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Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
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Was bisher geschah:
Der deutsche Pilot Thomas Marquardt wurde in seiner Heimat als Verräter denunziert, weil seine Mutter Französin ist. Mit Hilfe seines Staffelführers gelingt ihm die Flucht vor der GESTAPO. Daraufhin flüchtet er um die halbe Welt, immer den nun feindlichen Geheimdienst im Nacken.
Schließlich verschlägt es ihn unter dem Namen Dave Armstrong Stone nach Amerika. Östlich von Kalifornien, in den unbeanspruchten Landen, rettet er einer jungen Halbindianerin das Leben, und die beiden beschließen, fortan mit Maxine als großer und kleiner Bruder weiter zu kommen. In Sky Haven, dem Piratenpfuhl, ergattern sie auf der MEMPHIS BELLE, dem Zeppelin des berüchtigten Freibeuters Conal Andrew Thomas Shannon einen Platz als Pilot und Steward. Cat, wie er sich rufen lässt, zieht alsbald eine Blutfehde auf sich, die er als Ire rigoros beantwortet.
Während eines Raubzuges erobert die Crew um Shannon einen Passagierzeppelin und nimmt einen Großteil der Passagiere für Lösegeldzahlungen als Geiseln. Unter ihnen sind auch Richard Campbell, Vorstandsmitglied der berühmten texanischen Colt Aviation, sowie seine Tochter Annie.
Während sich die als Steward getarnte Maxine in den Piloten Jeff Blue Daines verliebt, kommen sich Annie und Thomas auch näher. Doch die Kaperfahrt und ihre gemeinsame Reise endet damit, als die Blutfehde Shannon auf Backbord, und ein schwer bewaffneter texanischer Militärzeppelin auf Steuerbord einholen. Der Showdown ist unvermeidlich.

Nach den schweren, verlustreichen Kämpfen folgen Maxine, Jeff und Dave Annie in ihre Heimat Texas, wo sich Dave den Texas Air Rangers anschließt. In seiner Staffel bildet er schließlich auch Maxine zur Pilotin aus, während Blue mit einem Mittelohrschaden am Boden bleiben muss und ein großes Flugfeld führt.
Dann aber greift das Schicksal hart und grausam nach dem trauten Glück, und Armstrong hat einen Grund, sein sicheres Leben aufzugeben, um Rache zu suchen und der Gerechtigkeit genüge zu tun.
17.01.2020 20:42 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
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Richard Campbell sah nur kurz auf, als der hochgewachsene Deutsche eintrat.
Danach widmete er sich wieder seinen Akten.
Thomas David Marquardt war dieses Verhalten gewohnt. Jeden verdammten einzelnen Tag, um genau zu sein, seit er in Texas angekommen war.
Endlich sah Richard Campbell von seinen Akten auf und bedeutete Thomas Platz zu nehmen.
Er faltete die Hände vor dem Gesicht zusammen und musterte ihn lange und eindringlich.
„Ich mag dich nicht, Armstrong, und das weißt du auch. Das du diesen Ring am Finger trägst ist der einzige Grund, warum ich mir nicht ein paar Schläger suche und dich aus Texas rausprügeln lasse.“
Thomas ging ein Stich durchs Herz, als der Ältere, Direktor bei Colt Aviation, den kleinen Goldring erwähnte. Den Ring, den Thomas von Annie geschenkt bekommen hatte, Campbells Tochter. Als Willkommensgeschenk. Wie lange war das jetzt her?
Thomas rechnete kurz nach. Fünf mexikanische Devastator und eine Brigand.
„Deine Vorbehalte gegen mich sind mir bekannt…Dad“, erwiderte der Pilot und musste sich ein Grinsen verkneifen, als Richard die Miene zornig verzog.
„Jedenfalls…“, begann der ältere Texaner und sein Gesicht wurde ungewöhnlich sanft, „will ich die letzten beiden Jahre nicht auswischen. Ich habe dich wirklich gehasst, Thomas.“
Der junge Deutsche richtete sich unwillkürlich auf. Ansonsten nannte Campbell ihn nur Armstrong oder Mister Stone, in Anspielung auf seine alte Tarnidentität als David Stone. Selten benutzte er Thomas´ Vornamen oder seinen richtigen deutschen Nachnamen.
Richard richtete sich auf und erhob sich. „Wie dem auch sei, das Leben geht weiter. Und sehen wir den Tatsachen ins Auge. Ich schulde dir etwas. Und du bist Pilot. Außerdem hast du dich als guter Pilot erwiesen, dem man zudem vertrauen kann.“
Seine Augen schienen einige Zeit in die Vergangenheit zurück zu kehren. „Was ich anfangs nicht von dir gedacht habe.“

Wütend schüttelte der riesige Mann den Kopf, wie um finstere Dämonen zu verscheuchen. „Ich habe einiges arrangiert. Du kennst die Lage in den ehemaligen Vereinigten Staaten nur zu gut, ich muß dir nichts darüber erzählen, Armstrong.
Wir betrachten das Bündnis der Japaner mit Hollywood mehr als sorgenvoll, und die Einmischung der Franzosen in Dixie ist mehr als bedenklich. Zudem bauen die Tommies ihren Einfluss im Empire State weiter aus.
Die Spanier versuchen ihren auf Kuba verlorenen Einfluss über Mexiko zurückzuholen und sind anscheinend recht erfolgreich damit.
Wenn jetzt noch die Nazis tatsächlich die Industrials aufrüsten, haben wir hier bald etwas, was wir nie wollten. Dann sind wir eingekreist.“
Thomas nickte schwer. „Ich weiß. Offiziell kann Texas nichts machen. Aber es laufen zumindest mit einigen der Mitgliedsstaaten des Dixie Verhandlungen. Und wie ich gehört habe, sollen das Peoples Collective ebenso wie die Native States Interesse an einem Waffenlieferungsvertrag zeigen.“
Campbell nickte schwer. „Die privaten Flugagenten tun, was sie können, ja, aber wenn sich ein Staat dazu entschließt, Krieg zu führen, sind sie hilflos. Da sie meistens auf beiden Seiten ihre Büros haben, stecken sie in der Zwickmühle.
Paladin Blake soll zwar einigen Einfluss in Pacifica und Empire aufgebaut haben, seit die Sache mit den Black Hats vorbei ist. Aber er ist nicht stark genug, einen Krieg zu verhindern.“
Thomas nickte. Das entsprach auch seinen Gedanken.
„Nichtsdestotrotz müssen wir etwas tun. Und zwar etwas tun, was uns gleichzeitig die Möglichkeit gibt, uns notfalls von unseren Handlungen zu distanzieren. Da ist man in Regierungskreisen mit mir einer Meinung.“
Campbell glitzerte mich listig an. „Wie würde es dir gefallen, wieder Pirat zu werden, Armstrong?“

Thomas antwortete nicht sofort. Er ließ Richards Blick auf sich wirken. Bedachte die Fakten, die sie gerade ausgetauscht hatten. „Geheime Missionen?“
„Unter dem Deckmantel eines Kaperbriefs. Der Kaperbrief erlaubt es dir, sowohl in Dixie als auch Hollywood, den Industrials und den Küstenstädten aktiv zu werden. Sieh das als kleine Nebeneinnahme, während du deinen eigentlichen Auftrag ausführst.
Aber vor allem: Du gibst den Befehl über deine Staffel nicht ab, sondern nimmst sie mit. Jeb und die anderen haben sich bereits freiwillig gemeldet.“
Ein Grinsen huschte über Thomas´ Gesicht. „Ich will eine eigene Zigarre.“
„Bereits genehmigt. Die NORTH STAR wird gerade fertig gemacht.“
„Jeff Daines wird Captain der NORTH“, sagte der Deutsche fest. „Über diesen Punkt wird nicht verhandelt.“
Campbell dachte einen Moment darüber nach. Der junge Pilot aus dem Empire State hatte seine Lizenz eingebüßt seit sein Trommelfell geplatzt war, und auch nach einem Jahr wegen Gleichgewichtsproblemen nicht wieder erlangen können. Er hatte sich aber als Offizier in der Flugsicherheit mehr als bewährt.
„Genehmigt.“
„Ich suche die Flieger aus, die an Bord kommen. Die NORTH fasst zwei Staffeln, richtig? Jeder Flieger bekommt den neuen Booster.“
Für einen Moment sah es so aus, als wolle der Vorstandsvertreter von Colt aufbegehren. „Auch genehmigt.“
„Und die zweite Staffel übernimmt einer meiner Piratenfreunde.“
„Das geht ein wenig weit, Armstrong. Außerdem ist Shannon…“
„Nicht Shannon. Ich spreche von Leroux. Falls ich ihn auftreiben kann.“
„Den Froschfresser? Nun…genehmigt. Falls du ihn kriegst.“ Campbell sah Marquardt herausfordernd an. „Hast du noch irgendwelche Wünsche, Armstrong?“
Thomas legte den Kopf schräg und grinste dämonisch. „Ich will Lieutenant Ciavati haben.“
Campbell dachte nach. „Hat das irgendeinen besonderen Grund, warum du eine unserer besten Pilotinnen anforderst?“
„Eigentlich zwei Gründe, Dad. Der erste ist, dass ich sie selbst ausgebildet und fit für den Luftkampf gemacht habe. Der zweite ist, dass ich Maxine gerne wieder an meiner Seite hätte.“
„Ich rede mit ihrem Commander, Sheriff Winston von den Texas Air Ranger. Aber ich verspreche dir nichts.“ Campbell nickte wieder. „Du fliegst heute noch rüber nach Corpus Christi, wo die NORTH STAR gerade überholt wird. Neben deiner Staffel kriegst du noch zwei freiwillige Piloten der Air Ranger, neben Max. Ersatzpiloten und Maschinen musst du dir selbst besorgen.“
Thomas nickte bestätigend. „Gut. Noch irgendetwas, was ich wissen muß, bevor ich Blue aus seinem Tower raushole und in den Flieger nach Corpus Christi schleife?“
„Du bekommst eine Kompanie Marines zugeteilt. Ein Captain führt sie an. Sie haben sich, ah, alle freiwillig gemeldet und treten für die Dauer deiner Mission aus der Armee aus.
Die nächsten fünf Monate bekommst du zum spielen, Armstrong. Stell deine Crew und die Piloten aufeinander ein. Jage ein paar Piraten, mache ein paar Enterungen, etwas in der Art. Meinetwegen flieg rüber nach Sky Haven und mach diesen irischen Misthund fertig.
Solltest du diese fünf Monate überleben, bekommst du deinen eigentlichen Auftrag. Zufrieden?“
„Ja, Sir“, stellte Thomas fest. „Ich nehme an, ich bin nicht der einzige, der eine Zigarre für diesen Job bekommt.“
„Da hast du richtig geraten. Wir schicken insgesamt drei aus. Dazu kommen zwei Piratengruppen, denen wir einen Kaperbrief ausgestellt haben. Einzelheiten findest du in deinem Missionsbriefing. Du kannst gehen, Thomas.“
Marquardt salutierte, griff nach der Aktenmappe und drehte sich zur Tür.
„Armstrong“, hielt Campbell ihn zurück. „Sir?“
„Armstrong, falls du die LEVIATHAN sichtest…“
„Schon klar, die Mission hat Vorrang vor meiner Rache“, erwiderte Thomas gepresst und ballte die Hände zu Fäusten.
„Falsch!“, blaffte der Mann wütend. „Falls du die LEVIATHAN sichtest, dann hol sie vom Himmel. Versprich mir das. Tu es für Annie.“
„Ich“, erwiderte Marquardt und unterdrückte die Tränen, „werde niemanden am Leben lassen.“
Hinter sich knallte er die Bürotür zu.

**

„Fox three-three-four, Sie haben Starterlaubnis. Wind in Bodennähe aus Nordnordwest mit dreißig Meilen in der Stunde, leichte Bewölkung und leicht steigendes Barometer. Guten Flug.“
„Fox three-three-four an Tower. Danke für die Freigabe, Blue. Sollen wir einen Mexikaner für Sie mit runter holen?“
„Machen Sie zwei draus, Archangel“, erwiderte Jeff Daines.
Auf der Startbahn begannen die beiden Devastator zu beschleunigen und hoben schließlich ab. Sie zogen eine Schleife und wackelten mit den Flügeln, als sie den Tower passierten.
Der Stern der Texas Ranger prangte unübersehbar auf Flanke und Flügeln der beiden Maschinen.
Sehnsüchtig sah Jeff Blue Daines ihnen hinterher. Was hätte er dafür gegeben, wieder selbst fliegen zu dürfen. Oder zumindest wieder da oben zu sein. In der Luft, wo er hingehörte.
Jemand reichte ihm einen Kaffeebecher, den er dankbar akzeptierte.

Der Mann neben ihm sagte: „Was für ein langweiliger Job.“
Jeff sah zur Seite und erschrak derart, dass ihm fast der Becher aus der Hand gefallen wäre. „Mensch, Dave, was machst du denn hier?“ So ganz hatte Blue die Wandlung seines Freundes vom Saulus zum Paulus oder vom Piraten ohne Vergangenheit namens Dave Stone zum ehemaligen deutschen Fliegeraß namens Thomas David Marquardt noch nicht auf die Reihe gekriegt.
Thomas lächelte den Freund an. „Ich will dich abholen.“
„Was? Aber ich bin hier beschäftigt. Ich…“
„Du wirst in zwei Minuten abgelöst. Deine Nachfolge ist besprochen und der Schichtplan geändert.“
„Aber, aber ich kann hier doch nicht weg. Ich muß packen und so.“
Thomas grinste schief. „Bereits erledigt.“
„Ich kann doch nicht wieder ins Blaue springen wie letztes Mal. Ich habe jetzt so etwas wie ein Leben, Dave. Ich verstehe ja, dass du das Abenteuer suchst, alleine schon wegen Annie, aber ich…“
„Du sollst meine Zigarre kommandieren.“
„Deine… Zigarre? Was?“
Wieder grinste Thomas schief. „Ich kann mir keinen besseren Captain vorstellen.“
„Aber, aber, aber…was wird Max sagen? Ich mache diesen Job doch vor allem, weil wir so jeden Tag zusammen sein können.“
In diesem Moment trat die junge Pilotin in den Tower. Sie strich sich ihr langes schwarzes Haar aus dem Gesicht und strahlte. „So, ich habe dann alles, was wir an Sachen brauchen, gepackt, Dave. Blue, du fliegst mit mir. Wir überführen eine Brigand und eine Fury mit Booster zur neuen Zigarre. Werden wir sicher noch gebrauchen können.“
Jeff Daines starrte von Thomas Marquardt zu seiner Freundin und von ihr wieder zurück. Endlich zuckte er die Achseln und sagte: „Na, wenn das so ist, lass uns los fliegen.“
Er sah in die Runde und rief: „Okay, tut mir leid, dass ich so abrupt aufbrechen muß, aber da braucht mich jemand wirklich dringend. Macht es gut, Leute, und bereitet mir keine Schande.“
Unter Glückwünschen und leisem Applaus wandte sich Blue zum gehen. „Na dann los, Armstrong“, kommentierte er mit einem breiten Grinsen.
17.01.2020 20:43 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Die Reise von Houston nach Corpus Christi an der Golfküste dauerte mehrere Stunden. Über der Karibik, nördlich von Kuba tobte ein Hurricane und brachte mächtig Gegenwind, der den Flug der beiden Maschinen stark verzögerte.
Dennoch genoss Thomas die Reise. Über Funk hörte er sich das Geplapper von Jeff und Maxine an. Seltsam, sie waren nun offiziell seit über einem Jahr ein Paar und hatten sich immer noch viel zu erzählen und lachten und scherzten miteinander.
Das sich die beiden derart gut verstanden, erfüllte Thomas mit offenem Neid. Max war nun mal sein kleines Schwesterchen und das würde sie immer bleiben.
Wenigstens war er keiner von diesen großen Brüdern, die es nie akzeptieren konnten, dass die kleinen Mädchen irgendwann zu großen Mädchen wurden.
Er hatte es viel geschickter angestellt und den Freund für sie ausgesucht.
Allerdings hielt er sich immer noch die Ohren zu, wenn Jeff ihn wegen irgendetwas in der Beziehung der beiden um Rat fragte, vor allem, sobald Sex ins Spiel kam.
Irgendwie war er nun mal altmodisch und noch in den Zwanzigern stehen geblieben.

Armstrong drosselte die Motoren der kräftigen Fury etwas, um der langsameren, aber dafür besser bewaffneten Brigand die Gelegenheit zu geben, wieder aufzuholen.
Es war reiner Zufall, oder die gute alte Paranoia, die ihn bei diesem Manöver seine sechs kontrollieren ließ, also den Bereich des Flugzeugs, der direkt entgegen seiner Flugrichtung saß. Dabei erkannte er auf der Wolkendecke unterhalb seines Flugzeugs die Umrisse von drei Flugzeugen, die merkwürdig gestaucht schienen.
Seine Reflexe übernahmen sofort die Oberhand. „BANDITS! AUSBRECHEN UND AB IN DIE WOLKEN!“, blaffte Thomas und warf seine Maschine in einen Trudelkurs, sein Lieblingsmanöver, um schnell Höhe zu verlieren.
„COPY!“, blaffte Max zurück und zog zur Seite weg, drehte in eine Fassrolle, die sie auf dem Rücken beendete, um mit einem Halblooping in die Wolkendecke einzutauchen.
„Was habe ich dir gesagt, Rocket, der Alte hat hinten Augen. Ich habe dir gleich gesagt, wir können uns an den nicht ran schleichen“, erklang die fröhliche Stimme von Melissa The Dusk Vanderson. „Du schuldest mir fünf Bucks.“
Als Antwort kam ein kräftiger Fluch. Jebedia Rocket McCormick schien über diese Aussichten alles andere als erfreut zu sein. „Irgendwann hast du auch mal Pech im Spiel, Dusk. Pack two an Pack Leader. Du kannst wieder aus den Wolken rauskommen, Armstrong. Hier oben sind nur ich, Dusk und Rainmaker.“
Erleichtert zog Thomas seine Fury wieder aus der Wolkenschicht hervor und sah dabei zu, wie sich die anderen drei Maschinen neben ihm gruppierten. Es handelte sich um zwei Bloodhawks und eine weitere Fury. „Wo sind Happy und Roundabout?“
Die Stimme Jebedias klang zermürbt, als er erwiderte: „Sorry, Boss, aber Roundabout hat sich versetzen lassen. Er kommt nicht mit. Immerhin ist Betty schwanger und so.“
„Das verstehe ich. Mist. Und Happy?“
„Peng! Peng! Peng! Das war es für dich, Dusk.“
„Himmelherrgottnochmal! Max, lass den Scheiß, wenn du nicht willst, dass ich einen Herzinfarkt bekomme.“
„Du hast dich erschrocken?“, erklang Maxines Stimme. „Gut. Dann hat es seinen Sinn erfüllt.“
Die Brigand reihte sich rechts von mir ein. „Kleine Rache dafür, dass Ihr Dave erschrecken wolltet. Von mir und Jeff ganz zu schweigen.“
„Blue ist auch dabei?“, rief Rainmaker erfreut. Jeremy Twofeathers winkte mit den Flügeln seiner Bloodhawk. „Hey, Blue, geht es deinen Ohren wieder gut? Oder hattest du keinen Bock mehr auf Schichtdienst im Tower?“
Jeff Daines Stimme klang auf. Er schien sich gut zu amüsieren. „Ne, meine Ohren sind immer noch im Eimer, Rainmaker. Aber Armstrong hat ne neue Aufgabe für mich, die mich sehr interessiert. Ratet mal, wer eure Zigarre kommandieren wird?“
„Du?“, kam es von Dusk. „Na Klasse. Das war es dann wohl mit riskanten Landungen ohne Fanghaken.“
„Oder Wartungsarbeiten mit geladenen MGs“, ergänzte Jeb. „Wenn du da auch so streng bist wie auf deinem Flugfeld.“
„Funkdisziplin“, murrte Thomas leise. „Ihr habt mir immer noch nicht gesagt, was mit Happy ist.“
„Henry Jackson ist vor zwei Stunden mit der zweiten Brigand aufgestiegen und voraus geflogen. Er wollte einiges von seinem Kram mit rüber schaffen. Da kam ihm der extra Stauraum in der Brigand gerade recht.“
„Heißt das, er hat keinen Bordschützen mitgenommen?“, blaffte Thomas entrüstet.
„Ist doch halb so wild, Armstrong. Wir sind hier über Texas. Was kann ihm schon passieren?“, versuchte Jeb seinen Staffelkapitän zu beschwichtigen.
„Du kennst meine Einstellung, Rocket“, brummte Thomas böse.
„Ja. Eine Waffe, die man nicht einsetzen kann, ist nur unnützes Gewicht, das man mitschleppen muß. Bullshit, jetzt hast du mich mit deiner Paranoia angesteckt.“
Thomas checkte die Karte auf dem Klemmbrett, die auf seinem linken Oberschenkel festgebunden war. „Okay, wegen dem Gegenwind können wir nicht weiter aufdrehen. Höher steigen nützt auch nichts, weil der Hurricane auch dort blasen wird.“
„Was du sagen willst, ist doch, Ihr könnt nicht schneller, weil meine Brigand so lahm ist“, beschwerte Maxine sich. „Würde ich in meiner Vampire sitzen, dann…“
„Schon gut, schon gut. Wir schippern ganz gemütlich rüber nach Corpus Christi. Sind ja nur noch zwanzig Minuten. Was soll schon passieren?“, erwiderte Thomas leise.
In Gedanken fügte er aber hinzu: Natürlich kann alles schief gehen, was nur schief gehen kann.
Aber er hoffte, Unrecht zu haben.

**

„Mayday, Mayday“, kam es über den offenen Äther. „Texas Air Ranger wird angegriffen. Ich wiederhole, Texas Air Ranger wird angegriffen.“
„Texas Air Ranger, hier Dirty Pack-Staffel der Texas Air Ranger. Geben Sie uns Ihre Position und die Zahl sowie Maschinentypen der Angreifer durch.”
„Armstrong, bist du das? Gott sei Dank. Ich habe hier drei Devastator, eine Vampire und eine Fury am Arsch. Die beiden Defender vom Corpus Christi Northern Air Field haben sie schon wieder zu Boden geschickt und die meisten Flakstellungen ausgeschaltet. Die haben es anscheinend auf deine Zigarre abgesehen, Boss.“
„Verdammt, Happy, du ziehst mal wieder Ärger an wie Scheiße die Fliegen. Wo bist du?“
„Ich stecke in anderthalb Meilen Höhe und verstecke mich in den Wolken. Die Vampire und die Fury versuchen, mich raus zutreiben. Meine Position ist zwei Meilen südlich des Air Fields. Der Angriff begann vor zehn Minuten. Abzeichen konnte ich auf den Maschinen nicht erkennen, aber die Piloten arbeiten zusammen.“
Tausend Dinge zugleich gingen Thomas durch den Kopf. Zum Beispiel, dass er niemals ohne Munition aufstieg, seit er in Sky Haven fast gestorben wäre, weil nur in der Siebziger noch drei Schuss waren.
Oder daran, dass irgendwo Gyrokopter kreisen mussten, um Marines ins Ziel zu bringen, wenn die Angreifer wirklich das Shannon-Manöver versuchten – die Entführung eines militärischen Zeppelins. Wahrscheinlich wollten sie rüber damit nach Kuba. Oder zur Yucatan-Halbinsel. Und dass die Piloten zusammen arbeiteten, ließ auf eine trainierte Gruppe schließen.
„Wir sind in fünf Minuten da, Happy. Spiel noch etwas Katz und Maus mit der Vampire und der Fury. Halt die Ohren steif.“
„Werde ich. Viel Glück, Armstrong.“
Thomas wechselte den Kanal und ging auf die Staffelfrequenz. „Fertig machen. Die wollen mir meine Zigarre wegnehmen, und das lasse ich nicht zu. Max, du bleibst mit Rainmaker hinten und achtest auf Gyros, die zum Landefeld wollen. Wenn die Marines noch nicht in der Zigarre sind, haben Bodentruppen leichtes Spiel.
Jeb, Dusk, wir spielen Lockvogel. Ich fliege vorneweg, Ihr haltet euch von mir aus gesehen in der Sonne. Sobald ich angegriffen werde, schnappt Ihr euch eine Devastator. Es steht genau fünf zu fünf, aber Happy hat keinen Bordschützen. Und Ihr wisst, er spart nie mit seinen Raketen.
Aber die Defender haben sich hoffentlich teuer verkauft und bereits am Gegner genagt.
Vergesst nicht, der Gegner ist aufeinander eingespielt. Also deckt einander die Ärsche.
Rainmaker, du passt auf Max auf. Sie hat mehr Raketen und schwerere Kanonen, also gibt sie die Musik an. Halte ihr den Rücken frei und sieh zu, was sie dir vor die Flinte treibt.“
„Copy“, kam es mehrstimmig zurück.

Eine Meile vor dem Air Field drückte Thomas die Nase seiner Fury nach unten und stieß durch die Wolkendecke. Hier irgendwo spielte Happy gerade mit zwei Gegnern verstecken.
Jeb und Dusk würden in ihren Bloodhawks nun eine leichte Schleife nach Süden fliegen, um die Sonne in den Rücken zu kriegen.
Er aber bot sich, nachdem er durch die Wolken gebrochen war regelrecht als Ziel an.
„Weiß jemand, ob die NORTH auf Helium oder Wasserstoff ist?“, kam es von Blue. „Sicherheitshalber sollten wir zusehen, dass kein Schuss in die falsche Richtung geht.“
„Einverstanden“, kam es von Thomas. „Beginne Anflug.“
Die Fury brach durch die Wolken und stieß bis auf vierhundert Meter auf die Oberfläche hinab. Thomas orientierte sich kurz und fand schnell das Air Field. Zwei der Devastators flogen Angriffe auf die Flakstellungen am Hafen, die dritte konnte Thomas nicht erkennen.
„Okay, Happy, wir sind da. Beschäftige die Vampire und die Hawk noch etwas, ich will erst mal mit den Devastatoren spielen.“
„Ist gut, Boss, aber lange halte ich das nicht mehr durch. Mein rechter Flügel hat ganz schön was abbekommen. Der hängt nur noch mit Spucke und Glauben an meiner Mühle.“
„Hallelujah“, kommentierte Thomas grinsend. „Corpus Christi Northern Air Field, hier spricht der Staffelführer des Dirty Pack der Air Ranger. Weisen Sie Ihre Geschützbedienungen ein, dass wir in den Kampf eingreifen.“
„Hier Tower Air Field. Dirty Pack, Sie sind uns willkommen. Aber allzu viele Flaks haben wir nicht mehr.“
„Okay, dann ziehen Sie Ihre Leute so weit wie möglich raus aus dem Geschehen. Ist die NORTH STAR schon bemannt?“
„Die NORTH ist bemannt. Aber es ist nur wenig Munition für die Geschützgondeln an Bord.“
„Na Klasse. Habt Ihr gehört, Dirty Pack? Es gibt keinen Support von der Zigarre für uns.“
„BLITZ! BLITZ! BLITZ!“, gellte es in seinem Kopfhörer auf und im Reflex presste Thomas seine Augen in die Armbeuge. Der darauf folgende Blitz blendete ihn dennoch etwas, denn als er die Augen wieder öffnete, tanzten Sterne davor. „Bullshit, was sollte das, Dusk?“
„Dir hing die dritte Devastator am Arsch, Boss. Sie kam direkt aus der Wolke geschossen, und ich war in einer schlechten Position. Sie aber in einer guten Position, um dich zu erwischen.“
„Okay, verstanden. Ist Rocket dran?“ Thomas sah seitlich zur Kabine heraus und fand die Devastator, die mit schlingernden Bewegungen tiefer sank. Die Bloodhawk von Rocket stieß von oben herab und jagte ihr eine Salve Magnesiumkugeln in die Flügel.
Thomas wusste aus Erfahrung, dass die Salve normalerweise eine Panzerung nicht durchschlagen konnte. Aber wenn sie erst mal im Flügel steckte und sich langsam durch brannte, konnte sie sich in einen Tank schmelzen und das Flugbenzin explodieren lassen.
Die Devastator bekam noch eine Salve ins Heck verpasst und zog dann mit einer langen Rauchspur hinter sich einen weiten Bogen nach Norden.
„Den hole ich mir“, rief Jeb, kurz bevor die Luke des Cockpits aufging, und der Pilot absprang. Einige Momente darauf, der Flieger taumelte bereits zu Boden, explodierte der linke Flügel tatsächlich.
„Besser hätte ich es auch nicht kommentieren können“, brummte Thomas amüsiert. „Bleib bei Dusk und treibt die beiden Devastator weg vom Air Field.
Happy, komm runter zu mir. Und bring einen oder am besten beide deine Freunde mit.“
„Verstanden, Armstrong.“
„Max, was macht deine Überwachung?“
„Hattest Recht, die wollen hier wirklich einen Shannonraub durchziehen. Zwei Gyros, voll beladen. Rainmaker und ich kümmern uns darum.“
„Seid vorsichtig, vielleicht haben die noch was in Reserve.“
„Copy. Und du pass mal selbst auf deinen Hintern auf, großer Bruder.“

Thomas grinste, als er die Antwort hörte. Er und die Halbitalienerin waren nicht wirklich Geschwister. Aber sie waren weit genug miteinander verbunden und tief genug miteinander vertraut, um es sein zu können.
„Ich komm dann mal runter, Boss“, hörte er Happy rufen. Kurz darauf brach die bullige Brigand aus der Wolkendecke. Ihr folgte auf dem Fuß die Vampire, durchaus ein ernstzunehmender Gegner mit einer exzellenten Bewaffnung war. Ohne Bordschützen würde Happy es mehr als schwer haben, die schwerere und besser bewaffnete Vampire von seiner zwölf fern zu halten.
Die Vampire tauchte in Happys vier auf, also schräg rechts hinter ihm, in nicht einmal zweihundert Fuß Entfernung. Das war die Distanz für einen guten Schuss.
Mit einem lauten Fluch drückte Thomas einen bestimmten Knopf in seinen Armaturen und schaltete damit den Nitrobooster ein - die Geheimwaffe, die der Nation of Texas seit nun anderthalb Jahren Luft erkämpft hatte.
Sofort machte die Fury einen Satz nach vorne, kam auf stolze anderthalbfache Leistung und zog immer näher auf die Vampire zu,
„Brich weg, Happy! Er ist an deinem Arsch!“
Nun presste auch Henry Happy Jackson den Knopf für den Booster und brachte sich mit einem Geschwindigkeitsschub in Sicherheit.
Thomas nutzte das Manöver, welches die Vampire ausführte, um an ihrer Beute dran zu bleiben aus, um seinerseits schneller ran zu kommen.
Die Vampire wollte ihre Beute nicht so schnell entkommen lassen und feuerte zwei Raketen auf die fliehende Brigand ab. Sie explodierten aber weitab von Happy.
„Zieh ein, Happy, und sieh nach, ob die Bloodhawk auch noch aus den Wolken kommt.“
„Falls mein Flügel das aushält, Boss“, murrte der Pilot, schlug aber gehorsam ein.
Derweil war Thomas auf Schussreichweiter heran und feuerte beide dreißiger und die siebziger Bordwaffen auf den Gegner ab.
Die siebziger Kanone ging daneben, aber die dreißiger MGs schabten eine Menge Panzerung von der linken Tragfläche.
Thomas feuerte erneut. Die zweite Salve bestand bei ihm immer aus Magnesium-Kugeln, die sich dann dort, wo die Panzerbrecher Schaden angerichtet hatten, tiefer ins Gestell fressen sollten.
Auch diese Salve traf, erwischte aber nur Rumpf und Cockpit des Zweipropeller-Flugzeuges.
Andererseits bekam es dem Plexiglas der Kanzel nicht wirklich gut, als sich das Glas durch die Hitzeentwicklung eintrübte. Ungeübte Piloten konnten in so einer Situation schon mal in Panik geraten.
Und wie auf Befehl begann die Vampire zu schaukeln und zu taumeln.
Der Pilot trat das Gas durch und zog hinaus in Richtung Ozean.

Thomas grinste zufrieden. „Happy, wo ist die Hawk?“
Als Antwort kam ein alles auslöschender, gigantischer Blitz, der Thomas sofort die Sicht raubte. Verdammt, verdammt, verdammt, eine Blitzrakete.
Kurz darauf spürte er einen Einschlag am linken Flügel und den charakteristischen Ton einer Rakete, die sich durch seine Panzerung nagte.
„Hinter dir, Boss! Tut mir leid, ich habe den Bastard zu spät gesehen. Tritt den Booster durch und dreh auf mein Kommando in eine Fassrolle und dann in den Immelmann, um in die Wolken abzutauchen! Jetzt!“
Sofort warf er die Fury in die enge Fassrolle, taumelte mit der Maschine mehrmals um die Längsachse. Leises Prasseln am Heck belehrte Thomas darüber, dass er nur knapp einer Salve entkommen war.
„Jetzt der Immelmann!“
Thomas beendete die Fassrolle. Da kein entsprechender Kommentar von Happy kam, nahm er an, dass seine Fury einigermaßen in der Horizontalen lag. Sofort zog er den Steuerknüppel zu sich heran und ließ den Vogel hart steigen. Auf dem Scheitelpunkt der Bewegung, als er für einen Augenblick schwerelos wurde, rollte er die Fury erneut.
„Bist jetzt in den Wolken. Ruh die Augen aus.“
„Danke, Happy. Schaffst du es mit der Hawk?“
„Die tritt gerade die Heimreise an. Ich habe ihr noch ne Blitz hinterher geschickt. Aber ich lasse sie ziehen für heute.“
„Okay, Pack Leader, hier Pack Leader. Bericht.”
„Pack two. Ich und Dusk haben noch ne Devastator zum Boden knutschen geschickt. Die dritte ist gerade dabei, Fersengeld zu geben. Wir könnten sie mit den Boostern noch einholen und heimschicken.“
„Negativ. Bleibt beim Zeppelin. Wir wissen nicht, ob nicht noch mehr kommen.“
Pack four. Meinen Bericht haste ja schon, Boss.“
„Pack five und Max hier. Wir haben einen Autogyro runter geholt. Ich würde da mal nen Krankenwagen raus schicken. Scheinen ne Menge Leute an Bord gewesen zu sein.
Der andere ist stiften gegangen, als er uns bemerkt hat. Abschießen?“
„Nein, gleiche Antwort wie bei Rocket, Rainmaker. Kommt zur Zigarre und achtet auf weitere Spielkameraden.“
Thomas blinzelte, blinzelte noch mal. „Dirty Pack, hergehört. Wir haben heute zwei Flieger verprügelt und zwei zu Boden geschickt. Das ist kein schlechter Tag fürs Dirty Pack. Happy, geh runter und lande beim Hangar. Lass die Gefechtsschäden ausbessern.
Du landest auch, Maxine. Ich will Blue auf der Brücke der Zigarre haben.
Dusk, Rocket, Ihr dreht noch ein paar Runden um den Zeppelin, macht euch Notizen über die Schäden und sucht die ausgestiegenen Piloten.
Rainmaker, du kommst hoch zu mir. Wir sehen uns mal an, was in der Richtung liegt, in die unsere überlebenden Freunde geflogen sind.“
„Hm. Einer ist nach Süden, zwei aufs offene Meer hinaus. Welche Route nehmen wir?“, fragte der indianische Pilot.
Wieder blinzelte Thomas. Na toll, das bedeutete noch eine Nacht mit zwei halben Kartoffeln auf den Augen, um die ausgetrockneten Augäpfel wieder heile zu kriegen. Das Schließen der Lider fühlte sich an, als reibe jemand Sandpapier in die Augen. „Wir fliegen über Land. Nur ein kurzer Trip, maximal fünfzig Meilen. Wir gehen hoch auf dreitausend und sehen uns alles von oben an.“
„Verstanden“, erwiderte Rainmaker.

Thomas stieß durch die Wolkenschicht nach oben. Kurz darauf folgte Rainmaker. Er hängte sich schräg hinter die Fury seines Staffelführers und folgte auch willig, als Thomas die Fury erneut in die Höhe zwang. Als sie über einen hohen Wolkengrat kamen, der wahrscheinlich ein weiter Ausläufer des Hurricanes war, gellte der Ruf von Jeremy Twofeathers über die Komm. „DA! Zehn Uhr, in vierhundert Fuß Höhe. Da ist die Zigarre.“
Thomas orientierte sich kurz, drehte ein und aktivierte die Bordkamera.
„Sag mir Bescheid, falls uns ne hohe Patrouille oder Flankendeckung am Hacken ist.“
„Copy.“
Thomas schoss den ganzen Film mit der Zigarre voll, blieb aber in seiner Höhe und vermied es, näher zu kommen. „Da kommt der Begleitschutz. Zwei Avenger“, kommentierte Rainmaker.
„Die dürften ne Minute brauchen, bis sie bei uns oben sind. Aber egal. Ich habe, was ich wollte. Verschwinden wir.“
„Copy, Armstrong. Holen können wir sie uns noch ein andernmal.“
„Booster, Rainmaker.“ Thomas beschleunigte die Maschine hart und schaltete die Nitroeinspritzung hinzu. „Ich will nach Hause.“
Gehorsam folgte ihm sein Flügelmann. „Copy. Das erste Bier geht auf mich.“
„Na, das ist ein Wort“, lachte Thomas.

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17.01.2020 20:44 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
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Zugegeben, Thomas bot einen mehr als lächerlichen Anblick. Bekleidet mit einer Augenbinde, unter der sich zwei Kartoffelhälften abzeichneten im Büro der Air Field-Chefin war nicht gerade das Auftreten, welches Respekt versprach.
„Ich muß vielleicht mit Ihnen zusammenarbeiten, Stone, aber ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig“, beschwerte sich Gladis O´Hara zornig. Sie war eine der Defender-Pilotinnen gewesen, die versucht hatten, die Zigarre zu verteidigen.
„Doch, das sind Sie, Ma´am. Die unmarkierten Maschinen haben versucht, einen Shannonraub vorzubereiten. Mit meinem Zeppelin. Ich betone, mein Zeppelin. Und wäre ich nicht zufällig mit dem Dirty Pack eingetroffen, hätten sie das auch geschafft.“
„Zugegeben“, knirschte sie.
„Aber immerhin haben Sie getan, was Sie konnten. Alle verfügbaren Flieger waren aufgestiegen und alle MG-Nester haben gefeuert.“
„Ja“, brummte sie, beinahe versöhnt. „Das ist richtig.“
„Die Frage ist nur, warum verteidigt sich das Air Field Corpus Christi mit nur zwei lächerlichen Defender? Ich hätte wenigstens noch eine Rotte Avenger erwartet.
Und warum war meine Zigarre voll gestopft mit Büchsenfleisch, aber nicht einer einzigen Kiste Munition für die MG-Gondeln?“
Thomas konnte es spüren, er hatte sie in die Defensive gedrängt. Nun würde sie kooperieren, alleine um sich zu rechtfertigen.
„Nun machen Sie mal halblang Commander Stone“, blaffte sie ihn bei seinem alten Piratennamen an. Da Thomas vorhatte, sein Piratenleben wieder aufzunehmen, dachte er sehr ernsthaft darüber nach, Dave Stone auch wieder auferstehen zu lassen. Anscheinend war O´Hara der gleichen Meinung.
„Ich habe noch eine Rotte Devastators, aber die sind aufgestiegen, um dem Notruf einer Frachtzigarre nachzugehen. Sie wurden wohl in eine Falle gelockt und abgeschossen.“
„Gut“, brummte Thomas. „Dann können wir Sabotage oder einen Verräter auf dem Air Field ja theoretisch ausschließen.
Was ist mit der Munition?“
„Liegt in Lagerhalle vier bereit. Aber der Captain der NORTH hat entschieden, zuerst die Verpflegung zu laden.“
Thomas nickte. „Aha. Na, dann werde ich mir dieses Herzchen mal zur Brust nehmen.
Was Sie angeht, ich biete Ihnen Hilfe an bei der Suche nach Ihren beiden Devastators.
Die NORTH hat drei Ford Hoplites an Bord.“
„Danke. Aber wir haben eigene Autogyros und suchen bereits.
Eine Frage, Commander Stone. Was haben Sie über die Angreifer herausgefunden?“
Für einen Moment rang Thomas mit sich. „Sie sind von einer umgebauten Frachtzigarre gestartet, zwanzig Meilen südlich der Stadt. Ich habe ein paar Aufnahmen geschossen, die gerade entwickelt werden. Mit etwas Glück verrät uns die Bemalung was über unsere Angreifer.“
„Das es Mexikaner waren ist mir klar. Ich würde nur gerne wissen, welchem Tortillafresser genau ich meine Rache schwören muß.“
Thomas winkte ab. „Ich lasse Sie informieren, O´Hara. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.“
„Ja, natürlich, Commander. Ach, und, willkommen am Corpus Christi Northern Air Field.“
„Danke, Ma´am.“
Thomas erhob sich, und sofort trat Maxine an seine Seite, sodass er eine Hand auf ihre Schulter legen konnte. Nach einem kurzen Gruß verließen sie das Büro.

„Du warst recht sanft zu ihr, großer Bruder“, kommentierte Max.
„Fandest du? Und ich dachte, das wäre ich erst geworden, als klar war, dass sie keine Verräterin ist.“
„Da bin ich mir noch nicht so sicher.“
Thomas lachte. „In vier Tagen sind wir hier sowieso weg. Außerdem haben wir jetzt fünf einsatzbereite Piloten. Noch mal gelingt so ein versuchter Shannon nicht.“
„Vier. Du brauchst Zeit, um deine Augen auszukurieren.“
„Was? Ach das? Ist ein alter Trick, den mir Spot beigebracht hat, der Chefmechaniker der BELLE. Wenn man die verblitzten Augen mit den Kartoffeln feucht hält, dann sind sie am nächsten Tag wieder vollkommen in Ordnung. Sie tun schon gar nicht mehr weh.
Ich brauche die Augenbinde nur abzunehmen, um sofort kampfbereit zu sein.“
„Falls du nicht wieder direkt in eine Blitzrakete siehst.“
Thomas lachte leise. „Zugegeben.“

Der Weg rüber zum Anlegeplatz der NORTH war nur kurz. Die Bordwache ließ sie anstandslos ein. Blue erwartete sie bereits. „Kannst du nicht mal die dämliche Augenbinde abnehmen, Boss? Das nervt. Und ich habe hier ein paar Leute, die ich dir vorstellen möchte.“
Seufzend ergab sich Thomas in sein Schicksal und nahm die Binde ab. Er blinzelte. Keine Schmerzen. Gut. Aber er wusste, dass er die Kartoffeln besser die Nacht über trug, wenn das auch so bleiben sollte.
Neben Jeff Daines standen ein junger Mann und eine Frau in den Zwanzigern.
„Dies sind Lieutenant Zacharias Winter und Captain Norah Gallagher. Lieutenant Winter hat die NORTH von Houston überführt und hier festgemacht. Er hatte bisher also das Kommando.“
Thomas musterte den Offizier mit einem eiskalten Blick. „Also Ihnen verdanke ich es, dass ich fast meine Zigarre verloren hätte.“
Der junge Offizier zuckte merklich zusammen. „Sir, ich bin bereit, die Konsequenzen für meine Fehlentscheidung zu tragen.“
„Gehen Sie mit dem Jungen nicht zu hart ins Gericht, Commander“, brummte die Frau und nahm einen Zahnstocher, auf dem sie rumgekaut hatte, aus dem Mund. „Es waren immerhin noch meine Marines an Bord. Wir hätten den Piraten einen heißen Empfang geliefert.“
„Gallagher, hm? Sie führen die Infanteriekompanie an“, stellte Thomas fest. „Wie viele Leute haben Sie?“
„Achtunddreißig plus meine Wenigkeit, Sir. Das reicht, um mit jedem Problem fertig zu werden zwischen hier und Berlin.“ Sie grinste schief.
Thomas blinzelte, und Tränen schossen ihm in die Augen. Er würde definitiv noch mal die Kartoffeln brauchen. Noch sah er alles etwas unscharf. Wenn er jemals den Kerl erwischte, der die Blitzraketen erfunden hatte…
„Gut. Das hätte in der Tat gereicht, um die Piraten mit ner blutigen Nase nach Hause zu jagen. Ihr Glück, junger Mann.“
Der Lieutenant straffte sich. „Sir.“
„Statusbericht.“
„Tankanlagen zu neunzig Prozent gefüllt. Motoren frisch gewartet. Alle MG-Stellungen ausgerüstet. Proviant für siebzig Tage. Neununddreißig Marines, sechs MG-Schützen und einunddreißig Crewmitglieder an Bord.
Die Munition wird Morgen früh verladen und die dreiundzwanzigköpfige Technikercrew kommt ebenfalls Morgen früh an.
Neun Maschinen an Bord. Drei Fury, zwei Avenger, zwei Bloodhawk, zwei Brigand. Eine Vampire und zwei Devastators kommen ebenfalls Morgen an.
Die Brigand von Lieutenant Jackson wird gerade von der Air Field Crew zusammen geflickt, aber die sind zuversichtlich, auch bis Morgen fertig zu sein.“
Thomas nickte beeindruckt. „Gut. Das war genau das, was ich hören wollte. Weil wir Glück gehabt haben, und ich meine, weil wir alle Glück gehabt haben, schicke ich Sie nicht sofort nach Hause, Winter. Wir wollen es miteinander versuchen. Sie sind darüber informiert, dass Captain Daines ab hier übernimmt?“
„Ja, Sir.“
„Gut. Sie können weg treten, Lieutenant.“
Der junge Mann salutierte und trat ab.

Thomas wandte sich wieder Captain Gallagher zu. „Ich hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich hier einlassen, Lady. Die NORTH bekommt zwar einen Kaperbrief, aber wir werden uns hart am Rande der Legalität bewegen. Vielleicht werden wir Dinge tun müssen, die so gar nicht in Ihre Moralvorstellung passen.“
„Halten Sie mich für weich?“, erwiderte sie. „Dann hören Sie mir mal zu, Commander.
Ich trage nicht umsonst zwei Balken auf der Schulter. Wissen Sie, wie tough man sein muß, um bei den Marines überhaupt ein eigenes Kommando zu kriegen? Wissen Sie, wie schwer es dort gerade einer Frau gemacht wird? Ich habe Dinge gegessen, vor denen Sie angewidert die Nase kraus ziehen. Ich habe Sachen gesehen, die Sie sich in Ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Und ich habe mehr Tote gesehen, als für ein einziges Leben gut ist.“
Thomas legte den Kopf an die Seite. „Sie und Ihre Leute. Geheimmissionen?“
Für einen Moment schien Gallagher überrascht. Dann nickte sie. „Ja, Commander. Geheimmissionen. Ich und meine Einheit führen vorbeugende Schläge gegen potentiell feindliche Flugfelder, Sabotage an Fabriken und manchmal auf Wunsch auch gezielte Liquidationen durch. Wenn Sie so wollen, machen wir die Arbeit, die früher dem Bund unterlag.
Ich bin gut in meinem Job. Sehr gut.“
„So gut, dass man Sie mit einer Kompanie Marines einem besseren Himmelfahrtskommando zugeteilt hat, zu dem Sie sich noch freiwillig melden mussten.“
Gallagher schien wie vor den Kopf gestoßen. „Nun, so ganz freiwillig war das nicht. Nach meinem letzten Auftrag im Oktober, bei dem ich zwei Heliumtanks hoch gehen ließ, beförderte man mich zum Captain. Dabei kam irgend so ein Arsch von General auf den Gedanken, dass man einen weiblichen Offizier nicht ins Feld ziehen lassen darf. Also wurde mir ein Schreibtischposten aufgebrummt.
Das hat mir nicht gefallen, wie Sie sich denken können. Und als Colt dann diesen Auftrag ausgeschrieben hat, habe ich sofort zugegriffen.
Es geht mir nicht darum, mein ausgiebiges Bedürfnis nach Action zu befriedigen, Sir. Es geht mir einzig darum, Texas zu dienen. Und dies auf die beste Weise, die ich vermag. Das ist an der Waffe. Und sei es, dass ich auf einem Kaperschiff mitfahre. Hauptsache, ich kann etwas tun und versauere nicht hinter einem Schreibtisch.“
„Akzeptiert. Haben wir schon einen Smutje an Bord? Ich will ein ausgiebiges Abendessen für alle Piloten und Offiziere an Bord. Zwanzig Uhr. Erscheinen ist Pflicht. Sie haben doch mindestens einen Lieutenant als Stellvertreter, Captain? Mitbringen.“
„Aye, Commander.“
„Sie können wegtreten. Und willkommen im Team.“
„Danke. Sie können auf mich zählen.“
Thomas nickte und legte wieder die Kartoffelhälften auf. „Fahrer“, scherzte er, „zu meinem Büro. Blue, komm mit.“

Murrend führte Maxine ihren Freiwilligenblinden zu seinem neuen Büro an Bord der Zigarre. Die drei traten ein. Der Geruch frisch aufgebrühten Kaffees empfing sie. Verwundert lupfte Thomas die Binde und sah eine dicke Kanne auf seinem Schreibtisch. Daneben stand ein junger Steward in weißer Uniform, auf dem linken Arm ein Tablett mit Tassen, Zucker und Milch balancierend. „Captain Daines hat Kaffee bestellt, Sir.“
Thomas musterte den jungen Burschen amüsiert. Es war noch nicht allzu lange her, da hatte Max sich verkleidet, um als Junge und Schiffssteward durchzugehen. „Danke. Dein Name, Junge?“
„Katayama, Sir. Johnnie Katayama.“
„Wie alt bist du, Katayama?“
„Ich werde nächste Woche fünfzehn.“
Thomas ließ sich hinter seinem Schreibtisch in den sehr bequemen Ledersessel fallen. Schweigend beobachtete er, wie der Junge die Tassen verteilte und den Kaffee eingoss. Thomas lehnte Zucker und Milch ab. Der junge Bursche wirkte sicher und erfahren. Wahrscheinlich machte er diesen Job schon ein paar Jahre.
„Das wäre alles, Katayama. Du kannst später abräumen. Jetzt hilf dem Smutje beim Abendessen.“
„Ja, Sir.“

Als sich die Tür hinter dem jungen Japaner geschlossen hatte, feixte Thomas seiner kleinen Schwester zu. „Das erinnert mich an irgendetwas.“
„Kommt mir auch vage bekannt vor“, fiel Blue grinsend ein.
„Okay, okay, mir auch“, brummte Max misstönend. „Aber Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, ich sah in meiner Uniform viel besser aus.“
„Auch ohne Uniform“, murmelte Jeff, bekam dafür aber einen von Thomas´ Das will ich gar nicht wissen - Blicken verpasst.
„Kommen wir zum Wesentlichen. Wir haben mit mir sechs Piloten, aber neun Maschinen. Zwölf werden es insgesamt, und es wäre mir ganz recht, wenn wir noch ein oder zwei Vögel in Reserve nehmen könnten.“
„Mit den drei Mühlen, die Morgen rein kommen, treffen noch drei weitere freiwillige Piloten ein. Damit hätten wir neun. Das reicht zwar noch nicht, ist aber stärker als der Begleitschutz, den Blake Aviation Security ihren Kunden zukommen lässt.“
„Was wissen wir über die Piloten?“
„Praktisch nichts“, antwortete Maxine. „Wir haben bisher nicht einmal Namen gehört. Es gibt natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass ein paar Bekannte unter ihnen sind. Immerhin hatten wir bei den Air Ranger mehr Freunde als Feinde. Aber wir werden Morgen abwarten müssen.“
„Wir werden uns genau ansehen müssen, wen wir uns da an Bord holen“, brummte Thomas nachdenklich und setzte die Kartoffeln wieder auf. Blind tastete er nach der Tasse, warf sie nicht um bei dieser Aktion und trank einen Schluck. „Und damit haben wir das alte Dilemma. Neun Piloten, zwölf Maschinen.“
„Dreizehn. Die Air Field Techs meinen, sie könnten aus den beiden abgestürzten Devastators eine machen. Ich meine, das geht nicht in zwei Tagen. Aber sie pflücken die brauchbaren Teile auseinander und wir nehmen sie mit. In ein oder zwei Wochen haben wir dann eine dreizehnte Mühle.“
„Noch eine Maschine, die nicht fliegen kann. Himmel, was würde ich jetzt dafür geben, wenn Spot auf dem Flugdeck rumschwirren würde.“
„Wir brauchen Piloten“, stellte Maxine fest. „Und zwar gute Piloten, die zudem willig sind, mit uns zu fliegen. Wir sind nur einer von drei Zeppelinen, die Texas für diese Operation ausrüstet. Da sie am Rande der Legalität operieren, sind Freiwillige sicher spärlich gesegnet und teilen sich entsprechend auf alle drei Zigarren auf.“

Thomas setzte seine Kaffeetasse ab. „Es ist entschieden.“
„Wo wir die Piloten her nehmen?“, fragte Max erfreut.
„Nein. Ich ändere meinen Namen wieder. Ab sofort bin ich wieder David Stone. Der Name sollte vielleicht bei dem einen oder anderen in Sky Haven etwas zum klingeln bringen. Die Privateers waren so erfolgreich in letzter Zeit…“
„Also willst du die restlichen Piloten in Sky Haven anheuern“, sagte Blue leise.
„Ist die beste Möglichkeit. Wir werden Sky Haven auch vorerst als Basis benutzen, um uns aufeinander einzuspielen und auf den eigentlichen Auftrag vorzubereiten. Bin gespannt, was das sein wird.“
„Das sind wir alle…Dave“, bemerkte Max amüsiert.
„Wir brechen Morgen auf, sobald der letzte Mann an Bord und das letzte Stückchen Ausrüstung verstaut ist. Diesmal hat aber die Munition Priorität.“
„Gut, dass du das sagst, Dave. Ohne dich wäre ich nie drauf gekommen“, beschwerte sich Jeff leise. „Geht es schon los? Mischst du dich in meine Kompetenzen ein?“
Thomas nickte. „Klar. Vergiss nicht, wer am längeren Hebel sitzt. Du bist vielleicht die Nummer zwei an Bord. Aber ich gebe hier den Chef.“ Er grinste ein echtes Hollywood-Heldengrinsen.
„Musst du mich gleich wieder an die Befehlskette erinnern?“, brummte Jeff und gab seiner Stimme einen beleidigten Klang. „Reicht es dir nicht, wenn du den Ruhm erntest und die Frauenherzen brichst?
Thomas ging ein Stich durchs Herz. Maxine keuchte erschrocken auf und Jeff schien zu merken, was er gerade gesagt hatte. „Armstrong, es tut mir leid. Ich hätte nicht…“
Thomas hob eine Hand und winkte ab. „Es…tut kaum noch weh. Ich bin fast drüber hinweg. Ja, ich denke, ich kann langsam sogar Witze drüber machen.
Hey, das mit den Frauenherzen hast du ja nur gesagt, weil du in festen Händen bist, und Max dir die Ohren lang ziehen würde, wenn du los gehen und Frauen betören würdest.“
„Hör auf meinen Bruder. Das ist ein weiser Mann“, kommentierte Maxine.
Daraufhin schwiegen sie eine lange Zeit.

„Das wäre eigentlich alles. Wir werden die nächsten Wochen und Monate dazu benutzen, um eine schlagkräftige Crew zusammen zu stellen. Über Einzelheiten reden wir später.
Jeff, du bist meine wichtigste Stütze hier an Bord. Vergiss das bitte nicht. Und du Max, du bist eine gute Pilotin geworden. Du kriegst eine eigene Rotte.“
„Was soll´s? Damit habe ich sowieso gerechnet.“
„Ich muß dir keine Rotte geben“, erwiderte Thomas amüsiert.
„Aber es wäre sehr dumm, das nicht zu tun.“
„Jetzt hat sie dich, Armstrong. Besser, du taumelst und kommst raus aus ihrer Schussbahn.“
„Da hast du wohl Recht. Ich werde hier noch ein wenig meine Augen entspannen und mich später umziehen. Max, hol mich bitte ab, wenn das Essen auf dem Tisch steht. Über den Rest reden wir bei Tisch.“
„Das heißt, er schmeißt uns raus“, kommentierte die Pilotin. „Na, egal. Ich war sowieso fertig mit dem Kaffee.“
„Beim Essen dann“, sagte Blue und erhob sich.
Zusammen verließen die beiden das Büro.
Thomas aber schloss die Augen und dachte an den verhängnisvollen Tag. Einen Augenblick später war er eingeschlafen.

In seinem Traum stand er in einem rußgeschwärzten Trümmerfeld. Alles war wie damals. Es roch verschmort, nach Eisen und Gummi. Die Trümmer streckten sich empor wie die Krallenhände von schwarzen Skeletten, die sich unter Qualen ächzend gen Himmel reckten. Um ihn herum herrschte ein beständiges Gewusel. Dutzende Sanitäter und Soldaten durchforsteten die Trümmer nach Leichen und Überlebenden. Doch bisher hatten sie nur Leichen gefunden.
Thomas spürte, wie er in die Knie einbrach, genau wie damals. Und er spürte sein Herz rasen, die Wut, die Verzweifelung in ihm kochen. Der Stern auf seiner Brust, der ihn zum Air Ranger machte, schien zu glühen und sich in seine Haut brennen zu wollen.
Und wie um die Szene komplett zu machen, erschien Richard Campbell hinter ihm. Mit ruhiger, emotionsloser Stimme berichtete er und vertiefte die Verzweifelung des deutschen Piloten.
„Laut Passagierliste waren dreißig Passagiere an Bord. Siebzehn Männer, dreizehn Frauen.
Dazu kommen noch zwanzig Mann der Besatzung. Der BAS-Begleitschutz hat aus zwei Rotten bestanden. Drei Maschinen liegen fünf Meilen südlich von hier auf einer Hügelkette verteilt. Und zwar alle Maschinen. Von der vierten ist nichts zu sehen. Entweder ist sie geflohen oder es war ein Verräter an Bord. Wir haben bisher über vierzig Leichen geborgen und noch nicht einen einzigen Überlebenden gefunden. Alles sieht nach einer gewaltigen Wasserstoffexplosion aus. Das kann keiner überlebt haben.“
Thomas krallte die Hände ins Erdreich. Er spürte, wie seine Nägel splitterten und Blut die Finger herabtropfte und die Erde tränkte. Doch dieser Schmerz bot ihm keine Ablenkung. Zu stark war der andere Schmerz. Zu tief saß die Verzweifelung. Annie. Annie war an Bord gewesen.
„Wir haben bisher einen überlebenden BAS-Piloten gefunden. Er ist schwer verletzt, aber er konnte uns einiges erzählen. Die Piraten schienen nicht gewusst zu haben, dass die SUN TRAIN mit Wasserstoff flog. Oder es war ihnen egal. Sie haben jedenfalls direkt auf die Hülle gefeuert, bevor sie überhaupt den Versuch unternommen haben, den Zeppelin zu entern. Als er in Flammen aufging, befand er sich in vierhundert Meter Höhe. Der Kapitän konnte nichts tun. Hier konnte niemand überleben.“
Annie, schrie es in seinen Gedanken. Annie!
„Wir haben eine weibliche Leiche gefunden. Sie trägt Annies Ringe. Größe und Gewicht stimmen in etwa überein. Falls wir alle fünfzig Personen, die an Bord waren, finden sollten, ist es wahrscheinlich, dass…“
Nein, riefen Thomas´ Gedanken, ich will das nicht hören. Ich will hoffen können. Ich kann die grausame Wahrheit nicht ertragen. Sag es nicht, lass mir die Illusion.
„Dass meine Tochter ebenfalls gestorben ist.“
Heiße Tränen rannen über seine Wangen. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Nicht Annie. Nicht seine Annie.
„Der BAS-Pilot sagt, er hätte eine schwarze Zigarre in der Nähe gesehen, von der die Angreifer gestartet sind. Der Name des Zeppelins war LEVIATHAN. Wir forschen bereits nach, aber bisher ohne Ergebnis.
Was? Oh. Danke.
Ich habe jetzt die Bestätigung. Alle fünfzig Personen wurden gefunden. Annabelle Campbell ist somit unter ihnen. Meine Tochter ist tot, Dave.“

Erschrocken fuhr Thomas aus seinem Albtraum hoch, wie immer an der gleichen Stelle. Er war schweißgebadet und stellte verblüfft fest, blind zu sein. Hastig riss er sich die Binde von den Augen fort und inspizierte schwer atmend seine Umgebung.
Als er merkte, dass er alleine war, atmete der deutsche Pilot merklich auf. Gut.
Natürlich hatte es sich nicht ganz so abgespielt. Er selbst war es gewesen, der Richard Campbell die Nachricht vom Tod seiner Tochter nach Houston gebracht hatte. Noch heute verfluchte er die emotionslose Stimme des Offiziers, der die Aufräumarbeiten geleitet und ihn in dieses tiefe Loch gestürzt hatte.
Sicher, er hätte Annie nicht beistehen können. Nicht mit dreihundert Meilen Distanz zwischen ihren Zigarren. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich seither schwere Vorwürfe zu machen und sich einzureden, dass er eben doch hätte da sein können. Irgendwie, wegen irgendeiner verrückten Eingebung.
Menschen sterben nun mal, hatte Richard gesagt. Und man müsse das akzeptieren, um weiterleben zu können. Sicher, Campbell hatte um seine Tochter geweint. Und lange um sie getrauert. Aber er hatte ihren Tod akzeptiert. Und wieder zu leben begonnen.
Nur Thomas nicht. So sehr er auch versuchte, es zu verheimlichen, mit Annie war auch etwas von ihm gestorben. Und solange die LEVIATHAN am Himmel kreuzte, würde er keine Ruhe haben. Er würde Annies Mörder finden, stellen und vernichten. Oder daran scheitern.
Irgendwann. Irgendwo. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort…
17.01.2020 20:45 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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1 Jahr zuvor, Berlin – Reichshauptstadt, Zentrale der „Abwehr“

Oberst Arnim von Tauten sah überhaupt nicht so aus, wie man sich einen preußischen Adligen vorstellte. Er war eher kleingewachsen, leicht übergewichtig und hatte auf seinem Kopf kein einziges Haar mehr. Die braunen Augen hinter der einfachen Brille wirkten freundlich, ja harmlos. Seine Haut erschien dunkler, als man von einem „Arier“ erwartete – Erbe von drei Jahren in der Türkei, im letzten, dem Großen Krieg.
Der Oberst hatte bereits im Weltkrieg den Hauptmannsrang erhalten und war in der friedlicheren, aber für einen altgedienten Militär seines Kalibers unbefriedigenden Weimarer Zeit in den diplomatischen Dienst gewechselt. Ironischerweise hatte dies ihm unfehlbar die Reaktivierung und Beförderung garantiert, als die politischen Zustände sich wandelten. Jetzt gehörte Arnim von Tauten zur Abwehr – dem deutschen militärischen Geheimdienst. Trotz ihres Namens war die Abwehr mindestens ebenso offensiv, wie defensiv tätig, gemäß der alten preußischen Maxime, dass Angriff die beste Verteidigung war. Die neuen Machthaber und die expansiven Pläne, die im Generalstab und der Führung gehegt wurden, verlangten eine ebenso intensive wie umfassende Aufklärung der Ziele, Ressourcen und Verhältnisse der anderen Mächte in Europa und Übersee, die Deutschland bei seinem Griff nach Weltmachtstellung im Wege stehen könnten.
Momentan hatte von Tauten eine Akte vor sich liegen, die er seit gut einer Stunde gründlich studiert hatte. Die wenigen Männer und Frauen, die den Oberst näher kannten hätten an den leicht zusammengekniffenen Augen und dem Zucken in den Mundwinkeln feststellen können, daß von Tauten über irgend etwas verärgert war. Das hinderte ihn aber nicht am akribischen Studium der Personenakte, die er sich erst kürzlich hatte kommen lassen.

Hauptmann Ernst Karl von Stahlheim. Uralter preußischer Erbadel, der sich noch auf die Ordenszeit zurückführte. Mitglieder der Familie hatten unter dem „Großen Kurfürsten“, dem „Soldatenkönig“ und Friedrich dem Großen im preußischen Militär gedient, ebenso in den Freiheits- und den Einigungskriegen. Daneben hatten sie aber auch in der preußischen Verwaltung und im diplomatischen Dienst gestanden. Ernst Karl von Stahlheim hatte vier Jahre seiner Kindheit in Amerika verbracht, wo sein Vater im diplomatischen Auftrag und dem Auftrag der Abwehr tätig war. Mit 18 hatte er sich zu den gerade entstehenden deutschen Lufteinheiten gemeldet, die angesichts der wachsenden Bedrohung durch Luftpiraten gebildet wurden. Zwei Jahre später war er Mitglied des JG „Richthofen“. Es folgten zwei Jahre Einsatz in denen er vier feindliche Maschinen abschoss. Danach kam die entscheidende Wende in seinem Leben – die Abwehr rekrutierte den jungen Leutnant. Zwei Jahre intensiver Ausbildung zum Agenten folgten, bei der Abwehr und dem für spezielle Diversionsaufgaben gebildeten Kampfverband „Brandenburg“, der noch geheimer war als die Abwehr selber. Anschließend Versetzung zur Jagdabteilung des KG 200, das Spezialflüge für die Abwehr durchführte.
Die Ausbildung umfasste offensichtlich alle Scheußlichkeiten des geheimen Krieges: Umgang mit Schusswaffen, bewaffneter und unbewaffneter Nahkampf - lautloses Töten, Ent- und Verschlüsslungsfähigkeiten, Beschattung, Observierung, Interfiltrierung, Umgang mit Giften und Sprengstoffen sowie Sabotage aller Art, Fallschirmspringen und, und, und... Von Tauten pfiff beeindruckt durch die Zähne als er die Bewertung der Kampffähigkeiten sah. Allerdings waren die technischen Fähigkeiten von Stahlheims nur Durchschnitt für die hohen Standards der Abwehr.
Auf die Ausbildung folgten mehrere Einsätze im KG 200, dann die Versetzung als Verbindungsoffizier in die Mandschurei, wo die Luftwaffe ein diskretes, aber nützliches Bündnis mit der japanischen Armee pflegte. Der dortige Einsatz hatte nur ein dreiviertel Jahr gedauert, dennoch war es von Stahlheim offenbar gelungen, ein gutes, ja herzliches Verhältnis zu den Piloten herzustellen. Er hatte sich an Einsätzen beteiligt und dabei zwei Feindmaschinen abgeschossen: einen leichten Bomber und einen Jäger, dessen Pilot zu den „Flying Tigers“ gehört und bereits sechs Maschinen abgeschossen hatte.
Nach seiner Rückkehr folgten weitere Einsätze für das KG 200, auch in Spanien, bei denen von Stahlheim noch vier gegnerische Maschinen abschoß.
Auszeichnungen: EK II, EK I, Verwundetenabzeichen, Fallschirmspringerabzeichen, Nahkampfspange, Frontflugspange in Gold, japanische Tapferkeitsmedaille.
Dieser „Klempnerladen“ interessierte von Tauten nur wenig, dafür stellte er mit Zufriedenheit fest, dass von Stahlheim Grundkenntnisse in Japanisch, Französisch, Russisch und Spanisch besaß, Englisch aber ausdrücklich „wie eine Muttersprache“ beherrschen sollte.
Er musste kurz grinsen, als er die Bewertung am Schluss las: „in ideologisch/weltanschaulicher Hinsicht lässt von Stahlheim es noch an der nötigen Durchgeformtheit vermissen. Seine Einstellung als Patriot ist aber ohne Zweifel. Ein guter Mann, der aber zur Beurteilung politischer Belange nicht die nötige innere Geschlossenheit und Festigkeit besitzt. Andererseits verfügt er damit über eine Fähigkeit, sich örtlichen Gegebenheiten leichter anzupassen.“
Familienstand: ledig, gelöste Verlobung mit Anna von Priest, mit der er aber noch eine Brieffreundschaft aufrechterhält.
Arnim von Tauten glaubte den Typus zu erkennen, den der Agent verkörperte. Von Stahlheim beschränkte sich auf die selbstdeffinierte Position des Patrioten und Berufssoldaten und war fähig und ehrgeizig genug, die gebotenen Chancen voll zu nutzen. Die expansiven Pläne der Reichsregierung fanden sicherlich seine volle Zustimmung.

Es klopfte. Arnim von Tauten bellte ein scharfes „HERREIN!“, ohne den Kopf zu heben. Das scharfe Knallen von genagelten Stiefelabsätzen ertönte. Vor von Tautens Schreibtisch knallte der Eintretende die Hacken zusammen, salutierte – und hielt den Gruß, bis der Oberst aufblickte.
Hauptmann Ernst Karl von Stahlheim war hochgewachsen und breitschultrig und sah in der grauen, schmucken Uniform wie ein Rekrutierungsplakat aus. Das rotblonde Haar war nach Vorschrift geschnitten, das kantige, hagere Gesicht glattrasiert. Aus grauen, leicht zusammengekniffenen Augen musterte der Agent den Oberst wachsam.
Von Tauten salutierte eher lässig, das Privileg des höheren Ranges: „Guten Tag.“
„Hauptmann Ernst Karl von Stahlheim. Melde mich wie befohlen!“
„Schon gut. Lassen wir die Formalitäten. Wie ist Ihr letzter Einsatz verlaufen?“
Der Hauptmann zögerte nur kurz. Er musste wissen, das der Oberst diese Information eigentlich auch auf dem Dienstweg erfahren konnte: „Aufgabe war, einen VW Schimäre-Autogyro zu eskortieren, der den britischen Funkmessschirm unterflog und einen Agenten abholte. Operation verlief erfolgreich.“
„Man könnte meinen, Sie wären für eine solche Aufgabe überqualifiziert. Sie sind auch für den direkten Einsatz im feindlichen Ausland ausgebildet, haben auch schon etliche Einsätze in Frankreich und England hinter sich, und auch in Spanien...“
„Danke, Herr Oberst. Ich tue meine Pflicht.“
„Natürlich. Nun, wie der Zufall so will, werden Ihre Befehle für den nächsten Einsatz mit Ihren Fähigkeiten besser harmonisieren. Sie sind über die Lage in Amerika informiert?“
„Im Rahmen der üblichen Lageinformationen, Herr Oberst. Ich wurde aber auch gelegentlich zur Beurteilung von Luftoperationen mit herangezogen.“
„Ja natürlich, Sie sind mit den meisten der amerikanischen Flugmodelle vertraut, ich vergaß...“, das war natürlich nur eine Floskel, „...und dazu kommen noch Ihre exzellenten Kampf- und Flugfähigkeiten und Ihre Sprachkenntnisse. All dies werden Sie gut gebrauchen können. Und Sie sind bei unseren japanischen Freunden nicht ganz unbekannt.“
Von Stahlheim schwieg. Der Oberst hatte ihn nicht um seine Meinung gefragt, also blieb er wie ein guter deutscher Soldat in Habacht und wartete auf die Dinge, die da kommen würden.
„Die Lage in Amerika hat sich in der letzten Zeit alles andere als stabilisiert. Nun, das könnte uns ja nur recht sein, immerhin gibt uns dies in Südamerika fast völlig freie Hand – aber wir wären dumm, würden wir diesen Hexenkessel ignorieren. Die alten Kolonialmächte versuchen ihre wankende Herrschaft dadurch zu stabilisieren, dass sie ihren Einfluss in den Amerikanischen Territorien stärken und versuchen, Zugriff auf die immer noch eminent wichtigen Rüstungsindustrien und Rohstoffreserven zu bekommen. Das können wir nicht zulassen. Unsere japanischen Freunde sind klug genug, der Region verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen und auch unsere Führung wünscht eine stärkere Erfassung dieses Raums für das Deutsche Reich.“
Falls der Hauptmann sich fragte, warum sein Vorgesetzter sich so weitschweifig über dieses Thema ausließ, dann ließ er sich das nicht anmerken.
„Wie Sie wissen, ist nicht nur unsere Dienststelle für die Auslandsaufklärung interessiert...“ Jetzt zeigte von Stahlheim eine Reaktion, er kniff den Mund leicht zusammen. Die Intrigen und Kompetenzstreitigkeiten zwischen Abwehr und RSHA auf dem Gebiet der Auslandsspionage waren ein offenes Geheimnis – und keine der beiden Organisationen empfand auch nur einen Funken von Kollegialität zueinander.
„Nun, wie dem auch sei, wir schicken Sie über den Ozean. Ich weiß, Ihnen stände Urlaub zu – aber der für den Einsatz vorgesehene Agent ist ausgefallen. Sie sind der nächstbeste Mann für diese Aufgabe – aber Ihr Luftschiff startet bereits in zwei Stunden. Sie erhalten alle nötigen Unterlagen, so dass Sie sie auf dem Flug studieren können. Genauere Informationen bekommen Sie dann in unserer New Yorker Residentur – und Ihre Tarnidentität. Noch Fragen?“
„Worin besteht mein Auftrag, Herr Oberst?“
„Das erfahren Sie im Einzelnen vor Ort. Nur soviel. Unsere Führung hält es für angebracht, dem Phänomen der Piratenbanden verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Diese Banditen können sowohl zur Destabilisierung wie Ordnung der Lage in unserem Sinne von Nutzen sein. Es gibt auch Gerüchte über...neue Technik, die verstärkt zum Einsatz kommt. Eine Art ‚Booster‘ für Jagdmaschinen. Man hält es für gut, wenn ein Mann mit fliegerischem Können an der Aufklärungsoperation beteiligt ist. Immerhin benutzen wir den neuen ‚Walküre‘-Schubverstärker erst seit einem halben Jahr – und Sie haben Flugerfahrung mit dem Gerät, können also eventuell bei Vergleichen nützlich sein. Aber die Einzelheiten erfahren Sie Drüben. War es das?“
„Jawohl, Herr Oberst!“ von Stahlheim salutierte, knallte wieder die Hacken zusammen und wandte sich zum Gehen. An der Tür stoppte ihn die Stimme des Oberst noch einmal: „Diese Operation ist wichtig, nicht nur für Ihre Kariere. Die ‚Abwehr‘ steht zurzeit unter Druck, das wissen Sie genau. Tun Sie ihr Bestes – ein Versagen ist indiskutabel.“
„Verstanden, Herr Oberst!“ dann war von Tauten wieder allein. Nach ein paar Augenblicken griff er nach dem Telefonhörer, wählte und wartete ein paar Sekunden. Seine Stimme war sehr ruhig, kontrolliert: „Er ist auf dem Weg.“
Die Operation ‚Parzival‘ war angelaufen.

***
Der Mann, der sich eine halbe Stunde später von einem Taxi zum Berliner Flughafen Schönefeld fahren ließ, war stilvoll, aber keineswegs auffällig gekleidet. Die militärische Straffheit hatte von Stahlheim mit seiner Uniform abgelegt, zurzeit saß er lässig zurückgelehnt, zog müßig an einer Zigarette und blätterte in einer Zeitung – der „Wehrmacht“.

In großen Lettern waren die Ereignisse der letzten Wochen darin festgehalten – soweit sie militärisch bedeutsam schienen und von der Zensur genehmigt worden waren:
Friedensbotschaft des Führers an die anderen Großmächte

Italienisch-deutsches Flottenmanöver vor Tripolis unter den Augen des Duce

Das neue Imperium Romanum – Italiens Kolonialarmee im Kampf mit arabischen Banditen; ein Gespräch mit General Graziani

Zwei Neue Marineluftschiffe fertiggestellt

Warum wir noch mehr Kolonien brauchen – Ansichten des Helden von Deutsch-Südwestafrika, Paul von Lettow-Vorbeck

Mit besonderem Interesse widmete sich von Stahlheim allerdings den paar Artikeln, die Ereignisse in Amerika behandelten. Es war nicht viel – aber den Beitrag über den „Schwarzen Schwan“ las er zweimal. Die berühmte Piratin war auch bei den europäischen Piloten bekannt, und auch wenn es von Stahlheim kaum öffentlich zugegeben hätte, er wäre nur zu gerne einmal der rätselhaften Toppilotin persönlich begegnet. Nun – wer wusste, was die Zukunft brachte... Allerdings, abgesehen von einem vagen Gerücht über einen Überfall auf einen texanischen Schmuggler und der Vermutung, der „Schwarze Schwan“ sei eine vor den Roten geflüchtete russische Adlige, gab es wenig Neues.
Sobald der Flughafen in Sicht kam, faltete von Stahlheim die Zeitung zusammen und ließ sie im Wagen. Als er die erste Flughafenkontrolle passierte, trug er das „Deutsche Handelsblatt“ unterm Arm. Fast automatisch wich er einer Gruppe deutscher und italienischer Offiziere aus, die gerade das Flughafengebäude verließen. Die nahmen es als selbstverständlich hin, dass man ihnen Platz machte, nur ein italienischer Leutnant bedankte sich mit einem freundlichen Nicken.
Die Sicherheitsvorkehrungen für die Luftschiffpassagiere waren sehr streng: Das Gepäck wurde mehrmals durchsucht, die Dokumente gewissenhaft geprüft. Alle Feuerzeuge, Streichhölzer und Fotoapparate wurden schon vor dem Start eingezogen. Neben Polizei und Zollbeamten waren mehrere Offiziere der Geheimen Staatspolizei anwesend. „Was ist der Grund Ihrer Reise, Herr Schneider?“ Der junge Gestapooffizier hatte sich ausgerechnet von Stahlheim für eine Stichprobe ausgesucht. Der Agent lächelte liebenswürdig: „Wie Sie in meinem Pass sehen, bin ich Vertreter der Henschel-Werke. Es geht um die Ausweitung unserer Geschäftsbeziehungen auf die Atlantikküste des amerikanischen Kontinents. Die Industriels...“
Der Gestapomann rümpfte die Nase, offenbar liefen solche Geschäfte für ihn unmittelbar unter der Schwelle zum Hochverrat. Dann winkte er herrisch: „Sie können weiter!“ Von Stahlheim verkniff sich ein Grinsen. Der Kerl hatte doch keine Ahnung...

Die neuen Passagierluftschiffe der „Hindenburg II“-Klasse boten etwa 200 Passagieren höchsten Komfort im Verbund mit größter Sicherheit. Seitdem man auf Helium umgestiegen war, gehörten Luftschiffkatastrophen fast völlig der Vergangenheit an. Die „Hindenburg II“ waren schnell und leise, mit einer fast unglaublichen Reichweite. Außerdem wurde jeder Flug auf internationalen Routen inzwischen von einem Luftwaffenzeppelin begleitet, welches gepanzert war, über FLAK und FLAR verfügte und außerdem Abfangjäger an Bord hatte. Dies hatte die Benutzung der Luftschiffe natürlich endgültig zu einer Sache für die Oberschicht und hohe Staatsbeamte gemacht.

Vor allem wegen dieser zahlreichen Schutzmaßnahmen verlief die Reise völlig ereignislos. Kein Pirat war so wahnsinnig, es willentlich mit der Luftwaffe aufzunehmen. Von Stahlheim nahm kaum einer der Passagiere besondere Notiz, da er die meiste Zeit in seiner Kabine blieb und sich zwar höflich, aber unverbindlich gab. Die paar Leute, die ein Gespräch mit dem „Henschel-Vertreter“ anfingen stellten schnell fest, dass dieser Mann offensichtlich absolut phantasielos war und sein Gesprächsrepertoire sich auf Technik und Geschäftsdinge beschränkte.
Tatsächlich nutzte von Stahlheim jede freie Minute, um die Unterlagen zu studieren, die er erhalten hatte. Er prägte sich die politischen und militärischen Details ein, die die Abwehr ihm zur Verfügung gestellt hatte. Auch die Kennworte, Funkwellen und Anlaufstellen, über welche die Kommunikation und Information mit örtlichen Agenten und Residenturen laufen sollten, prägte er sich ein. Anschließend vernichtete er die Papiere. Als „Herr Schneider“ von Bord des Zeppelins ging, fanden auch die amerikanischen Zöllner nichts an seinem Gepäck oder Papieren zu beanstanden. Im Gegensatz zu den üblichen Spionageromanen schleppten Geheimagenten eben weder offensichtliche Kodebücher, noch Giftkapseln mit sich herum. Alles was er momentan brauchte, hatte von Stahlheim im Kopf. Die nötige Ausrüstung, Geld und Papiere würde ein hiesiger Kontaktmann stellen. Kaum vier Stunden, nachdem „Herr Schneider“ amerikanischen Boden betreten hatte, gab es ihn schon nicht mehr und zwei Tage später suchte „Werner Mueller“, seit zwölf Jahren im Lande lebend und Stellvertreter einer prosperierenden Brauerei, nach einem Platz in einem Passagierzeppelin der Industrials...


***
Gegenwart

Die Devastator versuchte vergeblich, den hinter ihr hängenden Jäger abzuschütteln. Gegen die wendigere Maschine hatte sie keine Chance. Pausenlos trommelten die Salven von zwei 50er und einer 30er Bordwaffe auf den bereits angeschlagenen Jäger ein, auf diese kurze Entfernung mit tödlicher Wirkung. Der Devastator-Pilot der Texas Ranger fluchte unbeherrscht, als er seine Maschine in eine scharfe Rechtskurve legte – und die feindliche Defender ohne Probleme folgte.
Wieder schüttelten Treffer seine Maschine durch, heftiger noch als vorher. Mit einem Gefühl des Grauens sah der Pilot, dass sein ohnehin schon beschädigter linker Flügel von den konzentrierten Salven regelrecht auseinandergenommen wurde. Die Maschine überschlug sich regelrecht in der Luft und trudelte dann dem Boden entgegen. Erst im letzten Augenblick konnte der Pilot mit dem Fallschirm aussteigen. Während er in den Gurten hing fluchte er ohnmächtig über die Defender, die über ihm eine Siegerrolle flog und höhnisch mit den Flügeln wackelte.

Der Pilot, der sich Baltic nannte, grinste kurz und kalt. Das war sein dritter Abschuss in einem Jahr, auch wenn bei zwei davon andere Maschinen mitgeholfen hatten. Ein Rundblick zeigte, dass auch der andere Devastator von den drei übrigen Maschinen niedergekämpft worden war. Die Stimme des Sektionschefs rasselte, die Funkanlagen der Maschinen waren etwas veraltet: „Das war’s. Wenn jetzt die anderen ihre Aufgabe so gut machen wie wir, dann sind die Gringos bald ein Luftschiff ärmer.“
„Wir SIND die Gringos!“ schaltete sich Baltic in den Sprechfunkverkehr ein. Wie mehr als die Hälfte der Piloten, die bei diesem Raid beteiligt waren, konnte er nicht einmal auf den ersten Blick mit einem Mexikaner verwechselt werden.„Wie sieht es mit Treibstoff aus?“
Wie sich schnell herausstellte, war Baltic der einzige, der noch über genug Treibstoff verfügte – die anderen Jäger mussten umgehend zum Basiszeppelin zurück, sei es aus Treibstoffmangel oder wegen Gefechtsschäden. Trotzdem die Devastator der Texas Ranger überrascht worden waren, hatten sie sich verbissen gewehrt.
„Baltic, sieh zu, wie sich die anderen machen. Der Rest – zurück nach Hause!“
Die einzelne Maschine ließ die zwei Valiants und die andere Defender hinter sich und begab sich in einen leichten Steigflug. Das verminderte zwar ihre Geschwindigkeit, aber Höhe bedeutete Überlegenheit.

Doch als Baltic den Kampfplatz erreichte, hatte sich dort die Situation dramatisch verändert. Aus einem sicheren Sieg über unterlegene Deckungsverbände und einer „Cat Shannon“-Aktion war durch das unerwartete Auftauchen von etwa einem halben Dutzend feindlicher Jäger eine wütende Luftschlacht geworden, bei denen „Santa Annas Lanciers“ – die mexikanischen Flieger – keine gute Position abgaben...
Eine der mexikanischen Devastator zog eine Rauchfahne hinter sich her und schied endgültig aus dem Kampf aus, als ihr linker Flügel explodierte. Die Gyros mit den Entertruppen wurden gleichzeitig von zwei Texas Rangern angegangen – ein mehr als ungleicher Kampf, das wusste Baltic.
Eine texanische Brigand wurde von einer Vampire verfolgt, merkwürdigerweise setzte der Ranger nicht seine Heckwaffen ein.
Zwar versuchte eine texanische Fury zur Vampire aufzuholen, aber es gab keine Chance, dass sie es noch rechtzeitig schaffen würde bis...
Im nächsten Augenblick riß Baltic unwillkürlich die Augen auf und zog scharf, fast zischend die Luft ein, während er die Maschine auf die Seite legte, um ein besseres Blickfeld zu haben. Was bei allen Göttern...
Die Fury hatte mit einer für die Maschine eigentlich unmöglichen Geschwindigkeit zu der Vampire aufgeholt, während gleichzeitig die texanische Brigand mit einer fast ebenso unglaublichen Beschleunigung aus dem Schussfeld der Vampire zog.
Die Vampire kassierte jetzt mehrere Salven von der Fury, taumelte und zog gen Ozean davon, entnervt durch die Treffer und die eigentlich nicht möglichen Leistungen seiner Gegner.
‚Feigling. Typisch Mexikaner. Kopflos im Angriff, wie in der Flucht.‘ Der Mann, der sich Baltic nannte, verzog geringschätzig den Mund, behielt das Geschehen aber weiter im Auge. Sich einzumischen hatte er allerdings keine Lust – es wäre zu diesem Zeitpunkt aber auch bereits sinnlos gewesen.
Mit Interesse sah er, wie sich jetzt die texanische Fury mit Hilfe ihrer erstaunlichen Beschleunigungsfähigkeit vor einer mexikanischen Maschine rettete. Im gleichen Zeitraum ging eine weitere mexikanische Devastator in Flammen auf und explodierte noch vor dem Aufprall. Die letzte Devastator der „Santa Anna Lanciers“ floh. Und auch dort, wo die Autogyros angegriffen hatten, brannte mindestens ein Wrack am Boden aus. Der Angriff war blutig gescheitert.
Der Pilot wendete seine Maschine und brachte sie auf Heimatkurs. Die Tatsache, dass „seine Leute“ geschlagen worden waren, bereitete ihm wenig Kopfzerbrechen. Er war für diesen Auftrag angeheuert worden, auch wenn seine Motive ganz woanders lagen als nur in einem leichten Verdienst. Viel mehr interessierte ihn die Manöver der anderen Seite, die eigentlich nur einen Schluss zuließen – die gegnerische Einheit war umfassend mit diesen geheimnisvollen „Boostern“ ausgerüstet worden – und die Piloten verstanden es, damit umzugehen. Der Pilot versuchte sich in Erinnerung zu rufen, was vor dem Einsatz über die Gegner bekanntgeworden war – und ein Plan begann in seinem Kopf zu entstehen...


„Santissima Trinidad“, Zeppelin der „Santa Anna Lanciers“

Die Stimmung an Bord war am Boden. Nicht nur, daß man zwei Jäger verloren hatte – dazu kam der Verlust eines vollbesetzten Gyro. Keiner wusste, ob diese Männer und Frauen gefangen, verwundet oder tot waren. Die meisten Piloten und Briganten waren außerdem ohnehin Söldlinge und Abenteurer und reagierten sehr nachdrücklich auf das Misslingen des Plans, den Commandante Juan Gomez versucht hatte. Deshalb verlief Baltic’s Landung ziemlich unbemerkt – die Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf Gomez. Der Commandante stand in einem wilden Pulk seiner Anhänger und Gegner, fuchtelte mit einer Automatic und versuchte mit wechselndem Erfolg, die Anschuldigungen niederzubrüllen. Ein paar Augenblicke sah es ganz nach Blutvergießen aus, doch am Ende wagte keiner, zur Waffe zu greifen. Gomez galt als verflucht fix mit der Knarre und hinter ihm stand mit Lieutenant Irendo einer der besten Entersoldaten sichernd bereit, eine Schmeisser locker über der Schulter.
Schließlich teilte Gomez brüllend dem Hangar und der Welt mit, er sei nicht auf ein paar feige Schaben angewiesen – wer wolle, der könne jederzeit verschwinden!
Das beendete den Streit tatsächlich – eine Handvoll Piloten, Mannschaftsmitglieder und Entersoldaten begann ihre Sachen zu packen, der Rest ging daran, die beschädigten Maschinen zu warten.
Der Mann, der sich Baltic nannte, hatte sich nicht am Streit beteiligt. Stattdessen hatte er schweigend zugehört. Erst als die Gemüter sich etwas beruhigt hatten, knüpfte er ein paar Gespräche mit anderen Piloten an. Eine kleine Metallflasche mit Whisky half, den Gesprächsfluß zu stimulieren. Baltic interessierte sich besonders für den Zeppelin, den sie hatten kapern wollen - zu dem die meisten nicht viel wussten – und über den Commander der feindlichen Piloten. Da wussten die Leute schon mehr, auch wenn es meist nur hieß, er sei ‚einer von Shannons Bastarden‘. Etliche bemerkten dabei kritisch, dass Gomez wirklich reichlich unvorsichtig gewesen sei, als er glaubte, mit so einem auf der anderen Seite ausgerechnet ein ‚Shannon-Manöver‘ durchziehen zu können.
Ansonsten war nicht viel über den Commander bekannt. Er sollte ein guter Pilot sein – aber auch ein arroganter Hunne. Angeblich hatte er Kontakte bis ganz nach Oben in Texas. Einer der älteren Piloten definierte dies als „immer die richtige gebumst, so kommt man bei den Gringos vorwärts...“ konnte für diese Einschätzung aber nichts Konkretes nachliefern.
Das war nicht viel, aber in Verbindung mit dem, was Baltic über eine neue texanische Kaperoffensive gehört hatte – aus Quellen, von denen keiner an Bord etwas ahnte – ergab es ein interessantes Bild.

An Bord der „Santissima Trinidad“ hielt ihn nichts. Er hatte sowieso nur deswegen bei den Mexikanern angeheuert, weil er nach einer vorher nicht ganz glatt verlaufenen Aktion untertauchen musste und außerdem gehofft hatte , so Kontakt zu anderen, größeren Piratenbanden herzustellen. Aber das würde nicht funktionieren. Commandante Gomez mochte sich behauptet haben, aber nun würde er sich zurückziehen und seine Wunden lecken müssen.
Deshalb fiel Baltic die Wahl nicht schwer. Eine halbe Stunde später meldete er sich bei Commandante Gomez ab, der ihm frostig mitteilte, in vier Stunden würde ein Gyro die „Deserteure“ absetzen und noch einen reichlich obszönen Fluch hinterher schickte. Baltic drehte sich nicht einmal um. Seien Zeit auf der „Santissima Trinidad“ war vorbei und er ging ohne Bedauern.

***

Vier Stunden später

Der Mann, der sich Baltic nannte, trennte sich schnell von den anderen „Deserteuren“, die wie er am Rande einer der Überlandstraßen abgesetzt worden waren. Der Commandante war nicht übermäßig freundlich zu ihnen gewesen – die nächste Siedlung war fünfzehn Meilen entfernt, ein netter Marsch bei dieser brütenden Hitze.
Während er mit Kraftsparenden, gleichmäßigen Schritten marschierte, arbeiteten seine Gedanken. Für die mexikanischen Briganten war Baltic genug gewesen, niemand hatte nach seiner Vergangenheit gefragt, nachdem er in einer Übungsmaschine sein Können demonstriert hatte. Aber diesmal war es etwas anderes. Die Texaner, mit die unbeliebtesten Amerikaner überhaupt, hatten den Ruf von Xenophoben und Paranoikern. Er brauchte eine überzeugende Geschichte. Nun, er hatte für diesen Fall vorgesorgt…
Er würde Ernst „Steel“ Stahl sein, Sohn russisch-baltendeutscher Eltern, die nach dem Großen Krieg ihre vom Bürgerkrieg verwüstete Heimat Richtung Amerika verlassen hatten. Es war absolut unmöglich, dass irgendein misstrauischer Vorgesetzter dies als falsch eruieren würde – zumal, wenn Steel die richtigen Papiere vorweisen konnte. Steel war mit 20 in die Luftstreitkräfte der Industrials eingetreten. In vier Jahren Dienst hatte er fünf Maschinen abgeschossen, bis er aus dem aktiven Dienst schied und in die „Privatwirtschaft“ wechselte – und in den folgenden zwei Jahren noch drei Maschinen abschoss, während er Eskortaufträge und ähnliche Einsätze flog. Er hatte Erfahrung in Bodenangriffen, Nacht- und Blindflügen und war in keinem der amerikanischen Staaten steckbrieflich gesucht.
Ernst Karl von Stahlheim grinste humorlos – ja, diese Geschichte dürfte passen, diese Geschichte konnte er leben…

Ungefähr vier Stunden später, Steel rastete gerade, fiel ihm eine Staubwolke auf, die sich aus der Richtung näherte, aus der er gekommen war.
Es war ein Materialtransport, vier LKW, eskortiert von einem offenen Wagen, in dem vier Soldaten und ein Offizier saßen.
Steel hinkte, sichtlich fußkrank, zum Rand der Straße und winkte. Erstaunlicherweise hielt der Jeep tatsächlich. Der Lieutenant richtete sich von seinem Sitz auf und musterte den Fußgänger sichtlich amüsiert.
Er sah vor sich einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann mit hageren, kantigen Gesicht und grauen Augen, nachlässig rasiert, aber das rotblonde, Haar extrem kurz geschnitten. Die ausgediente Uniform der Industrial-Luftwaffe ohne Abzeichen war total verdreckt. An der Hüfte des Mannes baumelte eine italienische Beretta-Automatikpistole. Ein Seemannssack hing auf dem Rücken. Die Pilotenstiefel waren für den Marsch auf der Landstraße offensichtlich ungeeignet.
„Na was denn, Pilot – Abgeschossen worden?“ In der Stimme des Lieutenants schwang gutmütiger Spott mit.
„Wenn’s das denn wäre! Irgend so ein Landei war so freundlich mich mitzunehmen, schmeißt mich dann aber mitten in der Prärie raus, weil seine Farm nun mal im Nirgendwo liegt und er nicht weiter fährt.“
Das brachte Steel ein paar Lacher ein – aber am Ende durfte er sich zwischen die Soldaten zwängen. Die Pistole gab er dazu bereitwillig ab. Und er revanchierte sich auch mit dem Rest Whisky, den er noch hatte und ein paar recht schweinischen Geschichten, die er angeblich in New York erlebt hatte...

Er hatte wirklich Glück gehabt – der Konvoi war tatsächlich zu dem Aerodrom unterwegs, das Steels Ziel war. Dort herrschte nach dem Angriff erhebliches Durcheinander. Die Verwüstungen durch den Luftangriff waren noch immer nicht völlig beseitigt. Steel vermied es, auch nur in die Nähe der gefangenen Briganten zu kommen – einige von ihnen hätten ihn vielleicht erkannt. Er meldete sich keineswegs sofort, obwohl er schnell erfuhr, dass dieser Captain „Armstrong“ – noch Leute suchte. Erst einmal sah er sich sorgfältig um. Die Fla-Kanoniere und Piloten, die sich an dem Gefecht beteiligt hatten, waren vielfach in der typisch aufgekratzt-euphorischen Stimmung, die Soldaten nach einem Kampf zeigten. Und sie waren mehr als bereit, einem angemessen hochachtungsvollen, abgebrannten Kollegen von der Schlacht zu erzählen. Steel sagte wenig, aber er hörte zu und erfuhr so mehr über Armstrong, als wenn er nachgefragt hätte. Er erfuhr auch, dass der Commander wohl eine besondere Vendetta mit einem Piraten haben sollte – mit der „Leviathan“. Allerdings erfuhr Steel darüber nichts Genaueres – der Pilot, der davon erzählte war bereits so blau, seine „Wiedergeburt“ feiernd, dass er zunehmend zusammenhanglos schwafelte.
Immerhin, was er wusste, das reichte Steel. Die Flugzeuge von Armstrong waren offenbar alle mit diesem ominösen „Nitrobooster“ ausgerüstet worden. Und Stone suchte Piloten für ein gewagtes Unternehmen und hatte ein persönliches Interesse an der „Leviathan“. Steel war sicher, sich Commander Stone als geeigneter Pilot zu präsentieren. Und Steel wusste, wo sich die „Leviathan“ vor zwei Wochen aufgehalten hatte. Er kannte den Namen des Kapitäns.

"General" Michael Jerome war weder kultiviert noch sympathisch zu nennen, aber ein begnadeter Pilot und wegen seiner absoluten Rücksichtslosigkeit extrem gefährlich. Früher mal hatte er angeblich zur französischen Fremdenlegion gehört und war desertiert, nachdem er einen Vorgesetzten getötet hatte. Wenn das stimmte, dann war auf jeden Fall ein Kopfgeld auf ihn angesetzt - die Legion vergaß niemals, mit Verrätern abzurechnen. Danach sollte er angeblich eine Zeitlang bei den Grenzkonflikten der Dixie-Konföderation mit Französisch-Lousiana gegen seine ehemaligen Kameraden gekämpft haben. Doch aus irgendeinem Grund, welchem genau wussten auch Steels Quellen nicht, hatte er sich ziemlich bald selbstständig gemacht und tauchte einige Zeit später in Mexiko auf. Es folgten etliche erfolgreiche - und immer sehr blutige - Operationen gegen Texas. Ob das mit den Ideen gewisser Kreise in Mexiko zu tun hatte, die sich angesichts der zerfallenden USA daran erinnerten, dass Texas einmal zum mexikanisch-spanischen Einflussgebiet gehört hatte? Steel hatte ursprünglich gehofft, über Commandante Gomez Kontakt mit dem "Schwarzen Korsaren" Jerome anzuknüpfen. Vielleicht würde Armstrong interessiert sein, wenn Steel einige Andeutungen machte...
Als der Agent in den frühen Morgenstunden in Richtung des vertäuten Zeppelins marschierte, waren seine Schritte fest, entschlossen, fast schon großspurig.

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Als Thomas an diesem Morgen erwachte, tat er dies mit zwei Dingen: Dem Bewusstsein, einen mörderischen Kater zu haben und einem merkwürdigen Gedanken – er dachte von sich selbst bereits wieder als Dave.
Der Sprung zurück in seine Piratenrolle war ihm nur zu leicht gefallen.
War sein Leben in den letzten Monaten nur Makulatur gewesen? Hatte er sich danach gesehnt, auszubrechen und wieder solch ein Leben zu führen?
Nun, an der Verantwortung konnte es nicht liegen, denn für einen ganzen Zeppelin samt Begleitstaffel verantwortlich zu sein, bedeutete eine Erhöhung derselben und keineswegs die Leichtfertigkeit, die ein Normalsterblicher mit dem Gedanken an einen Piraten verband.
Dave erhob sich aus seinem Bett – übrigens einer frisch bezogenen und äußerst bequemen Ausführung mit Federkern – und stellte fest, dass er es trotz des doch recht fröhlich gewordenen Abends noch geschafft hatte, sich auszuziehen.
Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn darüber, dass es mit fünf Uhr noch reichlich früh war.
Und der Gedanke an seine Kopfschmerzen forderte geradezu, nach der kleinen Whisky-Orgie mit Rocket noch ein oder zwei Stunden Schlaf nachzuholen.
Dennoch erhob sich der Deutsche und zog sich umständlich an. Er fluchte unbeherrscht, als er bei dieser Aktion zurück auf die Koje fiel.
Dabei glitt sein Blick zu dem Bild, welches er auf den Nachttisch gestellt hatte. Annie lächelte ihm entgegen. Mit silberner Schrift war eine Widmung auf dem Foto verewigt. In ewiger Liebe…Es hatte nicht sein sollen. Denn was nützte es, wenn die Liebe überlebte, aber der Mensch fort war?
Heißer, tiefer Schmerz durchfuhr Dave und half ihm ironischerweise dabei, seinen Zustand zu überwinden.
Nur mit den Hosen bekleidet ging er in die Waschecke und begann, sich für das rasieren einzuseifen. Was stand an diesem Tag an? Weitere Maschinen mit Piloten würden eintreffen. Drei insgesamt. Fehlten noch mindestens vier weitere. Die er in Sky Haven anheuern wollte.
Mutlos ließ Dave das Rasiermesser sinken. Ob es ihm wirklich gelang, den Liquidateur für einen Posten als Staffelchef zu begeistern? Oder einen seiner anderen Kameraden von der BELLE, die den Fight mit O´Malley überlebt hatten?
Vielleicht sollte er vollkommen neu anfangen.
Verdammt, wenn Blue nicht diesen dämlichen Hörfehler gehabt hätte, er hätte sich keinen besseren Chef für die zweite Staffel vorstellen können.
Max war einfach noch nicht lange genug da oben, um für mehr als ihren Flügelmann ein Auge zu haben. Es war noch viel zu früh für eine Staffel. Sie war gut. Aber noch nicht erfahren genug.
Was ihn wieder zum Anfang brachte. Er brauchte einen Piloten mit Blick für Details, taktisch begabt, der so verdammt gut war, dass er zwischen seinen Dogfights auch noch Zeit für fünf weitere Maschinen aufbringen konnte.
Wütend setzte Dave das Messer an und begann mit der Rasur. Das würde sich schon irgendwie regeln lassen. Irgendwie. Für den Moment reichte es, wenn er den Blick auf das Wesentliche richtete. Und das war seine Zigarre und die Verstärkung, die bald eintraf. Dennoch. Zu gerne hätte er bereits jetzt einen Anführer für die zweite Staffel gehabt, anstatt ihn den Leuten in Sky Haven vor die Nase zu setzen.

In der Kantine war noch nicht viel los. Die Offiziere und Piloten hatten alle am Essen teilgenommen und nur wenige würden wie Dave den Wunsch verspüren, ihrem Kater mit Aktivität zu begegnen. Aber der Smutje hatte Kaffee gemacht und frische Brötchen gebacken. Merkwürdig, irgendjemand musste ihm einen Tipp über Daves Vorlieben gegeben haben. Und der Mann hatte sie genutzt. Also sparte der Commander weder mit Lob über den Kaffee, noch über das Essen.
Nach der Mahlzeit – wobei der Kaffee tatsächlich den Kater in eine finstere Ecke scheuchte und nur selten heraus ließ – wanderte Dave über das Flugdeck der NORTH. Alle Maschinen standen hier aufgereiht. Bis auf die Brigand, welche am Air Field repariert wurde.
Er strich über die Flanke seiner Fury. Der Fury. Die gleiche Mühle, die Shannon ihm geschenkt hatte, als er zusammen mit Blue und Max die Privateers verlassen hatte.
Auf der Seite waren drei goldene Sterne angebracht. Jeder stand für fünf verifizierte Abschüsse. Und dies galt nur für die Abschüsse in Amerika.
Worauf ließ er sich eigentlich ein? Was gedachte er da zu tun? Gewiss, er konnte nicht nach Deutschland zurückkehren. Nicht als Verräter, ehemaliger Pirat und zudem Deserteur.
Aber er hätte sich ein Leben in den Industrials aufbauen können.
Oder in Texas. Aber ohne Annie?
Nein, das war nichts für ihn. Richard Campbell hatte durchaus richtig gelegen, als er Dave die NORTH STAR angeboten hatte. Verantwortung, das war es, was Dave nun brauchte. Verantwortung und ein Ziel.

In Gedanken ging er das Essen am Vorabend durch, soweit er sich noch daran erinnerte.
Es waren Diskussionen laut geworden, vor allem bei Lieutenant Walsh und Captain Gallagher, die lautstark über den eigentlichen Auftrag geredet hatten. Ihre Enttäuschung war entsprechend groß, als Dave eingestand, selbst noch nichts über die Art dieses Auftrages zu wissen.
Neben dem guten Essen und dem reichlich geflossenen Bourbon hatten sich die anwesenden Piloten und Marines auch über die Ziele unterhalten, die von der NORTH aufgespürt werden würden.
Der Kaperbrief erlaubte, Frachtschiffe der Staaten zu entern, die, nun, nicht gerade Verträge mit Texas hatten. Und das waren mehr als genug. Alleine Louisiana und Dixie würden ein mehr als einträgliches Jagdrevier sein.
Rocket hatte irgendwann die Idee aufgebracht, sich zuerst mal bei den Mexikanern zu revanchieren, oder wie er sich ausdrückte, den Tortillafressern einen reinzuwürgen.
Dave erinnerte sich noch recht gut daran, als die Sprache auf Eskorten gekommen war. Was, wenn sie einem Zeppelin begegneten, der beispielsweise von BAS begleitet wurde?
Blue hatte erwartungsgemäß kein einziges gutes Haar an der Sicherheitsagentur gelassen. Er war nur zu bereit, sich sogar mit Paladin Blake selbst anzulegen, wenn sich die Gelegenheit bot.
Die anderen Piloten, unter ihnen Dusk hingegen schienen BAS als heilige Kuh zu sehen, die nach Möglichkeit nicht geschlachtet gehörte.
Dave hatte der Diskussion ein Ende gesetzt, indem er die Ziele der NORTH stark eingegrenzt hatte. Frachtzeppeline, Piratenjäger und – natürlich – Piratenzigarren.
Mit militärischen Zigarren wollte er sich nach Möglichkeit nicht anlegen. Es sprach aber überhaupt nichts dagegen, den einen oder anderen Halsabschneider aus dem Weg zu räumen und seine Beute einzusacken. Es gab mehr als genügend. Eine inoffizielle Zählung berichtete von mehr als zwanzig Banden alleine zwischen Corpus Christi und Dixie.

Blue klopfte ihm leicht auf die Schulter. Dave zuckte nicht einmal zusammen.
„Na, ist der Kopf noch schwer, alter Junge?“
Dave nickte leicht. „Es geht. Und du?“
„Tjaaa, Max sieht es nicht so gerne, wenn ich besoffen durch die Gegend torkele, deswegen habe ich mich auf Bier beschränkt. Mir geht es gut. Außerdem wollte ich mein Kommando in aller Ruhe antreten.“
Die beiden starrten schweigend auf die drei goldenen Sterne. Blue mit Wehmut. Er hätte nichts lieber getan, als sich in seiner alten Defender wieder ins Blau des unendlichen Himmels zu stürzen.
„Winter schien gestern sehr erleichtert“, bemerkte Jeff leise. „Nachdem du gesagt hast, du willst keine Passagierzigarren angreifen. Er hat sich zwar wie alle hier freiwillig gemeldet, aber…Er ist ein guter Junge und glaubt an den Air Ranger-Stern. Vielleicht ist er zu gut für diesen Job.“
Dave winkte ab. „Ich verlange von niemandem, dass er alle seine Skrupel über Bord wirft. Ich will hier keine zweite Legion aufziehen.“
„Aber was, wenn wir doch mal etwas tun müssen, was ihm missfällt? Er hat es ziemlich schlecht aufgenommen, als wir über Blake Aviation Security geredet haben.“
„Ach, die heilige Kuh. Mit dir als Kapitän hat er es sicher nicht leicht bei dieser Einstellung“, erwiderte Dave grinsend. „Wenn du ihn loswerden willst, dann mach es gleich, solange wir noch festgemacht sind. Noch können wir ihn austauschen. Ich kann keinen Mann gebrauchen, der wegen moralischer Bedenken gegen die Interessen der NORTH handelt.“
„So habe ich es nicht gemeint. Ich denke nur, er…Nun. Er ist ein Moralapostel. So wie ein gewisser desertierter Pilot, der zwischen mich und eine geladene Pistole getreten ist, als ein gewisser Piratenkapitän einen direkten Durchgang zwischen meiner Stirn und meinem Hinterkopf schaffen wollte.“
„Ach, so einer ist das?“, bemerkte Dave amüsiert. „Es ist nicht verkehrt, ein Gewissen an Bord zu haben.“

Die beiden Piloten standen schweigend beieinander. Endlich nickte Dave in Richtung des Hangartors, und die zwei setzten sich in Bewegung.
„Ich bin schon sehr gespannt“, brummte Dave. „Drei Neue. Was wird da wohl dabei sein?“
„Zugegeben. Sie werden uns sicherlich nicht gerade die Topasse mitgeben. Vielleicht das Übliche. Freiwillige und Fluganfänger.“
„Tss. Wenn wir Kids kriegen, wird sie jemand ordentlich ficken müssen, damit sie am Himmel überleben können.“
Blue grinste. „Überlass das ruhig mir, Armstrong. Ich kann zwar selbst nicht mehr aufsteigen, aber aus meiner Zeit im Kontrollturm weiß ich ganz genau, wie ich die Herren bei den Eiern und die Frauen bei den Möpsen packen muss, damit sie tun, was ich ihnen sage.“
Dave blinzelte. „Du bist vulgär, Blue.“
„Du hast damit angefangen“, konterte der Empire-Pilot.
Dave starrte hinaus, auf die aufgehende Sonne, die sich anschickte, langsam den Himmel zu erobern. „Ich habe ja auch allen Grund dazu. Das ist unsere Rollenverteilung. Ich bin der grobe Pirat, der an sich rafft, was nicht angebunden ist. Und du bist der Gentleman-Gauner mit dem großen Herzen.“
„Ach. Und der Gentleman-Gauner darf nicht vulgär sein?“, argwöhnte Jeff.
„Nicht, wenn der Chef der Operation es verlangt.“
„Spielverderber.” Blue lehnte sich gegen die Schottwand und starrte ebenfalls hinaus.
„Wohin soll es gehen, wenn wir fertig beladen und die Techniker und die restlichen Piloten eingetroffen sind?“
„Hm. Das Klügste wäre, nach Sky Haven rüber zu schippern und die restlichen vier Leute anzuheuern. Die Zeit für den Flug sollten wir dazu nutzen, um uns aufeinander einzustimmen. Das gestern ist nur so glimpflich ausgegangen, weil das Dirty Pack so gut aufeinander eingespielt ist. Roundabout fehlt natürlich an allen Ecken und Enden. Aber wir sahen weit besser aus als wir eigentlich gedurft hätten.“
„Wo du es erwähnst, Chef“, begann Blue und zog einen Packen Fotos aus seiner Jacke. „Hier sind die Aufnahmen, die du von der Zigarre gemacht hast. Ich habe den Namen mal durch den Äther gejagt und einiges erfahren.
Es handelt sich um die SANTISSIMA TRINIDAT unter dem Kommando von Commandante Juan Gomez.“
„Gomez. Sollte ich den kennen?“
Jeff schüttelte den Kopf. „Es gibt in Mexiko in etwa ebenso viele Gomez wie Maiers in Deutschland. Hätte mich gewundert, wenn bei dir sofort was geklingelt hätte.
Sagen dir die Santa Anna Lanciers was?“
Dave legte den Kopf schief. „Hm. Da kommt tatsächlich was hoch. Santa Anna Lanciers. Nicht gerade eine bedeutende Einheit.“
„Söldner, Mietlinge und dergleichen. Scheint so, als hätte Commandante Gomez versucht, sein Ansehen mit einem spektakulären Raub zu verbessern.“
Dave grinste. „Nachdem der in die Hose gegangen ist, dürfte der Arsch vom Commandante ganz schön auf Grundeis gegangen sein.“
„Allerdings. Die TRINIDAT dürfte eine leichte Beute für uns sein. Nur für den Fall, dass du Rache nehmen willst.“
Dave zuckte mit den Schultern. „Ich will nur eines. Mit meiner Zigarre aufsteigen und meinen Arsch in die Luft schwingen. Gomez hat seine blutige Nase bekommen. Sollte er aber das Pech haben, mir noch mal unter die Augen zu treten, dann…“
„Ich bin dabei, mit größtem Vergnügen, Armstrong.“
Dave stieß sich ab und klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Etwa anderes habe ich nie erwartet, Blue.
Wann sollen die anderen eintreffen?“
„Nicht vor Mittag. Wir haben also mehr als genügend Zeit, um hier Klar Schiff zu machen.“

Wieder schwiegen sie einige Zeit.
Endlich fragte Dave: „Sag mal, Blue, vermisst du es?“
Der Pilot sah in den Himmel und nickte schwer. „Jeden Tag. Ich vermisse es jeden Tag. Und mit jedem weiteren Tag wird der Schmerz größer. Du weißt ja, was man sagt. Wer sich einmal in die unendlichen Himmel verliebt, kommt nie wieder von ihnen los.“
„Commander?“, erklang hinter den beiden eine Stimme. „Captain?“
Dave und Jeff wandten sich um. Hinter ihnen stand einer der Marines. Er war bewaffnet, also war er für die Bordwache zugeteilt.
„Was gibt es, Private?“, brummte Dave.
„Sir, wir haben einen…Gast am Zugang.“
Blue stieß sich ab, Dave richtete sich auf. „Einen Gast?“
„Ja, Sir. Er behauptet, ein Pilot zu sein und will auf der NORTH STAR anheuern.“
Die beiden Freunde wechselten einen schnellen Blick aus. „Na was für ein Zufall. Da brauchen wir tatsächlich Piloten, und wie aus heiterem Himmel kommt gleich einer angerannt.“ Die Stimme von Jeff Daines troff vor Sarkasmus.
„Ansehen können wir ihn uns ja mal. Geben Sie ihm eine Eskorte, Private, und lassen Sie ihn in mein Büro bringen.“
„Jawohl, Sir.“
Der Marine trat ab.
Wieder wechselten Jeff und Dave einen schnellen Blick. „Ich hole schnell meinen Colt.“
„Ist gut. Bis gleich in meinem Büro.“

**
Als der Marine mit dem hochgewachsenen Mann wieder eintrat, hatten sowohl Stone als auch Daines ihre Waffen entsichert und griffbereit.
Dave nickte dem Private zu. „Danke. Sie können wieder gehen, Soldat.“
Er sah zu dem hageren Mann mit dem blonden Kurzhaarschnitt hoch. „Nehmen Sie doch Platz, junger Mann. Also, Sie wollen bei uns anheuern?“
„Ja, Sir. Mein Name ist Ernst Stahl, genannt Steel“, begann er zu sprechen und offenbarte einen leichten deutschen Akzent. „Wie es der Zufall so will, bin ich gerade ohne Anstellung. Und wie der Zufall weiter will, suchen Sie zurzeit Piloten.“
„Was haben Sie denn für Referenzen, Mr. Stahl?“, brummte Dave leise. Irgendwie kam ihm die Szene, inklusive des deutschen Akzents nur zu bekannt vor.
„Ich war vier Jahre in der Air Miliz oben in den Industrials und habe während dieser Zeit fünf Mühlen vom Himmel geholt. Danach bin ich für ein paar Jahre in die Privatwirtschaft gegangen und habe auf acht erhöht.“
„Privatwirtschaft, so, so. Sie können sich sicherlich denken, dass dies hier nicht gerade ein Zeppelin der Texas Air Ranger ist. Und Sie können sich weiterhin denken, dass er nicht starten wird, um Frieden und Eierkuchen in der Welt zu verteilen.“
„Nun“, erwiderte der Pilot, „ich habe gerade einen Fußmarsch von fünfzig Meilen hinter mir. Unter diesem Gesichtspunkt wäre ich bereit, jeden Fliegerjob anzunehmen. Außerdem, wenn der Sold stimmt, würde ich mich sogar mit den Fortune Hunters anlegen.“
Daines trat von seinem Platz, direkt hinter Dave hervor und hielt auffordernd die Hand auf. „Ihr Flugbuch, bitte. Wir würden gerne die Abschüsse verifizieren.“
„Tut mir leid, aber das ging, ah, während meiner Zeit in der Privatwirtschaft verloren. Außerdem wurden nicht alle meine Abschüsse darauf registriert. Eine gewisse Diskretion ist ab und an das A und O. Aber wenn Sie mir eine Maschine geben, bin ich gerne bereit, Ihnen zu zeigen, dass ich fliegen kann.“
Dave griff in seinen Waffenholster und zog die Walter hervor. Er legte sie auf den Tisch und zwar so, dass der Lauf auf Steel zeigte.
„Junger Mann, vielleicht gebe ich Ihnen sogar die Gelegenheit dazu. Es ist noch nicht allzu lange her, da hatte ich selbst keine Maschine, und ein einigermaßen gnädiger Kapitän hat mir mehr oder weniger eine Chance gegeben zu beweisen, was ich in der Luft drauf habe.
Doch wir sollten vorher eine andere Frage beantworten.“
Neben Dave griff Jeff Daines unauffällig nach seinem Colt.
„Und zwar, wir haben, wie Sie da draußen sicher erfahren konnten, gestern Besuch von einer Staffel mexikanischer Piraten gehabt. Dabei konnten wir zwei Devastator abschießen und zwei weitere Maschinen schwer beschädigen.
Was mich verwundert ist, dass am nächsten Tag ein Pilot auftaucht und mich um einen Job bittet.“
Steel versteifte sich unmerklich. „Wenn Sie wissen wollen, ob…“
„Nichts dergleichen. Wenn ich Sie anheuere, dann wegen Ihres Könnens. Nicht wegen Ihrer Vergangenheit. Was ich wissen will ist: Auf wen hören Sie, wenn es darauf ankommt?“
Dave fixierte seinen Gegenüber mit einem eiskalten Blick. In Gedanken dankte er dem raubeinigen Shannon dafür, diese Lektion bei ihm gelernt zu haben. Schon mancher Pilot hatte unter diesem Blick nachgegeben.
Steel ließ sich aber nicht so leicht in die Enge treiben. „Die Zigarre heißt SANTISSIMA TRINIDAD. Das weiß ich, weil ich sie gesehen habe. Nachdem sie den Schwanz eingekniffen hat und Richtung Mexiko geflogen ist.“
„Natürlich“, brummte Dave belustigt.
„Was ich sagen will ist, mich verbindet nichts mit ihr, Commander. Und meine Loyalität gehört dem, der meinen Gehaltscheck unterschreibt.“
Dave sah dem Piloten noch einige Zeit länger in die Augen, aber der hielt dem Blick stand.
Schließlich erhob sich der Commander der Zigarre, ohne den Augenkontakt abzubrechen und steckte die Waffe wieder ein. „Sie kriegen Ihre Chance. Wir beide steigen auf. Kommen Sie mit einer Fury klar?“
Steel erhob sich ebenfalls. „So gut, als wäre ich drin geboren worden.“
„Dann los.“
Jeff Daines nahm die Hand vollends vom Kolben seines Colts und nickte. „Ich leite alles in die Wege. In einer halben Stunde kannst du los.“
„Ich werde es Ihnen nicht leicht machen, Sir“, sagte Steel fest.
Dave wandte sich ihm zu und ließ seine Zähne zu einem Raubtiergrinsen blitzen. „Nennen Sie mich Armstrong.“

***

Es war keine große Sache, ein paar einsatzbereite Techniker zu finden, die an Daves Fury und der zweiten Maschine einen Checkup vornahmen, Übungsmunition luden und tankten.
Der Commander dankte den drei Techs mit einem derben Schulterklopfer. Sie waren schnell, effektiv und mit Leidenschaft dabei.
Blue reichte ihm die dünne Lederkappe, welche er während des Fluges tragen würde. „Wenn du mich fragst, stinkt die Sache zum Himmel, verdammt, eine Balmoral würde abstürzen, wenn sie über das Air Field fliegen würde. So sehr stinkt es.“
Dave warf dem Mann, der sich als freischaffender Pilot der Industrials ausgegeben hatte, einen schiefen Blick zu. Dann zuckte er mit den Achseln. „Aber du musst zugeben, er hat wirklich Mut, so kurz nach dem Angriff seiner Freunde bei uns anheuern zu wollen.“ Er grinste den Kapitän der NORTH STAR breit an. „Außerdem brauchen wir Piloten, nicht? Es kann nichts schaden, wenn wir ihn austesten. Ein Auge können wir immer noch auf ihn haben.“
Blue seufzte leise. „Ich lasse Dusk wecken. Sie wird mit einer Defender bereit stehen für den Fall, dass unser Freund Steel mit dem Vogel stiften gehen will.“
„Guter Gedanke.“ Dave Armstrong Stone nahm die beiden Klemmbretter entgegen, die sich Piloten auf die Oberschenkel zu schnallen pflegten, um wichtige Daten zu notieren und Karten zu befestigen und ging zur anderen Fury herüber.
Ernst Stahl schien sie aus den Augenwinkeln bemerkt zu haben, denn er wandte sich ihnen zu, als sie nur noch einige Meter entfernt waren.
Dave warf dem Piloten ein Klemmbrett zu. „Hier. Ich nehme an, Sie können Schiffe versenken spielen?“
Steel betrachtete das Klemmbrett und kratzte sich die Stirn. „Ich dachte, wir wollten fliegen.“
„Oh, das tun wir auch. Das tun wir auch.“ Armstrong grinste breit. „Und nebenbei spielen wir. Wissen Sie, ich habe was gegen Helden, die auf einsamer Jagd sind. Ich mag lieber Leute, die ein Auge für ihre Kameraden haben und ihnen notfalls zu Hilfe kommen können.
Ich will nicht die ganze Staffel hochjagen, also werden wir unsere Aufmerksamkeit nebenbei mit diesem Spiel binden.
Wir werden über dem Air Field unser Manöver abhalten. Gewonnen hat der, der entweder alle drei Schiffe seines Gegners versenkt oder die größten Gefechtsschäden kassiert. Copy?“
„Na, Sie sind mir aber einer“, brummte Steel leise.
„Wollen Sie fliegen oder reden?“
Steel grinste ein echtes Hollywood-Grinsen. „Steigen wir auf.“
**
Zwanzig Minuten später kurbelte Armstrong stark über die linke Seite, ging auf den Rücken und jagte die Maschine in einen Sturzflug. Lautes Fluchen über die Leitung bereitete ihm ein Schmunzeln. Steel hatte ihn bereits einmal getroffen, aber diesen Treffer hatte er dem Industrial-Piloten vollkommen verhagelt.
„A9“, sagte Dave über Funk und machte sich ein Zeichen auf dem oberen Blatt, während er die Maschine wieder zum steigen hoch riss.
„Platsch. F4.“
Dave schluckte seinen Ärger herunter, nutzte die Gelegenheit zu einer Fassrolle und einer engen Kehre, die ihn in Steels Seite bringen würde. „Treffer. G7.“
Steel schien ihn zu riechen, denn er warf seine Fury ins taumeln. Dave runzelte die Stirn. Dieses Manöver war weit verbreitet bei den deutschen Piloten von Messerschmidts, Hellhounds und Fokkers. Aber nur wenige Maschinen auf dem internationalen Markt machten diese Belastung gerne mit, weshalb die Technik nicht allzu weit verbreitet war. Einige Piloten aus dem Großen Krieg hatten sie angeblich mit nach Amerika gebracht. Und wenn Steel wirklich aus den Industrials stammte, war das eine Erklärung. „Treffer“, kam die Stimme des Piloten über die Leitung.
Gleichzeitig zog Dave den Abzug durch und jagte der Fury einen Schwall Farbmunition hinterher. Er traf, aber man konnte es bestenfalls als Streifschuss werten. „G8.“
„Treffer, Schiff versenkt. Ich weiß gar nicht, was Sie besser können, Steel. Fliegen oder Schiffe versenken spielen. G6.“
Dave drückte die Nase seiner Mühle stark nach unten und folgte der taumelnden Maschine hinab. Als Steel seine Fury stabilisierte, tat er dies glücklicherweise in einer Richtung, die Dave gut erreichen konnte.
„Treffer, Schiff versenkt. Jetzt hat jeder nur noch einen Kahn.“
„Und es wird eng auf dem Feld“, erwiderte Armstrong und zog wieder die Feuerknöpfe durch. Steel rettete sich in eine Fassrolle, konnte aber nicht verhindern, dass er wiederum getroffen wurde. „F10.“
„Platsch. G9.“
Steel kam aus der Fassrolle heraus und ließ die Maschine steigen. Offensichtlich wollte er in die Wolkenschicht abtauchen. „Treffer“, gab er zerknirscht bekannt. „G5.“
„Treffer“, erwiderte Armstrong. „F9.“
Auf dem Scheitelpunkt seines Manövers ließ Steel die Geschwindigkeit absinken, bis die Maschine über den linken Flügel abkippte und dem Erdboden entgegen raste. „Treffer“, raunte er und feuerte auf Dave, der mit ansehen musste, wie sein rechter Flügel farblich umgestaltet wurde. „G4.“
„Treffer. E9.“ Dave brach nach links aus, kippte über den Flügel ebenfalls in eine Fassrolle und warf seinerseits die Fury in einen Trudelkurs, während Steel zu einem Fokkerhüpfer ansetzte, also seine Fury nach dem ersten Angriff abfangen wollte, um mit einem Steigflug ein zweites Mal in Angriffsposition zu kommen.
Aber Armstrong war nicht mehr da, wo Steel ihn zuletzt gesehen hatte.
„Treffer, versenkt“, gab der Pilot aus den Industrials bekannt.
Dave riss seine Maschine wieder hoch und ließ sie rabiat steigen. Er setzte sich neben die andere Fury. „Gut geflogen, Mister.“
„Das Kompliment kann ich zurückgeben, Armstrong.“
Dave deutete nach unten. „Landen wir wieder.“

Als die beiden gelandet waren und die Techniker die Maschinen einstellten, kam Armstrong zu Steel herüber. Er reichte dem Piloten die Hand. „Sie kriegen Ihren ersten Sold noch in dieser Stunde, Steel.“ Er zwinkerte dem Industrial-Piloten zu. „Damit mein Staffelführer mir auch loyal ist.“
„Moment mal, Staffelführer?“, rief Steel erstaunt.
„Ja, was meinen Sie, warum wir da oben Schiffe versenken gespielt haben? Ich wollte herausfinden, ob Ihr Kopf zu mehr taugt, als Ihre Lederkappe zu tragen. Sie haben zwei Paar Augen, und das gefällt mir.“ Armstrong grinste wölfisch. „Außerdem, Steel, werden Sie als Staffelführer viel zu viel zu tun haben, um mir Probleme zu bereiten.“
Ernst Stahl wirkte mehr als überrumpelt. Dann nickte er. „Akzeptiert. Aber nicht für zwanzig Dollar. Dann sollten es eher dreißig sein.“
„Abgemacht“, erwiderte Armstrong und unterstrich das Bündnis mit einem weiteren Handschlag. „Okay, warten Sie Ihre Mühle. Die Fury gehört Ihnen, Steel.“
Ein verschwörerisches Lächeln huschte über die Miene des Industrials. „Irgendwie erschien mir diese Option sehr wahrscheinlich.“
Armstrong grinste breit und klopfte dem Vogel auf den Bauch. „Behandeln Sie sie gut. Die Fury ist keine Hellhound, aber mit einem sensiblen Piloten ist sie Gold wert.“
Armstrong nickte dem anderen noch einmal zu und verließ den Hangar. Im Korridor erwarteten ihn bereits die Piloten des Dirty Packs sowie Blue.
„Und? Was meint Ihr?“, fragte Dave gerade heraus.
„Fliegen kann er, das hat man gesehen“, brummte Max. „Und wenn ich daran denke, mit welchem Müll wir uns in Sky Haven herumärgern müssen, kann es nichts schaden, hier und jetzt einen guten Piloten zu finden.“
„Nicht, dass es nicht irgendwie auffällig ist, dass er einen Tag nach dem misslungenen Shannon-Manöver auftaucht“, brummte Dusk leise. Ihr Blick ließ kein gutes Haar an dem Piloten.
Armstrong wehrte ab. „Zumindest bei dem Angriff auf die NORTH war er nicht dabei. Er fliegt ganz anders als die Piloten, die wir abgeschossen und vertrieben haben.“ Dave wurde nachdenklich. „Er fliegt sehr deutsch. Der Fokker-Hüpfer, das trudeln, alles sehr beliebte Manöver der Luftwaffe. Wir sollten dem Air Ranger Command vielleicht mitteilen, dass Industrial-Piloten seit neuestem von der Luftwaffe ausgebildet werden. Du wirst das übernehmen, Blue.“
Der Kapitän der NORTH nickte. „Ich funke es gleich rüber.“
„Gut. Wann sollen die restlichen drei Maschinen eintreffen?“
„Sie eskortieren einen Transportflug, der uns die restlichen Techniker und unseren Chefmechaniker rüber bringt. Sie sollten gegen zwölf hier sein.“
„Gut. Gib dem Smutje Bescheid, dass er Mittag schon um elf servieren soll. Ich will da unten sein, wenn die neuen Mühlen ankommen.“
Blue lächelte. „Bereits erledigt, Chef. Ich kenne dich schon zu lange.“
Dave erwiderte das Grinsen. „Okay, wer nichts zu tun hat, sucht sich was. Das gilt vor allem für dich, Rocket.“
„Irre ich mich, oder hackst du auf mir rum, Chef?“, beschwerte sich Jebediah Rocket McCormick.
Die anderen Piloten lachten dazu.
Dies war der Auftritt von Captain Gallagher. „Auf ein Wort, Commander. Sie haben noch nicht entschieden, was mit den Piloten der TRINIDAT passieren soll, die wir eingesammelt haben.“
Happy zwirbelte seinen Schnauzbart und versuchte, nachdenklich auszusehen. „Hey, vielleicht finden wir unter denen noch einen guten Piloten für uns.“
Armstrong winkte ab. „Ich halte nichts davon, mit Leuten zu fliegen, die schon mal auf meine Zigarre gefeuert haben. Captain, ich würde sagen, lassen Sie sie frei.“
Indigniert zog die Frau eine Augenbraue hoch. „Freilassen, Sir?“
Armstrong grinste spöttisch. „Warum nicht? Das wird der erste Teil der Legende der NORTH.
Und bedenken Sie, Captain, es sind dreihundert Meilen bis zur mexikanischen Grenze.“
Dieser Gedanke schien der Offizierin zu gefallen. Sie salutierte grinsend. „Gefangene freilassen. Verstanden, Sir.“

**
Pünktlich um zwölf trafen die restlichen drei Maschinen ein. Sie begleiteten einen leichten Boeing-Transporter und deckten ihn bis zu seiner Landung.
Dave pfiff anerkennend. „Der Anführer könnte es weit bringen. Sehr verantwortungsbewusst.“
„Die haben wahrscheinlich vom Shannon-Raub gehört“, sinnierte Max leise. „Jeder vernünftige Staffelführer wäre da vorsichtig.“
„Zugegeben.“ Dave ging langsam auf das Flugfeld hinaus. Maxine und Blue folgten ihm. Aus der Boeing traten die versprochenen Mechaniker, angeführt von einem kleinen, bissigen Burschen, der einen seiner Leute mit heller Stimme zusammenfaltete.
Als Dave näher kam, erkannte er, dass der Mechaniker Teile seines Werkzeugs vergessen hatte.
„Das Werkzeug, Anderson“, rief der Cheftechniker, „ist die Seele eines Mechanikers. Die Hälfte der Flugzeuge an Bord der North haben das metrische System. Was machst du, wenn du dir fremdes Werkzeug borgen musst, und es ist nur dieser Inch-Kram?“
Betreten sah der Mann zu Boden.
„Okay, ich denke, das reicht. Du fährst sofort nach Corpus Christi rein und kaufst dir auf eigene Kosten neues.“
„Können wir uns das Werkzeug nicht nachbringen lassen?“, fragte der Mann hoffnungsvoll.
„Nachbringen lassen? Die NORTH STAR startet heute. Wie lange willst du denn auf deinen Kram warten? Jenkins, du fährst mit und sorgst dafür, dass er keinen Schrott kauft. Der Rest hilft beim entladen. Weggetreten.“
Die Formation löste sich auf.
„Junge, Junge, mir tun die Ohren weh von dem Gekeife“, brummte Blue amüsiert.
Dies war der Moment, wo sich der Cheftechniker umdrehte. Er kam einen Schritt auf die Dreiergruppe zu und musterte sie. „Zweiundzwanzig Mechaniker plus Cheftechniker Rogers, Sir. Ich melde mich zum Dienst.“ Sein Blick ging direkt zu Blue. „Kapitän.“
Dann sah er Dave an. „Commander.“
„Willkommen an Bord, Rogers. Aber sind Sie nicht etwas jung für diesen Job?“
Dave betrachtete die weichen Gesichtszüge des Mechanikers und schätzte ihn auf höchstens achtzehn.
„Sir!“, protestierte Rogers wütend, „ich habe elf Jahre Erfahrung als Mechaniker. Ich bin schon auf sieben Zigarren mit geflogen und auf drei war es als ChefTech.“
„Dave“, meinte Max leise und zog an seinem Hemd.
„Später, Max. Nun, ich meine nur, Sie sehen so jung aus. Vielleicht wird das besser, wenn Sie von oben bis unten mit Schmieröl verklebt sind.“
Rogers musterte ihn mit gerunzelter Stirn. „Sie versuchen, lustig zu sein, richtig?“
„Dave“, sagte Max wieder, aber der wehrte mit einer Handbewegung ab.
„Nun, wenn ich eines gelernt habe in meinem Leben, dann das man einen Menschen nach seinen Leistungen beurteilen sollte. Wie ich schon sagte, willkommen an Bord, junger Mann.“
Max schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und in Rogers Augen glomm Erkennen.
Als der Cheftechniker die Mütze hob und eine Flut blonden Haares entließ, konnte sogar Blue nur noch mit dem Kopf schütteln.
„Das Sam in meiner Akte steht für Samantha, Sir“, antwortete die Frau. Nun sah sie eher aus wie Mitte zwanzig.
„Genau das wollte ich dir die ganze Zeit sagen“, zischte Max und schlug Dave gegen die Hüfte.
Der Commander ließ sich indes seine Überraschung nicht ansehen. „Hm. Dann eben willkommen, Ma´am.“ Er streckte die Hand aus. „Auf gute Zusammenarbeit.“
„Das wird sich zeigen, wenn ich sehe, wie Sie mir meine Flugzeuge wiederbringen“, erwiderte sie und ergriff die Hand. Sie hatte den trainierten Griff eines Menschen, der mit den Fingern stets viel Kraft aufbringen musste.

Vom Rande des Flugfeldes kamen die drei Piloten heran und postierten sich abseits. Der Pilot, der aus der Vampire gestiegen war, salutierte und sagte: „Entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber ich melde mich und zwei Piloten zum Dienst, Sir.“
Dave klopfte der Technikerin auf die Schulter und wandte sich dem Vampire-Piloten zu.
„Gut. Willkommen an Bord. Haben Sie Ihr Flugbuch mitgebracht?“
Der Mann nickte. „Ja, Sir.“
„Name, Callsigns und Abschüsse, bitte.“
„Ich bin Clancy Montjar, genannt Hammer. Sieben Abschüsse.
Die freche Lady da drüben ist Michelle Dubois, genannt Papillon. Vier Abschüsse.
Der freundliche junge Mann daneben ist Chad McCoy, genannt Piper. Keine Abschüsse, aber siebenundzwanzig Missionen als mein Flügelmann.“
Dave musterte die drei eingehend. Dann nickte er. „Helfen Sie beim Einstellen ihrer Maschinen und melden Sie sich dann zur ersten Besprechung im Hangar. Es wird Zeit, dass wir die Staffeln aufteilen.“
Hammer salutierte. „Ja, Sir.“
„Gut. Weggetreten. Gehen wir zurück zur Zigarre. Sam, ich will Sie sprechen, sobald Ihr Material verstaut ist.“
„Verstanden, Sir.“
Blue, Max und Dave wandten sich um und gingen zurück zum Zeppelin.
„Hast du dir schon Gedanken über das Einheitslogo gemacht, Dave?“, fragte Max unvermittelt.
Dave dachte an den Wolfskopf mit dem gefletschten Zähnen, der bisher das Wappen des Dirty Packs gewesen war. „Ich arbeite dran. Ich arbeite dran.“

Zwei Stunden später erhob sich die NORTH STAR mit der frisch zusammen geflickten Brigand, die Happy überführt hatte, vom Corpus Christi Air Field ab und zog auf Nordwestkurs.
Als die Zigarre eine annehmbare Höhe erreicht hatte, ließ Dave die Piloten antreten.
„Ihr alle habt bereits meinen Namen gehört“, begann er seine Rede. „Und einige kennen mich bereits. Ich bin Commander David Stone, genannt Armstrong. Ich bin ein mehrfaches Aß, und glauben Sie mir, Herrschaften, dabei bleibt es nicht.
Ihr alle habt euch freiwillig gemeldet, um an einer Mission für Texas teilzunehmen. Wie diese Mission aussehen wird und wohin sie uns führt, weiß nicht einmal ich.
Unser derzeitiger Befehl lautet, eine schlagkräftige Einheit zu werden und ausgiebig vom Kaperbrief Gebrauch zu machen. Das werden wir auch tun.
Unser derzeitiger Kurs ist auf Sky Haven ausgelegt. Für unsere beiden Brigand fehlen uns sowohl Bordschütze als auch Pilot. Und da die Brigand eine geradezu klassische Piratenmaschine ist, werden wir die besten Piloten und Bordschützen für diese Mühle dort finden.
Bis unser Einsatzbefehl kommt und bis unser Ziel feststeht, sind wir auf Kaperfahrt. Wir erobern Piratenzigarren, Frachtzeppeline feindlicher Nationen und Piratenjäger, die uns zu nahe kommen. Sky Haven wird unser Hafen und unser Hauptumschlagplatz werden.
Jeder Pilot bekommt neben seinem Sold Prämien für Abschüsse. Jeder an Bord bekommt seinen Anteil an von Piraten konfiszierten Waren. Einige hier könnten während unserer Fahrt sehr reich werden.“
Verhaltenes Gemurmel erklang. Happy meldete sich. „Wie reich?“
„Es gibt zehn Dollar für eine erfolgreiche Unterstützung und zwanzig Dollar für einen Abschuss. Mannschaften bekommen einen Anteil, Offiziere und Piloten zwei Anteile.
Staffelführer, Kapitän Daines, Captain Gallagher und ich drei Anteile. Die NORTH zehn Anteile. Das gilt für jeden Verkauf.“
„Wir haben uns nicht gemeldet, um reich zu werden“, ließ sich Captain Gallagher vernehmen.
„Aber es kann auch nichts schaden, oder?“

Dave sah in die Runde und nickte schließlich. Einige hatten auf die Aussicht auf Geld angesprochen, andere nicht. Steel war einer der Letzteren gewesen.
„Kommen wir zur Aufteilung.“ Dave Stone griff hinter sich und zog von seiner Fury eine Plane herab. Auf ihr prangte der schwungvolle, in rot gehaltene Schriftzug CAT PACK.
Darüber war eine blaugraue, zum Menschen stilisierte Katze in Fliegermontur zu sehen. Wer genau hinsah, konnte erkennen, dass ein Studio in der Nation of Hollywood nicht besonders erfreut über den Diebstahl ihrer beliebten Cartoon-Katze sein würde.
„Das Dirty Pack bildet zwei Staffeln. Die erste Staffel wird das Cat Pack. Ich habe mir in der Aufteilung lange den Kopf zerbrochen. Das ist das Ergebnis.
Erste Rotte: Ich mit meiner Fury. Dusk, du steigst auch in eine Fury und wirst meine Flügelfrau. Zumindest, bis wir Sky Haven erreichen.
Zweite Rotte übernimmst du, Rocket. Deinen Flügel übernimmt Rainmaker. Ihr kriegt Bloodhawks. Nicht meckern, du freundest dich schon mit ihr an, Jebediah.
Rotte drei werden von den beiden Brigand gebildet. Sie sind noch nicht besetzt. Ich habe mich dazu entschlossen, das Cat Pack auf zwei Rotten zu lassen, damit die zweite Staffel so früh wie möglich zusammen arbeiten und voneinander lernen kann.
Da ich, Dusk, Rainmaker und Rocket bereits zusammen geflogen sind, sollten wir die fehlende Rotte ausgleichen können. Solange wir nicht gerade auf eine Zeppelinkampfgruppe stoßen.“
Leises Gelächter antwortete ihm.

„Zur zweiten Staffel.“ Dave nickte und Sam Rogers zog von einer anderen Fury die Plane herab. Steels Maschine. Dort prangte auf dem Bug eine weiße, äußerst bissige Cartoon-Bulldogge aus dem gleichen Studio. Unter ihr prangte in gelben Buchstaben: DOG PACK.
„Steel, Sie übernehmen die Rotte eins und die Staffel. Kein Protest und keine Kritik an meinen Entscheidungen, bitte.
Ihr Flügelmann wird Hammer. Ich will Sie nicht von Ihrer Vampire trennen, und ich weiß, dass Steel erfahren genug ist, um aus seinem Geschwindigkeitsvorsprung und Ihrem beachtlichen Waffenpotential einen Vorteil zu machen, Hammer.
Rotte zwei kriegt Max, und ja, sie kriegt diesen Job, weil sie meine kleine Schwester ist. Allerdings, wenn jemand meint, er würde besser fliegen können als sie, kann er es gerne einmal probieren. Papillon, Sie bleiben auf der Devastator und kleben am Flügel von Max.
Maxine, du kriegst auch ne Devastator. Nicht meckern. Die hast du früher auch gerne geflogen.
Rotte drei, Happy. Mach mir keine Schande, hörst du? Du kriegst ne Avenger.“
„Kunststück, sind ja auch nur noch Avenger übrig“, brummte Henry Jackson.
„Und es ist nur noch ein Pilot übrig. Piper, Sie haben noch keinen Abschuss, und ich muß mir ansehen können, was Sie drauf haben. Genauer gesagt, ich teile Sie Happy zu, weil der alte Fuchs ein verdammt guter Lehrmeister ist. Solange Sie auf ihn hören, haben Sie auch weiterhin Gelegenheit zu lernen.“

Dave schlug die Hände zusammen. „So, das war es dann, Herrschaften. Helfen Sie bei der Wartung Ihrer Maschinen und bereiten Sie die erste Aufklärungsrotte vor. Happy und Piper, in einer halben Stunde.
Ich bin in meinem Büro.“
Dave verließ den Hangar und grinste. Hatte er sie am Haken? Vielleicht. Auf jeden Fall waren sie unterwegs, auf in das große Abenteuer. Zurück nach Sky Haven. Der Pilot grinste schief. Das war ja fast wie Nachhausekommen.
Ob die MEMPHIS BELLE ebenfalls nach Sky Haven unterwegs war, nachdem sie diesen spektakulären Zugraub in der Nation of Hollywood abgezogen hatten?
Von der Zeit könnte es hinkommen.
Das war der einzige Punkt, der Dave nicht behagte. Wie würde Cat Shannon das Wiedersehen aufnehmen?
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Steel sah sich in der kleinen Kabine um, die für die nächste Zeit sein Zuhause sein würde. Nun, für seine nicht sehr verwöhnten Ansprüche vollkommen ausreichend. Er warf den Seesack auf die schmale Koje und begann auszupacken. Seine Bewegungen waren schnell und sorgfältig. Er hatte relativ wenig Gepäck – auch, weil er damit gerechnet hatte, gefilzt zu werden.
Etwas Wäsche, Rasier- und Waschzeug und ähnlicher Kleinkram. Eine zweite Beretta-Automatikpistole, zwei Ersatzstreifen. Er hatte fast einhundert Schuss für diese Waffen. Nur sehr aufmerksamen Beobachtern wäre aufgefallen, dass die Geschosse an der Spitze eingekerbt waren, um eine Dum-Dum-Wirkung zu erzielen. Das gleiche galt für die Handvoll Patronen, die Steel für den kleinen Derringer hatte, der üblicherweise unter seinem Hemd steckte. Dazu kam ein schmales Stiefelmesser, mit dem ebenso leicht Leitungen durchtrennt, wie Kehlen aufgeschlitzt werden konnten. Und in seinem rechten Stiefel war eine dünne Drahtschlinge verborgen – eine Garotte. In dem anderen Stiefel lagerten ein paar kleine Diamanten, die man leicht zu Geld machen konnte...
Regel Nummer Eins – sei auf alles vorbereitet.
Trotzdem war das alles nur Werkzeug, auf das von Stahlheim nur im äußersten Notfall zurückgreifen würde. Schließlich hatte er nicht den Auftrag, jemanden zu ermorden.
Dann packte er einen ganzen Stapel von Zeitungsausschnitte aus, die allesamt „Black Swan“ thematisierten. Hier stimmten persönliches Interesse und Tarnidentität überein. Das galt nicht für seine andere „Literatur“ – ein halbes Dutzend pornographischer Schriften, wie man sie fast überall kaufen konnte. Absolut gewöhnlich und absolut unverdächtig für einen Piloten. Richtig wichtig war nur eines der Bücher: „Schwarze Orchidee“ behandelte die Erlebnisse eines weißen Gärtners in einer Mädchenschule für Schwarze.
Steel hätte beinahe angewidert den Mund verzogen. Diese Amerikaner fanden solche zwischenrassischen Schweinereien offenbar anregend. Das Buch war auf billiges Papier gedruckt und wimmelte von Druckfehlern. Selbst ein aufmerksamer Leser würde wohl kaum bemerken, dass die wie zufällig wirkende Trennung einzelner Silben und die falsch gedruckten Worte einem Sinn folgten...
Das war alles, was er bei sich hatte. Alles weitere hatte er im Kopf, oder würde es sich bei Gelegenheit besorgen. Aus Bordbeständen, am Boden – er wusste noch nicht, wo dieser Captain „Armstrong“ seine Maschine hinschicken würde. Aber bestimmt würde er bei den diversen „Freihäfen“ und Piratenstützpunkten vorbeischauen. Und dort hatte nicht nur Armstrong Kontakte.
Dieser Kapitän war abgesehen davon einige weitere Nachforschungen wert. Er war eindeutig gebürtiger Deutscher und hatte bei der Luftwaffe das Fliegen gelernt – und zwar gut. Das hatte Steel bei der Beobachtung des Luftkampfes gestern und dem heutigen Übungsflug deutlich erkannt. Inzwischen war Armstrongs Flugstil sogar noch besser geworden, er hatte sich eindeutig den amerikanischen Maschinen angepasst. Der Mann war ziemlich von sich selbst überzeugt, schien aber irgendetwas mit sich rumzuschleppen. Bei Gelegenheit würde Stahlheim sein Wissen über die „Leviathan“ zur Sprache bringen, mit der Armstrong anscheinend eine Vendetta auszufechten hatte.

Aber da war noch etwas. Von Stahlheim konnte sich dem Eindruck nicht erwehren, dass er Commander Stone schon mal gesehen hatte. Wo war das bloß gewesen? Bestimmt nicht in Amerika. Etwa in Europa, am Ende gar in der Luftwaffe? Das könnte gefährlich werden...
Steel grinste kurz. Momentan hielt man ihn jedenfalls ganz offensichtlich für einen desertierten Piraten. Nun, das konnte ihm nur Recht sein. Das lenkte eventuelle Verdächtigungen in die richtige, da harmlose Richtung. Er hatte außerdem nicht umsonst eine Herkunft aus den Industrials-Luftstreitkräften in seinen Lebenslauf eingebaut. Da dort tatsächlich deutsche Fluglehrer nicht unbedingt selten waren, war das eine gute Tarnung für seinen Flugstil.
Wenn die Piraten wüssten, wer er tatsächlich war... Aber sie wussten eben nicht – und würden es wohl auch nie erfahren.
Er würde auf jeden Fall versuchen, den Captain gründlich auszuleuchten. Wenn ein enttäuschter Landsmann hinter dieser arroganten Fassade steckte – nun, das Vaterland war noch nie kleinlich gewesen, verlorene Söhne wieder aufzunehmen, wenn sie ein entsprechendes Geschenk mitbrachten. Mal sehen...
Na ja – und da war noch der Zeppelinkapitän, dieser Blue. Von Stahlheim hielt es für weniger klug, einen Ex-Piloten ein Zeppelin fliegen zu lassen. Das war ja dasselbe, als würde man einen Schnellbootkapitän für kompetent halten, ein Schlachtschiff zu führen. Aber das war nicht seine Entscheidung. Was aber seine Sache war, war die Tatsache, dass der Mann ihm anscheinend nicht traute. Also würde er ihn im Auge behalten. Immerhin, das Mädchen dieses Ex-Piloten flog unter Steels Kommando. Vielleicht ließ sich da etwas nachhaken – zumal sie auch ziemlich eng mit Armstrong zu sein schien. Aber von Stahlheim würde dabei sehr vorsichtig sein.
Jetzt war er jedenfalls Staffelführer. Er würde dieser Herausforderung gerecht werden, da hatte er keine Zweifel. Er mußte nur darauf achten, nicht zu hohe Ansprüche zu stellen oder zu sehr in den „deutschen Drill“ zu verfallen. Aber das würde er schon schaffen.
Mit der neuen Maschine war er nicht ganz froh. Die Fury war zwar gut bewaffnet, aber ansonsten ziemlich mittelmäßig. Es gab schnellere, wendigere und kraftvollere Maschinen. Nun, Bettler konnten nicht wählerisch sein. Er würde Armstrong schon zeigen, was für Piloten die „Industrials“ hervorbrachten. Und natürlich niemals seine Aufgabe vergessen – die Piraten und dieser „Booster“. Doch zuerst...

Max zuckte zusammen, als hinter ihr auf einmal eine unbekannte Stimme ertönte: „Du bist Max, richtig?“
Der Neue stand hinter ihr. Erstaunlich, wie leise sich der hochgewachsene Mann bewegen konnte. Mit seinen extrem kurzgeschnittenen Haaren, den breiten Schultern, den hellen, kalten Augen und der locker umgeschnallten Pistole wirkte er nicht ungefährlich. Max kannte diesen Typ – Söldner, Piraten...
„Ja. Und schleich dich nicht so an.“
Der Mann grinste kurz, wurde aber sofort wieder ernst: „Du fliegst in meiner Staffel.“
„Und?“
„Ich wollte bloß Hallo sagen. Immerhin sind wir jetzt alle eine große Familie.“ Max musterte den Mann stirnrunzelnd. Sollte das jetzt ein Witz sein? Aber Steel fuhr fort: „Und noch etwas, nur zur Sicherheit. Du parierst, wenn ich einen Befehl gebe. In der Luft ist keine Zeit für lange Diskussionen und ich habe schon zu viele Leute verloren, weil jeder nur nach seinem Kopf flog. Ich will keine Extrawürste, auch nicht von der kleinen Schwester unseres Captains. Wenn du mit mir nicht klarkommst, hast DU ein Problem. Verstanden?!“
Max verkniff sich eine bissige Antwort. Konnte ja sein, dass der Neue in seiner Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hatte – vor allem in diversen Piratenbanden herrschte praktisch keine Disziplin – aber sie war schließlich keine Renegatin, sondern inzwischen Texas Ranger: „Nun komm mal wieder runter. Ich bin Pilotin, keine Primaballerina.“
„Gut. Und da das klar ist, hoffe ich, wir kommen gut klar und machen dem Gegner die Hölle heiß – wer das auch immer ist.“ Bei diesen Worten lächelte der Mann deutlicher, fast freundlich.
„Gehst du eigentlich jeden so an?“
Jetzt grinste Steel breit, aber ziemlich sarkastisch: „Nein. Das war die Vorzugsbehandlung. Bei den anderen zieh ich die Glacéhandschuhe aus.“ Damit nickte er Max noch mal knapp zu, drehte sich um und marschierte davon.

Das war erledigt. Mit etwas Glück reichte das, damit das Mädchen keinen Ärger machte. Er wollte es sich nicht mit der Umgebung des Captains verscherzen, aber er musste auch von Anfang an seiner Rolle gerecht werden. Nun Max wirkte nicht dumm und wenn sie sich gut in die Staffelformation einfügte, die Steel vorschwebte, dann sah er keinen Sinn, sie zu schikanieren.

Dann war im Hangar angekommen. Hier wurde bereits an einzelnen Maschinen gearbeitet, unter anderem an den Furys, in denen Armstrong und Steel ihren Übungskampf absolviert hatten. Ohne groß Worte zu machen packte Steel mit an. Er fand schnell Kontakt zu den Techs, obwohl er sich nicht zu redselig gab – einfach als Pilot, der auch mal mit Hand anlegte. Er rechnete damit, daß in der ersten Zeit jeder seiner Handgriffe überwacht werden würde – aber er hatte sowieso nicht vor, eine Maschine zu sabotieren. Viel wichtiger war es, einen guten Kontakt zu den Techs zu knüpfen – die ja zwangsläufig viel über die Piloten, noch mehr aber über die Maschinen wußten. Und über die eingebauten Booster.
Und er konnte selber dieses Wunderwerk in Augenschein nehmen. Natürlich nicht zu auffällig...

***
„Steel“ betrachtete kritisch die Auflistung der Maschinen seiner Staffel. Seinem Gesicht sah man allerdings die Gedanken nicht an, die durch seinen Kopf geisterten. Er war nicht sehr zufrieden über die Zusammensetzung. Die Piloten waren nicht schlecht, wenn auch kaum Luftwaffenstandart. Es haperte vor allem im Bereich Disziplin und Gruppengeist. Aber was konnte er schon anders erwarten, hier – diese Amerikaner machten geradezu einen Kult um ihre Individualität. Und sie standen auf Einzelduelle und schienen dabei bei den Kämpfen im „Großen Krieg“ 1914-1918 stehengeblieben zu sein. Auch wenn „Steel“ nicht glaubte, einem der Großen Asse wie Richthofen das Wasser reichen zu können – inzwischen kam es viel mehr auf kombiniertes Vorgehen ganzer Staffeln, Kampfgruppen und Geschwader an. Aber wie sollten die Amis das lernen, in ihren ständigen Kleinkriegen?
Ein oder zwei der Piloten waren immerhin richtig gut, hatten Potential. Diese Wahlschwester des Kapitäns zum Beispiel...Als Frau und vor allem Mischrassige hätte sie in der Luftwaffe nie mehr als einen Bodenwart-Posten erhalten, aber „Steel“ erkannte Fähigkeiten. Man konnte etwas aus ihr machen, auch wenn sie noch längst nicht ihr Potential voll ausgeschöpft hatte. Nun, er würde diese Aufgabe übernehmen – und dabei sicherlich auch mehr über den Kapitän erfahren. Und das paßte hervorragend mit seinen „anderen“ Aufgaben zusammen. Und den Rest – die würde er schon zurechtbiegen. Und wenn er sich dazu bei den Methoden der Japaner bedienen mußte, die ihre Soldaten anscheinend in der Ausbildung erst in kleine Stücke zerbrachen, um sie dann zu fanatischen Kampfmaschinen aufzubauen – und zu erstklassigen Jagdpiloten.

Die Maschinen die in seiner „Staffel“ – zu Hause währen die sechs Maschinen gerade mal eine Halbstaffel gewesen – stellten „Steel“ noch weniger zufrieden, auch wenn er sich gehütet hatte, das laut werden zu lassen. Er war den Einsatz schneller, agiler Maschinen gewohnt und bevorzugte sie. Die Maschinen seiner Staffel aber waren weder schnell noch agil und er empfand die Zusammensetzung als wenig ideal. Seine Fury war akzeptabel – zwar langsam, aber wenigstens wendig und gut bewaffnet. Er hatte keine Angst vor der als „schwierig“ geltenden Maschine. Das sein Katschmarek ausgerechnet eine Vampire flog, war kein Geniestreich sinnreicher Zusammenstellung. Eigentlich sollte ein Katschmarek SEINEN Rücken decken. Aber damit würde der schwere Jäger überfordert sein, der vor allem als Bomberzerstörer, Zeppelinjäger und Schlachtflugzeug geeignet war. Wahrscheinlich würde eher „Steel“ den Rücken seines Katschmarek beschützen müssen.
Die zwei Devastator waren ein schon veraltetes Modell, langsam und primär als Jagdbomber im Einsatz. Die Avenger wurden zwar als Abfangjäger bezeichnet – waren aber im Zweikampf gegen Jagdflieger ziemlich chancenlos. Zu allem Überfluß waren die Maschinen schlecht gepanzert, was ihre Rolle gegen Zeppeline oder im Bodenangriff limitierte. Jetzt hatte von Stahlheim also eine Staffel am Hals, die im Zweikampf gegen RICHTIGE Jäger alles andere als ein gutes Blatt auf der Hand hatte.
`„Mannesmut gegen Maschinen“ hat man im letzten Krieg zu so einer Situation gesagt‘, dachte Ernst von Stahlheim mit düsterem Humor. Nun, er durfte nicht vergessen, auf der anderen Seite würden weder Piloten des JG „Richthofen“ noch der 68. Sentai der Kaiserlichen Garde sein. Und gegen die üblichen Piraten und Briganten mochte es reichen. Vor allem, da „Steel“ entschlossen war, seinen Piloten in nächster Zeit mit Übungen und Flugmanövern „das Arschwasser zum Kochen zu bringen“. Zum einen würde er so ihre Fähigkeiten austesten und vielleicht auch verbessern können. Außerdem würde er so mitbekommen, inwieweit diese Halbpiraten bereit waren, Befehlen zu gehorchen und Order zu parieren. Wer Sperenzchen machte – nun, der würde nach Piratenmanier zurechtgeprügelt werden. „Steel“ war in erstklassiger körperlicher Verfassung und außerdem in Kampftechniken ausgebildet, die diese „Schauraufer“ bestimmt nicht kannten – er war sich sicher, selbst die meisten Marines an Bord dieses Zeppelines überwältigen zu können, vor allem da sie wohl kaum erwarten würden, das ein Pilot ein derartiges Training absolviert hatte. Natürlich könnte so was seine Tarnung gefährden – die er keineswegs zu lüften gedachte, bevor ER es für richtig hielt.

Nun ja, für das Trainingsprogramm würde er sich natürlich mit dem Kommandant auseinandersetzen müssen. Und er auch mit dem Zeppelinführer reden müssen, auch wenn der Mann ihm zu mißtrauen schien. Na ja, sollte er – solange er „Steel“ für einen Piraten hielt, war das von Stahlheim eigentlich ganz recht.
Schnell, aber dennoch sorgfältig skizzierte „Steel“ einen Flugplan für die nächsten Tage. Mal sehen, ob er diesem verirrten Landsmann, der hier den OB hatte, das Benzin abschwatzen konnte. Wenn dieser Stone wirklich bei der Luftwaffe ausgebildet worden war, und nach seiner Flugweise war er es, dann würde er sich „Steels“ Argumenten nicht verschließen.
Bevor er aufstand, versicherte sich von Stahlheim unwillkürlich dem Sitz der Beretta. Und des Derringers und des Kampfdolches. Sollte etwas schiefgehen, er war vorbereitet. Und sollte jemand seine Bewaffnung bemerken – nun, das würde das Gerücht eher verstärken, er währe ein ehemaliger Pirat oder Söldner. Und man müßte schon sehr phantasiebegabt sein, um hinter einem Piloten aus den „Industriells“, bei dem eine Piratenkarriere hervorschimmerte, einen Agenten der deutschen Abwehr zu vermuten...
25.01.2020 08:09 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Wieder einmal dankte Dave der Welt dafür, dass die ehemaligen U.S.A. so weit im Süden auf dem Erdglobus lagen. Durch die geringere Achsneigung hatten Tag und Nacht nicht nur annähernd immer die gleiche Länge, der Wechsel zwischen ihnen kam auch sehr schnell.
Und die Nacht war genau das, was er jetzt brauchte. Acht Uhr Abends war die Landschaft bereits in Dunkelheit gehüllt.
Dave betrachtete das Geschehen neben sich, während er nachdenklich von seinem Kaffeebecher nippte. Sam war eine gute Mechanikerin. Teufel auch, sie war wahrscheinlich das Beste, was man zwischen Texas und Sky Haven anstelle von Spot finden konnte.
Sie hatte seine Idee nicht nur begeistert aufgenommen, sondern auch sofort einige Fehler aus seinem Gedankengerüst entfernt und eine Aufstellung von dem gemacht, was aus den Depots der NORTH gebraucht wurde, um es umzusetzen.
Für einen Moment schloss Dave geblendet die Augen, als der große Scheinwerfer aufflammte und ihn direkt anstrahlte.
„Scheinwerfer geht“, kommentierte Sam Rogers freudig und laut. Sie schob ihr Käppie auf den Hinterkopf. Dabei blitzte ihr goldenes Haar. Mit Käppie wirkte die schmale Frau wie ein Halbstarker. Aber in einem Ballkleid und entsprechend geschminkt würde sie sicher eine Menge her machen – falls man die Schmierölreste von ihren Fingern entfernen konnte.
„Ist was, Boss?“, erklang die Stimme von Steel neben ihm. Dave wandte sich um. „Ah, da kommt ja mein talentiertester Staffelführer.“
„Und Ihr einziger Staffelführer“, antwortete Ernst Stahl sarkastisch.
Dave enthielt sich einer Antwort und drückte dem Piloten einen Stahlbecher in die Hand. Aus einer großen Blechkanne schenkte er dem Mann aus den Industrials ein. „Sam probiert gerade meine neueste Idee aus.“
Misstrauisch beäugte Steel die Anordnung, die aus drei Scheinwerfern bestand, welche alle so angebracht waren, dass sie die Fanghaken und den Rumpf des Zeppelins ausleuchteten. All dies natürlich, während die NORTH STAR eine halbe Meile über dem Boden flog.
„Wollen Sie versuchen, die Zigarre zu einem leichteren Flakziel zu machen? Dann sollte ich besser abmustern so schnell es geht“, scherzte Steel.
„Nein, eigentlich nicht“, brummte Dave.

In diesem Moment erklang das laute Wummern eines Bloodhawk-Motors. Ernst Stahl riss ungläubig die Augen auf. „Wir haben eine Maschine da draußen? Mitten in der Nacht? Bis zur Morgendämmerung sind es noch über zehn Stunden! So lange kann die nie in der Luft bleiben! Und ein Flugplatz mit Landebeleuchtung ist auch nicht gerade in der Nähe.“
„Soll sie ja auch nicht. Soll sie ja auch nicht.“
Dave grinste breit und trat nahe an die Arbeiten heran. Ein Techniker hantierte an dem Funkgerät vor sich und sprach leise und konzentriert. „Okay, Rocket, wir haben dich. Du kommst etwas zu schnell rein, drossele um fünf Prozent. Kurs ist gut. Höhe ist zu flach. Steige etwas.“
Steel sah den Commander der NORTH entsetzt an. „Sie wollen, dass Rocket nachts an den Fanghaken geht?“
Dave nickte grinsend. „Deswegen die Feiertagsbeleuchtung.“
„Aber das ist…“
„Wahnsinn?“, fragte der Commander leise.
Steel dachte einen Moment nach. „Nein. Wenn es klappt ist es...Ausbaufähig.“
Im Scheinwerferlicht tauchte die Bloodhawk auf. Deutlich war die Cartoon-Katze auf dem Rumpf zu erkennen. Die NORTH hatte eine beachtliche Eigengeschwindigkeit, deshalb wirkte es so, als würde Rocket nur langsam heran geschoben werden.
„Halte sie ruhig, Rocket“, sagte der Techniker wieder mit seiner sonoren Stimme. „Die Winde sind günstig, wenig Scherwind. Bring sie jetzt näher heran.“
„Roger. Ich sehe den Haken.“
„Es ist ungewöhnlich, wird aber von Eliteeinheiten praktiziert.
Öfter gibt es dieses Szenario: Ein Zeppelin startet seine Flieger lange vor der Dämmerung, um mit dem ersten Tageslicht angreifen zu können. Dieser Überraschungsangriff hat schon viele kalt erwischt. Darunter auch BAS.“
„Ich sehe es. Ein bedeutender Vorteil für den Angreifer, während der Verteidiger noch keine Flieger in der Luft hat.“
Dave nickte und nahm noch einen Schluck Kaffee. „Andersherum geht es aber nicht. Sobald die letzten Sonnenstrahlen versinken, muß alles was fliegt den Boden erreichen oder am Fanghaken seiner Zigarre hängen. Sonst kann er sich eine gut beleuchtete Straße zum landen aussuchen. Falls er eine findet. Und wenn er sich nicht wirklich auf eine Nachtlandung per Fanghaken vorbereitet hat.“
Steel schauderte kurz. Anhand einer Straßenbeleuchtung nachts zu landen bedeutete beinahe automatisch eine Bruchlandung wie untrainiert in finsterer Nacht an den Fanghaken zu gehen.

„Komm, Rocket, Kurs ist gut, Kurs ist gut. Noch fünf Meter. Vier…“, murmelte der Techniker. „Eins… Du bist am Haken, Rocket!“
Lauter Jubel brandete auf. Die erste Nachtlandung der NORTH STAR war erfolgreich durchgeführt worden. Die Techniker fielen einander in die Arme und Dave sah sich genötigt, diverse Schulterklopfer und Lob auszuteilen.
„Das Verfahren ist gefährlich, bietet uns aber Möglichkeiten“, brummte Steel, der an der Seite des Commanders geblieben war und nun mit wächsernem Lächeln ebenfalls Komplimente verteilte. „Wie Sie sich sicherlich schon durch den Kopf gehen ließen, Boss, können wir mit unseren Mühlen länger in der Luft bleiben als die anderen, die nicht auf Nachtoperationen eingestellt sind. Und wenn wir einen Zeppelin verfolgen ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn wir ihn auch nachts nicht verlieren.“
Dave konnte nicht anders, als er seine Cheftechnikerin erreicht hatte, tätschelte er ihr wie einem kleinen Jungen den Kopf. „Gut gemacht, Sam.“
Sam Rogers schien ihm das aber nicht übel zu nehmen. Sie strahlte regelrecht. „Danke, Boss.“
Dave klatschte in die Hände. „Okay, und jetzt gleich noch mal. Schmeißt Rocket wieder vom Haken.“
„Verstanden, Sir!“, erwiderten die Techniker im Chor.
„Au ja“, kommentierte der erfahrene Pilot, „das hat Spaß gemacht.“

Als die Bloodhawk wieder in der Nacht verschwand, wandte sich Dave Steel zu. „Gut, das wir einer Meinung sind. Eine Nachtlandung am Haken erfordert aber trainierte Piloten, eine gute Zigarrencrew und beste Ausrüstung. Setzen Sie für Morgen Nacht ein Training für alle Piloten an. Mich und Sie eingeschlossen. Und dann kümmern wir uns um das eigentliche Problem bei dieser Geschichte.“
Steel legte für einen Moment den Kopf schräg. „Topographie, Boss?“
„Richtig. Topographie. Ohne wirklich exakte Karten würde ich diese Nachtflüge in bestimmten Gebieten niemals wagen. Und ich meine exakte Karten. Deshalb setzen Sie auch gleich noch einen Lehrplan auf, damit die Piloten wieder lernen, nach ihren Instrumenten zu navigieren. Kartenlesen steht ganz oben auf unserer Liste.“ Dave trank seinen Kaffee aus.
„Verstehe, Boss. Und wo kriegen wir so gutes Material her?“
„Nun, es gibt nur eine Einrichtung, die jemals so gutes Kartenmaterial hergestellt hat. Die Bundesbehörde“, brummte er nachdenklich.
„Aber die U.S.A. gibt es nicht mehr. Wir haben keine Garantie dafür, dass wir die Karten in Washington ehemals D.C. finden werden. Wer weiß, vielleicht sind die Karten mittlerweile über die halbe Welt verstreut“, merkte Steel an.
„Sicher. Und um das heraus zu finden, müssen wir nach Sky Haven kommen. Für die richtige Summe Geld kriegt man dort alles.“ Dave lächelte eiskalt. „Und ich meine alles.“
„Sogar einen Nitrobooster?“, fragte Steel.
„Alles“, stellte Dave leise und mit Nachdruck fest.
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Es war früher Nachmittag, ein Freitag und der erste Tag, an dem sie nicht über texanischem Gebiet unterwegs waren. Das Land unter ihnen gehörte zu einem Mitgliedsstaat von Französisch Louisiana. Aber bereits am Nachmittag würden sie wieder Texas überqueren, um ins Freie Colorado zu kommen. Und damit näher an Sky Haven.
Kurz hatte Dave mit dem Gedanken gespielt, die Abkürzung über Arixo zu nehmen. Aber er hatte nicht wirklich Lust darauf, sich mit der Luftmiliz der Eingeborenen anzulegen. Einen simplen Überflug würden die misstrauischen Anazasi niemals zustimmen, und wieso wegen ein paar Kilometern kämpfen? Außerdem brachte sie der Bogen schneller auf Colorado-Territorium.
Nachdenklich betrachtete Dave den Boden aus der Hangarluke, wie er unter ihnen entlang glitt. Der Schatten der Zigarre folgte ihnen leicht nach rechts hinten versetzt und verdunkelte das Farmland unter ihnen. Es war eine ruhige Gegend. Ruhig und gemütlich.

„Boss, Nachricht von unserer Patrouille. Max fliegt Vorsicherung. Sie hat was entdeckt“, sagte Blue leise. Er war nahezu lautlos heran getreten. Dave schätzte diese Eigenschaft bei dem alten Freund. „Was gibt es?“
„Sie hat einen Notruf aufgefangen. Sieht so aus, als würden Piraten eine Passagierzigarre angreifen. Und der Begleitschutz von BAS hat die Sache nicht wirklich im Griff.“
Dave seufzte leise. „Ruf die rückwärtige Patrouille zurück und lass nach Steel schicken.
Wie viele Angreifer kann Max ausmachen?“
„Sie sagt, es sind noch drei BAS-Maschinen in der Luft und acht Angreifer. Die Zigarre, von der die Piraten gestartet sind, kann sie nicht finden.“
Dave dachte einen Augenblick nach.
„Wir gehen raus. Antworte auf den Notruf. Aber überlass die Verhandlungen mir. Steel kommt mit seiner Rotte mit mir, Happy bleibt auf Sicherung. Rocket und Rainmaker sehen mal zu, ob sie die Zigarre nicht finden können.“
„Aye, Boss. Hast du gerade Verhandlungen gesagt?“
Der Pirat grinste breit. „Hey, wir riskieren da unser Leben. Wir sind kein Wohlfahrtsverein.“

Steel kam heran gerannt. Er schloss im Laufen seine Fliegerjacke, während sein Vogel bereits aufs Katapult geschoben wird. „Was gibt es, Boss?“
„Acht Banditen bei der Jagd nach leichter Beute. Wir gehen zusammen raus. Ihre dritte Rotte sichert unsere Zigarre, die zweite beobachtet den Luftkampf. Der Rest greift in den Kampf ein.“
„Verstanden“, rief Steel, erklomm seine Mühle und startete den Motor.
Dave ging zu seiner Fury herüber. Sam Rogers schlug mit der flachen Hand auf die Abdeckung des Motors. „Alles in Ordnung, Boss. Ich war so frei, die Instrumente und den Ölstand zu checken.“
„Gut, gut. Soll ich Ihnen was mitbringen, Sam?“
Die junge Frau dachte einen Augenblick nach. „Wenig Arbeit und möglichst alle Maschinen.“
Dave lachte. „Ich hatte zwar mehr an Beute gedacht, aber ich will sehen, was ich tun kann.“

**
„AVIGNON an alle befreundeten Kräfte! AVIGNON an alle befreundeten Kräfte. Wir werden angegriffen, ich wiederhole, wir werden angegriffen. Wir bitten um Hilfe!“
„Hier Dirty Pack Pack Leader. Bestätigen Ihren Notruf, AVIGNON. Wir kommen Ihnen zu Hilfe, für einen unanständig günstigen Preis. Nur fünfzehn Prozent Ihrer Ware und Ihrer Kasse.“
„Was bitte?“, erklang eine erstaunte Stimme über den Funk. „Sie lassen sich bezahlen?“
„Warum sollte ich mein Leben und das meiner Leute für weniger riskieren?“, erwiderte Dave amüsiert. Und das nur für zwanzig Prozent Ihrer Waren und Ihre Kasse.“
„Eben waren es noch fünfzehn“, beschwerte sich sein Gesprächspartner.
„Und es wird noch weiter steigen, wenn Sie sich weiter zieren, Partner. Denken Sie daran. Wenn BAS verliert, dann verlieren Sie alles. So aber sind Sie dabei mit fünfundzwanzig Prozent.“
„Fünfundzwanzig? Eben waren es noch…“ Der Mann verstummte. Mit einem tiefen Seufzer sagte er: „Einverstanden. Für fünfundzwanzig Prozent unserer Waren und unserer Bordkasse. Aber Sie lassen die Finger von unseren Passagieren und deren Privateigentum, okay?“
Dave grinste schief. „Wir haben einen Deal. Geben Sie dem BAS Bescheid. Ich will für sie nicht auch noch Kugeln verschwenden müssen.“
Dave wartete die Bestätigung gar nicht erst ab und wechselte auf die Staffelfrequenz. „Hergehört, Dirty Pack. Dog Pack greift direkt an. Ich und Dusk sichern die Zigarre. Versucht, mit den Blakies auszukommen, ja? Max, was hast du für mich?“
„Es sind nur noch sieben Banditen. Aber BAS hat auch nur noch zwei Mühlen in der Luft, von der eine angeschlagen ist. Eine Bloodhawk und eine Peacemaker.
Der Gegner besteht aus vier Brigand, bei denen der Heckschützenplatz besetzt ist, einer Vampire und einer Rotte Valiant. Eine der Briganden und die Vampire sind bereits beschädigt.“
„Okay, Steel, das Spielfeld gehört Ihnen. Dusk, komm, wir schauen uns die Zigarre mal näher an.“ Dave drückte auf den Booster, und seine Fury machte einen Satz nach vorne. Neben ihm führte Melissa Vandersen das gleiche Manöver aus, um am Flügel ihres Leaders bleiben zu können.

Sie kamen sehr schnell näher und sahen das verzweifelte Kurbeln der BAS-Piloten, die nicht nur die beinahe unmögliche Aufgabe hatten, gegen sieben Gegner zu bestehen, sondern auch noch den Zeppelin zu beschützen. Der wehrte sich zwar verbissen mit Salven aus vier MG-Gondeln, aber der Kampf trug selten einen Piraten nahe genug heran, um gefährlich zu sein.
Zum Glück behinderten sich die Piraten gegenseitig bei ihrem Versuch, die verbliebenen Blakies abzuschießen.
„AVIGNON, hier Pack Leader, Callsign ist Armstrong. Armstrong und The Dusk kommen rein und übernehmen den Schutz des Zeppelins“, sagte Dave leise und entsicherte seine Waffen.
„AVIGNON hier. BAS ist informiert, aber nicht wirklich glücklich.“
„Alles hat seinen Preis im Leben“, kommentierte Dave amüsiert.
Sie kamen sehr schnell heran und machten damit auch die Piraten auf sich aufmerksam. Es krachte in der Leitung, dann rief eine hektische Stimme: „Verpisst euch, Ihr Abstauber! Die Zigarre gehört Andy Anderson und den Howling Hounds!“
„Halt die Klappe, Bleiente“, erwiderte Dave. „Wir sind nicht hier um abzustauben, sondern um die Zigarre zu verteidigen.“
„Barmherziger Samariter. Wenn du den Boden küsst, sag denen unten, die Howling Hounds hätten dich geschickt.“ Zwei Brigand brachen aus der Luftschlacht aus und nahmen Kurs auf die beiden heran kommenden Furys. Dave grinste. „Eigentlich wollte ich mir heute ja keinen Abschuss holen…Steel, ich hätte da was für Max zum spielen.“
„Schon gesehen. Bleiben Sie auf Kurs, Boss, und halten Sie die Geschwindigkeit“, meldete Ernst Stahl leise und konzentriert. Sehr konzentriert. „Jetzt, Max.“
Über dem Luftkampf brachen zwei agile Devastator aus einer Wolkenbank aus. Bisher hatte Max mit ihrer Flügelfrau Papillon von dort nur beobachtet. Nun aber griff sie ein.
Zwei Raketen lösten sich von Max´ Devastator und ihre vier 40er MGs begannen ihr heißes Feuer auszuspeien. Kurz noch antwortete der Heckschütze der hinteren Brigand. Doch die Treffer, die sich über die Kanzel zogen, hinterließen nur ein Gewirr aus Glas und Blut. Gleich darauf begann die Brigand zu taumeln und stürzte ab.
Papillon hatte nicht so ein Glück mit ihrer Brigand, schaffte es aber, zumindest dem rechten Rumpf und Flügel einiges an Panzerung runter zu reißen.
„Sag, wenn du unten ankommst, das Dirty Pack hat dich geschickt“, knurrte Max wütend und riss ihre Mühle aus dem Sinkflug zu einem Steigangriff. Die Brigand kippte über den Flügel weg, um nicht erneut das Opfer zu werden. Nun löste sich die Valiant-Rotte und eilte der einsamen Brigand zu Hilfe.
„Schon gesehen, Boss“, kam Steels Stimme über den Kanal, bevor Dave auch nur etwas sagen konnte. Steels Fury schoss direkt aus der Sonne auf die vordere Valiant zu und feuerte mit allen MGs und der 70er Kanone. Die Valiant flog zu günstig für dieses Manöver und kassierte einen satten Motortreffer. Steel ließ es dabei nicht bewenden, vollführte einen Fokkerhüpfer und setzte noch einen oben drauf, als er von der zweiten Valiant selbst unter Feuer geriet. Aber da war auch schon die Vampire von Montjar heran und beharkte die Valiant im Passierflug mit den 60er MGs und beiden 70er Kanonen. Der Gegner war viel zu überrascht, um ebenfalls auf den Feuerknopf zu drücken.
Steel setzte deshalb seine Attacke ungehindert fort und jagte zwei Explosionsraketen in den Rumpf seiner Valiant. Montjar drehte ein, um den zweiten Banditen zu verfolgen. Für die enge Kehre machte sich die schwache Geschwindigkeit seines Monsters nun mehr als bezahlt.
Max setzte derweil mit ihrer Flügelfrau der zweiten Brigand zu.

Kurz darauf klang Jubel auf. „Sauber erwischt, Steel. Das war ein toller Schuss!“, rief Max aufgeregt. Die Valiant seines Gegners explodierte in einem Feuerball in der Luft. Das mussten die Tanks gewesen sein.
„Disziplin, Max“, sagte Steel ernst. „Du hast zwar schon einen runter geschickt, Mädchen, aber wir sind hier noch nicht fertig. Auf die Schulter klopfen können wir uns an Bord unserer Zigarre.“
„Aye, Chef“, erwiderte sie und Dave konnte ihr Schmunzeln beinahe vor sich sehen.
Dusk erreichte den Luftkampf der letzten beiden Brigands und der Vampire, die gerade die Peacemaker aufs Schrecklichste zerfetzte. Der Pilot stieg aus und sprang, wurde aber in der Luft von einer MG-Salve getroffen. Schlaff hing er in seinem Gurt, während der Fallschirm ihn sicher zu Boden trug.
„Dieses Schwein!“, rief Dusk aufgeregt und drückte auf den Booster. Ihre Fury machte einen Satz nach vorne, direkt in Reichweite des Vampire. Sie schoss seitlich zu ihm auf und eröffnete das Feuer auf ihn. Die Vampire ging in eine Fassrolle und von dort in einen Immelmann.
Dave seufzte leise. Er konnte Melissa ja verstehen. In der Seide zu hängen und beschossen zu werden gehörte zu den größten Ängsten, die ein Pilot hatte. Und es mit anzusehen musste jedem anständigen Flieger den Magen zusammen ziehen. Doch er fand durchaus, dass seine Flügelfrau überreagierte.
Entschlossen startete er den Booster und kam in Waffenreichweite, kaum dass der Vampire seinen Immelmann beendet hatte und nun knapp hinter Melissa war.
„BLITZ! BLITZ! BLITZ!“, rief Dave die Warnung über die Staffelfrequenz und feuerte eine Blitzrakete ab. Die Rakete explodierte nur ein paar Meter neben dem gegnerischen Flugzeug und ein heftiges Taumeln bewies ihm, dass der Pilot eine satte Dosis Licht abbekommen hatte. Er selbst hatte seine Augen rechtzeitig abgedeckt und war nun in der Lage, die Rache zu vollenden, die Dusk angefangen hatte. Die 70er Kanone röhrte auf und zerfetzte eine angeschlagene Fläche im linken Flügel. Die Salve aus den 40er MGs, die er hinterher setzte, riss die Struktur fast vom Flugzeugrumpf. Sein Gegner wagte ein vorsichtiges Ausweichmanöver, aber blind konnte er nicht navigieren. So blieb er gefangen zwischen der Wahl, abzustürzen und in der Luft zu verbrennen.
Dusk hatte eine enge Kehre gemacht und kam nun ebenfalls auf die Vampire zu. Sie würde sie von neun Uhr passieren.
Als Dusk in Waffenreichweite war, feuerte sie alles, was die Fury zu bieten hatte, auf die linke Tragfläche. Bei dieser Misshandlung gab das Metall endlich nach. Es riss ab und die Vampire stürzte zu Boden.
„Steig aus!“, rief Dusk. „Steig aus und lass mich dir von deiner eigenen Medizin geben!“
Unwillkürlich straffte sich Dave, um seine Flügelfrau harsch anzufahren, ließ es aber. Der Pilot stieg nicht aus. Nie wieder.

Die restlichen Flieger, die Brigandrotte auf der Jagd nach dem einsamen Blakie und die überlebende Valiant, machten dass sie in die Wolken kamen.
„Meldung“, kam Steels eiskalte Stimme über Funk.
„Max hier. Tank ist halbvoll. Munition reicht. Melde einen Abschuss und eine Unterstützung.“
„Papillon hier. Tank ist ebenfalls halbvoll, bin aber fast leer geschossen. Melde einen Abschuss.“
„Montjar hier. Mein Vogel hat Durst. Munition ist in Ordnung. Einen Valiant blutig nach Hause geschickt.“
„Dusk hier. Tank ist gut, Munition ist gut. Melde einen Abschuss.“
„Steel, hier Steel. Mein Tank ist halb leer, Munition ist gut. Melde einen Abschuss.“
„Armstrong hier. Tank halb voll. Munition gut. Melde eine Unterstützung.
Gut gemacht, Dirty Pack. Da werden heute einige von uns wohl zum Pinsel greifen können, um ihre Abschussmarkierungen auf den neuesten Stand zu bringen.
AVIGNON, Armstrong hier. Der Angriff ist vorbei. Ich wiederhole, der Angriff ist vorbei. Wir übernehmen die Außensicherung des Zeppelins. Nehmen Sie den BAS-Piloten also vorerst wieder an Bord. Außerdem schicke ich meine Hoplits aus, um nach den anderen Piloten zu suchen.“
„AVIGNON hier. Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung. Eine genaue Frachtliste und der aktuelle Kassenbestand sind bereit. Falls einer Ihrer Vögel Munition oder Sprit braucht…“
„Meine eigene Zigarre kommt bereits in Reichweite, vielen Dank. Nachher ziehen Sie Munition und Sprit von den fünfundzwanzig Prozent ab, was?“, lachte Dave.
„So war es geplant, ja“, gab sein Gegenüber zu.

„Blakes Aviation Security, Pilot Jerry Ryan hier. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung, Armstrong. Ohne Sie hätten wir alle alt ausgesehen. Wenn… Wenn Sie nach meinen Piloten suchen, Sir, dann… Bitte sehen Sie zuerst nach der Pilotin, die am Fallschirm hängend angegriffen wurde.“
„Du hast mein Wort, Junge. Wenn sie noch lebt, wird das noch einige Zeit der Fall bleiben“, sagte Dave ernst. Er wechselte den Kanal. „Rocket, falls du und Rainmaker die Zigarre gefunden habt, da kommen zwei angeschlagene Brigand und eine ziemlich mitgenommene Valiant auf euch zu. Einen oder zwei der Vögel dürfen wir uns heute noch gönnen. Und wenn sie den Boden knutschen, sagt ihnen einen schönen Gruß von Armstrong.“
„Rocket hier. Verstanden. Wir steigen und gehen in die Sonne. Dürfen es auch alle drei sein, Boss?“
„Übernimm dich mal nicht, alter Mann“, lachte Dave leise.

**
Zwei Stunden später stand David Armstrong Stone auf dem Flugdeck des Zeppelins. Neben ihm lagen zwei abgedeckte Körper auf dem Flugdeck.
Dave trug seine abgewetzte Fliegerjacke und noch immer die Lederkappe. Seine Hände spielten mit der breiten Silberschnalle an seinem Gürtel.
„Zwei Piloten“, hauchte der junge Mann vor ihm, während dessen Blick die beiden Toten fixierte. „Zwei gute Piloten, zwei Freunde sind tot.“
Dave trat einen Schritt vor und legte dem BAS-Piloten eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid. Wir konnten nur einen lebend finden. Er wird gerade behandelt, hat sich aber nur die Schulter gebrochen. Für das Mädchen kam jede Hilfe zu spät. Die Kugeln haben sie…Sieh besser nicht unter die Plane, Junge.“
Die Schultern des Piloten bebten. „Sie haben alle erwischt?“
„Bei den abgestürzten Piraten gab es keine Überlebenden“, sagte Dave leise. „Und die Flieger, die zurück zu ihrer Zigarre geflogen sind, wurden auf zwei reduziert. Nur die beiden Brigand haben es noch geschafft. Die Piratengruppe Howling Hounds gibt es nicht mehr.“
„Lo…Lohnt es sich, den Zeppelin runter zu holen?“, fragte Jerry ernst.
„Sicher. Aber nicht mit einer einzelnen Bloodhawk. Außerdem hast du hier immer noch einen Job zu erfüllen, oder?“
Der junge Mann sah zum ersten Mal von den toten Leibern seiner Kameraden auf. Nur knapp gebändigte Wut flackerte darin. „Ja…Sir…“ Wortlos wandte er sich ab.

Steel trat leise neben David. „Und wieder jemand, der bei der erstbesten Gelegenheit seine eigene Mühle klaut und auf einen tödlichen Rachefeldzug geht. Oder glauben Sie wirklich, der Bengel gibt Ruhe?“
Dave zuckte die Achseln. „Was geht es uns an? Wir wurden bezahlt, um die Zigarre zu schützen. Nicht um Babysitter für einen Piloten zu spielen, der durchaus mal unser Gegner werden kann.“
„Eine harte Einstellung, Boss.“
„Gewöhnen Sie sich dran, Ernst“, sagte Dave leise. „Wir sind Piraten, kein Wohlfahrtsverband. Was sagte der Kapitän?“
„Capitaine Duchemin sagte, dass der nächste BAS-Stützpunkt Morgen früh eine Staffel ausschickt, um die verlorenen Maschinen an Bord zu ergänzen. Wir werden die AVIGNON also höchstens bis Morgen früh um zehn begleiten müssen. Duchemin hat mir auch die Frachtliste mitgegeben. Es sieht so aus als hätten wir die Wahl zwischen Whisky aus Dixie, Tonnenweise Baumwolle und diversen Luxusartikeln. In der Kasse waren achttausend Greenbucks, ich habe nachgezählt.“
„Bedeutet zweitausend für uns. Wirklich nicht schlecht für den ersten Tag als Pirat“, brummte Dave. „Wie viel Whisky?“
Steel grinste schief. „Zwanzig Fässer, Boss.“
„Wir sollten definitiv ein Viertel mitnehmen, Steel.“
Der Industrial-Pilot grinste schief. „Und in Utah verkaufen.“
„Ich dachte da mehr an Hollywood – wenn dann noch was da ist“, erwiderte Dave und erntete amüsiertes Gelächter von Steel.

**
Am nächsten Morgen traf die avisierte BAS-Staffel ein. Ihr Commander wechselte ein paar belanglose Worte mit David und den anderen Dirty Pack-Piloten und musterte die NORTH etwas zu genau, um lediglich neugierig zu sein. Anscheinend rechnete auch er damit, dass das Dirty Pack irgendwann mal auf der falschen Seite stehen könnte – gegen ihn.
Mit einem letzten Gruß und dem Rest von einem Viertel der Waren der AVIGNON verließ Dave den Zeppelin im letzten Gyro. Kurz spielte er mit dem Gedanken, den anderen Piraten zu jagen, zu vernichten und den Zeppelin in Sky Haven zu verkaufen. Aber dann entschied er, dass der Aufwand zu groß war. Sie hatten in den letzten Tagen bereits zwei Luftkämpfe hinter sich, und das nicht gerade gegen die Besten. Sich in noch einer Luftschlacht zu verausgaben würde nur bedeuten, sich vorsätzlich zu schwächen.

Zurück an Bord hatte David Stone die sehr angenehme Aufgabe, zuerst jedem Piloten für Unterstützung und Abschuss eine Prämie auszubezahlen und anschließend das Restgeld anteilmäßig unter der Besatzung aufzuteilen. Hundert Dollar steckte er aber ungefragt in die Schiffskasse. „Davon gibt es in Sky Haven Hummer für alle“, kommentierte er grinsend.
Sam Rogers fing Dave ab, als er gerade wieder an seinem Lieblingsplatz stand und die unter ihnen dahin gleitende Landschaft betrachtete. „Boss, ich glaube, da ist ein Irrtum beim Zahlmeister passiert. Ich habe zuviel gekriegt. Er hat mir doppelten Anteil ausbezahlt. Ich meine, schlecht ist es nicht, da gibt es dieses Schweißgerät, das ich mir kaufen wollte. Aber was, wenn ich es wieder zurückzahlen soll?“
Dave klopfte der kleinen Frau auf die Schulter. „Sam. Erstens verkaufen wir ja auch noch die Waren von der AVIGNON, das bringt noch mal Geld für jeden. Und zweitens giltst du hier als Offizier. Und Offiziere kriegen zwei Anteile.“
„Lamettastute? Nein danke. Ich meine, Hey, das ist wirklich nichts für mich.“
„Leitest du meine Technikertruppe, ja oder nein?“, begehrte Dave sanft auf.
„Schon, schon, ist ja auch kein Problem, und du kannst dich auf mich verlassen, Boss.“
„Na, dann ist ja alles gesagt, oder?“, sagte Dave amüsiert und widmete sich wieder seiner Aussicht.
„Wenn man es so sieht, dann danke, Boss. Dann sollte ich mal an die Arbeit. Steels Fury hat an einigen Stellen Panzerung eingebüsst, da muß ich noch jemanden ran setzen.“
Dave verabschiedete die Technikerin mit einem Nicken.

„Sie ist süß, oder?“, stellte Blue leise fest, als er mit zwei dampfenden Tassen Kaffee zu ihm trat.
„Ich versuche gerade, es nicht zu sehr zu bemerken“, erwiderte David leise. „Danke.“
Er trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. „Nett, dass du auch etwas Kaffee in den heißen Whisky getan hast.“
„Ist das Zeug aus den Fässern. Ich habe zwei davon für den Bordgebrauch requiriert. Feines Zeug, das. Heute Abend geben wir einen aus.“
„Einverstanden. Wir sind sowieso nur noch sechzehn Stunden von Sky Haven entfernt.“ Dave seufzte leise und streckte sich. „Ich hätte mir einen Abschuss holen können, Blue.“
„Das habe ich gesehen. Sam strahlt dich sowieso immer so an, da hat eigentlich nur noch ein Druck auf den Booster gefehlt.“
Dave warf seinem besten Freund einen bösen Blick zu. „Das meinte ich nicht. Die Vampire. Ich habe sie Dusk überlassen. Sie war so sauer auf den Bastard, der auf einen Piloten in der Seide geschossen hat. Ich denke, es war ihr eine innere Befriedigung. Ich weiß nur nicht, was ich getan hätte, wenn der Bursche ausgestiegen wäre und Melissa auf ihn geschossen hätte.“
„Du hättest natürlich das getan, was jeder anständige Pirat getan hätte, Armstrong“, sagte Blue Daines leise.
„Und das wäre, Neunmalklug?“
„Was immer du willst, Boss. Was immer du willst.“ Jeff grinste schief und stieß mit seinem Vorgesetzten an.
„Was dagegen, wenn ich mich dazu geselle?“, fragte Ernst Stahl leise. Er zeigte seinen Kaffeebecher. „Ich habe auch das richtige Equipment.“
Misstrauisch schnüffelte Blue an dem Kaffee. Dann zog er einen Flachmann hervor und goss dem Industrial reichlich ein. „Hier, Geschmack.“
„Trinken am helllichten Tag?“, wunderte sich Steel, nippte aber am Kaffee.
„Trinken wäre es, wenn hiernach ein zweiter und ein dritter folgen würden“, korrigierte Blue. „Im Moment ist es genießen, well?“
„Zugegeben“, brummte Steel.

Nach einiger Zeit des Schweigens fragte der Industrial schließlich: „Wie ist Sky Haven eigentlich so? Ich habe gehört, man kann dort eine Menge kriegen.“
„Man kriegt alles in Sky Haven. Wenn man den Preis bezahlen kann“, sagte Dave mürrisch. „Sie können sich sogar einen Sklaven zulegen, wenn Sie das wünschen.“
„Das ist ja barbarisch“, entfuhr es dem Piloten. „Was ist das für eine Stadt?“
„Die paradiesischste Hölle auf Erden“, antwortete David Stone leise und nippte an seinem Kaffee. „Mit den besten Bastarden, die es auf dieser Welt gibt.“

**
Max war auf hoher Sicherung. Sie flog in einer Höhe von zweitausend Meter knapp unter einer dicken Wolkenschicht, die der letzte Ausläufer des Orkans vom Montag war. Von dort hatte sie eine wundervolle Aussicht über das Farmland.
Unter anderem erkannte sie dabei auch das geschmeidige Flugzeug, welches knapp hinter dem Verteidigungsparameter der NORTH STAR vorbeizog und in Reichweite von Happy kam, der Rückensicherung flog.
„Happy, du kriegst Besuch.“
„Danke für die Warnung, Max. Aber das ist nur unser Kumpel von BAS. Ich habe schon mit ihm gesprochen. Er ist von der AVIGNON ausgebüxt, um seine Kameraden zu rächen.“
„Gut, lass ihn durch. Ich beobachte ihn sicherheitshalber weiter. Und gib bitte Blue und der NORTH Bescheid.“
„Verstanden, Max.“
Sie zog ihr Fernglas und betrachtete die BAS-Bloodhawk mit der eindeutigen Lackierung. Der Pilot passierte Happy und wackelte mit den Flügeln, bevor er in Richtung Texas weiter flog. „Viel Glück, du Idiot“, brummte Maxine leise. „Und nimm gefälligst jemanden mit, wenn du stirbst.“
25.01.2020 08:11 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Das Ergebnis der Nachtübung überraschte „Steel“ nicht besonders. Auf jeden Fall nicht in positiver Hinsicht. Am Tage guter Durchschnitt, ja vielleicht sogar teilweise wirklich gut, waren die Leistungen seiner Piloten jetzt eher unterdurchschnittlich. Nicht, daß es ihn überrascht hätte. Nachteinsätze waren eine Kunst, die nicht sehr verbreitet war – und erst recht nicht das Starten und Landen von einem Zeppelin aus. Die Jäger in die Luft zu bekommen war noch relativ einfach. Aber dann begannen die Schwierigkeiten. Denn um in der Nacht fliegen und vor allem KÄMPFEN zu können, brauchte man Erfahrung im Blindflug, erstklassige Nerven und „Nachtaugen“. Von Stahlheim hatte nicht mit Kritik gespart und seinen Piloten ziemlich deutlich klargemacht, was er von ihren Fähigkeiten hielt.

Ja, bei der Luftwaffe hatte man inzwischen ein spezielles Verfahren entwickelt, bei dem Nachtjäger von Funkmeßstationen am Boden dirigiert wurden. Aber so etwas gab es hier nicht – genauso hätte „Steel“ sich ein Radarsystem wünschen können, das in ein Flugzeug paßte.
Schon die Staffel in Formation zu halten war schwierig – und unter Kampfbedingungen währe das noch der einfachste Teil der Übung gewesen.
Die meisten Piloten waren ziemlich hoffnungslose Fälle. Er schätzte zwar, sie nach ein paar Monaten Intensivtraining zu halbwegs passablen Nachtfliegern machen zu können – aber dazu würden sie wohl weder die Zeit, noch das Material haben. Denn die Gefahr war zu groß, daß bei solchen Übungen – und vor allem bei der heiklen Landung – Maschinen zu Bruch gehen würden. Nein, er würde Armstrong nahelegen, die Männer (und Frauen) mit Talent auszusuchen und gezielt auszubilden, um so ein paar aussichtsreiche „Nachtflugkandidaten“ zu fördern, als es bei allen zu versuchen.
Er selber war voll ausgebildet für den Einsatz in der Nacht – einschließlich Blindflug, Nachtjagd und Landung auf einem Zeppelin. Er mußte eher noch aufpassen, nicht zu erfahren zu wirken.
Max war nach von Stahlheims Meinung noch der aussichtsreichste Kandidat in der Staffel, auch wenn bei dieser Einschätzung wohl auch etwas von seinem Interesse an der jungen Pilotin mitspielte. Immerhin war sie die „Wahlschwester“ des Kommandanten und offenbar mit dem Zeppelinkapitän liiert. Gemeinsames Training bot sicher die beste Gelegenheit, sie unauffällig auszuhorchen. Natürlich hieß es, Männer und Frauen würden am meisten im Bett reden, aber Ernst von Stahlheim hielt sich nicht für so unwiderstehlich, es auf diese Art und Weise zu versuchen. Vor allem hätte das zu schnell Ärger mit dem Kommandanten oder diesem „Blue“ gegeben...
Momentan hatte „Steel“ sich zusammen mit Max von den anderen vier Maschinen abgesetzt, die auf seine Kommandos verschiedene Kursänderungen und Flugmanöver durchführen mußten. Das Ergebnis war ziemlich unbefriedigend. Als sich von Stahlheim und Max einmal unmittelbar vor die eigenen Maschinen gesetzt hatten, hatte keiner der Piloten sie gesehen – trotz mehrmaligem Nachfragen. So ähnlich war es verlaufen, als „Steel“ probehalber ein paar Mal in Schußposition gegangen war. Jetzt testete er vor allem die Fähigkeiten seiner momentanen Flügelfrau. Besonders verschwenderisch mit Lob war er aber auch nicht.

„Sieh gefälligst genauer hin! Bei Nacht kannst du dir noch weniger Fehler erlauben, als am Tag. Ich will verdammt sein, wenn ich ein Baby bei einem Nachteinsatz mitnehme! WIEWEIT...“ Die Stimme von Steel brach abrupt ab, was vielleicht auch gut war. Max hatte sich nur noch mühsam beherrschen können. Doch als der Funkempfänger stumm blieb, sah sie sich irritiert um – doch immer noch flog Steels Maschine kaum zwanzig Meter neben ihrer Devastator. „Steel?“
„Mund halten. Ihr da vorne, Kurswechsel auf Dreißig Grad – JETZT!“ Die vier Maschinen gehorchten, mehr oder weniger zügig, aber diesmal enthielt sich der Staffelführer eines Kommentars. Stattdessen befahl er Max nur knapp: „Steigen auf zweihundert. Und behalt unsere Freunde im Auge!“
Die beiden Maschinen stiegen und getreu dem Befehl starrte Max angestrengt in die Nacht, um die anderen Maschinen zu erblicken. Der Mond schien nur schwach, aber der Kurswechsel hatte die vier anderen Maschinen auf einen neuen Kurs gebracht, über ein Feld hinweg – vor dem hellen Boden zeichneten sich die Maschinen deutlich ab. Sie schienen sogar Schatten zu werfen – nein, keinen Schatten...
„Steel...“
„Ich sagte Mund halten. Du fliegst an meiner Drei und tust, was ICH sage. Ich sehe unsere Freunde genau.“ Aber da unten flogen nicht vier Maschinen, sondern fünf...Etwas unterhalb der Viererformation und vielleicht hundert Meter dahinter jagte eine einzelne, gedrungene Maschine dahin.
Steel funkte jetzt die andere Staffel an, die unter der Führung von Armstrong ebenfalls einen Nachtflug absolvierte: „Commander, wie geht es bei Ihnen? Alle noch da, oder hat sich das erste Küken schon in den Boden graviert?“
Max’s „Bruder“ klang eher amüsiert: „Nein, etwa bei Ihnen? Das müßte ich vom Sold abziehen. Aber ich scheuche die Herde jetzt mal wieder zurück nach Hause.“
„Na dann guten Flug...“ Steel’s Stimme hatte abwesend geklungen. Doch als er sich dann wieder meldete, war nichts Abwesendes oder Zögerndes darin. Seine Stimme war kalt, stählern: „MAX – PAUCKE! PAUCKE!“
Den Begriff hatte Maxine Ciavati das erste Mal bei ihrem „Bruder“ gehört. Es war bei deutschen Piloten üblich und bei allen, die von ihnen ausgebildet worden waren: ANGRIFF! ANGRIFF!

Die Fury und die Devastator ließen sich wie Steine fallen – doch die feindliche Maschine reagierte schon, kurvte zur Seite weg. Max‘s Salve ging ins Leere.
Im Funk explodierten förmlich die Stimmen der anderen Piloten: „Was ist los!!“
„Steel! Wir werden beschossen!“
„Achtung, Achtung...“
„Maul halten!“ Steel brüllte regelrecht, was seinen deutschen Akzent noch verstärkte: „Das Schwein hört den Funk ab. Zurück zum Zeppelin ihr Idioten! Max – ich will den Hurensohn am Boden!“

Tatsächlich schaffte es aber Steel als Erster, mit seiner wendigeren Maschine in der Sechs seines Gegners aufzutauchen. Er drückte auf alle Feuerknöpfe. Doch praktisch sofort blockierte die 70er Kanone. Die 30er und 40er funktionierten zwar, wurden aber von einer doppelten Leuchtspur beantwortet, die unangenehm genau im Ziel lag – eine Brigand! Ruckartig ließ von Stahlheim sein Flugzeug zur Seite ausbrechen, tauchte in der Dunkelheit unter. ‚Verdammter Hund! Er versteht was vom Nachtkampf – aber das Spiel können auch zwei spielen!‘ Während Steel versuchte, sich wieder an den feindlichen Jäger zu hängen, flog Max einen Angriff. Doch ihre erste Salve war falsch gezielt, zerschnitt nur die Luft. Während sie noch versuchte, den Vorhaltewinkel neu einzuschätzen, entkam ihr der Feind, während seine Heckgeschütze loshämmerten und ein halbes Dutzend Treffer die Defender erschütterten.
Steel versuchte jetzt, sich von seitlich unten anzupirschen, aber der Brigand-Pilot bewies einmal mehr, daß er sein Handwerk verstand, indem er die Schnauze nach unten drückte und seine Maschine erst in knapp zwanzig Metern Höhe abfing.
‚Jetzt reicht es!‘ „Max! Steigen – Jetzt!“
„Steel...“
„TU ES, VERDAMMT!!“ Dann drückte von Stahlheim auf den Raketenknopf, riß seine Maschine nach Oben und preßte die Augen zu. Natürlich hatte er kaum Chancen auf einen Direkttreffer – aber das war auch gar nicht nötig. Denn es genügte, daß die Raketen etwas vor der unbekannten Brigand explodierten – und das Dunkel der Nacht mit einem gleißendem Doppelblitz zerrissen.
Es dauerte fast eine halbe Minute, bis er wieder richtig sehen konnte, während Max im Funk nicht sehr damenhaft äußerte, sondern den Staffelchef mit einem Mix aus englischen, italienischen und indianischen Flüchen belegte.
Sie hielt erst inne, als ein seltsames, rasselndes Geräusch aus dem Funkempfänger erklang. Dann begriff sie – Steel lachte. „Was findest du so komisch?!“
„Schau mal nach unten – Fünf Uhr.“ Dann sah sie es. Die kurze Zeit hatte gereicht, damit das Feuer am Boden hochlodern konnte. Und Max wußte, was so schnell brannte, was da unten explodierte. Flugbenzin, Munition, Raketen.
„Soviel zu diesem Spion.“ Selbst über Funk war Steel’s grimmige Befriedigung zu hören.
Max schluckte kurz, während sie sich bewußt wurde, daß das da unten auch sie hätte sein können, wenn sie nicht dem Befehl ihres Staffelführers gefolgt währe: „Originelle Taktik.“
„Danke. Aber für den ersten Nachtkampf hast du dich gut geschlagen. Du machst dich. Wenn wir tatsächlich mal einen Nachtraid fliegen, bist du bestimmt dabei.“
„Du weißt ja gar nicht, wieviel mir das bedeutet.“
„Na ja – genug gequatscht. Nächster Stopp Heimat – Hauptsache diese Blindschleichen haben das Zeppelin gefunden...“

Dann erst informierte Steel den Commander, der natürlich wissen wollte, was zur Hölle vorgefallen war. Auf die Frage, ob es Sinn hätte, sich nach Überlebenden umzusehen, bemerkte Steel nur lakonisch, dann müßten die Gegner aber über eine besondere Begabung verfügen – aus zwanzig Metern Höhe aussteigen zu können. Und Fallschirme besitzen, die sich in so einer Höhe öffnen könnten...

Beim Zeppelin erwartete Steel eine angenehme Überraschung. Die anderen Flugzeuge seiner Staffel hatten es tatsächlich nach Hause geschafft und sie waren sogar ohne Schäden oder Bruchlandungen „auf den Boden“ gekommen. ‚Vielleicht taugen sie wenigstens für einen Überführungsflug in der Nacht...‘ Dann wandte sich der Mann, der sich Ernst Steel Stahl nannte seinen momentanen Kameraden zu, um die Glückwünsche entgegenzunehmen, Fragen zu beantworten und detailliert dem Commander zu berichten.
Die unbekannte Brigant war der vierzehnte Abschuß Ernst Karl von Stahlheims gewesen.
25.01.2020 08:12 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Sky Haven war in jeder Beziehung eine außergewöhnliche Stadt.
Tatsächlich konnte man sie nur auf zwei Wegen erreichen, einen alten Lift vor der Stadt und durch die Luft. Das war keine Legende.
Wobei der Aufzug sicher das bequemere Mittel war, denn der Weg durch die Berge war beschwerlich und gefährlich, von den Dutzenden, wohl positionierten MG-Nestern in den Engstellen mal ganz abgesehen.
Einige mutige Zeppelinpiloten hatten es tatsächlich probiert, über die Berggipfel zu steigen und den Flughafen von Sky Haven direkt anzufliegen. Nun, wer es durch die Scher- und Fallwinde geschafft hatte, der machte so etwas Verrücktes nicht wieder.
Der Rest bedeckte die Berghänge.

Irgendwie freute sich Dave auf diese Stadt. Es war schwer, in ihr zu leben. Diebstahl, Mord, Schießereien jeder Art und Vergewaltigung waren an der Tagesordnung. Aber wenn man Geld hatte, wenn man bereit war, hart zu arbeiten, dann genoss man eine Freiheit in diesem Flecken Erde, wie sie ihm noch nie zuvor in der Welt begegnet war.
Ein wenig war es wirklich wie heimkommen.
Max rührte sich neben Dave. „Ich frage mich ob die MEMPHIS BELLE ankert.“
„Wieso?“, fragte Dave ungerührt. „Sehnst du dich nach deiner alten Uniform?“
Die Insider lachten. Blue zwinkerte seiner Freundin zu, bevor er sich wieder dem Steuer widmete. „Rudergänger, mehr Last auf die Backbordmotoren.“
„Aye, Skipper, mehr Last auf die Backbordmotoren.“
Kurz darauf spürte man, wie die Zigarre am Heck ausscherte und die NORTH so um eine Felsnadel herum führte.
„Gut so.“
„Gut so“, erwiderte der Rudergänger.
„Gleichmäßig Kraft auf alle Rotoren.“ Blue atmete sichtbar auf.
„Gleichmäßig Kraft auf alle Rotoren, Aye.“
„So, Commander, Washingtons Needle war das letzte Hindernis. Wir steigen jetzt auf die richtige Höhe und sind fast am Flughafen. Zehn Minuten etwa.“
Armstrong nickte Blue zufrieden zu. Durch die engen Schneisen zu fliegen war ein Erlebnis gewesen, welches er dreimal in einem Zeppelin miterlebt hatte. Selbst hier unten konnte einen jederzeit eine Seitenböe treffen und gegen die Felsen drücken. Mit einem Schaudern betrachtete er die Wracks, die sich zu beiden Seiten des Passes über die Jahre angesammelt hatten.

„Steel“, sagte Armstrong leise.
Der Staffelführer sah von seinem Beobachtungspunkt am Bug auf. „Chef?“
„Waren Sie schon mal in Sky Haven?“
Der Industrial-Pilot schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte noch nicht das Vergnügen.“
„Gut, dann bleiben Sie immer dicht an meinem Heck. Dies ist ein lustiges, aber auch gefährliches Pflaster. Außerdem habe ich mir hier eine Menge Feinde gemacht.“
Max lachte leise. „Du machst dir schon Feinde in Sky Haven, wenn du Weißwein zum Fisch trinkst. Es gibt immer irgendwen der aus irrigen Gründen einen Streit beginnt. Oder eine Blutfehde.“
„Aber es geht nicht immer so glimpflich ab wie mit Paddy O´Malley und seinen Schlägern“, bemerkte Dave leise.
Seine Erinnerungen gingen zurück an die Anfangstage auf der MEMPHIS. An die Blutrache mit dem Iren. An die Toten. An Annie. Sein Herz krampfte sich zusammen.
„Wir haben Glück, dass wir nicht als feindlich eingestuft wurden“, bemerkte Armstrong leise, während er ein MG-Nest beobachtete, welches sie gerade passierten. „Sonst wäre das nicht nur ein höllischer Ritt gewesen, wir hätten uns auch mit einigen der besten Piloten von Sky Haven messen müssen.“
„Wenn nicht gleich mit jeder Piratenbande, die sich gerade hier rum treibt“, brummte Jeff Daines. Es war allgemein bekannt, dass die Piraten bei Bedrohungen an einem Strang zogen. Sie ließen sich zwar nicht koordinieren, aber jeder Angreifer hatte sich einem wahren Wust an Flugzeugen und hoch motivierten Piloten zu stellen.

Die NORTH fiel langsam über den Pass hinab. Unter ihnen konnte Dave bereits das Flugfeld sehen. Die Stadt selbst war in die Hänge getrieben worden. Sehr weit und sehr hoch über die Hänge.
„Wir haben Landeerlaubnis“, meldete der Funk.
„Fragen Sie gleich mal nach, ob Lagerhallen zu vermieten sind“, sagte Blue. „Wir können eine gebrauchen.“
Je tiefer die NORTH fiel, desto mehr Details offenbarten sich ihr. Es war spät am Tag, aber dennoch waren noch viele Piloten in der Luft. Zwei Sechser-Staffeln vollführten sogar so etwas wie ein Duell.
„Das sind ja raue Sitten hier“, brummte Steel leise, als er das Gefecht sah.
Armstrong deutete auf eine abstürzende Bloodhawk. „Dies ist normal hier. Steel, merken Sie sich drei einfache Regeln für Sky Haven.
Die erste ist, schlagen Sie, wenn es geht, als erster zu.
Die zweite ist, jede Waffe, die Sie bei sich tragen, kann auch gegen Sie verwendet werden.
Und die dritte ist: Meiden Sie Ärger.“ Armstrong grinste den Flieger an. „Nur für den Fall, dass Sie nicht schon selbst dran gedacht haben.“
Der Industrial-Pilot enthielt sich einer Antwort.

Kapitän Daines gab leise Anweisungen für den Landeanflug. Lotsen am Boden dirigierten die Zigarre zu einem Lagerhallenkomplex mit hohem Landebaum. Bodenmannschaften fingen die langen Seile auf und begannen die NORTH zu sichern, während diese am Landebaum ankoppelte.
„Meine Damen und Herren, hier spricht Ihr Kapitän. Danke, dass Sie mit Dirty Pack geflogen sind. Wir haben hiermit unser Ziel erreicht: Sky Haven.“
Leiser Applaus kam auf.
Armstrong klopfte dem Freund auf die Schulter. „Gute Leistung. Ich hätte diesen Pass nur an Bord eines Jägers genommen, aber nicht mit einer Zigarre.“
„Das ist eben der Unterschied zwischen dir und mir, Dave. Ich bin lernfähig.“
Armstrong verpasste Jeff einen schmerzhaften Knuff in die Seite. „Spotte du nur.“
„Dave!“, klang Maxines Stimme auf. „Sieh mal nach Backbord raus.“
Der Commander der Expedition folgte der Hand seiner kleinen Schwester und pfiff anerkennend als er sah, was drei Hallen weiter an einem Mast fest gemacht hatte.
„Funker, gehen Sie auf meine Privatfrequenz und funken Sie die MEMPHIS BELLE an. Bestellen Sie schöne Grüße von Armstrong und stellen Sie auf Lautsprecher.“
Steel runzelte die Stirn. „MEMPHIS BELLE?“
„Das ist die Zigarre, auf der wir drei früher geflogen sind“, sagte Max leise. „Damals, bevor wir nach Texas gingen. Vielleicht sagt Ihnen der Name was. Der Kapitän, Conal Andrew Thomas Shannon ist in letzter Zeit ein wenig berühmt.“
„Ein wenig ist gut“, brummte Blue. „Nach ihm wurde ein ganzes Manöver benannt. Nämlich einen voll beladenen Zeppelin von einem gut bewachten Flugfeld zu stehlen.“
„DER Cat Shannon?“ Steel sah Blue nachdenklich an. „Und Sie sind mit ihm geflogen?“
Armstrong lachte glucksend. „Na, ja. Es war eine unruhige Zeit. Ich war sein Flügelmann und habe mir fünf Abschüsse unter ihm geholt. Max war damals noch ne ganze Ecke kleiner“, brummte er und brachte die Haare seiner kleinen Schwester tüchtig durcheinander, „und ging damals problemlos als Junge durch. Sie hat damals den Kabinensteward gegeben. Und jeder ist drauf reingefallen.“
„Bis auf Spirit“, erwiderte Max und brachte wieder etwas Ordnung in ihr Haar.
Armstrong dachte anderthalb Jahre zurück und verglich die schlanke, knabenhafte Maxine mit der Frau, die nun vor ihm stand und eindeutig nicht mit einem Mann zu verwechseln war. „Blue hat auch nichts geahnt“, stellte er grinsend fest. „Er hatte dich sogar als kleinen Bruder adoptiert, weißt du noch, Max?“
Jeff Daines wurde rot. „Könnt Ihr nicht mit den alten Geschichten aufhören? Das ist ja peinlich.“
Ernst Stahl kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Und sie und Miss Ciavati sind nun ein Paar? Wie sind Sie nur zusammen gekommen?“
Blue wurde rot. „Ni-nicht auf die Art. Ich…Ich interessiere mich nun wirklich nicht für kleine Jungs. Ich meine, so nicht.“
Maxine schmunzelte. „Eigentlich war es eine ganz süße Geschichte. Wir hatten damals einen Zeppelin voller Texaner geentert. Und einer von ihnen war Vorstandsvorsitzender bei Colt Aviation und hatte die MEMPHIS wieder erkannt. Und erinnerte sich daran, dass ein experimenteller Nitro-Booster an Bord versteckt war.
Seine Tochter überredete mich, danach zu suchen. Und bei einem dieser Streifzüge rasselte ich mit einem Piloten zusammen, der heimlich für einen Erzfeind Shannons arbeitete.“
Max ballte die Hände zu Fäusten. „Dieser Mistkerl hätte…hätte mich beinahe…Aber zum Glück kam Blue vorbei und rettete mich davor, meine eigene Derringer abzukriegen. Tja, da hat er wohl das erste Mal kapiert, dass sein kleiner Kumpel Max in Wirklichkeit Maxine war.“
Als Armstrong amüsiert zu ihr herüber sah, warf sie ärgerlich die Hände in die Luft. „Okay, okay, ich gebe es ja zu. Ich war verknallt in Blue, und die Entwicklung war mir mehr als recht. Und nachdem er es wusste, da habe ich eben versucht, ihn rum zu kriegen. Aber dieser Blödmann hat mich ja noch drei Monate wie einen kleinen Bruder behandelt!“
Blue lüftete seinen Kragen. „Ich kann eben nicht so einfach gewohnte Pfade verlassen. Außerdem, sieh dir mal deinen Bruder an. Wenn der sauer geworden wäre…“
Armstrong lachte leise. „Ich war es schließlich, der dir Prügel angedroht hat, falls du dich nicht mit Max aussprichst. Du erinnerst dich?“
„Willst du vielleicht noch die Sprechanlage benutzen, damit es das ganze Schiff erfährt?“, rief Blue in das Gelächter hinein.

In diesem Moment erwachte die Sprechanlage tatsächlich zum Leben.
„Hier ist die MEMPHIS BELLE. Cat Shannon am Rohr. Wer stört so früh am Abend?“
Armstrong grinste breit. Er ging neben das Funkgerät und schnappte sich das Mikro. „Armstrong hier. Na, wie geht es dir, du alter Hühnerdieb? Habe gehört, du hast ein Tänzchen mit Miss Charlene Steel gehabt.“
„Armstrong? Du elender Bastard wagst dich wieder hierher? Ich habe gute Lust, dich vor meine Siebziger zu binden und zu feuern. Was machst du hier, dämlicher Kraut?“, kam die harsche Antwort.
Dave grinste nur noch breiter. „Wirf mal einen Blick Richtung untergehende Sonne. Da siehst du eine niedliche, unmarkierte Zigarre drei Plätze weiter. Das ist die NORTH STAR. Meine Zigarre.“
„Was denn, was denn? Ist dir das leichte Leben in Texas in der High Society nicht bekommen und wolltest mal wieder Wind unter den Flügeln spüren?“
„Das ist eine lange Geschichte, Cat“, stellte Armstrong lachend fest. „Vielleicht kommst du zum Abendessen rüber und ich erzähle dir alles.“
„Nichts da. Wo kommen wir da hin, wenn ich auf Kosten meines alten Flügelmanns speise? Du kommst natürlich auf die MEMPHIS rüber. Ich gebe einen aus, der alten Zeiten wegen.“
„Na, da nehme ich doch dankend an. Kocht Wong immer noch für dich?“
„Ja, er ist noch hier“, bestätigte Cat. „Zusammen mit fünf Leuten aus seiner Verwandtschaft. Diese Chinesen vermehren sich schlimmer als die Mormonen, sage ich dir. Aber die MEMPHIS bietet jetzt das beste Essen zwischen hier und Hollywood. Sag mal, ist Max immer noch bei dir, oder ist sie endlich vernünftig geworden?“
Armstrong lachte leise. „Sie ist immer noch hier. Ich habe eine Pilotin aus ihr gemacht. Du würdest sie kaum wieder erkennen.“
„Dann bring sie doch mit, Armstrong. Ach, komm am besten gleich mit ein paar Leuten mehr. Sonst lohnt sich der Aufwand gar nicht“, sagte Cat im Plauderton.
„Gerne. Aber Max wird sicher Blue mitbringen wollen“, erwiderte Armstrong nebensächlich.
„BLUE? Dieser fiese kleine Bastard fliegt auch noch? Und Max bringt ihn mit? Warum hast du ihn dann nicht schon längst aus dreitausend Fuß aus deiner Zigarre geschmissen? Wäre ich der Bruder von Max, hätte ich das schon getan, wenn er sie nur angesehen hätte.“
„Weil ich dann von seiner Freundin mächtig Ärger bekommen hätte, Cat“, bemerkte er amüsiert.
Es folgte eine lange Pause. Resigniert bemerkte Shannon schließlich: „Wo die Liebe hinfällt…Okay, bring ihn mit. Aber erwarte nicht, dass ich ein Wort mit ihm spreche, ja?“
„Er wird es überleben. Also komme ich mit den beiden, meinem Staffelkapitän, meinem Cheftechniker und meinem Marines-Offizier.“
„Marines? Wie kommst du denn an die?“
„Ich sage ja, das ist eine lange Geschichte. Also, ist dir acht Uhr recht, Cat?“
„Geht in Ordnung. Du kannst ruhig auch ein paar von deinen Piloten mit rüber bringen. Auf der MEMPHIS ist weit mehr Platz als auf deinem kleinen Schoner. Kriegst du da keine klaustrophobischen Anfälle?“
„Was kleiner ist, ist schwerer zu treffen, Cat“, erwiderte Armstrong grinsend. „Also bis dann. Die Getränke bringe ich aber mit. NORTH Ende.“
„Meinetwegen. Bis dann. MEMPHIS Ende und Aus.“

Armstrong gab das Mikrofon zurück und schmunzelte leicht. „Macht euch stadtfein, Leute, und esst nichts mehr. Bei Cat gibt es immer satt.“
„Wen von den anderen willst du mit rüber nehmen?“, fragte Maxine leise.
„Sag Rainmaker, Rocket und Dusk Bescheid. Der Rest hat Ausgang in der Stadt.
Steel, falls Sie Hammer mitbringen wollen, ich habe nichts dagegen.“
Dave sah in die Runde. „An Bord bleibt eine Rumpfmannschaft, bestehend aus Brückenwache und Marines. Alle anderen haben Ausgang. Die Prämien vom letzten Einsatz sollten mehr als ausreichen, um einen vergnüglichen Abend zu feiern.
Geht Ärger aus dem Weg, soweit es geht, aber lasst das Dirty Pack nicht wie Feiglinge aussehen. Ach, und wenn Ihr einen zwei Meter großen Schotten seht, versucht euch nicht im Armdrücken mit ihm, ja?“
Dave grinste breit. „So, ich gehe mich umziehen.“


**
Anderthalb Stunden später startete ein Hoplit mit den Gästen für Shannon an Bord. Amüsiert beobachtete Dave, wie Maxine letzte Hand an Blues Bekleidung legte und ihn herrichtete, wie sie es nannte.
Neben ihm saß Steel und starrte blicklos nach vorne. Ihm behagte es ganz und gar nicht, auf eine ihm vollkommen fremde, mit Piraten bevölkerte Zigarre zu gehen.
Armstrong sah nach hinten. „Wie geht es den Getränken?“
Rocket klopfte auf das bauchige Fass Whisky. „Sehr gut, Dave. Ich hoffe, dieser Shannon hat ordentlich Eis an Bord.“
„Barbar. Man trinkt doch Whisky nicht mit Eis. Oder gar mit dieser schwarzen Brause“, erwiderte Dave leise. „Sondern man nimmt…“
„Ein vorgekühltes Glas“, vollendeten die Piloten des alten Dirty Pack im Chor.
„Ach, habe ich es schon mal erwähnt?“, fragte Armstrong scheinheilig.
„In diesem Monat erst achtmal“, bemerkte Dusk leise.
Dave sah sie kurz an. Während die Piloten ihre besten Sachen rausgesucht hatten, hatte sich Melissa Vandersen für ein Abendkleid entschieden, welches der großen Blondine sehr schmeichelte, ihre üppigen Texasformen zur Geltung brachte und ihre endlosen Beine unterstrich. Ein Anblick für den man töten konnte.
Er selbst trug einen dunklen Geschäftsanzug, während Rocket einfach nur Jeans, Hemd und seine beste Fliegerjacke angezogen hatte. Wenigstens waren die Sachen ausnahmsweise sauber.
Der Rest trug nach eigenem Gutdünken. Max zum Beispiel hatte sich ebenfalls für ein Kleid entschieden. Dazu trug sie eine der Ketten, die ihr Annie geschenkt hatte.
Armstrong grinste leicht. Jemand würde sich hier blamieren. Entweder die elegant Gekleideten in ihrer Runde oder die legeren wie Rocket und Rainmaker.
Samantha Rogers, die Cheftechnikerin, hatte sich neben Dave gesetzt. Sie war eher leger gekleidet, aber an ihr sah es wirklich gut aus, während Captain Norah Gallagher zwar ebenfalls ein Kleid trug, aber damit so unglücklich wirkte wie ein Pilot ohne Maschine.

Der Hoplit setzte neben der MEMPHIS auf. Nacheinander stiegen sie aus, während Jebediah McCormick und Jeremy Twofeathers sich um das Whiskyfass kümmerten.
Armstrong ging vorneweg auf die Bordwache zu. Es war drei vor acht. Beinahe perfekt.
Doch bevor er etwas sagen konnte, kam Cat Shannon schon die Rampe herab, gefolgt von einigen seiner Piloten und Spot.
Er breitete die Arme aus und grinste. „Na, wenn das nicht der alte Rumtreiber Armstrong ist. Willkommen daheim.“
Dave ging auf ihn zu und umarmte den Iren herzlich. „Du glaubst es nicht, Cat, aber es tut wirklich gut, dich zu sehen. Was denn, was denn, wo ist der Liquidateur? Hat er eine bessere Stelle gefunden?“
„Was du wieder denkst. Was kann es besseres geben als auf meiner Zigarre zu fahren? Nein, er ist noch in der Stadt und besorgt ein paar Spezialitäten. Für dich, Armstrong, nur das Beste.“
Dave lächelte dazu und gab Spirit die Hand. „Hi. Es ist lange her.“
„Verdammt lange, Armstrong“, erwiderte O´Dell und umarmte den großen Flieger ebenfalls herzlich.
„Cat!“, rief Max und warf sich dem Piraten um den Hals. Der wurde von dem Ausbruch vollkommen überrascht und schloss seine Arme nur zögerlich um den schlanken Körper des Mädchens, das einstmals sein Kabinenjunge gewesen war.
„Holla, Max. Es ist schön dich wieder zu sehen.“ Er hielt die junge Pilotin von sich. „Lass dich mal anschauen. Verdammt, hätte ich gewusst, was mal aus dir wird, dann hätte ich Claire längst den Laufpass gegeben und dich stattdessen genommen.“ Er grinste schief. „Und das soll jetzt alles diesem gescheiterten BAS-Piloten gehören?“
„Sieht so aus, Mr. Shannon“, brummte Blue tonlos. „N´abend, Sir.“
Cat bedachte den anderen Piloten nicht gerade mit dem freundlichsten Blick, während Armstrong verzweifelt um sein Leben kämpfte. Boxer hatte ihn entdeckt und drückte ihn nun so fest an sich, dass ihm fast die Luft weg blieb. Nur Pip rettete ihn vor dem Heldentod, indem er seine Ansprüche anmeldete, den alten Freund und Piloten ebenfalls umarmen zu dürfen.
Maxine hatte derweil Claire O´Dell sehr herzlich umarmt, und die beiden Frauen begannen beinahe sofort eine zwanglose Unterhaltung.

Dave hatte es derweil geschafft, sich wieder zu lösen, nicht ohne noch mal herzlich mit Gun Boy die Hände zu schütteln und trat vor seine Leute. „Darf ich vorstellen? Das ist Melissa Vandersen, genannt The Dusk. Wir fliegen seit anderthalb Jahren zusammen.“
„Entzückend“, kommentierte Shannon und ließ eine Menge von seinem Charme spielen. Er ergriff elegant ihre Rechte und hauchte einen Kuss auf die Hand. „Seien Sie mir willkommen, Dusk.“
Melissa errötete leicht, aber das auch nur, weil sie das Spiel selbst beherrschte und Spaß daran hatte.
„Meine Cheftechnikerin, Sam Rogers.“
Auch ihr küsste Cat die Hand. Ihre Röte aber war definitiv echt.
„Und Captain Norah Gallagher, die Anführerin meiner Marines.“
„Junge, Armstrong. Du hast es ja richtig gut. Eine ganze Zigarre, gefüllt mit hübschen Frauen“, kommentierte Cat und küsste der Marine ebenfalls die Hand.
„Jebediah McCormick, genannt Rocket. Guter Pilot, aber lausiger Kartenspieler.“
„Dann sollten wir nachher eine Partie pokern“, scherzte Cat.
„Und Jeremy Twofeathers, genannt Rainmaker.“
Ein amüsierter Blick traf Amstrong. „Du nimmst wohl wirklich jeden an Bord, sogar einen Native, eh?“ Trotzdem gab er Rainmaker artig die Hand.
„Und zuguterletzt den Chef meiner zweiten Staffel, Ernst Stahl, genannt Steel.“
„Freut mich, Sir“, sagte Steel und tauschte einen Händedruck mit Cat aus.
Aus dem Händedruck wurde schnell ein Kräftemessen, welches Armstrong aber mit einem ernsten Blick unterband. Steel steckte zurück und ließ als erster los.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Aber was rede ich da, kommt doch rein. Sonst wird noch das Essen kalt. Kennst du den Weg in die Messe noch?“, scherzte Cat.

Als Dave die Gangway betrat, stand plötzlich Spot neben ihm. „Willst du deine alten Freunde nicht begrüßen, Dave?“, fragte der Mechaniker mit einem breiten Grinsen.
Armstrong zog den kleineren Mann zu sich heran und drückte ihn an sich. „Schön dich zu sehen, Spot. Hast du Maxine schon begrüßt?“
„Die habe ich schon durch. Blue auch. Äh, glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich schon immer gewusst habe, dass Maxine ein Mädchen ist?“
„Nein“, erwiderte Dave trocken.
„Dachte ich es mir doch“, seufzte Spot leise.

**
Das Essen fiel aus, wie Dave erwartet hatte. Der Tisch in der Messe war mehr als überladen. Schweinebraten, Steaks, Hühnerbeine, Rinderbraten, Bratkartoffeln, Stampfkartoffeln, Folienkartoffeln, chinesische Nudeln, Reis gleich Kiloweise, fünf verschiedene Soßen, neun Gemüsesorten, es war mehr als genügend da.
Cat Shannon war nicht ohne Grund stolz auf die Küche an Bord seines Zeppelins. Entsprechend stolz bedeutete er seinen Gästen, Platz zu nehmen. „Bitte, mischt euch ein wenig.“
Dave nickte und setzte sich auf seinen alten Platz. Schnell hatte sich für jeden ein Stuhl gefunden. Derweil hatte ein Kellner das Fass angestochen, welches das Dirty Pack mitgebracht hatte und servierte neben Wein und Bier Whisky.
Cat ließ es nicht nehmen und kostete von dem Mitbringsel. Mit Kennermiene prüfte er den Geruch, bevor er einen Schluck im Mund rollen ließ. Als dies seinen Gefallen fand, stürzte er das Glas in einem Ruck. „Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht. Ist zwar kein Ire, sondern nur ein Schotte, aber wenigstens hat er ein anständiges Alter.“
Dave hob sein Glas und prostete Shannon zu.
Daraufhin begannen auch die anderen zu trinken und nachdem Boxer anfing, seinen Teller voll zu schaufeln, griffen auch die Gäste eifrig zu.

Es ergab sich eine zwanglose Konversation über das Übliche: Maschinengewehre, Steigleistungen der verschiedenen Motoren, Magnesiumkugeln oder Panzerbrecher.
In der Zwischenzeit traf auch Leroux ein und begrüßte die ehemaligen Mitglieder von Shannons Bande herzlich. Besonders Maxine schien es ihm angetan zu haben, was Jeff Daines nicht wirklich gut aufnahm.
Die Nummer zwei nach Shannon setzte sich auf einen freien Platz, der wie gottgewollt neben Dusk war und beteiligte sich am Gelage.

Während der Nachspeise, es gab Zitronencreme und Mousse au Chocolat, fragte Shannon wie beiläufig: „Erzähl schon, Armstrong. Was machst du hier draußen? Ich dachte, du wärst deinem Sonnenschein gefolgt und ein ehrbarer Texas-Ranger geworden.“
„War ich auch. War ich auch. Aber jetzt habe ich einen Kaperbrief.“
Cat runzelte die Stirn. „Nimmt das dein Goldschatz denn gut auf? Ich meine, sie ist nicht an Bord, sonst hättest du sie sicher mitgebracht.“
Maxine machte eine abwehrende Geste in Richtung Shannon, aber der schien den Wink nicht zu verstehen.
„Es…Ist etwas kompliziert. Annie ist…Sie ist vor einem halben Jahr gestorben“, sagte Dave leise. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er senkte den Blick, um Shannon nicht in die Augen sehen zu müssen.
„Gestorben?“, fragte Shannon überrascht. „Heißt das du bist wieder auf dem Markt?“
Diese im scherzhaften Ton vorgetragene Frage trug ihm böse Blicke von fast allen Frauen im Raum ein sowie einen schmerzhaften Rippenstoß von Claire O´Dell, die neben ihm saß.
Dave hob sein Glas. „So sieht das aus, Cat. Ich bin wieder im Rennen. Später vielleicht.“
Bei dieser Bemerkung spitzte Shannon die Ohren. Man konnte ihm eine gewisse Erleichterung ansehen. Und dann stellte er die Frage, die Dave so sehnlich erwartet hatte: „Was ist passiert, Armstrong?“
„Es…Es lief alles ziemlich gut für uns. Ihr Vater hat mich natürlich gehasst. Weiß der Henker, wieso er Max so sehr verwöhnt hat, aber mich hat er gehasst. Ich habe das fliegen nicht sein lassen können und bin wieder aufgestiegen, diesmal bei den Rangers. Frag Dusk, Rocket und die anderen. Wir hatten eine Menge Spaß da oben.“
Die Piloten des ehemaligen Dirty Packs lachten leise.
„Und dann?“, fragte Cat, direkt und gerade aufs Ziel, wie es seine Art war.
„Well, Annie sagte immer: Irgendwann bringt das fliegen dich noch mal um. Aber es ist leider anders gelaufen. Das fliegen hat sie umgebracht.“
„Willst du mir etwa erzählen, du wolltest ihr das fliegen beibringen?“, blaffte Cat.
„Nein, so war es nicht. Dann hätte ich mich schon längst freiwillig ein paar Meter in den Erdboden gebohrt, Cat.
Sie flog als Passagier auf einem Pendler mit. Der wurde von Piraten angegriffen.
Die Angreifer haben die Eskorte niedergekämpft, die MG-Schützen ausgeschaltet, und als die Zigarre wehrlos war, da haben sie auf die Hülle geschossen.
Ihr Flug war auf Wasserstoff, deshalb ging der Zeppelin noch in der Luft in Flammen auf. Kein Passagier und kein Besatzungsmitglied hat überlebt.“
„Das…ist keine gute Nachricht. Sie war zwar eine verdammte Nervensäge, aber ich habe sie dir als Strafe gegönnt, Armstrong“, sagte Cat Shannon leise. Für seine Begriffe lag eine Menge Mitgefühl in seinen Worten.

Es folgte eine lange Pause, in der niemand ein Wort sagte. Endlich griff Shannon es wieder auf. „Sag mal, Armstrong, du hast den Bastard doch sicher zu Tode gehetzt, oder?“
Das Glas in Daves Hand zersprang unter dem Druck, den er darauf ausübte. Gepresst erwiderte er: „Das hätte ich gerne. Aber als ich hinzukam, war der Bastard längst über alle Berge. Von einem der Begleitpiloten, der nur deswegen nicht starb, weil ihn die Piraten nicht aus der Seide geschossen haben wie die anderen, weiß ich zumindest den Namen des Luftschiffs. Mehr nicht.“
Nachdenklich strich sich Cat über das glatt rasierte Kinn. „Verstehe. Du bist hier in Sky Haven, um Informationen zu sammeln.“
„Nein. Wie ich schon sagte, ich habe einen Kaperbrief von Texas und keinen festen Auftrag. Ich will hier unter anderen zwei Besatzungen für Brigands anwerben. Also, wenn du Boxer und Pip erübrigen könntest…“
Cat lachte leise, in das die anderen Piraten der MEMPHIS einfielen. „In deinen Träumen, Armstrong. Wie viele Staffeln hast du an Bord?“
„Wenn ich die Brigand voll kriege zwei plus eine Ersatzmaschine. Sollte ich also zufällig der LEVIATHAN begegnen, werde ich ihr ganz schön zu kauen geben können.“

Cat Shannon ließ beinahe sein Whiskyglas fallen. Er sah Armstrong über dessen Rand an. „Hast du gerade LEVIATHAN gesagt?“
„Ja. Das ist der Name der Zigarre, die mein Mädchen auf dem Gewissen hat“, antwortete Dave. „Weißt du etwas über das Ding?“
Shannon seufzte tief und innig. „Ich wünschte, es wäre nicht so. Aber die LEVIATHAN hat sich in letzter Zeit einen etwas eigenwilligen Ruf erworben, der sogar bis zu mir durchgedrungen ist. Ich kann dir keine Namen nennen, aber der Kapitän ist ein widerlicher Bastard. Gegen ihn ist Gengis Khan ein toleranter und verständnisvoller Mensch.“
Interessiert beugte sich Dave vor. „Hast du etwas anderes für mich? Flugzeuge, Bewaffnung, Staffelformation, Zigarrentyp…“
„Nur eines, Junge. Die LEVIATHAN ist ein Haufen Asozialer. Mörder, Brandschatzer und Vergewaltiger der übelsten Sorte. Sie nehmen sich was sie wollen, wann sie es wollen und vernichten es, wenn sie dessen überdrüssig sind. Sie ziehen den übelsten Abschaum an, der fliegen kann. Und sie sind ständig auf Fahrt irgendwo da draußen.
Ihr Chef soll Franzose sein, aber das ist nicht sicher. Hier in Sky Haven sind sie meinem Wissen nach jedenfalls noch nicht aufgetaucht.
Ach, und noch etwas. Sie schießen jedes Mal auf Piloten in der Seide. Wenn du dich also mit ihnen anlegst, dann sieh dich vor.“
Armstrong legte den Kopf schräg und akzeptierte das neue Glas von Wong. Es war bereits gefüllt. Er kippte den harten Schnaps mit einer nicht weniger harten Geste. „Ich kann es kaum erwarten, dass mir dieser Bastard vor die Rohre kommt. Aber bevor meine Staffeln nicht komplett sind und ich nicht auch wirklich zwei Staffeln habe, die zusammen fliegen können ist es noch zu früh.
Ich habe erst mal vor, den Kaperbrief zu nutzen und etwas Profit zu machen und Erfahrung zu sammeln.“
„Aber dir juckt es schon in den Fingern, nicht wahr?“, fragte Shannon amüsiert.
„Natürlich tut es das. Aber stell dir vor, Cat, ich bin doch tatsächlich vernünftig geworden und weiß meine Möglichkeiten und Chancen mittlerweile richtig einzuschätzen.“
Die beiden tauschten einen langen Blick aus.
„Na, da bin ich aber mal gespannt“, erklärte Cat Shannon lachend.

Nach dem Nachtisch mischte sich die Runde noch ein wenig mehr. Getränke wurden ausgeteilt. Maxine verabschiedete sich für eine halbe Stunde um sich mit Wong zu unterhalten. Dave konnte den Freudenschrei des Chinesen bis an den Tisch hören.
Er sah grinsend zu Cat rüber. „Hast du diesmal wenigstens einen Kabinenjungen, oder ist es wegen der alten Zeiten ein Mädchen?“
Shannon prustete überrascht in seinen Whisky, als er das hörte. Von den Piloten seiner Zigarre klang leises Gelächter herüber.
Cat grinste schief. „Keine Bange, Armstrong, diesmal ist es ein Junge. Das war Hauptgrund für die Einstellung.“
Wieder wurde gelacht.
„Aber mal was anderes. Du hast gesagt, du willst zwei Brigandbesatzungen werben und Erfahrung sammeln. Was hast du vor? Du wirst dich doch nicht in den texanisch-mexikanischen Konflikt werfen, oder?“
„Ach, von dem habe ich schon was mitgekriegt. Stell dir vor, der Kapitän einer Zigarre namens TRINIDAD wollte doch wirklich meine niedliche kleine NORTH mit einem Shannon-Manöver kapern. Leider für ihn war ich gerade auf dem Weg zu ihr. Der Rest ist Geschichte.“
Cat grinste schief. „Hast du gerade Shannon-Manöver gesagt?“
„Was denn, was denn, Conal Andrew Thomas Shannon? Du bist berühmt. Nicht nur weil du auch mal in der Schurkenparade auftreten darfst. Das Shannon-Manöver wird von jedem halbwegs fähigen Piraten imitiert, wo sich ihm die Gelegenheit bietet. Aber im Gegensatz zu dir haben sie nicht dein Können und dein Glück.“ Dave prostete Cat zu.
„Danke, danke. Ehre wem Ehre gebührt. Also nicht Texas. Was dann? Willst du hoch zu den Industrials und die großen Linien berauben?“
„Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht. Auf dem Flug hierher haben wir auf Dixieterritorium eine Piratenbande ausgelöscht, die einen Passagierzeppelin angegriffen hat. Das hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Und einen Teil der Ladung und der Bordkasse gab es auch dafür.“
„Ja, Himmel, Armstrong, lernst du es denn nicht? Warum hast du die Zigarre danach nicht selbst geentert?“ Cat wartete die Antwort gar nicht erst ab und gab sie sich selbst. „Du bist zu gut für diese Welt. Begleitest du Piloten, die du abgeschossen hast, nun bis zum Boden um sicher zu gehen, dass sie auch heile aufsetzen? Wir sind Piraten, Armstrong, nicht die fliegende Wohlfahrt.“
„Das ist es nicht“, erwiderte Dave grinsend. „Aber ich fand es eigentlich leichter, wenn der Skipper der Zigarre die Waren freiwillig rausrückt, anstatt dass ich noch mal das Leben meiner Leute riskieren muß.“
Cat schüttelte den Kopf. „Junge, auf den Inseln gibt es eine Legende über einen Mann, der von den Reichen stahl und den Armen gab. Der hieß Robin Hood, ein ehemaliger Adliger, der vogelfrei wurde und nach seinen eigenen Regeln lebte.
Aber wir haben bereits unseren Robin Hood und der heißt Nathan Zachary. Versuch doch nicht, ein zweitklassiger Abklatsch zu werden und besinn dich mal auf die wahren Werte.“
Dave lachte leise. „Cat. Ich will nur fliegen. Einfach nur fliegen.“
„Das kann ich verstehen“, erwiderte der Eigentümer der MEMPHIS leise.

„Wenn du was verdienen willst“, nahm Cat den Faden wieder auf, „kannst du ja hoch nach Alaska. Die verdammten Kommunisten sind dort gerade dabei, die Bodenschätze zu plündern. Man sagt, sie setzen für das viele Öl schon Tanker ein und von drei Goldtransporten geht einer in der Beringsee baden, weil er überladen ist. Außerdem würdest du ein gutes Werk tun, wenn du den Roten einen verplättest.“
„Das wäre ja mal eine Idee“, gab Dave Stone zu. „Aber hast du einen Grund, warum du mich auf eine Fährte schickst, die dreitausend Meilen entfernt ist? Du hast nicht zufällig wieder vor, nach Texas zu gehen und ein wenig einzukaufen? Du weißt, du hast Amnestie. Aber ein zweiter Raub würde die wieder aufheben.“
„Was denn, was denn?“, erwiderte Shannon und hob die Arme. „Nur weil sich Texas und Mexiko gerade gegenseitig an die Kehle gehen und sie von der Nordgrenze Truppen nach Süden verlegen, was das Land für einen Angriff entblößt, werde ich das doch nicht ausnutzen.“
„Cat. Neben der NORTH hat Texas vier bis sechs weitere Zigarren in die Welt geschickt. Glaubst du wirklich, die würden das machen, wenn die Lage wirklich so schlimm wäre? Wenn ihre Grenzverteidigung so schwach wäre? Meinetwegen versuche es. Aber komm dann nicht bei mir an und bitte um einen Job als Staffelchef.“
Shannon grinste breit. „Forderst du mich heraus?“
„Ich revanchiere mich nur für den Tipp mit dem Öl und dem Gold, Cat“, stellte Dave fest und trank sein Glas aus.

„Yeah, versuchen Sie es nur mit Texas, Mr. Shannon“, meldete sich Norah Gallagher zu Wort. „Da wird Ihnen tüchtig die…“
„Major“, ermahnte Dave die Frau.
Die Marine schluckte die harte Anfuhr runter. „…Leviten gelesen.“
„Nün, vielleischt aber brauchen wir encore un fois eine rischtige `Erausforderüng. ´Ollywood `atte güte Piloten, aber sie waren vraiment leischt zu übertölpeln.“
Cat grinste breit bei den Worten seines Stellvertreters. „Und Charlene Steele war so stolz auf ihren Abschuss – während wir ihr die Fracht, die sie beschützen sollte, unter der Nase weg geklaut haben.“
Die Piraten lachten und auch einige des Dirty Packs schmunzelten dazu. „Das wird sie Ihnen nicht so leicht verzeihen. Eine Frau ist immer nachtragend bis in den Tod“, bemerkte Blue leise.
„Du musst es ja wissen, Daines“, erwiderte Cat und hatte die Lacher auf seiner Seite.
„Okay, Armstrong, ich habe selbst noch keine Pläne. Aber Amnestie hin, Amnestie her, wenn ich in Texas eine Gelegenheit sehe, dann werde ich sie ergreifen.“
Captain Gallagher war aufgesprungen. „Dann ist es vielleicht eine gute Idee, Sie schon hier und heute daran zu hindern, Mr. Shannon“, knurrte sie.
Cat sprang ebenfalls auf, einige seine Leute rückten bereits vom Tisch ab.
„Major, setzen Sie sich“, sagte Dave sehr gelassen.
„Sir, ich…“
„SETZEN!“
Überrascht über die Lautstärke und den Blick, den sie von Armstrong kassierte, nahm die Marine wieder Platz.
Auch Shannon setzte sich wieder. „Hast du also endlich gelernt, dich durchzusetzen? Nett, Armstrong.“
Dave grinste matt. „Cat, ich weiß, dass du nicht nach Texas gehen wirst. Denn ich habe dir da eine Kleinigkeit mitgebracht, nur für den Fall, dass wir uns treffen. Als kleines Dankeschön für meine und Blues Fury.
Du erinnerst dich an den Nitrobooster, der damals für den ganzen Schlamassel verantwortlich war?“
Cat nickte.
„Ich habe dir zwei Stück mitgebracht. Sobald Spot sie eingebaut und überprüft hat und du auf einem geritten bist, dann wirst du wissen, wie überlegen texanische Flugzeuge zur Zeit sind.
Und glaub mir eines, die Grenzstaffeln haben den Booster bereits.“
„Achtzehn wären besser gewesen“, konterte Shannon, ohne auf den deutlichen Hinweis einzugehen. „Und, hast du auch die Booster in deinen Vögeln?“
„Natürlich“, sagte Dave leise und winkte nach einer neuen Füllung.
„Vielleicht sollten wir dann mal einen Vergleich ziehen zwischen den herkömmlichen Boostern und dem Ding, das du mitgebracht hast.“
„Vielleicht machen wir das sogar. Früher oder später treffen wir halt doch auf einen Gegner, der eigene Booster hat“, erwiderte Armstrong ernst.
„Vielleicht kann ich dir eine Piratenbande zeigen, die bald wieder aufbricht und die eigene Booster hat. Dann kannst du zur Rettung der Zivilisten eilen, Robin Hood“, meinte Shannon grinsend.
„Vielleicht machen wir das“, bestätigte Dave. „Aber Cat, du wirst mich doch nicht etwa den Fortune Hunter hinterherhetzen?“
Die Piloten lachten laut. Auch Dave und Cat fielen ein.
Shannon breitete die Arme aus. „Ach, genug über Politik geplaudert. Lasst uns feiern.“
25.01.2020 08:14 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Am Nächsten Tag

Von Stahlheim war diesmal alleine unterwegs. Während er sich seinen Weg durch die Straßen von Sky Haven suchte, blieb seine Hand immer in der Nähe der Beretta-Autopistole, die an seiner Hüfte baumelte. Dazu kam noch der Derringer unter dem Hemd und der beidseitig geschliffene Kommandodolch im Stiefelschaft. Es hatte nicht der warnenden Worte seines Commanders bedurft, damit er wusste, auf welch gefährlichem Pflaster er sich hier bewegte. In der kurzen Zeit hatte er schon drei Prügeleien und einen Messerkampf gesehen – und, wie man den Verlierer eines Revolverduells davontrug. Auch wenn der hochgewachsene Deutsche mehr als sicher war, mit den dem Großteil dieses Abschaums zur Not fertig zu werden, er wollte es nicht darauf ankommen lassen.
In dieser Stadt der Piraten wimmelte es von den verschiedenen Rassen und Nationalitäten Amerikas und der Welt. Indianer, Asiaten, Schwarze und Weiße, in Zivil oder den verschiedensten Uniformen der amerikanischen Staaten, Mexikos, Englands und Frankreichs. Einmal glaubte Ernst sogar, eine deutsche Uniform gesehen zu haben. Aber er wollte kein unpassendes Interesse an Dingen zeigen, die den Mann „Steel“ eben nicht zu interessieren hatten. Seinen wachsamen Augen entging nicht die günstige strategische Lage dieses Räubernestes. Natürlich würde man dieses Drecksloch mit einem kombinierten Angriff von Marineluftschiffen, Autogyros, Jagdverbänden und Bombern vernichten können, zumal der hier lebende Abschaum ebenso bereit zum Rückzug wie zum Angriff sein dürfte.
Aber keiner der amerikanischen Staaten schien zu so einer massierten Operation fähig oder willens. Und für die Interessen, die von Stahlheim vertrat, war es wichtiger, die Möglichkeiten abzuschätzen, diese Bande von Mördern, Halsabschneidern, Dieben, Deserteuren und Schmugglern zu instrumentalisieren und auszunutzen, als sie zu vernichten. Die meisten dieser „Helden der Lüfte“, von wenigen strahlenden Ausnahmen abgesehen, würden für genug Geld und andere Vergünstigungen für JEDEN kämpfen.
Aber das war nur am Rande wichtig. Er war nicht primär hier, um eine strategisch/ taktische Analyse zu erstellen. Er wollte jemanden treffen. Sky Haven war zu wichtig, als daß die Abwehr darauf verzichten konnte, hier einen Agenten zu haben. Während „Steel“ zwei Männern auswich, die sich blutüberströmt im Straßendreck prügelten, wobei einige Leute zusahen und bereits Wetten abschlossen, fragte er sich, was für ein Mensch dieser Agent sein musste, sich hier zu halten und die Interessen der Abwehr zu vertreten. Die Stadt war eine verrückte und gefährliche Mischung aus Haifischbecken, Strafgefangenenlager, Räuberhöhle und Tollhaus. Und dann war der Agent auch noch...

Dann sah er, was er gesucht hatte: eine Bar mit dem klingenden Namen „Buccaneers Pleasure”. Die Wegbeschreibung war schon mal richtig gewesen – ein gutes Zeichen. Er stieß die Doppeltür auf…
Und stolperte fast in einen wütenden Nahkampf hinein. Ein Mann flog regelrecht auf die Tür zu, an von Stahlheim vorbei, der gerade noch rechtzeitig auswich. Der Unglückliche krachte voll gegen die Wand und sackte zusammen. In der Bar war die Hölle los – zwei weitere Männer lagen bereits reglos und blutend am Boden. Zwei andere, einer in Zivil, der andere in einer Mischung aus Zivilkleidung und Uniformteilen der Texas Ranger, gingen sich inzwischen mit Messern an, angefeuert von einigen anderen Halsabschneidern. Und in der Ecke hatten zwei „Ranger“ eine junge, rothaarige Frau in die Ecke gedrängt. ‚Das darf doch nicht wahr sein!‘
Der eine der „Ranger“ hatte nicht den Hauch einer Chance, als er von hinten gepackt und zurückgerissen wurde. Während der Mann noch verzweifelt versuchte, das Gleichgewicht wiederzufinden, schlitzte ihm „Steel“ die Kehle auf – nicht unbedingt professionell, aber wirksam. Mit einem Fluch schleuderte er den Sterbenden beiseite, aus dessen Hals eine Blutfontäne schoss. Im nächsten Augenblick allerdings wäre es von Stahlheim fast genauso ergangen. Vom Schrei eines „Zuschauers“ gewarnt warf sich „Steel“ im letzten Moment zur Seite – so schnitt das Messer nur über seine Schulter, statt sich in seinen Nacken zu bohren. Von Stahlheim drehte sich um und stürzte sich auf den neuen Angreifer, den dritten „Ranger“, der mit seinem vorherigen Gegner Schluss gemacht hatte. „Steel“ kassierte einen Schlag, der ihm den Dolch aus den Fingern prellte. Die beiden Kämpfer gingen sich an die Kehle.
Die rothaarige Frau war inzwischen anscheinend in ähnlichen Schwierigkeiten. Der „Ranger“ hatte sie mit einem brutalen Schwinger zu Boden geschlagen und sich auf sie geworfen. Jetzt würgte er sie mit der Linken, während er mit der Rechten ihre Bluse zerriss. Was er sah, schien ihm zu gefallen – doch sein Grinsen gefror zu einer verzerrten Grimasse, als ihm die Frau kaltblütig eine schmale Klinge, die sie plötzlich in der Hand hielt, in die Kehle stieß.
Praktisch im gleichen Moment gelang es von Stahlheim, die Arme freizukommen. Eine verzweifelte Drehung des Körpers rettete ihn vor dem Messerstich seines Gegners, er kam mit einem oberflächlichen Schnitt davon – sein Glück, dass sein Gegner offenbar nicht mehr nüchtern und bereits verwundet war. Dann rammte „Steel“ dem „Ranger“ die Handfläche ins Gesicht. Mit einem dumpfen Knirschen brach die Nase des „Rangers“. Der Mann taumelte zurück, das Messer entglitt seinen Fingern – dann brach er zusammen. Die Knochensplitter seiner Nase hatten sich ihm ins Gehirn gebohrt und ihn binnen Sekunden getötet.
Mit einmal war es totenstill. Die meisten „Zuschauer“ waren über die Wendung des Kampfes zumindest überrascht. Aber dann wurde der erste Beifall laut – die meisten Piraten wussten eine gute Vorstellung zu schätzen.
Von Stahlheim hätte am liebsten lauthals geflucht. Stattdessen salutierte er zackig und verbeugte sich dann schwungvoll in die Runde, was wieherndes Gelächter zur Folge hatte. Einige wesentlich praktischere Charakter begannen bereits, die Leichen zu plündern nahmen ihnen Wertsachen, Waffen – und sogar die Stiefel ab.
„Steel“ wandte sich jetzt der Frau zu, die gerade auf die Beine gekommen war, versuchte sich wieder in Ordnung zu bringen und ihren „Retter“ nachdenklich musterte: „Danke für die Hilfe mit diesen Dreckskerlen.“ Sie klang erstaunlich ruhig.
„War mir eine Ehre.“ Ernst verbeugte sich halb spöttisch, schien dann aber zu stocken und seine Gegenüber genauer zu mustern: „Kennen wir uns vielleicht? Morgana?“
„Ja klar und du bist König Artus was? Elisabeth O’Conner, `Liss für meine Freunde.“
„O. K. - `Liss. Ernst Steel Stahl. Und damit hätten wir uns vorgestellt.“
„Pilot was? Und gerade frisch eingetroffen richtig? Du hast ‚scheint’s ein Talent den Ärger zu finden.“
„Das war es wert. Und mehr als das. Und diese Bastarde – das war nur Abschaum...“
Die Frau winkte ab: „Genug mit dem Süßholzraspeln. Das war vielleicht Abschaum, aber sie haben dich erwischt.“
„Nur ein Kratzer...“
„Unsinn. Fehlt noch, dass du an Wundstarrkrampf eingehst. Das wäre ein schlechter Schluss der Geschichte. Also komm mit – dass muss verbunden werden.“ Die Frau ergriff resolut nach „Steels“ Hand und zog ihn hinter sich her. Die höhnischen Kommentare und Bemerkungen einiger anderer Gäste ignorierte sie.
Zielstrebig führte sie „Steel“ durch die Stadt. Das Paar erregte keine besondere Aufmerksamkeit, vielleicht war es hier normal, mit blutbespritzten Kleidern und offensichtlich verwundet durch die Straßen zu laufen.
Schließlich erreichten die beiden ein kleines Haus am Rande der Stadt. Ein hochgewachsener Mann, dem man die indianische Herkunft ansah, saß neben der Tür, offensichtlich in die Reinigung einer Pumpgun vertieft. Als er `Liss sah, war er sofort auf den Beinen, die Rechte auf dem Griff einer Browning, die an seiner rechten Seite baumelte. Nach ein paar leisen Worten in einer Sprache, die „Steel“ nicht verstand, setzte er sich aber wieder hin und fuhr mit seiner Arbeit fort, als sei nichts geschehen. Von Stahlheim beachtete er nicht einmal.
„Kommt es öfters vor, dass du Besuch wie mich hast?“
„Keine Angst, so gewöhnlich bist du nicht. Aber Indianer-Joe ist nie ein großer Redner gewesen. Ich glaube, dass ist eine wertvolle Fähigkeit für einen Mann.“ `Liss grinste ihn bei diesen Worten an.
„Indianer-Joe? Mark Twain, richtig?“
„Du überraschst mich...“ Bei diesen Worten öffnete die junge Frau und winkte „Steel“ hinein. Es entging ihm nicht, dass die Tür ungewöhnlich stabil und dick war – wie auch die Wände des Hauses von Innen massiver aussahen, als von außen.

Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, wandte sich von Stahlheim zu der Frau um. Jede Spur von Verbindlichkeit und Höflichkeit war aus seiner leisen, wütenden Stimme verschwunden: „Was zur Hölle sollte das?! Sind Sie verrückt?! Ich sollte UNAUFFÄLLIG mit Ihnen in Verbindung treten! Keine verdammte Kaschemmenprügelei anfangen! Ist das Ihre Vorstellung von konspirativen Verhalten?! Sie...“
„Blasen Sie sich nicht so auf, Herr Hauptmann`‘!“ `Liss Stimme klang jetzt ziemlich bissig. „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, wir sind hier in Sky Haven. Nicht in Berlin, oder Rom, Madrid oder Paris. Im Vergleich zu dem, was hier üblich ist, WAR das unauffällig. Sehen Sie es mal so. Jetzt sind Sie ein Pilot auf Freigang, der einer stadtbekannten Schieberin und Informationsmaklerin geholfen hat. Und dann hat Sie diesen Piloten halt mal eingeladen. Was ist daran auffällig?“
„Ich will meine Arbeit machen, nicht Stadtgespräch werden...“
„Werden Sie auch nicht, ‚Herr Hauptmann‘. Da müssten Sie schon mehr leisten...“
„Und ich will ganz bestimmt nicht, dass mein ‚Commander‘ sich wundert, woher sein Staffelführer eine Ausbildung im Nahkampf hat! Und wenn diese Bastarde Freunde haben? Ich will keine Blutrache am Hals. Und ich will nicht, dass Sie in so etwas hineingeraten!“
„Ihre Fürsorge ist wirklich rührend. Das waren nur ein paar Arschlöcher, die von einer aufgelösten Piratenbande übrig waren. Die haben niemand, der ihren Tod betrauert. Nicht mal ihre MÜTTER, wenn sie denn welche haben. Und ich habe Sie nicht gebeten, den Ritter zu spielen!“
„Hätte ich etwa zusehen sollen? Vielleicht noch diese Bastarde anfeuern? Sie gehören zur Abwehr! NATÜRLICH musste ich eingreifen!“
`Liss sah von Stahlheim nach diesen Worten überrascht an. Sie schien die Antwort herunterzuschlucken, die ihr auf der Zunge lag. Stattdessen schüttelte sie den Kopf – und fing leise an zu lachen: “Na so was, da schickt Berlin einen Kreuzritter über den Teich. Jetzt begreif‘ ich, woher von Tauten seinen Artus-Tick hat. Und jetzt würde ich vorschlagen, wir lassen das mal. Sonst denkt Joe, wir bringen uns hier drinnen um.“
„Können Sie ihm trauen? Und…Sie kennen von Tauten?“
„Er versteht kein Wort Englisch. Deutsch übrigens auch nicht. Und ja, ich kenne von Tauten. Ich hatte das Vergnügen vor ein paar Jahren. Und willst du eigentlich weiter mit dem ‚Sie‘ machen? Das ist doch irgendwie dämlich, nachdem wir gemeinsam ein paar Kehlen durchgeschnitten haben.“ Die reichlich burschikose Redeweise ließ von Stahlheim grinsen. Außerdem begriff er, dass es auch reichlich unprofessionell gewesen war, sich so aufzuregen: „Sie – du hast Recht. Also gut, `Liss. Aber mal im Ernst – worum ging es eigentlich bei diesem Massaker? Das darf ich doch wohl erfahren.“
„Nun, wenn du mich so bittest...Ich wollte mir eigentlich nur etwas die Zeit vertreiben. Wenn man drei Tage hintereinander in derselben Kaschemme drei Stunden abhängt, wie bestellt und nicht abgeholt, dann braucht man eine Beschäftigung. Und ich konnte nicht immer Joe mitschleppen. Außerdem ist er so unterhaltsam wie ein Mormone. Nun, und diese Idioten hatten etwas Pech beim Spiel. Also wollten sie ihr Geld zurück – und wohl auch noch einiges, was ihnen nicht gehörte und wofür sie nicht bezahlt hatten.“ `Liss grinste bei diesen Worten ziemlich zynisch. Von Stahlheim verzog angewidert den Mund.
„Nur die Ruhe, Kreuzritter. Sie sind ja alle tot. Leider hatte ich mich bei der Kampfkraft meiner Aushilfs-Leibwache etwas verschätzt. Dann kam dein Auftritt. Beeindruckend übrigens. Fallschirmjägerausbildung oder Brandenburger?“
„Etwas von beidem.“
„Nun, da das jetzt geklärt ist, was ist mit deiner Wunde?“
„Ich sagte doch, nur ein Kratzer. Unser Bordarzt...“
„Ich kenne diese Quacksalber. Und nun hör auf, den harten Einzelkämpfer zu spielen. Wenn du wüsstest, wozu diese Mistkerle ihre Messer benutzen, wärst du nicht so locker. Und ich dachte, du willst keine Fragen an Bord. Was sollen die übrigens von mir denken, wenn ich dich ohne Wundversorgung zurückschicke?! Also mach schon.“
Also zog er Jacke und Hemd aus, während `Liss Verbandszeug und Desinfektionsmittel hervorholte – für eine bloße „Schmugglerin und Informationsmaklerin“ war ihre Hausapotheke ziemlich umfangreich. Fachkundig untersuchte sie die Schnitte, bemerkte allerdings auch, dass ihr Patient sich sichtlich unwohl fühlte: „Was denn, ‚Herr Hauptmann‘, du wirst doch schon mal vor einer Frau – außer deiner Mutter – mal das Hemd ausgezogen haben...“ Von Stahlheim verkniff sich eine Antwort. Professionalität und Ausbildung hin oder her, halbnackt vor einer jungen, hübschen Frau zu sitzen, die sich zudem auch einen Spaß daraus machte, ihn zu verunsichern, war etwas, was er nicht unbedingt gewöhnt war. Um sich von ihrer Nähe und dem Gefühl ihrer Hände auf seinem Körper abzulenken, rief er sich ins Gedächtnis, was er von ihr wusste:

Elisabeth O’Conner, Tochter von Donnel O’Conner, einem irischen „Patrioten“, also Terroristen, der bereits im Großen Krieg Kontakte mit dem deutschen Nachrichtendienst gehabt hatte und deshalb verständlicherweise beim Osteraufstand 1916 von den Engländern füsiliert worden war. Seine Familie war danach in die USA ausgewandert, aber im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ hatten die Iren selten einen warmen Empfang bekommen und litten besonders unter den Wirren, die dann schließlich die alten USA zerrissen. Irgendwie war die Familie in Sky Haven hängengeblieben, wo einer der Söhne bei einer der örtlichen Banden unterkam – und ein anderer vor zwei Jahren erschossen wurde. Die Abwehr hatte die Familie nicht völlig aus den Augen verloren und Elisabeth vor sechs Jahren, da war sie gerade achtzehn, rekrutiert. Man hatte sie zuerst als Kurier eingesetzt – aber als sie es verstand, mit dem Geld, dass die Abwehr ihr zukommen ließ, sich als Waffenschmugglerin zu etablieren und im Informationsgeschäft aktiv zu werden, war ihr Wert – und ihre Bezüge – drastisch gestiegen. Vor zwei Jahren war der alte Kontaktmann der Abwehr in Sky Haven bei einer Schießerei schwer verwundet worden und musste abgezogen werden. Elisabeth hatte seine Aufgabe übernommen. Die Informationen die sie lieferte, waren in der Regel erstklassig und ihre Funkmeldungen ebenso prägnant wie wertvoll. Im Gegensatz zu ihrem Vater ging es ihr vor allem um Geld, aber vermutlich machte ihr die Arbeit auch Spaß.

„Wie sieht die Möglichkeit aus, eine Maschine mit Nitrobooster zu organisieren?“
`Liss zuckte mit den Schultern: „Nicht sehr gut. Ich darf kein zu großes Interesse zeigen und momentan haben wir hier niemanden, der als Käufer auftreten könnte. Und die Zahl der aufgerüsteten Maschinen in der, na ja ‚freien Wirtschaft‘, ist verdammt begrenzt. Außerdem ist natürlich jeder verdammte Pirat dahinter her, von den diversen Diensten mal abgesehen. Ich glaube, sogar die Italiener haben Interesse bekundet. Deshalb halte ich den Kopf unten.“
„Hm...“ Aber damit hatte von Stahlheim gerechnet. Nun, was den „Nitrobooster“ betraf, saß er ja wohl an der besten Quelle, falls die Abwehr nicht auch noch Leute bei den „Texas Rangern“ hatte. „...da habe ich wohl bessere Chancen.“
„Ja, ja – Commander Armstrong und seine Bande mit den Raketen im Arsch.“
„Woher...“
„Ich handle mit Informationen. Du glaubst doch nicht, dass eure Bordcrew dichthält? Oder die von Cat Shanon?“
„Stimmt. Das wäre übrigens ein Mann, den wir gebrauchen könnten, wenn wir Piraten anheuern.“
„Überlass die Strategieplanung besser Berlin. Ich habe immer noch Schwierigkeiten mir vorzustellen, dass ausgerechnet IHR Piraten anwerbt. Aber wenn ihr es wollt – das sollte kein Problem sein. Gib ihm genug Geld, und lass ihm etwas Freiraum, dann...Er ist nun mal Pirat. Er fliegt für Geld, für den Spaß – und sein Ego. Gib ihm das, und er ist glücklich. Ich meine, die Zentrale wird ja wohl nicht gerade jemanden schicken, der offen herausbrüllt: ‚Für Führer, Volk und Vaterland!‘ Denn dann entwickelt Cat vielleicht noch patriotische Gefühle. Oder fängt sich an zu fragen, ganz verblödet ist er nämlich nicht, wo er bleibt, wenn die Erste Luftlandearmee hier einfällt.“
„Ich muss mehr über ihn wissen. Oder besser – Berlin sollte mehr über ihn wissen. Sieh zu, was du über ihn herausfindest. Und dann brauche ich alles, was über die Leviathan im Umlauf ist. Wo sie sich gerade aufhält, wie sie bestückt ist und die letzten Aktionen dieses Bastards Michael Jerome. Ich kenne seine Vorgeschichte, aber sonst nur wenig und das ist veraltet. Wie viele Jäger hat er, was für Piloten – und wer bezahlt seine Rechnungen, oder ist er zurzeit solo.“
Elisabeth, die gerade die Wunde über den Rippen versorgt hatte, richtete sich jäh auf: „Wenn du mit Jerome ins Bett willst, kannst du dir gleich den Bauch aufschlitzen. Der Mann ist ein Psychopath! Wenn er nicht desertiert wäre, hätten sie ihn aus der Fremdenlegion wegen Bösartigkeit rausgeschmissen. Will Berlin etwa DEN einsetzen? Was schwebt von Tauten vor – ein kleiner Massenmord?!“
„Nichts davon. Mein Commander hat da anscheinend eine kleine Privatvendetta mit der Leviathan. Und ich glaube, es kann nichts schaden, ihm etwas Futter zu liefern für seinen Hunger nach Rache. Wenn ich ihm das Ziel seiner Träume auf einem Tablett serviere – dann ist er mir etwas schuldig. Und wenn er seiner Rache folgt, dann wird er sich hoffentlich nicht den Kopf über mich zerbrechen. Immerhin muss ich an Bord einer verdammten Zigarre arbeiten. Ich brauche jeden Freiraum, den ich mir verschaffen kann.“
„Dein Commander wird sich anstellen müssen, wenn er das Arschloch umbringen will. Und jagt Jerome besser einen Pflock durch’s Herz, bevor ihr ihn verscharrt.“
„Wenn du willst sogar während er noch lebt.“ Diese trockene Bemerkung brachte `Liss zum Lachen, auch wenn es etwas gallig klang.
„Und `Liss, ich brauche Informationen über unseren Commander. Thomas David Marquardt. Ich kenne seine Karriere in den USA, aber vor seinem Auftauchen bei Cat Shanons Truppe ist der Kerl ein verdammter GEIST. Ich glaube aber nicht, dass irgendjemand an Bord viel über ihn weiß. Und ich darf nicht zu neugierig sein.“
„Du willst, dass ich bei der Zentrale anfrage?“
„Exakt. Nicht nur in der Zweigstelle in New York. Das muss nach Berlin.“
„Du weißt schon, dass das ziemlich happig ist. Und nicht besonders ‚konspirativ’. Ich glaube ja nicht, dass die Amis unsere Funkschlüssel geknackt haben. Die pissen sich lieber gegenseitig ans Bein. Aber bei den Franzosen oder den Engländern geb‘ ich keine Garantie ab.“
„Ich weiß. Aber ich kann ja schlecht die Bordfunkanlage benutzen. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich den Mann schon mal gesehen habe. Und zwar in Europa. Und er fliegt wie ein Luftwaffenpilot. Ich weiß noch nicht, ob wir ihn anheuern sollen, oder ob ich mich irgendwann mit einer seiner Maschinen davonmache. Aber egal was ich auch tun werde, ich muss mehr über ihn wissen. Nicht, dass er zum unpassenden Zeitpunkt ebenfalls merkt, dass er mich kennt.“
„Na schön, Ernst. Ich schick’s gleich los. Ich hoffe nur, dass ist es wert. Und dass was `reinkommt, bevor ihr wieder unterwegs seid.“
„Wenn ich nur wüsste, wo ich den Kerl schon gesehen habe...“
`Liss richtete sich auf. Als sie bemerkte, dass „Steel“ immer noch mit nacktem Oberkörper dasaß, die Stirn nachdenklich gerunzelt, zuckte es um ihre Mundwinkel: „Also entweder du ziehst dich ganz aus, oder wieder an. Ich dachte, ihr Einzelkämpfer macht keine halben Sachen?“
Von Stahlheim wurde rot und streifte hastig das Hemd über. Das rette ihn aber nicht vor der nächsten Bemerkung: „Ich hätte da übrigens jemand, die sich für ein solches Prachtstück wie dich interessieren könnte. Sarah Goldstein, sie nennt sich ‚Rose von Bethlehem‘. Wie wär’s?“
„Sollte das jetzt ein Witz sein? Ich finde das nicht sehr komisch.“
„Ich schon. Werd‘ doch einfach etwas lockerer. Immerhin bist du gerade bei Freunden. Aber ich bin sicher, es findet sich auch ein blondes Gretchen...“ Sie grinste bei diesen Worten.
„Schon gut, schon gut, du hattest deinen Spaß. Wie wär’s wenn du einfach die Funkmeldung abgibst.“
Immer noch leise kichernd drehte sich Elisabeth um: „Du kannst ruhig mitkommen. Es gibt da einige Funksprüche, die du sehen solltest.“
Das Haus war erstaunlich luxuriös eingerichtet. Jedenfalls für die Verhältnis von Sky Haven. Offenbar verdiente Elisabeth O’Conner gut an der doppelten Tätigkeit als Spionin und Waffen- und Informationshändlerin.
Das Funkgerät war auf dem Dachboden in einem geheimen Raum untergebracht. Mit wachsendem Respekt stellte von Stahlheim fest, wie gut der Funkraum getarnt war. Er selber hätte ihn wohl kaum entdeckt, wenn er nicht gewusst hätte, dass es ihn gab. Der Raum war außerdem zusätzlich gesichert: wer die Tür mit Gewalt öffnete, löste eine Handgranate und einen kompakten Brandsatz aus.
„Benutzt du eine Enigma?“
„Zu sperrig. Und wo soll ich denn neue Schlüssel bekommen – sollen die mir etwa gefunkt werden? Es wäre auch zu riskant, alle paar Monate einen Kurier zu schicken. Nein, ich nehme lieber die alte Methode.“
Das bedeutete, der Funkspruch wurde nach einem bestimmten Buch verschlüsselt. Diese Methode war ebenso alt wie bewährt, wenn auch längst nicht so schnell, wie die neuen Verschlüsselungsmaschinen. Während Elisabeth den Funkspruch absetzte, überflog von Stahlheim die Meldungen, die sie ihm zugeschoben hatte. Es sah nach einer Verschärfung der mexikanisch-texanischen Grenzkonflikte aus. Frankreich schien ebenfalls seine Stellungen auszubauen. Als er eine weitere Meldung aufnahm, holte von Stahlheim unwillkürlich Luft.
„Ja, das sieht nicht gut aus. Ich spar es mir, dich zu fragen – und du sparst es dir, mich zu belügen.“ `Liss blickte bei diesen Worten nicht auf, während sie weiter ihren Funkspruch verschlüsselte.
Die Meldung, die von Stahlheim beunruhigt hatte, bestand aus nicht mehr als ein einer Zeile:

Parsifal - Silberzunge überprüfen – Code Mordred

Der Funkspruch war direkt an von Stahlheim gerichtet. Eigentlich sollte nur er Code Mordred kennen – aber Elisabeth war nicht dumm und sie kannte von Tauten’s Vorlieben. Sie sah nicht hin, als von Stahlheim die an ihn gerichteten Meldungen verbrannte. Sie sagte auch nichts mehr zu ihm, bis sie ihren Funkspruch betreffs Armstrong abgesetzt hatte: „So, das wäre erledigt. Aber rechne mal nicht damit, dass du schnell Antwort kriegst. Da ich über die Residentur New York gehen muss, kann es dauern. Bis die es weiterleiten und Berlin antwortet...“
„Nun, ein paar Tage werden wir hier noch bleiben.“
„Zur Not lass doch eurer Zigarre einfach die Luft ab.“ Aber von Stahlheim ignorierte den Vorschlag. Schweigend sah er zu, wie die Agentin den Funkraum wieder sorgfältig tarnte: „Deswegen muss hier oben auch immer Staub gefegt werden. Wäre doch zu dämlich, wenn man einfach nur den Fußspuren folgen müsste.“

„Ich sollte wohl besser gehen.“ Von Stahlheims Stimme klang etwas unschlüssig.
„Unsinn. Es ist verdammt selten der Fall, dass die Zentrale mal jemanden vorbei schickt. Und dann willst du sofort wieder abhauen? Ich will verdammt sein, wenn du hier so einfach verschwindest, ohne mal etwas erzählt zu haben. Wie sieht es in New York aus? Und wie macht sich der alte Kahlkopf von Tauten in der Zentrale? Denk dran, für diese Idioten hast du im ‚Buccaneers Pleasure’ mein Leben gerettet. Oder wenigstens meine Tugend, wenn die denn denken, ich hätte so was. Und ich nehme mal nicht an, dass es dich so unbedingt zu deiner Zigarre zieht.“
„Nein.“
„Schön. Dann bleibst du zum Abendessen. Aber keine Angst – glaub nur nicht, ich würde kochen. Ich meine, ihr Krauts habt da merkwürdige Vorstellungen, hab ich gehört.“ Von Stahlheim unterließ es, auf ihre Sticheleien einzugehen.

Tatsächlich wurde das Essen von einer alten Chinesin gekocht, die Elisabeth gut zu kennen schien. Er verstand zwar nicht, was die beiden besprachen, aber das zahnlose Grinsen, das ihm die Alte zukommen ließ, kam ihm ziemlich anzüglich vor.
Auf jeden Fall war das Essen erstklassig – und der Wein und der Schnaps, den es dazu gab, waren für Sky Haven fast schon verdächtig gut. Das Gespräch drehte sich zuerst vor allem um gemeinsame Bekannte in der Abwehr – zumindest die Residentur New York schien Elisabeth gut zu kennen. Aber natürlich interessierten sie auch die Ereignisse in der Zentrale in Berlin. Auch wenn Elisabeth, wie von Stahlheim, sich wenig für Politik interessierte, die ständigen Rivalitäten zwischen Abwehr und RSHA reichten bis in die Außenstellen in Amerika. Nachdem die erste Weinflasche leer war, ertappte sich von Stahlheim dabei, wie er von seinen Einsätzen in Spanien und der Mandschurei erzählte. Aber warum auch nicht? Immerhin gehörte `Liss auch zur Abwehr...
Sie revanchierte sich mit einigen Geschichten aus Sky Haven. Nach dem, was von Stahlheim zu hören bekam, stimmte seine erste Einschätzung der Stadt offenbar. Jetzt wusste er, woher Elisabeth ihren zynischen Humor hatte. In diesem Rattennest wurde man anscheinend entweder völlig abgebrüht, oder jagte sich irgendwann eine Kugel in den Kopf.
„Was hat eigentliche deine chinesische Freundin über mich gesagt?“
„Willst du das wirklich wissen? Sie hat gesagt, wenn ich dich nicht will, könnte ich dich ja mal zu ihr schicken.“
„Ich glaube, ich kann dem Angebot widerstehen.“
„Aber dir ist doch wohl klar, was diese Typen im ‚Buccaneer‘ denken müssen, nachdem ich dich so einfach abgeschleppt habe?!“ Elisabeth’s Stimme klang anzüglich.
„Tja...Ja. Ich kann damit leben, denke ich. Die Vorstellung hat etwas Reizvolles an sich.“ Auch von Stahlheim war nicht mehr ganz nüchtern. Er glaubte eine Vermutung zu haben, wo dieses Wortgeplänkel hinführte.
„Na so was – der Kreuzritter kann ja flirten. Und so was verträgt sich mit deiner Offiziersehre? Mit dem Esprit du Corps?!“
„Momentan bin ich kein Hauptmann. Kein Offizier. Nur Staffelchef bei einem Kaperer.“
„Wie bequem...“ Elisabeth’s Stimme war sehr leise. „...also, willst du jetzt einfach gehen und wieder für Armstrong den Kettenhund spielen?“ Beide sahen sich eine Weile an. Die Agentin lächelte und von Stahlheim erwiderte das Lächeln, während er den Kopf schüttelte. Die Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass das ganz bestimmt nicht professionell war, ignorierte er.
Wie auf ein Zeichen standen sie auf. Dann standen sie voreinander und küssten sich.
Elisabeth löste sich noch einmal kurz und bog ihren Rücken zurück, während von Stahlheim die Knöpfe ihrer Bluse löste.
„Das hat aber lange gedauert. Ich dachte, ihr Piloten seid schneller im Angriff. Aber sag mal, ‚Hauptmann‘, geht das denn so? Muss ich dir nicht vorher meinen Arierausweis zeigen?“
„Ach sei still.“

Es war bereits früher Morgen, als „Steel“ zur North zurückkam. Er ging langsam, schlenderte fast. Die Schnitte und Stiche von Gestern schmerzten immer noch, trotzdem lächelte er versonnen und pfiff leise vor sich hin. Allerdings, selbst wenn jemand die Melodie gehört hätte, er hätte sie wohl kaum verstanden: „Rot scheint die Sonne, fertiggemacht...“ Das Lied der deutschen Fallschirmjäger.
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Zwei Tage später

„Und das ist alles?“
„Was hast du denn erwartet? Eine Geschwaderchronik und eine Materialliste? Informationen über eigenständig operierende Piraten zu bekommen – und besonders über DIE – ist nicht so einfach.“
„Nun ja, das zeigt ja wohl nur, dass wir auch nicht gerade allmächtig sind...“ von Stahlheim überflog das Blatt Papier, das ihm Elisabeth in die Hand gedrückt hatte. Darauf stand so ziemlich alles, was die New Yorker Zentrale der Abwehr über die Piratenbande von Michael Jerome wusste. Es war nicht sehr viel.

Über die Leviathan selber war nur bekannt, dass es sich um ein mit Helium gefülltes, zum „Hilfskreuzer“ umgerüstetes Transportluftschiff handelte: das bedeutete zusätzliche Panzerung und Bewaffnung, angeblich sowohl Flugabwehrgeschütze und Raketenwerfer, wie auch etliche Lufttorpedos.
Die Flugeinheiten wurden auf zehn bis vierzehn Stück eingeschätzt und die Piloten überwiegend als 4-B klassifiziert. Das bedeutete, sie waren gut, aber nicht überragend – würden aber wohl bis zum letzten Mann kämpfen. Angesichts dessen, was ihnen bei einer Gefangenschaft blühte, war das allerdings nicht überraschend. Die meisten Piraten starben lieber im Kampf, wenn im Falle einer Gefangennahme der Galgen, das Erschießungskommando oder der elektrische Stuhl gewiss war.
Die Piraten schienen vor allem auf schwerere Einheiten zu setzen: sie verfügten auf jeden Fall über eine Anzahl Brigands, etliche Peacemaker und zwei oder drei Vampire. Dazu kamen ein paar Defender, Fury und auf jeden Fall eine Bloodhawk – die Maschine des Kapitäns.
Was Sichtungen in letzter Zeit betraf, so sah es eher dünn aus. Ein Piratenüberfall im südlichen Texas und eine Schießerei über dem Golf von Mexiko wurden als mögliche Aktionen Kapitän Jeromes aufgeführt. ‚Nur etwas vage...‘

„Nun mal sehen, was unser Chef damit anfangen kann. Andererseits, wenn ich ihm zu gute Informationen liefere, würde er vielleicht misstrauisch werden.“
„Sag ihm doch einfach, du hast es von mir. Eine Gefälligkeit war die andere wert und so...“ Elisabeths Grinsen war eindeutig zweideutig gemeint. Momentan trug sie nur einen offenen Morgenrock und es schien ihr ziemlich egal zu sein, was man darunter sehen konnte. Andererseits hatte von Stahlheim sie schließlich auch schon nackt gesehen und war selber momentan nicht unbedingt vorzeigefähig, da er nur mit einer Hose bekleidet war.
Er grinste schief zurück und küsste sie. Das dauerte einige Zeit.

Aber als er sich dann dem zweiten Funkspruch zuwandte, war seine gute Laune schnell verflogen. Während die Nachricht über die Leviathan wie üblich verschlüsselt war, hatte man die andere Botschaft zweifach verschlüsselt. Und was darin stand...
Von Stahlheim musste einen Fluch unterdrücken, während er las. Und Elisabeth, die ungeniert mit las, pfiff leise durch die Zähne.

Der wahre Namen von „Armstrong“ war also Thomas David Marquardt.
Deutsch-französischer Herkunft, Dienst in der Luftwaffe auf Helgoland. Seine Mutter sollte angeblich Kontakte zum französischen Geheimdienst oder irgendwelche Oppositionsgruppen im Reich gehabt haben – was das betraf, waren die Angaben vage. Offenbar war die RSHA nicht sehr Kooperationsbereit gewesen, betreffs Informationen über Marquartdt’s Mutter. ‚Schweinerei!’
Jedenfalls hatte sich die Gestapo für den Piloten interessiert. Das Ganze hatte damit geendet, dass zwei Mitglieder der Geheimen Staatspolizei sterben mussten und „Armstrong“ mit einer Messerschmitt desertiert war. Etliche Offiziere aus Marquardts Einheit waren daraufhin strafversetzt, degradiert oder mit einer Beförderungssperre belegt worden.
Marquardt war offensichtlich über verschiedene Stationen bis nach China gekommen, wo er für die Chinesen und die amerikanischen „Freiwilligen“ geflogen war. Schließlich landete er offenbar in Amerika und wurde Pirat.
‚Wie passend für einen Hochverräter und Deserteur. Aber diese ganze Geschichte war mal wieder typisch Gestapo! Hätten sie das nicht einfach uns überlassen können?! Verdammt! Schade, dass ich diesem Verräter nicht während seiner Zeit in China begegnet bin. Dann hätte ich jetzt wohl nicht mehr dieses Problem...‘
Offenbar hatte der Deserteur an lebenden Verwandten noch die Familie seiner Mutter in Frankreich – zu der aber irgendwelche Beziehungen als ‚mehr als unwahrscheinlich’ eingestuft wurden. Sein Vater, früher selbst bei der Luftwaffe, war wegen seiner politischen Einstellung entlassen worden und ziemlich abgesackt. Kurz wunderte sich von Stahlheim, warum die Gestapo nach Marquardt’s Desertion sich den Mann nicht gründlicher vorgeknöpft hatte – aber die ganze Aktion erschien ihm sowieso eher wie die Eigenmächtigkeit eines mittleren Führungsoffiziers, als von Oben durchorganisiert. Außerdem schien Marquardt’s Vater aus seiner Zeit bei der Luftwaffe noch gewisse Beziehungen zu haben, die ihm vor dem Schlimmsten bewahrt hatten.
Und dann gab es noch einen jüngeren Bruder von „Armstrong“.
Von Stahlheim lächelte dünn und kalt. Das alles bot gewisse Ansatzpunkte, die benutzt werden konnten, um „Armstrong“ unter Druck zu setzen. Nicht das er so ein Vorgehen liebte, aber wenn es sein musste, dann war es gut, diese Möglichkeit zu haben.

Während er noch einmal den Lebenslauf überflog, rumorte „Armstrongs“ echter Name in seinem Hinterkopf herum. Er hatte doch...
Und dann wußte Ernst Karl von Stahlheim wieder, woher er seinen momentanen Kommandanten kannte. Und diesmal fluchte er wirklich lauthals.
„Was ist denn los?! Du kennst ihn wohl doch?“
„Allerdings – verdammt! Wir sind uns schon einmal begegnet. Wie konnte ich das nur vergessen?! Das war auf der Geburtstagsfeier von General von Richthofen. Unser Geschwader hatte ein paar Offiziere geschickt, darunter auch mich. Aber auch andere Einheiten waren vertreten – es war ein ziemliches Ereignis. Göring hatte seinen Adjutanten geschickt...“
Jetzt erinnerte von Stahlheim sich wieder glasklar. Mehrere hundert Luftwaffenangehörige waren auf dem Fest gewesen und er selber, ein junger Leutnant des JG Richthofen, nur weil ein Kamerad mit guten Beziehungen ihm geholfen hatte. Das Fest war mit großem Pomp zelebriert worden, einschließlich des Überflugs einer Staffel Jagdmaschinen. Es hatte hervorragendes Essen gegeben, Wein und Champagner und schöne Frauen. Die „alten Generäle“ wussten den Prunk zu schätzen, der sie vielleicht an die „guten Zeiten“ im Kaiserreich erinnerte.
Und irgendwann im Laufe des Abends hatte sich von Stahlheim einer kleinen Gruppe von Piloten angeschlossen, die von den Luftkämpfen über der Ostsee berichteten. Und zu denen hatte auch Marquardt gehört...
„Das ist so ziemlich das Dümmste, was mir passieren kann...“
„Weiß er, dass du bei der Abwehr bist?“
„Nein. Selbst wenn er sich an mein Gesicht erinnert. Ich wurde erst später angeworben. Und so etwas wurde nie an die große Glocke gehängt.“
„Na, das ist doch sowieso inzwischen Jahre her. Und er wird ganz bestimmt nicht damit rechnen, ausgerechnet hier jemanden aus seinen Luftwaffentagen zu treffen.“
„Und was, wenn doch? Ich sollte mir wohl besser eine GUTE Tarngeschichte ausdenken, warum ich nicht mehr bei der Truppe bin.“
„Na auf jeden Fall darf es kein politischer Grund sein, wegen dem du abgehauen bist. Das würde sogar den Typen misstrauisch machen, klingt zu sehr nach seiner eigenen Geschichte. Es muss einen unverfänglichen Grund geben, warum du in die Privatwirtschaft gewechselt bist...“ Plötzlich ließ Elisabeth dem Agenten wieder ein ziemlich amüsiertes Grinsen zukommen und fuhr fort: „Gib dich doch als Hundertachtundfünfziger aus!“
Von Stahlheim lachte gallig: „Das wäre sicherlich ein Grund, warum man jemanden aus der Luftwaffe schmeißt. Aber glaubst du nicht, wenn ich ihm mit der Tarngeschichte komme, könnte er sich fragen, was ich dann bei dir gemacht habe?“
„Nun, das war dann rein platonisch. Und er weiß es ja nicht unbedingt.“
„Nein, lieber nicht. Wenn ich als warmer Bruder auftrete, muss ich todsicher den ein oder anderen verprügeln, um die Staffel im Griff zu behalten. Wer hört schon auf einen Homo? Gerade in der Armee – und irgendwelche Informationsgewinnung und Kontaktaufnahmen könnte ich dann auch vergessen. Nein, ich glaube, ich nehme etwas weniger ausgefalleneres.“
„Damit fällt dann wohl Spionage für die Briten oder Franzosen auch flach. Bleibt dann wohl irgendeine ‚Ehrensache‘. Ihr Deutschen seid doch da ganz wild...“
„Hm... Ja, das könnte passen. Am besten irgendetwas, was nicht sehr schmeichelhaft für mich klingt. Dann hab ich halt was mit der Frau eines Kameraden angefangen. Das reicht immer noch für ein Ehrengericht und für verhagelte Karrierechancen. Es sind Leute aus weniger guten Gründen ausgestiegen...“

Während von Stahlheim seine Reservegeschichte in Gedanken nach Schwachstellen abklopfte, las er weiter. Angesichts des Vorschlages, Armstrong wenn nötig „unter falscher Flagge“ anzuwerben, lachte er nur kurz auf. So etwas kam natürlich nicht mehr in Betracht. Nicht, wenn auch nur der Hauch einer Chance bestand, dass sich der Mann an ihr früheres Zusammentreffen erinnerte.
Ansonsten meldete der Funkspruch nur lapidar, dass Thomas David Marquardt in Abwesenheit wegen Mord, Hochverrat und Desertion zum Tod durch das Beil verurteilt worden war.
‚Damit ist dann wohl jede Chance dahin, ihm eine Rückkehr schmackhaft zu machen. Da er zwei Gestapoleute ermordet hat, weiß er sicherlich, dass alle Brücken hinter ihm abgebrochen sind. Und er wird sich wohl auch kaum für unsere Interessen hier in Amerika werben lassen. Außer wir liefern ihm wirklich zwingende Gründe.‘
Der Funkspruch der Abwehrzentrale schloss mit der Anweisung, Marquardt in zukünftigen Funksprüchen nur noch Commander zu nennen und betonte, dass die ursprüngliche Aufgabe Priorität besaß: Informationen über die Piratenaktivitäten, Konfliktlinien und politische Verhältnisse sammeln und den neuen texanischen Nitroboster testen und wenn möglich in Besitz bringen.
‚Die wollen wohl nicht, dass einer meiner Funksprüche dem RSHA in die Hände fällt und die dann eine Eliminierung anordnen. Ihnen ist wohl der Nitroboster momentan wichtiger, als die Hinrichtung eines Verräters...‘
Nun, das konnte von Stahlheim im Grunde nur Recht sein. Es dürfte einfacher sein, sich einen Nitroboster zu besorgen, als den Befehlshaber einer Piratenbande zu beseitigen und dann mit heiler Haut davonzukommen. Außerdem war ersteres vielleicht für künftige Konflikte von Bedeutung, während „Armstrongs“ Tod nur die Liquidierung eines Verräters darstellte.

„Nun, willst du das weiter durchziehen?“ `Liss Stimme klang fast etwas besorgt.
„Ich muss wohl. Das hast du doch gelesen – obwohl der Funkspruch eigentlich nur für mich bestimmt war.“
„Ach lass doch den Quatsch. Das ist ein verdammt riskantes Spiel. Ich würde es hassen, wenn die dich ohne Fallschirm außenbords gehen lassen.“
„Ich werde einfach vorsichtig sein. Und mit dem, was du mir über die Leviathan beschafft hast, steht der Commander dann in meiner Schuld. Er ist genauso ein Typ, der das nicht vergessen wird. Und ja - wenn er fragt, woher ich das weiß...Ich werde versuchen, dich da rauszuhalten. Aber wenn er zu sehr nachhakt, dann sage ich, dass ich das von dir habe. Bei deinem Ruf als Informationsmaklerin…“
„Na schön. Aber nur im äußersten Notfall. Eigentlich gefiel mir der Posten hier ganz gut – ich will nicht auffliegen, weil du nicht mal deinen desertierten Landsmann ruhig halten kannst. Und wenn du ihm ein paar dreckige Geschichten über mich auftischst, lass mich mal nicht zu schlecht wegkommen. Ich habe einen Ruf zu verlieren.“ Bei diesem Einwurf musste von Stahlheim wieder grinsen. Dann fuhr er fort: „Wenn er erst einmal hinter der Leviathan her ist, dann wird er nicht mehr so in seinen Erinnerungen nachkramen. Und dann ist es ihm auch egal, woher ich das habe.“
„Pass aber bloß auf, dass du deinem Kapitän Ahab nicht den Starbuck machst. Dieser Wal ist zwar schwarz und fliegt...“
Es überraschte von Stahlheim immer wieder, dass Elisabeth O’Conner trotz ihrer oft recht ruppigen Ausdrucksweise fundierte Literaturkenntnisse besaß: „Nun, den indianischen Harpunier hast ja eher du. Was hast du eigentlich deinem schweigsamen indianischen Freund erzählt, was wir so lange machen?“
„Na was wohl – Nüsse knacken?! Frag doch nicht so dämlich...“
25.01.2020 08:18 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Die nächsten Tage in Sky Haven vergingen recht gemächlich. Die Mannschaft der NORTH STAR begann, die unverhoffte Bekanntschaft mit der MEMPHIS BELLE anzunehmen und auszubauen. Bereits am Abend nach der Feier hatten sich Piloten beider Zeppeline zum gemeinsamen Trinken in der Stadt verabredet.
Natürlich gab es auch hier wieder den einen oder anderen, der weder etwas mit Piraten, noch ausgerechnet mit dem Dieb der AUSTIN zu tun haben wollte, wie die Zigarre vor dem Diebstahl hieß.
Aber alles in allem war Dave froh über diese Entwicklung.
Man sagte, zwischen Staaten konnte es keine Freundschaft geben.
Zwischen Piraten war das sicher auch nicht möglich. Aber es war gut zu wissen, dass sie mit der rauen Bande um Cat Shannon vielleicht nicht die schlechteste Chance auf ein Bündnis hatten.

Dave grinste schief. Die Party war nun schon zwei Tage her, aber dieser verdammte Scotch verursachte ihm immer noch Kopfschmerzen beim Aufstehen.
Außerdem machten ihm noch ein paar andere Dinge zu schaffen. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass er einige sehr schöne Frauen an Bord hatte, von denen die eine oder andere nicht abgeneigt war, etwas mit ihrem Commander anzufangen. Und er selbst war auch nur ein Mann mit Bedürfnissen und Vorlieben.
Annies Tod war schon sehr lange her, und in all der Zeit hatte Dave gelebt als hätte er ein Keuschheitsgelübde abgelegt.
Es war ja nicht so, als wollte er Annie vergessen und sich kopfüber in eine neue Beziehung stürzen. Aber als Commander der Expedition musste er einen kühlen Kopf bewahren. Und so wie das Blut in seinen Ohren rauschte, wurde er langsam aber sicher eine Gefahr für seine Leute.
Wenn er nichts mit den Frauen hier an Bord anfangen wollte, blieb da nur eine Lösung.
„Armstrong, Armstrong, so tief bist du also schon gesunken. Andererseits, die Mädchen wollen ja auch etwas verdienen, oder?“
„Worüber redest du, Dave?“, fragte Maxine, während sie ihre Frühstückswaffeln mit Puderzucker überlud.
„Äh. Habe ich gerade laut gesprochen?“
„Ja, hast du. Irgendwas von Mädchen und tief sinken.“
„Sei nicht so neugierig“, brummte Dave und griff nach seinem Kaffee. Mist, jetzt wo die Kleine was spitz gekriegt hatte, musste seine erste Aufgabe sein, sie abzuschütteln.
„Max, ich habe mit Steel gesprochen. Er meinte, du wärst sehr viel versprechend. Das bedeutet, du kannst noch viel mehr leisten. Schnapp dir nachher deinen Vogel und flieg ein paar Stunden durch die Berge. Übe Tiefflug und dergleichen.“
„Ein paar Stunden gleich? Aber Dave, ich…“
„Willst du die Beste werden oder ruhst du dich auf einem Lob aus?“, konterte Armstrong.
Sie senkte den Blick. „Natürlich hast du Recht.“
„Das Gelände ist schwierig“, fuhr er fort, „sehr schwierig. Aber ich bin sicher, du kannst es meistern. Nimm Papillon mit, sie hat noch einiges zu lernen. Außerdem kannst du so deine Fähigkeiten als Flügelführer verbessern.“
„Ist gut“, gab sie sich geschlagen. „Dann schiebe ich das besser vor das Nachttraining ein, das Steel mit uns veranstalten will. Drei Stunden Theorie.“
„Das solltest du beides schaffen. Es kommt oft genug vor, dass man einen ganzen Tag nicht aus dem Sitz seiner Maschine rauskommt. Stress ist unser zweiter Vorname“, sagte Dave lächelnd. Innerlich aber grinste er breit. Einen hatte er runter geholt.
„So, bin fertig. Ich habe da noch ein paar wichtige Termine in der Stadt. Ein gewisser Docker will mir ein Angebot für zwei Brigand machen.“
„Kauf keinen Schrott, hörst du?“, mahnte Max grinsend.

**
Tatsächlich hatte Dave vor, sich die beiden Brigand in einer Lagerhalle am Ende der Stadt anzusehen. Dazu nahm er Sam Rogers mit, seine Cheftechnikerin sowie drei von Gallaghers Marines. Sky Haven war ein raues, ein sehr raues Pflaster. Und wer da nicht vorsichtig war, hatte schneller ein Messer im Rücken, als ihm lieb war.
Luftlinie waren es anderthalb Kilometer bis zum Händler, weswegen sich Dave entschloss, keinen Hoplit für den Weg zu nehmen und zu laufen. Bei der verschachtelten Bauweise der Stadt würden daraus sicher vier oder mehr Kilometer werden, von den Kletterpartien mal ganz zu schweigen, die sie machen mussten. Aber es hetzte sie ja niemand, und Pausen hatte auch keiner verboten.

Sky Haven war ein merkwürdiger Ort. Die meisten Gebäude waren in die Steilwand gebaut, nur wenige lagen auf geradem Grund, so wie der Flughafen. Aber das machte auch den Reiz dieser Stadt auf, die mit Hilfe von Hoplits erbaut worden war.
Nur die wendigen Ford-Maschinen waren in der Lage, Baumaterial an jeden Punkt der Stadt zu bringen. Nur deswegen war es möglich gewesen, hier Hotels wie das Excelsior, das Hilton oder das Ritz zu bauen. Orte, in denen die erfolgreichsten in ihrem Gewerbe abstiegen. Die besten der besten wie Nathan Zachary oder Black Swan.
Dave grinste schief, als sie das Excelsior auf hundert Meter passierten. Damals, als er mit Max in Sky Haven gelebt hatte, da war ihm immer ein Schauer über den Rücken gegangen, wenn er dieses Gebäude gesehen hatte. Hier wurde selten geschossen, kaum Leichen heraus getragen. Das Hotel war für ihn immer ein Synonym für Sicherheit gewesen, für Ruhe in der ansonsten wilden und gefährlichen Stadt.
Unwillig schüttelte er den Kopf und zwängte den Gedanken zurück, um seinen Weg fortzusetzen.

Als sie eine einigermaßen ebenerdige Passage erreichten, kamen sie in eine belebte Region der Stadt. Hier gab es viele Kneipen für jeden Geldbeutel, einige Läden für Kram jeder Art, vom teuren Herrenausstatter bis hin zum Kolonialwarenladen. Und natürlich die gewissen Gebäude, aus deren Fenstern abends rotes Licht fiel. Es gab in ihnen ebenso Excelsiors wie Pinten, in denen man für einen Dollar zur Sache kam.
Da es noch früh am Morgen war, waren die Damen nicht im Geschäft und gingen normalen Tätigkeiten nach. Eine gute Gelegenheit, sie sich näher zu besehen und eine Entscheidung zu treffen, welchen Laden er besuchen wollte. Sauber sollte er sein, und nach Möglichkeit hatten die Damen hübsch zu sein, mehr Ansprüche stellte Dave ja gar nicht.

„Sir“, sagte Anderson leise, einer der Marines.
„Was gibt es, Tad?“
Der breitschultrige, aber junge Mann deutete auf eine Szene am Rande. Eine Frau wurde von einem grobschlächtigen Kerl zwischen zwei Häuser gezogen. Sie wehrte sich verbissen, kam aber gegen die Kraft nicht an.
„Da will es wohl einer umsonst haben“, brummte Dave nachdenklich. „Eine wichtige Regel in Sky Haven lautet, mische dich nicht ein, oder du kannst sterben.“
„Aber Sir“, begehrte der Marine auf.
Dave besah sich den Mann genauer. Anderson war fast zwei Meter groß, blond und blauäugig. Man konnte ihm seine anständige Erziehung geradezu ansehen.
„Nein“, verbot er.
Er zog seine Pistole und gab ohne hinzusehen einen Schuss ab. „Je weniger man sich einmischt, desto weniger Feinde hat man.“
Ein Schmerzenslaut erklang und der bärbeißige Typ umklammerte sein blutendes Bein. Genügend Gelegenheit für die junge Frau, sich los zu reißen.
Der Schuss hatte natürlich Aufmerksamkeit erregt und aus dem Geschäften und Etablissements reckten Männer ihre Köpfe hervor.
Der jungen Frau war es nun gelungen, sich zu befreien. Sie lief auf einen der Männer zu und wechselte atemlos ein paar Worte mit ihm.
Wütend wandte er sich nach drinnen und pfiff drei weitere Männer heran. Zusammen gingen sie zu dem Verletzten und begannen ihn systematisch zu verprügeln. Nebenbei nahmen sie ihm auch noch alles ab, was wertvoll genug war.
„So läuft es in Sky Haven, verstehen Sie das? Wenn man nicht stark genug ist um sich zu nehmen was man will, dann bezahlt man auf andere Weise dafür.“ Dave steckte seine Pistole wieder ein. „Also sollten Sie immer genügend Geld dabei haben – falls Sie es mal nötig haben.“
Die anderen beiden Marines lachten leise und Anderson wurde rot.
„Kommt jetzt, wir wollen kein Aufsehen erregen.“ Leiser fügte er hinzu: „Nicht mehr als bisher schon.“
Innerlich ärgerte er sich über seine Reaktion. Er verstieß gegen seine eigenen Regeln.

Die Gruppe ging weiter und erreichte eine Hängebrücke, die über einem Schwindelerregenden Abgrund hing.
„Sie hätte sich wenigstens bedanken können“, murrte Sam Rogers plötzlich.
„Wer?“, fragte Dave erstaunt.
„Na, die Kleine von vorhin. Immerhin habe Sie sie gerettet, oder?“
„Ich glaube nicht, dass sie nach der Sache einen Gedanken daran verschwendet hat, woher der Schuss kam“, brummte Dave amüsiert. „Wir…“
„E-entschuldigen Sie bitte. Wenn ich Sie einen Moment aufhalten darf…“
Überrascht wandten sich die fünf Leute von der NORTH um.
Vor ihnen stand die junge Frau von vorhin, in ihrer Begleitung einer der Schläger.
Dave betrachtete sie genauer. Sie hatte langes, rotes Haar und schien für ihr Gewerbe bestens gerüstet. „Doc Miller hat mir gesagt, dass jemand aus Ihrer Gruppe geschossen hat. Ich wollte mich dafür bedanken.“
Dave runzelte die Stirn. Na Klasse. Das hatte ja gerade noch gefehlt.
Anderson deutete auf seinen Boss, aber der winkte harsch ab. „Sie müssen sich irren, junge Dame. Wir verschwenden keine Kugel, um hier den Ritter zu spielen.“
„Hört, hört“, kam es leise von Sam, zum Glück so leise, dass es nur Dave und Patridge mitbekamen.
„Ich weiß aber genau, dass…“, begann die junge Frau und wurde rot.
Ihr Beschützer legte ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf. „Du wolltest doch einkaufen gehen, Molly. Hol das nach. Und lass dich nicht wieder von so einem Typen anquatschen.“
„Okay, Eddie.“ Sie nickte noch einmal verlegen in die Richtung der Freibeuter und ging dann wieder zurück.
Der Mann, den sie mit Eddie angesprochen hatte, grinste breit. „Ist schon in Ordnung, wenn Sie sich nicht in die Rolle drängen lassen wollen. Wenn man ein weiches Herz hat, wird man viel zu schnell ausgenutzt. Ach, egal wo die Kugel herkam. Molly arbeitet im La Fleure. Vielleicht wollen Sie oder einer Ihrer Männer mal vorbei kommen. Wir machen Ihnen einen guten Preis.“
Anderson wurde rot, verschluckte sich und musste husten.
Mitfühlend klopfte Dave ihm auf den Rücken. „Sagen Sie doch nicht so was. Unser Nesthäkchen wird ja ganz verlegen.“
„Ich sehe, wir verstehen uns“, brummte Eddie grinsend und winkte, bevor er ging.

„So, das war aber genügend Aufregung für heute“, sagte Dave amüsiert.
Er legte in einer kameradschaftlichen Geste einen Arm um den jungen Marine und meinte: „La Fleure, nicht vergessen. Wenn Sie einen Vorschuss brauchen, der Laden sah teuer aus.“
„SIR!“, rief der junge Mann entrüstet.
„Ich muss mal mit Ihrem Sarge reden, junger Mann“, tadelte Dave ihn grinsend. „Eigentlich hat er dafür zu sorgen, dass alle Männer in seinem Platoon auch trocken hinter den Ohren sind. Nicht, Patridge?“
Der Marine grinste. „Ich werde es ihm ausrichten, Chef.“
„Männer“, brummte Sam amüsiert.
**
„Sehen Sie sich diese Schönheiten genau an“, sagte der Händler und rieb sich die Hände. Sein Name war Docker, und er galt nicht gerade als bester Händler vor Ort. Aber er war in der Mittelklasse angesiedelt. Und solange die NORTH noch nicht in einer Liga mit der Legion oder den Fortune Hunter spielte, mussten Geschäftsbeziehungen langsam geknüpft werden.
„Sam“, sagte Dave leise und ließ seine Technikerin damit von der Leine.
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie begann sofort mit einer Inspektion und ließ sich dabei von einem der Marines helfen.

„Und?“, fragte Dave beiläufig. „Was haben Sie noch so in Ihrem Angebot, Mister?“
Der ältere Mann mit dem ergrauten Haarkranz grinste schief und offenbarte dabei mehrere Goldzähne. Allzu schlecht konnte es ihm nicht gehen. „Nun, natürlich habe ich auch Munition, Ersatzteile und andere Versorgungsgüter im Angebot. Wenn Sie mir etwas Zeit geben, könnte ich sogar ein paar Booster auftreiben.
Aber falls Ihnen der Sinn eher nach Mädchen steht…“
Dave brummte amüsiert. „Wir sind an den Bordellen vorbei gekommen.“
„Dann brauche ich Ihnen darüber ja nicht viel zu erzählen“, schloss er. „Gibt es denn einen anderen Bereich, in dem ich…Ah, nützlich sein könnte?“
Dave legte den Kopf schräg, als denke er nach. „Karten.“
„Karten?“
Der Chef des Dirty Packs nickte ernst. „Karten. Karten von den ehemaligen USA, Kanada, Alaska, Mexiko, alles was wir kriegen können. Alles mit topographischen Ausführungen sowie in mehrfacher Ausfertigung.“
„D-die ganze USA? Und Kanada? Und Alaska? Haben Sie Größeres vor?“, staunte der Alte.
„Und zudem offizielles Material. Nicht der Quatsch, mit dem sich manche Piraten hier begnügen. Bis wann haben Sie mir das Material beschafft?“
„Welcher Maßstab?“
„Eins zu zehntausend, eins zu fünfzigtausend. Jede Karte in zehnfacher Ausfertigung.“
„Fünf Tage.“
„Das ist zu lange. Ich brauche das Material in zwei.“
Die beiden taxierten sich mit einem sehr langen Blick.
„Fünftausend Greenbucks.“
„Vier.“ „Fünftausend, und keinen Cent weniger.“
„Gut. Fünftausend. Dafür munitionieren Sie die Brigands aber voll auf. Gratis, versteht sich.“
„Einverstanden. Übermorgen zur gleichen Zeit bringe ich Ihnen die Karten zur NORTH STAR.“
Die beiden reichten einander die Hände. Dave drückte fest zu und der Mann mit der Halbglatze erwiderte den harten Händedruck. Damit war der Kauf besiegelt.

„Sam!“, rief Dave Stone. „Sir?“
„Was meinen Sie, Sam? Sind die Dinger ihr Geld wert?“
„Na ja, die letzten Wartungen wurden schlampig durchgeführt und hier und da leckt Öl, aber nichts, was man mit ein paar neuen Dichtungen nicht wieder hinkriegen könnte. Die eine Brigand hat Beschussspuren in der Tragfläche und im Rumpf, aber die Schäden wurden gut geflickt. Ich würde gerne bei beiden den Motor hören, aber auf den ersten Blick machen wir ein Schnäppchen.“
Dave schlug sich eine Hand vor sein Gesicht. „Sam, einkaufen müssen Sie noch lernen.“
Die Cheftechnikerin der NORTH sah ihren Chef mit Unverständnis an. Dann dämmerte ihr langsam, was sie gerade getan hatte. „Tu-tut mir Leid, Chef.“
„Ist schon in Ordnung, Sam. Hören Sie sich die Motoren an, ja? Danach will ich einen abschließenden Bericht.“
„Ja, Sir“, sagte sie zerknirscht und ging zurück zu den Brigands.

Bevor die Motoren anliefen, führte der grauhaarige Mann den Piloten in ein Büro im Hintergrund der Halle. Er zog eine Flasche Whisky hervor und schenkte jedem ein Glas voll. „Ein guter Abschluss sollte begossen werden. Ich nehme an, Sie akzeptieren den Verkaufspreis?“
Dave grinste schief. „Da mein Cheftechniker gesagt hat, die Maschinen sind ihr Geld wert…“
Er ergriff den Drink, stieß mit Docker an und nahm einen kräftigen Hieb.
„Nicht schlecht, das Zeug. Louisiana?“
„Sie haben einen guten Geschmackssinn, Armstrong. Bester Sprit von unseren französischen Freunden. Kann ich vielleicht noch etwas für Sie tun?“
„Ja, Sie können mir erklären, warum die Maschinen so günstig sind.“
Sie sahen einander wieder in die Augen.
„Hat es etwas damit zu tun, dass im Motor noch immer alle Originalteile verwendet werden? Mein Mädchen hätte es mir gesagt, wenn Reparaturen durchgeführt worden wären“, hakte er nach.
„Nun, solche…Maschinen wie die beiden Brigands da draußen sind etwas…schwierig zu verkaufen. Sie…Sie gehörten mal STI.“
Dave klappte die Kinnlade herab. „Sacred Trust? Sie verkaufen mir Maschinen eines Sicherheitsdienstes?“
Der Ältere hob abwehrend die Arme. „Es waren nur Trainingsmaschinen. Ein paar junge Spunde haben sie geklaut, weil sie von einem Leben als Piraten träumten. STI hat ihnen ein paar Kugeln hinterher geschickt, aber sie haben es bis Sky Haven geschafft. Hier haben sie dann gemerkt, dass das Leben teuer ist. Und das man Maschinen mit den Farben eines Sicherheitsdienst nicht vertraut. Sie haben mir die Mühlen dann weit unter Preis verkauft, aber selbst ich hatte Mühe, ehemalige STI-Maschinen weiterzuverkaufen.“
Er zwinkerte. „Es braucht schon jemanden mit Eiern, um sich der Möglichkeit auszusetzen, dass der Trust Rache nehmen wird.“
„Ich habe nicht vor, mich mit ihnen anzulegen“, sagte Dave. „Aber rausrücken werde ich die Vögel auch nicht wieder.“
„Also kaufen Sie sie“, stellte Docker fest.
„Selbstverständlich“, erwiderte Dave und trank sein Glas leer. „Ich bin Pirat, nicht der Weiße Ritter in strahlender Rüstung.“
„Gute Einstellung. Damit werden Sie in Sky Haven überleben“, meinte der Händler und goss großzügig nach.

**
Dave ließ es sich nicht nehmen, eine der Maschinen selbst zum Zeppelin zu überführen. Wie versprochen waren beide Vögel voll aufmunitioniert worden. Dave Stone hatte es sich abgewöhnt, in einer unbewaffneten Maschine über Sky Haven zu fliegen. Die Luft konnte zu schnell bleihaltig werden, wie er aus bitterer Erfahrung wusste.
Knapp hinter ihm flog Sam. Es war nicht üblich, kam aber vor, dass Techniker die Maschinen, die sie warteten auch fliegen konnten. Nicht, dass sie als vollwertige Pilotin getaugt hätte oder gar einen Luftkampf überstehen würde. Aber um mit den Fallwinden hier in den Bergen fertig zu werden reichte es allemal.
Dave genoss die Gelegenheit in der schweren Maschine zu fliegen, wenngleich seinem Passagier auf der Heckschützenbank schon seit einiger Zeit schlecht war.
„B-bitte nicht noch ein Luftloch, Sir“, kam es gequält von hinten.
Dave grinste leicht. Als wenn er darauf einen Einfluss gehabt hätte.
„Stehen Sie es durch wie ein Mann, Anderson“, spöttelte er. „Es ist ja nicht mehr weit.“
„Sir…“
„Ich versuche die Mühle ja ruhig zu halten, Anderson.“
„Sir…“
„Anderson, kotzen Sie meinetwegen. Aber…“
„SIR!“
Armstrong wandte sich um. „Was ist denn…“
Er erschrak und riss die Brigand in einen Sturzflug. Neben ihm vollführte Sam das gleiche Manöver, wenngleich nicht so elegant. Knapp über ihnen sauste eine blaulackierte Bloodhawk hinweg, verfolgt von den gierigen Lichtfingern der Leuchtspurmunition einer schwarzen Vampire.
Die Bloodhawk rauchte bereits und eine Tragfläche brannte. Dennoch blieb die Vampire dran und versuchte ihrem Gegner den Todesstoß zu versetzen.
„So-sollen wir nicht helfen, Sir?“
„Welchem denn?“, blaffte Dave. „Welchem sollen wir helfen? Wer ist der Aggressor? Wer das unschuldige Opfer? Oder sind beide gleich schuldig? Gleichermaßen Opfer? Kämpfe wie dieser finden andauernd statt, gewöhnen Sie sich dran. Sky Haven ist ein heißes Pflaster und ein sehr ungerechter Ort.“
Dave riss die Brigand wieder hoch und ging auf den alten Kurs zurück. Weit vor ihnen explodierte die Bloodhound in der Luft, der Pilot konnte nicht mehr aussteigen.
Die Vampire begleitete den Sturzflug der Trümmer einen Moment, wackelte höhnisch mit den Flügeln und flog dann eine Schleife Richtung Landefeld.
„Passiert jeden Tag, so was…“, murmelte Armstrong zu sich selbst. „Wir können es nicht ändern.“

Als sie neben der NORTH landeten, pfiff Sam sofort ihre Techniker heran, um die beiden Maschinen für die notwendigen Wartungsarbeiten vorzubereiten. Danach kam sie zu Dave und dem jungen Infanteristen herüber. „Das war verteufelt knapp. Wenn ich nicht gesehen hätte, wie Sie in den Sturzflug gegangen sind und ich nicht nachgekommen wäre, dann…“
Dave winkte ab. „Ich war nachlässig. Wir waren nicht das Ziel des Angriffs, aber die blaue Bloodhawk wollte meinen Vogel als Schild gegen den Verfolger benutzen. Wenn Anderson mich nicht gewarnt hätte, hätten wir mindestens eine Salve eingesteckt.“
Dave klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. „Gute Arbeit. Lust auf eine Ausbildung als Bordschütze?“
„N-nein, Sir.“
„Schon gut, nur ein Scherz. Gehen Sie zurück zu Ihrer Einheit. Aber bereiten Sie sich auf eine weitere Mission vor, heute Abend, neunzehn Uhr.“
„Ja, Commander.“

Der junge Marine trat ab. Dave Stone sah ihm lange nach. „Was ist das für eine Mission, Sir?“, hakte Sam nach.
„Na, was wohl? Wir brauchen Piloten und Bordschützen für diese Mühlen hier.“ Armstrong schlug gegen die Schnauze der Brigand. „Ich will endlich zwei vollständige Staffeln haben.“
Er sah in den Morgenhimmel hinauf. „Und dann will ich wieder dorthin zurück, wo ich hingehöre. In den unendlichen Himmel.“
„Das klingt sehr romantisch, Sir“, hauchte Sam ergriffen.
„In den unendlichen Himmel, um Geld zu verdienen“, setzte Dave hinzu und grinste die Technikerin an.
„Sir!“, rief sie mit gespielter Entrüstung.
Dave lachte und klopfte ihr auf die Schulter. „Kommen Sie nachher auch mit. Wir könnten vielleicht auch noch Mechaniker gebrauchen.“
„Gerne, Sir.“

***

Armstrong betrat die Zigarre. Dort blieb er stehen und sah zur MEMPHIS BELLE herüber. Der alte Pirat Cat Shannon war immer noch festgemacht. Anscheinend hatte er gute Beute gemacht. Gut genug, um ein oder zwei Wochen auszuruhen.
Dave kannte die Geschichte seines letzten Überfalls. Das war eine typische Shannon-Methode gewesen. Nur warum machte sich der alte Pirat nur immer und überall Todfeinde?

„Dave? Hast du einen Moment?“
„Was ist los, Dusk?“
Melissa trat neben ihn. Ihr langes Haar flatterte in der Morgensonne. Sie trug nicht mehr als eine enge Jeans und eine halb aufgeknöpfte Bluse, unter der ihr BH hervor blitzte. Die große texanische Blondine kannte ihre Wirkung auf Männer. Und setzte diese nur allzu gerne ein.
Dave seufzte leise. In einer anderen Zeit, einer anderen Welt hätten sie ein verdammt tolles Gespann abgegeben. Leider stand zwischen ihnen die tote Annie und Melissas Angewohnheit, nicht mit Vorgesetzten zu schlafen.
„Ich traue Steel nicht“, sagte sie ernst.
„Er ist ein sehr guter Pilot“, wandte Dave ein.
„Trotzdem. Ich weiß nicht wieso, aber irgendetwas an ihm ist merkwürdig. Kann er nicht ein Agent sein, der uns ausspionieren soll? Ich meine, so wie er in Corpus Christi aufgetaucht ist, so kurz nach dem Überfall der TRINIDAT…“
„Klar kann er das. Aber im Moment gebe ich ihm seinen Sold. Und seien wir doch ehrlich – die NORTH ist noch nicht lange genug unterwegs, um sich wirklich schon Feinde gemacht zu haben, oder?“
„Dann ist er hinter unserem Booster her“, schloss sie ernst. „Schmeiß ihn vom Schiff, Dave, bevor er Ärger machen kann.“
„Nein“, sagte Armstrong ernst. „Er bleibt und fliegt für mich, solange er loyal ist. Sollte er mich – sollte er uns hintergehen, dann darfst du es sein, die ihn aus fünfhundert Meter Höhe aus dem Hangar stößt. Bis dahin gehe ich davon aus, dass er ein Söldner ist, der dem gegenüber loyal ist, der ihn bezahlt.“
„Wie du meinst, Dave. Aber ich werde ihn dennoch im Auge behalten“, erwiderte die Pilotin, stieß sich ab und ging.
Dave sah ihr nicht einmal nach. Sie hatte ja Recht. Und eine andere Sache stimmte ebenfalls. Die NORTH konnte sich noch gar keine Feinde gemacht haben. Er hingegen schon.
Der Gedanke amüsierte ihn.
„Steel“, murmelte er leise, „egal wie die Sache mit uns beiden ausgeht, wir werden eine Menge Spaß haben.“
25.01.2020 08:19 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Im Gegensatz zu den meisten Piloten sah Steel die Zeit in Sky Haven auch als eine unbedingt notwendige Gelegenheit an, „seine“ Staffel richtig auf Vordermann zu bringen.
Die Flieger mochten ja teilweise durchaus Erfahrung haben, aber von Stahlheims Luftwaffenansprüchen genügten sie eben nicht – vor allem was das Operieren im Verband betraf, den rotten- und staffelweisen Luftkampf.
Sehr schnell hatte er erkannt, dass die alten Beziehungen seines Commanders zu Cat Shannon geradezu ein Geschenk waren. Es brauchte nur ein paar völlig informelle Gespräche, ein paar Flaschen Whiskey als „Bestechung“ - und Steel hatte bei der Mannschaft von Cat Shannon genug Freiwillige für die Flugübungen, bei denen er seiner Staffel versuchte einzubläuen, was es hieß im Verband zu fliegen und zu kämpfen. Auch wenn er selber gerne das Duell gesucht hatte – eine koordiniert vorgehende Einheit potenzierte das Vernichtungspotential der einzelnen Maschinen.

Nicht allen Piloten waren diese Extratouren ihres Staffelchefs recht – aber in der Beziehung kannte Steel weder Rücksicht noch Pardon. Er selber flog schließlich nicht weniger als seine Untergebenen, eher noch mehr. Nun ja, er reservierte sich von Zeit zu Zeit ein paar Stunden, um bei `Liss vorbeizuschauen, aber das ging niemanden etwas an, sagte er sich, und es gefährdete seine Mission nicht.
Er war sich allerdings schon darüber im Klaren, das seine Beziehung zu der Agentin in Sky Haven alles andere als professionell war – und auch nicht nur eine „Tarnung“. Wenn es ihm nur um Informationen gegangen währe, die hatte er längst erhalten und der Nachrichtentransfer hätte auch über „tote Briefkästen“ erfolgen können…
Aber Elisabeth O’Conner war ebenfalls Agentin der Abwehr. Seit etwa neun Monaten war sie der erste Mensch, gegenüber dem von Stahlheim sich nicht verstellen musste, die wusste was und wer er war – und die auf eine gewisse Art und Weise ihn außerdem mit der Heimat verband. Sie war außerdem intelligent, witzig und schön. Egal wie unprofessionell es sein mochte, er konnte in ihr nicht einfach nur eine "Kollegin" von der Abwehr sehen…
Von Stahlheim wusste allerdings auch, dass er möglicherweise beobachtet wurde und sich an Bord der NORTH STAR zu keiner Zeit sicher fühlen konnte. Er war einer der „Neuen“, auch wenn er Staffelchef war. Man ahnte wohl nicht, dass er ein Agent war – aber ganz sicher hielt man ihn teilweise für einen desertierten Piraten. Und wenn man dann noch die „gemeinsame Vergangenheit“ mit dem Commander dazurechnete, reichte das, um ihm Kopfschmerzen zu machen. Vielleicht schliff er auch deshalb seine Leute besonders gründlich.


Dusk saß am Rande des Rollfeldes auf einer leeren, umgekippten Treibstofftonne und wartete. Steels Staffel musste in absehbarer Zeit zurückkehren – zurückkehren von einer dieser „Schaukämpfe“ die Steel in den letzten Tagen mit den Piraten der MEMPHIS BELLE organisiert hatte. Ein-, zweimal war sie selber mit geflogen. Der Deutschamerikaner war ein hervorragender Pilot und ein guter Staffelführer, das hatte sie bemerkt, der seine Leute rücksichtslos „rannahm“. Steel schien nur das Ziel zu haben, aus seiner Staffel eine hervorragend funktionierende Kampfmaschine zu machen.
Aber dennoch ließ sie irgendetwas an ihm misstrauisch bleiben. Sie wusste nicht genau was…
War er hinter dem Booster her? Sie hatte ihn zwar ein paar Mal an einer Maschine arbeiten sehen, aber das war normal - und jedenfalls hatte sie ihn niemals bei irgendeiner Tätigkeit im Maschinenhangar beobachtet, sie auch nur ungewöhnlich oder verdächtig war...

Da kamen die Maschinen, in einer lockeren „Echolot“-Formation, die dennoch erheblich enger und präziser war, als die üblichen Flugketten. Steel legte Wert auf saubere Manöver und darauf, dass keiner zurückblieb oder abdriftete. Dieser Fehler konnte tödlich sein, das hatte er oft genug gesagt. Man merkte seine "deutsche" Ausbildung in den Industrials.
Die Maschinen setzen eine nach der anderen auf.
Dusk konnte sich vorstellen, wie die Übung verlaufen war. Die Staffel war nicht gerade mit den modernsten Maschinen ausgestattet und viele der Piraten Cat Shannons hatten mehr Flugerfahrung. Steel war zwar ein hervorragender Pilot und Max kannte etliche der „feindlichen“ Piloten von früher – aber das reichte nicht. Und nach dem, was Dusk von Steel bisher mitbekommen hatte, würde er seinen Untergebenen jeden noch so kleinen Fehler ins Gesicht rammen…

Sie hatte sich nicht getäuscht – die Piloten mussten einen Halbkreis um ihren Chef bilden, der ihnen dann offenbar gehörig die Leviten las. Wie immer in solchen Situationen straffte sich dann seine ohnehin hochgewachsene Gestalt. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt stand er vor seinen Leuten und seine scharfe Stimme reichte fast bis zu Dusk herüber. Sie hätte gerne gewusst, was er diesmal an ihnen auszusetzen hatte, wollte aber auch nicht zu neugierig erscheinen.
Diesmal schien einer der Piloten protestieren zu wollen, gestikulierte wütend: "Ich habe die Schnauze voll! Wir sind Freibeuter und keine verdammte Armee-Staffel! Schieb dir den Scheißdrill doch in den Arsch! Bloß weil du dem Commander in den Arsch kriechst, bist du doch nichts weiter als ein Industrial-Arschloch das mal Pirat spielen will! Wir..."
Steels Stimme wurde lauter, schneidender, wie immer wenn er verärgert war, wurde sein deutscher Akzent stärker: "Dieser Drill kann dir im Gefecht das Leben retten, Idiot! Es ist mir egal, ob du krepierst - aber ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass so ein Hanswurst wie du mir auf der Nase rumtanzt oder noch einen Piloten mitnimmt, wenn er endlich abgeknallt wird!"
"Wir lassen uns nicht..." – Auf einmal, ohne Übergang schlug Steel dem Piloten ins Gesicht: einmal, zweimal. Harte, brutale Fausthiebe, die seinen Gegenüber zu Boden schickten. Dann war Steel auch schon über dem Gestürzten und zerrte ihn hoch – nur, um ihn dann mit einem Kinnhaken wieder zu Boden zu schicken.
Das Ganze war so schnell geschehen, dass Dusk nicht einmal daran denken konnte, einzugreifen. Sie konnte nur zusehen, wie Steel, als währe nichts geschehen, mit seiner Manöverkritik fortfuhr – nur seine Rechte lag jetzt demonstrativ auf dem Kolben seiner Automatikpistole.
Dusk stand auf und verschwand im Dunkel eines Hangars. Sie wollte nicht, dass Steel sie bemerkte, wenn er hier vorbeikam. Auf jeden Fall hatte sie wieder etwas über ihn gelernt. Er hatte offenbar keine Hemmungen, seine Leute auf „Piratenmanier“ zu disziplinieren. Und er war ziemlich schnell, selbst für einen Kampfpiloten und vermutlichen Ex-Piraten…

***

Langsam bezweifelte Dusk, daß die „Beschattung“ von Steel irgendeinen Sinn hatte. Sie hatte ihn im Auge behalten so gut es ging, aber nichts gefunden, was ihr instinktives Mißtrauen bestätigt hätte. Allerdings hielt gerade dieser Umstand paradoxerweise ihre unguten Gefühle am Leben.
Und deshalb war sie jetzt unterwegs, etwa zwanzig Meter hinter dem hochgewachsenen Deutschamerikaner, und versuchte, ihn in dem Gewimmel der Straßen von Sky Haven nicht aus den Augen zu verlieren. Sie trug gewollt unauffällige, fast unvorteilhafte Kleidung. Auch wenn sie sonst keine Hemmungen hatte, ihr Aussehen und ihre Wirkung auf die meisten Männer zu nutzen, gerade jetzt wollte sie so wenig wie möglich auffallen. Daß sie sich wachsam umsah und ihre Hand auf dem Kolben der schweren Browning lag, die sie offen am Gürtel trug, war schon in Ordnung – Steel zum Beispiel verhielt sich nicht anders, und das Gleiche galt für viele der Passanten. Sky Haven war ein unsicheres Pflaster. Überfälle, Schießereien, Morde und Vergewaltigungen waren Alltag.
Jetzt hatte Steel offenbar sein Ziel erreicht – er klopfte an die Tür eines recht solide wirkenden Hauses und wurde von einem hühnenhaften Indio eingelassen, der eine Pumpgun locker in der Armbeuge hielt.
Dusk konnte gerade noch in eine Seitengasse verschwinden, sonst hätte sie der Indianer sicher bemerkt, der wachsam, fast feindselig die vorbei strömenden Passanten musterte.
Dusk konnte nur warten und sich fragen, ob sich vielleicht hinter den Mauern dieses Gebäudes der Grund verbarg, wegen dem sie Steel unwillkürlich mißtraute. Sie lehnte sich, mit einem skeptischen Blick auf die verfaulenden Bretter, an die Wand des aufgegebenen Lagerschuppen, der eine Seite der Seitengasse bildete.

Sie mußte nicht lange warten. Nach nur einer halben Stunde trat Steel wieder ins Freie, allerdings nicht mehr alleine. Jetzt war in der Begleitung einer jungen, rothaarigen Frau. Unwillkürlich verzog Dusk kurz die Lippen zu einem sardonischen Grinsen. Wenn DAS der Grund für Steels Ausflug in die Stadt war...Nun, es wäre nachzuvollziehen. Steels Begleiterin war nicht nur verdammt hübsch, sie verstand es auch, das zur Geltung zu bringen.
Allerdings, obwohl Steel jetzt den linken Arm um die Hüfte seiner Begleiterin gelegt hatte und die beiden die Köpfe immer wieder zusammensteckten, fast wie zwei Frischverliebte, der Pilot behielt seine Rechte immer in der Nähe des Pistolenholsters. Und Dusk wäre bereit gewesen zu wetten, daß die Frau ebenfalls bewaffnet war. In Sky Haven, „des Teufels Planschbecken“, überlebten nur die Hechte – und die Haie.
Vorsichtig folgte Dusk den beiden, sorgfältig auf Abstand bedacht. Dadurch entging ihr allerdings auch folgender Dialog:

„So, die gehört also zu deiner Truppe. Dann muß ich wohl geschmeichelt sein, daß du dich nicht an dieses Pinup-Girl in Fliegermontur gehalten hast.“
„Sie ist vor allem ein verdammtes Ärgernis. Ich frage mich, warum sie mich verfolgt...“
„Vielleicht hast du ihr das Herz gebrochen und sie ist einfach zu schüchtern, mal an deine Kabine zu klopfen.“
„...oder wie lange. Verflucht, ich hätte wachsamer sein sollen!“
„Allerdings, ‚Herr Hauptmann‘.“
„Ich frage mich, ob der Commander sie auf mich angesetzt hat.“
„Tja, dann kannst du sie wohl nicht einfach verschwinden lassen...“
„Nein, das wäre etwas zu riskant. Sogar hier. Also spielen wir mal lieber was vor.“
„Natürlich. Und wenn sich unser fliegender Engel über mich umhört, krieg‘ ich das mit. Und außerdem, ich bin ja nur `ne Schieberin und Informationsmaklerin mit Piratenkontakten. Und `nem schlechten Geschmack bei Männern...“

Das Ziel der beiden war offenbar eines der „Restaurants“ der Stadt. Auch wenn die meisten „Dienstleistungen“ Sky Havens auf den recht einfachen, ja primitiven Geschmack vieler Piraten und Schmuggler zugeschnitten waren, konnte man für gutes Geld auch weitaus exquisiter speisen, wenn man Wert darauf legte, oder vielleicht einen Geschäftspartner beeindrucken wollte. Das „Treasure Isle“ wurde angeblich auch von Legenden wie „Black Swan“ frequentiert – was natürlich seine Attraktivität noch steigerte. Das Essen war erstklassig, dafür gab es weder Kleiderordnung, noch Standesschranken – wenn man nur genug Geld hatte. Im Speisesaal und den diversen Sépares waren alltäglich etliche „Lebenslänglich“ oder „Todesstrafe“ zu finden.
Es blieb Dusk nichts anderes übrig, als sich an der Bar niederzulassen und darüber zu spekulieren, worüber Steel und seine Freundin in dem Sépare redeten. Na ja, sie konnte es sich vorstellen. Leider hatten etliche Gäste ein ziemlich gutes Auge und ließen sich von der wenig vorteilhaften Kleidung nicht täuschen, die Dusk gerade trug. In den nächsten zwei Stunden erhielt sie jedenfalls mehr Einladungen, als sie je gewollt hätte... Wenigstens mußte sie nicht die Pistole ziehen, obwohl sie es ein paar Mal gerne getan hätte.

Dusk war jedenfalls erleichtert, als Steel und seine namenlose Freundin endlich aufbrachen. Sie gab den beiden ein paar Augenblicke Vorsprung, warf ein paar Münzen auf die Theke, trat nach Draußen – und hielt abrupt inne.
Vor ihr stand Steel. Und seine rothaarige Begleiterin. Offenbar hatten die beiden auf sie gewartet. Die Rothaarige grinste amüsiert, Steel‘ Gesichtsausdruck hingegen war ausdruckslos, wie auch seine Stimme: „Hallo Dusk. Was für ein Zufall. Gibt’s Probleme – will der Commander was von mir?“ Er schien keine Antwort zu erwarten, es gab ja auch keine.
Jetzt mischte sich auch noch Steel’s Freundin ein: „Wir machen jetzt noch `nen Abstecher zu mir nach Hause. Das könnte etwas länger dauern. Ich weiß nicht, ob du so lange warten willst. Andererseits...“ ihre Stimme bekam einen anzüglichen, billigen Klang: ...wie wäre es mit `nem Dreier, Schätzchen?“
Dusk schluckte wohl oder übel die Bemerkung runter, die ihr auf der Zunge lag. Sie hatte keine andere Möglichkeit, aus der Situation halbwegs anständig rauszukommen, als sich wortlos umzudrehen und davonzugehen, ohne zurückzublicken. Zum Teufel mit diesem verdammten Hunnen!
31.01.2020 19:15 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Nächster Tag, gegen Mittag

Steel stand vor den Leuten seiner Staffel, die Hände locker vor der Brust verschränkt. Ein paar Piloten aus Cat Shannons Mannschaft lungerten in der Nähe herum und hörten amüsiert zu, wie von Stahlheim eine (vereinfachte und entfremdete) Variante der Luftwaffendoktrin für den Angriff auf ein Luftschiff abspulte: „...ist aber die Eroberung der Ladung das Hauptziel, die NEUTRALISIERUNG nicht VERNICHTUNG des Luftschiffs beabsichtigt, empfiehlt sich eine andere Vorgehensweise – massiver, aber zielgenauer Waffeneinsatz in Verbindung mit koordinierten Angriffen von ALLEN SEITEN. Primärziele sind dabei Maschinengondeln, Steueranlage, Hangartore vor allem aber Kommandobrücke und Flugabwehrstellungen. Dem Gegner darf keine Gelegenheit gelassen werden, sich auf die Abwehr zu konzentrieren, er muß pausenlos unter Druck gesetzt werden, aus allen Flugvektoren. Raketeneinsatz ist dabei unnötig...“
„Na dann kann man aber nur hoffen, daß die Zigarre kein Wasserstoff intus hat!“ Das war Happy – der Pilot, den Steel vor ein paar Tagen ‚aus Disziplinargründen‘ zusammengeschlagen hatte. Das hatte tatsächlich funktioniert: Happy würde Steel ganz bestimmt nicht lieben, aber er hatte kapiert, wer in diesem Rudel der Leitwolf war.
Steel grinste kurz, fast grausam: „Kriegspech.“
Dann bemerkte er, dass Max sichtlich bleich geworden war – vermutlich dachte sie an den Tod dieser texanischen Geliebten ihres ‚Bruders‘. Steel beschloß, dieses Thema nicht weiter zu vertiefen: „Aber da macht euch mal keine Hoffnungen – wer ist schon so bescheuert und spart an der Gasfüllung, leistet aber einem Angriff Widerstand?! Also denkt dran...“ Er brach ab, als bei den Piloten Unruhe ausbrach. Einer von Cat Shannons Piloten sprang auf, deutete in die Luft: „Verfluchte Scheiße, das ist doch...VERDAMMT!“
Von Stahlheim fuhr herum und erkannte, was die Piloten alarmiert hatte: eine einzelne Maschine im Landeanflug, die eine lange Rauchfahne hinter sich her zog. Und zu allem Überfluß hatte sie nur ein Fahrwerk ausgefahren. Der Pilot war in ziemlichen Schwierigkeiten. Und die Maschine gehörte zu Shannons Einheit...
Blitzschnell waren die Piloten hoch und stoben auseinander, als die Maschine nach unten sackte. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde sie sich in den Boden bohren, doch in letzter Minute konnte sie sich fangen. Als das eine Fahrwerk den Boden berührte, brach es sofort ab und wirbelte über die Landebahn, doch der Pilot schaffte es, eine Bauchlandung hinzulegen. Mit dem grauenerregenden Kreischen überlastenden Metalls rutschte die Maschine über den Boden, bis sie zum Stillstand kam. Die Cockpitkanzel flog weg, der Pilot fiel beinahe aus der Maschine. Fluchend rannte Steel auf die zusammensinkende Gestalt zu, doch ein anderer Pilot war schneller, packte den offenbar Verwundeten und zerrte ihn weg von der Maschine. Kaum zehn Sekunden später explodierte die brennende Maschine in einem gigantischen Feuerball.

Den Piloten hatte es ziemlich erwischt. Es war eigentlich ein Wunder, dass er mit den Verbrennungen an Händen und Beinen und dem gebrochenen Arm den Vogel sicher nach unten gebracht hatte – und sogar noch aus eigener Kraft aus der Maschine gekommen war. Es war ein Neuer aus Cat Shannons Mannschaft, Fox, ein kleingewachsener, drahtiger Rotschopf irgendwo aus den Industrials. Für ihn würde die Fliegerei erst mal eine Weile vorbei sein – und dabei hatte er noch Glück gehabt...

Nur ein paar Minuten später tauchte Cat Shannon auf dem Rollfeld auf. Momentan versprühte er nicht gerade den Charme, um den er sonst bemüht war – er sah vielmehr so aus, als wollte er jemanden erwürgen. Mühsam beherrscht, mit zusammengepressten Lippen und Mord in den Augen, hörte er sich Fox’s Geschichte an.
Offenbar war das Ganze ein typischer Sky Haven-Zwischenfall gewesen: Fox war mit seiner Maschine gestartet, um den nach den Schäden eines früheren Luftkampfs generalüberholten Jäger ‚auf Herz und Nieren zu testen‘ – er traute den Bodentechnikern wohl nicht ganz, eine verbreitete ‚Pilotenkrankheit‘. Während er mit dem Jäger das Übungsprogramm absolvierte, war er einem Duo Fury’s in die Quere gekommen, die eine einzelne Vampire verfolgt hatten und denen es egal war, wer ihnen dabei ins Schussfeld kam. Fox war gleich zu Anfang des Kampfes von einer vollen Salve erwischt worden und hatte versucht sich abzusetzen – doch aus irgendeinem Grund, vielleicht weil die Fury-Piloten keinen Zeugen wollten, war einer von ihnen an Fox drangeblieben. Fox hatte noch ein paar Treffer kassieren müssen, bevor er sich im Tiefflug absetzen konnte. Ende der Geschichte – allerdings nicht für Cat Shannon: „Diese elenden Bastarde! Ich will verdammt sein, wenn ich das durchgehen lasse! Das sollen sie mir teuer bezahlen – ich lasse sie in ihrem eigenen Blut ersaufen!“
Fox konnte zu den angreifenden Maschinen sonst wenig sagen, nur das sie auf den Tragflächen einen schwarzen Totenschädel getragen hatten. Aber das reichte schon.
„Alle Vögel aufmunitionieren und volltanken. Ich will jeden von euch Hurensöhnen bei den Maschinen sehen – oder ich verwende euch als Abwurfmasse! Und ich will mal sehen, wer uns da an die Eier wollte...“

Steel überlegte kurz, dann wandte er sich an Max, die er in den letzten Tagen als so etwas wie seine Adjutantin aufgebaut hatte: „Hast du das gehört? Ich will, daß vier Maschinen aufgerüstet werden. Auch mein Jäger – Beeilung!“
„Glaubst du etwa...“
„Was ich glaube ist scheißegal – solange die Vögel bewaffnet und abgefüllt werden. Mach schon!“
Steels Fury war sowieso praktisch einsatzbereit – sogar die Bordwaffen waren mit „Buntfeuer“ aufmunitioniert, also einem Gemisch aus panzerbrechenden, Explosiv- und Brandgeschossen. Dazu mußten zwar die Munition speziell gegurtet werden und die Ladung verdreckte die Rohre – aber nach von Stahlheims Erfahrung war es das wert. Viele deutsche und englische Asse setzten auf „Buntfeuer“.

Nur fünf Minuten nachdem Max verschwitzt gemeldet hatte „alles fertig“, tauchte Cat Shannon auf – mit einem Gesichtsausdruck, der an einen Hai erinnerte, der Blut gewittert hatte: „Ich habe die Arschlöcher! 'Black Skeletons', eine verdammte Bande von Teilzeitpiraten und Söldnern. Zwei Luftschiffe, etwa zwanzig Jäger insgesamt – aber die Zigarre, die gerade hier vor Anker liegt ist die kleinere – nur acht Flieger, leicht bewaffnet. Sind kaum `nen Tag hier und wollen schon wieder weg – dann war die Sache mit der Vampire wohl so was wie `ne Kopfjagd. Aber so leicht kommen die mir nicht davon!“
Steel trat schnell an den Piratenkapitän heran: „Captain, wenn Sie nichts dagegenhaben – kann ich bei der Party dabei sein?“
„Warum denn das?“ Shannon musterte von Stahlheim etwas mißtrauisch.
Steel zuckte mit den Schultern: „Ich brauch‘ mal wieder etwas Einsatzpraxis. Außerdem – es kann nicht schaden, bei Ihnen einen Gefallen gut zu haben...“
Cat Shannon lachte wiehernd: „Na schön – Sie können mit. Und wenn sie jemand mitnehmen wollen, nur zu – aber ich hab das Kommando, klar?!“
„Klar.“ Von Stahlheim wandte sich an seine Piloten: „Ich brauch‘ ein paar Freiwillige...“
Als Erste meldete sich Dusk zu Wort – allerdings nicht, um sich zu melden: „Sollten wir nicht den Commander benachrichtigen?“ Ihre Stimme klang abweisend, sie machte aus ihrem Ressentiment gegen Steel kein Geheimnis.
„Der Commander ist in der Stadt. Bis wir ihn gefunden haben – oder bis er zurück ist – können noch STUNDEN vergehen. Soviel Zeit haben wir einfach nicht – und ich frage nach FREIWILLIGEN. Keine Angst, niemand wird gezwungen, wenn Sie nicht wollen...“
„Ich HABE KEINE ANGST! Ich fliege gern mit. Ich...“
„Gut, das wäre dann geklärt. Wer noch?“ Es dauerte ein par Sekunden, dann kamen die Hände hoch. Steel überlegte kurz, dann: „Max, Happy – das reicht. Macht euch fertig.“ Er brachte es fertig, unauffällig neben Dusk zu bleiben, als die Piloten zu ihren Maschinen liefen, auch wenn die hochgewachsene, blonde Pilotin keinen Wert auf seine Gesellschaft zu legen schien: „Sie trauen mir nicht – na schön. Damit kann ich leben. Sie sollten daran denken, daß die meisten Piloten hier nicht gerade eine makellose Vergangenheit haben. Spielt es eine Rolle, was ich früher war? Aber eigentlich ist das sowieso egal. Wichtig ist doch wohl, das ich gut fliege – und wie gut SIE fliegen.“ Dusk sparte sich eine Antwort und mit einem Achselzucken und einem zynischen Grinsen wandte sich Steel ab und rannte zu seiner Maschine.

Cat Shannons Plan war einfach aber vielversprechend. Über Kontakte, er hatte nicht gesagt welche, hatte er erfahren, daß die „Black Skeletons“ dabei waren, ihre Zelte in Sky Haven abzubrechen. Der Piratenkapitän hatte sich so weit gezügelt, nicht einfach ihre Flugbahn am anderen Ende der Stadt zu bombardieren – das hätte denn doch zu viel Staub aufgewirbelt. Also würde er den Angriff erst fliegen, wenn das Zeppelin der „Black Skeketons“ bereits in der Luft und etwas außerhalb Sky Havens war. Die Gefahr, daß andere Piraten in den Kampf eingriffen oder verwickelt wurden, war so geringer. Wahrscheinlich würde der Gegner nur einen, höchstens zwei Jäger draußen haben – eine leichte Beute...

Von Stahlheim legte die Maschine leicht auf die Seite und sah nach unten. Lange konnte es nicht mehr dauern – und tatsächlich, da war das Ziel: ein kleines, umgebautes Lastzeppelin, eskortiert von zwei Fury, einer Bloodhawk und einer Brigant. Stahlheim fluchte leise – das waren die Hälfte der Flugzeuge, die angeblich überhaupt an Bord dieses Luftschiffs stationiert waren, die „Black Skeletons“ rechneten wohl mit Ärger. Aber das würde ihnen nicht viel helfen, denn Cat Shannons sechs Maschinen und von Stahlheims vier Jäger waren mehr als genug. Der Feind hatte sie noch nicht gesehen, denn sie flogen weit über ihm und mit der Sonne im Rücken. Steel grinste grausam: ‚Achtet auf die Hunnen aus der Sonne!‘ war eine Warnung im Großen Krieg gewesen, deren Nichtbeachtung viele Entente-Piloten mit ihrem Tod bezahlt hatten...

„ANGRIFF! ANGRIFF!“ Cat Shannon brach die Funkstille und eröffnete die Attacke. Wie Steine ließen sich die zehn Jagdmaschinen fallen, stürzten sich auf die paralysierten Gegner.
„MAX, DUSK – IHR NEMHT EUCH DIE JÄGER VOR! HAPPY – DEN ZEPPELIN!!“ Steel ließ seinen Worten Taten folgen, indem er mit einer leichten Bewegung des Steuerknüppels seine Maschine herum warf und in seinem Fadenkreuz der graue Rumpf des Luftschiffs auftauchte. Eine leichte Korrektur – FEUER!
Die Leuchtspurgarben zuckten durch die Luft, wanderten über die Luftschiffhülle und konzentrierten sich auf eines der Seitenruder. Mit rasender Geschwindigkeit kam das feindliche Luftschiff näher – die Fury passierte die Flanke, viel zu schnell für die hastig hinterher schießenden Flugabwehrgeschütze, legte sich auf die Seite und wendete in einer weit geschwungenen Kurve.
Gleichzeitig griffen drei andere Jäger das Luftschiff an, während die sechs anderen sich auf die vier Eskortjäger stürzten. Mit dem Überraschungsmoment auf ihrer Seite, zahlenmäßig überlegen und aus der Überhöhung angreifend, hatten sie jeden Vorteil auf ihrer Seite.
Inzwischen hatte Steel wieder den Zeppelin im Visier. Während Harpy noch einen Angriff auf die Steueranlage unternahm, hatte sich der Deutsche ein wehrhafteres Ziel ausgesucht – eine Flugabwehrstellung, offenbar bestückt mit Zwillings-MG's Kaliber 0,30 bis 0,50, die mit wenig Erfolg versuchten, den um ihr Überleben kämpfenden Jägern der „Black Skeketons“ Feuerunterstützung zu geben.
Zuerst ließ Steel die 70er MK loshämmern – korrigierte kurz den Schußvorhalt und ließ dann auch noch die 40er und 30er MG’s sprechen. Die Bordschützen der „Black Skeletons“ hatten keine Chance, die Feuerstellung wurde förmlich zersiebt. Auch die provisorischen Panzerbleche konnten sie nicht schützen.
Steel tauchte unter dem Zeppelin hinweg, legte die Fury in einen halben Looping und richtete sein Feuer auf eine der Hilfsmotorgondeln. Seine Maschine wurde durchgerüttelt, als ein einzelnes 50er MG ihn auf’s Korn nahm, aber der Einsatz des Boosters und ein Schraubenzieher-Manöver brachten ihn in Sicherheit. Er sah eine Fury der Piraten abstürzen und grinste kurz – auch wenn der Gegner verbissen Widerstand leistete, der Angriff lief gut. Als er wendete, sah er, daß das Zeppelin an Höhe verlor und aus seinem vorherigen Flugvektor driftete – der Beschuß der Motorengondeln, Ruder und Kommandobrücke zeigte Wirkung. Wenn schon nichts anderes, dann war dieses Gefecht zumindest eine gute Übung für seine Piloten.
„ABBRUCH! ABBRUCH! Wir setzen uns ab!“ Das war Cat Shannons Stimme – warum brach der Piratenkapitän den Angriff ab? Aber Steel reagierte sofort und wandte dem Zeppelin den Rücken zu. Seine Untergebenen folgten.
„Captain Shannon, warum ziehen wir schon ab?“
„Sie haben wohl Appetit bekommen, Steel? Dann schalten Sie mal auf Frequenz 24,3...“
Steel kam der Aufforderung nach und aus dem Funk drang eine gehetzt, fast panisch klingende Stimme: „Hier ist die ‚Night Watch‘ von den ‚Skeleton Warriors‘! Wir werden Angegriffen und brauchen Hilfe! Fünfhundert für jeden, der einen der Angreifer abknallt oder zum Landen zwingt! Ich wiederhole...“
„So ein gerissener Halunke.“
„Wir haben genug erreicht – ich will hier kein Massenraufen. Zwei Maschinen haben wir abgeknallt – eine davon übrigens Ihre Leute. Die Brigand mußte notlanden, wenn sie heil unten angekommen ist. Und die Bloodhawk ist abgehauen. Außerdem glaube ich, haben sie auf ihrer Zigarre nicht nur kosmetische Schäden!“
„Verstehe – wir sehen uns am Boden...“ Steel erlaubte sich ein kurzes, zufriedenes Lächeln. Das war gut gelaufen. Und diese Aktion dürfte seinen Ruf zusätzlich festigen. Zumindest würde kaum jemand vermuten, daß ein Angehöriger der ‚Abwehr‘ wie ein Pirat so einfach bei einer Vendetta mitmachte, die ihn nichts anging...
„Steel an Alle – Gut gemacht!“
31.01.2020 19:16 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Über ihnen zogen zwei Furys dahin. Dave beachtete sie kaum, aber Anderson sah ihnen staunend nach. „Es ist doch schon dunkel. Wie wollen die landen?“, staunte er.
Dave lächelte kalt. „Glauben Sie, wir sind die einzigen, die Nachtflug trainieren? So neu ist die Idee nun auch wieder nicht.“
„Aye, Sir“, murmelte der Marine und kratzte sich nachdenklich an der Stirn.
Rocket grinste zu Dave herüber. „Sicher, wer hier wen beschützen soll?“
Dave winkte ab. „Der Junge ist schon groß. Er wird lernen. Kommen Sie, Marine, wir gehen weiter.“
„Aye!“, rief der junge Mann und holte zu den beiden Piloten auf.

Dave ging voran und führte sie in ein bekanntes Gebiet.
Anderson runzelte die Stirn. „Wollen wir noch mal zu diesem Händler, Sir?“
„Nun… Nicht ganz“, antwortete Dave grinsend. Er blieb vor einem dreistöckigen Holzgebäude stehen. „Sieht doch ganz ordentlich aus, was meinst du, Rocket?“
Der andere Pilot betrachtete den Bau und zuckte mit den Achseln. „Von außen kann man so was immer schwer beurteilen. Gehen wir rein?“ Die beiden Männer grinsten sich an.
„A-aber das ist doch…Ich meine, das…“
„Kommen Sie, Anderson. Das ist ein Befehl“, sagte Dave ernst.
„Ja, Sir“, seufzte der junge Mann und betrat hinter den beiden Piloten das Gebäude. Es hieß La Fleure, und warum es diesen Namen trug erkannten die drei Besucher, als sie in den großen Salon kamen.
„Willkommen“, hallte es ihnen entgegen.
Dave musterte die Gäste und Damen und nickte schließlich. „Ich glaube, das ist ein guter Laden.“
„Es wundert mich, dass du so einen Geschmack hast. Geschweige denn dass du dich mit so etwas auskennst“, raunte Rocket und grinste schief.
„A-aber…aber…“, stammelte Anderson.
„Guten Abend. Ich bin Madame Rochefort. Sie sind zum ersten Mal hier, meine Herren?“, sagte eine Frau in einem aufwändigen Abendkleid. Ohne Zweifel die Herrin des Hauses.
Dave grinste schief und riss die Hacken zusammen. „Commander Dave Stone, Ma´am. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“
„Oh. Von der Stimme her könnten Sie aus den Industrials kommen. Aber der Name klingt mehr nach Empire“, sagte die Dame und ließ zu, dass Dave einen Kuss auf ihre Hand hauchte. „Und dies sind…?“
„Jebediah McCormick, einer meiner Toppiloten und Thaddeus Anderson, unser Nesthäkchen.“
„Sir!“, protestierte der Marine entsetzt über die Vorstellung.
„So, so“, kommentierte Madame Rochefort. „Und was kann ich Ihnen anbieten? Ich meine, womit können wir Ihnen heute Abend dienen?“
„Wir hätten Lust auf…rot?“
„Ich verstehe. Molly!“
Aus einem Nebensalon kam eine der Damen hervor. Im Gegensatz zum Morgen trug sie ihr Haar nun hochgesteckt und frisiert. Das Make-up tat ihr auch sehr gut und unterstrich das, was man hatte sehen können, noch einmal.
„Ja, Madame? Oh, Sie sind es. Danke noch einmal für heute Morgen.“ Die junge Dame verbeugte sich artig, und in ihren Augen lag ein fröhlicher Schimmer. „Womit kann ich Ihnen hilfreich sein?“
Dave trat einen Schritt zur Seite. „Mr. Anderson hat nach Ihnen gefragt.“
„Was? Aber Sir, ich…“
„Geht schon in Ordnung, Junge. Ich bezahle.“
Anderson protestierte für einen Moment, dann hatte Molly aber schon seine Hände ergriffen, was seinen Widerstand dahin schmolz wie Eis in der Sonne.
„Ist es das, was Sie sich vorgestellt haben, Commander Stone?“, zweifelte die Madame. „Es ist sicher sein erstes Mal. Er könnte es schlimmer treffen als in diesem Haus, aber auch wesentlich besser.“
„Ich verstehe Ihre Sorge, Madame, und ich bedanke mich. Aber es ist nicht verkehrt, wenn der Junge schon jetzt was über das Leben lernt.“
Dave drückte Rocket ein paar Greenbucks in die Hand. „Du bleibst hier und hast ein Auge auf Anderson.“ Er begann zu schmunzeln. „Oder sei zumindest vor ihm fertig.“
„Geht klar, Chef. Was machst du?“
„Ich habe da noch einen Termin“, schmunzelte er. Dann nickte er der Dame des Hauses zu. „Ich lasse meine Leute in Ihren fähigen Händen, Madame.“
„Da sind sie auch gut aufgehoben, Commander.“
„Also dann. Rocket, mach uns keine Schande.“
„Den konntest du dir jetzt nicht verkneifen, was, Dave?“, brummte Jebediah ärgerlich.
„Nein, konnte ich wirklich nicht“, erwiderte der amüsiert.

**
Nachdenklich betrachtete Dave die aufgehende Morgensonne über den Bergen. In diesen Breitengraden ging das relativ fix, und so dauerte es nicht sehr lange vom ersten roten Schimmer in der Luft, bis der gelbe Feuerball selbst in sein Blickfeld geriet.
Er spürte zwei schlanke Arme, die ihn umschlangen. „Woran denkst du, Pilot?“
Er grinste schief. „An das Leben, den Tod und alles, was dazwischen liegt.“
Er wand sich im Griff der Frau herum und sah sie an.
Die junge Frau mochte Anfang zwanzig sein. Ihr Haar war sehr lang und pechschwarz. Nichts hätte Dave mehr irritiert, als sich eine Blonde zu suchen und an Annie erinnert zu werden.
Seltsamerweise war er nicht in den Armen einer Professionellen gelandet. Nein, auf seinem Weg zu einem der gehobeneren Etablissements war er im FORDS hängen geblieben und hatte Stephanie kennen gelernt.
Nach einem spendierten Drink und ein paar Fliegergeschichten hatte Dave schnell gemerkt, dass sie nichts trinken wollte und auch nicht wegen seiner Geschichten neben ihm saß.
Der erste gierige Kuss hatte ihm dann sehr schnell klar gemacht, worum es ihr wirklich ging. Von dort bis zu ihrem Zimmer in dieser Pension war es dann verdammt schnell gegangen.
Sie hatten sich Zeit genommen. Sehr viel Zeit. Und beide hatten sich wirklich angestrengt, so dass es für beide eine mehr als erfüllende Nacht und ein wundervoller Morgen geworden war.
Dave wusste nicht viel von ihr. Nur den Namen und die Tatsache, dass sie Pilotin oder Mechanikerin war. Zudem sprach sie mit einem leichten russischen Akzent, den sie aber stets zu verbergen versuchte.

„Letzte Nacht hat mir viel Spaß gemacht“, begann Dave vorsichtig.
Argwöhnisch hielt sie ihn einen halben Schritt von sich. „Nanu? Du wirst dich doch nicht in mich verknallt haben, Pilot, wegen eines Abschuss?“
Dave legte die Stirn in Falten. Kam er etwa so leicht hier wieder raus? „Moment, das waren ja wohl ein paar mehr“, beschwerte er sich schmunzelnd.
„Zugegeben“, erwiderte die Frau und legte ihren Kopf auf seine breite Brust. „Irgendwie bedaure ich, dass es schon Morgen ist. Für mich könnte das noch eine ganze Weile so weitergehen.“
„Wer verknallt sich jetzt in wen?“, tadelte Dave.
„Sehr komisch“, erwiderte sie. Dabei bewegten sich ihre Hände in Bereiche, die ihm spontan die Nackenhaare aufstellten. „Aber einen guten Flug sollte man eben so lange wie irgend möglich genießen. Und unser war sehr gut.“
„Das kann ich nur bestätigen.“
Sie küsste seinen Halsansatz, dann seine Lippen. „Musst du schon los, oder haben wir noch etwas Zeit?“
Dave überlegte einen Moment. Um Rocket und Anderson abzuholen war es sowieso zu spät. Und die beiden würden ja wohl alleine den Weg finden.
Er küsste die schöne Frau seinerseits, hob sie auf seine Arme und trug sie auf das weiche Bett, welches sie in dieser Nacht beträchtlich ruiniert hatten. „Einen Flug schaffen wir noch.“

**
Gegen Mittag saß Dave in einem der vielen Lokale hier in Sky Haven und aß ein großes Steak mit Bratkartoffeln. Er war müde, regelrecht erschöpft, aber seltsamerweise zufrieden.
Wie er erwartet hatte, war von Stephanie nicht mehr zu erfahren. Aber darum war es ihm auch gar nicht gegangen. Auch hatten weder er noch sie sich die Mühe gemacht, sich zu verabreden. Es war eine traumhafte Nacht und sollte eine solche bleiben.
Dave lächelte bei dem Gedanken. Nur um übergangslos Annies Bild vor Augen zu haben und in ein tiefes Loch des Schuldgefühls zu fallen.
Seine Hand krampfte sich um den Kaffeebecher vor sich, während er sich mühsam immer wieder sagte, dass sie tot war. Und das sie keinesfalls wollen würde, dass er den Rest seines Lebens als Mönch verbrachte.
Außerdem war es nur eine Nacht gewesen. Eine Nacht mit einer Fremden, die vielleicht Pilot, vielleicht Mechaniker war.
Das war es. Keine Liebe, keine Verpflichtungen, keine Wärme über die ihrer Körper hinaus.
Nur Schweiß und Leidenschaft.

Dave erhob sich und bezahlte. Ihm war irgendwie der Appetit vergangen.
Die nächste halbe Stunde lief er rastlos durch Sky Haven, kaum auf seinen Weg achtend. Er sah erst wirklich auf, als sich vor ihm unmittelbar ein Abgrund auftat. Er blieb stehen, sah unmittelbar vor sich herab und erkannte in der Tiefe unter sich mehrere Flugzeugwracks. Eine Vampire, zwei Ford Hoplits und zwei oder drei vollkommen verdrehte Brigands. Sie mussten entweder bei Nebel oder in der Nacht gegen diese Felswand geflogen sein.
Orientierungslos hatten sie vielleicht nur die Lichter der Häuser hier oben auf dem Kamm gesehen, versucht darauf zu zuhalten und waren von Fallwinden in die Felsen gedrückt worden.
Niemand räumte die Wracks weg. Warum auch? Da unten störten sie ja niemanden.
„Ich bin auch so ein Wrack“, murmelte Dave leise. „Und ich war auch kurz davor, an so einer Wand zu enden, angelockt vom falschen Licht. Verzweifelt, übermüdet, und mit dem Gefühl, dass wirklich alles egal ist.“
Er ging in die Hocke und spuckte in die Tiefe. Das waren gut und gerne fünfhundert Meter. Man fiel eine lange Zeit. Eine sehr lange Zeit.
Auch für ihn war es ein tiefer Fall gewesen. Aber noch hatte er Zeit. Noch konnte er das Steuer hoch reißen, wieder in den Steigflug gehen.

Er erhob sich, strich sich über Hose und Fliegerjacke. Ja, an diesem Punkt entschied es sich. An diesem Punkt entschied sich vieles.
Die LEVIATHAN war wie ein Dorn in seiner Seite. Nein, sie war ein Dorn in der Seite eines jeden, der nicht marodierend, mordend und vergewaltigend durch die ehemaligen USA zog, der etwas auf Anstand gab.
Seine Annie war tot, und mit ihr Dutzende, Hunderte andere Unschuldige. Er kannte seine Aufgabe, zu genau. Diesen Zeppelin finden und dafür sorgen, dass seine Mannschaft nie wieder soviel Elend über andere Menschen brachte.
Und danach? Danach blieben ihm immer noch die NORTH und der Auftrag der Republic of Texas.

Langsam ging er weiter. Was also waren die nächsten Schritte? Erstmal musste er mit seiner Staffel bei den Nachtübungen aufholen. Steel hatte einen ganz schönen Vorsprung, und Dave war niemand, der sich gerne geschlagen gab oder in der Rangfolge auf zwei fiel.
Die neuen Karten würden dabei sicherlich sehr hilfreich sein.
Zuvor fehlten ihm aber noch zwei Brigand-Mannschaften. Ob Cat ihm Pip und Boxer auslieh? Wenigstens für eine gewisse Zeit?
Eher unwahrscheinlich. Denn obwohl Cat exzentrisch, egoistisch und außerdem überaus wagemutig war, so war er doch eher der typische Stiergeborene. Ein Gewohnheitsmensch, der ein funktionierendes Team nicht ohne triftigen Grund auseinander riss.
Also nicht, stellte er resignierend fest und überwand eine Hängebrücke auf seinem Weg zurück zum Flughafen.
Okay, die Nachtübungen mit den neuen Karten, dazu zwei Brigands, um seine Staffel endlich auf Soll zu bringen. Danach? Erfahrung sammeln, besser werden. Ein oder zwei Ersatzpiloten konnten auch nichts schaden, denn mit den beiden neuen Brigands und der Defender in Reserve hatte er gewisse Möglichkeiten.
Dann Jagd auf Piraten oder die Frachter feindlicher Nationen, wie es der Kaperbrief erlaubte.
Andererseits, was sprach dagegen, den Soviets auf die Füße zu steigen und einen ihrer Goldtransporte aus Alaska raus zu rauben?
Der Gedanke amüsierte ihn. Cat hatte ihn provozieren wollen. Aber hatte er damit nicht vielleicht genau den nächsten Einsatz vorgegeben?
Außerdem war das weit weg von Sky Haven und damit auch weit weg von der LEVIATHAN. Dave traute sich jetzt, mit seinem dicken Schädel, voller Trauer und einer Mannschaft, die gerade erst lernte, einander zu vertrauen noch nicht zu, es mit diesen Barbaren aufzunehmen. Selbst wenn sie die Lufthoheit hatten. Noch nicht. Diese Zeit würde kommen. Und das schon sehr bald. Das schwor er sich.
Dave ging auf einen wartenden Hoplit zu, verhandelte kurz mit dem Piloten und ließ sich zum Flugfeld bringen.
Aus der Vogelperspektive wirkte die Stadt eher wie eine Kolonie Schwalbennester als wie eine menschliche Ansiedlung. Sie war ein Beweis dafür, was menschlicher Wagemut vollbringen konnte, wenn man nur wollte.
Dave nahm sich vor, diese Lektion zu beherzigen.

***

Bei der Besprechung waren nur die wichtigsten Offiziere seiner Truppe anwesend. Jeff Daines als Kapitän der NORTH – in diese Rolle war er mittlerweile übrigens sehr gut hinein gewachsen – Ernst Stahl als Chef des Dog Packs und Captain Norah Gallagher für die Marines. Dazu Sam Rogers für die Techniker an Bord.
Dave sah in die Runde. „Genug ausgeruht“, sagte er ernst. „Jeder Tag, den wir hier bleiben, kostet uns nur unnötig Geld und Zeit. Außerdem konnte ich sehen, dass jeder hier auf seine Kosten gekommen ist, oder?“
Dave sah zu Blue herüber, der betreten den Kopf senkte. Fünf seiner Leute waren in Prügeleien geraten, was beinahe böses Blut für die NORTH bedeutet hätte.
Sein Blick ging zu Gallagher, die sich offiziell nichts vorzuwerfen hatte. Aber ihre Jungs hatten nach Andersons Spezialmission beschlossen, ebenfalls Felderfahrung zu sammeln und sich schnell einen einschlägigen Ruf erworben.
Danach sah er Sam an, die errötete. Sie hatte die letzten Tage der Ruhe dazu benutzt, um durch die Ersatzteilbestände der Stadt zu toben und das Budget der NORTH erheblich belastet.
Der letzte Blick galt Steel. Der ruhige Industrial-Pilot erwiderte den Blick seines Commanders, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber er wusste, worauf Dave anspielte. Immerhin war er zusammen mit seiner Staffel Cat Shannon bei einem Angriff zur Hand gegangen.
„Morgen“, begann Dave und beendete das Thema damit, „kommen die vier Neuen an Bord. Ein Team habe ich über Cat bekommen, es werden also gute Leute sein. Das andere bekam ich über meine alten Kontakte. Steel, ich will, dass Sie mir die vier auf Herz und Nieren prüfen, bevor wir ihnen die Katze auf den Bug pinseln. Und mit Herz und Nieren meine ich, schlimmer als Sie ihre Staffel getrieben haben. Ist das machbar?“
Der Industrial verzog seine Mundwinkel zu einem zynischen Grinsen. „Denke schon, Commander.“
„Gut. Wenn sie unseren Anforderungen gewachsen sind, brechen wir auf.“
„Was ist das Ziel, Armstrong?“, fragte Blue.
„Wir suchen uns erstmal was Leichtes“, erwiderte Dave ernst. „Für uns geht es hoch nach Alaska, die Sowjets ärgern. Ein, zwei Frachtzigarren voller Gold sollten für den Anfang reichen.“

Gallagher ballte entschlossen die Fäuste. Sie hatte die Kommunisten noch nie gemocht. Und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch einen Angriff auf das Peoples Collective gutgeheißen. „Ich werde Kaperungsübungen ansetzen“, versprach sie.
Blue nickte. „Ich trimme meine Geschützmannschaften.“
Sam sah in die Runde. „Und meine Jungs und Mädels werden Reparaturen unter Zeitdruck üben, bis sie jede Mühle auf unserem Flugdeck auswendig kennen.“
Steel nickte leicht. Der Gedanke, gegen die Russen zu fliegen, gefiel ihm anscheinend.
„Und ich sorge dafür, dass auf unseren Maschinen bald ein paar rote Sterne prangen“, schloss er.
„Dann ist ja alles gesagt“, schloss Dave die Besprechung.
„Moment, warte mal“, begehrte Blue auf. „Was ist mit der LEVIATHAN?“
Daves Augen verengten sich zu Schlitzen. „Die LEVIATHAN nehmen wir uns vor, wenn wir sicher sind, das wir sie bis auf die letzte Schraube vernichten können. Ich will dabei nicht einen einzigen Mann verlieren, wenn wir sie zerquetschen wie eine reife Frucht. Denn diesen Triumph gönne ich denen nicht, wenn sie zur Hölle fahren. Okay?“
„Okay“, sagte Blue leise.
„Aber wir holen sie uns noch. Das ist ein Schwur…“ Dave sah auf. „An die Arbeit, Herrschaften.“

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„Soll das heißen, du brauchst den ganzen Scheiß über die ‚Leviathan‘ gar nicht?“ Elisabeth klang trotz der rüden Wortwahl fast erleichtert – ihr hatte der Gedanke nie gefallen, daß von Stahlheims Commander seine Vendetta verwirklichen könnte.
Der hochgewachsene Deutsche schüttelte den Kopf: „Doch – aber nicht sofort. Wie es aussieht will ‚Armstrong‘ vorher noch ein paar Bolschewisten kaltmachen. Da ist wohl was von der Ausbildung hängengeblieben...“ Seine Stimme klang zynisch.
„Alaska ist ein ziemlich unübersichtlicher Hexenkessel – Rote, Weiße, dazu auch noch Schmuggler und Piraten aller Couleur. Und ich habe gehört, daß die Japaner auf den Aleuten gelegentlich mitmischen. Sie haben dort etliche Kampfstaffeln, ein oder zwei leichte Zeppeline, Zerstörer und U-Boote.“
„Wir sind doch auch vertreten, oder?“
„Du meinst, im Sinne von Waffenbrüderschaft und Freundschaft? Soviel ich weiß, haben wir dort einen Funker. In Alaska selber haben aber jedenfalls die Japse mehr Leute als die Abwehr...“
„Damit kann ich leben. Wenn man sie nur richtig zu nehmen weiß...“
Um Elisabeths Lippen zuckte es, aber sie verkniff sich eine Bemerkung über Stahlheims Umgang mit Geheimdienstkontakten.
„Also hier – das ist alles, was ich über die Gegend auf Lager habe. Ziemlich dürftig.“
„Es muß reichen. Und es ist ja nicht so, als ob wir nach Scapa Flow fliegen.“
„Unterschätze die Russkis nicht. Für ‚Euch‘ sind das vielleicht nur ‚verjudete Untermenschen‘, aber die Roten sind verdammte Cracks. Ihre Infanterie läßt die Ledernacken wie einen Haufen Wohlstandsgören wirken. Und auch wenn die meisten Piloten nur Durchschnitt sind – die haben Asse, die stecken JEDEN Ami in die Tasche.“
„Sie werden nicht gerade die Elite im Einsatz haben – die stehen wohl eher an der polnischen und der chinesischen Grenze oder massakrieren die Weißen...“
„Hoffentlich.“ Sie klang aber immer noch skeptisch.
Von Stahlheim blickte Elisabeth direkt an und jetzt lächelte er, während er ihr einen Arm um die Schulter legte: „Mach dir keine Sorge. Ich pass‘ schon auf. Die Roten werden mich jedenfalls nicht `runterholen.“
„Du sollst überhaupt nicht abgeschossen werden!“ Sie schien selber über ihre Vehemenz überrascht.
„Ich verspreche es, ich werde vorsichtig sein.“
Elisabeth wirkte jetzt etwas verlegen: „Na ja – gut. Dann...wenn du weitere Informationen brauchst – du kennst die Kontaktstellen da oben?“
„Ja...“ Das klang fast abwesend. Von Stahlheim hatte in der Tat etliche Kontaktstellen im Kopf. Doch eine davon...Nun, was das betraf, so würde die Zeit ihm zeigen, was notwendig war.
„Und hier, das wirst du wohl auch noch brauchen.“ Das Päckchen, das Elisabeth ihm jetzt reichte, war ziemlich klein und der Agent nahm es vorsichtig und verstaute es sorgfältig, als wäre es explosiv.
Aber es war keine Bombe, es war der letzte Teil eines Mini-Funkgeräts, dessen Einzelteile von Stahlheim in den letzten Tagen an Bord des Zeppelins geschmuggelt hatte. Die Reichweite war nur begrenzt, Empfang- und Sendeleistung bescheiden und die Sendegeschwindigkeit gering. Dafür ließ sich das Gerät schnell und relativ leicht zusammenbauen und demontieren. Alle Bestandteile waren amerikanischer oder englischer Herkunft, nur der Bauplan war deutsch.
„Aber denk dran – das ist nur ein Kurzstreckengerät. Und wenn die dich anpeilen...Also das kannst du deinem Commander wohl kaum plausibel machen.“
„Es ist nur für den Notfall. Und ich werde es nicht gerade auf dem Nachttisch montieren. Sie müßten schon die Wände meiner Kabine abreißen, um die Einzelteile zu finden – und die meisten an Bord würden nicht mal WISSEN, was das ist.“
Elisabeth lachte sarkastisch: „Ja, vielleicht denken sie dann nur, es ist `ne Bombe...“ von Stahlheim überging das mit einem ironischen Achselzucken: „Eine Bombe kann man noch leichter erklären, ohne meine Tarnung zu gefährden. Egal. Wann gehst du auf Sendung? Von Tauten will...“
„Mach dir keine Sorgen um die alte Spinne. Er bekommt das Material schon rechtzeitig. Die Zentrale in New York geht sowieso nur alle zwei-drei Tage auf Sendung.“
Es entstand ein kurzer Augenblick verlegenes Schweigen. Obwohl beide bereits seit etlichen Jahren im Geheimdienst oder Kriegseinsatz standen, waren sie sich nicht ganz sicher, was sie jetzt sagen sollten. Von Stahlheim beendete die Unsicherheit, indem er Elisabeth umarmte und lange küßte: „Paß auf dich auf.“
„Sollte das nicht eigentlich mein Text sein, Soldat?“
von Stahlheim lachte kurz auf: „Na gut – dann passen wir halt beide auf.“
Und das war es. Mehr gab es nicht zu sagen. Beide wußten, es war vollkommen ungewiß, ob und wann sie sich noch einmal begegnen würden. Und als ‚Illegale‘ kannten sie auch nur zu gut die Gefahr, in der sie ständig schwebten...
Als von Stahlheim das Haus verließ, hatte er wieder den selbstsicheren, aber wachsamen Gang des ehemaligen Industrial-Fliegers und Söldners Ernst „Steel“ Stahl. Nur einmal drehte er sich um und winkte kurz.

***

„Haben Sie Spaß gehabt?“ Die Frage konnte Max sich nicht verkneifen, als Steel wieder auftauchte. Wußte der Geier, warum der Staffelführer noch mal kurzfristig in der Stadt gewesen war – na ja, vermutlich eine Frau.
„Halt die Klappe und kümmere dich um deine eigenen Scheiß-Angelegenheiten“ Aber das klang eher abwesend. Dann aber schien Steel sich wieder voll auf die Gegenwart zu konzentrieren: „Sind die Küken fertig?“
„Sam hat sie gerade rausgeschmissen.“
Da der Commander das „Volle Programm“ für die Neuen befohlen hatte, war Steel alles andere als gnädig gewesen. Zuerst hatte er die Neuen in die Maschinen gejagt und sie „Trockenübungen“ absolvieren lassen – sogar mit verbundenen Augen, um den Nachtflug bei ausgefallener Elektrik zu simulieren.
Dann mußten die Neuen sich medizinisch checken lassen, um anschließend von Sam betreffs ihrer technischen Fertigkeiten examiniert zu werden. Und nun...
„Was haben Sie noch mit denen vor? Ich meine, die werden sie noch auffressen, wenn Sie so weitermachen.“
Steels Lächeln war fast sadistisch zu nennen: „Der Commander wollte einen vollen Tiefencheck – und den kriegt er geliefert. Und wenn diese Idioten nicht parieren können, dann haben sie sowieso nichts verloren hier. Besser sie kriegen gleich jetzt ihre eigene Zähne zu fressen oder fliegen raus, als daß sie im Einsatz versagen.
Jetzt kommt noch mal ein kleines Frage-Antwort-Spiel, Taktik, Manöver, Feindeinschätzung und so – und dann wollen wir mal sehen, wie die Frischlinge fliegen können. Laß meine Maschine klar machen. Und sieh mal zu, wer von den alten Hasen mitmachen will, die Jungspunde über den Himmel zu jagen...“

***

Vier Stunden später

„Und Steel – wie sind sie?“
Von Stahlheim zuckte mit den Schultern und wirkte nicht übertrieben zufrieden: „Gute Mittelklasse würde ich sagen. Natürlich müssen sie sich erst mal in die Staffel einpassen. Und Ihr Nachtflug-Manöver würde ich ihnen noch nicht zutrauen. Aber Brigands sind meiner Meinung nach ja sowieso mehr als Zerstörer und Schlachtflieger geeignet, denn als Jäger - und in diesen Parametern halte ich sie für tauglich.“
„Also...“
„Nehmen wir sie. Etwas Besseres ist hier nicht auf die Schnelle zu finden. Und da Sie so schnell wie möglich in den Einsatz wollen...Die letzte Prüfung müssen sie natürlich erst noch liefern.“
Die ‚letzte Prüfung‘ würde der erste Luftkampf in dieser Einheit sein.
„Wenn wir starten, übernehmen zwei Maschinen ihrer Staffel Geleitschutz – und die Brigands.“
„Ja, Commander.“ Der hochgewachsene Deutschamerikaner straffte sich, nickte seinem Vorgesetzten knapp zu und wandte sich zum Gehen. An der Tür stoppte ihn allerdings Armstrongs Stimme noch einmal: "Steel. Sie sind mein bester Mann. Ich hoffe, das wissen Sie!"
Der Pilot drehte sich noch einmal um, ein knappes Lächeln auf den Lippen: "Danke Commander. Aber ich tue nur meine Pflicht." Er salutierte kurz und ging endgültig.
Das Lächeln blieb, während Steel in Richtung Hangar marschierte, wirkte jetzt zynisch´, aber auch ein wenig unbehaglich. Wenn Thomas Marquardt wirklich wüßte, wer Steel wirklich war und warum er angeheuert hatte...
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„Jahuu! Und wieder einen Kommi zu den Fischen geschickt!“
„Funkdisziplin, Klutz“, ermahnte Armstrong den Brigand-Piloten. Unter ihnen ging eine schwarzlackierte Devastator mit rotem Heck rauchend runter, direkt in die Beringsee.
„Schon gut, Boss“, meldete Klutz amüsiert. „Melde einen Abschuss, Devastator.“
„Registriert, Klutz. Ach, gratulieren Sie Stick von mir. Das war gute Arbeit.“
„Stick hier. Danke, Sir. Man sollte eben die Heckgeschütze einer Brigand mit erstklassiger Crew nicht unterschätzen.“
Armstrong grinste schief. „Über das erstklassig reden wir noch mal. Jetzt helft bei Silence aus.“
„Verstanden!“

Armstrong zog seine Fury in eine enge Kehre und ein wenig hoch, um die Orientierung über den Luftkampf zurück zu bekommen. Sie traten hier mit zwei vollen Staffeln gegen einen Frachtzeppelin und eine Begleitstaffel Devastator an. Zwei der Flieger lagen bereits im Bach, die dritte folgte gerade. Die anderen drei balgten sich mit den anderen Piloten seiner Staffel, während Rotte eins und zwei vom Dog Pack die Zigarre direkt angriffen.
„Armstrong, hier Armstrong. Steel, wie sieht es aus?“
„Sind gleich soweit, Chef. Zwei Antriebsgondeln beschädigt und zehn MG-Nester ausgeschaltet. Gallagher kann ihre Marines schon mal los schicken.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr, Steel“, kommentierte Armstrong.
Mit Dusk am Heck ging er wieder tiefer und beharkte eine achtlose Brigand in knallroter Lackierung, die versuchte, Steels Flieger vom Zeppelin abzudrängen.
„Er gehört dir, Dusk.“
„Danke, Chef.“ Melissa Vandersen löste sich von seinem Flügel und fuhr auf die Kommunisten nieder wie ein Racheengel. Aber im Gegensatz zum russischen Devastator-Piloten wusste sie die Heckbewaffnung einer Brigand recht gut einzuschätzen und zu umgehen. Zuerst färbte sich das Glas um den Heckschützen rot, danach das Cockpit.
Es war eine alte Regel aus dem Großen Krieg, aufgestellt von Manfred von Richthofen, der noch immer als einer der Top-Piloten galt und den Ehrentitel Roter Baron trug, selbst Jahre nach seinem Tod: Griff man den Piloten an, schaltete man die ganze Maschine aus. So einfach war das. Und so effektiv.
Führerlos geworden begann die schwere Maschine zu trudeln und in die eisige Beringsee zu stürzen.
„Nummer vier“, murmelte Armstrong mehr zu sich selbst. „Langsam wird es Zeit. Dusk, komm zurück.“
„Verstanden, Chef.“
„KIEV, KIEV, ich rufe Sie. Stellen Sie den Kampf ein und ergeben Sie sich. Ich wiederhole, stellen Sie den Kampf ein und ergeben Sie sich.“
„Niemals, Sie verdammter Imperialist! Wir kämpfen bis zum letzten Blutstropfen für unser Volk und unsere Freiheit! Wir…“
„Der letzte Blutstropfen ist bald erreicht. Wollen Sie sinnlos sterben? Und nützen Sie damit der Revolution?“, konterte er die Stimme mit hartem russischen Akzent. „Ergeben Sie sich und leisten Sie keinen Widerstand. Dann garantiere ich für Ihre Leben, KIEV.“
„Und wer soll Ihnen das glauben, Tovarisch?“, kam die patzige Antwort.
„Wir sind das Dirty Pack“, antwortete Armstrong ernst.
„Das…Oh.“
Mit der KIEV würde das Pack den vierten Frachtzeppelin erobern, der Alaska verließ, um die russische Heimat mit den reichhaltigen Bodenschätzen des neuen Kontinents zu versorgen. Dave war sich sicher, sie hatten sich unter den russischen Piloten und Besatzungen schon einen gewissen Ruf erworben. Das sie in Übermacht angriffen war sicherlich ein Teil davon. Das sie aber keine Piloten und Mannschaften töteten, die sich ergeben hatten, war ein anderer Teil.
„Wir ergeben uns.“
Armstrong atmete auf. Die drei erlösenden Worte, die dem Massaker ein Ende setzten. Und auch der Gefahr, dass doch noch einer meiner Leute abgeschossen wurde.
„Gut. Lassen Sie Ihre beiden überlebenden Devastator landen, KIEV. Sobald dies geschehen ist, schicken wir Hoplites mit Entermannschaften. Danach sehen wir uns mal an, was Sie so geladen haben.“
„Verstanden, Dirty Pack.“
„Steel, schaffen Sie es hier draußen alleine? Ich will mit den Hoplites übersetzen.“
„Wenn Sie mir Dusk und Klutz da lassen, kein Problem.“
„Dusk?“
„Klar, Boss.“
„Klutz, gute Arbeit. Fliegen Sie hohe Sicherung.“
„Verstanden, Chef.“
Okay, Silence, Rocket, Rainmaker, zurück zur NORTH.“
„Verstanden!“
„Klar, Chef.“
„Ja.“
Dave zog seine Fury herum und nahm Kurs auf ihre NORTH STAR, die in der felsigen Küste Alaskas auf den Frachter gelauert hatte. Nummer vier. Das Pack hatte Frachter Nummer vier geentert. Wenn das so weiterging und die Zusammenarbeit innerhalb der Staffeln dank Steel noch besser wurde, konnten sie es durchaus bald mit einem gleichstarken Gegner aufnehmen.
„NORTH STAR, NORTH STAR, Cat Pack Leader hier. Komme mit Rainmaker, Rocket und Silence zurück. Und, Blue, halte einen Hoplite für mich zurück.“
„Verstanden, Chef.“

***
Seit Armstrong auf Shannons Tipp hin mit seiner Zigarre nach Alaska gezogen war, wurde ihm immer mehr klar, wie goldrichtig der Tipp gewesen war. Durch vorsichtiges Navigieren und eine gute Voraufklärung in den russischen Verladehäfen, die wie Pilze aus dem Boden schossen und öfters englische statt russische Namen trugen, hatte sich das Dirty Pack bereits viermal leichte Beute geschossen. Dabei war es Armstrong nicht primär um die Fracht gegangen, eher um die Chance, gegen die russischen Piloten anzutreten und seine beiden Staffeln an den gemeinsamen Kampf heran zu führen.
Die Russen waren keine schlechten Piloten, gut ausgebildet und hoch motiviert.
Aber gegen eine Übermacht und gut eingespielte Teams hatten sie letztendlich keine Chance gehabt. Durch dieses taktisch kluge Vorgehen war es bisher noch nicht zu Verlusten im Dirty Pack gekommen. Aber sobald sie in einen Hinterhalt gerieten – den die Kommunisten sicher bald legen würden – oder an ein Aß der Russen gerieten, würde es diese Verluste geben. Armstrong war irgendwie neugierig, wie seine Leute mit dieser Situation umgehen würden. Und wie sie den ersten Toten in den eigenen Reihen verkrafteten.
Denn irgendwann würden auch Leute aus den eigenen Reihen sterben, das war die Natur im Leben eines Piloten in den ehemaligen USA.
„Wir sind gleich da, Chef“, sage Gallagher ernst.
Armstrong sah auf und erkannte, wie die Zigarre der Russen immer näher kam. Bisher hatten sie mit ihrer Beute Glück gehabt. Es waren nicht gerade Berge von Gold gewesen, die sich ihnen aufgetan hatten, aber für die mangelnde Bewachung waren die Frachträume gut gefüllt gewesen.
Armstrong wurde klar, wie wichtig die Schatzkammer Alaska für die Russen mittlerweile geworden war.

Sie flogen in den Hangar ein, direkt neben zwei weitere Hoplites der NORTH, mit denen bereits Soldaten übergesetzt hatten. Professionell hatten sie das Hangardeck unter Kontrolle gebracht und die anwesenden Piloten und Techniker zusammen getrieben.
Armstrong stieg aus, ging, Gallagher neben sich, auf die Gruppe Russen zu.
„Mein Name ist Dave Stone. Ich bin der Anführer des Dirty Packs. Wenn Sie alle kooperieren, wird Ihnen nichts geschehen, darauf haben Sie mein Wort. Darüber hinaus werden wir Ihre persönliche Habe nicht anrühren, wenn Sie unseren Anweisungen folgen.“
Leises Murren antwortete ihm. Einige schienen kein englisch zu können, aber die geladenen Waffen sprachen eine eigene Sprache.
Armstrong zuckte mit den Schultern. „Frachträume und Brücke besetzen, Captain.“
„Aye, Sir.“

Armstrong folgte der Gruppe, die zur Brücke der KIEV unterwegs war. Er wollte ein paar Takte mit dem Kapitän sprechen.
Sie trafen auf keinen Widerstand.
„Wer hat hier das sagen?“ Stille antwortete ihm. Bis Dave dämmerte, warum sich niemand meldete. Es war ein schlechter Witz unter Piraten und Freibeutern, dass man fragte, wer das Kommando hatte, nur um ihn zu erschießen, damit irgendwann jemand sagte: Sie haben das Kommando.
„Okay, lassen Sie mich das anders formulieren. Wer ist der ranghöchste Offizier an Bord?“
Ein Mann mit langem Bart und khakifarbenen Wollpullover erhob sich. „Ich bin der Kapitän.“
Dave nickte dem Mann zu. „Gut. Wenn Sie kooperieren, haben Sie nichts zu befürchten. Wir nehmen uns nur die Fracht und verschwinden wieder.“
„Verdammte Imperialisten“, zischte eine Stimme neben Dave. „Es muss befriedigend sein für Sie, dem darbenden russischem Volk das wenige zu stehlen was es hat.“
„Vassili!“, rief der Kapitän scharf, aber der Mann hatte sich in Rage geredet.
„Imperialisten und Zarentreue! Die Roten Falken werden das nicht hinnehmen! Eurem menschenverachtendem System…“
Ich zog seufzend meine Waffe und richtete sie auf den Mann. Sofort verstummte er.
„Kümmern Sie sich um ihn, Kapitän, oder soll ich das tun?“
Der bärtige Mann wurde bleich. „Sicher, Sir, ich werde mich um ihn kümmern.“ Er kam herüber und redete auf russisch auf den Mann ein. Der senkte den Blick, blieb aber zornig.
„Übrigens, junger Mann, es geht mir nicht darum, dem russischen Volk zu schaden oder mich mit Ihren Roten Falken anzulegen“, sagte Dave ernst. „Und es geht mir auch nicht darum, den Kapitalismus zu stützen.“
Der Mann sah auf. „Was wollen Sie dann?“
Armstrong zuckte mit den Achseln. „Reich werden. Sie sind einfach nur leichte Beute auf dem Weg dahin. Wir nehmen von jedem: Kommunisten, Imperialisten, Demokraten, Banditen und Anarchisten.“
„Was ist das für ein System?“, fragte der junge Mann erstaunt. Es war offensichtlich, dass die Partei ihn indoktriniert und auf den Klassenkampf vorbereitet hatte.
„Piraterie“, sagte Dave schlicht.

***
Abends waren die Umladearbeiten beendet. Die KIEV hatte zweitausend Robbenfelle geladen gehabt, Eisenerz, zwei Tonnen gesalzenen Lachs und noch ein paar Kleinigkeiten, die als Bonmots einiges einbringen würden. Von der Hauptladung, Rohöl, hatte das Dirty Pack soviel übernommen wie es möglich war.
„Die Beute ist etwas einseitig“, stellte Blue fest. „Immer nur Erze, Robbenfelle, Rohöl und konservierte Nahrung.“
„Tut mir Leid, Jeff, aber ich denke nicht, dass wir es bereits mit einem ihrer Goldfrachter und seinem Begleitschutz aufnehmen können.“
„Das meinte ich nicht. Die Felle werden wir in Pazifica teuer verkaufen können, das Erz werden wir relativ gut los. Ebenso das Öl. Aber das Fleisch und der Fisch…Wir servieren bereits seit einer Woche zu jeder Mahlzeit Lachs.“
„Vielleicht sollten wir dann mal einen der Frachter überfallen, die nach Alaska fahren?“, fragte Armstrong. „Vielleicht haben sie ja Kaviar geladen?“
„Ja, ja, mach dich nur lustig über mich. Was ich wissen will ist, wie lange noch, bevor du meinst, wir haben genug mit den Russen geübt?“
„Für dieses Mal streichen wir die Segel, Blue“, sagte Dave ungewöhnlich ernst. „Wir hatten Gelegenheit, jeden einzelnen Piloten unter Druck zu beobachten und zu beurteilen. Wenn wir zurückkommen können wir uns mal einen größeren Fisch aussuchen. Aber erst einmal sollten wir die Waren verkaufen. Nicht, dass wir zu den Bedingungen der Kommunisten auf ein stärkeres Team treffen. Die Russen haben auch Asse hier oben.“
„Und wie lange dauert es, bis wir für deinen speziellen Freund bereit sind?“
Armstrong sah zu Boden. „Noch lange nicht. Und wenn wir ihn angehen, dann nicht allein. Soll meinetwegen der Himmel brennen, aber ich lasse diese Zigarre und keinen einzigen an Bord mit dem Leben davonkommen. Ist es das, was du hören wolltest, Blue?“
„Das nicht alleine gefällt mir besonders. Du hast dabei doch nicht an Cat Shannon gedacht? Ich weiß dass du eine hohe Meinung von ihm hast, aber ehrlich gesagt, komme ich immer noch nicht mit ihm klar.“
Dave lachte leise. Jeff Daines hatte Cat vom Himmel geholt, bevor er Pirat geworden war – ironischerweise unter Shannon. Aber so ganz verziehen hatte Shannon es dem ehemaligen BAS-Piloten noch immer nicht. „Es muß nicht unbedingt Shannon sein. Mittlerweile sollte sich die LEVIATHAN genügend Feinde gemacht haben, dass wir uns unsere Verbündeten aussuchen können. Wir…Ja, Winter?“
Der Erste Offizier der NORTH salutierte vor den beiden. „Commander, Kapitän. Soeben kamen Befehle für uns an.“
„Jetzt schon?“ Armstrong nickte dem Mann zu. „Das erscheint mir etwas früh zu sein. Aber sehen wir uns mal an, was Texas zu sagen hat.“

**
Fünf Minuten später schüttelte Dave nachdenklich den Kopf. „Woher wissen sie, wo wir sind? Ist ihr Agentennetz so gut aufgestellt?“ Er reichte den dechiffrierten Befehl an Blue weiter.
„Aleuten? Okay, denen sind wir gerade näher als Kanada. Aber dort hocken die Japse. Und glaub mir, die haben dort bestimmt einen Haufen guter Piloten sitzen, mit denen sie ständig die Russen ärgern.“
„Lies weiter“, forderte Dave ihn auf.
„D-das…Das ist…Wenn die Japse das dechiffrieren, fliegen wir direkt in die Hölle hinein.“
Armstrong wandte sich der Karte zu, die an der Wand der Brücke hing. „Wenn wir direkt übers Meer fliegen und Rote Route eins kreuzen, können wir in zwei Tagen da sein.“
„Das beraubt uns unserer Deckung, Armstrong“, gab Jeff zu bedenken.
„Richtig, in Küstennähe können wir uns leichter verstecken. Aber ich will da schnell rein und schnell wieder raus.“ Armstrongs Hände verkrampften sich. „Was denkt sich Texas eigentlich dabei? Wir sollen in diesem Hexenkessel als Schürhaken das Feuer noch mehr anfachen?“
Resignierend seufzte er. „Wir ändern sofort den Kurs. Such uns eines der schwächeren Flugfelder aus. Angriff im Morgengrauen. Eine Staffel geht ran, die andere sichert unsere Zigarre. Ach, und gib Sam Anweisung, die Maschinen der zweiten Staffel umzulackieren.“
„Du willst Steel als Kommunist da raus schicken? Welche Ironie.“
Armstrong hustete unterdrückt. „Ja, nicht wahr? Ich glaube zwar nicht dran, dass wir die Japaner mehr als ein wenig ärgern können, aber das ist ja auch nicht unser Auftrag. Steel wird seinen Job machen, wir werden wieder verschwinden, und dann ruhen wir uns ein paar Tage in Seattle aus.“
„Darf ich es Steel sagen? Ach, bitte, Armstrong.“
„Meinetwegen, Blue.“

Der Kapitän der NORTH verließ mit Dave zusammen die Brücke. Vor der Messe ließ Armstrong dem Freund den Vortritt.
Als sie die Tür öffneten, klangen ihnen schon die Stimmen der Marines und Piloten entgegen, die lautstark über den heutigen Kampf diskutierten.
Steel war nicht heraus zu hören, aber Armstrong war sich sicher, dass der Mann mit den anderen Piloten am Tisch saß. Die Gelegenheit, seine Manöverkritik auch an Armstrongs Staffel zu verteilen ließ sich der Industrial sicher nicht entgehen.
Blue grinste Dave noch mal frech an, dann trat er ein. Zielsicher fand er Steel zwischen Hammer und Max. Letzteres ließ ihn kurz die Stirn runzeln.
Armstrong sah dabei zu wie Blue lächelnd auf Steel zuging. Der Industrial-Pilot musterte den Kapitän der NORTH mit hochgezogenen Augenbrauen. Das war mit Sicherheit ein ungewöhnlicher Anblick für ihn.
„Ernst, kann ich Sie kurz sprechen?“
Nun war der Chef des Dog Pack vollends misstrauisch. Doch er erhob sich und folgte Blue auf den Gang, wo Armstrong noch immer wartete.
„Ernst“, eröffnete Jeff Daines, nachdem Steel den Commander fragend gemustert hatte, „wir haben Befehle aus Houston bekommen. Bevor wir runter nach Pazifica fliegen, gibt es noch einen Auftrag auf den Aleuten zu erledigen. Wir sollen ein Flugfeld der Japse ausräuchern. Dafür will der Commander Ihre Staffel aufbieten.“
„Nun, wenn wir uns ein abgelegenes Feld aussuchen sollte das ohne Weiteres möglich sein“, merkte Steel vorsichtig an, der anscheinend noch immer auf den Pferdefuß wartete.
„Ernst, die Befehle sind eindeutig. Ich werde sofort Anweisungen geben, Ihre Maschinen umzulackieren.“ Blue atmete tief ein als fielen ihm seine nächsten Worte sehr schwer. „Die neue Bemalung wird schwarz sein, mit roten und silbernen Hecks und Highlights.“
Steel starrte den Mann aus Empire State an wie einen Geist. „Moment. Sagen Sie mir nicht, wir greifen die Japaner als…Kommunisten an?“
Jeff Daines grinste breit. „Sie haben es erfasst, Ernst.“
„Und der Tag hat gerade so schön aufgehört“, stöhnte der Mann aus den Industrials.
31.01.2020 19:21 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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Armstrong wollte sich bereits zum Gehen wenden, als ihn Steels Stimme innehalten ließ: „Commander, mir gefällt die Sache überhaupt nicht. Die Japaner, das ist etwas anderes als ein Stippangriff auf ein Piratennest.“
„Gegen die Russen hatten Sie keine derartigen Bedenken.“
„Die Russen – Pah! Außerdem ist es eine Sache, den Bolschewiken ein paar Lastzeppelins abzuknöpfen. Es ist etwas ganz anderes, für einen Furz auf der Landkarte wie Texas die Drecksarbeit zu erledigen und zwei Großmächte zu verarschen. Und das auch noch für lau!“
„Damit hätten Sie rechnen müssen, als Sie auf einem texanischen Kaperer anheuerten.“
„Aber wir sind Freibeuter. Keine beschissene Kommandoeinheit.“
Armstrong war etwas irritiert. Er hatte Steel für etwas wagemutiger gehalten: „Ich habe meine Anweisungen, Steel – und Sie auch. Wollen Sie jetzt mauern, oder tun Sie gefälligst, was man Ihnen sagt?! Ich dachte, bei den Industriels hätte man etwas mehr Mumm in den Knochen. Und etwas mehr Disziplin!“
Dem hochgewachsenen Deutschamerikaner lag offenbar eine bissige Antwort auf der Zunge, aber dann beherrschte er sich. Seine Stimme klang gepresst und fast übertrieben förmlich: „Erlaubnis, einen Vorschlag machen zu dürfen?“
„Lassen Sie den Affenzirkus. Natürlich können Sie das.“
„Die Japse haben gute Fla-Kanoniere und gute Jagdpiloten. Aber sie verfügen weder über Funkmess, noch über sehr viele Nachtjäger. Das könnten wir uns zunutze machen. Lassen Sie uns einen Nachtangriff fliegen. Die Dunkelheit gibt uns Deckung. Wir schmeißen ein paar Bomben, ballern ein wenig rum, lassen unsere Bolschewisten-Mühlen von den Scheinwerfern etwas anleuchten – und verschwinden. Wir können sogar ein paar Bomben beschriften, die Russen machen das manchmal. Wenn wir den Japsen ein paar Blindgänger und Bombensplitter mit kyrillischen Buchstaben dalassen, werden sie schon kapieren, woher die kommen.
Außerdem können wir so auch die Nachtflugfähigkeiten unserer Piloten testen. Und wir minimieren die Gefahr, in heftigere Luftkämpfe oder Flakfeuer zu geraten.
„Wir minimieren auch den Erfolg“ schaltete sich Blue ein, der irgendwie nie so richtig mit Steel warm geworden war.
Der Staffelkapitän tat den Einwand mit einem Schulterzucken ab: „Es geht doch sowieso nur darum, die Japse zu reizen. Mit einer Staffel haben wir doch ohnehin kaum genügend Feuerkraft, den Flugplatz RICHTIG zu verwüsten. Dazu bräuchten wir schwerere Kaliber. Aber das ist ja auch nicht Sinn der Sache…“
Armstrong überlegte kurz. Die Nachtflugübungen waren seine Idee gewesen, deshalb gefiel ihm Steels Vorschlag. Außerdem war es wirklich relativ unerheblich, wie viel Schaden sie anrichteten – solange die Japaner nur ordentlich gereizt wurden und auch erfuhren, wer die „Täter“ waren. Und nicht zuletzt versprach Steels Idee, das Risiko für die Piloten zu verringern – zumindest das Risiko, das von den Japanern ausging…
„Glauben Sie, dass ihre Piloten das schaffen?“
„Wenn sie es jetzt noch immer nicht schaffen, dann haben sie in der Luft nichts verloren.“
„Und Sie glauben, dass sie das Flugfeld finden können?“
„Ich garantiere es ihnen.“ Steel schien sich seiner selbst völlig sicher.
„Also gut, wir machen es so. Bereiten Sie ihre Staffel vor – Sie haben zwei Tage.“
„Jawohl, Commander.“ Steel salutierte knapp und marschierte ab, jetzt wieder selbstsicher und beherrscht wirkend.

Sobald Steel in seiner Kabine war, veränderte sich sein Gebaren schlagartig. Mit einem lautlosen Fluch hämmerte er die Faust gegen die Wand. Das erleichterte ihn allerdings nur unwesentlich. Verdammt!
Mit einer solchen Situation hätte er rechnen müssen – aber er hatte es nicht. Natürlich, im Gegensatz zu diversen Spionageschmökern kam es eigentlich so gut wie nie vor, dass ein Agent aktiv gegen die eigenen Leute oder Verbündete kämpfen musste. Aber genau das stand ihm jetzt wohl bevor.
Japan war ein Verbündeter des Reiches. Schlimmer noch, von Stahlheim hatte selber als Verbindungsmann in der japanischen Armeeluftwaffe gedient. Er hatte dort Freunde gefunden, war für seinen Dienst und den Abschuss eines Piloten der „Flying Tigers“ mit der japanischen Tapferkeitsmedaille geehrt worden. Und das galt ihm viel.
Er hatte amerikanische und russische Piloten abgeschossen, ohne zu zögern. Aber nun…
Er hatte getan, was möglich war. So würde er den Schaden gering halten können, ohne seine Tarnung gefährden zu müssen. Aber er war nicht gerade glücklich damit.
Realistisch betrachtet hatte er sich nicht weigern können, waren sogar seine Bedenken bereits ein Fehler gewesen. Ernst „Steel“ Stahl hatte es egal zu sein, gegen wen er flog.
Kurz hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, den Angriff zu nutzen um überzulaufen. Seine Maschine war mit dem Nitro-Booster ausgerüstet. Wenn er sie sicher landen konnte, würde er auf jeden Fall diesen Teil seines Auftrages erfüllt haben.
Doch er hatte diese Idee sofort verworfen. Es war zu riskant, mitten in einem Luftangriff überzulaufen – er würde Gefahr laufen, von BEIDEN Seiten unter Feuer genommen zu werden. Die Abwehr würde es kaum zu schätzen wissen, wenn der Nitro-Booster zuerst einmal in die Hände Japans fiel, im Rahmen einer überstürzten Flucht, und der japanische Generalstab über die Weitergabe zu befinden hatte. Diese Option war nur für einen Notfall reserviert. Außerdem blieb da immer noch der zweite Teil seines Auftrages: Informationen über die amerikanischen Freibeuterbanden zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Ein so plötzliches Überlaufen würde seine Tarnung garantiert auffliegen lassen und hätte alle jene Agenten gefährdet, mit denen er in letzter Zeit Kontakt gehabt hatte.
Noch einmal fluchte von Stahlheim lautlos. Aber er hatte eigentlich keine Wahl. Er würde den Angriff fliegen müssen. Und er konnte nur die Seelen jener Männer um Verzeihung bitten, die er würde töten müssen. Von Stahlheims Gesicht nahm einen harten, fast grausamen Ausdruck an, während er in Gedanken Armstrong verfluchte. Armstrong und dessen überambitionierte texanische Befehlshaber, die glaubten, unbedingt zwei Großmächte gegeneinander aufhetzen zu müssen, gegen die Texas nur ein Fleck auf der Landkarte war.
Er würde seine Pflicht tun. Doch zuerst…

Jetzt waren seine Bewegungen schnell, kontrolliert, hundertfach geübt. Zuerst vergewisserte er sich, dass die Tür verschlossen war. Dann entfernte er eine Platte der Wandverkleidung. Dahinter kam ein kompaktes Funkgerät zum Vorschein, dessen Einzelteile er bereits in Sky Haven besorgt hatte. Von Stahlheim setzte die Kopfhörer auf – aber so, dass er immer noch mit einem Ohr auf den Gang hören konnte. Diese Technik lernte man als Agent besser früher als später. Sein Gesicht nahm einen konzentrierten, suchenden Ausdruck an. Nach kurzem Suchen hatte er die Frequenz der Abwehrstation gefunden. Der Funkkontakt dauerte nicht einmal eine Minute. Steel sendete die verschlüsselte Botschaft, eine Ziffernkette, und brach den Kontakt bereits ab, bevor der andere Funker sein `Bestätigt’ komplett hatte.
Nur wenige Augenblicke später war die Funkanlage wieder verborgen hinter der Kabinenwand. Von Stahlheim stand auf und verließ die Kabine. Er hatte einen Angriff vorzubereiten und er durfte sich keinen Fehler erlauben.
31.01.2020 19:23 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
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