur um richtig oder falsch. Und das war falsch.“
„Sie kommen leider ein paar Jahre zu spät, um mich zu retten, Commander“, sagte Kiki und entzog sich Daves Hand. „Und Sie sind zu weich. Obwohl ich das an Ihnen mag.“
Dave stieß ein frustriertes Schnauben aus. „Ich verlange nicht von dir, dass du ein gutes Mädchen wirst, was immer das ist, Kiki. Ich verlange gar nichts von dir. Aber beinahe hätte ich von dir verlangt, mit einem australischen Colonel zu schlafen, um mich und Sakai-san zu retten. Und das ist falsch. Das bin nicht ich. Das wird niemals ich sein.“
„Und wenn es mein Job gewesen wäre?“
„Es war nicht dein Job.“
„Wie ich schon sagte, Sie sind zu spät dran.“
„Es ist nie zu spät und selten zu früh.“ Dave erhob sich. „Wo sind unsere Waffen, Sakai-san?“
„Ich hole sie.“
„Können Sie schießen, Sakai-san?“
„Ich denke das wird gehen.“
„Gut. Ab jetzt übernehme ich meine Aufgaben nämlich wieder selbst.“
„Was haben Sie vor, Stone-san?“
„Etwas, was ich von Anfang an hätte tun sollen! Kiki, wie viele ANZAC-Soldaten sind im Gebäude, um das Gebäude verteilt und in unmittelbarer Nähe?“
„Colonel Hicks hat drüben in der Gaststätte seinen Stab aufgebaut. Es sind mit ihm, seinem Stellvertreter und zwei Majoren noch acht weitere Mann. Zehn patrouillieren im Garten und um das Gebäude herum. Die nächste Einheit, eine Kompanie, ist zwei Häuser entfernt in einer anderen Gaststätte untergebracht. Dann folgen fünf weitere Kompanien, die unregelmäßig verteilt für Ruhe im eroberten Teil der Stadt sorgen sollen.“
„Wir haben vierhundert Mann in nächster Nähe“, zog Sakai sein Fazit.
„Und nur zwölf im Stab selbst.“
Dave nahm seine Waffen entgegen, lud sie durch und entsicherte.
„Soll ich Ihre Waffe fertig laden, Sakai-san?“
„Ich bitte darum.“
Mit wenigen Handgriffen war die europäische Markenwaffe ebenfalls feuerklar. „Ich stecke Ihnen die Reservemagazine aufrecht in die Armbinde. Sie brauchen dann nur das Magazin lösen und können das neue einstülpen. Ein leichter Schlag auf den Boden lädt sie dann durch. Sind wir soweit?“
„Sie sind ein verrückter Hund.“
„Muss ich einen dienstlichen Befehl geben, damit Sie auf der sicheren Seite sind, Sakai-san?“
„Sie sind im Moment mein Boss. Sie gehen voran, ich decke Ihren Hintern, Stone-san.“
„Dann lassen Sie uns ein paar Waffen organisieren und die Australier aufmischen.“
„Moment! Die haben Karabiner und sind viel mehr!“, protestierte Kiki.
„Und wir sind zwei Mann mit Pistolen. Ist das Leben nicht schön?“

Stone und Sakai marschierten Seite an Seite über den Laufgang, der den Garten umgab, direkt auf den nächsten ANZAC-Soldaten zu.
Er hörte die beiden kommen, aber die Situation schien ihm erhebliche Mühe zu machen. Vor allem konnte er sich nicht erklären, was ein japanischer Pilot und ein anderer in einer abgewetzten braunen Fliegerjacke ausgerechnet im Stab zu suchen hatten.
Dieses Dilemma brachte ihn dazu, sein Gewehr eher halbherzig abzunehmen. Bevor der Junge die Waffe in Anschlag bringen konnte, sah er auch schon aus nächster Nähe in die Handfeuerwaffe des Commanders. Klappernd fiel die Waffe zu Boden.
„Wollen Sie eine Handgranate, Saburo?“, fragte Dave gut gelaunt.
„Bündeln Sie sie lieber. Das gibt ein besseres Druckmittel als Sie denken.“
„Auch gut.“ Dave schulterte den Karabiner und band die Handgranaten kurz zusammen. Dann stieß er den Private mit der Waffe vor sich her. Ein anderer Posten, der im Gang vor der Küche, reagierte schneller, konnte sich aber nicht dazu durchringen zu schießen, weil der Deutsche den gefangenen Australier als Schild missbrauchte.
Sakai hatte keine Hemmungen, seinerseits zu feuern. Mit einer Schulterwunde rutschte der Mann an der Wand herab.
Mit schnellen Schritten überwanden die beiden Piloten die Schritte bis in die eigentliche Gaststätte, in der die Aktivitäten wegen dem lauten Schuss unterbrochen worden waren.
Stone stieß seinen Gefangenen in den Raum, schoss auf eine Wache, die auf ihn anlegen wollte und zog das Handgranatenbündel hervor. „Ein Schuss, und wir gehen hier alle zum Teufel!“
„Verdammt, wer sind Sie?“
„Mein Name ist Commander David Stone von den texanischen Freiwilligen, zurzeit Oberkommandierender der Hawaiianischen Verteidigungsstreitkräfte. Und Sie, meine Herren, sind meine Gefangenen!“
„Wenn Sie glauben, wir ergeben uns so leicht, dann haben Sie aber…“
Dave richtete seine Waffe auf den Mann mit den Abzeichen eines Colonels. Eindeutig Hicks. „Sir, bitte zwingen Sie mich nicht, Sie niederzuschießen.“
„Na los, machen Sie doch. Wie viele Leute haben Sie? Zwei? Draußen um die Ecke sind gleich achtzig! Sie kommen hier nicht mehr lebend raus.“
„Vielleicht will ich das ja. Wenn ich den Stab töte, dann verliert die ganze Division ihr Gehirn.“
Sakai hüstelte leise.
„Wenn WIR den ganzen Stab töten“, korrigierte sich Dave grinsend. „Ein Colonel, ein Lieutenant Colonel, zwei Majore, ein Captain, das wird die Operation nicht verkraften.“
Hicks wurde puterrot. „Töten Sie mich ruhig! Töten Sie die anderen! Aber das ist noch lange nicht das Ende! Meine Männer sind hervorragend trainiert! Die Feldkommandeure werden übernehmen und die Sache zu Ende bringen! Ihre Überreste aber wird man an einen Flaggenmast hängen, wenn meine Männer mit Ihnen fertig sind! Ich werde die Ehre der ANZAC nicht beschmutzen, indem ich vor einem dahergelaufenen Söldner und einem Schlitzauge kapituliere!“
Dave feuerte, und der Colonel zuckte zusammen. Verblüfft sah er zwischen seine Beine, wo die Kugel ihn am rechten Schenkel gestreift hatte.
„Oh, das tut mir Leid. Beinahe hätte ich ja Ihr bestes Stück getroffen. Wo es sich doch so angestrengt hat.“
„Wie meinen Sie das?“, schrie der Colonel außer sich.
Dave winkte den Mann näher zu sich heran. „Ich war im Zimmer“, flüsterte er. „Ich und Sakai-san, als Sie sich von Kiki trösten ließen. Und ich habe gehört, dass Sie…leichte Disziplinprobleme haben. Wie wäre es, wenn ich das Ihren Männern mitteile? Sie sollten über die körperliche Leistungsfähigkeit ihres Kommandeurs doch informiert sein, oder?“
„Sie können mich nicht erpressen!“
„Also gut. Meine Herren, es ist mir eine außerordentliche Freude, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass ich Colonel Hicks vor wenigen Minuten in flagranti mit einer hübschen jungen Dame erleben durfte. Leider hat der gute Mann keinen…“
„SCHON GUT! SCHON GUT! Gehen Sie nicht ins Detail! Was wollen Sie, Stone? Eine Kapitulation kommt jedenfalls nicht in Frage!“
„Sofortiger, allgemeiner Waffenstillstand. Und sofortiger Abzug aller ANZAC-Kräfte aus Pearl City, den Vororten und dem Hafen. Außerdem Austausch aller Gefangenen und Verwundeten. Sie erhalten selbstverständlich die Erlaubnis, mit Sanitätsteams die Stadt nach Ihren Überlebenden und Gefallenen abzusuchen.“
„Ich kann das nicht entscheiden. Das liegt nicht in meiner Kompetenz!“
„Wie Sie meinen. Der Colonel war also wirklich gut bei der Sache, bei so einem hübschen Mädchen verständlich, da merken die beiden doch…“
„Ich habe verstanden! Funker, geben Sie das Signal für Feuer einstellen. Informieren Sie Commodore Scott über meine Entscheidung.“
„Waffenstillstand?“, hakte Dave nach.
„Waffenstillstand.“
„Ich habe Ihr Wort?“
„Sie haben mein Wort, Commander Stone.“
„Gut. Ihre Männer können sich jetzt um die beiden Verletzten kümmern.“
Dave sicherte seine Pistole, hielt sie aber weiterhin schussbereit.
„Wir haben Schwierigkeiten, Big Cheese und Tomahawk zu erreichen. Die anderen haben bestätigt, Colonel.“
„Schicken Sie Melder aus. Ist schon Antwort vom Commodore gekommen?“
„Noch nicht, Sir. Aber die Flieger haben Befehl bekommen, sich auf das Hafenbecken zurück zu ziehen.“
„Ich brauche dann auch ein Funkgerät.“
„Commander. Es ist eine dumme Idee, Ihre Aufmerksamkeit aufzuteilen, während nur wir zwei gegen dreizehn stehen“, wandte Sakai ernst ein.
„Ich habe das Wort des Colonels“, wandte Stone ein. Oh nein, Sakai-san, warum brachte der Japaner die Australier auf Ideen? Zuckte da nicht schon die erste Hand zu einer Waffe?
„Sie sind natürlich nicht zu zweit“, klang eine bekannte Frauenstimme hinter ihnen auf. Sekunden später gab es acht weitere Waffen im Raum, Jagdgewehre und Pistolen. Und eine Pistole ruhte in der Hand der zierlichen Frau Yamamoto. „Commander Stone, ich bin es gewohnt, unliebsame Gäste selbst raus zu werfen. Machen Sie ruhig Ihre Funkanrufe.“
„Danke, Madame Yamamoto.“

***

„Hier spricht Commander David Stone aus dem provisorischen Hauptquartier der ANZAC. Sho-sa Ishida, ich gebe Ihnen hiermit Anweisungen, sofort das Feuer einzustellen. Colonel Hicks und ich sind übereingekommen, einen sofortigen Waffenstillstand auszurufen.“
„Stone? Himmel, Dave-san, was machen Sie bei den ANZAC?“
„Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Sicherlich haben Sie gemerkt, dass die ANZAC das Feuer eingestellt hat. Außerdem müssten die Flieger gerade abziehen.“
„Sicherlich habe ich das gemerkt. Aber es kann eine Falle sein. Entschuldigen Sie, Sir, aber ich weiß nicht, was in den letzten fünf Stunden mit Ihnen passiert ist. Sie könnten gegen Ihren Willen sprechen.“
„Klinge ich denn bedroht, Isokure-san?“, erwiderte Dave schmunzelnd.
„Sie werden sicherlich verstehen, dass ich auf Nummer Sicher gehe, vor allem jetzt, wo Ihr Stellvertreter im Bach planscht.“
„Was? Steel wurde auch runter geholt?“
„Ein Angriff auf die TASMANIA. Er soll es sicher runter geschafft haben.“
„Noch ein Grund für den Waffenstillstand. Ein Hoplit der NORTH kann ihn holen fliegen, wenn die Waffen schweigen.“
„Wie ich schon sagte, ich kann Ihren Befehlen nicht gehorchen. Wären Sie japanischer Offizier, hätte ich keinerlei Bedenken. Aber auch wenn ich Ihnen glauben will, meine Vorgesetzten würden mich vierteilen und aufhängen, nicht unbedingt in der Reihenfolge.“
„Ich verstehe, Isokure-san. Sakai-san, kommen Sie doch bitte mal.“
„Hier spricht Tai-i Sakai Saburo aus dem Hauptquartier der ANZAC in Pearl City. Alle Angaben des Commanders entsprechen der vollen Wahrheit.“
„Tai-i? Auf IHREN Bericht bin ich gespannt. Also gut. Ich informiere Polizeichef Mizunami und seine Majestät über den Waffenstillstand. Sind Sie da, wo Sie sind sicher, Commander Stone und Tai-i Sakai?“
Dave sah kurz in die Runde. „So sicher wie es im Moment möglich ist. Stone Ende und aus.“

Der Commander wandte sich um und atmete erleichtert aus. „So, in diesem Moment gilt Feuer einstellen. Nun lassen Sie uns beide hoffen, dass keine Seite einen dummen Fehler macht.“
Einer Eingebung folgend trat Dave neben Frau Yamamoto und flüsterte kurz mit ihr. Die nickte mit einem dünnen Lächeln und schickte eines ihrer Mädchen nach hinten. Dann nickte sie erneut.
Dave Stone steckte seine Waffe ein. Ein erleichtertes Raunen ging durch den Raum.
Er schlenderte zu Hicks und seinen Offizieren herüber. „Danke, dass ich Ihre Funkanlage benutzen durfte, Colonel. Das hat die Sache erheblich beschleunigt. Wenn ich Sie nun bitten dürfte, Ihren Stab zusammen zu räumen.“
„Sie haben es ja eilig, uns los zu werden“, warf der Colonel missmutig ein.
„Sie ahnen ja gar nicht, wie eilig.“ Dave beugte sich vor und flüsterte, sodass nur der Ältere es hören konnte. „Ich habe gerade Kiki aus dem Haus geschickt. Sie dürfte jetzt schon fünf Straßen entfernt sein. Egal was hier passiert, sie wird genau wissen, was passiert ist. Ich gebe ihr ein ordentliches Schweigegeld, wenn die Sache ausgestanden ist, versprochen. Aber bis dahin ist sie meine Lebensversicherung. Ich hoffe, wir verstehen uns.“
Hicks hüstelte verlegen. „Ich habe Ihnen mein Wort gegeben.“
„Sie ja.“ Dave nickte in Richtung der anderen Offiziere.
Die räusperten sich nervös.
„Nachricht vom Commodore. Er bestätigt auf Ihre Verantwortung den Waffenstillstand. Und er fragt, ob Sie den Rückzug wünschen.“
„Wenn Sie einmal gestoppt haben, bleibt Ihnen nichts anderes übrig“, kommentierte Dave ernst. Er richtete sich wieder auf und ging zu Frau Yamamoto zurück, die in ihrer Armbeuge eine entsicherte italienische Pistole hielt.
„Bestätigen Sie und informieren Sie alle Einheiten. Allgemeiner Rückzug. Aber ich will einen geordneten Rückzug sehen!“

Sakai trat zu Stone herüber. „Gute Arbeit. Aber was hätten Sie gemacht, wenn sich der Colonel nicht hätte erpressen lassen?“
Der Commander grinste freudlos. „Alle erschossen.“
10.08.2020 19:10 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Ernst von Stahlheim hielt es insgeheim für eine weniger kluge Entscheidung, die drei Zeppeline zu den Hauptbasen für die Luftstreitkräfte zu machen. Es wäre vielleicht besser gewesen, einen der alten Flugplätze aus der Zeit der amerikanischen Herrschaft zu verwenden. Das Starten und Landen auf den Zeppelinen blieb immer eine kitzlige Angelegenheit – jedenfalls mehr, als auf einer normalen Landebahn.
Aber diese Bedenken kamen jetzt zu spät. Und momentan gab es ohnehin Wichtigeres.
Er musste etwas unternehmen. Jetzt. Denn vor ungefähr einer halben Stunde hatte er in seinem Funkempfänger auf einer bestimmten Frequenz ein besonderes Signal empfangen. Ein Unkundiger hätte das rhythmische Klicken vermutlich für eine atmosphärische Störung gehalten. Für Ernst von Stahlheim, Hauptmann im deutschen Abwehrdienst, war es die Aufforderung zum Handeln. Immerhin, in einer Hinsicht war der Zeitpunkt momentan nicht ganz ungünstig. Denn der Oberbefehlshaber der vereinten Vereinigungsstreitkräfte von Hawaii befand sich gerade an Bord der NORTH STAR. Diese Chance musste er nutzen.

„Sho-sa Ishida.“
Der japanische Offizier drehte sich zu Steel um und nickte leicht: „Sie wünschen?“
„Meine verbliebenen Maschinen sind startbereit.“
„Gut. Sie werden wieder ihr…Cat Pack ablösen. Der Gegner scheint endgültig den Versuch aufgegeben zu haben, die Luftüberlegenheit über Pearl City zu erringen. Die ihm verbliebenen Maschinen konzentrieren sich für den Schutz der Invasionsflotte. Wir kontrollieren den Luftraum über Pearl City. Und ich glaube nicht, dass die ANZAC nach den bereits erlittenen Verlusten noch einmal versuchen, über die Stadt hinaus vorzustoßen, oder Pearl City einzukreisen. In offenes Gelände werden sie sich vorerst nicht mehr wagen.“
„Jedenfalls nicht so lange, wie es noch hell ist.“
Ishida nickte. Er schien fast überrascht, dass auch Steel auf diese Idee gekommen war: „Ja, in der Nacht könnten sie versuchen, vorzurücken. Wir können ihnen dann wohl kaum so sehr zusetzen, wie am Tag. Die ANZAC können dann auch ihre Fregatten statt zur Luftabwehr zur Beschießung unserer Stellungen einsetzen. Außerdem, wenn wir weiter unsere Luftpräsenz aufrechterhalten wollen, dann werden unsere Piloten zu diesem Zeitpunkt sehr erschöpft sein. Die wenigsten von ihnen sind für Nachteinsätze ausgebildet. Und das gleiche gilt natürlich für die Milizionäre oder die Polizei. Reguläre Truppen sind hingegen…ausdauernder, disziplinierter. Für Nachtgefechte ausgebildet. Eine kleine, entschlossene Kommandoeinheit könnte sogar auf die Idee kommen, sich nach Honolulu einzuschleichen. Aber soviel ich weiß stehen dort noch mindestens fünf bis acht Kompanien Einwohnerwehren und Arbeitermilizen. Weitere werden formiert. Dazu die Polizei, unsere Leute in der Botschaft, und kleinere Kontingente ihrer Marines. Das müsste reichen. Außerdem habe ich auf den wichtigsten Straßen Kontrollposten aufbauen lassen.“
„Und in Pearl City?“
„Die Kämpfe gehen mit unverminderter Heftigkeit weiter. Ich bin…überrascht. Die Hawaiianer kämpfen erstaunlich gut. Sie weichen nur langsam zurück, oder leisten zumindest hinhaltenden Widerstand, auch im Rücken des Feindes. Diese Arbeitermilizen…“
Steel verzog kurz den Mund. Er war etwas weniger überrascht, denn er hatte in Spanien gekämpft. Dort hatten Arbeitermilizen unter günstigen Umständen sogar reguläre Truppen mit Artillerie und Panzerfahrzeugen aufhalten können. Im Häuserkampf waren diese Männer bestimmt nicht zu unterschätzen. Aber dass auch der Befehlshaber der Arbeitermilizen unbedingt an vorderster Front kämpfen musste, zeigte einmal mehr die Schwächen solcher Verbände. Und ihrer Kommandeure. Dieser Hiroshi Shimada war jedenfalls momentan nicht so recht auffindbar, der einzige Kontakt bestand aus sporadischen Meldeläufern. Das erschwerte eine koordinierte Abwehr – falls die extrem heterogenen, oft nur schlecht ausgebildeten Kampfverbände der Verteidiger, mit ihren unzureichenden Kommunikationsmitteln und an zahllosen ‚Fronten’ und Brennpunkten kämpfend, überhaupt zu so etwas fähig gewesen wären.
„Sie fürchten, wir werden sie dennoch nicht aufhalten können?“
Ishidas Stimme klang ruhig: „Unsere Verbände halten sich besser, als ich es erwartet habe. Aber das kann so nicht ewig weitergehen. Trotz allem rückt der Gegner vor. Sie kontrollieren bereits mehr als die Hälfte der Stadt – mehr oder weniger. Bis zum Abend werden sie sicher versuchen, die bereits erzielten Erfolge weiter auszubauen. Und irreguläre Verbände wie die Milizen…haben einen Bruchpunkt. Wenn dieser erreicht ist, dann ist es aus. Und hat der Feind erst einmal Pearl City fest in der Hand, zumal wenn er in der Nacht aus der Stadt auszubrechen vermag, dann wird es schwierig für uns werden.“
„Und was wollen Sie in dem Fall tun?“
Eigentlich hätte sich von Stahlheim diese Frage sparen können. Die Antwort konnte ihn nicht wirklich überraschen: „Meine Aufgabe ist es, Hawaii gegen die Invasoren zu verteidigen. Oder bei dem Versuch zu sterben. Dazu gibt es keine Alternative.“ Gerade weil dies so ruhig, und ohne jedes Pathos vorgetragen wurde, klang es umso entschlossener.
„Ich hätte vielleicht eine Idee, die den Angriffsgeist des Gegners nachhaltig dämpfen könnte. Die Invasion steht auf einer sehr schmalen Basis. Vier leichte Kriegsschiffe, ein paar Hilfseinheiten, und nur ein einziger Truppentransporter. Das heißt, der Feind ist sehr verwundbar. Und sie müssen das wissen. Nicht nur die Offiziere, sondern auch die einfachen Soldaten. Was wäre, wenn ihr einziger Transporter beschädigt, oder gar versenkt würde? Was für eine Auswirkung hätte das wohl auf die Moral?“
„Eine…beachtliche. Aber vergessen Sie nicht, zur Not kann der Gegner auch ganz einfach ein paar der im Hafen liegenden Frachter beschlagnahmen.“
„Nach meinem Wissen sind etliche davon bereits versenkt worden. Und sie sagten selbst, die moralischen Auswirkungen wären beachtlich. Zudem ist die TASMANIA auch ihre einzige Nachschubsquelle für Munition, Waffen…“
„Ich verstehe. Was schlagen Sie vor?“
„Lassen Sie mich einen Luftangriff fliegen. Unsere Maschinen können auch mit Bomben bestückt werden. Ein einziger Treffer einer 1000-Pfund-Bombe…“
„Aber nachdem auch Sakai abgeschossen wurde – und wir ihn noch immer nicht haben finden können – sind wir momentan sehr knapp an Führungsoffizieren. Weitere Verluste an Staffelführern kann ich mir nicht unbegrenzt leisten.“
„Sie haben immer noch die Offiziere der LONGHORN und der SHOOTIST. Und der Feind hat noch höhere Verluste erlitten, als wir. Ich glaube nicht, dass die ANZAC noch einen Großangriff versuchen. Nach der Schlacht am Graben scheinen sie fürs erste genug zu haben.“ Bei dem Luftkampf über dem Schlachtfeld war Saburo Sakai abgeschossen worden. Zwar hatte er aussteigen können, aber der Wind hatte seinen Fallschirm mitten in die umkämpfte Stadt geweht. Seitdem fehlte von dem japanischen Staffelführer jede Spur.
„Das mag sein, aber auch nur vielleicht. Gut möglich, dass sie noch einmal alles auf eine Karte setzen wollen. Ich würde das vielleicht tun. Und deshalb haben wir nicht genug Flugzeuge, um sie bei einem derartigen Einsatz riskieren zu können. Über ihrer eigenen Flotte haben die ANZAC immer noch die Luftüberlegenheit. Und zudem würden sich sämtliche Luftabwehrgeschütze auf uns konzentrieren. Das Risiko, dass wir dabei unverhältnismäßige Verluste erleiden, ist zu hoch. Ich brauche die Maschinen vielleicht noch.“
Steel biss die Zähne zusammen. Er brauchte diesen Auftrag: „Ich rede nicht von einem Großangriff. Ich rede von ein bis drei Flugzeugen, die fast auf Seehöhe an den Feind rangehen, die zuschlagen und wieder verschwunden sind, bevor der Gegner etwas bemerkt.“
„Oder die abgefangen und dann vernichtet werden. Wenn der Gegner Sie frühzeitig bemerkt, haben Sie keine Chance.“
Ernst von Stahlheim sah den japanischen Offizier direkt an. Er sprach jetzt als Offizier der Luftwaffe, und als Agent der Abwehr. Nicht als Piratenflieger aus den Industriels: „Sie sind nicht der einzige, für den Rückzug oder Kapitulation keine Option sind. Und Sterben muss ein jeder von uns eines Tages.“
Sho-sa Ishida hätte beinahe gelächelt. Stattdessen aber nickte er nur knapp: „Ich…erkenne Ihre Einsatzbereitschaft an. Aber mehr als zwei Maschinen kann ich für diesen Sondereinsatz nicht freistellen. Und Sie werden ihre Jäger mit Raketen bestücken, nicht mit Bomben. Andernfalls wären Sie ein allzu leichtes Ziel. Raketen sind leichter einzusetzen, und für unser Ziel reicht ihre Vernichtungskraft völlig. Suchen Sie sich einen Flügelmann aus.“
„Ich will mitkommen.“
Beide Männer drehten sich zu der jungen Frau um, die sich unbemerkt genähert hatte. Von Steelheims Miene wirkte Unheil verkündend, und seine Stimme klang nicht viel freundlicher: „Hat dir eigentlich noch nie jemand gesagt, dass man fremde Gespräche nicht belauscht, Max?!“
„Na und? Ich habe immer noch die meiste Flugerfahrung in diesem Haufen! Und meine Maschine ist noch fast unbeschädigt.“
„Und was soll ich dem Commander sagen, falls er wieder auftaucht, und du zufälligerweise bei den Haien gelandet bist?!“
Max registrierte gereizt, dass Steel von ‚falls’ sprach, und blaffte nicht minder scharf zurück: „Das hat dir verdammt noch mal doch bisher kein Kopfzerbrechen bereitet! Und ich will keine Sonderbehandlung! Und ich komme mit, ob’s dir passt oder nicht!“
Auf Steels Stirn begann eine Ader zu pulsieren. Seine Stimme klang gefährlich: „Heißt dass, du würdest einen Befehl verweigern, du mickrige Indioratte?!“
„Ja! Wenn du das darfst, dann kann ich es auch.“
„Und was, wenn ich dich ganz einfach wegschließen lasse?! Von wegen, keine Sonderbehandlung! Wenn du nicht so eine halbe Portion wärst, und außerdem Marquardts Anhängsel, würde ich dir jetzt deine verdammte Fresse einschlagen!“
Jetzt schaltete sich Ishida ein: „Das hat doch keinen Sinn. Wir können uns so etwas jetzt nicht leisten. Stahl, Sie haben Ihren zweiten Piloten. Rüsten Sie jetzt ihre Maschinen aus.“
Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle Steel Protest einlegen. Aber nach seinen vorherigen Worten konnte er wohl kaum gegenüber dem Befehlshaber der Verteidigungsstreitkräfte rebellisch werden. Ein wütender Blick in Richtung Max, ein knappes ‚Zu Befehl!’ zu Ishida, und er stürmte wütend davon.
Sho-sa Ishida wandte sich zu Maxine: „Sie haben Ihren Willen bekommen. Bringen Sie mich nicht dazu, dies zu bedauern.“
10.08.2020 19:11 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die beiden Maschinen flogen dicht über den Wellen dahin. Wenn Max erwartet hatte, dass Steel sie seine Verärgerung spüren lassen würde, dann wurde sie enttäuscht. Nur seine Stimme klang vielleicht noch etwas kühler als sonst: „Zeit bis zum Ziel geschätzt, zehn Minuten.“

Steel blickte sich wachsam um. Er konnte bereits Pearl Harbor in der Ferne sehen. Über Stadt und Hafen standen Rauch- und Explosionswolken. ‚Jetzt wird’s ernst.’
„Noch tiefer, verdammt. Ich will, dass deine Maschine eine verfluchte Bugwelle zieht!“
Langsam, zäh, verrannen die Augenblicke.

Jetzt sah Steel auch die feindlichen Schiffe, und darüber die ANZAC-Flieger. Noch hatte anscheinend niemand die beiden Maschinen gesichtet, denn sie näherten sich der Invasionsflotte von See her. Darauf hatte Steel gehofft: „Wir greifen von zwei Seiten an. Ab jetzt bist du auf dich alleine gestellt.“
„Verstanden.“
‚Das hoffe ich.’ Aber Steel hielt zurück, was ihm auf der Zunge lag. Der ganze Einsatz war ein verdammtes Himmelfahrtskommando.
Ernst von Stahlheim packte den Steuerknüppel fester. Nur noch ein, zwei Minuten, und er wäre in Schussposition. Bisher hatte sie noch niemand bemerkt…
„SIE KOMMEN!“ Max Stimme überschlug sich beinahe. Und dann sah auch Steel, wie die über ihnen patrouillierenden ANZAC-Jäger zum Angriff abtauchten. Gleichzeitig erwachte die Bordflak der TASMANIA und einer der Fregatten zum Leben, schickte Leuchtspurgarben übers Wasser. Zum Glück war die leichte Flakbewaffnung der gegnerischen Schiffe eher mittelmäßig.
Steel riss den Steuerknüppel nach Links. Die Maschine legte sich beinahe auf die Seite, nur um kurz darauf wieder auf Generalkurs TASMANIA zurückzukehren. Ein hastiger Blick über die Schulter zeigte ihm eine gegnerische Defender, die zum Angriff einkurvte. Im nächsten Augenblick hätte der ANZAC-Flieger beinahe eine volle Garbe von der eigenen Bordflak kassiert – offenbar hielten die Flugabwehrschützen der TASMANIA einfach drauflos. Damit hatte Steel gerechnet.
Aber jetzt eröffnete die feindliche Defender das Feuer, ließen die auf Steels Fury zuwandernden Maschinengewehrsalven Wasserfontänen emporschießen. Steel zwang die Fury in eine scharfe Kurve, die den Gegner überraschte – offenbar hatte er damit gerechnet, dass sein Ziel weiter auf die TASMANIA zuhalten würde. Die Defender schoss an der Fury vorbei, die nun ihrerseits zum Angriff einkurvte.
‚Überraschung!’ Steel drückte auf alle Feuerknöpfe. Auf kürzeste Entfernung war die Wirkung mörderisch – vor allem die 70er MK hatte eine tödliche Durchschlagskraft, schlagkräftig unterstützt durch die zwei 40er und die zwei 30er MGs. Die Defender erhielt schwere Treffer, und versuchte sich mit einem halben Looping in Sicherheit zu bringen. Steel folgte ihr nicht, stattdessen aktivierte er den Nitrobooster und brachte seine Fury wieder auf Zielkurs. Überrascht durch den plötzlichen Geschwindigkeitsschub der Fury, verfehlte eine ANZAC-Avenger, die der Defender zu Hilfe gekommen war, die Piratenmaschine weitestgehend. Nur ein paar Treffer erschütterten Steels Flieger.
Ein Blick zurück – sowohl die Avenger, als auch die Defender hatten sich an sein Heck gehängt. Auch wenn sie in keiner optimalen Schussposition waren, feuerten sie aus allen Rohren. Und die Defender holte auf. Steel befand sich jetzt in einem unangenehmen Kreuzfeuer, denn natürlich blieb die Bordflak der TASMANIA nicht untätig. Allerdings schienen sie teilweise Schwierigkeiten zu haben, ihre Geschütze so weit herunterzukurbeln, dass sie die extrem niedrig fliegende Fury aufs Korn nehmen konnten. Auch die feindlichen Flieger schossen weniger präzise, da das Fliegen in so geringer Höhe auch für gut ausgebildete Piloten eine nicht geringe Belastung darstellte.
Dennoch, ein paar Projektile fanden ihr Ziel, rüttelten die Fury durch. Steel biss die Zähne zusammen, aktivierte noch einmal den Nitrobooster. Die Fury schien regelrecht einen Satz auf die TASMANIA zuzumachen.
Im nächsten Augenblick gellte Max Stimme aus dem Sprechfunkgerät: „STEEL! ICH KOMM’ NICHT DURCH, VERDAMMT! ICH BRAUCHE…“
„ABBRECHEN! HAU AB!“
ABER…!“
„BRICH AB, VERDAMMT!“
Steel kam nicht mehr dazu, feststellen zu können, ob Max seinem Befehl Folge leisten konnte. Er hatte genug damit zu tun, selber am Leben zu bleiben. Einmal, zweimal retteten ihm nur ein schnelles Kurvenmanöver und der Nitrooboster vor seinen Verfolgern. Immerhin blieb so die Avenger immer weiter zurück, und er kam der TASMANIA näher.
Aber das konnte so nicht ewig weitergehen. Langsam schossen sich die Flakkanoniere ein, und es war nur eine Frage der Zeit, wann weitere ANZAC-Flieger hier sein würden, und sich auch das Feuer der anderen Schiffe auf Steels Fury konzentrierte.
‚Jetzt!’
Er feuerte die Raketen in einer leichten Drehung ab. Das führte dazu, dass die Salve streute, und mindestens zwei der Flugkörper ihr Ziel verfehlten. Aber ein korrekter Zielanflug war einfach nicht mehr möglich, mit zwei feindlichen Maschinen im Nacken.
Aber auch die paar Raketen, die trafen, richteten beachtliche Schäden an. Die hochexplosiven Sprengköpfe hüllten die Aufbauten des Truppentransporters in eine ganze Kette kleiner Explosionen ein, verwüsteten das Deck, und wüteten mörderisch unter den Flugabwehrschützen. Gleichzeitig drückte Steel auf alle Feuerknöpfe, und jagte mit hämmernden Maschinenwaffen über die TASMANIA hinweg. Die Fury flog so niedrig, dass Steel die Schornsteine fast NEBEN sich sehen konnte. Die überlebenden Flakmannschaften kurbelten fieberhaft an ihren Geschützen, hatten aber Schwierigkeiten, der Maschine zu folgen.
Fast auf Seehöhe jagte die Fury davon, verfolgt von den Jägern der ANZAC und einigen hastig hinterher gesandten Flaksalven.

***
Für Max war es ein Tanz mit dem Tod gewesen. Nicht weniger als DREI feindliche Maschinen hatten sich auf ihre Maschine gestürzt. Trotz des Nitroboosters, und egal welche halsbrecherischen Manöver sie flog, an die TASMANIA kam sie einfach nicht heran. Stattdessen kassierte ihre Maschine schwere Treffer. Am Ende hatte sie tatsächlich abdrehen müssen, Richtung Pearl City, über dem inzwischen die Verteidiger Hawaiis die Luftherrschaft behaupteten. Die feindlichen Flieger verfolgten sie nicht. Entweder sie schätzten die Bedrohung durch Steels Maschine als so groß ein, dass sie sich lieber auf ihn konzentrierten – oder sie wagten es ganz einfach nicht, nach Pearl City vorzustoßen. Wie auch immer, das war Max Rettung.
Noch einmal drehte sie sich um, in der Hoffnung, Steels Maschine zu sehen, auch wenn ihr Funkgerät stumm blieb.
Beinahe wäre ihr die Kinnlade heruntergefallen. Über dem feindlichen Verband stand auf einmal eine gigantische Explosionswolke, und die Zerstörer, Fregatten, Schnell- und Landungsboote wimmelten durcheinander, wie Ameisen, deren Nest zerstört worden war.
‚Was zum…das können wir doch nicht gewesen sein?! Oder etwa…Steel?’ Aber ihr blieb keine Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Ihre zusammengeschossene Maschine musste schleunigst zurück zur NORTH STAR. Bei der Landung hätte sie beinahe einen Bruch gebaut, aber mit letzter Kraft konnte sie ihre Maschine dann doch sicher ‚an den Haken hängen’.

’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’
Ungefähr vierzig Minuten später fragte sich Max allerdings, ob sie nicht lieber hätte ‚draußen’ bleiben sollen.
Ihr Rapport für Ishiada war alles andere als erfreulich. Sie musste zugeben, dass es ihr nicht gelungen war, die TASMANIA anzugreifen. Und zu allem Überfluss konnte sie auch nicht sagen, was aus ihrem Rottenführer geworden war. Seine Maschine blieb verschwunden, und das einzige Lebenszeichen war ein verstümmelter Funkspruch, mit einer vagen Positionsangabe und der Meldung, er müsse jetzt runtergehen und notwassern.
Ishida ging nicht soweit, sie offen zu rügen. Aber sie glaubte zu wissen, was er dachte. Steel machte er natürlich keine Vorwürfe. Nicht einmal unausgesprochene. Der Deutschamerikaner hatte offenbar seine Maschine bei dem Versuch verloren, an die TASMANIA heranzukommen. Dabei war es egal, ob er Erfolg gehabt hatte oder nicht. Was zählte, war Einsatz und Opferbereitschaft.
Ishida beschränkte sich darauf, Max dazu aufzufordern, sich bereit zu halten, und fürs erste das Kommando über die Reste des Dog Pack zu übernehmen. Sie könne sich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal bewähren.
Außerdem untersagte er strickt jede Suche nach Steel. Sie könnten in der momentanen Lage keine Maschine – auch keinen Autogyro – entbehren. Steel hätte dies gewusst und bestimmt nicht gewollt, dass durch die Suche nach ihm die Abwehrstreitkräfte geschwächt würden. Damit machte sich Ishida keine Freunde. Aber er setzte sich durch.
Was blieb Max anderes übrig, als zu gehorchen? Sie konnte nur Druck machen, damit ihre Maschine so schnell wie möglich wieder einsatzbereit war. Die Techs arbeiteten wie besessen, vor allem Sam, auch wenn ihre Augen so aussahen, als hätte sie geweint. Ihre Energie hatte fast etwas…Verzweifeltes, Fieberhaftes.
Am liebsten hätte Max den Tag verflucht, da die Inseln von Hawaii vor der NORTH STAR
aufgetaucht waren…
10.08.2020 19:12 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Mittag war bereits vorbei. Nur noch wenige Stunden, und der westliche Horizont würde sich rötlich färben. Wenn es nach Kapitän Tarro Watanabe ging, so würde dies für eine ganze Anzahl Australier der letzte Sonnenuntergang ihres Lebens sein.
I-3 hatte den Großteil des Tages auf dem Grund liegend verbracht. Der Kapitän hatte absolute Ruhe befohlen. Die Stunden waren nur langsam vergangen. Die Männer lagen in ihren Kojen, zur Untätigkeit verdammt, während die Luft, die sie atmeten, immer schlechter wurde. Ihr Schicksal, und die Rolle, die I-3 bei der Abwehr der australischen Invasion spielen sollte, lagen momentan in den Händen des Funk- und Horchoffiziers und des Kapitäns.
Es war gegen frühen Mittag, als endlich der Einsatzbefehl kam, den die Männer teils ersehnt, teils befürchtet hatten. Als das Boot kurz auf Seerohrtiefe gegangen war, hatte der Funker Alarm gegeben. Die Meldungen, die das Boot über Funk empfing, ließen keinen Zweifel. Die Invasion hatte begonnen.

Kapitän Watanabe hatte kurz auftauchen lassen. Das war nicht ungefährlich, immerhin waren es bis zum Invasionsstrand gerade einmal 20 Seemeilen. Aber er war das Risiko dennoch eingegangen.
Auf keinen Fall würden sie bis zur Nacht warten, I-3 würde sofort angreifen. Und das verlangte voll aufgeladene Batterien und Sauerstofftanks, und eine Mannschaft in Bestform. Während das Boot mit langsamer Marschfahrt Richtung Hawaii vorrückte, suchten vier Matrosen mit leistungsfähigen Zeiss-Ferngläsern den Horizont ab. Die Männer hatten sich auf die Brüstung des Kommandoturms gestellt, um ein möglichst großes Sichtfeld zu haben. Die größte Gefahr für ein aufgetauchtes U-Boot stellten feindliche Flugzeuge dar.
I-3 gehörte zur Junsen-Klasse, großen Kreuzer-U-Booten, die für Langstreckenoperationen gedacht waren. Es besaß zwei Vierzehn-Zentimeter-Geschütze, vier Bug- und zwei Hecktorpedorohre, und zwanzig Torpedos. Kapitän Watanabe kannte die Stärken, und auch die Schwächen seines Schiffes. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von achtzehn Knoten konnte er den feindlichen Kriegsschiffen nicht davonlaufen. Das Boot hatte zwar mit 24.400 Seemeilen Fahrstrecke eine erstaunliche Reichweite, aber die Manövrierfähigkeit unter Wasser war begrenzt, und die Schnelltauchzeit unangenehm hoch. Immerhin, mit einer maximalen Tauchtiefe von 100 Metern konnte es in Tiefen Schutz suchen, die älteren U-Booten verwehrt geblieben waren.

Dann befahl Watanabe zu Tauchen und auf eine Tiefe von vierzig Metern zu gehen. I-3 kam unter Wasser nur langsam voran. Das war der Nachteil aller U-Boote. Die Marschgeschwindigkeit von I-3 betrug jetzt gerade noch einmal drei Knoten. Aber ein weiterer Überwassermarsch wäre Wahnsinn gewesen.
Mit jeder zurückgelegten Seemeile, und jeder quälend langsam verstrichenen Stunde stieg die Anspannung im Boot. Die Mannschaft von I-3 bestand aus erfahrenen Matrosen. Aber es war für die meisten das erste Mal, dass sie in die Schlacht fuhren. Außerdem war es etwas anderes, chinesische Nachschubsfrachter zu torpedieren. Und auch die kümmerlichen Überreste der chinesischen Marine waren kein ernstzunehmender Gegner. Die ANZAC hingegen…

Momentan war der Horcher des Bootes die einzige Verbindung zur Außenwelt. Die Präzision seiner Angaben, und die Schärfe seines Gehörs konnten über Leben und Tod der Mannschaft entscheiden. Falls der stämmige Unteroffizier sich dessen bewusst war, ließ er es sich nicht anmerken. Seine Stimme blieb leise und ausdruckslos, seine Meldungen wortkarg und knapp: „Schraubengeräusche, ganz schwach. Geschätzte Entfernung Fünftausend. Mehrere Turbinen, langsame Fahrt. Vermute Fregatten und Zerstörer. Eine Menge kleinerer Maschinen, wahrscheinlich Schnell- und Landungsboote.“
Watanabe wischte sich den Schweiß ab, der über sein Gesicht ran, und ärgerte sich gleichzeitig über diese Geste. Ein Kapitän durfte weder Schwäche, noch Anspannung zeigen. Er musste so ruhig und unerschütterlich sein wie ein Fels in der Brandung. Allerdings war er nicht der einzige, der schwitzte. Die Atmosphäre an Bord des Tauchboots war feucht und unangenehm warm, die Luft schmeckte bereits jetzt abgestanden. Mit versteinerter Miene starrte der Kapitän auf die Anzeigen, die über Geschwindigkeit, Tauchtiefe und Batteriespannung Auskunft gaben. Er stand unter Zeitdruck. Die Invasion hatte bereits am Morgen begonnen. Es kam gar nicht in Frage, bis zur Nacht zu Warten. Seine Befehle waren eindeutig. Er würde jetzt angreifen, trotz der Risiken. Wenigstens wusste er, dass er sich auf seine Torpedos verlassen konnte. Nach Watanabes Meinung waren die japanischen Torpedos die Besten der Welt.
Zäh verrannen die Minuten. An Bord herrschte gespenstische Stille. Das war nicht nur ein bloßer Reflex, denn feindliche Sonargeräte konnten im ungünstigsten Fall selbst das Klappern eines zu Boden fallenden Schraubenschlüssels hören…

Dann war der Augenblick gekommen. Watanabe unterdrückte den Wunsch, sich zu räuspern. Seine Stimme klang kratzig, aber bestimmt: „Auf Sehrohrtiefe gehen!“
„Auf Sehrohrtiefe gehen!“
„Sehrohr ausfahren!“
Mit einem leisen Surren wurde das Periskop ausgefahren. Watanabe stieß leise, unhörbar die Luft aus, und presste seine Augen gegen die Gummipolsterung der Zieloptik.
Das Bild, das sich ihm bot, entsprach seinen Erwartungen, und raubte ihm dennoch kurz den Atem. Vielleicht dreitausend Meter entfernt lag der feindliche Truppentransporter fast reglos in der nur leicht gehenden See. Selbst auf diese Entfernung wirkte die TASMANIA, ein ehemaliges Passagierfrachtschiff, riesig. Um sie herum wimmelte ein wahrer Pulk kleinerer Einheiten – Schnellboote und Landungsfähren. Da Watanabes Boot sich von See her genähert hatte, konnte er nicht erkennen, was auf der anderen Seite des Transporters geschah, aber gerade verließ ein Landungsboot den Schutz des Transporters und schob sich mit schäumender Bugwelle in Richtung Strand.
Und dann sah Watanabe die feindlichen Kriegsschiffe. Es mochten drei oder vier sein, Zerstörer oder Fregatten, die mit langsamer Fahrt auf und ab kreuzten. Die Bordgeschütze des größten Kriegschiffs waren zum Land geschwenkt, und wieder und wieder spieen die Rohre Feuer und Vernichtung. Sogar von Bord des Truppentransporters schossen zwei oder drei Geschütze in einem unregelmäßigen Takt. Die kleineren Zerstörer oder Fregatten versuchten offenbar, der Invasionsflotte einen eher fragwürdigen Flakschutz zu geben. I-3 schien gerade rechtzeitig auf Sehrohrtiefe gegangen zu sein, um Zeuge eines Luftangriffs zu werden. Leuchtspurbahnen zuckten durch die Luft, scheinbar planlos und nach allen Seiten. Es war für Kapitän Watanabe unmöglich festzustellen, welche der über den Himmel jagenden Flugzeuge die Angreifer waren, und welche zur ANZAC gehörten. Vermutlich wussten das die Flakkanoniere auch nicht so genau.
Und jenseits des Strandes brannte Pearl City. An scheinbar unzähligen Stellen stiegen der Qualm explodierender Grananten und der Rauch brennender Häuser auf. Offenbar hatten die ANZAC auch Geschütze oder schwere Mörser angelandet, denn es knallte viel zu häufig, als dass nur die Kriegsschiffe die Quelle der Explosionen sein konnten. Kein Zweifel, die Invasion war im vollen Gange. Aber ebenso konnte kein Zweifel bestehen, dass immer noch um den Hafen gekämpft wurde. Offenbar hatten die ANZAC erkennen müssen, dass diese Invasion kein Spaziergang war.
„Sehrohr ein!“ Kapitän Watanabe überlegte fieberhaft. Er würde nur EINEN Angriff fahren können, das war ihm klar. Wenn die Torpedos trafen, oder wenn sie gesichtet wurden, dann würde der Feind sofort Gegenmaßnahmen einleiten. Ein weiterer Angriff war dann schwierig, wenn nicht unmöglich. I-3 würde schon Glück haben, wenn es unversehrt davon kam. Die Gewässer waren hier unangenehm flach…Watanabe musste seine Ziele sorgfältig wählen. Er musste davon ausgehen, dass er nur eine Chance hatte.
Die Kriegsschiffe waren natürlich ein verlockendes Ziel. Aber es war immer leichter, auf ein unbewegliches Ziel zu schießen, und zweifelsohne war der Truppentransporter das Herzstück der Invasion. Selbst wenn der Großteil der Truppen bereits an Land war, an Bord der TASMANIA mussten noch viele Tonnen Ausrüstung, Munition und Waffen lagern.
Watanabes Entscheidung war gefallen: „Sehrohr raus!“ Ein schneller Blick überzeugte ihn, dass seine Entscheidung die richtige war. Seine Stimme klang hart: „Wir greifen den Transporter und eine der Fregatten an. Fächerschuss aus Rohr Eins bis Vier! Streuwinkel zwei Grad! Tiefeneinstellung zwei Meter.“
„Fächerschuss Rohr Eins bis Vier. Streuwinkel zwei, Tiefe zwei.“
„Rohr Eins bis Vier sind klar zum Unterwasserschuss!“
Watanabe atmete leicht aus. Jetzt gab es kein Zurück mehr: „Mündungsklappen öffnen.“
„Mündungsklappen offen.“
Die Zeit verlor jede Bedeutung für Kapitän Watanabe. Er hatte nur noch Augen für die Fregatte, die langsam auf den Transporter zuhielt. Gleich. Gleich…
„Rohr Ein - LOS! Rohr Zwei - LOS! Rohr Drei - LOS! Rohr Vier - LOS!“
Im Abstand weniger Sekunden verließen die vier Torpedos die Rohre. Und im gleichen Augenblick fühlte Watanabe, wie der Bug von I-3 nach oben ruckte. Durch den Ausstoß der vier schweren Torpedos war das Boot gefährlich aus dem Gleichgewicht geraten, schoben die langsam drehenden Schrauben das Unterseeboot an die Oberfläche.
„LI, Gegenfluten! Gegenfluten!“
„Boot steigt weiter! Hecklastigkeit unverändert! Bugspitze über Wasser!“
„Verdammt! Alarmtauchen! Alle Mann voraus! Auf Tiefe gehen, schnell!“

An Bord der australischen Fregatte NORFOLK glaubte der Ausguckposten seinen Augen nicht zu trauen, als er sah, wie ein einzelner Torpedo die Oberfläche durchstieß, und wenige Sekunden später der Bug eines U-Boots wie der Kopf eines gigantischen Haifischs über den Wellen auftauchte. Ein U-Boot, ein verdammtes U-Boot! Es gab wohl keinen Gegner, den die Matrosen eines Kriegsschiffes mehr fürchteten. U-Boote waren eine heimtückische Waffe, schlugen aus dem Hinterhalt zu, ohne Warnung, ohne Gnade. Die Stimme des Matrosen überschlug sich, als er seine Angst hinausbrüllte: „U-BOOT STEUERBORD! TORPEDOLAUFBAHN!“
Der Kapitän der NORFOLK reagierte erstaunlich schnell, und wie nach dem Lehrbuch zur Abwehr eines Torpedoangriffs: „BEIDE MASCHINEN VOLLE KRAFT VORRAUS! HART STEUERBORD! FLAK - ABWEHRFEUER!!““ Wenn das Manöver gelang, würde die NORFOLK dem Gegner nur den Bug, statt ihre Breitseite zuwenden, und weitaus schwerer zu treffen zu sein. Außerdem waren die Torpedos natürlich entsprechend dem ursprünglichen Kurs der NORFOLK eingestellt worden.
Die Augen von Kapitän Winters erkannten die dunklen Silhouetten von drei feindlichen Torpedos, die sich mit rasender Geschwindigkeit näherten. Da diese Torpedos keine Blasenbahnen hinterließen, waren sie nur sehr schwer auszumachen. Das hastige Feuer der leichten Bordflak zeigte keine Wirkung. Aber das war sowieso mehr eine Geste, als eine ernst gemeinte Abwehrmaßnahme.
Aber die Torpedos würden die NORFOLK verfehlen…
Kapitän Winter sah sich um, hinüber zu dem gigantischen, fast reglos im Wasser liegenden Truppentransporter, und begriff. Die Torpedos würden die NORFOLK verfehlen – und dafür die TASMANIA treffen.
Einige Sekunden schienen sich zu einer Ewigkeit zu dehnen, während vor Winters innerem Auge ein Schreckenszenario Gestalt annahm. Die Invasion hatte sich festgefahren. Ob sie das Ruder noch würden herumreißen können, war ungewiss, trotz des massiven Küstenbombardements. Wenn jetzt die TASMANIA versenkt wurde – dann MUSSTE die Invasion scheitern. Und es würde kein Schiff mehr geben, dass alle Soldaten würde aufnehmen können. Die Kriegsschiffe konnten bestenfalls ein paar hundert Männer aufnehmen, aber keinesfalls mehr. Und die Verwundeten? An Bord der TASMANIA gab es ein gut ausgerüstetes Lazarett. Aber an Bord der Kriegsschiffe…
„Hart Backbord.“ Seine Stimme war fast nur ein Flüstern, dennoch verstand ihn der Rudergänger. Und konnte nicht glauben, was er hörte: „Was? Aber Sir…“
„HART BACKBORD, VERDAMMT!“ Kapitän Winters Stimme traf den Rudergänger wie ein Peitschenschlag, ließ ihn instinktiv gehorchen. Er riss das Steuerruder herum, und sah entsetzt, wie die Fregatte ihren Kurs änderte. Genau in die Laufbahn der zwei U-Boottorpedos hinein. Die letzten Worte, die der Rudergänger bewusst wahrnahm, war die heisere, verzerrte Stimme des Kapitän: „Vater Unser, der du bist im Himmel! Geheiligt werde dein Name! DEIN REICH KOMME, DEIN WILLE GESCHEHE! WIE IM HIMMEL …“
Dann schlugen die Torpedos ein.

Kapitän Watanabe hatte vier Torpedos abgefeuert. Aber der eine war ein Oberflächenläufer geworden, und die NORFOLK hatte den anderen Torpedo, der auf sie gezielt gewesen war, ausmanövrieren können. So trafen die zwei Torpedos, die eigentlich für die TASMANIA bestimmt waren, die NORFOLK. Die Wirkung war verheerend. Schon einer der Torpedos hätte die Fregatte mit Leichtigkeit versenken oder sie schwer beschädigen können. Zwei Torpedos waren absolut tödlich. In einem Augenblick schnitt die NORFOLK noch stolz und scheinbar unbezwingbar durch die Wellen, im nächsten Augenblick wurde sie von einer gewaltigen Zwillingsexplosion förmlich in Stücke gerissen. Im Umkreis von mehreren hundert Schritten regnete es Wracktrümmer auf die Wasseroberfläche. Als die gigantischen Gischt- und Rauchschwaden der Torpedoexplosionen verflogen, war von der NORFOLK nichts geblieben, als ein zerschundener Rumpf, der sich qualmend auf die Seite legte und binnen weniger Minuten unter der Wasseroberfläche verschwunden war. Was dann noch übrig blieb, waren Trümmerstücke, an die sich überlebende Mannschaftsmitglieder klammerten. Es waren nur wenige…

An Bord von I-3 hatte keiner Zeit gehabt, auf die Laufbahn der Torpedos zu achten. Es hatte quälend lange Sekunden gedauert, bis das Boot wieder unter Wasser war – ein Glück, dass keiner der Gegner die Zeit gefunden hatte, dass Unterseeboot unter Feuer zu nehmen. Dann aber war das Boot wie ein Stein gesunken. Mit äußerster Mühe hatte der LI es bei fünfzig Metern abfangen und stabilisieren können. Noch im Abtauchen hatte Kapitän Watanabe eine 180-Grad-Wende mit Äußerster Kraft befohlen.
Sobald das Boot auf den neuen Kurs eingeschwenkt war, gab der Kapitän neue Befehle: „Beide Maschinen kleine Fahrt. Gehen Sie auf sechzig Meter, LI. Eins WO, Boot fertig machen zur Schleichfahrt.“ Die Stimme des Kapitäns klang angespannt. Jeder in der Zentrale wusste auch den Grund. Das Boot war an der Oberfläche deutlich zu sehen gewesen. Jetzt wusste der Gegner, wo er mit seiner Suche anfangen musste. Das war nicht gut, vor allem in Gewässern die kaum tiefer als achtzig Meter waren.
Im nächsten Augenblick ließ eine dumpfe, zweifache Explosion die Männer an Bord von I-3 zusammenzucken. Dann erst begriffen sie, das mussten ihre Torpedos gewesen sein, die ihr Ziel getroffen hatten. Kapitän Watanabes Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen, das er auch auf den Gesichtern der anderen Männer in der Zentrale sah. Aber es kam kein Jubel auf. Auch dann nicht, als ein dumpfes Bersten und Krachen ertönte, das jeder U-Bootfahrer kannte, der schon einmal ein Schiff versenkt hatte. ‚Dem haben wir das Genick gebrochen.’ dachte Watanabe. Jetzt würden die ANZAC auf Blut aus sein.
Nur wenige Minuten später hörte Kapitän Watanabe die Worte, die er insgeheim erwartet und gefürchtet hatte: „Zerstörergeräusche auf 160 Grad. Kommen schnell näher.“
Einige Augenblicke später ließ ein seltsames, unbekanntes Geräusch die Männer an Bord von I-3 zusammenzucken – ein helles, metallisches ‚Ping’, das immer schneller wurde, immer lauter, während der feindliche Zerstörer sich näherte.
„Was ist das, Kapitän?“ Die Stimme des Eins WO zitterte unmerklich. Watanabe musste schlucken, bevor er die Antwort gab: „Das muss das neue, englische Ortungssystem sein. ASDIC, beruht auf Ultraschall.“
„Kann es…“
Die Stimme des Horchers schnitt dem Offizier das Wort ab: „Zerstörer läuft an. WIRFT WASSERBOMBEN!“
„Beide Maschinen volle Kraft! Auf Neunzig Grad gehen! LI, runter auf siebzig Meter!“
Im nächsten Augenblick schien die Welt untergehen zu wollen. Eine gewaltige, unsichtbare Hand packte I-3 und rüttelte das untergetaucht immerhin über 2800tons verdrängende Boot wie ein Spielzeug. Kapitän Watanabe krallte die Hände um den Kartentisch, um nicht von den Beinen geschleudert zu werden. Dem Zweiten Wachoffizier erging es schlimmer, er verlor den Halt und wurde gegen die Wand geschleudert. Blut rann über sein zerschlagenes Gesicht, doch weder er, noch einer der anderen Männer in der Zentrale hatten jetzt dafür Zeit.
„Frage Peilung?“
„Zerstörer läuft ab…“ Der Horcher drehte am Schwungrad des Horchgeräts, seine Stimme überschlug sich beinahe: „Zweite Schraubengeräusche bei Zweihundert Grad! Fregatte! Wird schnell lauter!“
Kapitän Watanabe biss die Zähne zusammen: ‚Verstärkung. Diese Bastarde.’ Doch seine Stimme klang ruhig und beherrscht: „Auf Neunzig Grad gehen. Beide Maschinen kleine Fahrt.“
„Neunzig Grad liegen an. Beide Maschinen gehen kleine Fahrt voraus.“
„Frage Tiefenpeilung?“
„Achtzig Meter.“
‚Verdammt!’ Watanabe wusste, es sah nicht allzu gut aus. Ihm fehlte die Tiefe, um auszuweichen. Der Feind wusste, wo er zu suchen hatte, und wenn dieses ASDIC wirklich so gut war, wie die Engländer behaupteten…
„Fregatte läuft an! WASSERBOMBEN!“ Aber diesmal war das ‚Ping’ des ASDIC ausgeblieben, und die Bomben fielen weiter entfernt. Das Boot wurde nur leicht durchgerüttelt. ‚Offenbar hat längst nicht jedes Schiff ASDIC.’ dachte Watanabe. Das war gut.

Die gespenstische Verfolgungsjagd zog sich hin. Nach nur kurzer Zeit drehte die Fregatte ab, wohl weil sie weiter dem Invasionsverband Flakdeckung geben musste. Aber der feindliche Zerstörer blieb an I-3 dran. Das ANZAC-Kriegsschiff war schneller und wendiger als I-3. Und er konnte angreifen, während das U-Boot in dieser Tiefe keine seiner Waffen einsetzen konnte. Watanabe konnte nur versuchen, durch häufige Kurswechsel und Geschwindigkeitsänderungen den Wasserbomben zu entgehen. Zum Glück waren die meisten der Sprengkörper auf eine zu niedrige Tiefe eingestellt. Offenbar konnte das legendäre ASDIC auch nicht Alles.
Leider wusste der Feind sehr genau, was seine Beute vorhatte. Natürlich wollte Watanabe in tieferes Wasser entkommen.

Mehr als eine Stunde war vergangen, und noch immer verfolgte das unheimlich-geisterhafte Ping-Ping des ASDIC das japanische Boot. Watanabe musste nicht in die Gesichter seiner Männer blicken, um ihre Erschöpfung zu fühlen. Die Luft war stickig, das Atmen fiel schwer. Und die ständige Todesgefahr zehrte an den Nerven. Doch es gab kein Entkommen.
„Zerstörer…läuft wieder an. Peilung…“ Die Stimme des Horchers schwankte. Kapitän Watanabe schüttelte den Kopf: „Schon gut. Wir hören es auch so.
Auf Dreißig Grad drehen. Volle Kraft voraus!“
„Dreißig Grad liegen an. Beide Maschinen laufen…“
Und dann schien die Welt unterzugehen. Eine unvorstellbare Kraft erfasste das Boot und schüttelte es unbarmherzig, wie ein Haifisch, der sich in seine Beute verbissen hatte. Die dumpfen Explosionen der Wasserbomben erklangen so ohrenbetäubend nahe, dass man meinen konnte, sie würden keine zwei oder drei Schritt vom Boot entfernt erfolgen. Männer verloren den Halt, flogen durch die Zentrale, schrieen überrascht auf. Schlagartig erlosch die Beleuchtung.
Wieder und wieder rollte der Donner der explodierenden Wabos über I-3 hinweg, übertönte das helle Klirren, mit dem Armaturen zerbarsten, die entsetzten Aufschreie der Matrosen.
Kapitän Watanabe krallte seine Finger um den Kartentisch, blieb mit äußerster Anstrengung auf den Beinen. Seine Stimme schnitt durch das Chaos: „Licht, verdammt! Ich brauche Licht!“
Wie als Antwort auf sein Verlangen flammte die Notbeleuchtung auf, enthüllte die verzerrten Gesichter der Offiziere und Matrosen, die ihre letzte Stunde nahen glaubten.
„LI sofort zehn Meter runter! SOFORT!“
„Aber…“
TUN SIE ES!“
„Wassereinbruch bei Torpedoluk!“
„Wassereinbruch über Tiefenanzeige!“
„Wasser…“
„AUF DREISSIG GRAD GEHEN! BEIDE MASCHINEN AK!“
„ZERSTÖRER LÄUFT ERNEUT AN! WASSERBOMBEN!“
Eine Serie Wabos nach der anderen explodierte, und ließ dass U-Boot wie in einem Sturm auf- und abtaumeln.
„LI! NOCH TIEFER!“
„ABER WIR HABEN NICHT MAL MEHR ZEHN METER UNTER DEM KIEL!“
„NOCH TIEFER, VERDAMMT! BEIDE MASCHINEN STOPP!!“
Die nächste Wasserbombenexplosion packte das U-Boot, riss Kapitän Watanabe beinahe von den Beinen: „MACHEN SIE SCHON!“

An der Wasseroberfläche war inzwischen die Dunkelheit endgültig hereingebrochen. Immer noch suchte der Zerstörer PADDY und ein Schnellboot nach dem unsichtbaren Feind, der die Invasionsstreitmacht so schwer getroffen hatte.
Nicht zum ersten Mal verfluchte der Kapitän des Zerstörers die Unzulänglichkeiten des angeblich so überragenden ASDIC. Das System war zugegebenermaßen besser als die alten Horchgeräte. Aber es war unmöglich, die genaue Tiefe des feindlichen U-Boots zu ermitteln. Die Bedienung war schwierig, und die Ergebnisse angesichts der zerklüfteten Oberfläche des Meeresgrundes nicht sehr genau. Außerdem versagte das Gerät bei hohen Geschwindigkeiten. Um aber nach dem Abwurf der Wasserbomben selber aus der Gefahrenzone zu gelangen, musste die PADDY zwangsläufig mehr Fahrt aufnehmen. Es war ein frustrierendes Geduldsspiel – und eigentlich gab es genug andere Aufgaben für die australischen Kriegsschiffe, als einem Phantom nachzujagen. Allerdings besaß dieses Phantom gefährliche Waffen. Sie mussten weitermachen, bis sie den Gegner vernichtet hatten. Der Kapitän schauderte bei dem Gedanken, was ein erneuter Torpedoangriff für die kleine Invasionsstreitmacht für Folgen haben konnte.
„Sir, Signal von MTB-4A. Sie melden, dass wir offenbar Wirktreffer erzielt haben.“
„So, meinen sie das? Scheinwerfer!“
Tatsächlich, es gab keinen Zweifel. Im Licht der Scheinwerfer des Zerstörers und dem kleineren Scheinwerfer des Schnellbootes war auf Wasseroberfläche deutlich ein großer Ölfleck zu erkennen, der sich langsam ausbreitete. Sehr nahe an der Stelle, wo die letzte oder vorletzte Wabo-Lage der PADDY explodiert war.
Und mitten in dem sich ausbreitenden Ölfleck…
„Was ist das?“
Der Kapitän richtete das Fernrohr auf das schwerfällig hin- und herschaukelnde Objekt. Nach ein paar Augenblicken erkannte er, was da im Wasser schwamm. Es war eine Bastmatte, wie sie in U-Booten dazu genutzt wurde, den Boden auszulegen. Die Matte wirkte zerfetzt und zerrissen. Der Kapitän der PADDY atmete aus: „Wir haben Sie.“ Aber er fühlte keinen Triumph, keine Erleichterung. Der Preis war zu hoch gewesen. Und der ‚Sieg’ den sie erzielt hatten, wirkte irgendwie…unwirklich und schal. Außerdem, wenn er daran dachte, welchen Tod die achtzig oder hundert Männer dort unten erlitten haben mussten, dann fühlte er keinen Triumph. Es war die absolute Horrorvorstellung jedes Seemanns, in einem sinkenden Schiff eingeschlossen zu sein.
„Sollen wir nach Überlebenden suchen?“
„Wozu? Das Meer ist hier mindestens einhundert Meter tief. Aus dieser Tiefe ist ein Ausstieg unmöglich. Außerdem haben wir schon genug Zeit verloren. Und ich weiß ohnehin, wem dieses U-Boot gehört hat.“
Das wusste jeder an Bord, auch wenn sie keine Beweise hatten. Nur Japan hatte in diesem Teil des Pazifiks U-Boote stationiert, und wäre daran interessiert, eine Invasion zu verhindern. Jetzt wusste das Commonwealth also, welchen Wert Japan den Hawaii-Inseln beimaß. Wenn man den Verlauf der Invasion bedachte, das Ausmaß der Gegenwehr und die Höhe der Verluste, um einen allzu hohen Preis.
„Frage ASDIC und Horchraum?“
„Keine Peilung. Keine Geräusche im Wasser.“ Der Kapitän nickte knapp und wandte sein Gesicht Richtung Hawaii, wo der Schein der brennenden Häuser und der immer noch hier und da explodierenden Granaten die Nacht erhellte: „Wir kehren zur TASMANIA zurück.“
10.08.2020 19:13 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Steels Maschine flog immer noch knapp über den Wellenkronen. Das war nicht risikolos, vor allem angesichts der Schäden, die die Maschine inzwischen erlitten hatte. Aber das letzte, was er jetzt wollte, war unnötige Aufmerksamkeit erregen. Er hatte Glück gehabt, die feindlichen Jäger hatten ihn nur kurze Zeit verfolgt. Dann waren sie, er wusste nicht warum, plötzlich umgedreht, und mit Höchstgeschwindigkeit zurückgeflogen. Fast, als hätten sie einen Notruf empfangen. Aber Ishida hatte doch ganz bestimmt keinen weiteren Luftangriff auf die Flotte befohlen. Nein, das hätte nicht zu ihm gepasst.
Aber wie auch immer, bisher war alles nach Plan verlaufen. Abgesehen natürlich von ein paar Löchern in der Maschine. Mehr, als ihm lieb waren.

Auch wenn Ernst von Stahlheim sich jetzt keine Sorge mehr um feindliche Jäger zu machen brauchte, seine Sinne waren trotzdem bis zum Äußersten gespannt. Denn er musste inmitten des endlos blauen, wogenden Meers einen ganz bestimmten Punkt finden. Keine Insel, und auch keinen Flugzeugträger. Sein Ziel war viel kleiner, vielleicht auch momentan völlig unsichtbar.
Das gleichförmige, rhythmische Klicken in seinem Funkempfänger beruhigte ihn etwas. Immerhin, er war schließlich sogar für Blind- und Nachtflüge ausgebildet worden. Es sollte nicht allzu schwer sein, sich zu orientieren, sogar auf dem Meer.
Redete sich Ernst von Stahlheim zumindest ein.
Aber vielleicht war seine Anspannung auch bloß ein Symptom für uneingestandene Ängste. Denn wenn er den avisierten Punkt gefunden hätte, dann würden die Schwierigkeiten eigentlich erst richtig anfangen. Aber auch dafür war er bestens vorbereitet und ausgebildet.
Glaubte er wenigstens.

Die Minuten verstrichen, und Ernst von Stahlheim ertappte sich dabei, wie er argwöhnisch die Treibstoffanzeige musterte. Die Fury hatte keine allzu große Reichweite. Wenn der Tank nun leckte? Oder wenn er sein Ziel doch nicht fand, und am Ende gar umkehren musste…

Doch dann sah er es, und alle Sorgen und Bedenken waren für einen Augenblick wie weggeblasen. Er sah den massigen, haifischartigen Rumpf von I-5. Sein Ziel.
Das U-Boot gehörte zur Junsen-Klasse, war fast einhundert Meter lang und neun Meter breit. Das hieß, es war gut zwanzig Meter länger, als die größten deutschen U-Boote Typ IX, und hatte eine mehr als doppelt so große Verdrängung. Sechs Torpedorohre und ein Vierzehn-Zentimeter-Bordgeschütz gaben dem U-Kreuzer eine beachtliche Schlagkraft.
Aber I-5 wies auch noch eine Besonderheit auf, die sie von den meisten U-Booten unterschied. Auf beiden Seiten des Kommandoturms befanden sich wasserdichte, zylindrische Behälter. In ihnen konnte ein Wasserflugzeug verstaut werden, wobei die Tragflächen in einer der Röhren, und der Rumpf in der anderen untergebracht wurden. Aber momentan waren diese Behälter leer. Ernst von Stahlheim war hier, um einen von ihnen zu füllen.
Der deutsche Pilot sah deutlich, dass von dem Kommandoturm des Bootes aus die Läufe mehrerer Maschinengewehre seinen Flug verfolgten. Die Japaner waren misstrauisch. Aber das war verständlich. Selbst ein Boot wie I-5 war gegen Luftangriffe sehr verwundbar. Von Stahlheim ließ seine Maschine etwas steigen, und wackelte zweimal mit den Flügeln. Dann flog er eine Kehre, und wiederholte das Manöver. Das war das vereinbarte Zeichen.
Jetzt musste er die Maschine nur noch heil runter bringen. Notwassern war ohnehin ein heikles Manöver, und jetzt kam es auch noch auf Präzision an. Lange würde die Fury nämlich nicht auf der Wasseroberfläche bleiben. Er musste sie also unmittelbar neben dem U-Boot aufsetzen lassen. Das war nicht einfach – zu weit weg, und die Maschine könnte versinken, bevor sie aufgenommen werden konnte. Zu nahe, und er riskierte einen Zusammenstoß, der I-5 tauchunfähig machen, und ihn wahrscheinlich töten würde.
Die Japaner schienen jetzt, da seine Identität festgestellt worden war, seiner Kompetenz zu vertrauen. Etwa zwei Dutzend Männer strömten aus den Luken aufs Oberdeck - bereit, sofort in Aktion zu treten.
Ernst von Stahlheim flog noch einmal eine weite Runde. Schätzte noch einmal die Entfernung zum Boot ab. Atmete tief durch. Packte den Steuerknüppel fester.
Während er die Motorleistung drosselte, brachte er die Maschine in einen sanften Sinkflug.

Der erste Anlauf misslang, der Winkel war zu steil. Im letzten Augenblick gab von Stahlheim noch einmal Gas, und zog die Nase der Maschine wieder nach Oben. Sein Atem ging schnell, fast keuchend, und er war völlig in Schweiß gebadet. Um ein Haar…
Aber es gab keine Wahl. Er musste jetzt runter. Sie hatten nicht unbegrenzt Zeit.
Erst in diesem Augenblick fiel ihm ein, was er eigentlich schon vor dem ersten Anflug hätte machen müssen. Seine Stimme klang kratzig, atemlos, als er das Funkgerät aktivierte: „Hier Steel! Maschine getroffen! Tank leckt – ich muss notwassern! Schaff’s nicht mehr…“ Dann gab er seine geschätzte Position durch und schloss mit einem: „Ich geh jetzt runter!“
Jetzt gab es endgültig kein Zurück mehr. Jetzt musste er die Maschine ins Wasser bringen.
Das Gesicht des deutschen Agenten verzerrte sich vor Anstrengung. Mit zusammengebissenen Zähnen drückte er den Steuerknüppel nach Vorne.

Diesmal war der Winkel besser. Auch die Entfernung zu I-5 stimmte. Dennoch hatte Ernst von Stahlheim das Gefühl, dass sich die Wasseroberfläche rasend schnell, zu schnell, näherte. Aber diesmal brach er nicht ab.
Die Maschine traf die Wasseroberfläche mit einem Ruck, der von Stahlheims Kopf nach Vorne schleuderte. Emporschießende Gischt nahm ihm die Sicht. Die Maschine hüpfte über die Wellen, und schüttelte dabei ihren Insassen unbarmherzig durch. Fast kam es Steel so vor, als würde er durch Flakfeuer fliegen.
Dann, endlich, kam die Fury zum Halten, schwankte nur noch im Takt der Wellen hin und her – nur etwa fünfzehn Meter von I-5 entfernt. Ernst von Stahlheim war eine fast perfekte Landung geglückt.
Auch wenn der deutsche Pilot sich fühlte, als hätte er soeben zwanzig Kilometer mit feldmarschmäßiger Ausrüstung hinter sich, er konnte jetzt nicht einfach sitzen bleiben. In Gedanken hatte er die folgenden Griffe schon hundertmal absolviert. Dennoch zitterten seine Hände.
Er öffnete die Cockpitverglasung. Griff hinter den Sitz, und zerrte mühsam das Paket heraus, das er dort verstaut hatte. In der leicht schwankenden, engen Pilotenkanzel hatte er Schwierigkeiten, auf die Beine zu kommen. Ein Blick zu dem japanischen U-Boot zeigte ihm, dass bereits fast ein Dutzend Männer ins Wasser gesprungen waren und auf die Fury zukraulten. Am Gürtel hatten die Matrosen stabile Seile gebunden. Gleichzeitig hatte das U-Boot kleine Fahrt aufgenommen, um noch näher an die notgelandete Maschine heranzukommen. Der Kran, mit dem das Wasserflugzeug normalerweise an Bord gehievt wurde, war bereits ausgeschwenkt.
Schwerfällig, aber dennoch so vorsichtig wie möglich, zwängte sich Ernst von Stahlheim aus dem Cockpit, und ließ sich ins Wasser gleiten, während er bereits die Reißleine für das kleine Ein-Mann-Schlauchboot zog, das sich in dem Packet befand.
Mit einem leichten Zischen entfaltete sich das Rettungsboot. Es kostete Steel allerdings zwei Versuche, sich hineinzuhieven. Seine Pilotenkleidung war nicht gerade leicht, und noch hatte er seine Schwimmweste nicht aufgeblasen.
Inzwischen waren die Schwimmer bereits an der Maschine angelangt. Auch sie schienen genau zu wissen, was sie zu tun hatten. Binnen kürzester Zeit waren die Führungsseile an den Tragflächen der Maschine befestigt. Dann erwachte der Flugzeugkran von I-5 zum Leben, und begann die Fury zu dem U-Boot zu ziehen. Zwei der Matrosen packten von Stahlheims Schlauchboot und zogen es mit sich. Worte wurden dabei nicht viele gewechselt.
Inzwischen begannen die japanischen Matrosen bereits, die Fury auf das Oberdeck des Bootes zu hieven. Die Schwimmer waren inzwischen wieder aus dem Wasser heraus, außer zwei Männern, die die Vertäuung der Maschine im Auge behielten. Während der Flugzeugkran den Hauptteil der Arbeit übernahm, benutzten die Matrosen die übrigen Taue, um die Fury auszugleichen. Das Manöver war nicht einfach, denn die Maschine war schwer. Aber offenbar machten die Japaner so etwas nicht zum ersten Mal.
Als Ernst von Stahlheim mithilfe einer Strickleiter auf das Oberdeck des japanischen U-Bootes kletterte, wartete dort schon ein kleingewachsener, drahtiger Mann auf ihn. Der einzige Unterschied zu den halbnackten Matrosen bestand in einer Uniformbluse, und einer etwas verschossen wirkenden Kapitänsmütze. Die Lebensbedingungen an Bord der japanischen U-Boote waren derart spartanisch, dass kaum Platz für das den Japanern sonst so wichtige Zeremoniell blieb. Die Begrüßung war jedoch fehlerlos: „Fregattenkapitän Tanigaki.“
Ernst von Stahlheims Salut war nicht minder korrekt: „Hauptmann von Stahlheim. Es ist mir eine Ehre.“
„Wie steht der Kampf?“
„Pearl City wird gehalten. Die Polizei und freiwillige Verbände leisten heftigen Widerstand. Die Piloten der KAMIKAZE haben sich bei der Bekämpfung der feindlichen Jäger besonders hervorgetan. Der Himmel über Pearl City gehört uns. Die Verluste des Gegners sind hoch…“
„Hoch genug?“
Ernst von Stahlheim zuckte mit den Schultern: „Das wird sich zeigen. Wir erwarten für die Nacht einen erneuten Ausbruchsversuch des Gegners.“
„Es ist ihnen doch wohl klar…wenn die Kämpfe weiter anhalten, wird man wohl kaum die Zeit finden, Sie zu suchen.“
„Soviel ich weiß soll einer Ihrer Leute – der als Fischer arbeitet – nach mir Ausschau halten. Im Übrigen habe ich meine Befehle.“
Fregattenkapitän Tanigaki nickte langsam: „Ich verstehe.“

Währenddessen waren die Matrosen von I-5 nicht untätig. Angetrieben von den gebrüllten Befehlen eines Bootsmanns begannen sie, das Flugzeug zu zerlegen. Wo möglich, wurden Panzerplatten abmontiert. Gleichzeitig gingen die Matrosen mit Stahlsägen und einem Schweißbrenner daran, Tragflächen und Leitwerk abzutrennen. Sie arbeiteten mit fast fieberhafter Eile – solange sich die Fury an Oberdeck befand, konnten sie nicht tauchen, wenn sie ihre kostbare Beute nicht verlieren wollten.

Fregattenkapitän Tanigaki zeigte sich nicht übermäßig interessiert an den Möglichkeiten des ominösen ‚Nitroboosters’. Er war vor allem U-Bootfahrer. Aber er hatte Informationen, die Ernst von Stahlheim beruhigten. Offenbar hatten die Verteidiger Hawaiis immer noch ein paar Trümpfe auf ihrer Seite, auch wenn sie nichts davon wussten. Mehrere japanische U-Boote operierten im Gebiet um die Inseln, und eine schlagkräftige Kampfgruppe aus einem Kreuzer und drei Zerstörern stand bereit, um im Falle eines australischen Sieges blutige Vergeltung zu üben – die dezimierten Fliegereinheiten und schwachen Seestreitkräfte der ANZAC würden einem solchen Angriff nicht viel entgegensetzen können.

Weniger als eine Stunde, nachdem die Fury die Wasseroberfläche berührt hatte, meldete der Bootsmann, der die Demontage überwachte, Vollzug. Und tatsächlich verschwand gerade der Rumpf der Maschine in dem Minihangar des U-Boots. Ernst von Stahlheim sah dies mit einer gewissen Wehmut geschehen. Die Maschine hatte ihm bis zuletzt gute Dienste geleistet. Außerdem sah er jetzt einer etwas fragwürdigen Zukunft entgegen. Aber natürlich achtete er darauf, sich solche Gefühle nicht anmerken zu lassen. Deshalb war auch die Verabschiedung von Fregattenkapitän Tanigaki derart formell, dass ein unbedarfter Beobachter zu dem Schluss hätte kommen können, zwischen den beiden Männern gäbe es irgendwelche Differenzen.
Natürlich gab es hier keinen unbedarften Beobachter.
Vorsichtig kletterte Ernst von Stahlheim die Strickleiter herab, die sein Schlauchboot mit dem U-Kreuzer verband. Dann, sich bewusst jedes Zögern oder Innehalten verbietend, stieß er sich mit beiden Händen ab. Das Schlauchboot trieb langsam von dem Boot weg, das kurz darauf kleine Fahrt aufnahm.
Ein letzter Blick zu dem Stahlgiganten, ein kurzer Gruß zu den Matrosen und Offizieren von I-5. Fregattenkapitän Tanigaki legte grüßend die Hand an den Mützenschirm, als er als letzter im Inneren des U-Bootes verschwand. Keine Minute später war I-5 von der Oberfläche verschwunden, und Ernst von Stahlheim war alleine.
Normalerweise marschierten U-Boote lieber an der Oberfläche. Aber schon wegen der speziellen Natur ihres Treffens wollte Tanigaki so schnell wie möglich ‚von der Bildfläche verschwinden’. Und wohl auch einige Dutzend Meilen ungesehen zurücklegen.

Ernst von Stahlheim zog Bilanz. Die Mission war fast perfekt gelungen. Dahingehend konnte er zufrieden sein. Er hatte sein Schlauchboot, Proviant für zwei Tage und auch ein paar Wasserschläuche. Wenn er Glück hatte, konnte er es bis zu fünf Tage aushalten. Dann aber würde er wohl verdursten. Und natürlich gab es auch andere Gefahren. Würde man nach ihm suchen? Wohl nur, wenn die Invasion abgewehrt werden konnte.
Aber das lag jetzt nicht mehr in seiner Hand. Jetzt konnte er sich nur noch treiben lassen, inmitten des endlosen, im Schein der untergehenden Sonne sich verdunkelnden Blau. Jetzt gab es nur noch ihn, und das Meer.
‚Und hoffentlich keine neugierigen Haifische…’.
10.08.2020 19:15 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Fumio Kazuo fragte sich unwillkürlich, ob es in der letzten Woche überhaupt einen Abend gegeben hatte, den er zu Hause, im Kreis seiner Familie hatte verbringen können. Es gab so viel zu tun…
Der heutige Tag machte da keinen Unterschied. Aber er hätte wohl sowieso keine Ruhe finden können. Die Invasion hatte begonnen. Seit heute früh wurde erbittert um Pearl City gekämpft. Nach den letzten Berichten war der Feind zwar weit in die Stadt vorgestoßen, hatte sich aber letztlich am zähen Widerstand der Gendarmerie, der ausländischen Hilfstruppen und der Arbeitermilizen festgebissen. Der Versuch, großräumig ins Umland vorzustoßen, war blutig gescheitert. Die Luftstreitkräfte Hawaiis hatten unter hohen Verlusten die Luftherrschaft über Pearl City errungen. Und gleichzeitig rückten aus dem Umland weitere Verstärkungen an – Arbeiter, Bauern, Freiwillige aller Schichten. Das Beispiel der Gewerkschaftsmilizen hatte Schule gemacht. In Pearl City wurde immer noch gekämpft, aber die Lage schien sich zu stabilisieren – und zwar auf eine Art und Weise, die die Verteidiger begünstigte. Vielleicht war es noch zu früh zu sagen, dass die Invasion gescheitert war, aber auf jeden Fall waren die allzu ehrgeizigen Ziele der ANZAC fürs Erste ins Stocken geraten.
Ins Stocken geraten wohl auch wegen dem Untergang eines ihrer wenigen Kriegsschiffe. Wie es dazu gekommen war, war noch nicht ganz geklärt. Die Meldungen gingen durcheinander – ein Glückstreffer durch ein Küstengeschütz, ein Bombentreffer, oder sogar eine interne Explosion in Folge eines Unfalls. Oder der Torpedo eines U-Boots.

In der letzten Nacht war Fumio Kazuo nicht zum Schlafen gekommen, dafür hatte Hiroshi Shimada gesorgt. Und der Tag hatte die Invasion gebracht – und einen neuen ‚Besuch’ durch Shimada. Wenigstens hatte der hagere Gewerkschaftschef diesmal nicht mehr oder weniger offen mit Gewalt gedroht.
Aber er hatte seine ‚Bitte’ um die Zuverfügungstellung von LKWs dennoch auf eine Art und Weise geäußert, die ein ‚Nein’ als wenig weise erschienen ließ. Fumio Kazuo war kein Held, er kannte seine Schwächen. Der Gewerkschaftchen schüchterte ihn alleine durch sein bloßes Auftreten ein, und natürlich auch durch seinen Ruf. Immerhin war es angeblich Shimada persönlich gewesen, der einen seinen Gegner bei lebendigem Leibe in eine Zuckerrohrpresse geworfen hatte.
Fumio Kazuo litt unter seiner Angst, mehr als er sich das bisher bewusst gewesen war. Er litt umso mehr, da seine Frau offensichtlich weitaus mutiger war. Bei Shimadas erneutem Besuch waren sie und der Gewerkschaftschef wieder aneinander geraten. Dass Shimada diesen Schlagabtausch für eine Art Spiel zu halten schien, hatte Shoeans Wut sogar noch gesteigert. Und Fumio Kazuo gefiel es auch nicht, wie Shimada seine Frau ansah oder behandelte. Am liebsten wäre ihm gewesen, der Gewerkschaftchef hätte niemals erfahren, dass es Shoean überhaupt gab.

Letztlich hatte er natürlich nachgeben, und Shimada vier LKWs zur Verfügung stellen müssen. Der Gewerkschaftler hatte mit kaum verhülltem Zynismus für diese freiwillige Hilfe gedankt, und war gegangen. Allerdings nicht, ohne gegenüber Shoean noch die spöttische Bemerkung fallen zu lassen, dass er jetzt das ihr gegebene Versprechen erfüllen würde.
Fumio Kazuo fragte sich unwillkürlich, wo Shimada momentan sein mochte. Irgendwo in einem Kommandoposten? Oder an der Front? Nach kurzem Zögern entschied sich Kazuo dafür, dass die letzte Möglichkeit die wahrscheinlichste war. Shimada mochte rücksichtslos und unberechenbar sein, aber er hatte auch das Herz eines Kämpfers. Er verlangte von seinen Leuten nichts, was er nicht selber zu ertragen und zu leisten bereit war. Deswegen konnte er sich auch der Loyalität seiner Männer sicher sein. Es wäre einfacher gewesen, wenn das nicht so gewesen wäre. Gerade Shimadas Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren machte ihn jedoch so gefährlich und war ein wichtiger Grund für seinen Erfolg.
Vielleicht war Shimada aber auch schon tot. Aber Fumio Kazuo konnte an diese Möglichkeit nicht so Recht glauben. Shimada erschien ihm wie ein Mann, der nicht so einfach sterben konnte. Gerade WEIL er sein Leben nicht als besonders wertvoll anzusehen schien.
Und auch wenn Fumio Kazuo es nicht bedauert hätte, wenn er niemals mit Shimada zusammengetroffen wäre, auch wenn er den Mann fürchtete, ja fast hasste wegen der Macht, die er über sein Leben hatte… Shimada hielt die Arbeiter ruhig, er war paradoxerweise in mancher Hinsicht ein stabilisierender Faktor, selbst wenn Shimada diese Charakterisierung nicht besonders zu schätzen vermocht hätte. Machte ihn das zum kleineren Übel?

In Fumio Kazuos Gedanken schnitt das Schrillen des Telefons. Der Geschäftsmann zuckte leicht zusammen. Zu wenig Schlaf, zuviel Anspannung und Aufregung. Seine Nerven lagen bloß.
Fumio Kazuo nahm den Hörer ab: „Ja?“
„Shimada muss Sie sprechen. JETZT. SOFORT!“ Die Stimme war Fumio Kazuo unbekannt.
„Shimada? Ich verstehe nicht…Soll ich etwa nach Pearl City?“
Die Leitung blieb einen Augenblick lang stumm, dann erfolgte die Antwort. Wenn möglich war der Tonfall jetzt noch schroffer, bestimmter: „Er ist zurück. Und hören Sie gefälligst auf, Fragen zu stellen! Dazu sind Sie nicht in der geeigneten Position.
Kennen Sie den Taft-Komplex? Das sind Lagehäuser…“
„Natürlich weiß ich, wo das ist. Immerhin gehört mir die Hälfte der Gebäude!“
„Umso besser. Hören Sie zu. Shimada muss mit Ihnen einige Ihrer…speziellen Geschäfte erörtern. Es geht um viel Geld. Und es duldet keinen Aufschub.“
„Aber die Invasion…“
„Eben darum duldet es keinen Aufschub. Falls Sie es nicht wissen, diese ganze Invasion kann das gesamte politische Establishment der Insel verändern. Deshalb müssen jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Wenn Sie nicht kommen…werden Sie es bedauern. Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen autorisiert bin!“ Und damit legte der Unbekannte auf und ließ Fumio Kazu verwirrt zurück. Was konnte so wichtig sein, dass Shimada die Front verließ und sich mit ihm treffen wollte?
Plante er am Ende gar einen Putsch, gestützt auf die mobilisierten Arbeitermilizen? Unterstützt vom japanischen Geheimdienst, den ‚schwarzen Zellen’ und den Ninjas, und mit aktiver Beteiligung der Soldaten der KAMIKAZE und der japanischen Botschaft konnte eine solche Operation tatsächlich als realisierbar erscheinen. Wenn man bereit war, alles auf eine Karte zu setzen. Aber dennoch war das Wahnsinn, ein unkalkulierbares Abenteuer!
Falls nicht bereits ein japanischer Flottenverband auf die Inseln zuhielt. Konnte das sein? Würde Tokio das wagen?
Fumio Kazuo dachte an die japanische Aggression gegen Shanghai, an den Mandschuko-Zwischenfall und den Vorfall auf der Marco-Polo-Brücke. Ja. Ja, Tokio wäre so etwas durchaus zuzutrauen. In dem Zusammenhang erschienen die Unruhen, die Shimadas Miliz in den Rang einer Hilfspolizei katapultiert hatten, in einem völlig neuen Licht. So KÖNNTE es sein…
Aber warum sollte Shimada oder der japanische Geheimdienst ihn dann erst jetzt informieren? Aber die Antwort auf diese Frage war nicht schwer zu finden.
Weil der japanische Geheimdienst in ihm nur ein Werkzeug sah. Und weil Shimada ihn kannte. Gut genug kannte, um ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen.

„Wer war das?“ Fumio Kazuo blickte auf. Er hatte gar nicht bemerkt, dass seine Frau den Raum betreten hatte. Ihre Augen wirkten…wachsam. Sie musste ihm seine Beunruhigung ansehen können.
Fumio Kazuo schüttelte leicht den Kopf: „Nur ein…Geschäftfreund.“
Offenbar glaubte sie ihm nicht. Und sie war beunruhigt genug, um ihm zu widersprechen: „Es ist wieder dieser Shimada, richtig?“ Manchmal bedauerte er es, eine Frau geheiratet zu haben, die nicht nur intelligent war, sondern auch noch recht westlich erzogen.
„Nun…in gewissem Sinne. Er will mich treffen.“
„Ich wusste es doch! Von wegen, er würde gegen die Invasoren kämpfen. Aber auf eine Lüge mehr oder weniger kommt es bei ihm bestimmt nicht an. Dieser Feigling!“
Fumio Kazuo wusste, dass Shimada alles Mögliche war, aber jedenfalls nicht feige. Doch natürlich widersprach er seiner Frau nicht: „Es geht um etwas…Geschäftliches.“ Das sollte ein Hinweis sein, aber Shoean ignorierte ihn. Wenn Fumio Kazuo bedachte, auf welche Art und Weise Hiroshi Shimada vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier aufgetaucht war, konnte er ihr deswegen keinen Vorwurf machen: „Geschäftlich! Was kann es schon für Geschäfte mit diesem Banditen geben?! Wieso lässt du dich derart von ihm herumkommandieren?“
Fumio Kazuo presste die Lippen zusammen. Ja, diese Frage stellte er sich auch. Aber er kannte die Antwort: „Wenn Shimada nur ein Bandit wäre, dann wäre es viel einfacher. Aber er ist etwas weitaus gefährlicheres. Er ist überzeugt von dem, was er tut. Und er hat Macht. Mehr Macht als irgendein beliebiger Bandenchef.“
Shoeans Stimme klang ungläubig: „Aber womit hat er dich in der Hand? Die japanische Gemeine sieht in dir ihren angesehenen und respektierten Vorsitzenden. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet Shimada dir befehlen kann, was du tun musst.“
Das wollte und konnte er ihr nicht erklären. Er versuchte es aber trotzdem: „Es geht hier nicht nur um ihn. Er hat…Verbündete. Shimada alleine wäre noch nicht einmal so schlimm. Doch diejenigen, die hinter ihm stehen… Sie können ihm befehlen. Und im gewissen Sinne…können sie auch mir befehlen.“
„Dir? Und von wem redest du? Der Yakuza?“
Fumio Kazuo schüttelte nur den Kopf. ‚Wenn es doch nur die Yakuza wäre.’ Die wollten höchstens Geld und ihre Geschäfte in aller Ruhe abwickeln können. Der japanische Geheimdienst hingegen hatte viel weiterreichende Ziele: „Ich kann dir nicht mehr sagen. Ich darf es nicht. Und du darfst auch nicht mehr fragen.“
Um Shoeans Mund zuckte es rebellisch, aber sie wechselte dann doch das Thema: „Ich traue diesem Mann nicht! Was wenn er dir…“
„Er braucht mich. Jetzt wahrscheinlich sogar noch mehr als vorher. Und solange ich ihm nützlich sein kann, bin ich vor ihm sicher. Du brauchst dir keine Sorgen machen.“ Er wünschte nur, er wäre sich da wirklich sicher.
„Warum wendest du dich nicht an die Polizei?“ Aber das klang nicht allzu energisch. Als würde sie ahnen, oder sogar wissen, dass er das nicht tun konnte.
Fumio Kazuo schnaubte abfällig: „Die Polizei. Die hätten Shimada am liebsten schon vor Jahren aus dem Verkehr gezogen. Sie werden nicht ausgerechnet jetzt aktiv werden. Momentan brauchen sie Shimada nämlich auch. Und wir brauchen ihn ebenso. Seine Milizen…sie könnten bei der Abwehr der Invasion den Ausschlag geben.“
„Und Shimada weiß dass. Deshalb spielt er sich auch so auf.“
„Ja.“ Das war natürlich nicht die ganze Wahrheit. Shimada konnte sich auch noch aus anderen Gründen auf Fumio Kazuo verlassen, und seine Kooperation erzwingen. Aber wenn es nach Kazuo ging, würde seine Frau niemals Genaueres darüber erfahren.
„Und du willst dich wirklich mit ihm treffen? Er braucht nur zu pfeifen, und du…“
„Das reicht jetzt!“ Es machte die Sache nicht besser, dass Shoean Recht hatte. Fumio Kazuo zwang seine Stimme zur Ruhe. Er wurde nur selten laut. Das lag ihm nicht: „Wie gesagt, momentan brauchen wir ihn, und er braucht mich. Und wenn das bedeutet, dass ich mit ihm jetzt treffe, dann werde ich das tun. Wenn alles gut geht ist die Invasion in vierundzwanzig Stunden endgültig vorbei. Und anschließend verschwindet Shimada wieder in den Vororten und Fabrikhallen, in die er gehört. Wir werden ihn nicht mehr wieder sehen. Wir können ihn vergessen. Die Krise macht ihn stark. Ist sie vorbei, schwindet seine Macht auf ein…handhabbares Maß.“ Shoean glaubte ihm nicht. Das sah er genau, und es wunderte ihn nicht. Immerhin hatte er selbst vor ein paar Minuten zugegeben, dass Shimada gefährlich war. Und sie hatte Shimada kennen gelernt. Er war kein Mann, der einfach verschwand. Außer, er wollte es. Aber ausnahmsweise verzichtete sie darauf, nachzubohren: „Sei vorsichtig. Und nimm wenigstens Shigamura mit.“ Shigamura war Kazuos Leibwächter.
Er hätte beinahe gelächelt. War er nicht immer vorsichtig gewesen? Vorsichtiger sogar, und nachgiebiger, als er es selber gewünscht hätte. Er war nun einmal kein Held.
Im Gegensatz zu Shimada, den japanischen Ninjas oder etwa den ausländischen Söldnern, die Hawaii verteidigten, fehlte ihm die Bereitschaft, sein eigenes Leben zu riskieren, wie ein frei verfügbares Gut: „Also gut. Ich nehme ihn mit. In zwei, höchstens drei Stunden bin ich zurück.“ Sie nickte. Er sah deutlich die Sorgen in ihren schönen Augen, aber auch die unbeantworteten Fragen. Fragen…und Vorwürfe. Vorwürfe, weil er das, was Fumio Kazuo zunehmend als die Dämonen seines Lebens betrachtete, nicht von seiner Familie hatte fernhalten können. Noch war nichts Schlimmes geschehen. Noch nicht.
Er konnte ihr keine Antworten geben.
10.08.2020 19:15 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die Straßen von Honolulu waren menschenleer. Fumio Kazuos Fahrer fuhr schnell, hielt sich aber wie immer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Shigamura saß schweigend neben dem japanischen Geschäftsmann, sein Gesicht missmutig verzogen. Er hatte immer noch damit zu kämpfen, dass ihn Shimadas Leute in der letzten Nacht wie einen Schuljungen überrumpelt und weggesperrt hatten.
Fumio Kazuo starrte aus dem Seitenfenster und haderte mit sich selbst. Er war all der Lügen, der Schattengeschäfte und Intrigen müde. Schon vor langer Zeit waren ihm Zweifel gekommen, ob er das Richtige tat. Und jetzt, da die Schatten seines Lebens auch seine Familie berührten, seine Frau und seinen Sohn, konnte er seine Zweifel nicht länger mehr zurückdrängen. Egal, was die japanische Führung plante, was sie in ihren starren, jahrhundertealten Vorstellungen von Pflicht, Ehre und Loyalität von ihm fordern zu können glaubte, er konnte diesen Schattenkrieg nicht länger als den Seinen betrachten.
Er würde aussteigen. Natürlich nicht, indem er überlief, denn das wäre Selbstmord gewesen. Er würde seine Geschäfte einfach an einen Willigeren übergeben. Es gab in der japanischen Gemeinde genug Männer, die auf eine solche Chance warten mussten. Sogar der japanische Geheimdienst musste das doch einsehen. Er würde sich zurückziehen aus dem Geschäft mit Verrat, Heimtücke, Blut und Tod, an denen er ohnehin immer nur widerwillig teilgenommen hatte. Das Geld konnte über andere Kanäle fließen. Und wegen seiner stabilen Stellung in der japanischen Gemeinde war er selbst als nicht mehr ‚Aktiver’ für Japan immer noch nützlich genug, um nicht als entbehrlicher Mitwisser eingestuft zu werden. Warum war er nur nicht früher darauf gekommen?
Shimada würde aus seinem Leben verschwinden. Nie mehr würde sich Fumio Kazuo mit Männern treffen müssen, in deren kalten, leblos wirkenden Augen der Tod zu lauern schien, und jene düstere, todesbejahende Pflichtvorstellung, die in den Streitkräften des kaiserlichen Japans als integraler Bestandteil des ‚bushido’ angesehen wurde. Endlich würde er die Zeit finden, sich seinem Sohn und seiner Frau in dem Maße zu widmen, die sie verdienten.
Das Dröhnen eines Motors und das Quäken einer Autohupe rissen ihn aus seinen Gedanken. Ein alter, offener PKW, der noch aus den frühen Zwanzigern zu stammen schien, schoss aus einer Seitenstraße, überholte Fumio Kazuos Wagen in einem waghalsigen Manöver – und stoppte mit schleudernden Reifen, blockierte so wirksam die Straße.
Mit einem gedämpften Fluch trat Kazuos Chauffeur auf die Bremse, brachte den Wagen gerade noch rechtzeitig zum Stehen. All das war zu schnell gegangen, als dass Fumio Kazuo hätte Angst empfinden können. Mit nur geringer Überraschung registrierte er, dass die drei Insassen des Wagens ärmlich gekleidet waren, aber allesamt rote Stoffbinden trugen. Mitglieder der Arbeitermiliz.
‚Offenbar will Shimada mich verunsichern. Oder diese drei Narren spielen Polizei.’ In dem Fall würden sie bei der Erwähnung von Shimadas Namen wohl sehr schnell klein beigeben.
Die drei Milizionäre kamen langsam näher. Sie waren alle drei bewaffnet. Zwei waren offenbar japanischer oder chinesischer Herkunft, der dritte ein Eingeborener. Dieser trug eine doppelläufige Schrotflinte, einer der Asiaten hingegen ein Jagdgewehr, der dritte Mann eine Pistole. Erleichtert stellte Kazuo fest, dass die beiden Männer mit den Gewehren ihre Waffen über der Schulter trugen. Trotz des etwas martialischen und forschen Einstands waren diese Männer offenbar nicht nervös oder wütend. Die Sache würde sich schnell aufklären.

Der Mann mit der Jagdflinte trat an die Fahrertür des Wagens: „Aussteigen!“ Das galt dem Fahrer. Auf ein knappes Nicken von Kazuo hin leistete dieser dem Befehl Folge. Der japanische Geschäftsmann wandte sich den beiden anderen Männern zu, die sich ebenfalls dem Wagen genähert hatten. Er versuchte, seiner Stimme einen ruhigen, aber entschiedenen Klang zu geben: „Meine Name ist Fumio Kazuo. Ich bin sicher, Sie…“
Der Mann mit der Pistole öffnete die Wagentür: „Steigen Sie aus.“ Seine Stimme klang flach, fast tonlos. Fumio Kazuo fühlte, wie sich ein ungutes Gefühl in seinem Magen breit machte. Was hatte Shimada vor? Sollten die Männer ihn etwa entführen? Aber das war doch Wahnsinn: „Entschuldigen Sie, aber…“
Aus den Augenwinkeln nahm Fumio Kazuo eine Bewegung neben sich wahr, dann knallte es auf einmal ohrenbetäubend, fühlte sich Kazuo von rohen Händen gepackt, und aus dem Wagen gerissen. Während er aus dem PKW gezerrt wurde, erhaschte er einen letzten Blick auf seinen Leibwächter. Shigamura saß immer noch aufrecht im Wagen. Seine Hand umklammerte den Griff seiner Pistole. Aber in seiner Schläfe prangte ein rötlichschwarzes Loch, aus dem Blut sickerte.
Fumio Kazuo begriff nicht, was hier geschah. Und merkwürdigerweise spürte er auch keine Angst. Nur seine Stimme klang schrill, überschlug sich beinahe: „Sind Sie wahnsinnig?! Das war unnötig! Shimada…“
Der Mann mit der Pistole unterbrach ihn schon wieder. Immer noch klang seine Stimme…leer: „Shimada? Ja. Schöne Grüße von Shimada.“
Irgendetwas explodierte vor Fumio Kazuos Augen, und er fühlte nichts mehr. Nicht einmal Schmerz.

Der Mann mit der Pistole schoss wieder und wieder, bis sein Magazin leer war. Aber sein Gesicht blieb ausdruckslos, als würde er einen Knopf drücken.
Eine Kugel hatte Fumio Kazuo in den Kopf getroffen. Sechs weitere hatten seinen Leib durchbohrt. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er tot war. Der Mann mit der Pistole wandte sich zu seinem Kameraden, der den vor Angst und Entsetzen wie erstarrten Fahrer festhielt: „Schaff ihn beiseite.“
Der Angesprochene nickte knapp, und stieß sein Opfer roh vorwärts. Doch dabei lockerte sich sein Griff, und der Chauffeur, der mit einmal begriff, was ihm bevorstehen musste, riss sich frei und rannte los. Rannte um sein Leben. Hinter ihm erschall ein Fluch, knallte es ein-, zweimal. Aber dann war er auch schon in eine Seitengasse abgebogen, und erst einmal aus der Schusslinie.

Keiner der Mörder hatte den Flüchtigen verfolgt. Und die Tatsache, dass die hastig hinterher gesandten Schüsse ihr Ziel verfehlt hatten, schien sie auch nicht zu beunruhigen. Der Mann mit der Pistole grinste sogar dünn, fast unmerklich – die erste Gefühlsregung, die auf seinem breiten Gesicht zu sehen war. Ohne Hast kehrten die Männer zu ihrem Fahrzeug zurück, und fuhren davon.

Zwölf Stunden später fand man das völlig ausgebrannte Wrack des Überfallwagens einige Meilen außerhalb Honolulus. Im Wagen lagen die verkohlten Überreste der Waffen, die die Attentäter getragen hatten. Aber von den Insassen des Wagens fehlte jede Spur.
10.08.2020 19:16 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Feuer einstellen!“, gellte Mizunamis Ruf über das Gelände. „Geben Sie den Befehl sofort an alle Truppen und Hilfskräfte weiter!“
Erstaunte Blicke trafen den Polizeichef. „Was ist passiert?“
Trotz regte sich in einigen Gesichtern, Trotz, der nach dem schweren und blutigen Tag nicht selbstverständlich war. Ein junger weißer Polizeileutnant, der sich von einem Gewerkschaftsanführer stützen lassen musste, rief: „Wir geben doch nicht auf, oder, Sir?“
„Wie kommen Sie denn darauf?“ Mizunami genoss seinen Auftritt. Vor ihm hatten sich einige der wichtigsten und zuverlässigsten Offiziere des Kampfes versammelt, soweit es die Kampflage zugelassen hatte. Shimada war natürlich nicht da. Wahrscheinlich hatte er dem Melder, der ihn für die Besprechung hatte holen sollen, Dinge an den Kopf geschleudert wie ‚Ich muss bei meinen Männern bleiben‘ oder ‚Ich gehöre an die Front‘ oder ‚Nur hier kann ich wirklich reagieren‘.
Aber die Männer vor ihm, Polizisten, Freiwillige und Gewerkschafter – der eine oder andere einer eilig in die Schlacht geworfenen Privatmiliz ebenso – bildeten eine illustre Zuhörerschaft, die Zuhörerschaft der Verteidiger von Hawaii.
Mizunami sah, dass die Spannung der Männer nicht mehr zunehmen konnte. Dennoch. Diese Sekunden hatten ihm gehört, er hatte sie ausgekostet.
Als sie beinahe vor Neugier platzten, sagte er ernst und ein wenig zu leise: „Die ANZAC zieht ab.“
Ein paar Sekunden geschah nichts. Dann aber brachen die Männer in wilden Jubel aus, Wildfremde umarmten sich im Glückstaumel und die Neuigkeit breitete sich mit einer Geschwindigkeit fort, die nur ein Gerücht vollbringen konnte.
Statt der Schüsse, der Schreie und dem Stöhnen Sterbender lag nun ein anderes Geräusch über dem Gelände. Es klang wie fernes Meeresrauschen. Aber es war Jubel. Jubel der Verteidiger. Jubel der Sieger.
„Captain Jones!“, blaffte Mizunami, als er meinte, dass zumindest die Offiziere wieder ihren Dienst vollziehen sollten.
„SIR!“
„Geben Sie Nachricht an alle Teileinheiten, schicken Sie Melder mit weißen Armbinden in die Innenstadt. Ab sofort gilt Waffenstillstand. Die ANZAC ziehen zum Hafen von Pearl City hin ab, haben aber Erlaubnis, ihre Verwundeten und Toten zu bergen. Ich wünsche strikte Disziplin bei unseren Leuten, wie es sich für anständige Gewinner gehört, verstanden?
Außerdem nutzen wir die Gelegenheit, um unsere eigenen Toten und Verwundeten zu bergen.“
„Jawohl, Sir!“
„Captain Sengu!“, rief er dem höchstrangigen Hilfspolizisten der Gewerkschaftler an.
„SIR!“
„Das gleiche gilt übrigens für Ihre Leute. Wir bleiben wachsam, aber ich will nicht, dass das in Paranoia ausartet.“
„Jawohl, Sir.“
„Und was ich jetzt sage, gilt für alle. Wir ziehen die Einheiten, die am meisten gelitten haben, nach und nach ab und ersetzen sie durch frische Truppen. Es gilt absolutes Schießverbot. Aber wir werden jeden Meter, den die ANZAC in Pearl freigibt, sofort besetzen. Haben das alle verstanden?“
„JA, SIR!“
Mizunami lächelte zufrieden. Eine seltene Gefühlsregung des als eiskalt verschrienen Japaners.
„Ach, eine Frage, Sir.“
„Bitte, Captain Ataka.“
„Was hat die ANZAC besiegt? War es der massive Widerstand in der Stadt und hier in den Gräben? Die Vernichtung des Kriegsschiffs im Middle Loch? Der erfolgreiche Luftangriff auf den Truppentransporter? War es die Zerschlagung des Ausfalls durch den Luftangriff?“
Mizunamis Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ich denke, es war die Summe von allem. Und nicht zuletzt war es jeder einzelne Mann, der eine Waffe gehalten hat, um die australischen Soldaten aufzuhalten.
Aber ich glaube es war hilfreich, dass Commander Stone und Tai-i Sakai zu zweit den Divisionsstab ausgehoben haben.“
„Äh, was bitte?“, fragte der japanische Polizeioffizier und machte keinen intelligenten Gesichtsausdruck.
„Exaktes weiß ich auch nicht. Aber wie es scheint haben sich der Commander und Tai-i Sakai direkt aus dem Stab gemeldet und den Abzug der ANZAC verkündet. Reimen Sie sich den Rest zusammen, Captain.“
„Jawohl, Sir“, murmelte der Mann nachdenklich.
„Und vergessen Sie nicht, die Befehle auszuführen, die ich Ihnen gegeben habe“, fügte der Polizeichef hinzu.
„Jawohl, Sir!“

***
„Ist das sicher?“, fragte Kamehameha der Dritte. Er merkte dass seine Hände zu zittern begannen, aber es gelang ihm einfach nicht, sie unter Kontrolle zu bekommen.
„Ja. Ja. Verstehe. Ja. Aha. Was? Das bleibt aber unter uns. Was? Nein, bleiben Sie, wo Sie sind. Ich lasse Sie später holen. Ja. Natürlich. Das überlasse ich Ihrer Befehlsgewalt. Was? Ja, das glaube ich auch. Gut. Richten Sie auch Tai-i Sakai meine Grüße aus. Gute Arbeit, verdammt gute Arbeit.“
Der König hängte ein. Gallagher, die ihn neugierig ansah, schenkte er ein Lächeln. „Ihr Boss hat gerade fast alleine den Stab der ANZAC erobert und den Abzug erzwungen.“
Die Texanerin lächelte zynisch. „Wundert mich nicht im Geringsten. Armstrong hat einen Arsch in der Hose und das Glück eines notorischen Fremdgehers. Aber heute staubt er nur ab, denke ich.“
„Er staubt ab?“
„Ein Begriff vom Soccer, Majestät. So nennt man einen Mann, dem unverhofft der Ball vor die Füße fällt, während das Tor frei ist, abzieht und seine Mannschaft zum Sieg schießt. Oder denken Sie, all die Menschen, die für Hawaii die Waffe in die Hand genommen haben, haben weniger geleistet als unser geliebter Boss?“
„So gesehen haben Sie Recht. Und ich werde jedes einzelne Ereignis dieses langen Tages würdigen. Aber im Moment braucht Hawaii zwei Dinge: Die abziehenden ANZAC und einen Helden. Was meinen Sie, Norah, ist Armstrong gut genug für die Rolle als Held?“
Gallagher verzog die Mundwinkel spöttisch. „Er hat das Wort Held in dicken Buchstaben auf der Stirn tätowiert, Majestät.“
Die beiden tauschten einen langen, amüsierten Blick, als das Telefon erneut klingelte.
„Ja? Hm. Ja. Gut. Stellen Sie durch.“ Kamehameha der Dritte setzte den Hörer ab, atmete aus, hob ihn wieder an und begann zu sprechen. „Hier ist der König von Hawaii.“
Bei dieser Wortmeldung entglitten Gallagher doch die Gesichtszüge.
„Ah, Commodore Scott. Ja, ich weiß, dass Colonel Hicks sich zurückzieht. Die Frage, der wir uns stellen müssen, ist nun, wollen wir das blutige Spiel weiter spielen oder lecken wir unsere Wunden, von denen es auf beiden Seiten genug gab? So? So? Ja. Verstehe. Ja. Ich denke, wir können etwas arrangieren. Ja, ich glaube auch, dass der Angriff der Defender sehr ungelegen kam. Aber ebenso der Angriff Ihres Hilfsverbandes. Ja, ich denke, wir verstehen uns. Und ich denke, wir finden eine Lösung, die uns alle zufrieden stellt. Wenn dies nach dieser Schlacht noch möglich ist. Ich habe Ihr Wort? Gut. Ja, natürlich gebe ich Ihnen meins. Danke, Sir. Ja, ich werde Sie persönlich begrüßen. Wir sehen uns, Commodore Scott.“
Der König legte auf. „Norah, ich brauche sofort Sendezeit in den Radiostationen!“

Zehn Minuten später erklang die Stimme des Königs aus allen Radioempfängern in der Reichweite des Senders Honolulu. Seine Stimme klang beherrscht, aber auch gelöst.
„Meine hawaiianischen Mitbürger. Ich kann nicht in Worte fassen, was ich fühle, wenn ich an die letzte Nacht denke. Wenn ich an die Landung der ANZAC im Hafen von Pearl City denke. Wenn ich an all das hawaiianische und australische Blut denke, welches in und vor der Stadt Pearl City vergossen wurde. Aber ich kann sagen, dass es nicht umsonst war. Die ANZAC zieht wieder ab. Die Missverständnisse, die zur Landung der Infanterie führten konnten ausgeräumt werden, eine Annexion unserer acht Inseln steht nicht und stand nicht zur Debatte.
Mein Dank gilt all jenen, die mit ihrem Leben und all ihrer Kraft gefochten haben, um den Diplomaten die Zeit zu geben, uns allen ein weit schlimmeres Schicksal zu ersparen und diese ganze verfahrene Situation aufzulösen.
Aber in erster Linie denke ich Commander David Stone, dem Oberkommandierenden der Verteidigungsstreitkräfte von Hawaii, der unter persönlicher Lebensgefahr den Abzug der ANZAC erreicht hat.
Meine hawaiianischen Mitbürger. Morgen früh wird unser Leben so weitergeben wie es gestern Abend geendet hat. In einem ruhigen, friedlichen und vor allem freien Hawaii.
Ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht und einen geruhsamen Schlaf.
Kamehameha der Dritte, König von Hawaii.“

588

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 10.08.2020 19:19.

10.08.2020 19:19 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Als der Colonel an Bord der PADDY kam, pfiffen die Bootsmannsmaate Salut für einen Stabsoffizier der Bodentruppe, die Wache stand stramm, und Commodore Scott empfing Hicks zusammen mit Fadden direkt am Fallreep.
Der Colonel erwiderte den Salut der Wache gegenüber und dann gegenüber den beiden Offizieren.
Die Deckswache trat weg und ließ die drei Offiziere allein.
„Ich habe mein Kommando an Lieutenant Colonel Hillary übergeben, Commodore. Er hat die Truppen bereits bis an den Hafen zurückgezogen und schickt bereits die Sanitätertrupps aus, um unsere Toten und Verwundeten aufzulesen. Die Hawaiianer verhalten sich ruhig. Zudem besagte die letzte Meldung, die mich erreichte, dass unser Feldlazarett mit dem Lazarett der Hawaiianer erste transportfähige Gefangene ausgetauscht hat.
Ich stehe hiermit zu Ihrer Verfügung. Commodore, Captain.“
Scott musterte den ergrauten Offizier mit einem undefinierbaren Blick.
„Ich müsste lügen, würde ich sagen, dass mir Ihre Kapitulation nicht entgegen kommt“, sagte er schließlich. „Vor dem Waffenstillstand lief alles auf einen Phyrrus-Sieg hinaus.“
Hicks sah ihn an, wollte scharf etwas erwidern. Aber dann erinnerte er sich daran, dass er das Kommando im vollen Wissen, was ihn erwarten würde, an Hillary übergeben hatte und nickte schwer.
„Natürlich, Sir. Sie haben Recht, Sir.“
„Ich glaube, Sie verstehen nicht“, sagte Fadden ernst. „Die NORFOLK wurde von zwei Torpedotreffern versenkt. Wir suchen noch immer nach Überlebenden, aber da wir nur noch zwei Stunden Sonne haben, wird es ein Wettlauf mit dem Tod. Die PADDY hat daraufhin das Unterseeboot gejagt und erfolgreich versenkt.“
„Ein Unterseeboot?“, argwöhnte Hicks. „Aber die einzigen, die U-Boote in der Region haben, sind…die Japaner?“
„Und wo eines ist, sind die anderen sicher nicht weit. Schlimmer noch, der Wetterbericht meldet eine Sturmfront im Westen, zweihundert Meilen von Oahu entfernt. Es würde mich nicht überraschen, wenn dahinter das eine oder andere Schiff der Japaner lauern würde. Das sind natürlich nur Vermutungen, das wissen Sie ja selbst, Colonel.“
Der Infanterist atmete auf. Einerseits, weil der von ihm ausgerufene Waffenstillstand, die „Kapitulation“, nicht zu seiner sofortigen Erschießung führte, was durch ein Kriegsgericht zumindest theoretisch möglich war. Andererseits, weil er von Fadden immer noch mit Rang angesprochen wurde. Das bedeutete, dass sein Rang immer noch etwas galt.
„Es war Teil unseres Plans, dass wir uns ein paar Wochen nach der erfolgreichen Invasion mit einem russischen oder japanischen Verband herumschlagen würden“, nahm Scott den Faden wieder auf. „Aber wie wir sowohl an den Texanern als auch an den Japanern in der KAMIKAZE sehen können, ist unser Plan bereits am Anfang nicht so gelaufen wie wir wollten. Faddens Leute konnten nicht die Lufthoheit erringen, Sie konnten Pearl und Honolulu nicht erobern, und ich habe nicht genügend gegen Unterseeboote abgesichert, was uns den Verlust einer Fregatte und fast der gesamten Besatzung eingebracht hat.
Wir alle haben unsere Ziele nicht erreicht. Das können wir uns auf die eigenen Fahnen schreiben oder das Hauptquartier in Sidney zuschieben, weil dort offensichtlich was durchgesickert ist.
Aber das zählt im Moment nicht. Wichtig sind jetzt nur noch zwei Dinge. Wir müssen unsere Jungs von dieser verfluchten Insel runterkriegen, und das mit Anstand und Würde. Ich habe bereits mit Kamehameha gesprochen. Er macht mit uns einen Kuhhandel für die Presse.“
„Verstehe. Und was ist noch wichtig, Commodore?“
„Nun, Colonel, egal wie schlampig unser Geheimdienst gearbeitet hat, egal wer welche Ziele nicht erreicht hat. Und egal, wie viele junge Männer da drüben starben, alleine beim Ausbruchsversuch nach Honolulu.“
Hicks zuckte zusammen, als Scott den Ausbruchsversuch erwähnte.
„Einer von uns muss den Kopf hinhalten. Einer springt für alle anderen über die Klinge. Für uns, für die Offiziere und für die Mannschaften. Einer muss leiden, um den anderen Stolz und Würde zu bewahren.“
„Haben Sie schon jemanden bestimmten im Auge, Commodore?“, fragte Hicks mit gehässigem Lachen.
„Es tut mir Leid, aber Sie haben den größten Fehler gemacht. Sie sind zurückgewichen, Colonel. Das war gleichzeitig unsere Rettung, bevor unsere Situation zu verfahren wurde, das möchte ich betonen, aber die Admiralität in Sidney wird den Ehrverlust sehen, nicht die taktische Entscheidung.“
„Das bedeutet Kriegsgericht für mich, oder?“
„Nicht unbedingt, Colonel. Wie der Commodore bereits sagte, haben wir einen Kuhhandel mit dem König gemacht. Das wird Ihnen nicht gerade eine Beförderung einbringen. Aber Sie kommen sicherlich mit vorzeitigem Ruhestand davon.
Hicks wollte es nicht zeigen, aber das waren bessere Nachrichten, als er erwartet hatte, als er an Bord der PADDY gegangen war.
„Es tut mir Leid, aber bis wir in Sidney sind, stelle ich Sie unter Kabinenarrest. Sie können alle Einrichtungen der PADDY benutzen, werden aber von einem Wachsoldaten begleitet. Während der Nachtruhe bleibt Ihre Kabine verriegelt. Ich hoffe, Sie verstehen das.“
„Ich werde damit leben können.“ Hicks salutierte vor den beiden Männern.
Dann wurde ein Petty Officer mit Seitenwaffe herangewinkt, der in nächster Zeit der wichtigste Begleiter des Colonels sein würde.
„Bitte hier entlang, Sir.“

***
Mizunamis Worte wurden buchstabengetreu befolgt. Hier und da fielen in der Stadt Schüsse, von manchen Orten wurden Rangeleien, Prügeleien und dergleichen gemeldet. Auf diese Weise verloren die ANZAC noch einmal gut zehn Mann, die gleiche Zahl wohl die Hawaiianer. Aber immer waren auf beiden Seiten beherzte Offiziere zur Stelle, um eine Eskalation zu verhindern. Selten konnte festgestellt werden, wer für den Ausbruch der Feindseligkeiten verantwortlich war. Deshalb wurden die Trupps, die an solchen Kämpfen beteiligt waren, konsequent von der Linie zurückgenommen.
Dies sprach sich sehr schnell herum, sodass der weitere Abzug der ANZAC ohne weitere Reibereien stattfand.

Stonefields Truppe gehörte zu einer der Einheiten, die eine unzuverlässige Truppe ersetzen musste. Das führte dazu, dass sie mit den Hawaiianern auf Tuchfühlung gehen mussten.
Genauer gesagt schoben sie Wache an einem japanischen Lokal, in dem sich der Divisionsstab eingerichtet hatte. Das wertvolle militärische Gerät wurde bis auf die letzte Schraube verladen, unter den wachsamen Augen einer Handvoll polynesischer und japanischer Männer. Auch hawaiianische Reguläre und Hilfstruppen waren in der Nähe, hielten jedoch einen respektvollen Abstand.
„Da brat mir doch einer ne Brigand“, ließ sich sein Funker vernehmen. „Die haben ja nur Pistolen und Jagdgewehre. Und mit so was haben sie uns davongejagt?“
„Halt die Klappe zu Dingen, die du nicht verstehst, Leluc!“, fuhr Smith den Funker an. „Sieh dir mal den Sarge an. Warum trägt er wohl auch nen Jagdprügel, hm? Nicht weil ihm das Design so gefällt, sondern weil diese Waffen gemeiner sind als alles, was dafür entwickelt wird um Menschen zu töten. Die alte Knarre vom Sarge reißt Löcher groß wie ein Fußball.“
„Das habe ich gesehen“, gab Leluc zu.
„Und jetzt denk mal dran, dass die Hawaiianer fast nur solche Waffen haben. Kapierst du jetzt? Solange ihnen nicht die Muni ausgeht, sind das verdammte Todessensen!“
„Komm wieder runter, Smith. Niemand hat dich angeheuert, um eine Waffenexpertise abzugeben“, tadelte Stonefield. „Außerdem ist deine Beförderung um Corporal in Gefahr, wenn du dich gehen lässt.“
„Meine…was?“
„ACHTUNG!“
Lieutenant Colonel Hillary, derzeit Befehlshaber der Division, trat vor die Tür. Und die ANZAC-Soldaten reagierten, wie es ihnen antrainiert worden war. Sie salutierten.
Neben ihm ging ein Mann in einer abgewetzten Fliegerjacke, die schon bessere Tage gesehen hatte. Aber der Mann salutierte ebenfalls, und dies nicht weniger exakt als die ANZAC-Soldaten.
Ihnen folgten Major Henderson und ein drahtiger Japaner in Fliegeruniform. Danach trat eine Frau in einem roten Kimono heraus, die im Gürtel eine Pistole stecken hatte. Die beiden hawaiianischen Männer, die sie flankierten, trugen ebenfalls Jagdwaffen, hielten sie aber in den Armbeugen.
„Was zum Henker ist das denn?“, fragte Stonefield staunend.
„Das muss dieser Texaner sein. Steel oder Stone. Man sagt sich, er ist mit nem Fallschirm mitten in den Stab gekracht und hatte nichts Besseres zu tun, als Hicks mit nicht mehr als ner Nagelfeile zu bedrohen. Der feige Hund hat dann gleich aufgegeben und…“
Stonefield gab dem Sprecher einen harten Hieb in den Magen mit. „Halt die Klappe, Chandler! So einen Mist darfst du niemals erzählen, wenn du nicht vor dem Kriegsgericht landen willst. Soll ich dich melden, du Idiot? Hast du Lust auf zwanzig Kugeln?“
„Nein, Sarge!“
„Also halt die Klappe und wage es ja nicht, so etwas einem Offizier gegenüber zu sagen.
Irgendeiner wird uns schon erzählen, was ein Japaner und ein Texaner im Stab machen, warum die halbe Belegschaft von diesem Laden Waffen trägt und was wirklich da drin passiert ist. Bis dahin bist du still! Das gilt für alle.“
„Ja, Sarge!“
Die vier Männer, augenscheinlich alle Offiziere, unterhielten sich kurz, nickten einander zu, salutierten und wandten sich ab. Der Japaner und der Texaner gingen zu der Madame zurück, die beiden ANZAC-Offiziere bestiegen einen wartenden Jeep.
Als der Wagen anfuhr, gab der ranghöchste Offizier der Wachmannschaft Signal zum Aufbruch.
„Okay, Ihr Kinder, das war das Zeichen. Schützenreihe und langsam abmarschieren. Für uns ist Schluss im Krieg! Und ich will keine Gerüchte mehr hören. Man wird uns schon noch sagen was wir zu glauben haben!“
„Aber das ist so falsch, Sarge!“
„Das ist Krieg, mein Junge. So ist er immer.“
Seine Leute bildeten eine disziplinierte, gut verteilte Reihe und marschierten auf sein Signal hin ab. Seine Truppe war die letzte, die die Straße vor dem Lokal verließ. Dragon&Sword, hm. Er fragte sich, ob er diesen Laden jemals als normaler Gast betreten würde.
Hinter ihm rückten die Hawaiianer nach, Polizisten und Freiwillige. Als sie das Lokal erreichten, klang lauter Jubel auf, der sie noch etliche Straßenecken weit verfolgte.
„Sarge, ich habe Basket three am Rohr. Wir sollen sofort zu ihm kommen.“
„Es wäre hilfreich zu wissen, wo Basket three ist.“
„Der Cap ist im Feldlazarett am Hafen, Sir. Er wurde verwundet.“

***
Der Commander lächelte erleichtert, als er Madame Yamamoto beide Hände reichte. „Haben Sie vielen, vielen Dank für Ihre Hilfe, Madame. Ohne Sie und ihre Leute könnten Sakai-san und ich bereits tot sein.“
„Danken Sie mir doch nicht, Commander. Es war meine Pflicht als hawaiianische Staatsbürgerin.“
„Dennoch. Ich werde dem König berichten, was Sie für mich und Tai-i Sakai getan haben. Und es würde mich freuen, wenn wir unsere Siegesfeier in Ihrem Lokal abhalten können, sobald Sie mit aufräumen fertig sind.“
„Dann sehe ich Sie heute Abend, Commander? Wir hatten ja keinen Bruch, unsere Vorräte wurden nicht angetastet und meine Mannschaft ist vollständig.“
„Ich muss zuerst mit seiner königlichen Majestät sprechen. Aber ich werde mich melden, Madame. Bis dahin könnten Sie…“ Er sah in die Runde, sah in Dutzende freudig strahlender Gesichter, weiße, polynesische, japanische, sogar ein paar schwarze. Er griff in die Dokumententasche seiner Jacke und zog einhundert Greenbucks hervor. „Bis dahin könnten Sie den tapferen Verteidigern von Hawaii für einhundert Dollar Bier zapfen.“
„Das werde ich. Und ich lege noch einmal einhundert selbst drauf.“
Jubel klang auf.
„Das gilt selbstverständlich nur für diejenigen, die nicht im Dienst sind!“, tadelte Stone die Leute. „Also dann, vielleicht bis heute Abend.
Sakai-san?“
„Madame Yamamoto. Abgesehen von Ihrer politischen Anschauung gibt es keine Zweifel, dass Sie eine Japanerin sind. Ich bin sehr geehrt, Ihr Landsmann sein zu dürfen.“
Sakai verbeugte sich steif in der Hüfte. Madame Yamamoto verneigte sich ebenfalls und verbarg ihr Lächeln hinter dem aufgeklappten Fächer. „Sie schmeicheln zu sehr, Tai-i.“
Über ihnen erklang das charakteristische Brummen eines Hoplits, der zur Landung ansetzte. Er würde sie direkt bis in den Palast bringen.
Stone nickte noch einmal in die Richtung der Hausherrin, dann ging er mit Sakai zum gelandeten Hoplit.

Als sich die Maschine in die Luft erhob, dachte Dave an die lachenden Gesichter, an die durchgebluteten Verbände, die der eine oder andere gehabt hatte. Und er dachte an die Toten und Verwundeten, die diese Schlacht verlangt hatte.
„Zurück zum Ernst des Lebens“, sagte er gedehnt.
„Und ich dachte schon, Sie hätten sich vom Siegestaumel anstecken lassen“, sagte Sakai mit einem frechen Grinsen.
„Das darf ich gar nicht. Denn jetzt kommt der schwerste Teil der Schlacht. Die Aufarbeitung.“ Düster sah er zu Boden. „Die Toten zählen.“

***
Kamehameha der Dritte empfing die beiden Männer persönlich mit Händedruck an der Vordertür. „Es ist ein Wunder! Es ist wirklich ein Wunder! Wie haben sie zwei es nur geschafft, zusammen zu kommen und diesen Streich auszuführen?“
„Das werden wir noch alles erzählen. Wer ist im CIC versammelt, Majestät?“
„Captain Gallagher. Polizeichef Mizunami lässt sich entschuldigen. Auf dem Schlachtfeld ist noch zu viel zu tun. Und Sho-i Ishida wird gerade eingeflogen. Dann wäre da noch der Gewerkschaftsführer Shimada, aber er ist im Moment nicht aufzutreiben. Wünschen Sie, dass ich die Kapitäne der anderen Zeppeline mit hinzu ziehe?“ Seine Majestät winkte die Männer durch den Gang. Hilfreiche Hände boten den durch geschwitzten Piloten trockene Handtücher an, während sie die bereits bekannte Bibliothek betraten.
„Das wird nicht nötig sein. So weit ich es sehen konnte, haben sich die ANZAC schon zu weit zurückgezogen, um heute noch einmal in Angriffsposition kommen zu können. Wenn ihre Verladeaktionen so weitergehen, befinden sich morgen früh nur noch die Toten und Verwundeten auf Oahu.“

***
Es glich einem Triumphzug, als sich die vier Zigarren der Verteidiger gemächlich und majestätisch über den Bergkamm schoben, um auf das Cook Air Center zurück zu kehren. Deutlicher konnte man nicht sagen, was die Stunde geschlagen hatte. Angeführt wurde der Verband natürlich von der NORTH STAR, dicht gefolgt von der KAMIKAZE. Ihr folgte die LONGHORN und den Abschluss bildete die VELVET.
Die gigantischen Gebilde wurden mit Hurrahs und Jubel begrüßt, als sie über das Schlachtfeld flogen und schließlich an den Türmen auf dem nur leicht beschädigten Air Center fest machten. Unter den Augen der abziehenden ANZAC-Schiffe, beinahe in Feuerreichweite schienen sich die Gasgefüllten Riesen sicherer zu fühlen als auf der Arche Noah. Auch dies war ein deutliches Zeichen für den Triumph der Verteidiger.

***
Ein dunkles Kino in der Mitte Amerikas. Licht blendet auf und zeigt Rauchwolken über einer Stadt.
„Hulli Gulli auf Hawaii!
Einen turbulenten Dienstag erlebte das kleine unabhängige Königreich, als es Besuch von einem Verband der ANZAC erhielt.
Durch die Verkettung mehrerer Missverständnisse kam es in Folge von Unruhen unter der hawaiianischen Bevölkerung zu einer Landung bewaffneter Truppen der ANZAC in Pearl City. Diese wurde vehement und unter Aufbietung aller Kräfte von Hawaii zurückgeschlagen.
Das Motiv der ANZAC war, australische und europäische Bürger vor den Unruhen in Sicherheit bringen, zu dem Zeitpunkt hatte die Polizei jedoch alles unter Kontrolle.“
Wieder wechselt das Bild, zeigt zuerst marodierende Banden, danach die gleichen Leute am Boden sitzend, die Köpfe gesenkt und umringt von Polizisten und Hilfspolizisten der Gewerkschaften.
„Ein Angriff einer hawaiianischen Defender sowie die Attacke einer Gruppe zur Unterstützung der ANZAC angeworbenen Söldner auf die hawaiianische Verteidigung ließ die Situation eskalieren. Es folgten vehemente Luftschlachten und nicht minder hart geführte Bodenattacken.“
Das Bild wechselt auf ein Luftgefecht zweier Jagdmaschinen, eine trägt ein blaugelbes rundes Tag, die andere die aufgehende rote Sonne Japans.
Danach sieht man Australier mit verbissenen Mienen über ein Feld stürmen. Die gleiche Szenerie wird daraufhin aus der Perspektive der Verteidiger gezeigt, die unter dem Befehl eines Polizeileutnants gezieltes Abwehrfeuer leistet.
„Die Kämpfe waren hart und unerbittlich und forderten Verluste auf beiden Seiten. Niemand, der an diesem Tag eine Waffe in die Hand genommen hat, wird ihn jemals vergessen können. Vergleiche mit dem Großen Krieg oder dem Spanischen Bürgerkrieg fallen da nicht schwer.“
Diesmal zeigt das Bild ein überfülltes Lazarett, vermeidet aber zu deutlich, das Blut der Verletzten und Sterbenden zu zeigen.
Danach wechselt die Ansicht erneut, zeigt nun den Hafen von Pearl City. Deutlich zu sehen sind schwimmende Trümmer und eine Öllache. „Während der Luftschlacht wurde die Fregatte NORFOLK schwer getroffen und sank schließlich. Überdies ließen über dreihundert Infanteristen der ANZAC ihr Leben. Bei den hawaiianischen Verteidigern waren es laut offiziellen Angaben fast sechshundert.
Doch selbst in diesen finsteren Stunden des Todes und der Zerstörung gibt es Hoffnung.“
Nun zeigte die Leinwand einen hageren Mann mit polynesischen Zügen, der drei ANZAC-Offiziere freundlich begrüßt und ihnen die Hände schüttelt. Neben ihm steht ein verwegen aussehender Pilot mit abgewetzter Fliegerjacke und einem frechen Lausbubengrinsen. Zwei Japaner flankieren die beiden. Der eine trägt eine perfekt sitzende Uniform mit schneeweißen Handschuhen, der andere grinst nicht weniger burschikos und trägt ebenfalls eine Fliegerjacke. Diese sieht jedoch brandneu aus. Der große Pilot drückt den Australiern die Hand, die Japaner salutieren militärisch.
„Auf dem Höhepunkt der Schlacht, als alle Zeichen darauf hindeuteten, dass sich beide Seiten gegenseitig auszulöschen drohten, gelang es dem Anführer der hawaiianischen Verteidigung, dem texanischen Freiwilligen David Stone, ein Treffen mit Colonel Hicks, dem Infanterie-Kommandeur der ANZAC auszuhandeln. Begleitet von Tai-i Saburo Sakai, dem Kommandeur der Lufteinheiten der japanischen Freiwilligen, und bestens vertreten von Sho-sa Ishida Isokure, der ab diesem Punkt die Verteidigung koordinierte, gelang es David Stone, den Colonel daran zu erinnern, warum die ANZAC gelandet war.
Es wurde ein Waffenstillstand vereinbart und den Offizieren der Flottille wurde freies Geleit sowie voller Zugang zu allen Einrichtungen der Stadt Honolulu zugesagt. Außerdem erhielten die Offiziere der ANZAC, Commodore Scott, Captain Fadden, Commander Willinsborough und Lieutenant Colonel Hillary vollen Zugang zu den europäischen Zivilisten in Honolulu und Umgebung.
Colonel Hicks übernahm zu diesem Zeitpunkt bereits die volle Verantwortung für die Eskalation des Vorgangs.“
Nun erschien eine beinahe idyllische Szene. Europäer in Geschäftsanzügen plauderten frei und offen im großen Büro des Herrscherpalastes mit den australischen und neuseeländischen Offizieren, weitere Bilder zeigten die Offiziere bei einer Fahrt durch die Stadt.
„Nach einem blutigen Tag ruhen auf Hawaii die Waffen. Die beteiligten Parteien betrauern ihre Toten und versorgen ihre Verwundeten. Und es bleibt die Gewissheit, dass es noch blutiger geworden wäre, wenn ein Texaner und ein Japaner nicht unglaublichen Mut aufgebracht und ein anständiger Australier nicht zugehört hätte.
Es bleibt uns nur ein Fazit: Legt euch besser nicht mit Hawaii an, Leute. Dort weiß man wie man kämpft.“
Der Bericht endet mit einer Gruppenszene. Seine Majestät gibt einer Reihe Offizieren die Hand, unter ihnen die des Polizeichefs, dem Anführer der Texaner, den beiden japanischen Offizieren und einigen Offizieren der Polizei und der Hilfspolizei der Gewerkschaft.
Danach treten alle für ein großes Gruppenfoto zusammen, bei dem der Texaner rechts von seiner Majestät steht, Sakai und Ishida links.
Mit dem Bild selbstbewusst lächelnder Offiziere blendet das Bild aus.

***
Es war bereits früher Morgen, und Harold hatte noch immer keinen Schlaf bekommen. Nicht, dass er erwartet hätte, ins Bett gehen zu dürfen. Bestimmt nicht nach all dem Unheil, das in Form des MI6 und der ANZAC über seine Inseln hereingebrochen war. Bestimmt nicht bei all der Arbeit, die noch zu erledigen war.
Wer immer behauptet hatte, ein König zu sein wäre das Beste, musste sich sicherlich nicht mit Budget-Bewilligungen, dem setzen von Prioritäten bei Reparaturarbeiten und zu allem Überdruss der Sicherheit der ganzen Insel herumschlagen.
Dazu kamen noch die ständig aktualisierten Verlustlisten, auf denen die Zahlen der Toten stetig in die Höhe kletterten. Die Zahl der Verwundeten war absehbar stabil. Vielleicht würde sie im Licht des neuen Tages noch einmal ansteigen, wenn die Stadt und die Felder abgegangen werden konnten. Aber nur die wenigsten würden so lange überlebt haben.
Der Gedanke brachte ihm Wut. Himmel, sie wussten nicht einmal genau, wie viele Männer sie im Einsatz gehabt hatten. Augenzeugenberichte sprachen sogar davon, dass Frauen mitgekämpft hatten. Nach unbestätigten Angaben sollen es weibliche Mitglieder eines örtlichen Schießsportvereins gewesen sein, die als Scharfschützinnen gekämpft hatten.
Harold hatte einen gut trainierten Stab, aber wie in jeder Verwaltung gab es Dinge, die die Kompetenz des Einzelnen überstiegen und an die nächste Stufe der Hierarchie weiter gereicht wurden, bis sie letztendlich bei ihm ankamen. Wurde ein weiteres Feldlazarett benötigt? Wie lange sollten die Feldküchen noch arbeiten? Wann meldeten sich die Arbeiter zurück in ihren Firmen? Sollten nicht besser alle einen Tag Auszeit nehmen, zumindest einen, diesen einen Tag? Oder würde die Wirtschaft ihm dafür ins Genick springen? Ha, dank dem genialen Streich von Commander Stone musste sich die Wirtschaft wenigstens nicht mit den wesentlich gravierenden Folgen einer gelungenen Invasion herumschlagen!
Was war mit dem Rücktransport? Die Unverwundeten Freiwilligen bekamen, bevor sie vom Schlachtfeld gingen, ein amtliches Schreiben, mit dem sie nachweisen konnten, für Hawaii im Feld gestanden zu haben. Was ihnen das einmal nützte, konnte noch niemand sagen. Es war die Aufgabe von Harold, für diese Schriftstücke einen realen Nutzen zu finden. Oder zu erschaffen.
Und was war mit jenen, die bereits gegangen waren, bevor Harold die Dokumentenausstellung angeordnet hatte? Es gab so viel zu berücksichtigen, so viel zu beachten.
Sollten die Leichen aufgebahrt werden? Oder war es im Sinne der Seuchengefahr besser, sie vor Ort zu begraben? Womöglich noch vor der Identifikation? Hawaii war heiß, und eine faulende Leiche in einem Wassertümpel mochte der Anfang für eine Infektionswelle sein.
Vieles sprach dafür, sie vor Ort zu begraben, aber einen richtigen Friedhof für sie anzulegen und die Gefallenen so gut es möglich war zu identifizieren.
Das war nur eine kleine Auswahl der Dinge, die es bis zu ihm schafften. Auch wenn an jedem Beamten nur ein winziges Bruchstück der Arbeit vorbeihuschte, so saß er doch an der Spitze und bekam den Rest gebündelt.
Was war mit der Entschädigung für die Japaner, für die Texaner? Für das Begleitfliegerteam von der VELVET? Was war mit Hinterbliebenenrenten für Angehörige von Polizisten und Milizen?
Hawaii war verhältnismäßig reich, aber seine Reserven waren nicht unendlich. Wie viel konnte, wie viel musste, wie viel durfte er auf Dankbarkeit verschwenden und wie viel auf Barmherzigkeit? Wie stark war Pearl City getroffen, wie stark die Vororte, wie stark der Hafen? Was musste zuerst wieder aufgebaut werden?
Sollte das Gaskraftwerk neu aufgebaut werden? Und wenn ja, wieder als Gaskraftwerk? Oder setzte man jetzt besser auf Öl?
Was konnte er, Harold, tun, damit die Invasion der ANZAC bald nur noch eine unschöne Erinnerung in den Herzen der meisten Hawaiianer war? Was konnte er, Harold, tun, damit sich ein solcher Vorgang nie mehr wiederholte? Oder wenigstens nicht während seiner Regentschaft?
Er lächelte kurz, als ihm einiges bewusst wurde. Er hatte einiges in diesem Konflikt gewonnen. Erfahrung, Einfluss und vor allem Vertrauen.
Kreuzberger hatte ihm aus der Hand gefressen, Kazuo hatte sich hinter ihn gestellt, Konsul Watanabe von der japanischen Botschaft war äußerst zuvorkommend gewesen und wenn Sir Percy, der Botschafter Australiens, in seine Botschaft zurückgekehrt war, würde Harold ihn einbestellen und ihm so gehörig die Leviten lesen, dass er zumindest diplomatisch mit Ozeanien in nächster Zeit keine Schwierigkeiten haben würde.
Und was Shimada anging…Er hatte dem Gewerkschaftsanführer Macht angeboten. Macht, die dieser ergriffen hatte. Wenn Shimada diese Macht behielt – was Harold durchaus zulassen würde - dann war das der erste Schritt um…Nicht, um ihn zu kontrollieren, aber um seine Energie auf Hawaii zu binden. Es würde den Einfluss der Gewerkschaft erheblich verbessern, dessen war sich Harold klar, aber Shimada würde wissen, wem er das zu verdanken hatte, und damit wurde die Situation des Königs gegenüber der Industrie gestärkt.
Ein guter Herrscher konnte alles und jeden gegeneinander ausspielen. Harold reichte es, wenn dieser riesige Apparat namens Hawaii einigermaßen zufrieden stellend lief und genügend Menschen ein ruhiges Leben mit einem gewissen Wohlstand bescherte.
Und mit der Verteidigung der Insel war er auf diesem Weg einen großen Schritt weiter gekommen.

„Majestät!“ Harold schreckte auf. Hatte er gedöst? Nein, er war nur etwas in Gedanken versunken gewesen. Mit einem Schlag war er wieder Kamehameha der Dritte. „Was gibt es, Norah?“
Die Anführerin der texanischen Infanteristen sah den jungen König ernst an. „Sie müssen sofort ins CIC kommen. Fumio Kazuo wurde ermordet.“
„Ich komme sofort!“
Im CIC erwartete ihn ein völlig übernächtigter Mizunami mit viel zu ernstem Gesicht. „Majestät. Es wurde uns gerade gemeldet. In den Mitternachtsstunden wurde der Privatwagen von Fumio Kazuo gefunden. Er selbst und sein Leibwächter wurden erschossen. Der Fahrer ist verschwunden und bisher nicht wieder aufgetaucht.“
„Was ist passiert?“ Kamehameha der Dritte fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte den höflichen, ein wenig ängstlich wirkenden Mann sehr gerne gehabt. Zu wissen, dass er tot war, erschossen, bereitete ihm beinahe Schmerzen.
„Augenzeugen berichten, dass sein Wagen von einem anderen Privatwagen angehalten wurde. Drei Männer stiegen aus und eröffneten das Feuer. Danach fuhren sie weiter. Wir fahnden gerade nach ihnen und dem Fahrer von Kazuo.“
„Um Mitternacht?“ Himmel, was fuhr der Mann zu dieser Uhrzeit durch die Gegend. Er hatte immerhin Frau und Sohn zuhause! Richtig, auch das noch…Er hatte ja Familie gehabt.
„Die Tat wurde uns sehr spät gemeldet. Kazuos Ehefrau meldete ihn in den Abendstunden als vermisst, ab da gab es eine Anweisung an die Streifen, nach Kazuos Wagen Ausschau zu halten. Sie fanden ihn schließlich im Industriegebiet, das heute mehr als verlassen ist. Bis die Meldung dann in dem allgemeinen Trubel bis zu mir durchgekommen war, ist viel Zeit vergangen. Viel zu viel Zeit.“
„Aber die Augenzeugen! Die Zeugen, haben die den Mord nicht gemeldet?“ Haben sie den Mord nicht verhindern können, lag ihm auf der Zunge. Aber sicherlich war keiner dieser Leute ein Dave Stone, und sicherlich selten bewaffnet unterwegs.
„Wie ich schon sagte, es war nicht viel los in dem Viertel. Und die wenigen Zeugen haben aus Angst nichts gesagt. Es scheint als hätten die Männer Armbinden der Gewerkschaftsmilizen getragen, und niemand legt sich nach dem Sieg über die ANZAC freiwillig mit der Gewerkschaft an.“
Der König runzelte die Stirn. „Shimada? Nein, das glaube ich nicht. Er hat Kazuo gebraucht. Außerdem wäre das viel zu offensichtlich und…Nein, der Tod des Vorsitzenden der japanischen Gemeinde brächte für ihn nur Nachteile, aber keine Vorteile. Gerade nicht, wenn die Mörder auch noch als Milizionäre auftreten.“
„Was ist, wenn mehr dahinter steckt? Was wenn die Gewerkschaftsmilizen nun den Sturm auf den Palast planen, um eine Republik zu errichten, und dies war der Anfang?“, warf Gallagher ein.
„Nette Idee. Aber einmal ganz davon abgesehen, dass die Männer der Gewerkschaften nicht weniger erschöpft sind als meine Polizeikader, so dürften sie nicht gerade besonders viel Munition haben. Wir haben eine Tagesration in die Schlacht geschickt, die dürfte mittlerweile aufgebraucht sein. Abgesehen davon wären die Gewerkschaftskader dann hier in der Stadt und nicht da draußen auf dem Feld.“ Mizunami seufzte schwer. „Wie dem auch sei. Ich muss die Ermittlung anordnen. Und ich muss Shimada offiziell zu einem Verhör laden.“
„Wird er kommen?“, fragte Gallagher zweifelnd.
„Nein, sicher nicht. Er wird nach Kazuos Tod sicher eins und eins zusammenzählen und untertauchen. Er ist viel zu vorsichtig, um sich der Gerechtigkeit unserer Gerichte auszuliefern.“
„Sie wollen ihn verhören, nicht verhaften.“
„Das spielt keine Rolle. Die Geschichte zwischen Gewerkschaft und Polizei ist für beide Seiten nicht sehr rühmlich. Eigentlich habe ich die Zusammenarbeit, die beide Gruppen auf dem Feld gezeigt haben, niemals für möglich gehalten. Aber wenn ich jetzt Shimada suche, dann sind wir wieder bei null. Shimada wird sich niemals freiwillig in eine Polizeiwache begeben. Und ohne ein Verhör macht er sich nur zusätzlich verdächtig. Wenn wir aber eine Fahndung nach ihm ausschreiben, sieht das für die Gewerkschafter so aus als hätten wir ihn schon schuldig gesprochen, und prompt sitzen wir auf einem anderen Pulverfass.“
Kamehameha der Dritte musterte seinen langjährigen Polizeichef. Der Mann hatte schon seinem Vorgänger, Charles dem Zweiten, gedient. Damals war er Vize gewesen. Kaum einer kannte sich auf Hawaii besser aus als er.
„Bitten Sie Shimada zu einer Unterredung. Ich persönlich biete ihm freies Geleit an. Mehr kann ich nicht tun.“
„Jawohl, Majestät.“
„Ach, und Mizunami-san. Bitte ermitteln Sie in alle Richtungen. Diese Sache ist so faul, dass verdorbener Fisch daneben nach frischer Sommerbrise riecht.“
Der Polizeichef zögerte. „Ich werde mir aber auch die Option offen halten, dass Shimada den Mord aus uns unbekannten Gründen angeordnet hat.“
„Tun Sie, was Sie für richtig halten.“
Mizunami nickte und ging zu einem Schreibtisch mit Telefon. Kurz darauf begann er seine Anweisungen zu geben.
23.08.2020 18:45 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Rocket?“, fragte Dave, und ein Zug der Verzweiflung lag um seine Lippen.
„Tot.“ Blues Stimme war gnadenlos ernst.
Dave Stone atmete aus und wieder ein. Seine Hände ballten sich kurz und dann öffnete er sie wieder. Rocket tot. Der Mann hatte unter ihm bei den Air Rangern gedient, sie waren so oft zusammen aufgestiegen. Zwischen ihnen hatte diese Vertrautheit geherrscht, der alte Pilot war für ihn stets wie ein väterlicher Freund gewesen. Er war ungehobelt, respektlos, aber immer voller Wohlwollen für seinen jungen Vorgesetzten gewesen. Dass er Dave ohne zu zögern zur Mission der NORTH gefolgt war, sprach für ihn Bände.
„Er ist genauso gestorben wie er es immer wollte. In der Luft, Dave, und nicht in irgendeinem Veteranenspital, wenn er nicht mehr alleine kacken gehen kann.“
„Es war zu früh, dennoch zu früh.“
„Der Tod kommt immer zu früh, Dave.“
Stone nickte ernst. „Seine Maschine?“
„Die Bloodhawk hat nur noch Schrottwert. Dennoch schickt Sam ein paar Leute, die sie sich ansehen werden. Vielleicht können wir wenigstens etwas noch gebrauchen.“
„In seinem Cockpit. Er hat da immer dieses Foto von dieser Olivia gehabt. Wenn es noch existiert, hätte ich es gern.“
„Olivia?“
„Olivia de Havilland. Hat mit Flynn gespielt in „Der Blutige Baron der Lüfte“. War für beide der Durchbruch.“
„Oh, DIE Olivia. Hat Cat Shannon nicht mal behauptet er hätte sie im Bett gehabt?“
Dave grinste schief. „Nur wenn seine Freundin nicht in der Nähe ist.“
Er wurde wieder ernst. „Weitere Tote?“
„Silence hat es nicht geschafft. Der Doc ist immer noch vollkommen fertig, weil er ihn auf dem OP verloren hat. Hauptschlagader. Ein Wunder, dass er nicht schon tot auf dem Boden aufgeschlagen ist. Gossip geht es gut, aber sie wird auf Wochen ausfallen. Schusswunden und ein Bein gebrochen. Außerdem hat sie Silence´ Tod nicht sehr gut aufgenommen.
Ihre Mühle ist Schrott, übrigens.“
„Genauso wie meine, oder?“
„Macht drei Maschinen, die wir in den Wind schießen können. Haben wir noch mehr Verluste im Cat Pack?“
„Nun Jerry Ryan hat seinen Vogel reichlich lädiert eingestellt. Er ist mit Dusk im Team geflogen, als sie die Staffel übernommen hat. Eine Woche Wartung, wenn die richtigen Ersatzteile da sind. Der Junge ist aber frisch wie ein Fisch im Wasser. Hält sich sehr gut.“
„Apropos. Was ist mit Dusk und Rainmaker?“
„Beide sind wohlauf. Jeremy Twofeathers hat eine große Schmarre im Gesicht, aber das war es auch schon. Ich habe alle drei ins Bett geschickt. Konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. Es war ein langer Tag.“
„Ja, das war es.“ Dave sah auf die Uhr. Fünf Uhr morgens, und sein Tag hatte noch nicht einmal aufgehört. „Das Dog Pack?“
„Wir wissen, dass Piper tot ist. Seine Avenger ist ebenso Schrott wie die von Rocket.
Papillon wurde bisher noch nicht gefunden. Sie wurde über dem Meer zwischen Oahu und Hawai´i abgeschossen, und die Hoplits der LONGHORN haben bis zum Einbruch der Nacht gesucht.
Happy ist ausgestiegen, aber seine Maschine ist hinüber. Schlüsselbeinbruch, Beinwunde, hoher Blutverlust. Aber ich habe ihn schon nach Sake rufen gehört. So schlecht kann es ihm also nicht gehen.“
Dave lächelte dünn. Der Texaner hatte also Gefallen an Sake gefunden. Wahrscheinlich auch an den japanischen Mädchen, ging es ihm durch den Kopf.
„Damit haben wir Pipers Avenger, Happys Avenger und Papillons Devastator verloren“, fasste Dave zusammen.
„Dazu kommt Steels Fury. Seine letzte Nachricht war dass er notwassert. Ich schätze mal, dass die Hoplits ihn bei Tagesanbruch auflesen können, aber die Maschine wird untergegangen sein wie ein Stein.“
„Gut. Dann müssen wir uns um den Nitrobooster der Maschinen von Steel und Papillon keine Sorgen machen. Die anderen?“
„Ich habe die Gelegenheit genutzt und befohlen, sie zerstören zu lassen, als der Ausbruch der ANZAC verhindert wurde. Nur ein, zwei Salven. Nichts, was die Schlacht entscheidend behindern konnte.“
„Bist ein guter Junge. Wie sieht es mit den anderen aus?“
„Max hat ihre Mühle nach dem Angriff auf den Truppentransporter reichlich lädiert zurückgebracht. Sam sagt, mindestens eine Woche.“
„Moment mal, sagtest du gerade Angriff auf den Truppentransporter?“
„Äh, ja. War Steels Idee. Ein schneller, harter Schlag, um die Moral niederzuhalten. Er ist zusammen mit Sam raus, aber sie musste abdrehen. Wir nehmen an, er musste auch abdrehen, hat dann aber seine volle Bewaffnung auf die NORFOLK abgeschossen. Kein Wunder dass die ANZAC ihn in den Bach geschickt haben.“
„Ach ja, die Sache mit der NORFOLK.“ Der Untergang der australischen Fregatte war noch immer nicht geklärt. Die meisten Stimmen sprachen für eine interne Explosion, ähnlich wie das Unglück auf der MAINE um die Jahrhundertwende, die im Hafen von Havanna explodiert und gesunken war. Grund genug für die damaligen USA, in Kuba einzumarschieren.
„Wir ziehen es als Möglichkeit in Betracht. Aber Steel knöpfe ich mir mal vor, wenn er wieder da ist. Wie kann er sich und Max nur in solche Gefahr begeben?“
„Ishida hat es genehmigt“, verteidigte Blue den Staffelführer des Dog Packs. „Und Max hat sich freiwillig gemeldet. Aber wenn du Steel vertrimmen willst, darf ich mich anstellen? ICH hätte Max nie in diese Gefahr gebracht.“
Diese Worte ernüchterten Dave schlagartig. „Lass ihn uns erstmal aus dem Teich fischen. Dann sehen wir weiter. Wie sieht unsere Schlagkraft also aus?“
„Jerry Rook Ryan ist in einer Woche wieder flugbereit. Melissa The Dusk Vandersen in zwei Tagen. Jeremy Rainmaker Twofeathers ist ebenfalls in zwei Tagen wieder bereit.
Beim Dog Pack sieht es nicht besser aus. Maxine Max Ciavati ist in einem Tag wieder flugbereit. Clancy Hammer Montjar ebenfalls. Aber mehr haben wir gerade nicht von der Staffel zur Verfügung. Und da Rook bereits auf der Reservemühle sitzt, kann ich nur noch die Brigand von Klutz anbieten. Er und Stick sind noch auf Genesung in Sky Haven, aber die Maschine steht im Hangar. Die Frage ist nur, wen soll ich da reinsetzen?“
„Ich nehme sie vorerst. Happy wird Heckschütze, sobald Doc Mertens ihn entlässt. Damit haben wir gerade mal eine Staffel zusammen.“ Dave stützte sich auf dem Tisch ab. „Verdammt. Das war ein blutiges Unternehmen.“
„Es hätte noch viel blutiger werden können. Aber dank Steels Geschwadertraining und deiner klaren Anweisungen halten sich die Verluste in Maßen. Die anderen Zigarren sind noch schlimmer dran. Die SHOOTIST hat sechs Piloten verloren, die LONGHORN sogar sieben.
Die SHOOTIST hat gerade mal drei Maschinen flugbereit, die LONGHORN hingegen vier.“
„Was ist mit der VELVET?“
„Die haben Schwein gehabt. Ein Flieger verloren und einen Toten.“
„Ich will King sprechen, sobald es irgendwie geht.“
„Ich werde nach Sonnenaufgang einen Melder rüber schicken. Ich glaube, der gute Mann hat ebenso wenig Schlaf bekommen wie du und ich.“
Dave nickte schwer, während Jeff Daynes auf seinem Klemmbrett ein paar Notizen machte. „Weiter im Text. Wir hatten keine Verluste bei den Technikern oder bei der Crew. Dafür hat Captain Gallaghers Marines-Kommando gelitten. Sie hat in der Nacht vor der Attacke drei Mann verloren, als Steel den Zeppelin vernichtet hat. Während der Kämpfe kamen noch einmal fünf dazu, die geholfen haben, die Stadt zu verteidigen.
Das Kontingent der LONGHORN ist auf dreißig zusammen geschrumpft, der Rest ist größtenteils verletzt.
Die Infanterie der SHOOTIST hingegen ist vollständig. Die hatten keinen Ärger und wurden später nur zur Sicherung des Palastes und des Cook Air Centers eingesetzt.“
„Wie sieht es bei den Japanern aus?“
„Sie haben fünf Maschinen verloren. Drei werden gerade wieder zusammengeflickt. Insgesamt haben sie zwei Tote zu beklagen. Ich glaube, Tai-i Sakai kommt von uns allen noch am besten weg. Aber anscheinend haben sie einen Techniker verloren. Ein Unfall beim wieder beladen hat am überhitzten MG zu einer Munitionsexplosion geführt.“
Dave zuckte zusammen, als Blue sprach. Es war nicht schön, sterben zu müssen. Und es war regelrecht hässlich, auf solche Weise zu sterben. Vor allem als Techniker.
„Gut. Damit haben wir das Wichtigste besprochen. Ein paar Mann sollen die ANZAC im Hafen weiter beobachten. Die Marines sollen einen Sicherheitskordon aufrechterhalten. Beim ersten Sonnenstrahl schick die Hoplits raus, um nach Steel zu suchen – einer soll dabei helfen, Papillon zu finden.
Der Rest soll schlafen gehen. Ich lege mich auch eine Stunde hin. Weck mich bei Sonnenaufgang, dann fahre ich zum Palast rüber. Auch dieser Tag wird sehr lang werden.“
„Junge, Junge. Mit dir will ich nicht tauschen, Chef.“
„Spotte du nur“, erwiderte Dave und lächelte müde. Eine Stunde. Das würde reichen müssen.

***
Stonefield betrachtete seine rechte Hand. Dieselbe Hand, die am Abend jene von Captain Kelly gehalten hatte. Der arme Kerl hatte eine Kugel in den Bauch bekommen. Der Feldarzt hatte sie zwar rausgeholt, aber im Cap tobte jetzt eine ausgewachsene Infektion. Ausgelöst durch ein paar Kotpartikel aus dem Dickdarm, die in der Notoperation nicht gefunden werden konnten. Wahrscheinlich schnitten sie den Cap noch mal auf, um die Infektion zu finden und zu entfernen.
Wieder sah er auf seine Hand. Und glaubte, Kellys Hand in seiner zu spüren.
„Stonefield, verdammt, die schlitzen mich hier noch mal auf“, hatte Kelly gesagt.
„Sie schaffen das schon, Sir. Sie sind ein Kämpfer, genau wie ich.“
„Zweimal an einem Tag. Hält das der Körper aus? Was meinen Sie, Sarge?“
„Ich habe schon ganz andere Sachen gesehen. Ein Mann wie Sie stirbt jedenfalls nicht an so einem lächerlichen Steckschuss. Vergessen Sie nicht, ich war bei Gallipolli dabei. Nach dem fünfzigsten Toten entwickelt man ein Gespür für die, die leben und die, die sterben.“
„Und wie ist Ihr Gefühl bei mir? Verdammt, Stonefield.“
„Sie schaffen es, Sir, das weiß ich.“ Und zu dem Zeitpunkt war das nicht mal gelogen.
„Danke, dass Sie das gesagt haben.“ Der Captain hatte nach seiner Hand geangelt und mit unmenschlicher Kraft zugedrückt. „Stonefield, wo ist Ihr LT?“
„Ich weiß es nicht, Sir. Er war beim Ausbruch dabei. Es heißt, eine Vampire hat ihn und den halben Zug zermalmt. Die Überlebenden konnten nicht nachsehen, weil da bereits der Rückzug begann.“
„Hören Sie, Stonefield. Wir schicken beim ersten Sonnenstrahl zuverlässige Leute raus, die die Stadt und das Feld abgehen, um unsere Toten und Verwundeten zu bergen. Ich will, dass Ihr Platoon da rausgeht. Der Major hat bereits dazu genickt. Gehen Sie da raus und finden Sie Weber. Ich will ihn hier haben wenn er noch lebt und ich will es wissen, wenn er tot ist.“
Die Hand drückte noch fester zu, während der Captain vor Schmerz stöhnte. „Bitte, Stonefield, tun Sie mir den Gefallen! Ich muss es wissen! Ich MUSS es wissen!“
„Natürlich, Sir. Ich hole ihn heim. Verlassen Sie sich auf mich.“

Nun, Stunden später, pfiff er seine Leute auf die Beine, um noch vor dem ersten Sonnenstrahl an Pearl City vorbei mit seinem Platoon zum Feld zu fahren. Unbewaffnet natürlich. Für viele würde dieser Spaziergang zu einem Trip in die Hölle werden. Für ihn selbst nur eine Rückkehr, eine Rückkehr nach Gallipolli.

***

Beim ersten Anzeichen von Tageslicht fanden sich die Offiziere Fadden und Willinsborough im Büro des Commodores ein. Captain Carlisle und Commodore Scott erwarteten sie bereits.
„Guten Morgen, Sir, Captain.“
„Morgen, Commodore, Captain.“
„Morgen, die Herren. Captain Fadden, Commander Willinsborough, nehmen Sie Platz. Lieutenant Colonel Hillary lässt sich entschuldigen. Er ist immer noch mit dem einschiffen seiner Männer beschäftigt.“
„Wollen wir Colonel Hicks dazu rufen?“, fragte Fadden ernst.
„Nein.“ Commodore Scott klingelte nach dem Steward und ließ Kaffee servieren. Als die Ordonnanz wieder gegangen war, sah er in die Runde. „Meine Herren. Wollen wir den Erfolg dieser Mission besprechen?“
Die Männer nickten zustimmend.
„Captain Fadden, Commander Willinsborough, die SIDNEY hatte vier Tote und elf Maschinenverluste, die JAMES COOK sieben Tote, aber nur acht Maschinenverluste. Damit sind Ihre beiden Fluggeschwader gerade mal so einsatzbereit.“
Die beiden Offiziere schwiegen betreten. Fadden konnte nur nicken.
„Meine Herren, was ist schief gelaufen?“
„Nun, Sir, schon Napoleon hat gesagt, dass kein Plan den Feindkontakt überdauert. Es ist für uns nicht ideal gelaufen. Anstatt dass wir den Gegner über unsere Schiffe ziehen konnten, wurden wir über Land gezogen. Die gegnerische Flak war nicht sehr effektiv, vor allem deswegen nicht, weil die PADDY und die Balmorals ein paar gute Treffer landen konnten. Aber über Land hatten wir keine Unterstützung. Die Texaner haben zu keinem Zeitpunkt die Lufthoheit an uns abgegeben. Nicht einmal als sie das Airfield aufgegeben haben, um ihre Zigarren als Stützpunkt zu benutzen. Ein genialer Zug übrigens. Hätten sie ein Landefeld benutzt, hätten sie ihre Zigarren auf den Boden verbannt und zu leichten Zielen gemacht. Außerdem hätten alle vier Luftschiffe bei einem Angriff auf Honolulu nach Süden verlegt werden können, um den Piloten beim Angriff auf unsere Truppen jederzeit den Rückweg zu verkürzen. Dass die Japaner mit von der Partie waren, war eine Überraschung, aber eine höchst willkommene. Wir konnten uns direkt mit ihnen messen, und wir haben nicht schlecht abgeschnitten. Die Filme, die wir geschossen haben, werden sehr lehrreich für unsere Analytiker und Fluglehrer sein. Außerdem hatten wir erstmals Gelegenheit, den Verbandsflug unter Feindkontakt zu üben.“
„Jimmy, warum waren die Texaner so gut? Warum sind sie mit uns Schlitten gefahren? Ich dachte eigentlich, die angeworbenen Hilfsverbände würden einen Großteil binden können. Stattdessen waren sie eher ein kurzes Intermezzo für Stone und seine Leute.“
„Ich schiebe es mal in erster Linie auf den Nitro-Booster. Dieses Ding hat Zukunft, und wir haben gesehen, was es im Gefecht taugt. Ich schätze mal, die Motoren der Texaner leben nicht so lange wie unsere, aber der enorme Geschwindigkeitsvorteil hat sie auf fast einen Level mit uns gebracht. Leider konnten wir keinen Nitro-Booster aus den abgeschossenen Maschinen bergen.“
„Das wird Aufgabe des MI6 sein“, mischte sich Willinsborough ein. „Wenn wir London unsere Aufnahmen vom Nitro-Booster zur Verfügung stellen, werden die Heerscharen nach Texas schicken.“
Scott nickte dazu. „So viel zum Luftkampf. Hätten wir gewonnen, wenn die Japaner nicht vor Ort gewesen wären? Jimmy? Colin?“
Der Neuseeländer sagte zuversichtlich: „Ja, Sir. Aber wir hätten zwei Drittel unserer Flieger eingebüßt. Der Nitro-Booster war nicht einkalkuliert und wir wurden konsequent über Land gezogen.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob wir hätten gewinnen können“, brummte Fadden. „Wir hätten nur mit den Bodentruppen vorstoßen können. Und wir haben gesehen, was die Texaner und die Japse beim Luftangriff aus unseren Truppen gemacht haben. Ich sage es wie es ist. In der modernen Kriegsführung ist eine gegnerische Lufthoheit ohne eigene überlegene Bodenkräfte gleichbedeutend mit der Niederlage.“
„Die Fadden-Doktrin“, bemerkte Carlisle spöttisch.
„Nennen Sie es ruhig so, dagegen habe ich nichts. Dies ist das Zeitalter der Flugzeuge, und wir tun gut daran, das schnell zu begreifen.“
„Kommen wir dennoch zu den Schiffen zurück. Wir hatten einen Verlust, den aber richtig. Die NORFOLK wurde versenkt. Wir nehmen an, von einem japanischen U-Boot. Wir haben keinen Beweis dafür, aber wir haben es wenigstens versenken können. Das Problem mit U-Booten ist, wo eines ist können noch mehr sein. Oder es können noch mehr hinzukommen.“
„Der Verlust der NORFOLK trifft uns schwer“, bestätigte Fadden.
„Außerdem gab es große Beschädigungen auf den Aufbauten der TASMANIA. Sie ist marschbereit, aber an einigen Stellen wird es durchlecken, wenn wir in schlechtes Wetter kommen. Die anderen Schiffe sind mehr oder weniger verschont geblieben. Ich lasse allerdings eines der Schnellboote versenken und die Mannschaft auf die TASMANIA entern. Es ist nicht mehr hochseetauglich und mich soll der Teufel holen, wenn ich Kamehameha um Werftzeit bitte.“
„Dann steht unser Rückzug also fest.“
„Natürlich tut er das. Außer Sie kennen einen Weg, die Lufthoheit Hawaiis zu brechen, unsere Leute zu einem neuen Sturm zu motivieren und Kamehameha die Pistole auf die Brust zu setzen, ohne unser Arrangement und diese unsäglichen Wochenschauaufnahmen ad absurdum zu erklären, Colin.“
Der Commander nickte verstehend.
„Wir warten, bis der letzte Soldat der ANZAC an Bord ist, und dann sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen. Jimmy, Ihre und Colins Leute werden tiefe Aufklärung fliegen. Irgendwie habe ich eine scheiß Angst vor weiteren U-Booten.“
„Verstehe, Sir.“
Scott rieb sich müde die Augen. „Verdammt, U-Boote. Das war mein großer Fehler. Wenn das im Stab bekannt wird, werden die hohen Herren nicht sehr nachgiebig mit mir sein. Den Wunsch, Erster Seelord zu werden kann ich mir dann abschminken“, scherzte der Commodore.
„Im Gegenteil, Ihre Chancen auf den ersten Stern werden steigen“, warf Fadden ein. „Sie haben auf eine unvorsehbare Situation so gut Sie konnten – und erfolgreich – reagiert. Das wird sich gut in der Presse machen.“
„Na danke. Als wenn sich nach Ihnen die Meinung der Öffentlichkeit richtet“, brummte Scott skeptisch.
„Ich werde mit General Godley reden, Sir. Wir haben unseren Sündenbock bereits. Ich denke, der General wird zustimmen, wenn ich sage, dass einer reicht. Bei weitem reicht.“
Scott nickte schwer. „Wenn Sie das für mich und Ihre Offizierskollegen tun wollen, Jimmy, bin ich Ihnen dankbar. Wollen Sie zwei Flugzeuge aufsteigen lassen, die die Lochs und das Vorland patrouillieren? Ich werde es den Hawaiianern gegenüber ankündigen.“
„Selbstverständlich, Sir.“
Willinsborough griff sich ein Herz. „Commodore Scott, ein Wort noch. Wie schneiden wir Ihrer Meinung nach ab? Auf See, zu Wasser und zu Land?“
„Meiner Meinung nach? Wir sind keine Weltspitze, Colin.“
„Leider. So sieht es wohl aus“, erwiderte der Kapitän der JAMES COOK.
„Aber so weit sind wir doch nicht von ihnen entfernt. Also können wir die Mission als knapp gelungen betrachten. Hauptsache, das tun die hohen Tiere in Sidney auch.“
Scott klingelte und die Ordonnanz trat wieder ein. „Lassen Sie uns frühstücken, meine Herren.“

***

„Es tut mir Leid, Captain King. Ihr Verlust schmerzt mich, und ich kann Ihnen nur Geld anbieten, um Ihren Piloten und Ihre Maschine zu ersetzen.“
Der große Schwarze nickte wie in Gedanken, bevor er selbst sprach. „Machen Sie sich darüber keinen Kopf, Commander. Wir sind Piloten und wir leben vom Kampf. Ich will nicht sagen, dass ich den Tod von A-Train gut aufnehme. Er war ein verdammt guter Pilot und eine Seele von Mensch. Aber er hat gewusst was er tat, als er auf der VELVET anheuerte und ich habe gewusst was ich tat, als ich bei Ihnen anheuerte, Commander. Aber es freut mich, dass Sie sich Sorgen um uns machen. Und dass Ihnen der Verlust meines Piloten etwas bedeutet, obwohl er schwarz war.“
Dave runzelte die Stirn. „Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie die Tatsache betonen, dass er ein Schwarzer war. Wachen Sie doch bitte auf. Ich komme aus Texas, nicht aus Louisiana.“
Ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesicht von King. „Entschuldigen Sie. Aber wenn man ein Leben lang fliegt und nur wenige schwarze Idole im Air Action Weekly hat und die Weißen dominieren und einen selbst immer…Oh, Jesus, was für eine dämliche Entschuldigung.“
„Ich glaube, jetzt verstehe ich, was Sie meinen. Dann kann ich Sie beruhigen, Captain. Sie und Ihre Leute sind so gut geflogen wie ich es erwarten konnte. Und Sie haben mehr geleistet als ich verlangt habe. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Außerdem möchte ich, dass Sie mich zu seiner Majestät begleiten, damit ich Sie dort vorstellen kann.“
„Zum König? Hören Sie, ich habe doch nur die Zigarren bewacht!“, rief der Riese entgeistert.
„Was denn? Haben Sie etwas Angst vor Kamehameha?“
„Er ist ein König, Sir, und ich weiß leider nicht wie man mit einem König umgeht. Ich komme mit dem Polizeichef aus, wir sind beide Profis, die ihren Job tun. Aber wie rede ich mit einem König?“
Dave lachte kurz auf. „Ich werde es Ihnen schon erklären, wenn es an der Zeit ist.“ Er stand auf, griff nach seiner abgewetzten Fliegerjacke und klopfte dem Schwarzen auf die Schulter. „Kommen Sie, King, der andere King wartet.“
Verdutzt folgte der glatzköpfige Pilot dem Deutschen.

Als sie durch den Hangar gingen, fanden sie dort das übliche Durcheinander nach einem Gefecht. Nur hatten die Techniker diesmal sehr viel Platz und sehr wenig Arbeit.
Sam scheuchte ihre Leute hin und her und ließ die Hoplits mit den Suchmannschaften bemannen. Insgesamt vier der agilen Maschinen würden aufsteigen.
„Becker! Dass du mir auf das hörst, was Sholz sagt! Du hast noch nicht genügend Flugzeit, also bleib da wo du ihn sehen kannst, ja? Und wehe dir, wenn ich dich und deine Crew suchen lassen muss, weil du abgeschmiert bist!“
„Jawohl, Ma´am!“
„Chef! Hast du ne Sekunde? Dein Taxi ist eh noch nicht da!“
„Natürlich, Sam.“
„Morgen, Captain King. Sie haben nicht zufällig einen Vergaser für einen Pratt&Whitney?“
„Hat eine Ihrer Brigands Probleme? Ich lasse einen klar machen – für einen guten Preis, Ma´am.“
„Versteht sich von selbst. Chef, ich brauche deine Erlaubnis. Kann ich mich auf der Insel nach neuen Mühlen umsehen? Was ist mit der Munition? Bis auf die Lufttorpedos haben wir mit allem geschossen und können durchaus eine Auffrischung gebrauchen.“
Dave nickte in Kings Richtung. „Warten Sie einen Moment, großer Mann. Ich will den Papierkram fertig machen. Dauert nicht lange.“
Er folgte Sam in ihr kleines Büro, schloss die Tür hinter sich und schloss die Frau kurz danach in die Arme und vergrub sein Gesicht in ihrem herrlich duftenden Haar. Besonders gefiel ihm der leichte Aspekt aus Vanille und Schmieröl.
„Ich hatte solche Angst um dich. Dave, warum machst du denn solche Sachen? Ich habe wirklich gedacht, jetzt ist es um dich geschehen.“
Sie zitterte in seinen Armen und Dave konnte nicht anders, als ihr Haar zu küssen. Sie war so weich und herrlich warm, dass ihm schwindelte.
Nachdrücklich griff er nach ihrem Kinn und hob es an, damit sie ihm in die Augen sah. Es folgte ein kurzer, gieriger Kuss, der von einem langen, genussvollerem abgelöst wurde.
Danach lösten sie sich wieder voneinander. Keiner der beiden musste etwas sagen, um ihnen die Situation klar zu machen, in der sie sich befanden.
„Es ist noch etwas früh“, sagte Dave dennoch, im Versuch, keine Unklarheiten aufkommen zu lassen. „Annie ist…“
„Ich weiß. Aber ich bin nicht Annie und ich will auch kein Ersatz für sie sein.“ Sie ging hinter ihren Schreibtisch und zog einen Stapel Papiere hervor. „Hier, das musst du auch unterschreiben. Damit erheben wir Anspruch auf die beiden Maschinen, die vorletzte Nacht beim Banküberfall abgeschossen wurden. Eine können wir vielleicht wieder betriebsbereit kriegen.“
Schwungvoll setzte der Commander seine Unterschrift unter das Dokument. „Geht in Ordnung. Hm, wir könnten miteinander schlafen, wenn dir das Recht ist. Es wäre eine Art offener Beziehung. Wir könnten uns dabei sehr viel näher kennen lernen und uns sicher werden, was wir überhaupt aneinander finden.“
„Ohne Verpflichtung?“ Sam sah auf. „Ohne Haken und ohne dass wir im Geschrei auseinander gehen, wenn es nicht funktioniert?“
„Ich weiß, es ist eine Schnapsidee. Und dabei wirkt es dann auch noch so als würde ich dich ausnutzen. Und dann ist da noch dieses Klischee vom Superhelden, dem die Frauen nachlaufen und…“
„Okay.“
„Was?“ „Ich sagte okay. Lust auf dich habe ich schon seit ich an Bord gekommen bin. Himmel, du hast mich mit einem Mann verwechselt. Weißt du wie sehr ich dir seitdem das Gegenteil beweisen will? Und wenn du mir versprichst, dass du mich niemals hasst, wenn du mir versprichst, dass… Du darfst meinetwegen prahlen und du kannst tun und lassen was du willst. Aber sei für mich da. Mehr will ich gar nicht.“
„Was ist, wenn ich mehr will? Sehr viel mehr?“
„Das werden wir gemeinsam herausfinden.“
Dave grinste unterdrückt und unterschrieb die letzten Anweisungen. „Bringst du mich? Ich glaube, mein Taxi landet gerade, und die Japaner hassen Unpünktlichkeit.“
Die beiden verließen das Büro wieder und stellten erstaunt fest, dass die Anwesenden sie sehr interessiert musterten. Die Hoplits waren immer noch nicht gestartet, und im Hintergrund der Halle legten ein paar missmutige Leute selbstsicher grinsenden Technikern Greenbucks in die Hand.
Dem Commander blieb die Frage, worauf sie gewettet hatten im Halse stecken, als er King grinsen sah. „Die haben wohl gedacht, wir fallen in deinem Büro über einander her. Ist es denn so offensichtlich?“, fragte Dave leise.
Sam Rogers grinste dünn. „Das ist kein Grund, um die Arbeit einzustellen.“ Mit einer Stimme, die problemlos durch den Hangar trug rief sie: „Warum sind die Hoplits noch da? Wieso arbeitet keiner? Muss ich erst den Sold kürzen, ihr faulen Hunde?“
Teils grinsend, teils frustriert gingen die Männer und Frauen wieder ihren Beschäftigungen nach.

Zu dritt traten sie vor die Zigarre. Der Diensthabende Wachsoldat salutierte stramm, als sein Commander vorbeiging. Sein Grinsen jedoch war überhaupt nicht militärisch. „Bringen Sie uns einen Aschenbecher aus dem Palast mit, Sir?“
„Nur einen Aschenbecher, oder auch was schönes für Molly, Thaddeus?“
Der Marine wurde rot, als Dave ihn an die Prostiutierte in Sky Haven erinnerte. Genauer gesagt seine Freundin, solange der junge Mann mit ihrem Beruf zurecht kam. „Ich kaufe schon was passendes, Sir“, erwiderte er verlegen.
„Gib Bescheid, wenn Steel gefunden wird“, sagte Dave zum Abschied und drückte der Technikerin einen Kuss auf die Wange.
„Kein Problem. Und dann? Soll ich ihn dir in den Palast schicken?“
„Er soll erstmal duschen, schlafen, was essen, sich um seine Staffel kümmern und auf mein Donnerwetter vorbereiten.“
„Verstanden, Sir. Donnerwetter, Sir.“ Sie salutierte karikiert vor ihm.
„Ich würde dir dafür gerne den Hosenboden stramm ziehen, Sam“, tadelte Dave.
„Oh, darüber können wir später reden, wenn du wieder da bist, Chef.“ Sie lächelte ihn an und winkte, bis der Hoplit gestartet war.
„Frauen“, sagte Dave und spürte ärgerlich, dass seine Wangen rot waren.
„Ja, eine herrliche Erfindung, nicht wahr?“, kommentierte King mit einem bärbeißigen Lachen.
Die anderen beiden Passagiere, Ishida und Sakai sagten nichts dazu, aber zumindest der Pilot grinste vernehmlich.

***

„Es war Shimada!“, blaffte eine Frauenstimme, als der Butler die Tür zu Kamehamehas Büro öffnete. „Definitiv Shimada! Sie wissen das, und was tun Sie? Haben Sie diesen Bastard zur Fahndung ausgeschrieben? Nein, Sie tätscheln seine Hand und streicheln seinen Arsch, damit er doch bitte, bitte freiwillig kommt!“
„Shoean, bitte. Beruhige dich.“
„Ich will mich aber nicht beruhigen, Shigeru! Mein Mann ist tot, und die Polizei tut nichts, um den Mörder zu fassen! Was soll ich seinem Sohn sagen, wenn er merkt, dass sein Vater nicht wiederkommt? Was, Shigeru, was?“
„Mrs. Kazuo, zeigen Sie bitte etwas Respekt vor mir“, mahnte der König.
„Ich zeige Respekt vor Ihnen, wenn Sie aufhören, vor der Gewerkschaft Angst zu haben und einen Verbrecher seiner gerechten Strafe zuführen!“
Dave Stone und die anderen drei Offiziere traten ein und wurden zu einem Tisch am Rande des Saals geführt, der eigentlich ein Büro war. Aber was für eins.
Gallagher, die ihn bemerkt hatte, nickte kurz und kam dann unauffällig näher gehuscht. „Morgen, Chef. Morgen, Sho-sa Ishida, Tai-i Sakai, Kapitän King.“
„Worum geht es?“, fragte Dave und deutete auf die drei Personen. Die Frau saß vor dem Schreibtisch, der König dahinter, die Hände zusammengefaltet, Mizunami stand halb zwischen beiden.
„Shoean Kazuo, die Frau des Vorsitzenden der Japanischen Gemeinde. Er wurde letzten Abend erschossen. Anscheinend waren es Gewerkschaftler, und nun will sie Shimadas Kopf.“
„Niemand hat Angst davor, einen Verbrecher seiner Strafe zu zu führen, Mrs. Kazuo“, sagte der König streng. „Aber auf dieser Insel gilt immer noch die Unschuldsklausel. Ein Mensch gilt solange als unschuldig bis seine Schuld bewiesen ist, und nicht anders herum. Im Moment haben wir viel zu wenige Verdachtsmomente, um behaupten zu können, dass es wirklich Shimada war, der den Tod Ihres Mannes befohlen hat. Armbinden umlegen kann jeder Idiot. Und Sie werden verstehen, dass wir den Mörder schnappen wollen, den richtigen Mörder. Ich sage nicht, dass wir Shimada laufen lassen. Ich sage nur, dass seine Schuld nicht bewiesen ist.“
„Ha!“, machte die Frau.
Dave sah sie sich genauer an. Sie schien viel geweint zu haben, aber ihr Trotz und ihr Stolz waren ungebrochen. Sie trug keine Trauerkleidung, ein Beweis dafür, dass sie wenig Wert auf Äußerlichkeiten und viel Wert auf Taten legte. Dave Stone beschloss, diese Frau zu mögen.
Sie war nun etwas kleinlaut, biss sich auf die Unterlippe. „Es…Es war in der Nacht, als mein Mann zu Euch kam, Majestät. Shimada hat unser Personal überwältigt und ist in unser Haus eingedrungen. Er…hatte eine Unterredung in meiner Gegenwart. Es ging um sein Angebot an Euch, Majestät, und um Waffen. Um viele Waffen.
Gestern Abend dann hat er angerufen und meinen Mann einbestellt. Wenn ich gewusst hätte, was dieser Teufel vorhat, dann hätte ich…Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht.
Ich…Ich könnte mir aber vorstellen, dass er Fumios Tod angeordnet hat um zu verschleiern, dass er die Waffen hat.“
Der König und Mizunami wechselten einen kurzen Blick. Ein Motiv.
„Die gleichen Waffen, die von der Gewerkschaft bereits im Feld eingesetzt wurden?“, fragte Ishida zweifelnd im Flüsterton.
„Shimada kann Waffen zurückgehalten haben, versteckt in Lagerhäusern“, warf Sakai ein.
„Auf Kosten seiner Leute? Wenn er mehr Waffen gehabt hätte, hätte er sie an die Front geworfen. Die Menschen sind sein Kapital, nicht die Waffen“, erwiderte Ishida.
„Das klingt logisch. Also, warum sollte er dann noch den Tod vom Vorsitzenden der japanischen Gemeinde angeordnet haben, wenn alle Welt längst weiß, welche Waffen und wie viele er besitzt?“ Dave erhob sich.
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe, Herrschaften, Ma´am, aber wenn ich richtig mitgehört habe, dann muss Mrs. Kazuo sofort unter Polizeischutz gestellt werden. Wenn dieser Shimada bereits ihren Mann hat töten lassen, dann hat er auch keine Skrupel, sie töten zu lassen.“
Entsetzt sah die Frau den groß gewachsenen Deutschen an. „Gaijin, ich bezweifle, dass Shimada mich töten lassen würde.“
„Was macht Sie da so sicher? Sie haben doch fast das gleiche Wissen wie Ihr Mann, oder?“
„Ich weiß ein wenig“, gab sie zu. „Aber ich glaube dennoch nicht, dass Shimada so weit gehen würde. Außerdem hätte er mich dann lange vor meiner Audienz bei seiner Majestät töten lassen, oder?“
Dave Stone räusperte sich geräuschvoll. „Lassen wir Shimada einmal einen Moment außer Acht. Verstehen Sie diesen Gaijin hier nicht falsch, Mrs. Kazuo, ich spreche ihn nicht frei. Aber ich frage mich, wer am meisten vom Tod Ihres Mannes profitiert. Shimada verliert einen Waffenlieferanten, die japanische Gemeinde ihren Vorsitzenden. Und seine Majestät jemanden, der die Gewerkschaft unter Kontrolle hält. Wer profitiert in diesem Chaos?“
„Der Nachfolger meines Mannes? Unmöglich! Watanabe ist der Bruder des Botschafters, und ein sehr integrer Mann. Außerdem hat er nie besonderen Ehrgeiz gezeigt, das Amt zu übernehmen und ist auch schon über sechzig. Vorsitzender der japanischen Gemeinde zu sein bedeutet vor allem viel Verwaltungsarbeit, Papierkram, endlose Konferenzen und dergleichen. Er hat mehr als einmal gesagt, dass er sich auf seinen Ruhestand freut.“
„Was ist dann mit der Nummer drei? Der, der nachrutscht, wenn Watanabe den Stuhl räumt?“
Mizunami räusperte sich verlegen. „Das wäre dann wohl ich.“
„Was? Oh. Das ist gut. Haben Sie den Tod von Fumio Kazuo befohlen, um an sein Amt zu kommen, Mizunami-san?“
„Natürlich nicht!“, erwiderte der Japaner im Brustton der Überzeugung. „Im Gegenteil. Ich bekleide dieses Amt nur der Form halber, in Stellvertretung für meinen Vater. Ich nehme lediglich an repräsentativen Anlässen teil. Den Sitzungen bleibe ich mit Einverständnis von Kazuo-san fern, damit ich nicht in Interessenkonflikt mit meiner Arbeit als Polizeichef gerate.“
„Die Nummer vier?“, hakte Dave nach.
„Ich werde das berücksichtigen“, versprach Mizunami. „Aber wenn wir so weitermachen, haben wir die japanische Gemeinde bald durch.“
„Ich habe eine andere Idee“, meldete sich Sakai dreist zu Wort. „Wenn ich sprechen darf, meine Herren, Kazuo-san.“
„Bitte, Tai-i Sakai, sprechen Sie.“
„Sehen Sie, angenommen, es war Shimada, welche Straftat kommt auf ihn zu? Anstiftung zum Mord. Eine Haftstrafe, oder? Und er scheint mir nicht der Mann zu sein, der seine Gewerkschaft nicht aus der Strafanstalt heraus dirigieren kann.“
„Reden Sie weiter, Tai-i.“
„Sehr wohl, Majestät. Ich glaube, im Moment hat der Mensch am meisten Nutzen davon, dass Shimada als Mörder von Fumio Kazuo gejagt wird, der entweder von Shimadas Tod profitiert, oder davon, dass sein Einfluss in der Gewerkschaft bröckelt oder ganz versagt.“
„Hm. Das würde bedeuten, dass seine Majestät sehr bald dazu gedrängt wird, eine Hetzjagd auf Shimada zu veranstalten. Ein paar Söldner werden unterwegs sein um dafür zu sorgen, dass er nicht gefangen sondern getötet wird“, sinnierte Dave. „Aber wenn wir dieser Idee folgen, ist Shimada unschuldig. Und wir müssen den Mann, der Mrs. Kazuos Mann töten ließ, am besten in der Industrie suchen, auf einem der Chefsessel.“
Die junge Frau schluchzte leise. „Ich weiß nicht mehr was ich denken soll. Ich vermisse ihn so sehr. Wieso hat man ihn mir weggenommen?“
„Shoean, es dauert nicht mehr lange. Kommen wir auf das Telefonat zurück. War da wirklich Shimada dran? Oder hattest du vielleicht den Eindruck, es könnte jemand in seinem Namen angerufen haben?“
Mrs. Kazuo sah auf. „Die Telefonzentrale! Ich weiß es nicht, aber die Telefonistin, die den Anruf durchgestellt hat, sie wird es wissen!“
„Ich kümmere mich darum. Soll ich Shimada zur Fahndung ausschreiben? Oder soll ich ihn lediglich weiter suchen lassen?“
„Schreiben Sie ihn zur Fahndung aus“, befahl der König. „Wenn er bis jetzt noch nicht aufgetaucht ist, dann hat er den Braten gerochen und weiß was die Stunde schlägt. Selbst mit einer Fahndung werden wir ihn nicht so leicht aufspüren. Aber vielleicht sehen wir dabei zu, wer uns bereitwillig zur Unterstützung zueilt.“
Kamehameha erhob sich und streckte die Hand aus. „Mrs. Kazuo, ich bedaure Sie aufrichtig für Ihren Verlust. Sie und Ihr Sohn haben mein vollstes Mitgefühl. Der Polizeichef wird Sie ab sofort unter Polizeischutz stellen, bis der Fall geklärt ist. Ich kann nicht zulassen, dass Ihnen oder Ihrem Sohn etwas passiert. Und ich schwöre Ihnen, ich finde die Täter und bringe die Hintermänner hinter Schloss und Riegel.“
Die Japanerin ergriff die Hand des Königs und drückte sie fest. „Ich danke Euch, Majestät. Ich wusste, es würde keine verschwendete Zeit sein, wenn ich hier her komme.“
Sie sah zu Dave herüber. „Entschuldigen Sie das Gaijin, Commander Stone.“
„Warum? Sie haben doch Recht. Ich bin kein Japaner.“
„Aber wir sind hier nicht in Japan.“
Dave lächelte leicht. „Entschuldigung angenommen, Ma´am.“
Sie reichte ihm die Hand, und er verbeugte sich darüber, während er sie ergriff. „Ich wünsche Ihnen und Ihrem Sohn alles Glück dieser Welt.“
„Das hatten wir einmal“, erwiderte sie und zog langsam die Hand zurück. Dann verließ sie das riesige Büro.
23.08.2020 18:47 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Pearl City kam nicht zur Ruhe, auch Stunden nachdem die letzten Gefechte abgeflaut waren. Die Freudensalven, die einige Kämpfer in die Luft abfeuerten, um ihren Sieg und die Tatsache zu feiern, dass sie noch am Leben waren, führten noch einmal zu ein paar kritischen Augenblicken, und erschreckten Einwohner und Soldaten. Aber diese Missverständnisse waren schnell aufgeklärt.
Schwerwiegender und gefährlicher waren die Brände, die an zahlreichen Stellen ausgebrochen waren. Die Flammenwerfer, Granaten, Spreng- und Brandsätze, die von beiden Seiten eingesetzt worden waren, hatten vor allem in den ärmeren Vierteln ihre Wirksamkeit nur zu häufig bewiesen. Die Feuerwehr hatte wegen den Barrikaden, Granattrichtern und Trümmern, die die Straßen blockierten, Schwierigkeiten, zum Einsatzort zu gelangen. Dazu hatte die (nach amerikanischem Vorbild recht paramilitärisch organisierte) Feuerwehr teilweise an der Verteidigung teilgenommen, was nicht ohne Verluste abgegangen war. Und zu allem Überfluss hatten die Gefechte viele Wasserleitungen platzen lassen.
Natürlich gab es die Polizei, die Freiwilligen und die Arbeitermilizen, und viele von ihnen waren bereit, bei der Feuerbekämpfung zu helfen. Aber natürlich waren diese Männer weder für so etwas ausgebildet, noch organisiert. Sie waren übermüdet, und mit ihren Kräften am Ende, und vielfach mussten sie auch noch ihre Verwundeten zu den wenigen Verbandsplätzen und Notlazaretten schleppen. Außerdem fehlte eine zentrale Kontrolle und Einsatzleitung.
Eine weitere Komplikation waren jene Menschen, die aus dem Chaos Vorteile zu ziehen versuchten. Vereinzelt war es sogar während der Kämpfe zu Plünderungen und Diebstählen gekommen, und das trotz der einschüchternden Militärpräsenz. Aber die Kämpfer der Verteidigungsstreitkräfte hatten momentan zum größten Teil andere Prioritäten, wenn nicht gerade ein besonders pflichtbewusster Befehlshaber sich in die Pflicht genommen fühlte. Andere Kommandeure sahen einfach weg – und einige waren durchaus nicht darüber erhaben, selber zuzugreifen. Und das galt nicht nur für Milizionäre. Es dauerte Stunden, bis zumindest halbwegs so etwas wie Ordnung einkehrte. Die Lage wurde dadurch nicht übersichtlicher, dass ANZAC UND Verteidiger in der Dunkelheit und dann später im heraufdämmernden Morgenlicht nach ihren Verwundeten und den Toten suchten. Wo sie sich die Sanitätertrupps über den Weg liefen, herrschte immer eine gefährliche Spannung, bewegten sich die Männer am Rande eines erneuerten Aufflackerns der Feindseeligkeiten. Vermutlich lag es nur an der allgemeinen Erschöpfung und Müdigkeit, dass weiteres Blutvergießen ausblieb.

Allerdings waren einige Trupps der Gewerkschaftsmiliz nicht nur mit der Suche nach Verwundeten beschäftigt. Sie suchten Waffen - Gewehre, Maschinengewehre, Mpi’s und Pistolen. Nicht nur die Waffen, die ihnen vor teilweise noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden ausgehändigt worden waren. Auch die Waffen toter Polizisten und feindlicher Soldaten. Den entsprechenden Befehl hatte Shimada in weiser Voraussicht schon vor Beginn der Kämpfe ausgegeben. Er war sich sicher, dass seine Leute diese Waffen noch einmal würden gebrauchen können, gegen welchen Gegner auch immer. Es erschien ratsam, schnell zu handeln, bevor man bei der Polizei zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommen würde. Shimada rechnete damit, dass in absehbarer Zeit die Aufforderung zur Demobilisierung an seine Leute ergehen würde. Dem würde er natürlich nachkommen. Aber halb und halb erwartete er zusätzlich die Aufforderung, gleich auch noch die Waffen abzuliefern. Und das war etwas ganz anderes. Menschen waren Macht. Diese simple Gleichung beherrschte Shimada quasi im Schlaf. Er hatte sie auf die harte Tour erlernt. Aber Menschen mit Waffen, waren ein noch weitaus größerer Machtfaktor. Vor allem wenn sie bewiesen hatten, dass sie mit diesen Waffen umgehen konnten. Momentan waren der König und die Polizei notgedrungen auf einen Kooperationskurs mit der Gewerkschaft eingeschwenkt. Und das kapitalistische Establishment knirschte ohnmächtig mit den Zähnen. Das war gut. Aber morgen konnte die Situation schon wieder kippen. Besser, wenn man vorbereitet war.

Der hagere Gewerkschaftsführer hielt sich nur noch durch Adrenalin und Willenskraft auf den Beinen. Das war einer seiner Fehler – er delegierte nicht gerne. Der Versuch, die Verbände der Arbeitermiliz mit Meldeläufern und dem halb zusammengebrochenen Telefonnetz gemäß seiner Wünsche zu dirigieren, war eine reichlich frustrierende Aufgabe. Außerdem hatte er irgendwie das Gefühl, ihm liefe die Zeit davon. Kaum, dass er Gelegenheit hatte, sich über den Sieg zu freuen. Er hatte sein Wort gehalten. Die Miliz hatte sich mehr als bewährt. Aber der Preis war hoch gewesen. Wie hoch, das war noch nicht einmal genau abzusehen. Auf jeden Fall ging die Zahl der Verwundeten und Toten in die Hunderte. Shimada war sich ziemlich sicher, dass ohne seine Männer die ANZAC durchgebrochen wären, oder zumindest Pearl City vollständig unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Ob der König das honorieren würde, blieb abzuwarten. Allerdings hatte Shimada es nicht in erster Linie dafür getan. Und natürlich würde er sorgfältig prüfen müssen, ob die eventuell dann doch angebotene ‚Belohnung’ keinen Pferdefuß hatte, wie die Westler so sagten. Das war doch irgendwie immer so. Uneigennützige Hilfe oder Dank waren ungefähr so selten, wie weiße Raben. Nicht, dass Shimada sich dabei ausschloss.
Diese recht zynischen Gedankenfetzen wurden durch das Erscheinen von Yamagata unterbrochen. Der junge Gewerkschaftler rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her.
„Was ist denn mit dir los?! Sollten deine Leute nicht am Stadtrand…“
„Keine Zeit, verdammt!“ Die Art und Weise, wie Yamagata Shimada ins Wort fiel, überzeugte diesen davon, dass die Lage ernst war. Wenige Leute die ihn kannten, wagten so etwas: „Sie haben Kazuo kaltgemacht!“
„Was? Wer?“ Fumio Kazuo tot? Das war nicht gut. Das konnte sich zu einer Katastrophe ausweiten, wenn man die Stellung des Mannes bedachte. Und zu seiner eigenen Überraschung fühlte Shimada tatsächlich auch so etwas wie Bedauern. Kazuo war nützlich gewesen, wenn auch sichtlich überfordert von den Mächten, die in sein Leben eingebrochen waren. Hiroshi Shimada hatte den Mann ein wenig verachtet, aber gleichzeitig auch beneidet. Wenn auch nicht primär wegen seinem Geld. Shimada machte sich nicht allzu viel aus Geld. Nein, es gab andere Gründe…
Aber auf jeden Fall hatte er Kazuo nicht den Tod gewünscht.
Yamagata fuhr sich über die schweißüberströmte Stirn, er war vollkommen verschwitzt: „Was weiß ich! Vielleicht waren’s die ANZAC, weil er uns Waffen geliefert hat. Vielleicht will der König auch uns Japaner zurechtstutzen. Ist doch auch egal! Ich habe jemanden bei der Polizei – die denken, DU hast das gemacht, verdammt! Wundert mich, dass noch kein Haftbefehl raus ist…Du musst verschwinden!“
Hiroshi Shimadas Gedanken rasten. Yamagata wusste nicht, dass Fumio Kazuo – wie auch Shimada – für den japanischen Geheimdienst gearbeitet hatte. Aber möglicherweise war jemand anderes dahinter gekommen. Das Commonwealth – oder vielleicht auch der königliche Sicherheitsdienst?
Shimadas Lippen verzogen sich zu einem hässlichen, verzerrten Grinsen, voller Wut. War DAS der Dank des Königs? Der passende Vorwand, Shimada und die allzu mächtig werdenden Gewerkschaften zurückzustutzen? Nun, wenn der König das plante, dann stand ihm eine unangenehme Überraschung bevor. Die Rache…
Aber dann rief sich Shimada zur Ordnung. Keine Zeit für so etwas. Er musste jetzt schnell handeln. Seine Gegner – wer das auch immer war – durften nicht in der Lage sein, die Entwicklung zu dominieren.
„Ich muss hier weg. Wenn sie tatsächlich einen Haftbefehl rausgeben…das könnte blutig werden. Aber ich will keinen Kampf. Jetzt noch nicht. Das kann ich unseren Leuten nicht zumuten. Also verschwinde ich ganz einfach. Erst einmal müssen wir Zeit gewinnen. Wenn die Polizei oder irgendjemand einen Kampf provozieren will, dürfen wir keinen Vorwand dazu liefern. Und wenn das wirklich nur ein…Missverständnis sein sollte, dann dürfen wir kein Öl in die Flammen gießen. Es gibt ohnehin genug Leute, die meinen Kopf auf einen Pfahl aufgespießt sehen wollen. Die Waffen müssen in die Verstecke. Ansonsten verhalten unsere Jungs sich ruhig – RUHIG. Ich will keine Unruhe und keine unabgestimmten Aktionen – selbst WENN die Polizei mit einem Haftbefehl anrückt. Solange sie euch nicht angehen, oder anfangen, andere von unserer Führung zu verhaften, verhaltet ihr euch korrekt. Bis ihr andere Anweisungen bekommt, oder wenn sie zuerst zu den Waffen greifen. Und dann…“
Er würde entsprechende Befehle an seine wichtigsten Unterführer geben müssen. Leider waren etliche seiner fähigsten Organisatoren in Honolulu, und die anderen irgendwo in Pearl City, mochte der Teufel wissen, wo genau. Und deshalb… „Yamagata. Fürs erste hast du das Kommando. Das Kommando über ALLE unsere Verbände hier in Pearl City.“
„Was?“ Das überraschte Yamagata sichtlich. Er und Shimada waren nicht gerade persönliche Freunde.
„Ich habe jetzt wirklich nicht die Zeit, lange nach jemandem zu suchen, der das für mich übernimmt. Und die Leute hier kennen dich. Herzlichen Glückwunsch. Aber denk dran – KEINEN SCHUSS, außer die Polizei fängt an. Wenn du Mist baust…“ Shimada vollendete den Satz nicht, sondern packte den Arm des jüngern Manns: „Mach verdammt noch mal das Beste aus dieser Lage. Ich verlasse mich auf dich.“ Ein letzter, fast schmerzhafter Händedruck, dann wandte sich Shimada um, brüllte nach Meldeläufern, und ließ einen ziemlich überrollten Untergebenen zurück.
23.08.2020 18:48 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Einige Stunden später

Der halbwüchsige Bursche sah sich noch einmal suchend um. Er war offenbar alleine, niemand war ihm gefolgt. Was ihn allerdings verunsicherte, ja beunruhigte, war die Tatsache, dass er auch keine Wachposten sah. Hatte er sich in der Adresse geirrt?
Mit einem unbehaglichen Schulterzucken duckte er sich unter dem durchgerosteten Drahtzaun hindurch, überquerte den mit Müll und Schrott übersäten Hof der aufgegebenen Autowerkstatt, und betrat gebückt die Ruine, die einmal die Werkhalle beherbergt hatte.
Und starrte in eine Pistolenmündung. Das breite Gesicht, das zu der Hand gehörte, die die Waffe hielt, wirkte nicht viel freundlicher als das Schicksal, welches die Waffe androhte. „Du warst so laut, dass ich dich mit geschlossenen Augen hätte erschießen können. Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht abknallen soll. Schnell!“
„Ohka-Vierundzwanzig.“ Die Stimme des Jungen klang etwas gepresst. Erst als sich die Pistolenmündung senkte, erlaubte er sich ein Ausatmen. Der Wachposten grinste: „Na schön, Parole korrekt. Komm mit.“ Der Mann räumte einen getarnten Kellereingang frei, und winkte dem Meldeläufer, voranzugehen. Der Junge befolgte den Befehl wenig enthusiastisch. Es war ein unangenehmes Gefühl, eine geladene Pistole hinter sich zu wissen. Er wusste, dass hier eines der Geheimverstecke der Gewerkschaft lag, war aber selber noch nie hier unten gewesen.
Der Junge kam an einer alten Druckpresse vorbei, und an Gewehrständern. Hier verbarg die Gewerkschaft Waffen, produzierte Flugblätter, versteckte Mitglieder, die gesucht wurden.
Momentan war das Versteck, das bis zu zwanzig Männer bequem aufnehmen konnte, fast leer. Und Waffen waren auch keine da. Aus recht nahe liegenden Gründen benutzte man dafür momentan andere Verstecke.
Unwillkürlich hielt der Junge die Luft an, als er einen Raum betrat, und die Gestalt sah, die auf dem Feldbett lag. Hiroshi Shimada schlief, das hagere Gesicht wirkte ungewöhnlich gelöst, fast friedlich – Eigenschaften, die man normalerweise nicht gerade mit ihm verband.
Der Melder glaubte, sich leise zu bewegen, aber dennoch fuhr der Kopf des Gewerkschaftsführers hoch, tastete seine Hand nach der Pistole, die er im Hosenbund trug – natürlich hatte er angezogen geschlafen.
Dann entspannte er sich etwas. Aber seine Augen behielten einen misstrauischen, wachsamen Ausdruck: „Was ist los?“
Der Melder räusperte sich: „Meldung von Yamagata. Bisher verhält sich die Polizei korrekt. Keine Zusammenstöße.“
„Und…?“
„Der König bietet Ihnen…freies Geleit. Er will…Ihre Sicht der Dinge hören.“
Shimada schnaubte verächtlich: „Und wenn ich ihm sage, dass ich es nicht war, dann lässt er mich laufen, oder was?“
„Ich…“
„Schon gut. Das war eine rhetorische Frage.“ Während Shimada sich aufsetzte, überlegte er angestrengt. Das kam etwas überraschend. Er hätte nicht ausgerechnet mit DEM Schritt gerechnet. Was hatten der König und seine Lakaien vor? Wollten sie ihm tatsächlich eine Chance bieten, sich zu den Vorwürfen zu äußern? Jedenfalls waren sie intelligent genug, um zu wissen, dass er sich niemals einfach der Polizei gestellt hätte. Er war ja schließlich nicht verrückt.
Aber freies Geleit…das klang natürlich ganz anders, als die Aufforderung, sich zu stellen. Blieb die Frage, ob das tatsächlich ernst gemeint war – oder ob man ihm eine Falle stellen wollte.
Immerhin, selbst wenn man ihn nicht im Palast selber verhaftete oder gleich erschoss, der An- und Abweg bot dazu auch noch eine genügend Gelegenheiten. Und selbst wenn der König so etwas nicht anordnen sollte, auch andere könnten auf eine solche Idee kommen. Die Yakuza, einige Unternehmer und Fabrikbesitzer, die ANZAC…Vielleicht sogar der ein oder andere ehrgeizige Mann in Shimadas eigener Organisation. Auch eine solche Möglichkeit durfte nicht völlig ausgeschlossen werden.
Aber wenn er auf das Angebot nicht einging, dann stand er bestenfalls als Feigling da. Schlimmstenfalls bot seine Weigerung aber der Regierung und seinen Feinden die Möglichkeit, ein solches Verhalten als Schuldeingeständnis darzustellen. Er würde zu solchen Vorwürfen nicht glaubhaft Stellung beziehen können. Vielleicht war das sogar die eigentliche Absicht hinter diesem Angebot gewesen.
Konnte er dem Angebot trauen? Und konnte er es sich leisten, NICHT anzunehmen? Momentan hatte er noch einen gewissen Popularitätsbonus. Die Rolle, die die Gewerkschaften bei der Verteidigung Hawaiis gespielt hatten, konnte sich nützlich erweisen. Allerdings war dieses Prestige ein Vorteil, der schnell sein Haltbarkeitsdatum überschreiten würde. Vor allem beim Establishment und den Medien. Ihn aber jetzt, im Augenblick, auszuschalten oder zu verhaften, das würde keine gute Presse bedeuten…
Es gab gewichtige Gründe, die ein Treffen mit dem König und dem Polizeichef angeraten erscheinen ließen. Was wussten sie über die Rolle, die Kazuo gespielt hatte? Welchen Spuren würden sie folgen wollen? Natürlich hatte die Gewerkschaft in den Reihen der Polizei Informanten – aber nicht gerade in der Führungsetage. Das Angebot anzunehmen konnte eine Möglichkeit darstellen, aus quasi erster Hand zu erfahren, was der König wusste, und was er vorhatte. Und sei es nur wegen den Fragen die man Shimada stellen, den Vorwürfen und Verdächtigungen, denen er ausgesetzt sein würde. Außerdem hatte sich Shimada noch nie vor einem Kampf gedrückt, der notwendig war – ob mit Waffen, Fäusten, oder dem Verstand.

„Also gut. Hören wir, was der König will.“
„Chef…“ Der Wachposten wirkte nicht begeistert. Shimada grinste kurz und klopfte ihm auf die Schulter: „Nur die Ruhe. Ich habe nicht vor, dem König meinen Kopf und unseren gesamten Führungsstab auf dem silbernen Tablett zu servieren. Und wenn der König momentan etwas nicht gebrauchen kann, dann ist das ein Martyrer. So dumm ist nicht mal er.“
Er brauchte ein paar Fahrzeuge und ein Dutzend Männer – verlässliche Männer. Gute, loyale Kämpfer. Das war genug, um einem Überfall auf dem Hin- oder Rückweg vorzubeugen. Und so viele Leute konnte man auch nicht einfach ‚verschwinden’ lassen. Aber er würde niemanden von seinen Unterführern mitnehmen. Stattdessen würde sie Order bekommen, sich bereitzuhalten, um nötigenfalls sofort unterzutauchen. Ein umfassender ‚Enthauptungsschlag’ sollte der Polizei auf keinen Fall ermöglicht werden.
Shimada blickte den jungen Meldeläufer an: „Hör zu. Du machst dich wieder auf den Weg zu Yamagata. Ich brauche…“
Während er mit kurzen und knappen Worten seine weiteren Pläne umriss, versuchte Shimada das ungute Gefühl zu unterdrücken, dass sich in seinem Magen breitgemacht hatte. Wer auch immer Fumio Kazuo ermordet hatte, er sah eventuell seine Arbeit als noch nicht abgeschlossen an. Aber solange nicht klar war, wer hinter dem Anschlag steckte, war die Frage nach möglichen weiteren Zielen eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten. Auf jeden Fall würde er ein paar Leute in der Nähe von Kazuos Haus postieren.
Kurz kehrten seine Gedanken zu Kazuo zurück. Ob der Mann überhaupt geahnt hatte, in welcher Gefahr er sich befand, und welches Schicksal er herausgefordert hatte? Shimadas Gedanken wanderten weiter. Ob Kazuo überhaupt gewusst hatte, was für ein Glück er in den Händen gehalten hatte? Ob er es richtig hatte schätzen können?
Vermutlich nicht, sonst hätte er wohl niemals das Risiko eingegangen, weiter für den japanischen Geheimdienst zu arbeiten. Letzten Endes war eine solche Tätigkeit immer ein Tanz auf der Schneide eines Schwertes. Fumio Kazuo hatte das vermutlich zu spät begriffen, wenn überhaupt.
23.08.2020 18:48 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Es versprach ein schöner Tag zu werden. Die Sonne zog wunderschön im Osten auf und vertrieb die Schwärze der Nacht.
Sanftes Himmelblau kündigte den Feuerball an und strahlende Helligkeit ergoss sich wie flüssiges Gold über das Land.
Damit entriss sie eine furchtbare Szene dem gnädigen Schatten der Nacht.
Schüsse krachten auf, und die Australier zuckten zusammen. Einige griffen dorthin, wo sie normalerweise ihre Waffen trugen.
„Ruhig, Jungs. Die Hawaiianer erschießen nur ein paar wilde Hund und Schweine“, sagte Stonefield beschwichtigend. „Scheint, als hätten sie dünne Nerven. Na, nach gestern ist das kein Wunder.“
Leluc, der Funker der Truppe sah seinen Sergeant aus großen Augen an, während der Laster hielt, um die Einheit absitzen zu lassen. „Warum erschießen sie die Hunde und Schweine, Sarge?“
„Das willst du nicht wissen, Kleiner.“
Smith lachte freudlos. „Sie erschießen die Tiere, weil diese Biester an den Toten herumknabbern. Verstehst du, Leluc? Die fressen die Leichen auf den Feldern!“
„Aber…Aber das ist doch…Aber…“
Die Mannschaft sprang ab und zog den entsetzten Leluc mit sich.
„Was sollen sie tun? So ist nun mal ihre Natur, und ein toter Mensch besteht auch nur aus Fleisch“, sagte Stonefield kühl. „Andererseits sieht ein angefressenes Gesicht noch schlimmer aus als ein zerschossenes. Ich kann sie verstehen, dass sie ihre Toten nun nicht auch noch halb zerfressen sehen wollen. Übrigens beschützen sie damit auch unsere Gefallenen. In Reihe antreten.“
Die Soldaten nahmen Aufstellung. Nun war es ein Platoon, alles was von Webers Basket three one und two übrig geblieben war. „Männer. Wir wurden dazu ausgewählt, diesen Bereich des Schlachtfeldes nach Überlebenden und Toten abzusuchen. Wir teilen nun Wimpel aus. Der Lastwagen wird uns begleiten, damit sie uns nicht ausgehen. Neben einem uniformierten Soldaten der ANZAC setzt einen blauen Wimpel, neben einem toten Hawaiianer einen roten. Verwundete müssen natürlich sofort den Sanis gemeldet werden.“
Ein kurzes, abgehacktes Raunen ging durch die Reihen der Männer. Gelächter wäre Stonefield lieber gewesen. Stoisches, tiefschwarzes Gelächter. Es hätte den Männern geholfen mit der Situation fertig zu werden, die nun auf sie zu kommen würde.
„Corporal, teilen Sie die Wimpel aus. Jeder erhält fünf rote und fünf blaue. Wer weitere braucht, geht selbstständig zum Wagen zurück. Wer einen Verwundeten entdeckt, schlägt sofort Alarm. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Australier oder einen Hawaiianer handelt. Haben das alle verstanden?“
„Ja, Sarge.“
„Gut. Jeder hält zu seinem Nachbarn fünf Meter Distanz ein. Ach, und noch etwas. Ich will sofort wissen, wenn Ihr jemanden mit Streifen oder Sternen findet, ist das klar?“
„Ja, Sarge.“
„Ausführung!“
Die Soldaten liefen zu den Seiten links und rechts davon. Danach richteten sie sich aus und sortierten. Eine beachtliche Reihe. Sie deckten mit achtunddreißig Mann eine Schneise von einhundertneunzig Metern ab. Auf diese Weise würden sie das Feld mit drei oder vier Märschen abgesucht haben.
Stonefield nahm sich vor, den erstbesten Hawaiianer zu fragen, welche Bereiche bereits von ihnen abgesucht worden waren, damit sie nicht doppelt suchten. Ironischerweise glaubte er nämlich tatsächlich noch daran, Überlebende zu finden. Und für die mochte es auf jede Sekunde ankommen.
„Platoon Marsch!“
Die Männer gingen diszipliniert voraus. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Fahnen gesteckt wurden, es wurden schnell drei blaue, dann vier. Je weiter sie auf das Feld kamen, desto mehr rote kamen hinzu. Aber auf den ersten dreitausend Metern waren es nicht mehr als achtzehn, über die ganze Breite ihres Suchkorridors verteilt.
„SARGE! ICH HABE EINEN!“ Willinsborough winkte aufgeregt mit den Armen. Sofort eilte Stonefield auf ihn zu.
Zu den Füßen des Mannes lag ein Hawaiianer. Er stöhnte erbärmlich, seine Augen waren glasig. Aber vom Tod war er doch noch weiter entfernt als vom Leben.
„Einer von denen“, sagte Leluc verächtlich. „Markiere ihn mit nem Wimpel und hoffe dass er verreckt, bevor seine Leute kommen.“
„Du bekommst einen Verweis, Leluc“, sagte Stonefield streng. „SANI!“
Sofort kamen zwei Sanitäter mit Tragbahre heran.
„Weißt du, wir können schlecht von den Hawaiianern erwarten, dass sie unsere Leute versorgen, wenn wir ihre verrecken lassen. Verstehst du das?“
„Die kümmern sich nie um unsere Leute! Die schlagen ihnen eher die Schädel ein, um sicherzugehen dass sie tot sind!“, erwiderte der Mann störrisch.
„So würdest du wohl handeln“, spottete Willinsborough.
„Rede du nur! Dein Bruder ist ja auch einer dieser hohen Lords von den Fliegern und hat diesen Ehrenquatsch im Kopf! Aber wir haben gesehen wie dreckig der Bodenkampf ist! Wir waren mittendrin!“
„Du wirst dich wundern, was auf einem Schlachtfeld alles möglich ist“, murmelte Stonefield düster. „Später.“
Die beiden Sanitäter waren heran und machten eine erste Untersuchung. „Transportfähig. Keine äußeren Wunden. Blutaustritt aus Ohren und Nase. Ihn muss eine Druckwelle erwischt haben. Dabei sind ihm wohl die Trommelfelle geplatzt. Und beim landen hat er sich ne Gehirnerschütterung zugezogen. Wir packen ihn gleich warm ein, das ist das Beste was wir tun können, bis er auf dem Hauptverbandsplatz ist.“
„Druckwelle?“
„Er muss zu nahe an einer der Raketen gewesen sein, als der Luftangriff erfolgte“, sinnierte Stonefield. Dann sah er auf. „Was gibt es da zu glotzen? Warum ist die Reihe noch nicht weitergegangen?“
Murrend schritten die ANZAC-Soldaten wieder aus.

Gegen Mittag hatten sie die fünfte komplette Runde geschafft. Noch immer fielen vereinzelt Schüsse. Die vielen Toten schienen die Wildtiere nicht nur wie magisch anzulocken, sondern sie auch zu Risiken zu verführen, die sie normalerweise nie eingegangen wären.
Das Mittagessen, spendiert von einer hawaiianischen Feldküche, ließen viele der Männer aus. Die Prophezeiung des Sergeants hatte sich bewahrheitet. Bei einigen hatte sich der Magen umgedreht, bei anderen sogar noch weit mehr.
Währenddessen saß Stonefield mit einem Lieutenant der Polizei beisammen. Sie plauderten wie alte Kameraden und der Australier bot dem Hawaiianer sogar von seinem Kautabak an. Im Ausgleich reichte ihm der Lieutenant ein paar Scheiben Ananas.
Wenig später war das Platoon um Zigaretten und Schokolade ärmer, kaute dafür aber frisch geschlagenes Zuckerrohr.
„Da drüben brauchen Sie nicht zu suchen. Da haben die schweren Vögel der Texaner alles umgegraben. Wir sind noch am selben Abend drüber gegangen und haben alles aufgelesen, was noch entfernt menschenähnlich war.“
„Nun, Lieutenant Shirley, dann gehen wir den Süden noch mal ab.“
„Teilen wir uns das Gelände. Ich schicke meine Männer über die östliche Hälfte und Sie Ihre Männer über die westliche.“
„Abgemacht.“
„Wir haben natürlich nicht Ihre schönen Wimpel.“
„Wir können Ihnen ein paar leihen, Lieutenant.“
„Danke. Und wenn Sie damit fertig sind, können Sie Ihren LT ja in unserem Lazarett suchen. Wir haben viele ANZAC-Soldatn dort rüber geschafft, aber einige sind noch auf dem Weg gestorben. Vielleicht ist ihr Lieutenant Weber unter diesen Leuten. Vielleicht ist er im Lazarett und er wurde einfach noch nicht identifiziert. Die Ärzte haben eine Menge zu tun, Stonefield.“
„Verstehe. Danke für das Angebot.“
Die beiden Männer erhoben sich und riefen ihre Einheiten zusammen. Kurz darauf waren die Männer wieder auf dem Feld.
Als sie ihre Runden gegangen waren schickte Stonefield seine Jungs zu den bedauernswerten Soldaten, welche die Toten einsammeln mussten. Er selbst nahm sich drei seiner Jungs mit, Leluc, Smith und Willinsborough, und marschierte zum Lazarett am Rande des Feldes.
Im Lazarett sah es wirklich schlimm aus. Nicht so schlimm wie nach Gallipolli. Weder mangelte es den Ärzten an Ausrüstung, noch an Personal. Und noch wichtiger, diese Männer und Frauen hatten erst eine schlaflose Nacht hinter sich, nicht deren ein halbes Dutzend.
Als die kleine Gruppe ankam, sahen sie gerade dabei zu, wie einige Verletzte der ANZAC auf einen LKW verladen wurden.
„Irgendwelche Kommentare, Leluc?“, fragte Stonefield bei dieser Szene.
Der Mann schluckte betroffen und zog es vor zu schweigen.
„Entschuldigen Sie, Doc“, sprach der Sarge einen vorbeigehenden Arzt an.
„Was wollen Sie, junger Mann? Wir haben hier wirklich viel zu tun“, sagte der grauhaarige alte Mann streng.
„Wir suchen unseren LT. Ich bitte Sie um die Erlaubnis, nachsehen zu dürfen, ob er hier irgendwo in den Betten liegt. Oder ob er bei den Toten ist.“
„Gehen Sie ruhig in den Ruheraum. Wir haben noch ein paar ANZAC dort. Aber stören Sie den Betrieb nicht, stehen Sie nicht im Weg rum und hören Sie auf das Pflegepersonal. Wie heißt denn Ihr Lieutenant?“
„Second Lieutenant Gregory Weber, Sir.“
„Weber? Second Lieutenant?“ Der Arzt seufzte. „Ich bin mir nicht sicher, aber schauen Sie mal im Totenzelt nach. Ich meine, wir haben gestern Abend einen Lieutenant Weber rein bekommen. Aber er ist noch auf dem Transport verstorben. Ich hoffe, ich irre mich.“
Stonefield schwieg erschüttert ein paar Sekunden. Dann bedankte er sich.
Die Vierertruppe war recht schweigsam, als sie das Lazarett verließ und in die provisorische Totenhalle ging. Zwei Männer waren damit beschäftigt, Wasser Eimerweise auszugießen-
„Das machen sie wegen der Toten“, sagte Stonefield tonlos. „Das Wasser verdunstet und entzieht der Umgebung Wärme. Dadurch setzt die Verwesung nicht so früh ein.“ Er nickte den Männern zu und trat ein.
Die Toten waren nicht aufgebahrt worden, sie lagen Seite an Seite am Boden. Auf der einen Seite waren es die ANZAC, auf den weißen Laken mit denen sie abgedeckt worden waren, lagen ihre Erkennungsmarken. Auf der anderen die Hawaiianer. Nur die Polizisten hatten Rangabzeichen getragen. Auf die anderen Leichen hatte man ihre Gewerkschaftsabzeichen gelegt, oder was immer man hatte finden können, um sie notdürftig zu identifizieren.
Wortlos schritt Stonefield die Australier ab, es waren wohl gut elf Mann. Es sprach Bände, wie vielen guten Männern in diesem Lazarett dann das Leben gerettet worden sein musste.
Leluc ächzte unter dieser Erkenntnis.
Endlich fand Stonefield den richtigen. Er beugte sich nieder, zog das Tuch fort und seufzte. „Kein Zweifel. Unser LT.“
Einer der Männer schluchzte. Stonefield selbst, eigentlich nicht nahe am Wasser gebaut, spürte eine verirrte Träne herabfallen und auf das Gesicht seines Lieutenant fallen. Hastig beugte er sich vor um sie fortzuwischen.
Er stutzte. „SANI!“
„Was gibt es denn?“
„Holen Sie mir sofort einen Arzt, und zwar dalli!“
„Aber hier sind…“
„SOFORT!“
„Sarge, was ist denn?“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen keinen Ärger machen! Was ist los mit Ihnen? Wenn Sie Ihren LT sofort mitnehmen wollen, müssen Sie nur für ihn unterschreiben! Verdammt, Sergeant, wir haben hier einen wichtigen Job zu erledigen!“
„Untersuchen Sie ihn.“
„Untersuchen? Hören Sie, ich denke mal, Sie sind ein Veteran von Gallipolli und wissen wir tote Männer aussehen, aber ich denke, dass…“
„Doc, der LT kam gestern Abend rein, oder? Pro Stunde kühlt eine Leiche um ein Grad aus. Er liegt hier schon mindestens sechzehn Stunden, also sollte er eiskalt sein. Er hat aber normale Körpertemperatur!“ Stonefield bedeutete auf die beiden Männer, die verdutzt dabei inne hielten Wasser auszugießen. „Also, wenn mein LT nicht gerade besonders schnell vergammelt, dann glaube ich ist er noch am Leben! Würden Sie das bitte bestätigen oder verwerfen?“
„Verdammte Veteranen. Geben Sie Ruhe, wenn ich es tue?“
„Ja, Sir.“
Der Arzt beugte sich leise fluchend hin und ergriff die rechte Hand des Lieutenant. „Noch keine Leichenstarre. Merkwürdig. Und er fühlt sich auch recht warm an… Hm, war das ein Puls?“ Der Arzt riss die Augenlider hoch und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe hinein. „Pupillenreflexe! Verdammt! SANI! ICH BRAUCHE EINE BAHRE! Freuen Sie sich, Sarge, vielleicht haben Sie Ihrem LT gerade das Leben gerettet!“
Nun geschah alles verdammt schnell. Zwei Männer mit einer Tragbahre kamen heran, luden den vermeintlichen Toten auf und schritten, gefolgt vom Arzt ins andere Zelt zurück.
Stonefield sah ihnen hinterher und ließ sich auf den Boden fallen. Er kramte eine Zeitlang in seiner Jacke und zog schließlich eine Schachtel Zigaretten hervor. Nachdenklich steckte er sich eine an. „Mistverdammter. Da hat der Cap ja ne richtig gute Idee gehabt, als er uns raus geschickt hat.“
„Sarge, ich will ja nicht meckern, aber müssen Sie hier rauchen? Ausgerechnet hier? Ich meine, all die Toten…“
„Willie, ich glaube nicht, dass es sie noch besonders stört, oder? Außerdem, gibt es eine bessere Gesellschaft als Menschen, die für ihr Vaterland gestorben sind?“
In einem Anflug von Großzügigkeit reichte er seine Zigaretten weiter. „Und was denkst du jetzt über die Hawaiianer, Leluc?“
„Ich denke gerade, warum wir uns mit ihnen anlegen mussten, Sarge.“
„Das, mein Junge, wissen nur die Leute mit den Sternen auf der Schulter.“

***

„Okay, Rat Pack, wir fächern weiträumig aus. Jeder hält zu seinem Flügelmann genau zehn Klicks Abstand ein. Wir fliegen in geringer Höhe und mit moderater Geschwindigkeit. Wenn es Steel gelungen ist auszusteigen, dann dürfte er gerade jetzt mit dem Winzboot im Meer treiben, dass er an die Flieger ausgegeben hat. Sperrt die Augen auf. So ein kleiner brauner Fleck inmitten der blauen See ist leicht übersehen.
Nach zwanzig Klicks machen wir eine Wende und suchen nach dem gleichen Muster im Norden weiter. Verstanden?“ Adrian Sholz, Vorarbeiter der Techgruppe und der erfahrenste Ford Hoplit-Pilot der Vierergruppe – ärgerlich, dass es nie zu einem richtigen Piloten gereicht hatte, fand er – nannte mit Stolz den Namen, den das kleine Geschwader der wendigen Vielseitigkeitsflieger sich selbst gegeben hatte: Rat Pack. Darin schwang eine Menge Stolz mit, immerhin waren sie es gewesen, die vier russische Zigarren geentert hatten. Immerhin waren sie es, die nach dem spielen der großen Jungs, umher flogen, um die Leute in der Seide aufzusammeln, also die abgeschossenen Piloten. Und sie leisteten auch den Großteil der wichtigsten Transfers. Nun, die Hoplits kamen selten, fast nie zu einem Kampfeinsatz, und wenn saß einer der „richtigen“ Piloten am Steuer, aber ein wenig Stolz auf die eigene Arbeit war nie verkehrt. Und außerdem waren Cat Pack und Dog Pack schon besetzt gewesen.
„Das gilt vor allem für dich, Becker. Du bist eigentlich noch viel zu frisch, um so weit über See zu gehen. Bleib in einer anständigen Höhe und halte Sichtkontakt zu deinen Nachbarn.“
Wohlweislich hatte Sholz das Greenhorn in der Mitte neben ihm platziert.
„Ja, ja.“
„Nicht, ja, ja, verstanden heißt das. Oder ich werfe dich Steel zum Fraß vor!“
„Musst du gleich so gemein werden?“, erwiderte der andere Techniker beleidigt.
Gelächter erklang auf der allgemeinen Frequenz.
„Okay, Herrschaften, genug gelacht. Ferngläser raus und haltet die Augen auf.“

Die Maschinen fächerten auseinander. Sie waren gerade mal zwanzig Kilometer von Pearl Citys Hafen entfernt. Irgendein Pilotengenie hatte berechnet, wie weit Steel bei seinem letzten Kurs und seiner letzten Geschwindigkeit bis zu seinem Notruf hatte kommen können, und Blue hatte zehn Kilometer davor und zehn dahinter das Suchgebiet angesetzt.
Eigentlich, wenn alles glatt ging, sollten sie den Staffelchef bereits beim ersten Flug im Wasser treiben sehen. Aber für den Fall dass es nicht klappte, gab es noch ein alternatives Suchgebiet in Richtung der bewohnten Inseln, falls Steel geistesgegenwärtig genug gewesen war, das feste Land zu suchen, als er gemerkt hatte, dass es in den Teich ging.
Falls der arme Junge allerdings abgesoffen war, dann würde ihm der Flug des Rat Packs auch nicht weiterhelfen. Dann suchten sie vollkommen umsonst. Das erinnerte ihn an Papillon. Die Hoplits der LONGHORN suchten nun schon den zweiten Tag, und die Chance, das arme Mädchen zu finden wurden immer geringer. Außerdem hatte sie weder die Geduld noch die Bullenkonstitution von Steel.
Neben und hinter ihm begannen die anderen Techniker und Marines mit Ferngläsern den Horizont abzusuchen. Sie flogen extra tief, um den Unterschied zwischen einer Katzenpfote und einem treibenden Boot unterscheiden zu können.
Katzenpfoten, so nannte man den weißen Wellenkamm, der einen böigen Wind ankündigte, der dicht über Wasser trug. So weit draußen gab es eine Menge davon.
„DA!“, rief Wednesday
Überrascht drehte sich Sholz um. Das war ja schnell gegangen!
„Nein, doch nicht. Nur ein Delfin. Verdammte Mistviecher! Was machen die auch die Meere unsicher?“
„Überleg dir was du sagst. Beim nächsten falschen Alarm lass ich dich Max´ Maschine alleine reparieren, Kerl!“
„Ist ja gut, ist ja gut. Was fliegt das Mädchen auch mitten durch ne Flak? Das Ding sieht aus als würde es überhaupt keinen Windwiderstand mehr bieten, bei all den Löchern.“
„Konzentrier dich lieber, ja?“
„Ja, ja.“
„Also, verstehen kann ich die Flak schon. Ich meine, bei Max hätte ich auch gerne einen Schuss frei. Ich stehe auf diesen italienischen Typ“, murmelte Craig.
„Vergiss es. Erstens würde dich der Commander aus der Hangarluke schmeißen und zweitens ist sie mit dem Skipper zusammen. Warum sollte sie dann ausgerechnet mit dir dämlichen Techniker ins Bett steigen?“
Der Marine sah kurz auf. „Das ist doch nur ein was wäre wenn. Ich würde auch mit dem Cap in die Kiste steigen, aber versuchen würde ich es nicht.“
Leises Gelächter antwortete ihm.
„Ja, Gallagher ist schon einen Blick wert“, sinnierte Wednesday. „Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind, meine Herren, das beste Mädchen an Bord unserer guten alten NORTH STAR ist immer noch und bleibt auch wohl nur eine.“
„Dusk“, entfuhr es Sholz.
„Dusk“, bestätigte Wednesday.
„Dusk“, sagte auch Roderik.
„Dusk“, meinte Craig mit einem Nicken.
„Ein Meter achtundsiebzig perfekt proportinierte Weiblichkeit mit dreiundneunzig, vierundsechzig, achtundachtzig. Haare wie schimmerndes Gold, Augen wie Opale und ein Gesicht, dass man bei Petrus anfragen möchte, ob er einen Engel vermisst.“
„Vorsicht vor diesem Engel. Sie gehört zur Rachesektion“, meinte Wednesday. „Ich habe ihr erst vorhin eine neue Abschussmarkierung aufgemalt!“ Der Mann räusperte sich verlegen unter den Blicken seiner Kameraden. „Auf die Maschine!“
„Wir haben nichts anderes erwartet“, spottete Sholz.
„Vergiss Dusk. Sie ist eine von den höheren Töchtern. Weiß der Henker warum sie mit Armstrong fliegt, denn Zuhause hat sie genügend Schotter. Und wenn sie was von ihm will, hat sie eh Pech. Im Moment sieht es so aus als würde der Außenseiter das Rennen machen“, brummte Roderik. Der Marine zuckte mit den Schultern. „Eins sechsundsechzig in Blond sind eben auch nicht zu verachten.“
„Vorsicht, Soldat, was du über unseren Boss sagst“, spottete Sholz. „Sam ist unser ein und alles.“
„Was eine ernste, verantwortungsbewusste und vertrauenswürdige Frau wohl von Armstrong will?“, brummte Craig. „Ich meine, der Commander in allen Ehren, aber der heißblütige Draufgänger ist er eigentlich nicht. Und den charmanten Schurken mimt er auch nicht.“
„Ist Blue nicht der heißblütige Draufgänger an Bord? Schon gut, nur ein Witz.“
„Steel vielleicht. Er wirkt zwar immer als würde er nach dem aufstehen einen Stahlbarren scheißen, aber erinnert euch an die Sache mit dem japanischen Flugfeld. Oder vorgestern, als er diesen Zeppelin mit einem Tankwagen gerammt hat. Ich sag euch was. DAS ist ein wahrer Draufgänger. Wundert mich, dass ihm die Frauen nicht nachlaufen.“
„Craig, komm. So schlecht ist unser Commander nun auch wieder nicht. Er ist eben mehr der Kumpeltyp. Einer von denen, die nicht mit dem Kopf durch die Wand müssen, aber der für dich da ist. Erinnerst du dich noch an diese hässliche Geschichte mit Captain Bloomberg von der LONGHORN? Wollte sich das Kopfgeld auf den Commander verdienen und hat ihn in diesem Bordell in die Falle gelockt. Der Commander hätt´s dabei belassen können, aber nein. Hat sie alle raus gehauen.
Oder oben bei den Russen. Die Infanterie der Weißen war verloren und gekauft, und dieser Himmelhund macht nicht nur einen halbverrückten Flugstunt, um die Truppe aus dem Hangar wieder rauszuballern, er tischt den Sowjets auch noch auf, er wäre ein Japaner. Ich sag euch was. Steel ist für die Verrücktheiten im richtigen Moment da. Ansonsten kann er meinetwegen Stahleier legen. Blue ist unsere sorgende Mutter und unser Gewissen.
Und Armstrong, meine Herren, ist der Mann, der immer das richtige Maß kennt, der auf uns achtet und uns immer genügend Leine lässt. Abgesehen davon, dass er uns reich macht.“
„Ich weiß nicht. Hebst du Armstrong nicht zu hoch, Sholz? Ich denke, Blue ist besser.“
„Hm. Nein. Ich habe eine gute Menschenkenntnis, und ich denke, bei Armstrong sollten wir bleiben. Oder hat jemand einen anderen Favoriten?“
„STEEL!“
„Wir kennen deine Meinung, Craig. Du brauchst nicht zu brüllen.“
„Nein, nein, du Idiot! Ich sehe Steel! Unter uns im Wasser! Verdammt, ja, das ist ein kleines Schlauchboot! Definitiv! Blondrote Haare, wir haben unseren Dog Pack-Leader gefunden!“
„SAG DAS DOCH GLEICH! NORTH STAR, NORTH STAR, hier Hoplit one. Haben Steel gefunden. Gehen tiefer und fischen ihn auf.“
„Roger, Hoplit one. Sagen Sie Bescheid wie es ihm geht, sobald Sie ihn an Bord haben.“
„Verstanden, Skipper. Also, ich gehe jetzt runter. Holt ihn rein und gebt ihm am besten gleich was zu trinken. Der wird dankbar sein, uns zu sehen.“
„Rat Pack Leader, gratuliere. Du hast ihn gefunden. Hast du noch was für uns zu tun?“
„Nein, ihr könnt mit euren drei Vögeln zurückkehren. Wir kommen sofort nach.“
„Roger. Verabschieden uns. Und grüßt Steel von uns. Falls der alte Choleriker euch zu Wort kommen lässt.“
„Roger.“
Der Hoplit begann auf der Stelle zu schweben, während er langsam nieder ging.
Die kräftigen Rotoren wühlten das Wasser auf, und je näher sie dem treibenden Boot kamen, desto mehr hatte der notgewasserte Pilot mit dem Abdrift durch den Druck zu kämpfen.
Das Heck wurde geöffnet und Craig warf Steel eine Strickleiter zu.
Es dauerte nicht lange und der groß gewachsene Industrial erklomm die Kabine des Hoplits.
Er sah schlimm aus, schien aber unverletzt zu sein. Aufgerissene Lippen und ein paar geplatzte Brandblasen berichteten davon, dass der Pilot zu viel trainiert und zu wenig Sonne getankt hatte, um zwei halbe Tage auf einer extrem spiegelnden Wasserfläche ohne Sonnenbrand zu überstehen.
„Willkommen an Bord, Sir. Wir bringen Sie sofort zur NORTH STAR. Sind Sie unverletzt?“
„Natürlich bin ich unverletzt! Und das hat ganz schön lange gedauert! Können wir nicht langsam mal abfliegen?“
Eine gnädige Seele reichte Steel eine Wasserflasche, die dieser barsch ergriff.
„Übrigens, Sir, bevor Sie fragen, die Schlacht ist vorbei. Wir haben gewonnen.“
„Natürlich haben wir gewonnen!“, blaffte Steel kurz angebunden.
Sholz dachte sich seinen Teil, während er die Meldung durchgab, dass Steel zwar Medium gebraten, ansonsten aber unverletzt war. Danach zog er den Hoplit hoch und zog ihn wieder Richtung Oahu.
Steel musste plötzlich grinsen, obwohl die spannende Haut ihm Schmerzen bereitete. „Na, Jungs, ihr seid mir auf jeden Fall lieber als die Haie.“
„Gut zu wissen“, kommentierte Craig grinsend.
23.08.2020 18:50 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die Kampfgruppe Shusui war auf dem Rückmarsch Richtung Heimat. Der Kreuzer Aoba und die drei Zerstörer waren nicht zum Einsatz gekommen, hatten nicht eine einzige Granate im Kampf abgefeuert. Bei der Mannschaft der Schiffe herrschte eine eigenartige Mischung sich teilweise widersprechender Gefühle. Da war Enttäuschung über die verpasste Chance, Ruhm und Ehre zu gewinnen. Da war natürlich auch Erleichterung, wenn auch meist verborgen, dass sie überlebt hatten, dass der gefürchtete direkte Schlagabtausch der Kriegsschiffe, der einen regelrechten Krieg zwischen Japan und dem Commonwealth hätte verursachen können, ausgeblieben war. Und da war Bewunderung, fast schon Neid, gegenüber den Männern der japanischen Streitkräfte, die tatsächlich gegen den Feind gekämpft und bei der Abwehr der Invasion maßgeblich mitgeholfen hatten.

Die letzten beiden Gefühle richteten sich vor allem auf den ‚Neuzugang’ der Kampfgruppe. Auf das U-Boot der Junsen-Klasse, dass im Schlepptau der FUBUKI fuhr.
I-3 hatte den Feind angegriffen, es hatte ein australisches Kriegsschiff versenkt, und es war – wenn auch beschädigt – aus eigener Kraft dem Gegner entkommen.
In der Flotte gab es wenig Zweifel daran, dass diese Heldentat, und der verbissene Abwehrkampf der Flieger der KAMIKAZE maßgeblich dazu beigetragen hatten, die Invasion scheitern zu lassen. Kapitän Watanabe, seine Offiziere und Matrosen mussten immer wieder die Geschichte ihres Einsatzes erzählen. In der Heimat würden Anerkennung und Orden auf sie warten, auch wenn es vorerst ein Geheimnis bleiben musste, WOFÜR sie diese Auszeichnungen erhielten.

Im Hagel der Wasserbomben hatte Watanabe erkennen müssen, dass weder sein Boot noch seine Leute eine weitere Verfolgung noch lange durchstehen würden. Also hatte er einen alten U-Bootfahrertrick angewendet. Er hatte befohlen, Öl ins Wasser zu leiten, um dem Feind vorzugaukeln, sie hätten I-3 versenkt. Gleichzeitig hatte Watanabe das U-Boot mit gestoppten Maschinen auf den Meeresgrund sacken lassen. Um die Täuschung abzurunden, hatte er auch einige Teile der Innenausstattung durch ein Torpedorohr ausgestoßen: zwei Bastmatten, ein paar Strohsandalen wie sie die Mannschaft trug, und ähnliche Kleinigkeiten.
Der Trick hatte funktioniert, auch weil Watanabe zu Recht davon ausging, dass die ANZAC einfach nicht die Zeit haben würden, eine langwierige Nachsuche durchzuführen.

Sobald die feindlichen Schiffe abgelaufen waren, war I-3 mit letzter Kraft und dem Befehl ‚Alles Anblasen’ aufgetaucht. Endlich, nach nunmehr fast zehn Stunden, war wieder Frischluft in das Innere des Bootes geströmt. Auch wenn die Luftvorräte des Bootes theoretisch etwa zwei Tage reichten, der Mannschaft war ein Stein vom Herzen gefallen.
Die nächsten Stunden waren noch einmal hart geworden. Einer der Diesel weigerte sich, anzuspringen. Durch das Wabobombardement war Batteriesäure aus einigen Zellen ausgelaufen – im Maschinenraum war die Arbeit zeitweise nur mit Tauchrettern möglich gewesen. An mindestens zwei Stellen nahm das Boot Wasser auf.
Mit letzter Kraft hatte sich I-3 davon geschleppt. Kapitän Watanabe hatte noch einmal alles riskiert, und einen kurzen, doppelt verschlüsselten Hilferuf an die Kampfgruppe Shusui abgesetzt. Bewusst war er damit ein hohes Risiko eingegangen. Hätten die ANZAC den Funkspruch entschlüsselt oder angepeilt…
Eine australische Fliegerrotte oder auch ein Kriegsschiff hätten das angeschlagene Boot lange vor den japanischen Einheiten erreichen können. Und I-3 war nicht mehr tauchfähig gewesen.
Kapitän Watanabe hatte die beiden 14-Zentimeter Geschütze besetzen, Handfeuerwaffen ausgegeben und die beiden leichten Maschinengewehre auf der Brücke aufstellen lassen. Wenn der Feind schneller gewesen wäre, als die Schiffe der Shusui-Kampfgruppe, I-3 wäre kämpfend untergegangen. Eine Kapitulation verboten die Befehle der Admiralität und die ehernen Traditionen der kaiserlichen Flotte.
Aber es war noch einmal alles gut gegangen. Im Morgengrauen waren es dann die FUBUKI und die ISUNAMI gewesen, die das beschädigte U-Boot gesichtet und aufgenommen hatten. Gegen frühen Mittag waren dann auch die AOBA, die MURAKUMA und der Flottentanker TENCHU-MARU hinzu gestoßen. I-3 war in Schlepp genommen worden, und dann hatte Vizeadmiral Koda Kurs Heimat befohlen.

***********

Irgendwo, etwa einhundert Seemeilen von dem Flottenverband entfernt, war auch I-154 auf Heimatkurs gegangen. Der Kapitän des Flottenbootes haderte insgeheim mit seinem Schicksal. Er hatte sich böse verschätzt. Sein Funker hatte einen verstümmelten Funkspruch aufgefangen, den er fälschlicherweise der ANZAC-Flotte zuordnete. Da I-154 mit Höchstgeschwindigkeit in die falsche Richtung marschiert war, hatte es wertvolle Zeit verloren. Als der Kapitän seinen Irrtum erkannte und auf Gegenkurs ging, war es bereits zu spät, zumal zweimal ein unidentifiziertes Flugzeug am Himmel zum Alarmtauchen und Abwarten gezwungen hatte.
Sie waren zu spät gekommen. Um ein oder zwei lächerliche Stunden zu spät. Hätte er nicht diesen Fehler gemacht, I-154 hätte mit I-3 zusammen angegriffen…
Der Kapitän war sich sicher, dass in diesem Fall die ANZAC nach Hause hätten schwimmen müssen. Und zwar ohne Schiffe…
Aber diese Gelegenheit hatte er verpasst. Watanabe war ihm zuvorgekommen. Er konnte sich nur damit trösten, dass die Zukunft weitere Möglichkeiten bringen würde, Ehre zu erringen…

***

Und noch ein drittes japanisches U-Boot fuhr Richtung Heimat. Auch I-5 war nicht zum Schuss gekommen, aber das belastete Fregattenkapitän Tanigaki nicht besonders. Immerhin wusste er um die Bedeutung seines Spezialauftrags, den er fehlerlos und akkurat ausgeführt hatte. Die Admiralität würde zufrieden sein.
Kurz wanderten die Gedanken des Kapitäns zu dem Agenten, den sie in einem Schlauchboot treibend zurückgelassen hatten. Auch wenn er nicht viel von gajin im Allgemeinen, und Geheimagenten im Speziellen hielt, insgeheim bewunderte er diesen Mann. Es war keine Kleinigkeit, eine Maschine bewusst notwassern zu lassen, und sich dann dem Meer und einem winzigen Schlauchboot anzuvertrauen, das selbst für einen einzigen Mann zu klein erschien. Im Stillen sprach Fregattenkapitän Tanigaki ein kurzes Gebet für den Agenten. Ein Gebet für seine sichere Heimkehr. Oder einen schnellen Tod.
Das Boot zog weiter seine Bahn Richtung Japan…
23.08.2020 18:51 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Irgendwo zwischen Pearl City und Honolulu

Zwei Autos und auch nur sechs zuverlässige Kämpfer zu finden, hatte länger gedauert, als es Shimada lieb war. Er schob die Schwierigkeiten auf das immer noch herrschende Chaos. Aber trotzdem ärgerte ihn die Verzögerung. Je länger er wartete, desto größer war Wahrscheinlichkeit, dass jene schattenhaft bleibenden Kräfte, die den Anschlag auf Fumio Kazuo durchgeführt hatten, wieder aktiv wurden. Oder irgendjemand, der Shimada loswerden wollte, die günstige Gelegenheit nutzte. Es gab genug Leute, die dafür in Frage kamen. Der Morgen war bereits heraufgedämmert, als die kleine Kolonne aufbrach. Die Fahrt zog sich zusätzlich hin, weil Shimada befohlen hatte, Seitenwege zu benutzen. Abgesehen davon hatte er sich in Schweigen gehüllt, mit ausdruckslosem Gesicht vor sich hin gegrübelt. Und Shimadas Leibwache hütete sich davor, ihn dabei zu stören. Shimada war einfach nicht der Typ, mit dem man ein zwangloses Gespräch anfing.

In einer besseren Welt hätte Shimada eine Warnung erreicht, wäre das Folgende vermeidbar gewesen. Aber die immer noch chaotischen Kommunikationsverhältnisse verhinderten dies. Deshalb wusste Hiroshi nichts über die veränderte Siuation, als am Stadtrand von Honolulu die kleine Polizeipatrouille vor ihnen auftauchte. Allerdings war er ohnehin misstrauisch, noch bevor der Polizeilieutenant ‚Anhalten’ signalisierte.
Die beiden offenen Wagen stoppten. Hiroshi richtete sich auf, musterte den jungen Polizeioffizier und seine vier Untergebenen. Was er sah, gefiel ihm nicht. Die vier Polizisten wirkten hochgradig nervös, und ihr Vorgesetzter starrte Shimada auf eine Art und Weise an, die bei dem Gewerkschaftsführer die Alarmsirenen schrillen ließ: „Was ist?“
Der junge Polizeioffizier konnte sein Glück kaum glauben. Eigentlich sollte seine kleine Einheit nur Präsenz demonstrieren, als sichtbarer Beweis, dass die Polizei aktiv war – in diesem Vorort hatte es gestern Unruhen gegeben. Aber als er gesehen hatte, wer in diesem Auto saß, war ihm klar geworden, dass das seine große Chance war. Dass ausgerechnet er es sein würde, der den Mörder des Vorsitzenden der japanischen Gemeinde stellte…
Er würde befördert und ausgezeichnet werden.

„Wir haben…“ Während dieser Worte ließ er die Hand unauffällig zu seiner Pistolentasche wandern. Aber nicht unauffällig genug.
Hiroshi Shimada verdankte seine Position nicht nur schönen Worten und Versprechen. Er besaß außerdem die Reflexe eines Straßenkämpfers. Und auch wenn er übermüdet war, er hatte nichts von seiner Schnelligkeit verloren. Seine Fußspitze traf den Lieutenant knapp unter der Kehle. Ein paar Zentimeter weiter oben, und er hätte dem jungen Mann den Kehlkopf zertrümmert. So aber flog der Polizeioffizier nur ein paar Schritte zurück, und stürzte. Im nächsten Augenblick hatte Shimada seine Pistole herausgerissen, dicht gefolgt von seinen Leibwächtern. Doch auch die Polizisten waren nur um ein Weniges langsamer. Binnen zwei Sekunden hatte sich die angespannte Situation an den Rand eines Blutbads katapultiert.
„DIE WAFFEN WEG! DIE WAFFEN WEG!“
„RUNTER! RUNTER DU SCHWEIN!“
„DIE HÄNDE HOCH! DIE HÄNDE HOCH!“
„ICH KNALL EUCH AB! ICH KNALL EUCH ALLE AB!“
„EINE BEWEGUNG UND IHR SEID TOT! TOT!“
„IHR VERDAMMTEN SCHWEINE!“
Über die Läufe der Waffen hinweg brüllten sich die Männer gegenseitig an, ließen die Waffen drohend über die Reihen ihrer Gegner wandern. Sie versuchten auch, ihre eigene Nervosität und Angst niederzuschreien. Wer auch immer das Feuer eröffnete, er würde ein Massaker auslösen – auf diese Entfernung waren Fehlschüsse fast unmöglich.
„RUHE! RUHE VERDAMMT!“ Irgendwie schaffte es Hiroshi Shimada, dass seine Stimme das Durcheinander aus Befehlen, Drohungen und Flüchen übertönte. Nun ja, immerhin hatte er genug Übung darin, einer Menschenmenge seinen Willen aufzuzwingen. Schlagartig wurde es still. Totenstill. Die Stille, bevor der Sturm losbrach.
Der junge Second Lieutenant hatte endlich seine Pistole freibekommen – und musste feststellen, dass Shimadas Waffe genau auf seinen Kopf gerichtet war. Jetzt klang die Stimme Shimadas leise. Leise, aber eiskalt: „Was soll das, verdammt? Versteht diese jämmerliche Marionette auf dem Thron DAS unter freiem Geleit?“
„Sie sind zur Fahndung ausgeschrieben. Sie müssen…“
„Ich muss GAR NICHTS.“
„Sie sind verhaftet. Wenn Sie wirklich unschuldig sind, haben Sie nichts zu befürchten. Aber Sie müssen sich stellen.“ Der Polizeioffizier wusste selber nicht genau, woher er den Mut für diese Worte aufbrachte. Seine Stimme klang gepresst, aber fest.
„Glauben Sie selber den Schwachsinn, den Sie da reden? Und wenn Sie denken, ich lasse mir ganz einfach Handschellen anlegen, dann sind Sie nicht nur dumm, sondern auch noch selbstmörderisch.“
Der Lieutenant biss die Zähne zusammen. Seine Stimme klang wütend: „Wenn ich meinen Leuten befehle zu feuern…“
Shimada schnitt ihm Wort ab. Er sprach leise, fast flüsternd. Dennoch wurde er verstanden. Verdammt gut sogar: „Sie haben drei Möglichkeiten.
EINS – Sie wollen den Held spielen, und meine Leute sind schneller als Ihre. Dann sind Sie tot. Dann sind Ihre Männer tot. Und ich verschwinde ganz einfach, wie Rauch, der in den Himmel steigt. Der Polizist ist noch nicht geboren, der mich festnimmt.
ZWEI – Sie oder einer Ihrer Männer schafft es tatsächlich, mich zu erschießen. Toll. Dann sind Sie ein Held. Aber ein toter Held, denn ich verspreche Ihnen, einer meiner Jungs knallt Sie ab, wenn ich das nicht schaffe. Vielleicht meinen Sie, ein Heldenbegräbnis und eine dämliche Flagge für Ihre Eltern ist Ihren Tod wert. Aber man wird Sie auch in Erinnerung behalten als den Mann, der einen Bürgerkrieg angefangen hat. Denn wenn ich sterbe, dass schwöre ich, dann wird Blut fließen. Viel Blut. Dann werden wir zurückschlagen, und wenn ganz Honolulu in Blut ersäuft. WOLLEN SIE DAS?!“
„Dann sind Sie aber auch tot!“
Hiroshis Shimadas Gesicht verzerrte sich zu einem zynischen Lächeln. Einem Lächeln, dass die Augen nicht erreichte: „Ich weiß nicht, was Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden getan haben. ICH habe gegen die ANZAC gekämpft. An vorderster Front. Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich jetzt ausgerechnet Angst vor IHNEN habe. Und außerdem…Das Leben ist sowieso nur ein Traum. Ein Traum, aus dem wir alle erwachen müssen.
DREI – Sie und ich, wir gehen getrennte Wege. Sie bleiben am Leben, Ihre Männer auch. Sie können immer noch hoffen, mich später zu stellen. Ihre Entscheidung. Ihr Leben.“
Der Lieutenant überlegte fieberhaft. Er wollte nicht sterben. Ihm war sein Leben nicht egal. Shimada schien keine derartigen Bedenken zu haben. Es klang irrsinnig, aber fast schien es, als sei es Shimada gleichgültig, ob er lebte oder starb.
Vor allem aber hatten Shimadas Worte über den drohenden Bürgerkrieg den Lieutenant erschüttert. Die Gewerkschaften hatten ihre Fähigkeit bewiesen, hunderte von Kämpfern zu mobilisieren und zu bewaffnen. Und diese Männer hatten bewiesen, dass sie es verstanden zu kämpfen, und auch zu sterben. Was, wenn Shimadas Tod, oder auch seine Verhaftung, einen bewaffneten Aufstand auslösten? Ein Blutbad, das mindestens ebenso viele Menschen das Leben kosten konnte, wie die gescheiterte Invasion. Das war eine Verantwortung, die der junge Offizier nicht auf sich laden wollte. Ein Blick zu seinen Leuten – sie hatten ihre Waffen angelegt, aber auch sie wirkten verunsichert. Es fühlte sich für sie einfach nicht…richtig an, jetzt, unmittebar nach der Invasion, den Mann zu verhaften, der mehr als dreihundert Kämpfer in die Schlacht geworfen hatte. Und auch sie wollten nicht sterben.
Das galt natürlich auch für Shimadas Leute, aber die waren Mann für Mann auf den Gewerkschaftsführer eingeschworen. Sie wussten, wofür sie jetzt notfalls kämpfen und sterben mussten. Loyalität und Treue. Shimada hatte eine gute Wahl getroffen. Und natürlich waren sie zahlenmäßig überlegen. Wenn der Lieutenant jetzt ‚Feuer’ befahl, dann würden mehre seiner Leute sterben. Vielleicht alle.
„Verschwinden Sie, verdammt!“ Das Gesicht des Lieutnant war dunkelrot angelaufen, vor Wut und Scham. Aber er sah keinen anderen Ausweg.
Shimadas Antwort war nur ein knappes Nicken. Falls er erleichtert war, so verbarg er es geschickt. Stattdessen wandte er sich an seine Untergebenen, die allerdings weiter ihre Waffen im Anschlag hatten. Auch wenn die Situation sich geringfügig entspannt hatte, keiner der Bewaffneten traute der anderen Seite.
„Jungs, ich setze mich ab. Sobald ich weg bin, zieht ihr euch zurück. Kein Schuss, KEIN SCHUSS – wenn die anderen nicht anfangen. Dann taucht ihr unter. Ich glaube, ihr könntet in nächster Zeit bei irgendjemand etwas unbeliebt beliebt sein.“ Das rief bei ein oder zwei Männern ein kurzes, nervöses Auflachen hervor, ohne dass sie ihre Waffen jedoch gesenkt hätten.
„Sie können nicht ewig davon laufen!“
Shimada drehte sich noch einmal zu dem Polizeilieutenant um. Wieder lächelte er, ohne dass seine Augen ihren harten, feindseeligen Ausdruck verloren: „Vielleicht nicht. Wir werden sehen. Doch wenn Sie mich stellen sollten – dann werden Sie vielleicht merken, dass das ein Fehler war.“ Dann saß er auch schon in einem der Wagen, und gab Gas. Er wollte nur ein paar Straßen hinter sich bringen, und dann zu Fuss untertauchen. Sicherlich hatte irgendein Anwohner bereits die Polizei gerufen. Er musste den Wagen schnell loswerden. Zum Glück kannte er Honolulu inzwischen wie seine Westentasche, kannte vor allem auch Verstecke und Schleichwege.
Kurz verzerrten sich die Züge des hageren Gewerkschaftsführers wütend. Soviel zu ‚freiem Geleit’. Er hätte es wissen müssen. Dieser König glich einer Wetterfahne. Oder aber er hatte die Polizei nicht mehr unter Kontrolle, und die machte, was sie wollte. Wie dem auch sei, er hatte seine Lektion gelernt. Jetzt wurde es Zeit, dass der König und sein Polizeichef etwas lernten. Und ihre erste Lektion war, dass Hiroshi Shimada nicht so einfach zu fangen war.
23.08.2020 18:52 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Also, meine Herren, wie kann Hawaii Ihnen danken?“ Kamehameha der Dritte sah von einem zum anderen, fixierte die beiden Kapitäne, den Staffelchef und den Commander nacheinander. „Wie kann ich ihnen und ihren Leuten vergüten, was Sie getan haben?“
King kratzte sich verlegen an der Schläfe, bekam dunkle Wangen als er es bemerkte und sah wie ein betretener Schuljunge zu Boden.
Ishida Isokure räusperte sich vernehmlich. „Majestät, darf ich Euch daran erinnern, dass Commander Stone uns im Namen von Hawaii zwangsverpflichtet hat? Ich wäre Euch dankbar dafür, wenn Ihr mein Schiff und meine Piloten mit allen Ehren aus Ihrem Dienst entlassen und uns großzügig noch etwas Liegezeit einräumen, damit wir aufräumen können. Außerdem hat die KAMIKAZE Maschinen und Piloten verloren. Ich wäre Euch persönlich sehr verbunden, wenn Eure Majestät sowohl ein erklärendes Dankschreiben an die kaiserliche Admiralität aufsetzt als auch entsprechende Dankschreiben an die Familien der Gefallenen.“
Ishida trat einen Schritt vor, öffnete seine Uniformjacke und zog einen Briefbogen hervor. „Hier ist eine komplette Liste unserer Gefallenen und die Anschrift ihrer Familien.“
„Selbstverständlich, Sho-sa Ishida. Und für sich selbst? Wünschen Sie da nichts? Ich weiß nicht, was hawaiianische Orden einen Wert für Sie haben, aber wir haben das amerikanische System übernommen. Ich würde gerne dem einen oder anderen ihrer Männer einen Bronce Star verleihen. Außerdem würde ich gerne Ihnen, Tai-i Sakai, für Ihren erfolgreichen Streich gegen das Hauptquartier der ANZAC den Silver Star verleihen.“
Überrascht sah der Pilot den König an. Dann ging sein Blick zu Dave Stone.
„Bei allem Respekt, Eure Majestät, aber eine solche Auszeichnung kann ich nicht alleine annehmen. Commander Stone hat…“
„Natürlich werde ich dem Commander ebenfalls den Silver Star verleihen, wenn er bereit und in der Lage ist, diese Auszeichnung anzunehmen.“ Kamehameha der Dritte lächelte liebenswürdig. „Zudem würde ich zu gerne jedem Piloten das Flying Cross umhängen und den Verwundeten das Purple Heart.“ Kurz legte sich ein Schatten auf seine Züge. „Der Bronce Star wird selbstverständlich an alle gefallenen Piloten posthum verliehen.“
„Das ist sehr liebenswürdig von Euch, Majestät. Im Anbetracht der guten Beziehungen unserer Länder nehme ich die Verleihung der Auszeichnungen dankend an.“ Ishida verneigte sich steif, dann trat er einen Schritt zurück und war wieder in der Linie.
„Gibt es sonst etwas, womit ich den japanischen Helden eine Freude machen kann?“, hakte der König nach.
„Nun, Majestät, wenn Ihr schon fragt“, klang Sakais Stimme auf, „wir würden uns sehr darüber freuen, wenn wir unseren unterbrochenen Abend im Dragon&Sword fortsetzen könntet.“
„Selbstverständlich. Der Staat übernimmt sämtliche Kosten. Aber erlauben Sie mir, meine Herren, zusätzlich auch die Piloten der King´s Black Guards und der SHOOTIST und der LONGHORN einzuladen.“
„Selbstverständlich, Eure Majestät“, bestätigte Ishida freundlich. Seine stoische Maske verrutschte für einen Moment und man sah ihn lächeln.
„Kommen wir zu Ihnen, Kapitän King. Was wünscht sich ein Mann, der Hawaii so gut kennt wie Sie? Womit kann ich Ihnen und Ihrer Bereitschaft, für dieses Land zu kämpfen, eine echte Freude machen?“
Der Riese kratzte sich am Hinterkopf, stellte die Geste aber sofort ein, als sie ihm auffiel. „Nun, Sir, wenn Sie A-Train auch diesen Bronce Star geben, dann denke ich, ist alles in Butter. Wir werden ja bezahlt für den Job, und ich denke, dass das mehr als ausreicht. Es war halt unsere Pflicht und es ist mir eine Freude gewesen, dass Pflicht und Interessen mal so eng beieinander lagen.“
Der König musterte den Riesen. „Mizunami-san.“
„Majestät?“
„Bitte lassen Sie sofort einen Brief aufsetzen, der der VELVET vorrangiges Landerecht auf allen Flughäfen Hawaiis einräumt. Außerdem ist der Aufenthalt für die VELVET auf allen Feldern des Königreichs ab sofort kostenfrei.“ Kamehameha lächelte dünn. „Aber das Flugbenzin müssen Sie dennoch bezahlen, Kapitän King.“
Der Riese war reichlich verlegen. „V-versteht sich doch von selbst, Sir! I-ich danke Ihnen. Eine Belohnung habe ich gar nicht erwartet.“
„Dann ist sie sicher umso willkommener.“ Der König wandte sich Armstrong zu. „Und was kann ich für dich tun, Dave?“
Gallagher, die wie die letzten Tage auch hinter seiner Majestät stand, ließ ein kurzes, belustigtes Schnauben hören.
„Nun, Majestät, Ihr könntet gut daran tun, nicht nur die Piloten zu belobigen, sondern auch die Polizisten und Freiwilligen, die im Feld gekämpft haben.“
Der König lächelte leicht. „Selbstverständlich. Ich werde morgen Abend, wenn sich die Teilnehmer der Bodenkämpfe ausgeruht haben, einen Empfang geben und die Anführer der verschiedenen Untergruppen empfangen und ehren. Ich habe vor, auch dort ein paar Bronce Stars zu verteilen. Außerdem mehrere Army Medals. Dazu werden auch drei Silver Stars gehören – einer wird in Abwesenheit an Hiroshi Shimada verliehen werden. Ich weiß, ich weiß. Aber das eine ist der Krieg, und Shimada hat darin gekämpft und sein Leben riskiert, während er seine Leute geführt hat, zumeist von der Front. Er hat sich dafür diese Medaille verdient. Außerdem dürfte diese Verleihung in Abwesenheit das richtige Signal an…Gewisse Leute sein.“
„Ich verstehe“, brummte Dave, war aber weit davon entfernt, zufrieden zu sein. Er war lediglich etwas beruhigt.
„Also, was darf es sein? Womit kann ich dem Helden von Hawaii eine Freude machen? Abgesehen vom Silver Star?“
Hilflos hob Dave die Arme. „Wie wäre es mit Eurer unverbrüchlichen und ewigen Freundschaft, Majestät?“
Kamehameha lachte bellend auf. „Hast du denn so viel geleistet, dass du gleich den Hauptgewinn kassieren willst?“
Nun, das brachte Dave Stone ehrlich aus dem Konzept.
Seine Majestät erhob sich und winkte den Commander heran. Der ergriff zögerlich die dargebotene Hand. Kamehameha grinste schief als er meinte: „Ich heiße übrigens Harold, Dave.“
„Freut mich dich kennen zu lernen, Harold“, erwiderte Armstrong mit einem breiten Grinsen.
Nachdem Dave wieder in die Reihe getreten war, setzte sich der König wieder. „Meine Herren, wir sehen uns heute Abend im Dragon&Sword. Vorausgesetzt, dass Sie mich dort sehen wollen. Ansonsten sollten sie zu ihren Luftschiffen zurückkehren. Es wartet sicherlich eine Menge Arbeit auf sie.“
Die vier Männer salutierten – King, der das nicht gewohnt war, schaffte ein formvollendetes Imitat – und gingen ab.
Vor der Bürotür trennten sich ihre Wege. „Ich muss jetzt ins CIC, meine Herren. Im Moment überwachen wir die ANZAC mit zwei Fliegern der hawaiianischen Alarmrotten, und ich will dabei sein, wenn die Schiffe aufbrechen. Wir sehen uns heute Abend.“
Dave nickte den anderen drei zu und ging in Richtung des CIC. Noch hatte seine Majestät ihn nicht davon entbunden, die Verteidigung Hawaiis zu befehligen.

***

Als die vier Schiffe und die zwei Zeppeline aus der Sicht von Oahu verschwanden, ging ein aufatmen durch den Palast, ging ein aufatmen durch die ganze Stadt. Dave Stone, seines Zeichens noch immer Oberbefehlshaber der Verteidigung, wohnte der Verleihung der Auszeichnungen und Orden an die Polizisten und Freiwilligen bei. Dass die Verleihung stattfand war ein sicheres Zeichen dafür, dass nun wieder Recht und Ordnung einkehrte.
Als der Orden an Hiroshi Shimada verliehen wurde, in Abwesenheit an seinen Stellvertreter Yamagata, beobachtete eine Handvoll ausgebildeter Kriminologen und Mizunami selbst aufmerksam die Reihen der geladenen Gäste.
Wie erwartet löste die Verleihung an einen zur Fahndung ausgeschriebenen Mann Unruhe unter den geladenen Gästen aus allen Aspekten des öffentlichen Lebens aus. Aber wer immer der Drahtzieher der Morde an Fumio Kazuo und seinem Leibwächter war, er verriet sich nicht durch leichtfertigen Protest.
Dave, der neben dem Polizeichef stand, raunte: „Und? Haben Sie Ihren Mann?“
Der Japanohawaiianer wirkte für einen Moment amüsiert. „Vielleicht bin ich es ja doch selbst, weil ich endlich Vorsitzender der japanischen Gemeinde werden will?“
„Sie sind nicht dumm genug, um derart mit dem Feuer zu spielen indem Sie es ausgerechnet mir sagen“, erwiderte der Deutsche.
Mizunami entglitten für einen Moment die Züge. Als er seine gewohnt starre Miene wieder aufgesetzt hatte, flüsterte er: „Es ist in bestimmten Kreisen ein offenes Geheimnis, dass der arme Fumio etwas…weich war. Seine hohe Position in der Gemeinde, seine Herkunft, seine Familie, all das konnte leicht gegen ihn verwendet werden. Es gibt einige Organisationen, die ihn benutzt haben. Andere haben mit ihm kooperiert. Viele davon Yakuza, die von Shimada letztendlich besiegt wurden. Ich nehme an, dass die Waffen, die Shoean angesprochen hat, ursprünglich für die Yakuza geschmuggelt wurden, und nun in den Besitz der Gewerkschaften übergegangen sind. Fumio war somit für die Gewerkschaften und für einige andere Gruppen mehr als nützlich. Allerdings nur lebend; ich als Vorsitzender wäre schwerer zu erpressen oder zu handhaben gewesen.“
„Hm. Was wenn er einen Fehler gemacht hat? Was wenn seine Vertragspartner deshalb seinen Kopf wollen? Was wenn allein der Gedanke, dass unregistrierte Waffen nach Hawaii gelangen konnten nicht ausgesprochen werden durfte und dies bereits den Tod bedeutet?“
„Machen Sie sich nicht lächerlich, Commander. Hawaii ist ein ehemaliges Protektorat der Amerikaner. Waffenbesitz ist hier genauso legal für jedermann. Außerdem wissen Sie selbst am besten, dass die vielen Jagdwaffen schlimmere Wunden reißen können als die militärisch verwendeten kleineren Kaliber.“
„Genormte Waffen für genormte Munition und genormte Ersatzteile. Genormtes Training an diesen Waffen eingeschlossen“, meinte der Deutsche in warnendem Ton. „Eine gut trainierte Truppe kann mit diesen Waffen einiges anrichten.“
„Die einzige gut trainierte Truppe, die dieses Land zu bieten hat ist meine Polizei. Das, was die Gewerkschaften geleistet haben war bemerkenswert und verdient die Achtung, die Würdigung und die Belohnung durch meinen Herrn. Aber sie sind nicht ausgebildet und schlecht trainiert. Shimada hat viele von ihnen zu Sturmläufen hingerissen, die selbst auf den Schlachtfeldern des Großen Krieges Fronten zerrissen hätten. Aber er war nicht überall.
Und machen wir uns nichts vor, hätte dieser Krieg einen zweiten oder dritten Tag gedauert, wären die meisten Verteidiger nur noch meine Polizisten gewesen. Die Gewerkschaften wären überrannt worden, vor Erschöpfung zusammengebrochen oder sie wären ausgeblutet, wo sie gelegen hätten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Hilfe Shimadas war mehr als willkommen. Es gab mir einerseits Zeit, Einheiten von den anderen Inseln abzuziehen und zusätzlich in diesen Kampf zu werfen. Und andererseits war jede Kugel mehr, die auf einen ANZAC-Soldaten abgeschossen wurde, eine Kugel mehr um sie zu stoppen.
Aber ich fürchte die Gewerkschaften nicht als Kampfeinheit. Vor allem aber fürchte ich sie nicht als Revolutionäre. Da gilt meine Sorge eher den Söldnern, die von den europäischen Großgrundbesitzern angeheuert werden. Ausgebildete und teilweise skrupellose Soldaten, die wissen wie man tötet.“
„Dann sind Ihnen die Waffen egal, Mizunami?“
„Egal habe ich nicht gesagt. Ich habe meine Leute in der Gewerkschaft und verfolge den Weg einiger Lieferungen so gut ich es kann.“ Der Japanohawaiianer schmunzelte. „Und ich verfolge den Versuch der Gewerkschaften, auf dem Schlachtfeld an weitere Waffen zu kommen. Stellen Sie sich vor, Commander, sie haben tatsächlich versucht, ANZAC-Waffen zu sammeln. Sie haben auf diese Weise ungefähr die Waffen ersetzen können, die sie im Kampf verloren haben, vielleicht stehen sie jetzt etwas besser da. Aber das Kaliber der australischen Waffen ist ein anderes als unsere. Ich sehe da einige Probleme auf die Gewerkschaften zukommen.“
„Aber die Söldner der Großgrundbesitzer machen Ihnen zu schaffen?“
Der schlanke Mann nickte leicht. „Wissen Sie, bevor George der Zweite Hawaii von den Amerikanern übernahm, hatten die Großgrundbesitzer einen Freibrief. Auf ihrem Land konnten sie tun und lassen was sie wollten. Die Zustände auf einigen dieser Besitzungen waren mit Leibeigenschaft gleichzusetzen, wenn nicht gleich mit Sklaverei.
Erst George hat damit Schluss gemacht und die ersten Gewerkschaften gestiftet. Sie haben alle nicht überlebt, leider, aber die Menschen haben gesehen, dass sie in der Gruppe stärker sind als alleine. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie erneut Gewerkschaften gründen würden, damit dieses Land nie wieder in diese Leibeigenschaft rutscht.
Und seine Majestät Kamehameha hat diesen Kurs weiter fortgesetzt. Etwas zu weit, wie viele Großgrundbesitzer meinen, sie haben begonnen diese privaten Truppen aufzubauen „um ihr Land zu schützen“. Aber mittlerweile sind sie die wichtigsten Gegner für Yakuza und die Gewerkschaften geworden. Shimada hat mehr als genug damit zu tun, stark genug zu sein, um von ihnen nicht überrollt zu werden oder sich wieder von den Yakuza fressen zu lassen.
Trotzdem hatte er noch Zeit, sich mit meinen Polizisten anzulegen, wenn er glaubte, seine Leute würden unfair behandelt werden.
Anfangs war das auch oft noch so. Die Korruption war sehr groß, bis ich richtig aufräumen konnte und…Aber das geht zu weit. Nein, ich habe keine Angst vor den Gewerkschaften.
Und ja, ich glaube, die Söldner sind ein größerer Gegner, Commander.“
„Dann müssen wir den Mörder in diesen Reihen suchen“, bemerkte Stone ernst.
„Nein. Es gibt immer noch diverse Geheimdienste auf diesen Inseln. Vergessen Sie nicht, Hawaii ist der leichteste Weg, um einigermaßen anonym von Ost nach West und umgekehrt zu gelangen. Es kann sein, dass dies ein letztes Abschiedsgeschenk des MI6 ist, um die lokale Politik zu schwächen. Es würde passen, denn gerade jetzt hatte seine Majestät darauf gesetzt, dass Shimadas Gewerkschaft ihm ein Gegengewicht zu den Industriellen bieten würde, um weitere, wichtige Reformen durchzusetzen. Wenn die Gewerkschaft auseinander fällt, befürchte ich, werden auch die Reformen stocken. Seine Majestät hatte große Hoffnungen auf Hiroshi Shimada gesetzt, Commander.“
„Und jetzt haben diese Hoffnungen einen herben Dämpfer erhalten“, sinnierte dieser. „Also schließen Sie Shimada als Auftraggeber oder gar Täter aus.“
„Als Täter auf jeden Fall. Er war zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Schlachtfeld. Als Auftraggeber…Ich behalte mir die Option offen. Aber noch ist er nicht zur Festnahme ausgeschrieben.“
Ein lauter missfallender Ton ließ den Commander zusammenzucken. Doch es war nur eine Trompete, die auf dem Höhepunkt der Feier die Nationalhymne des Inselstaates anstimmte, in die bald ein Marschorchester einfiel.
„Ich hätte Muschelhörner erwartet“, brummte Dave belustigt.
„Bitte halten Sie uns nicht für völlig primitiv“, entgegnete Mizunami.
Nach einiger Zeit, die Hymne war verklungen und seine Majestät hielt noch eine Ansprache, fuhr der Polizeichef fort. „Shimada hat versucht, das Angebot des Freien Geleits anzunehmen und wurde auf dem Weg zum Palast beinahe verhaftet. Es kam fast zu einer Schießerei, gegen die der O.K.-Corral wie ein Kindergartenstück ausgesehen hätte. Aber er konnte sich zurückziehen, ohne einen Schuss abzugeben. Ich habe meine Leute angewiesen, ihm…fortan einen Vorsprung zu geben. Außerdem will ich mich persönlich mit ihm treffen. Lebend nützt er uns zurzeit am meisten. Wenn er tot ist, nützt uns seine Rehabilitation herzlich wenig. Geschweige er nützt uns nicht mehr.“
Wieder übernahm die Kapelle, ein Dutzend Hurras erklangen, und der Applaus von einigen tausend Menschen klang über den Platz.
„Wir sind hier draußen fertig, Commander. Gehen Sie bitte an die Seite seiner Majestät und begleiten Sie ihn hinein.“
„Gut. Sehe ich Sie heute Abend?“
„Selbstverständlich.“
Die beiden Männer tauschten einen freundlichen Blick aus. Dann war die Feierstunde beendet.
23.08.2020 18:53 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Themenstarter Thema begonnen von Tyr Svenson
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Verdammt, Steel!“
„Komm wieder runter, Dave! Du siehst aus, als würdest du dich mit mir prügeln wollen!“
„Ich hatte wirklich vor, dir den Kinnhaken deines Lebens zu verpassen. Aber du siehst so schrecklich aus, dass ich mich nicht traue, dich auch nur anzufassen. Du könntest auseinanderbröseln wie ein Stück trockenes Schwarzbrot.“
„Sehr witzig.“ Unwillkürlich fuhr sich der Pilot über das schmerzende, spannende Gesicht.
„Okay, was sollte das? Dieser vollkommen überdrehte Angriff auf die TASMANIA, das war doch ein Todeskommando!“
„Max hat sich freiwillig gemeldet“, sagte der Industrial und hob abwehrend die Hände. „Genauer gesagt hat sie drauf beharrt.“
„Darum geht es mir nicht. Sie ist alt genug um zu wissen was sie tut. Okay, das habe ich bei Blue auch schon mal geglaubt, aber…“
„Hey!“, kam schwacher Protest vom Kapitän der NORTH.
„Dieser Angriff war unnötig, gefährlich und hätte beinahe einem guten Piloten und meinem besten das Leben gekostet!“
„Es war aber nötig! Wir mussten sie demoralisieren, ihnen den letzten Arschtritt geben, der ihnen das Genick brach! Hat ja auch funktioniert. Außerdem hat Sho-sa Ishida zugestimmt und den Einsatz angeordnet.“
„Nach deinen Plänen.“
„Natürlich nach meinen Plänen. So einen Einsatz würde ich nur fliegen, wenn er auf meinem Mist gewachsen ist, Dave.“
„Ich glaube, ich muss mal mit Ishida ernsthaft reden! Aber du, junger Mann, hast es schamlos übertrieben! Für ein wenig rumgeballere auf das Hafenbecken so ein Risiko einzugehen – warst du es nicht, der immer gesagt hat: Die ANZAC sind ein anderes Kaliber als die nordamerikanischen Piloten?“
„Schon…“
„Und was bringt dich dann zu der Annahme, dass Ernst Steel Stahl besser ist als sie?“
Verbissen sah der Chef des Dog Pack den Commander an.
„Nun?“
„Acht Stunden Luftkampf mit ihnen über Pearl City. Der Teil von deinem Plan hat übrigens gut funktioniert.“
„Schmier mir keinen Honig um den Bart. Ich bin immer noch sauer auf dich“, schnaubte der Commander. Er ging ein paar Mal auf und ab. „Okay, Ernst, wir belassen es dabei. Du und Max seid beide wohlauf und wir haben dich aus dem Wasser fischen können. Deine Maschine ist wohl verloren, daran kann man nichts mehr ändern. Das soll für dieses Mal genug sein. Wir haben viel zu viele gute Leute verloren, und das reicht mir wirklich.“
Er ging einen schnellen Schritt auf Steel zu. „Aber fühl dich hiermit nachdrücklich getadelt, Ernst! Ich schätze es nicht, wenn meine Piloten zu Selbstmordflügen neigen! Ich brauche Leute, die auch morgen noch fliegen können! Und ich schätze es wirklich nicht, wenn meine Freunde sterben!“
Barsch wandte sich der Commander ab. „Er gehört Ihnen, Arthur. Machen Sie ihn wieder vorzeigbar. Wenn wir heute Abend mit seiner Majestät im Dragon&Sword feiern, sollte er nicht die Mädchen erschrecken.“
Blue brach in gackerndes Gelächter aus, was Steel mit betretenem Gesicht beantwortete. Er hatte sich noch nicht im Spiegel ansehen können, aber die Haut spannte wirklich fürchterlich.
Arthur Mertens trat nun zu dem Piloten herüber und schmunzelte. „Na, dann wollen wir doch mal sehen, was wir für Sie tun können, Steel. Sie haben sich da ja wirklich eine anständige Verbrennung zugezogen. Erster und zweiter Grad. Aber ich kenne da ein paar Tricks, um Sie wieder hübsch zu kriegen.“
„Ein Pilot muss nicht hübsch sein“, protestierte der Industrial, aber er folgte dem Doktor murrend.

***

„Chef, hast du Zeit?“
„Sam. Komm rein. Was kann ich für dich tun?“
Die junge Technikerin betrat den kleinen Raum, der Dave als Büro betrat. „Du hast einen Tresor?“
„Für die Schiffsdokumente und ein paar Wertsachen.“
„Irgendetwas Besonderes dabei?“
Dave hielt einen versiegelten Brief hoch. „Das hier vielleicht. Der Brief, den ich nach der erfolgreichen Verteidigung an die Japaner übergeben soll.“
„Interessant. Lesen wir ihn?“
„Für wen hältst du mich? Ich lese doch keine fremde Post!“, erwiderte der Commander entrüstet. Er lächelte. „Bist du fertig für das Fest?“
„Äh, genau deswegen bin ich hier. Weißt du, Dave, ich…Soll ich wirklich mitkommen? Die Arbeiten an Max´ Maschine sind recht komplex, und das Ersatzteil von Kings Zigarre muss noch gecheckt werden. Wenn wir schnell wieder kampfbereit werden sollen, dann…“
„Du kommst mit. Und keine Widerrede. Außerdem würde ich dich zu gerne mal in einem Kleid sehen.“
„Ist das mit dem Kleid ein Befehl, Commander?“
Dave trat um den Schreibtisch herum, schloss seine Cheftechnikerin in die Arme und gab ihr einen sanften Kuss. „Nur ein Wunsch, Sam. Nur ein Wunsch.“
Sie schlug die Augen nieder und sah zur Seite. „Ich denke drüber nach.“
„Na, immerhin“, lachte Dave. Er öffnete seine Arme wieder, ging zum Schreibtisch und steckte den Brief ein. „Ich fliege jetzt schon. Die Dame des Hauses hat noch etwas Wichtiges zu bereden.“
„Was wichtiges? Du fliegst doch nicht wieder in eine Falle wie neulich mit dem La Fleure?“
„Mal den Teufel nicht an die Wand, bitte“, erwiderte der Commander und schauderte.
Noch eine Falle, und die Sache wurde für ihn fast schon zur Gewohnheit.

***

Es war gerade einmal sieben Uhr Abends, aber über Hawaii lag bereits tiefe Dunkelheit. In diesen Breiten hatten die Tage eine beständige Länge, und die ging nun mal von sechs bis sechs. Manchmal vermisste Dave seine deutsche Heimat mit den langen Sommertagen, wo die Sonne bereits um zwei erwachte, sich bis vier zum Horizont durchkämpfte und von acht bis zehn im langen, stetigen Abwehrkampf verschwand. Natürlich verabscheute er die langen Wintertage, also war es doch ein recht guter Tausch. Irgendwie.
Im Lokal wurde der junge Anführer der Texaner mit großem Hallo begrüßt. Allen war noch die Episode vom Vortag klar vor Augen, in der er zusammen mit Sakai den ganzen Stab der ANZAC hoch genommen hatte. Der Laden selbst war sehr gut besucht, und die Stimmung konnte besser nicht sein. Während Dave von einer jungen Dame – nun, über die Bezeichnung ließ sich sicherlich streiten – nach hinten geführt wurde, prostete jemand auf den König, und allgemeine laute Zustimmung bestätigte den Mann. Was diese Leute wohl sagen würden, wenn seine Majestät später an ihnen vorbei gehen würde? Der Deutsche schmunzelte.
Am bekannten Absatz tauschte er die Schuhe gegen Latschen und trat in den Garten hinaus.
Das Mädchen ließ ihn nun alleine, und Dave sah auch wieso. Madame Yamamoto erwartete ihn nicht in ihrem Teil des Hauses. Sie hockte im Garten auf einer Decke. Sie trug einen traditionellen Kimono, war aber auch heute westlich geschminkt.
Neben ihr hockte Kiki, die junge Frau, die sich so ungewöhnlich für Dave und Saburo-san eingesetzt hatte. Auch sie trug einen Kimono, was Dave doch etwas verwunderte. Er kannte sie nur halbnackt oder sehr knapp bekleidet.
Die beiden Frauen unterbrachen ihre Konversation, als sie ihn bemerkten. Madame erhob sich und verneigte sich vor dem Deutschen. „Konban-ha, Commander Stone. Es freut mich, dass Sie trotz Ihrer vielen Pflichten die Zeit gefunden haben, uns jetzt bereits die Ehre zu erweisen. Bitte, nehmen Sie Platz.“
Während sich Dave setzte, neigte Kiki respektvoll das Haupt. Hm, das entsprach überhaupt nicht dem Bild, das er sich bisher von diesem Wildfang gemacht hatte.
Umständlich setzte sich der Commander auf seine Hacken und bemerkte schon nach wenigen Sekunden, dass er in dieser Sitzstellung nicht lange durchhalten würde.
Die junge Frau die ihn hereingeführt hatte kam nun zurück und servierte ein kleines Fläschchen nebst Trinkschale.
Frau Yamamoto dankte mit einem Lächeln und schenkte dem Commander ein.
Dave dankte mit einem Nicken und trank die Schale aus. Danach legte er abwehrend die Hand darauf, als die Dame des Hauses nachschenken wollte. „Nein, danke, Madame. Ich möchte einen klaren Kopf behalten.“
Die beiden Frauen wechselten einen schnellen Blick.
„Verstehen Sie mich nicht falsch“, sagte Dave schnell. „Ich stehe in Ihrer Schuld, Madame, und in deiner, Kiki. Und was immer Sie von mir wünschen, ich werde es erfüllen, wenn es in meiner Macht ist. Oder Ihnen beistehen, so gut ich es vermag, bei was auch immer. Doch dazu möchte ich klar im Kopf sein.“
Frau Yamamoto lächelte und neigte erneut das Haupt. „Wakata, Stone-sama.“
Sie seufzte leise und sah zu Kiki herüber. „Makiko?“
„Hai, Mama.“
„Sehen Sie, Commander Stone, ich habe Sie tatsächlich kommen lassen, weil ich einen Gefallen von Ihnen einfordern will. Aber es ist nicht für mich, es ist für meine Makiko. Sie haben gesagt, Sie schulden ihr etwas. Und wenngleich ich es nicht so sehe, oder nicht so sehen würde, wenn die Zeiten anders wären, so muss ich doch leider darauf zurückgreifen.“
Sie verbeugte sich bis auf die Decke hinab. „Gomenasai onegaishimassu, Stone-sama.“
„Langsam, langsam“, erwiderte Dave mit unsicherem Lachen. „Bitte entschuldigen Sie sich nicht, bevor ich nicht weiß worum es geht.“
Madame Yamamoto richtete sich wieder auf. „Commander. Ich frage Sie: Was denken Sie über meine Makiko?“
Diese Frage irritierte den Deutschen über alle Maßen. Er dachte einen Augenblick nach, nahm den Kimono in Rechnung, ebenso wie das Verhalten der Madame und räusperte sich verlegen.
„Entschuldigen Sie vielmals, wenn ich für Makiko nicht empfinden kann, was Sie von mir erwarteten. Sie hat mir das Leben gerettet und mehr als das, und ich respektiere und bewundere sie dafür. Mehr noch, was sie von mir haben will und ich zu geben vermag, will ich gerne herausgeben. Denn sie ist ein sehr tapferer, tüchtiger und beeindruckender Mensch, den ich zugegeben sehr mag.
Aber leider ist nicht das zwischen uns was man Liebe nennt.“
„Was, bitte?“, fragte die Madame verdutzt.
Kiki prustete und versteckte einen Teil ihres Gesichts hinter einem Ärmel ihres Kimonos.
„Sie dachten, dass…Sie…Ach…Ach so! Entschuldigen Sie, Commander, aber ich glaube, Ihre Gedanken gehen in die falsche Richtung!“ Verlege verneigte sich Frau Yamamoto erneut. „Hier geht es nicht darum, Makiko zu…verheiraten, obwohl ich gerne für sie an ihrer Mutter statt diese Aufgabe verrichten würde.“
„Mama“, hauchte Kiki tief erschüttert und beeindruckt.
„Ich wollte lediglich wissen, wie Sie meine kleine Makiko sehen, Commander. Und es freut mich zu hören, dass Sie sie mögen und respektieren. Das ist mehr als man für einen Menschen erwarten kann, der…unserem Gewerbe nachgeht.“
„Entschuldigen Sie, wenn ich dennoch normale Menschen in den Leuten in Ihrem Gewerbe sehe“, erwiderte Dave, und es klang kein Spott darin auf.
„Ich sehe das jetzt. Und deshalb fällt es mir umso leichter, meine Bitte zu äußern. Stone-sama, bitte nehmen Sie meine Makiko mit sich! Onegaishimassu!“
Kiki verneigte sich. „Onegaishimassu!“
Für einen Moment war Dave wie vor den Kopf geschlagen und doch irgendwie erleichtert. Dann machte es laut und vernehmlich klick. „Madame. Ich weiß, dass Sie in den letzten Wochen einige Schwierigkeiten hatten, weil man Sie und Ihren Laden als Kollaborateur für wen auch immer ansieht. Aber das volle Lokal und die freudig feiernden Menschen wirken nicht gerade so als hätte sich Ihre Position verschlechtert. Im Gegenteil.“
Die beiden Frauen senkten den Blick.
„Also. Wenn es Ihnen besser geht, was ist mit Kiki passiert?“
„Stone-sama, Makiko ist…Makiko ist…“
„Commander, kennen Sie Hiroshi Shimada?“, fragte Kiki geradeheraus.
Dave nickte. „Natürlich. Wenn auch nicht persönlich.“
„Er…Ist einer meiner Stammgäste. Genauer gesagt hat er mir schon einige Anträge gemacht. Es ist allgemein bekannt, dass er mich als seine Freundin betrachtet.“ Verlegen sah sie zur Seite. „Nun wird wegen dem Mord an Kazuo-san nach ihm gefahndet. In dieser Situation wird mein…Verhältnis zu Hiroshi zur Belastung für Mama. Noch hindert unsere neue Popularität unsere Feinde, mich hier einfach mit Gewalt heraus zu holen. Aber diese Zeit wird kommen.“
„Ich kann sie nicht mehr hier behalten, Commander. Aber ich will sie auch nicht einfach fort schicken. Makiko äußerte den Wunsch, mit Ihnen zu gehen, bis sich die Lage für uns und Shimada-san wieder beruhigt hat. Können Sie mir diesen Wunsch erfüllen? Mir und Makiko zuliebe?“
Dave runzelte die Stirn. „Aber selbstverständlich.“
Frau Yamamoto sah wieder auf und ihr Blick wurde sehr ernst. „Und wie wollen Sie Makiko einsetzen?“
Der große Deutsche dachte einen Augenblick nach. „Was hast du für Fähigkeiten, Kiki? Etwas, was dir an Bord einer Zigarre nützt. Kannst du kochen, servieren, Motoren reparieren, navigieren?“
„Wenn Sie nicht das Leben Ihrer Mannschaft riskieren wollen und mich kochen lassen, ist da vor allem das Navigieren“, sagte sie mit einer Spur Humor. „Hier auf den Inseln habe ich des Öfteren kleine Transportmaschinen und Hoplits geflogen. Man lernt das fliegen schnell, wenn man muss. Ich bin zwar nicht besonders gut, aber es reicht, um nachts über einhundert Kilometer zu navigieren.“
Anerkennend pfiff Dave auf. Selbst wenn sie nur über bekanntem Terrain flog, das war keine schlechte Leistung.
„Ich muss einen meiner Hoplit-Piloten ersetzen. Der Junge hat heute morgen hingeschmissen und gesagt, das fliegen ist zuviel für ihn und er will lieber bei seinen Motoren bleiben.
Außerdem kann die Brückenbesatzung immer jemanden gebrauchen, der als Wachoffizier tätig sein kann. Ich werde das mit Blue besprechen.“
Wieder runzelte der Deutsche die Stirn. „Aber ich muss dich dennoch darauf hinweisen, dass ich kein Kreuzfahrtschiff leite. Die NORTH STAR ist eine Kampfeinheit, noch wichtiger, ich befinde mich auf einem Rachefeldzug, der bald schon seinen blutigen Höhepunkt erreichen kann. Außerdem kann ich jederzeit sterben, oder wir können abstürzen oder…“
„Diese Punkte habe ich bereits mit Mama besprochen, bevor Sie gekommen sind, Commander“, sagte sie fest und sehr entschlossen.
„Also dann.“ Er streckte die Rechte aus. „Makiko, willkommen an Bord der NORTH STAR.“
Das Mädchen lächelte und ergriff die Rechte. Sie erwiderte den Druck mit stattlicher Energie. „Danke, Commander. Ich bin sicher, wir kommen gut miteinander aus.“
„Und ich bin sicher, du wirst dich sehr schnell nützlich machen können.“
Dave sah zu Frau Yamamoto zurück. „Madame, wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich Kiki mit meinen Leuten zurück zur Zigarre nehmen, wenn unsere Feier vorbei ist. Je eher sie aus der Schusslinie gerät desto besser.“
„Natürlich, Stone-sama. Makiko, geh bitte packen.“
„Natürlich, Mama.“ In einer einzigen fließenden Bewegung erhob sich die junge Frau und verbeugte sich erneut vor Dave. „Ich werde mich fertig machen, Commander.“
„Sie ist eine bemerkenswerte junge Frau“, sagte Dave, während er sie im Haus verschwinden sah.
„In der Tat. Und ich bin sicher, bei Ihnen ist meine Makiko in guten Händen. Enttäuschen Sie mich bitte nicht, Commander.“
„Natürlich nicht, Madame. Ich werde sie behandeln wie meine kleine Schwester.“
„Hm. Haben Sie Ihre Schwester gut behandelt, Commander?“
„Guter Einwand“, erwiderte Dave prustend. „Sie können sie nachher fragen. Sie ist eine der Pilotinnen, die heute hier feiern werden.“
Die Frau stockte für einen kurzen Moment. „Ich hoffe doch, dass Sie Makiko nicht so einen gefährlichen Beruf ausüben lassen werden, Commander.“
„Ich habe es nicht vor“, erwiderte er lächelnd.

***

Eine Stunde später saßen sie alle in geselliger Runde beisammen. Seine Majestät hatte im ersten Raum, der wieder den Führungskräften vorbehalten war – die Runde war diesmal größer und der Raum brechend voll – das Stirnende und damit den Vorsitz eingenommen. Am anderen Ende war eine Tatami, eine Reisstrohmatte ausgelegt, um die „Anwesenheit“ einer wichtigen japanischen Persönlichkeit symbolisch darzustellen. Sie wurde nicht benutzt, und Frau Yamamoto überließ es den Männern, wem diese Tatami gedient hätte, wenn dieser Mensch anwesend gewesen wäre.
Zu seiner Linken saß Mizunami, zur Rechten Frau Yamamoto selbst und servierte.
Die Japaner hatten erneut den Ehrenplatz zur Rechten erhalten, ihnen folgten die Führungsleute der SHOOTIST. Auf der anderen Seite saßen zuerst die Leute der NORTH, dann die der LONGHORN und der VELVET.
Es war eine ausgelassene Runde, und die ansonsten so steifen Japaner standen den Texanern und den drei schwarzen Mitgliedern der Black Guards in nichts nach.
„Einen Toast!“, rief jemand aus den Reihen der Japaner, und Dave erkannte den Reporter Richard Sorge wieder, der ihm auf der KAMIKAZE so tapfer beigestanden hatte.
„Einen Toast auf den König!“, klang es von texanischer Seite auf, und Dave erhob sich, da der König schlecht auf sich selbst trinken konnte.
„Trinken wir, Ladies und Gentlemen, auf den jungen, gewitzten, eisenharten und innig geliebten König dieses wunderbaren Landes. Möge er es lange regieren und möge es lange so frei sein wie am heutigen Tag!“
Dutzende Fäuste trommelten auf die Tischplatte, um den Trinkspruch abzusegnen.
Nun erhob sich seine Majestät selbst. „Meine Damen und Herren“, sagte er ernst, „viele Menschen sind an nur einem einzigen Tag gestorben, damit Hawaii seine Freiheit behält. Ich habe versucht, diese Opfer so gut ich konnte zu würdigen. Ich habe versucht Ihren Tatendrang zu würdigen. Ob es mir gelungen ist? Ich kann es nur hoffen. Aber ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass ich, stellvertretend für eine Million Hawaiianer, Ihnen sehr dankbar bin.
Ich möchte auf den Tenno trinken, auf die freie Republik Texas, auf die tapferen Söhne und Töchter unserer wehrhaften acht Inseln und auf unsere alten Freunde von der VELVET. Mit diesen Verbündeten fürchten wir keinen Feind!“
Wieder wurde derbe getrommelt und der junge König setzte sich mit einem verlegenen Lächeln.
Nun erhob sich Ishida Isokure. Der Sho-sa im Dienste des japanischen Kaisers sah lange und wehmütig in die Runde. „Ich muss gestehen, nach meiner ersten Begegnung mit Commander Stone hätte ich meine Zigarre entweder am liebsten kehrt machen lassen oder diesen Mann möglichst hoch im Gestänge aufhängen lassen wollen.“
Derbes Gelächter quittierte diese Worte. Ironischerweise kam es vor allem von den Texanern.
„Und auch wenn ich glaube, dass ein Oberbefehlshaber, egal wie gut er fliegen kann, in einen Planungsraum gehört und nicht mitten an die Front, so muss ich doch sagen, dass ich froh bin, beides nicht getan zu haben. Stattdessen freue ich mich darüber, Sie, Commander David Stone, Ihre Leute und die anderen tapferen Verteidiger von Hawaii kennen gelernt zu haben. Wir, die Besatzung der KAMIKAZE, haben mit Ihnen allen zusammen Blut vergossen, und wir haben es gerne gegeben. Wir werden die Gefährten aus dieser Schlacht nicht vergessen, mein Wort darauf!“
Nun wurde das wilde Klopfen auch noch mit Pfiffen und begeistertem Klatschen untermalt.
Ishida bat mit einer Geste um Ruhe. „Majestät, wenn Ihr meinen Rat hören wollt: Jagt diesen verdammten Texaner möglichst weit weg und das möglichst schnell – oder stellt ihn mit einem Knebelvertrag lebenslang ein!“
Das Gelächter das auf diese Worte folgte, ging eindeutig auf Daves Kosten, was dieser mit einem amüsierten Schnauben quittierte.
„Genug getoastet“, bestimmte die Madame. „Das Essen wird aufgetragen!“

Nach der kräftigen und reichen Mahlzeit standen fünf Männer auf der Veranda. Dave zusammen mit Steel, Ishida mit Sakai, dazu Sorge.
„Hat sich ja noch alles zum guten gewendet“, brummte der deutsche Reporter, und es klang irgendwie entschuldigend, so als wolle er sich selbst dafür beschwichtigen, dass er nicht persönlich eingegriffen hatte.
„Mehr oder weniger“, erwiderte Dave und deutete zu Ernst Stahl, dessen Gesicht leuchtete wie eine Rotlichtlampe. „Aber lieber einen höllischen Sonnenbrand als von Haien gefressen zu werden, was?“
Steel winkte ab. „Ach, Bullshit. Ich bin viel zu zäh und schmecke überhaupt nicht. Das haben die Haie gleich gemerkt und mich in Ruhe gelassen.“
„Ebenso wie die ANZAC, wie mir scheint“, sagte Sorge und prostete mit dem Scotch in seiner Hand. „Sagen Sie, Steel, passt der neue Umriss eigentlich auf Ihre Maschine? Und macht es sich nicht besonders gut in Ihrem Flugbuch, neben der Zigarre nun auch noch eine Fregatte stehen zu haben?“
„Wieso Fregatte?“
„Die NORFOLK wurde versenkt, wie Sie wissen. Die hawaiianische Führung geht davon aus, dass Ihr Flankenangriff die Fregatte mit ein paar entscheidenden Glückstreffern beschädigt hat, woraufhin es zu einer internen Explosion kam.“
„Unsinn. Ich habe auf die TASMANIA geschossen.“
„Im Eifer des Gefechts kann man sich schon mal irren, selbst wenn man nur Eis in den Adern hat wie Sie“, erwiderte Sorge. „Außerdem ist das die letzte offizielle Verlautbarung. Sie müssen damit also leben, so oder so. Ist wahrscheinlich die beste Lösung, es so stehen zu lassen.“
Die beiden Japaner wechselten einen flüchtigen Blick.
Ishida bemerkte Daves Taxieren und meinte: „Sie haben eine Zigarre abgeschossen, Steel?“
„Abgeschossen ist das falsche Wort“, entgegnete Dave grinsend. „Eine Piratenzigarre wollte sich absetzen und hat aus allen Rohren gefeuert. Steel hat sich einen Tanklaster geschnappt und das Mistding gerammt. Danach ist es explodiert. Er ist wohl der einzige Mensch auf dieser Welt, der jemals eine Zigarre vernichtet hat, ohne einen einzigen Schuss abzugeben.“
Sakai pfiff anerkennend. Ishida verriet sich nur durch hochgezogene Brauen.
„Und jetzt noch eine Fregatte. Ich weiß, Ihr Amis übertreibt gerne und bauscht Sachen auf. Aber wenn man Ihre Geschichte noch aufbauschen würde, müssten Sie alleine die ARC ROYAL versenkt haben“, sagte Sakai grinsend.
Steel winkte ab. „Hauptsache, ich kriege eine satte Prämie für die beiden Abschüsse!“
„Bescheiden wie eh und je.“ Dave zwinkerte und nahm einen Schluck Scotch.
„Dennoch.“ Richard Sorge spielte mit dem Glas in seinen Händen. „Ich werde einen Bericht für die Heimat schreiben. Ihre Rolle werde ich etwas herabwerten müssen, Commander. In unserem schönen Heimatland mag man Deserteure nicht besonders. Und es ist nicht gerade leicht, jemanden zu rehabilitieren, der vom Regime zum Abschuss freigegeben wurde.“
Dave zog die Augenbrauen hoch. Das war eine immense Kritik an Deutschland, seiner Innenpolitik und der Führung gewesen. Für einen deutschen Reporter eine gewagte Rede.
„Ich denke, ich kann damit leben, in meiner ehemaligen Heimat nicht populär zu sein.“
„Das freut mich zu hören, Commander. Aber Ihre Rolle, Steel, die kann ich etwas besser darstellen. Als Nachfahre deutscher Auswanderer, im Kampf gegen die ANZAC, die nur der verlängerte und schwächere Arm Londons sind, wird der Bericht über Sie einschlagen wie eine Bombe. Schade dass ich kein Foto von Ihnen nehmen kann. Es würde sicher bald im Nachtschrank so mancher hoffnungsvollen Maid aufgehängt werden.“
Steel winkte ab. „Ich bin nicht Sinclair oder Flynn. Mir reicht das fliegen. Und oberflächliche Bewunderung brauche ich schon gar nicht.“
„Also kein Foto. Aber haben Sie etwas dagegen, wenn ich über Sie schreibe?“
„Natürlich nicht.“ Steel stürzte seinen Drink. „Ich brauche Nachschub.“
Die beiden Japaner und die zwei Deutschen sahen dem Industrial nach, als er wieder in den Raum ging. „Ein guter Mann, Dave-san. Seien Sie froh, dass Sie ihn haben.“
„Er hat mir das Leben gerettet. Ich weiß, was ich an ihm habe“, bestätigte der Commander mit einem leichten Lächeln.
„Ach, bevor ich es vergesse. Hier ist ein zweiter Brief vom Parlament des Freistaates Texas, Isokure-san. Ich sollte ihn übergeben, sobald wir die ANZAC zurückgeschlagen haben. Also jetzt.“
Der Japaner runzelte die Stirn. Dann nahm er den Brief entgegen und überflog ihn kurz. Seine Miene verhärtete sich bei der Lektüre vernehmlich. Seine Wangenmuskeln arbeiteten, aber beim lesen sagte er kein Wort.
Dann faltete er den Brief zusammen und ließ ihn in seiner Uniform verschwinden. „Das ist nicht sehr erfreulich.“
„Was haben meine Vorgesetzten geschrieben?“, fragte Dave neugierig.
„VORGESETZTEN?“ Ishida schnaubte, was für ihn ein mittelschwerer Anfall war. „Es ist heute Abend nicht von Bedeutung. Wenn es Sie morgen noch interessiert, Dave-san, können wir gerne darüber reden. Haben Sie ein ähnliches Schreiben an den Botschafter übergeben?“
„Nein, ich hatte nur das, welches ich bei unserem ersten Treffen dabei hatte. Und dieses hier.“
Ishida brummte etwas. Dann trank er sein Glas leer. „Lassen Sie uns wieder reingehen. Stahl-san holt sich sonst einen Vorsprung heraus.“

Die vier Männer hatten gerade wieder Platz genommen, als auf der Veranda das Getrappel von schweren Stiefeln erklang.
Elektrisiert richtete sich Dave auf, die Parallele zur letzten Feier kam ihm schnell wieder in den Sinn, als sie mitten in der Feier auseinander gerissen worden waren.
Als dann die Schiebetüren rabiat aufgerissen wurden und eine Horde Marines hereinstürmte, atmete der Deutsche erleichtert auf. „Was ist passiert, Lieutenant?“, fragte er den ranghöchsten Mann.
Der texanische Offizier verteilte seine Leute an den Wänden. Sie hielten ihre Waffen schussbereit, das war nicht zu übersehen. War es Verrat? War die LONGHORN immer noch nicht sicher? Der Mann war immerhin von Bord der SHOOTIST, wie Dave wusste.
„Commander, ich muss Sie leider im Namen der Republik von Texas festnehmen. Sie, Kapitän Daynes, Staffelführer Stahl und die Piloten des Dog Pack!“
„Festnehmen? Verkennen Sie nicht etwas die Lage? Wir sind auf Hawaii!“, donnerte Dave entrüstet.
„Mag sein, aber wir sind am richtigen Ende der Gewehre.“ Der Lieutenant leckte sich nervös über die Lippen. „Sir, wir verhaften Sie und Ihre Leute wegen des illegalen Angriffs auf den japanischen Marineflughafen Weißer Bär Eins.“
Nun war es am Commander, zu stocken und zu zweifeln. Was wurde hier gespielt?
„Wenn Sie sich jetzt erheben würden und mitkommen, Commander…“
„Moment, Moment, haben Sie vielleicht die Güte, mir alles von Anfang an zu erklären, Lieutenant?“
Der junge Mann stockte. Schweiß brach ihm aus und ein wenig verlegen sah er weg.
„Ich kann Ihnen da aushelfen, Dave“, klang die Stimme von Captain Arguile auf, dem Kapitän der SHOOTIST. „Ihr kleiner Testangriff auf Shirow Kuma Ichiban schlägt nun auf Sie zurück. Damals sollten Sie die Russen testen. Hier auf Hawaii die Japaner. Der Test ist eindeutig für Japan ausgefallen.
Soweit ich weiß, wünscht Texas ein vertrauliches Verhältnis mit Japan, und um das zu erreichen, machen wir reinen Tisch. Wir geben den Überfall zu, entschuldigen uns und überantworten die Verantwortlichen und ausführenden Organe an die Japaner. Das sind Sie, Ihr Staffelführer, Ihr Kapitän und die Mitglieder des Dog Packs.“
Arguile sah zu Ishida herüber. „Wenn Sie wollen, können Sie alle gleich mitnehmen und auf Ihrer Zigarre inhaftieren. Ich wurde bevollmächtigt, Ihnen ein solches Vorgehen zu gewähren.“
„Ich DENKE nicht daran, an solch einer ehrlosen Handlung teilzunehmen!“, blaffte Ishida überraschend und laut. Die Leute am Tisch zuckten zusammen und auch die Marines an den Wänden verstärkten unwillkürlich den Griff um ihre Waffen.
„Mag Ihr Texas tun und lassen, was es mit dem Commander tun will, ich werde einen Teufel tun, und den Mann und seine Leute verhaften, mit denen wir Hawaii verteidigt haben.
Das Mindeste was sie verdient haben ist ein Vorsprung und ein ehrenvoller Abflug.
Es wirft ein bezeichnendes Licht auf Texas, zu solchen Mitteln zu greifen, was ich in meinem Bericht an die Admiralität erwähnen werde.“
Arguile war nun bleich geworden. „Sho-sa, ich versichere Ihnen, Texas verfolgt nur die besten Absichten und wünscht sich nichts mehr als eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Japan.“
„Dies ist nichts, was hier und heute entschieden werden wird.“ Ishida erhob sich. „Wir brechen auf. Es beschmutzt unsere Ehre, an dem Ort einer so peinlichen Handlung zu bleiben.“
Sakai erhob sich als Zweiter. Er strafte den Kapitän der SHOOTIST mit einem wütenden Blick, sah kurz zu Stone herüber und schnaubte knapp.
Nach ihm erhoben sich auch die anderen Japaner.
„Sho-sa, ich versichere Ihnen…“
„An dieser Stelle sollte ich vielleicht etwas einwerfen“, sagte seine Majestät wütend. „Dieser Mann ist immer noch Oberbefehlshaber der Streitkräfte von Hawaii. Und ich würde international wirklich dumm dastehen, wenn ich mir in meinem eigenen Hinterhof meinen eigenen Stabschef wegnehmen lassen würde! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich energisch gegen das texanische Vorgehen protestiere!“
„Ihr Protest wurde zur Kenntnis genommen, Majestät!“
„Und noch etwas, Captain Arguile!“ Der Blick seiner Majestät streifte die Japaner. Ishida hielt den Aufbruch mit einer Handbewegung auf.
„Eines sollten Sie vielleicht bedenken. Ihre Verhaftung in einem Lokal in einer freien Stadt des freien Hawaiis ist im höchsten Maße illegal. Um nicht zu sagen ein Akt der Piraterie.
Ich werde das entsprechend ahnden.“
„Es steht Ihnen frei, eine diplomatische Note einzureichen, Majestät“, erwiderte Arguile.
„Ich dachte da mehr an etwas mit Nachdruck. Etwas, was zeigt, dass Hawaii kein rechtsfreier Raum ist.“
Ishida begann zu schmunzeln. Sein amüsierter Blick strich den Commander.
„Mizunami-san, bitte unternehmen Sie etwas dagegen, dass Ihr Vorgesetzter weggenommen werden soll.“
„Sehr wohl, Majestät!“
Der Polizeichef griff in seine Uniform, und sofort ruckten ein paar Gewehre hoch.
„Aber, aber. Ich glaube, in der internationalen Presse würden sich Schüsse auf den König von Hawaii gar nicht gut machen“, tadelte Kamehameha. Die Wirkung dieser Worte blieb nicht aus.
Mizunami aber zog eine kleine silberne Pfeife hervor und blies kräftig hinein. Der schrille, singende Ton, hing sekundenlang in der Luft und wurde sofort beantwortet. Einmal, zweimal, viermal.
Wieder erklang das Getrappel von Stiefeln auf Holzdielen, und einen Augenblick darauf drängten sich Polizisten und Marines halb auf dem Laufgang und halb im Raum.
Captain Gallagher trat nach ihnen in den Raum. Die große, blonde Frau sah sich kurz um und nickte dann. „Lieutenant Jones. Ziehen Sie sofort Ihre Leute ab. Captain Arguile! Ihre Zigarre startet sofort und verlässt Hawaii.“
„Ich habe meine Befehle!“
„Und ich habe meine! Als vereidigte Polizistin von Hawaii habe ich die Pflicht, eine Entführung zu verhindern! Und als Offizierin von Texas habe ich den Auftrag, die NORTH STAR und ihren Commander zu schützen, notfalls mit meinem Leben!“
Enervierend langsam öffnete sie ihr Pistolenholster und zog ihre Dienstwaffe hervor. Die entsicherte und fertig geladene Waffe richtete sie auf Arguile. „Muss ich erst noch erwähnen, dass ich es ernst meine?“
23.08.2020 18:55 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Seiten (8): « erste ... « vorherige 3 4 [5] 6 7 nächste » ... letzte » Baumstruktur | Brettstruktur
Gehe zu:
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
The World of BattleTech » BattleTech Foren » Kurzgeschichten » [OT ]Crimson Sky: Next Chapter

Forensoftware: Burning Board 2.3.6, entwickelt von WoltLab GmbH