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Zum Ende der Seite springen Lüge und Verrat - Ein Batteltech-Roman von Taras Amaris
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Lüge und Verrat - Ein Batteltech-Roman von Taras Amaris Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Kapitel 1

Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Zerstörter Außenbezirk "Playgrounds"
06. Februar 3025

Tyr blinzelte einen Schweißtropfen von seinem linken Augenlid und fluchte lautstark, als der 75 Tonnen schwere Battlemech unter seiner Kontrolle nach rechts taumelte und mit den kläglichen Resten eines Gebäudes kollidierte. Die hoch aufragende, rußgeschwärzte Mauer brach unter lautem Getöse in einer meterhohen, dichten Staubwolke in sich zusammen während der Khopesh kurz strauchelte. Schnell schloss er die Augen und mahnte sich zur Konzentration. Dies war sein erster Kampf in der über 500 Jahre alten Kampfmaschine wie auch innerhalb der Spielergemeinschaft des Planeten. Uljana und er hatten all Ihre verbliebenen Ersparnisse in eine Wette auf seinen Sieg gesteckt. Er durfte nicht versagen.
Tief atmete er aus und öffnete dann wieder die Augen.
Noch immer breitete sich die Staubwolke in der von Ruinen gesäumten, breiten Straßenschlucht aus. Die Playgrounds waren vor langer Zeit ein dicht besiedeltes Viertel der Bezirkshauptstadt gewesen, dessen Ende in Form einer marodierenden Einheit gekommen war. Nach den schweren Kämpfen und einer folgenden Feuersbrunst hatten die überlebenden Bewohner das Gebiet verlassen und dem Verfall Preisgegeben. Seit wenigen Jahren tobten nun erneut Gefechte durch die Straßenschluchten. Organisierte Kämpfe auf deren Ausgang horrende Summen gesetzt wurden.
Hier trafen ausgebrannte Mechkrieger und Piraten, verzweifelte Söldner und anderer Abschaum aufeinander, denn anders als auf der Spielewelt Solaris gab es hier so gut wie keine Regeln. Die Startgebühren waren lachhaft und man benötigte keine teure Lizenz um seinen Mech in einen Kampf zu steuern.
Eine Bewegung in einer Seitenstraße keine 200 Meter von seiner Position entfernt riss ihn aus seinen Gedanken. Gemächlich schritt ein riesiges, vierfüßiges Monstrum auf die Hauptstraße und drehte sich dann in seine Richtung.
Das 100 Tonnen schwere Ungetüm, welches sich ihm nun langsam näherte, hatte seine Laufbahn vor Ewigkeiten als Mech für großangelegte Bauprojekte begonnen, was aber nun kaum noch zu erkennen war. Massive, rostige Panzerung zog sich über den riesigen, spinnenhaften Körper des Kisu. Sein Gegner hatte die Schutzklappen der kastenförmigen Startrampen der KSR-Lafetten zu beiden Seiten des Cockpits bereits geöffnet und auch die Läufe der mittelschweren Laser unterhalb dieses Bereichs wiesen bedrohlich in seine Richtung.
Ein kurzes Knacken in den Lautsprechern des klobigen Neurohelms gefolgt von der Stimme seines Gegners ließen ihn aus seiner Schockstarre erwachen.
„Das hier muss nicht mit deinem Tod enden, Junge. Es klebt genug Blut für zwei Lebzeiten an meinen Händen. Schalt deinen Reaktor ab und steig aus dem Schrott, den du Mech nennst, dann können wir alle nach Hause gehen.“
Die Worte von Stephano Gallierdi ließen Tyr schlucken. Der alte Mann hatte zumindest mit einer Tatsache Recht. Es klebte wirklich viel Blut an seinen Händen. Alleine hier auf Astrokaszy hatte er mindestens fünf Mechpiloten im Kampf getötet. Und das mit einem Industriemech.
Kurz schüttelte er den Kopf um seine Gedanken zu fokussieren und spannte die Kiefermuskeln an um einen Funkkanal zu öffnen.
„Das hier wird nicht mit meinem Tod enden, Gallierdi. Ich werde dir mit dem Schrott gleich so mächtig in den Hintern treten, dass du freiwillig aus deiner Maschine steigst. Youngblood Ende.“
Damit schloss er den Kanal und aktivierte den antiken Feuerleitcomputer während er den Khopesh in der Mitte der breiten Straße abstellte. Die alte Technik hatte bereits Probleme, sich bewegende Ziele zu erfassen. Befand sich der Khopesh selbst in Bewegung waren Treffer reine Glücksache.
Langsam zog er das Fadenkreuz in seinem Sichtfeld über die massige Gestalt des Kisu und wartete, bis die flackernde, grüne Entfernungsanzeige im unteren Bereich 180 Meter anzeigte.
Dann presste er die Auslöser seiner beiden Primärwaffen voll durch.
Das schwere, rückstoßfreie Geschütz in seiner rechten Armmanschette stieß einen meterlangen Flammenstrahl durch Öffnungen an seiner Rückseite aus und schleuderte das massive Projektil seinem Gegner entgegen, während die Partikelprojektorkanone in der rechten Manschette sich zuerst knisternd mit Energie auflud, die sich dann in einem gleißenden Strahl kreischend manifestierte.
Die schwere Granate prallte im ungünstigen Winkel an der rechten Raketenlafette des Kisu ab und verschwand dann jaulend aus seinem Blickfeld, wohingegen die aufgeladenen Partikel in einer Orgie der Zerstörung Panzerung vom vorderen, linken Bein der Maschine seines Gegners rissen.
Der Impuls des künstlichen Blitzstrahls ließ jedoch auch alle Monitore in seinem Cockpit kurz flackern und ein Blick auf die Statusanzeige des Khopesh bestätigte seine schlimmsten Erwartungen.
Der primitive Reaktor des Battlemechs mochte Störungen während des Betriebs gar nicht und die Masse an elektrischen Interferenzen welche die Betätigung der PPK mit sich brachte, führten nun zu Fehlfunktionen, welche Uljana verharmlosend einen Schluckauf nannte.
Gerade noch rechtzeitig drehte er die Kühlleistung seiner Weste auf Maximum als auch schon die höllische Hitzewelle über ihm zusammenschlug.
Gleichzeitig mit ihm hatte auch der Pilot des Kisu das Feuer eröffnet. Einer der mittelschweren Laser verfehlte sein Ziel und hinterließ eine rotglühende Spur auf dem verwitterten Asphalt vor dem Khopesh. Der zweite jedoch kochte Panzerung in einer ausgefranzten Spur von seinem rechten Bein. Von den zwölf Kurzstreckenraketen die, auf feurigen Antriebsflammen auf ihn zu donnerten, detonierten acht auf seinem Torso und den Armen in grellen Feuerbällen.
Tyr musste all sein, zugegeben beschränktes, Können in die Steuerung investieren um den schweren Battlemech vor einem Sturz zu bewahren. Mit einem holprigen Schritt rückwärts stabilisierte er den Stand seiner Maschine und blickte dann auf die Anzeigen um ihn herum um seine Möglichkeiten durch zu gehen.
Der Khopesh war überhitzt. Nicht schwerwiegend, aber doch so sehr, dass sich ein Einsatz der PPK verbot. Zumindest bis das Hitzelevel auf ein erträgliches Maß abgesunken war.
Der Kiso rückte weiter vor, wobei er das getroffene Bein nur vor sich her zu schieben schien.
Der Partikelstrahl musste den Aktivator oder die Myomermuskulatur beschädigt haben.
Sein Blick fiel auf das ausgebrannte Wrack eines gepanzerten Halbkettenfahrzeugs, welches nur einen Meter links neben seiner Maschine auf der Straße stand.
„Na gut, Gallierdi. Dann spielen wir das hier auf die schmutzige Art.“
Die Worte waren nur an ihn selbst gerichtet, während er den Torso des Battlemechs nach unten neigte. Mit der linken Kralle, die unter der Waffenmanschette angebracht war, griff er das Fahrzeugwrack und beschleunigte den Khopesh dann auf Höchstgeschwindigkeit.
Noch während er sich wie ein Bowlingspieler wieder aufrichtete, schwang er den linken Arm nach hinten und dann wieder nach vorn, wobei er den Griff um das Wrack löste.
Die Reste des Halbkettenfahrzeugs trudelten durch die Luft auf den Kiso zu, der völlig perplex stehen geblieben war.
Auch die Zielerfassung ließ das Fadenkreuz über dem gegnerischen Mech aufblinken und Tyr löste erneut das rückstoßfreie Geschütz, diesmal jedoch in Kombination mit dem darüber montierten mittelschweren Laser und der Kurzstreckenraketenlafette, welche auf seinem rechten Torso thronte.
Der Strahl grellen Lichts des Lasers zog eine rot glühende Furche über das rechte Bein des Kiso während die Granate des Geschützes in den Torso einschlug, wo sie in einer grellen Explosion große Brocken aus der Panzerung riss. Die Salve der sechs KSR war zu hoch angesetzt und zog bis auf ein Geschoss über den Gegner hinweg um auf einem verwüsteten Platz kurz hinter dem Kiso den Asphalt aufzureissen.
Die letzte Rakete erwischte den überschweren Industriemech direkt neben der Cockpitscheibe und ließ eine feurige Blume dort aufblühen, die den Mechkrieger einen Schritt zurück trieb.
Dann traf das geschleuderte Fahrzeugwrack berstend auf den Torso des Mechs und zerbrach in mehrere große Trümmerteile, die auf die Straße regneten.
Gallierdi wurde von dem plötzlichen Wechsel zu einer wesentlich aggressiveren Kampfweise völlig überrumpelt. Das Antwortfeuer seiner beiden KSR Lafetten war überhastet und ungezielt. Die zwölf Raketen heulten links und rechts an dem vorpreschenden Khopesh vorbei ohne Schaden zu erzielen.
Auf seinem 360 Grad Rundumdisplay konnte Tyr einen zweiten Helikopter ausmachen, der sich dem Kampf zwischen den beiden Mechs näherte. Zweifelsohne um eine weitere Perspektive für die Trivid Übertragung zu erhalten. Still lächelte er in sich hinein.
Dass die Spielleitung einen weiteren Hubschrauber herbei beorderte hieß, dass mehr Zuschauer Interesse an dem Gefecht zeigten. Und das hieß mehr Prämie für ihn und Uljana.
Nur noch dreißig Meter trennten die beiden Stahlgiganten voneinander als die Piloten noch einmal die Waffen auslösten.
Diesmal wurde der Khopesh von dem zurückweichenden Kiso mit einem Alphaschlag, also dem Feuer aus allen Waffen, belegt.
Die beiden mittelschweren Laser vereinigten ihre Zerstörungskraft auf dem linken Torso des schweren Battlemechs, während die volle Anzahl der KSR sich mit Einschlägen über alle Bereiche verteilten.
Erneut rang Tyr mit den Kontrollen, behielt jedoch die Kontrolle über seinen Sturmlauf, während seine beiden mittelschweren Laser, wie auch die KSR Lafette und das schwere rückstoßfreie Geschütz Tod und Vernichtung über seinem Gegner zusammenschlagen ließen.
Die Detonationen der KSR zogen sich über den rechten Torso des Kiso bis zum linken Bein, wo die Wirkung noch von den beiden Lasern verstärkt wurde und geschmolzene Panzerung sich in großen Mengen auf den Asphalt ergoss.
Die Granate des Geschützes schlug in die rechte KSR Lafette des Kiso, durchschlug die improvisierte Panzerung und explodierte im Inneren des Werfers. Ein heller Feuerball blähte das Gehäuse auf und ließ Flammenzungen aus den leeren Abschussröhren zucken, bevor tiefschwarzer Rauch daraus hervor quoll.
Erneut versuchte Gallierdi, sich mit einem unsicheren Schritt zurück aus dem Feuerbereich des anstürmenden Khopesh zu bringen.
Schweiß perlte von Tyrs Stirn, als er die Pedale welche die Geschwindigkeit seines Mechs regelten erneut voll durchtrat. Er konnte das gequälte Aufheulen des Gyroskops im Inneren der Maschine hören, als er den Torso erneut absenkte, nur Sekundenbruchteile, bevor die beiden Kampfmaschinen kollidierten.
Das Kreischen berstenden Metalls erfüllte sein Cockpit und die Erschütterung des Aufpralls warf ihn hart in die Gurte der Pilotenliege.
Der Khopesh schmetterte mit seinen fünfundsiebzig Tonnen und der Höchstgeschwindigkeit von über 30 km/h gegen das linke Bein des Kiso, das von den auftretenden Kräften in Höhe des ersten Gelenks funkensprühend abgerissen wurde.
Die Reste der internen Struktur bohrten sich durch die Panzerung der rechten Schulter des Khopesh und spießten den dort gelagerten Aktivator förmlich auf.
Der Kampf beider Piloten gegen die Schwerkraft war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Kiso brach vornüber zusammen, während sein Angreifer von dem massiven linken Torso abprallte wo weitere Panzerung pulverisiert wurde und dann rücklings zu Boden stürzte.
Benommen schüttelte Tyr den Kopf um die bunten Lichter vor seinen Augen zu vertreiben. Die Kollision und der anschließende Aufprall hatten ihm die Luft aus den Lungen gepresst und ließen ihn nun keuchend einatmen, wobei die in seine Haut schneidenden Gurte nicht gerade hilfreich waren.
Die Hälfte seiner Anzeigen im Cockpit waren nur noch schwarze Bildschirme, der Rest zeigte ein furchtbares Bild des Zustands seiner Maschine.
Der rechte Arm des Khopesh hing praktisch nur noch an wenigen Leitungen. Der Aktivator war hinüber, die Myomermuskulatur durchtrennt. Damit waren auch die Waffensysteme in diesem Arm nicht mehr nutzbar. Mehrere Wärmetauscher mussten durch die Erschütterung beschädigt worden sein und ausgetretenes Kühlmittel hatte den Lademechanismus der KSR Lafette unbrauchbar gemacht. Der Reaktor lief nur noch im Notprogramm. Die Panzerung im Frontalbereich war praktisch nicht mehr vorhanden.
Schnell überflog er die Schadenmeldungen und betrachtete dann den Mech seines Gegners.
Der Kiso war mindestens genau so schwer mitgenommen wie seine Maschine, aber Gallierdi versuchte bereits wieder, den Torso mit den drei verbliebenen Beinen vom Boden zu erheben.
Tyr musste die Fähigkeiten des erfahrenen Piloten anerkennen.
Er hatte sich wesentlich schneller von der Rammattacke erholt und das hintere linke Bein bereits fast in einer Position die ein Erheben möglich machte.
Tyr musste sich beeilen.
Er brachte den noch funktionierenden, linken Arm neben seinem Torso in Position und drückte diesen dann in die Höhe. Mit vorsichtigen Bewegungen brachte er den Khopesh wieder in eine stehende Position.
Gerade noch rechtzeitig.
Gallierdi hatte den Vorgang wenige Sekunden vor ihm abgeschlossen und feuerte sofort die beiden mittelschweren Laser und die verbliebene KSR Lafette auf ihn ab.
Vier der Raketen hämmerten Panzerung von Tyrs linkem Torso und Bein, während einer der mittelschweren Laser den rechten Arm traf und die wenigen, noch existierenden Verbindungen am Schultergelenk durchtrennte.
Krachend stürzte der Arm zu Boden und wieder musste Tyr sich in die Kontrollen werfen um das Gleichgewicht zu behalten.
Da sein Zielerfassungssystem zu einem der ausgefallenen Geräte zählte, richtete er den mittelschweren Laser in seinem linken Arm wie auch den KSR Werfer auf seinem rechten Torso manuell aus.
Gern hätte er auch die Feuerkraft seiner PPK hinzugefügt, aber erstens war er nur wenige Meter von seinem Gegner entfernt und damit viel zu nah für die Reichweitenwaffe und zweitens würde ihn ein Einsatz bei der reduzierten Kühlleistung des Khopesh wahrscheinlich im eigenen Saft schmoren.
Die Raketen fauchten aus Ihren Startrohren und sofort flackerte auf seinen Anzeigen ein weiteres Störungszeichen auf. Da der Nachlademechanismus des Werfers nicht einsatzbereit war, verblieb ihm nur noch der mittelschwere Laser.
Der Strahl des Lasers brannte eine rotglühende Furche über den rechten Torso des Kiso, kurz bevor drei der Raketen Feuerbälle auf dem mittleren Torso und dem vorderen, rechten Bein aufblühen ließen.
Wieder trat Tyr auf das Pedal für die Geschwindigkeit und brachte den Khopesh erneut in Nahkampfdistanz zu dem Kiso, dann ließ er seinen Battlemech das linke Bein heben und in einem vernichtenden Tritt gegen das vordere, rechte Bein des gegnerischen Mechs krachen.
Wieder splitterte Panzerstahl kreischend von der internen Struktur und erneut versuchte der gegnerische Pilot einen Schritt zurück zu weichen um auf den Angriff reagieren zu können, aber nun blieb Tyr an seiner Seite, in Schlagdistanz und außerhalb des Schussbereichs der Waffen des Kiso.
Wieder und wieder ließ er seine linke Armmanschette auf den Torso des todgeweihten Mechs krachen, riss mit der verbeulten Klaue Stücke der internen Struktur aus der Maschine, zerfetzte Kühlleitungen, Myomerbündel und Elektronik.
Wie grünes Blut ergossen sich große Mengen Kühlmittel aus der ausgefranzten Bresche und bildeten rasch schillernde Pfützen auf dem Asphalt der Straße.
Gerade als Tyr den Arm zu einem weiteren Schlag hob, erstarrte der Kiso vollständig in seiner bis dahin allenfalls eingeschränkten Bewegung und wenige Momente später öffnete sich die verbeulte Luke des Cockpits.
Stephano Gallierdi wirkte benommen, als er unsicher auf den Torso seiner völlig verwüsteten Maschine kletterte, den Neurohelm in seiner Hand einfach fallen ließ und erschöpft auf die schartige Panzerung sank.
Wieder knackten die Lautsprecher in Tyr's Helm, als die Spielleitung alle Frequenzen frei gab.
„Der Kampf ist beendet. Sieger durch Aufgabe ist Tyr Sievers.“
Es dauerte einige Sekunden bis Tyr die Worte des Kommentatoren verarbeitet hatte.
Dann legte sich eine bleierne Müdigkeit wie ein Schleier über seine Gedanken.
Mit langsamen Bewegungen ließ er den noch immer erhobenen Arm des Khopesh sinken und drehte den Battlemech dann in Richtung des Tores, durch das er die Playgrounds betreten hatte.
Einer der Helikopter folgte seinem langsamen Marsch durch das verwüstete Viertel und schien Nahaufnahmen seiner schwer mitgenommenen Maschine zu machen.
Das alles interessierte ihn jedoch nicht.
Er sehnte sich nur danach, das stickige, aufgeheizte Cockpit zu verlassen und nach einer Dusche.

Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
The Barracks – Unterkunft für Mechkrieger
06. Februar 3025

Erfrischt aber noch immer mit bleierner Müdigkeit geschlagen stieg Tyr aus der Dusche, die wenig mehr als ein grauer Betonerker mit einem schmuddeligen Vorhang war. Schnell trocknete er sich mit dem von Uljana bereit gelegten Handtuch ab und schlüpfte dann in die schwarze Uniform, deren einziges Abzeichen der Aufnäher der Blackjack School of Conflict war. Die kniehohen, schwarzen Lederstiefel und der Waffengurt mit der glänzenden Laserpistole vervollständigten das Bild eines jungen Mannes, der sich dem Krieg verschrieben hatte.
Mit einem letzten Blick in den gesprungenen Spiegel fuhr er sich durch das dichte, schwarze Haar und öffnete dann die dünne Plasttür, die das hochtrabend Bad genannte Zimmer vom Wohn-Schlafbereich der Unterkunft trennte.
Uljana stand mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand gegenüber der Badezimmertür gelehnt und allein ihr Blick verriet ihm, dass etwas nicht stimmte. Ruhig legte sich seine rechte Hand auf den Elfenbeingriff der alten Laserpistole, bevor ein kaum merkliches Kopfschütteln ihrerseits ihn vom Ziehen der Waffe abhielt. Stattdessen betrat er den kleinen Raum und blickte zu dem Mann, der es sich auf einem der beiden Stühle an dem wackeligen Tisch neben der schmalen Schlafpritsche sichtlich gemütlich gemacht hatte.
„Rechter Arm abgetrennt, wobei der Aktivator wahrscheinlich völlig zerstört wurde. Massive Schäden am Kühlsystem und der Elektrik. Der Reaktor muss überholt werden und die meisten Waffensysteme sind unbrauchbar. Von der Panzerung wollen wir gar nicht erst sprechen.“
Der Mitfünfziger mit den langen, grauen Haaren, die in einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren und der schlanken Statur drehte sich zu Tyr um und blickte von dem alten Noteputer auf.
Die grauen Augen schienen keine Emotionen zu zeigen, auch wenn die Mundwinkel ein Lächeln formten.
Der Mann sprach keinen Akzent und auch seine braune Lederjacke und die darunter getragene zivile Kleidung ließen keine Rückschlüsse auf Herkunft oder Zugehörigkeit zu.
„Der Sieg war teuer erkauft, Junge. Viel zu teuer, wenn du mich fragst.“
Der Unbekannte legte den Noteputer auf der rissigen Tischplatte ab und griff zu einer verbeulten Blechtasse, aus der er einen Schluck nahm, bevor er zu Uljana blickte.
„Sie hätten nicht zufällig noch etwas von diesem wunderbaren Tee?“
Wortlos drehte sich Tyr's Verlobte zu der kleinen Küchennische um und trat kurz darauf mit einer dampfenden Teekanne sowie einer zweiten Tasse an den Tisch.
Kurz ging er seine Optionen durch, aber der Fremde schien unbewaffnet zu sein, was auf Astrokaszy eine Seltenheit war. Zumindest konnte man sich anhören, was er zu sagen hatte.
„Mein Gegner hatte 25 Tonnen Gewichtsvorteil, der Pilot kannte das Gelände und mein Battlemech war schon vor dem Kampf in keinem guten Zustand. Ich würde sagen, ich habe das Maximum herausgeholt.“
Ohne die Hand von dem Griff seiner Laserpistole zu nehmen trat Tyr an den Tisch und setzte sich auf den freien Stuhl, während Uljana dampfenden Schwarztee in die beiden leeren Tassen goss und sich dann wieder an die Küchenzeile zurück zog.
„Ein hundert Tonnen schwerer Industriemech ist kein Gegner für einen fünfundsiebzig Tonnen schweren Battlemech. Egal wie hochgerüstet der Industriemech ist. Egal wie primitiv die Technik deiner Maschine auch war. Das alles spielt keine Rolle. Den Fehler hast du gemacht, Junge. Du hättest den Kiso aus der Entfernung in Stücke schießen können ohne Gefahr zu laufen selbst auch nur einen Kratzer abzubekommen. Diese Aktion mit dem Fahrzeugwrack mag vielleicht Medienwirksam sein, aber gebracht hat sie dir nichts. Der Sturmlauf gegen einen schwereren, besser gepanzerten Gegner... was hast du dir dabei gedacht?“
Wieder nahm der Mann einen Schluck aus der Blechtasse, schloss kurz die Augen und blickte dann erneut zu Uljana.
„Eine wirklich phantastische Mischung, Miss. Schmecke ich da Apfel?“
Uljana schien von der Frage völlig überrumpelt worden zu sein und nickte schließlich.
„Apfel, Waldfrucht und Orange. An heißen Tagen kann man Eistee daraus machen.“
Zufrieden nickte der Unbekannte und sah dann wieder zu Tyr, der innerlich vor Wut kochte.
„Nur die Ruhe, Junge. Nimm einen Schluck Tee. Der hilft dir, die bittere Wahrheit runter zu schlucken und mich nicht sofort zu erschießen.“
Zähneknirschend befolgte Tyr den Rat seines Gegenüber und trank etwas von dem heißen Tee.
Obwohl er die Antwort bereits erahnen konnte, stellte er die folgende Frage trotzdem.
„Welche bittere Wahrheit?“
Wieder lächelte der Fremde, ohne das seine Augen dem Beispiel der Mundwinkel folgten.
„Dass man dir beigebracht hat wie ein Battlemech funktioniert, wie man ihn steuert und seine Waffen abfeuert. Aber das alleine macht keinen Mechkrieger aus. Bei weitem nicht. Die Friedhöfe jedes Planeten sind gefüllt mit Gräbern von Frauen und Männern die dachten, sie wäre Krieger.“
Nach einem weiteren Schluck Tee zog der Mann einen wesentlich kleineren und offensichtlich auch moderneren Noteputer aus der Innentasche seiner Lederjacke und aktivierte ihn mit einer kurzen Codeeingabe.
Kurz schien die Luft über dem Gerät zu flimmern, dann stabilisierte sich ein Hologramm, dass die letzten Sekunden seines Kampfes gegen Gallierdi zeigte.
„Du beherrschst deine Maschine und du hast einen ausgeprägten Killerinstinkt. Das sind herausragende Voraussetzungen. Jetzt musst du nur noch lernen das alles überlegt einzusetzen und zu überleben.“
Damit leerte der Unbekannte die Tasse, stellte sie auf den Tisch zurück und erhob sich.
„Mein Name ist Jonathan Graham. Ich habe hier etwas aufgebaut, dass man auf Solaris wohl einen Mechkriegerstall nennen würde. Wir nennen uns selbst die schwarze Legion. Ein wenig martialisch, zugegeben, aber den Leuten gefällt es. Einer der bei mir unter Vertrag stehenden Krieger ist letzten Monat bei einem Kampf verstorben, was seine Stelle vakant macht. Sein Marodeur wurde dabei irreparabel beschädigt, aber ich bin mir sicher, dass mein Mastertech einiges von den Teilen verwenden könnte um deine Maschine wieder aufzubauen. Dein garantiertes Gehalt als Krieger beträgt 300 C-Noten im Monat. Von den Siegesprämien behalte ich so viel ein um die Schäden an deiner Maschine auszugleichen plus 20 Prozent. Gleiches gilt für sonstige Einnahmen. Kost und Logis ist frei. Für die erste Reparatur deines Mechs behalte ich das Wrack des Kisu und das komplette Preisgeld des Kampfes. Eure Wettgewinne könnt ihr behalten.“
Damit drehte er sich zu Uljana um.
„Ohne etwas, das ihn im Leben hält, ist ein Mechkrieger nur ein wandelnder Leichnam, meine Liebe. Deshalb bitte ich auch Sie, in meine Dienste zu treten. Ich habe eine wirklich gute technische Crew und denke, dass sie dort trotz ihrer Jugend gut hineinpassen würden. Ohne Ihre Referenzen gesehen zu haben biete ich Ihnen ebenfalls 300 C-Noten im Monat plus Kost und Logis.“
Jonathan Graham deaktivierte seinen eigenen Noteputer und ließ damit das Hologramm der beiden Mechs verschwinden, bevor er ihn wieder in die Tasche seiner Jacke steckte.
„Ich möchte nicht prahlen, aber dies ist das beste Angebot, dass Sie beide hier auf Astrokaszy bekommen werden. Es verfällt morgen Mittag. Punkt zwölf Uhr. Sollten Sie sich dafür entscheiden für mich zu arbeiten, so freue ich mich, Sie vor diesem Zeitpunkt in meiner Basis am Mount Keeve südlich des Flusses willkommen zu heißen. Ich garantiere, dass die Unterbringung angemessener ist als dieses Loch. So und nun empfehle ich mich und lasse Sie beide in Ruhe über meine Offerte sprechen. Ich wünsche einen angenehmen Abend und danke für den herrlichen Tee.“
Damit nickte er Uljana freundlich zu und hatte den rostigen Türgriff bereits herunter gedrückt als Tyr noch einmal zu Wort fand.
„Mister Graham, sie sagten, dass ich als Mechkrieger 300 C-Noten im Monat verdiene, während Uljana als Tech ebenfalls 300 C-Noten im selben Zeitraum erhält. Habe ich das richtig verstanden?“
Ohne sich zu Tyr umzudrehen öffnete der Angesprochene die Tür.
„Das hast du ganz richtig verstanden, Junge. Gute Techs sind auf diesem Staubball verdammt schwer zu finden. Schwerer als unerfahrene Mechkrieger. Wie schon gesagt, der Fehler in deinem Kampf lag nicht an der Ausrüstung, sondern an dir. Wer es schafft, so altes Equipment in einem so tadellosen Zustand zu halten, der ist in meinem Team hochwillkommen.“
Damit trat Jonathan Graham durch die Tür und auf den dunklen, fensterlosen Gang, bevor er die Tür hinter sich leise zu zog.
Zurück ließ er einen vor Wut brodelnden Mechkrieger und eine lächelnde Tech.


Mit gemessenen Schritten ging Jonathan Graham den von flackernden Neonröhren nur spärlich beleuchteten Gang entlang, wobei er leise ein fröhliches Lied pfiff. An der abwärts führenden Treppe wartete Zahra Lynch ungeduldig auf ihren Vorgesetzten.
„Das hat zu lange gedauert, Mister Graham. Noch fünf Minuten und ich wäre da rein gestürmt.“
Mitleidig lächelnd schlüpfte er an seiner Adjutantin vorbei die Treppe hinunter.
„Gute Ergebnisse benötigen durchdachte Planung, ausgedehnte Vorbereitungen und zielgerichtete Durchführung, Zahra. Mach dir keine Gedanken. Ich war nicht in Gefahr.“
Die junge Frau drehte sich auf dem Absatz um und folgte ihm in angemessenem Abstand, wobei die metallbeschlagenen Kampfstiefel im Gegensatz zu seinen mit Gummisohlen ausgestatteten Turnschuhen laut und vernehmlich auf dem Beton der Treppe klapperten.
„Wie Sie meinen, Sir. Thomlinson hat sich gemeldet. Er konnte die Daten des Noteputers über eine Verbindung zu Ihrem Gerät herunterladen. Die Sicherung war seinen Worten zufolge ein Witz. Er bereitet die Informationen auf und wird eine Zusammenfassung fertig haben bevor wir in der Basis eintreffen. Team Gamma ist in der freien Mechwartungshalle. Bei der Zielmaschine gibt es keine Bewegung. Sie bleiben in Position.“
Zufrieden nickte er und sprang die letzten drei Stufen der Treppe hinunter.
„Sehr schön, Zahra. Also alles nach Plan. Sollte Thomlinson bei den Daten Informationen zu dem Mech finden, soll er sie an Baxter weitergeben. Es kann nicht schaden, wenn unsere technische Abteilung bereits einige Spezifikationen hat. Haben wir bereits Rückmeldung von unseren Informanten bezüglich unserer Neuzugänge?“
Er war in der Ausgangstür stehen geblieben und ließ nun Zahra den Vortritt, die vorsichtig auf die Straße trat, während ihre Augen routiniert die Umgebung absuchten.
Kurz murmelte sie in das im Kragen Ihrer Flakweste verborgene Com, dann nickte sie in seine Richtung.
Noch während er aus dem Schatten des Eingangs trat, stoben zwei schwere Jeeps aus einer Seitenstraße und hielten auf der Straße direkt vor ihnen.
Ein grimmig aussehender Mann mittleren Alters sprang aus der Beifahrertür des ersten Fahrzeugs und öffnete ihm die Tür zum hinteren Fahrgastraum.
„Das Netzwerk glüht, Sir, aber es gibt keine neuen Erkenntnisse. Sie sind vor einer Woche mit dem Landungsschiff eingetroffen. Nur wenige Kontakte zu Einheimischen. Ein Buchmacher und ein Sicherheitsdienst. Keine Informationen über die Reiseroute. Kein Hintergrund. Wir hoffen über die Daten aus dem Noteputer etwas zu erfahren, aber bis jetzt sind es zwei leere Seiten.“
Wieder nickte Jonathan Graham, während er in den Jeep stieg und ein Stück aufrutsche um Zahra Platz zu machen, die sich nach einem erneuten Rundumblick zu ihm gesellte.
Schnell warf der grimmig dreinschauende Beifahrer die gepanzerte Tür ins Schloss und schwang sich dann ebenfalls wieder auf seinen Platz während der Fahrer bereits das Gaspedal durchtrat.
„Hornissennest von Königin. Sind auf dem Rückweg. Code grün. Ankunft geschätzt in einer Stunde.“
Er beobachtete interessiert, wie seine Adjutantin die Worte in das Com sprach und sich dann auf die schnell vorbeiziehende Landschaft aus Ruinen und bewohnten Gebäuden konzentrierte.
Zeit sich zu entspannen.
Er lehnte sich in den lederbezogenen Sitz zurück und schloss die Augen um seine Gedanken zu ordnen. Tyr Sievers und seine Partnerin konnten die Lösung für einige schwerwiegende Probleme darstellen. Oder eine Bedrohung seiner Bemühungen. Je nachdem, wie sich die Gegebenheiten entwickelten.
Der junge Mechkrieger hatte in jedem Fall Potential. Und das galt auch für seine Tech.
„Er ist ein Absolvent der Blackjack School of Conflict und beide haben einen lyranischen Akzent. Französischer Einfluss. Sie bereitet einen wundervollen Tee zu. Aber keine Anzeichen einer Zeremonie wie im Kombinat. Vielleicht eine Grenzregion. Würde zu Blackjack passen. Der Mech ist ein Relikt aus den Entwicklungstagen dieser Technologie. Das Design erinnert an frühe Marik Entwürfe. Das passt alles nicht zusammen.“
Jonathan Graham hatte nicht bemerkt, dass er seine Gedanken laut aussprach, bis Zahra sich räusperte.
„Mein Großvater hat Münzen gesammelt, Sir.“
Ihre Worte ließen ihn kurz die Stirn in kraus ziehen, bevor er die Augen öffnete und sie anblickte.
„Bitte was?“
„Seltene Gold- und Silbermünzen, Sir.“
Zahra griff unter den Kragen Ihrer khakifarbenen Bluse und zog eine Kette hervor, die um ihren Hals hing. Daran baumelten ihre Hundemarken, die nicht mehr als den Vornamen, einen Kenncode und die Blutgruppe Preis gaben sowie eine verwitterte, golden schimmernde Münze.
„Das war sein Lieblingsstück. Eine der ersten Prägungen der Föderation von Oriente.“
Neugierig musterte er die Münze, bevor seine Adjutantin sie wieder unter die Bluse stopfte.
„Interessant, Zahra, aber ich kann noch immer keinen Zusammenhang erkennen.“
Die rothaarige Frau blickte ihn noch immer mit ihren eisigen, grünen Augen an, verzog dann das Gesicht und sah wieder aus dem Fenster, bevor sie zu einer Erklärung ansetzte.
„Sie kennen meine Herkunft, Sir. In der Sammlung meines Großvaters befanden sich Münzen aus der gesamten Inneren Sphäre und auch aus den Peripherie Reichen. Was ich damit sagen möchte, ist einfach, dass all diese Münzen in der langen Zeit unglaublich weite Strecken zurückgelegt haben, bevor sie in der Schatulle eines Hobbysammlers landeten. Im Falle dieser einen Münze quer durch den gesamten von Menschen besiedelten Raum. Dieses Mechdesign war vielleicht einmal eine Konstruktion des Hauses Marik, aber das ist einige Lebzeiten her. Wer weiß denn schon durch wessen Hände es gegangen ist, bevor die beiden es ergattern konnten. Rückschlüsse daraus zu ziehen wäre reine Spekulation. Bei allem gebotenen Respekt, Sir. Ich werde die Informationen jedoch in jedem Fall vermerken.“
Anerkennend pfiff Jonathan durch die Zähne.
Manchmal vergaß er die analytischen Fähigkeiten der neben ihm sitzenden Frau.
Da das Gespräch offensichtlich vorbei war, schloss er wieder die Augen und ließ die neuen Ansätze durch sein Gehirn wandern.
Die Zukunft würde in jedem Fall interessant werden, soviel war sicher.


Planet Astrokaszy
Hauptstadt Shervanis City
Landefeld des Raumhafens
06. Februar 3025

Katsumi Tomonaga ging gemessenen Schrittes über die Laderampe der Nagato, seines Landungsschiffs der Leopard-Klasse und blieb auf dem vor Hitze flimmernden Beton des Landefeldes stehen. Seine Blicke waren nicht auf die Skyline der angrenzende Stadt fixiert, sondern richteten sich auf die zur anderen Seite gelegenen Wüste.
„Mit der Administration des Raumhafens ist alles geklärt, Herr. Die offiziellen Vertreter schienen ihr Glück kaum fassen zu können, dass wir nicht hier sind um über die Stadt her zu fallen. Die Verteidigung wäre keine Herausforderung für deine Krieger.“
Minoru, sein Stellvertreter und rechte Hand trat neben den Anführer der aus dem Draconis Kombinat stammenden Piraten.
„Hai. Aber dafür sind wir nicht hier. Der Weg des Kriegers ist nicht verworren. Er ist zielstrebig und fokussiert. Wir dürfen uns nicht ablenken lassen. Die Prüfungen beginnen in sechs Wochen und wir werden mindestens sieben Tage benötigen um Jasons Reef zu erreichen. Der Wesir ist ein großzügiger Mann. Die Belohnung für die Sieger der Kämpfe wird fürstlich ausfallen und wird uns Ehre bringen. Das ist unser Ziel. Das und nichts anderes, Minoru. Und jetzt geh und überwache das Ausladen der Mechs.“
Sein Stellvertreter drehte sich mit ernster Miene zu ihm um und verbeugte sich tief.
„Wie ihr befehlt, Sensei. Eure Weisheit wird uns leiten.“
Damit drehte sich der grobschlächtige Mann um und stapfte in den Schatten des Mechhangars zurück wo eine Meute an Techs bei seinen geschrienen, japanischen Worten auseinander stoben um sich an Ihr Werk zu machen.
Katsumi blickte weiter auf die sich vor ihm ausbreitende Wüste und nickte zufrieden.
Natürlich hatte die Desertion aus der Armee des Drachen und sein weiteres Leben als Pirat nicht mehr viel mit der Ehre der Samurai oder dem Kodex ihrer Lebensweise zu tun, aber hier hatten die Männer und Frauen unter seinem Kommando die Möglichkeit wieder einen Hauch davon zu spüren. Ein ehrenvoller Kampf stand ihnen bevor und er zweifelte keinen Moment daran, wer diesen gewinnen würde.
Zuversichtlich nickte er und drehte sich dann zu den wenigen anderen Landungsschiffen um, die auf dem großen Areal versammelt waren.
Ein Frachter der Danais Klasse wurde gerade in einiger Entfernung mit Waren beladen, unweit davon stand ein Buccaneer und auf der anderen Seite des Raumhafens ein in die Jahre gekommener Lion Mechtransporter, der wohl ebenfalls für Frachtflüge genutzt wurde.
Kein einziger offensichtlicher Gegner obwohl der Betrieb für einen so abgelegenen Raumhafen in der Peripherie recht ordentlich war.
„Ich hoffe deinem Ruf sind einige echte Krieger gefolgt, Wesir. Ich würde nur ungern ausschließlich gegen Ungeziefer antreten.“


Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Mount Keeve
07. Februar 3025

Tyr steuerte den alten Apocalypse World Rover fluchend durch das tiefe Schlagloch in der Straße wobei das geländegängige Vehikel wie ein Maulesel bockte bevor er missmutig zu dem Com griff.
„Vorsicht, Uljana. Hier vorn wird die Straße noch schlechter.“
Einhundert Meter hinter seinem Fahrzeug bahnte sich das siebzig Tonnen schwere Battlemech Bergungsfahrzeug mit dem aufgeladenen Khopesh quälend langsam seinen Weg über die wohl einst gut ausgebaute Straße die Steigung hinauf.
Er konnte sich den Gesichtsausdruck seiner Partnerin bildlich vorstellen als ihre Stimme über die stark rauschende Comverbindung erklang.
„Was zum Teufel meinst du mit noch schlechter? Das ist doch jetzt schon ein gottverdammter Trampelpfad!“
Ihre Laune hatte sich in den zwei Stunden seit dem Start der Höllenfahrt immer weiter verschlechtert, was er nur zu gut verstehen konnte. Sie hatten bereits zwei volle Stunde gebraucht um zu zweit den Battlemech sowie den abgetrennten Arm auf die Ladefläche zu schaffen und für den Transport zu sichern. Eine weitere Stunde später hatten sie die für das mit sechzehn großen Reifen bestückte Fahrzeug eigentlich zu engen Straßen der Innenstadt hinter sich gelassen und fanden nun katastrophale Wege vor, die auf den ihnen zur Verfügung stehenden, alten Karten als für Schwerlastverkehr geeignet ausgewiesen waren.
Tyr kannte die Wutausbrüche seiner Partnerin und hatte gelernt, den Tech in ihr zu akzeptieren. Was sonst hätte er auch tun können. Gegen eine Zwanzigjährige, die ein siebzig Tonnen schweres Monstrum mit mehr als dem selben Gewicht an Ladung sicher durch diese Einöde steuerte.
„Ich freue mich darauf, Sie in meiner Basis am Mount Keeve willkommen zu heißen. So ein saublöder Vollidiot! Hätte der nicht zumindest mal anmerken können, dass es hier draußen keine einzige vernünftige Straße gibt?“
Tyr enthielt sich weiterhin jeden Kommentars, auch wenn er ein Lachen nicht unterdrücken konnte. Er selbst war dagegen gewesen, in die Dienste des dubiosen Mannes zu treten. Wohl auch wegen der geradezu herausfordernden Art und Weise wie er ihn während des Gespräches zurechtgewiesen hatte.
Uljana und er hatten die ganze Nacht über das Angebot diskutiert und waren schlussendlich zu dem Entschluss gekommen, darauf ein zu gehen.
Eigentlich war ihnen gar keine andere Wahl geblieben.
Der Gewinn aus seinem letzten Kampf würde die Reparaturkosten des Khopesh nicht abdecken und auch sonst sah es für das junge Paar nicht wirklich rosig aus.
Sie benötigten die Sicherheit einer Gruppe um auf Astrokaszy zu überleben. Einzelgänger starben hier sehr schnell einen sehr unschönen Tod.
„Gottverdammt. Wo hat der Bastard seine Basis errichtet? Auf einem Bergmassiv? Na warte! Wenn du das nächste Mal nach Tee fragst, piss ich dir in die Tasse! Mal sehen ob dir das Aroma auch zusagt!“
Tyr war sicher, dass Uljana nun ebenfalls das Schlagloch erreicht hatte, das er vor kurzem durchfahren musste und nun mit dem großen Lenkrad in der geräumigen Fahrerkabine des Bergungsfahrzeugs kämpfte.
Besorgt hielt er den Apocalypse am Straßenrand an und blickte zu dem die Steigung hinauf kriechenden Monstrum zurück.
Durch die Frontscheibe konnte er die kurze, blonde Mähne erkennen, welche die kleingewachsene Gestalt seiner Partnerin krönte. Der Rest schien hinter dem riesenhaften Lenkrad zu verschwinden.
„Du nutzloses Stück Dreck sollst den Weg vor mir erkunden um mich genau vor solchen Schluchten in der Straße zu warnen! Straße, von wegen. Das ist nicht mal eine verfluchte Piste. Hier ist vielleicht vor hundert Jahren mal jemand lang gelaufen, das war es dann aber auch. Bei Kerenskys Knochen, beweg jetzt endlich deinen Arsch diesen erbärmlichen Berg nach oben oder ich überrolle deine Schrottschüssel ohne mit der Wimper zu zucken!“
Sie unterstützte die Drohung mit einem Aufröhren des schweren Motors, was massive Battlemech Bergungsfahrzeug einen Satz nach vorn machen ließ.
Kurz lachte er auf, dann legte er wieder einen Gang ein und trat das Gaspedal durch, woraufhin der Rover mit durchdrehenden Reifen, eine ausgeprägte Staubfahne hinter sich herziehend, die Straße hinauf preschte.

Zwei weitere, nervenaufreibende Stunden später hielt Tyr sein Geländefahrzeug an einer Abzweigung der Straße, welche von einer Schranke und zwei gelangweilt aussehenden Soldaten versperrt wurde. Die Schranke grenzte an einen kleinen Betonbunker und das weitere Gebiet war von einem rostigen Zaun umgeben, der am oberen Ende mit Stacheldraht verstärkt worden war. Die Wachen waren mit Rorynex Maschinenpistolen bewaffnet und der Lauf eines Maschinengewehrs ragte aus einer Schießscharte des Bunkers.
Jonathan Graham hatte offensichtlich ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis, was angesichts der instabilen Lage auf Astrokaczy wohl keine schlechte Idee war.
Mit langsamen Bewegungen ließ er den Motor des Rover auslaufen, öffnete dann die Fahrertür und stieg aus dem Fahrzeug, peinlich darauf bedacht, seine leeren Hände immer in Sichtweite der Wachen zu behalten.
„Hallo zusammen. Mein Name ist Tyr Sievers und ich bin hier auf Einladung von Mister Graham. Ich hoffe wirklich das wir hier richtig sind, denn wenn das hier nicht der Stützpunkt der Schwarzen Legion ist, steht mir eine Tracht Prügel bevor, die sich gewaschen hat. Von einer Frau. Was das Ganze noch ein klein wenig erniedrigender machen würde.“
Er lächelte aufmunternd, was von den beiden Wachen mit einem Grinsen quittiert wurde.
„Ihr wurdet angekündigt. Alles in Ordnung, ihr seid richtig. Der Boss erwartet euch im Hangar. Einfach der Straße einen Kilometer folgen, das Tor könnt ihr nicht übersehen.“
Der Sprecher hängte sich den Riemen seiner Waffe wieder über die Schulter und öffnete die Schranke mit einem kurzen Druck in einem Schaltkasten an der Wand des Bunkers während die zweite Wache durch eine sich öffnende Stahltür in dem niedrigen Betonbauwerk verschwand.
Erleichtert nickte Tyr dem Mann zu und stieg dann wieder in den Rover. Er beeilte sich, den Motor zu starten und auf die breite Seitenstraße abzubiegen, da Uljana mit dem Transporter bereits auf fünfzig Meter heran gekommen war.
„Das sieht aus wie eine Festung!“
Ihre Stimme klang nun wesentlich ruhiger aus den Lautsprechern des Com. Er angelte sich das Mikrofon und presste den Knopf für das Öffnen eines Kanals.
„Maschinenpistolen und ein schweres Maschinengewehr in einer verbunkerten Stellung. Die Wachen tragen Handgranaten und ballistischen Schutz. Die sind nicht von hier. Müssen wohl Söldner sein. Zumindest dürften wir hier in Sicherheit sein. Vorausgesetzt Graham spielt kein falsches Spiel mit uns.“
Er ließ den Daumen von der Sprechtaste gleiten und legte das Mikrofon wieder zurück auf das Armaturenbrett.
„Dann wollen wir das Beste hoffen. Es wäre ja mal an der Zeit dass auch wir ein wenig Glück haben.“
Er konnte sich ihrer Hoffnung nur anschließen.
Ein wenig Glück wäre eine gelungene Abwechslung.

Die Straße endete auf einem großen, asphaltierten Platz vor einer 60 Meter aufragenden Felswand, in deren Granit eine Öffnung gebohrt worden war, durch das selbst ein Atlas bequem hätte schlendern können. Auf dem Platz standen einige rostige Wellblechhütten, verwahrloste Wohncontainer, Bergbaumaschinen in verschiedenen Verfallsstadien und Abraumhalden in unterschiedlichen Höhen.
Und Jonathan Graham.
Der schlanke Mann trug eine khakifarbene Uniform ohne Rangabzeichen genau wie seine weibliche Begleitung, die einen Schritt links hinter ihm in der prallen Mittagssonne ausharrte. Wie ein Prediger hatte er die Arme ausgebreitet und trug ein freundliches Lächeln zur Schau.
Tyr stellte den Rover ab und wartete, bis Uljana auch das Bergungsfahrzeug daneben manövriert und den Motor abgestellt hatte. Gleichzeitig mit ihr stieg er aus dem Apocalypse und klopfte sich den hellen Staub von der schwarzen Uniform. Auch der graue Tech-Overall seiner Partnerin war von dem feinen Wüstensand bedeckt, was sie jedoch in keinster Weise zu stören schien.
Nach einem kurzen Seitenblick marschierten sie auf Graham zu und blieben kurz vor dem freudig blickenden Mann stehen.
„Ich freue mich wirklich Sie beide hier zu sehen. Herzlich willkommen...“
„...am Arsch der Welt!“ beendete Uljana den Satz und funkelte ihr Gegenüber böse an.
„Eine kleine Warnung so am Rande unseres Gespräches wäre hilfreich gewesen, Mister Graham. Sowas wie: Ich wohne da hinten auf dem Gipfel dieses verschissenen Berges! Oder ein Hinweis, dass die Straßen hier rauf eigentlich nur ein verdammt schlechter Witz sind.“
Entgegen ihres Wesens behielt Uljana ihre Ruhe und sprach in angemessener Lautstärke, aber am Zittern der Stimme konnte man den innerlich kochenden Zorn erkennen.
„Wissen Sie eigentlich wie verdammt schwer es ist so ein Monstrum mit fünfundsiebzig Tonnen Zuladung schon über eine gut ausgebaute Straße zu bewegen? Auf dem Trampelpfad hier rauf hätte mir das Lenkrad fast die Arme aus den Gelenken gerissen!“
Das Lächeln war von den Zügen Jonathan Grahams verschwunden. Der Mann blickte nun betroffen abwechselnd von Uljana zu Tyr.
„Es tut mir leid, Miss Poljakow. Das war so nicht geplant. Ich dachte, dass Sie und Ihr Partner den Weg zu uns finden und wir Ihre Ausrüstung dann abholen. Ich hätte nie gedacht, dass Sie beide sofort alle Zelte abbrechen und wirklich alles hier hinauf schaffen. Wir hätten doch dabei geholfen.“
Da Tyr am Blick seiner Partnerin erkannte, dass eine Explosion kurz bevor stand, klinkte er sich in das Gespräch ein.
„Die Tatsache, dass die Sicherheit auf Astrokaszy nicht wirklich gegeben ist hat uns dazu bewegt, gleich alles mit zu bringen, Mister Graham. Unser Mech mag in keinem guten Zustand sein, aber Uljana hat wirklich wertvolle Werkzeuge und Ersatzteile in dem Container auf der Ladefläche und die Wachen, die wir zum Schutz angeheuert hatten waren ein nicht unerheblicher Kostenpunkt. Von dem Bergungsfahrzeug an sich mal ganz abgesehen.“
Damit griff er in die Tasche seiner Uniformhose und zog einen kleinen Stoffbeutel hervor, den er Graham fast beiläufig zuwarf.
„Das ist die Entlohnung für den Sieg über Gallierdi. Das Wrack seines Mechs liegt zur Abholung in den Mechwartungshallen bereit. Wie gefordert. Das ist das erste Mal, dass ich für eine Anstellung zahlen muss.“
Jonathan Graham angelte den Beutel aus der Luft und zog die Schnur auf, die ihn verschloss, bevor er den wertvollen Inhalt in seine Handfläche schüttete.
Vier tiefgrüne Smaragde und ein Diamant, allesamt ungeschliffen und groß wie der Nagel eines kleinen Fingers, funkelten in der Mittagssonne des Planeten um die Wette.
Die Edelsteine stammten aus den privaten Minen des Wesirs rund um Jasons Reef und waren der Grund für seinen Reichtum, der die Battlemechspiele erst ermöglichte.
Die Belohnung war Tyr heute Morgen durch einen Kurier des Wesirs mit den besten Glückwünschen überbracht worden.
„Unglaublich schön, finden Sie nicht?“
Der undurchsichtige Geschäftsmann blickte auf die Edelsteine und füllte sie dann wieder in das Säckchen, bevor er dieses in seiner Hemdtasche verschwinden ließ.
„Doch. Und auch unglaublich wertvoll, Mister Graham. Wenn Sie nichts dagegen haben, würden Tyr und ich nun gern sehen, was Sie dafür im Angebot haben.“
Die forschen Worte von Uljana ließen den Angesprochenen laut auflachen und nicken.
„Natürlich, Miss Poljakow. Das ist Ihr gutes Recht. Meine Leute werden sich um Ihre Ausrüstung kümmern. Machen Sie sich keine Gedanken. Ich garantiere für die Sicherheit Ihres Eigentums.“
Offensichtlich gut gelaunt drehte der Mann sich zu der rothaarigen Frau um und schlenderte dann in Richtung der riesigen Öffnung in der Felswand.
„Das hier ist im Übrigen Zahra Lynch, meine persönliche Stellvertreterin und Sicherheitschefin.“
Die Frau blickte kurz zu ihnen herüber und rang sich ein kaum merkliches Nicken ab, während sie leise in ein Bügelmikrofon murmelte.
Uljana und er schlossen sich Graham an, während einige Uniformierte herbei eilten um sich der Ausrüstung an zu nehmen.
„Bitte entschuldigen Sie das eher rüde Verhalten meiner Untergebenen, aber seien Sie versichert, dass Zahra in Bezug auf die Sicherheit der Anlage einen herausragenden Job macht. Dafür nehme ich einige Eigenheiten in Kauf. So halte ich es im Übrigen mit allen meiner Angestellten.“
Damit trat die kleine Gruppe durch die Öffnung in den Schatten einer großen, künstlich geschaffenen Kaverne, die ihm wie auch Uljana den Atem raubte.
„Herzlich willkommen im Herzen der Schwarzen Legion. Ich habe diese ehemalige Bergbauanlage vom Wesir persönlich gemietet und wir haben in den letzten zwei Jahren eine Menge Arbeit in den Ausbau gesteckt. Die vier Wartungsanlagen für industrielle Mechs wurden erweitert um auch Battlemechs jeder Gewichtsklasse gründlich überholen zu können. Wohnanlagen für die Mitarbeiter und das Sicherheitspersonal befinden sich in den Nebenstollen. Wir haben ein Fitnessstudio, einen Gemeinschaftsraum mit großem TriVid Projektor auf dem die Kämpfe hier auf dem Planeten und auch die auf Solaris und Antallos übertragen werden. Leider mit ein wenig Verspätung, aber die örtliche HPG Station zählt nicht unbedingt zu den leistungsfähigsten Einrichtungen dieser Art.“
Die Sätze hallten durch die riesenhafte, künstlich erschaffene Höhle, in der ein reger Betrieb herrschte.
Techs arbeiteten an allen drei in den Wartungscocons untergebrachten Maschinen, fuhren Ersatzteile in Elektrofahrzeugen durch die Gegend oder standen herum und betrachteten die Neuankömmlinge skeptisch während ein ganzer Zug uniformierter Männer und Frauen im Laufschritt eine Runde durch den hinteren Teil der Halle drehte.
„Das ist unglaublich, Mister Graham.“
Uljana war wie erstarrt und blickte fast mit Ehrfurcht von der Decke der Kaverne über die technischen Einrichtungen zu dem Ausgang.
„Dann warten Sie mal ab, bis Sie das Essen unserer Kantine getestet haben. Der Tee ist vielleicht nicht so gut wie Ihr Familienrezept, aber dafür können sich die Speisen sehen lassen.“
Tyr's Konzentration wurde von einem am Boden liegenden Battlemech in Beschlag genommen, der schwere Gefechtsschäden aufwies und dem zwei Tech's gerade mit einem Schneidbrenner zu Leibe rückten.
„Ist das der Marodeur des gefallenen Piloten?“
Die Miene Grahams verfinsterte sich schlagartig und er schnaufte tief bevor eine Antwort über seine Lippen drang.
„Das ist korrekt, Junge. Pieter van Zahnt war einer der erfahrensten Piloten in meinem Kader. Lanzenführer in den Gruppengefechten und mein Taktiker. Sein Tod war ein herber Verlust für die Schwarze Legion. Nach dem Gefecht habe ich seinen Mech von der siegreichen Partei zurückgekauft, aber die interne Struktur ist so schwer beschädigt, dass eine Reparatur weit außerhalb selbst unserer Möglichkeiten liegt.“
Er ließ seine Blicke über die aufgerissene Panzerung des mittleren Torsos schweifen, über die zahlreichen Schmelzspuren welche auf Beschuss durch Laserwaffen hin deuteten und blieb dann an der geschmolzenen Cockpitscheibe hängen.
„Was ist passiert? Die Cockpitpanzerung sieht intakt aus, aber die Sichtscheibe macht den Anschein als wäre sie von innen heraus geschmolzen.“
Betreten nickte Graham zu Uljanas Worten, doch bevor er antworten konnte, trat ein älterer Mann von eher kleiner Statur, mit Brille und der typischen Bekleidung eines Techs mit Overall und Arbeitsschuhen zu der Gruppe.
„Ein Kurzschluss in einem der Sekundärsysteme führte zu einem Kabelbrand und dieser wiederum zu einem Schwelfeuer. Dieses erhitzte die Umwälzanlage der Luftzufuhr dermaßen, dass der Reserve-Sauerstofftank platzte und das Feuer in dem aufgeheizten Cockpit in Sekundenbruchteilen in ein Inferno verwandelte. Wir können nur hoffen, dass Pieter von dem Lungenriss durch den Überdruck des Sauerstoffs getötet wurde. Die andere Möglichkeit wünsche ich niemandem.“
Betretenes Schweigen griff um sich, während alle Anwesenden mit finsteren Blicken zu dem zerstörten Marodeur sahen. Erst Jonathan Graham durchbrach die Stille mit fester Stimme.
„Ein wirklich bedauerlicher Vorfall. Aber das Leben geht weiter. Ich darf Ihnen Andrew Baxter vorstellen. Mastertech der Schwarzen Legion und ihr neuer Vorgesetzter, Miss Poljakow. Er ist ein Zauberer an unseren Maschinen und eigentlich ein ganz netter Kerl, wenn man die schonungslose und manchmal doch unpassende Ausführlichkeit seiner Erklärungen gewohnt ist.“
Ein strenger Seitenblick ließ den Mastertech bedauernd das Gesicht verziehen, bevor er Uljana die Hand entgegen streckte.
„Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, Miss Poljakow. Jemand der einen solch alten Mech alleine am Laufen halten kann ist in meinem Team hochwillkommen. Dann müssen Sie Tyr Sievers sein.“
Seine Partnerin schüttelte lächelnd die angebotene Hand, gefolgt von Tyr, der von dem schwächlichen Händedruck überrascht wurde.
„Ich bin mit diesen Stahlmonstern aufgewachsen, Mister Baxter. Meine Familie besaß eine Werkstatt für Mechs und wir hatten den Exklusivvertrag für die Wartung der Milizmaschinen auf unserem Heimatplaneten. Praktisch waren meine Spielzeuge Hydraulikpumpen und Myomerbündel.“
Die Worte und das Lächeln ließen das Gesicht des Mastertechs aufleuchten.
„Na dann an die Arbeit, Miss Poljakow. Sie müssen mir alles über diese Maschine erzählen. Ich habe das Design noch nie gesehen und dabei dachte ich, alle Modellpaletten zu kennen. Für die Instandsetzung und Überholung brauchen wir alles Wissenswerte. Sie haben nicht zufällig Konstruktionszeichnungen oder Schaltpläne in Ihrem Besitz? Das würde uns die Arbeit um so einiges erleichtern.“
Der Mastertech hatte die Hand seiner Partnerin ergriffen und zog sie nun auf das in die Halle einfahrende Bergungsfahrzeug zu ohne ihr die Möglichkeit des Widerstandes zu geben.
Tyr blieb wie angewurzelt zwischen Graham und seiner Stellvertreterin stehen, die ebenfalls hinter den beiden Techs her blickten.
„Mach dir keine Sorgen, Junge. Baxter ist ein Freak, aber im positiven Sinne.“
Graham sah zu seiner Stellvertreterin hinüber, über deren Gesicht ein kaum merkliches Lächeln zuckte.
„Sollte ihr Partnerin nicht gerade Konstruktionsdetails auf ihrem Körper tätowiert haben, ist in dieser Richtung nichts zu befürchten.“
Es war das erste Mal, dass Tyr Zahra Lynchs Stimme hörte, aber ihm war sofort klar, dass sein erster, optischer Eindruck ihn nicht getäuscht hatte. Ein befehlsgewohnter Tonfall, klare und deutliche Aussprache. Die Dame war ein Militär, ganz ohne Zweifel.
Etwas anderes hatte er an Grahams Seite jedoch auch nicht erwartet.
„Ich mache mir keine Sorgen um Uljana. Sie zieht mit einem Schraubenschlüssel genau so schön Schrauben fest wie Scheitel auf Köpfen.“
Damit wendete er sich wieder den Mechcocons zu, von denen eine weitere Gruppe Personen auf sie zu kam.
„Ein Zeus, dazu ein Greif und ein Commando. Mit meinem Khopesh haben sie von jeder Gewichtsklasse etwas in Ihrer Sammlung und eine ganze Menge Feuerkraft aufzubieten. Haben Sie vor den Planeten zu übernehmen?“
Tyr hatte die Worte kaum ausgesprochen, da funkelten ihn Grahams Augen wütend an.
„Drei einfache Regeln, Junge. Es sind nur drei und ich erkläre Sie dir auch nur ein einziges Mal. Erstens: Ich bezahle euch und den ganzen Kram hier, also wird gemacht was ich sage. Ohne zu fragen. Ohne zu debattieren. Zweitens: Ich habe für alles was ich tue meine Gründe. Es langt, wenn ich diese kenne. Keine Fragen über den Sinn oder die Hintergründe und wir bekommen keine Probleme. Und Letztens, und das ist die wichtigste Regel überhaupt: Wer meint, mit mir ein falsche Spiel spielen zu müssen, dem mache ich das Leben zur Hölle. Keine Informationen an Außenstehende, keine Sonderabsprachen mit irgendwelchen Sponsoren ohne mein Wissen und meine Zustimmung. Alle Geschenke und Angebote gehen über meinen Tisch oder ich zertrümmere deinen Schädel auf der Tischplatte. Deinen, Zahras, den deiner wunderschönen Uljana. Ganz egal. Niemand hintergeht mich. Nicht ungestraft. Hast du das verstanden, Junge?“
Von der heftigen Reaktion seines neuen Chefs völlig überrascht schluckte Tyr hart und nickte schnell.
„Okay, Sie sind der Boss. Keine Fragen, keine linken Touren. Ich habe es verstanden, Mister Graham.“
Seine Antwort schien den Mann zufrieden zu stellen, denn genau so schnell wie das wütende Funkeln in die Augen getreten war, verschwand es auch wieder und wurde durch das bekannte, freundliche Lächeln ersetzt.
„Das freut mich, Junge. Dann wird das für uns alle hier eine erquickliche Zeit und ich werde dafür sorgen, dass jeder mit den Taschen voller C-Noten diesen Staubball verlässt. Du darfst mich Jonathan nennen.“
Die drei Neuankömmlinge hatten Tyr und seinen Auftraggeber erreicht und er wurde sich nun den musternden Blicken gewahr, welche die Frau und die beiden Männer ihm widmeten.
„Was für Frischfleisch zerrst du denn da in die Höhle, Chef?“
Die Sprecherin war eine Dame mittleren Alters von schlanker Statur und schwarzen, langen Haaren, welche die für Mechkrieger typischen, ausrasierten Stellen am Kopf nicht voll überdecken konnten. Die für den Kontakt zwischen Neurohelm und damit dem Hauptcomputer eines Battlemechs nötigen Verbindungen konnten durch Haare gestört werden, weshalb so gut wie alle Krieger diese an besagten Stellen entfernten. Wie auch ihre männlichen Begleiter trug die Frau eine khakifarbene Uniform, die der von Jonathan Graham glich.
Die Worte hätten unfreundlich geklungen, wäre da nicht der kameradschaftliche Unterton gewesen, welcher unter Mechkriegern weit verbreitet war. Das Steuern von Tonnen schweren Kampfmaschinen verband oft über Grenzen und Vorbehalte hinaus.
„Na dann ist es wohl an der Zeit für eine Vorstellungsrunde. Ich persönlich hätte dir zwar eine Ruhepause gegönnt, Junge, aber da wir nun schon alle versammelt sind darf ich dir deine Mitstreiter bekannt machen. Die forsche Dame mit dem losen Mundwerk ist Cassandra Vasquez. Pilotin des Zeus und ehemalig 4. Skye Rangers. Dies hier ist Tyr Sievers.“
Der Handschlag der Frau war kräftig und ihr nun aufgeschlossenes Lächeln ehrlich.
„Verdammt. Wenn du von den 4. Rangers kommst hast du dir das Recht verdient, mich Frischfleisch zu nennen. Ist mir eine Ehre.“
Seine Worte waren ehrlich gemeint und wurden von einem Augenzwinkern der Frau beantwortet.
Als nächstes schob sich ein tonnenförmiger Mann von undefinierbarem Alter mit grauem Bart und Glatze in sein Sichtfeld. Kurz zuckte Tyr zusammen, als der schmerzhafte Händedruck seine Handknochen zu zerquetschen drohte.
„Du kommst genau richtig, Jungchen. Ich habe deinen Kampf gegen das aufgeblasene Arschloch Gallierdi gesehen. War wirklich Zeit, dass dem Mal einer das Maul gestopft hat. Patrick Jansson, ehemals Lyran Regulars. Ich steuere den Commando.“
Die laute Stimme des Lyraners hallte wie ein Donnerschlag durch die Halle, war aber ebenfalls freundlich und aufgeschlossen.
Im Anschluss drehte sich der Regular zu dem letzten Neuankömmling um.
„Und das ist der Miesepeter in unserer frivolen Runde. Noel Zapotozni. Ehemaliger Ausbilder bei den Donegal Guards, Pilot des Greif und Interim Kommandant der Lanze.“
Tyr schwenkte die ausgestreckte Hand in Richtung des unscheinbaren, älteren Mannes, dessen vernarbtes Gesicht und Ausstrahlung bereits beim ersten Blick einschüchternd wirkte.
Verächtlich schnaufte der Veteran und ignorierte die Geste.
„Das muss man sich bei mir verdienen, Grünschnabel. Wo hast du gelernt, einen Mech zu steuern? Auf dem Getreidefeld deine Vaters?“
Der scharfe Tonfall in Kombination mit dem verachtenden Blick des Offiziers ließ ihn die Hand schnell zurück ziehen und in eine militärische Grundhaltung verfallen.
„Blackjack School of Conflict, Sir. Jahrgang 3024. Abschluss in Mechführung und Taktik. Danach freier Söldner in verschiedenen Anstellungen. Und meine Familie hat keine Landwirtschaft, Sir.“
Die Sätze sprudelten automatisch aus ihm heraus, was den ehemaligen Ausbilder zu besänftigen schien.
„Na zumindest ein Lyraner der eine vernünftige Meldung machen kann. Das lässt ja hoffen. Deine Vorstellung im Kampf gegen Gallierdi war eine Aneinanderreihung von Katastrophen, Krieger. Zuerst verrätst du deine Position indem du ohne ersichtlichen Grund ein Gebäude rammst und zum Einsturz bringst. Dann pfeifst du auf jedwede militärische Doktrin indem du nicht deine überlegene Reichweitenbewaffnung einsetzt sondern auf einen schwereren Gegner zu stürmst. Du zeigst keinen Funken Respekt dem Feind gegenüber sondern bewirfst ihn mit Müll und lässt dich dann auf einen Schlagabtausch mit einem Hunderttonner ein. Ich darf mit Fug und Recht behaupten, dass ich in meiner Laufbahn kaum eine beschissenere Gefechtsleistung habe sehen dürfen. Daran werden wir arbeiten müssen. Da deine Maschine außer Gefecht ist, bedeutet das Theorie. Und ich verspreche dir, dass wird eine Menge Wissen sein, dass ich in deinen Kopf stopfe. Nur zu deiner Information, ich bin ein Freund und treuer Anhänger der Methode Lernen durch Schmerz. Richte dich also auf einige Runden mit der Infanterie ein. Die Ausgabe der Uniform ist ab Null sechshundert möglich. Ich erwarte dich also morgen Punkt Null siebenhundert geduscht, frisch rasiert und lernbereit am Eingang der Halle.“
Damit nickte der Ausbilder Jonathan Graham und seiner Stellvertreterin kurz zu, drehte sich auf dem Absatz um und stiefelte in Richtung seine Mechs davon.
„Jawohl, Ausbilder. Null siebenhundert. Ich werde da sein und freue mich darauf.“
Schon während Tyr die Worte aussprach, merkte er, wie bescheuert es sich anhörte.
„Lernen durch Schmerz, Junge. Rasiert und lernbereit!“
Noel Zapotozni unterbrach weder seinen Marsch durch die Halle, noch drehte er sich um. Trotzdem waren die Worte klar und deutlich zu verstehen.
Als der Ausbilder außer Hörweite war, prusteten Cassandra und Patrick laut los.
„Er scheint dich zu mögen, Tyr. Das war seine normale Art einem einen guten Tag zu wünschen.“
Entgeistert sah er zu der Mechkriegerin, die ihm daraufhin die Hand auf die Schulter legte.
„Das war die normale Art? Ist der immer so? Ich hab mich gefühlt als wäre ich wieder ein Kadett im ersten Jahr der Ausbildung. Der kommt mir vor als wenn er keinen Mech benötigt um seinen Gegner zu fressen. Wie ist sein Rufname? Ich hasse euch alle?“
Nun fiel auch Jonathan Graham in das Lachen mit ein.
„Nein, Junge. Sein Rufzeichen ist Sonnenschein. Passend, oder?“
Damit drehte sein Vorgesetzter sich zu den verbliebenen beiden Mechkriegern um.
„Sie zeigen ihm die Basis und helfen unserer Verstärkung sich hier zurecht zu finden. Eine Unterkunft ist vorbereitet und es wäre vielleicht keine schlechte Idee, die Uniform bereits heute schon in Empfang zu nehmen.“
Damit zog Graham eine lange Zigarre aus einer Tasche seiner Uniformbluse, biss das Endstück ab und spuckte es auf den Boden der Halle, bevor Zahra ihm mit einem schnell entzündeten Streichholz Feuer gab.
Nach einigen kurzen Zügen nickte der Mann dankend in Richtung der Frau und spie dann blauen Dunst in Richtung der hohen Hallendecke.
„Ich habe noch einige wichtige Dinge zu erledigen, Junge und überlasse dich den beiden hier. Fühl dich wie zuhause, denn genau das ist es. Dein neues Zuhause. Wenn es Probleme geben sollte, wende dich an mich oder an Zahra und wir werden eine Lösung finden. Die Verträge unterzeichnen wir dann in den nächsten Tagen. Herzlich willkommen bei der Schwarzen Legion.“
Damit wandte sich auch Graham ab und ging in Richtung eines der Seitenstollen davon, bestialisch stinkende Rauchschwaden hinter sich herziehend und gefolgt von seinem menschlichen Schatten.
„Sonnenschein? Wirklich?“
Noch immer völlig entgeistert von der Begegnung schloss Tyr sich den beiden anderen Mechkriegern an, die bereits in die entgegengesetzte Richtung der Halle unterwegs waren.
„Kein Witz, Tyr. Aber hüte dich davor, ihn außerhalb seines Cockpits so zu nennen. Und schon gar nicht, ohne dass er es dir angeboten hat.“
Patrick Jansson hatte die Hände in die Taschen geschoben und kaute auf der Unterlippe herum.
„Wir sind wirklich froh, dass du hier bist. Ohne einen vierten Mann wäre die Schwarze Legion disqualifiziert worden ohne die Chance zu haben den Jackpot zu kassieren und dafür haben wir zu hart gearbeitet.“
Cassandra Vasquez nickte zustimmend.
„Ein Sieg in den Endausscheidungen der Spiele würde eine sichere Fahrkarte aus dieser Hölle bedeuten. Mit genügend Credits um wieder auf die Beine zu kommen. Graham mag ein Eigenbrödler sein, aber er zahlt gut, wenn die Leistung stimmt. Hat er dir schon seine Predigt gehalten?“
Neugierig blickte die Mechkriegerin ihn an ohne den Schritt zu verlangsamen.
„Er ist der Boss, keine Fragen, keine Tricks, sonst Kopf Tischplatte?“
Wieder weckten seine Worte schallendes Gelächter seiner neuen Kameraden.
„Also ja. Genau die. Halt dich dran und dir wird es hier besser gehen als in den meisten Söldnereinheiten.“
Damit betrat die Gruppe einen mit Beton verstärkten Seitenstollen und Tyr bekam einen Eindruck von der schieren Größe der Anlage.
Vielleicht war es doch eine gute Idee gewesen, bei Jonathan Graham anzuheuern. Aber noch immer war da ein kleiner Teil in ihm der zu Skepsis mahnte.
Auch wenn er nicht sagen konnte, warum, war ihm das Ganze nicht geheuer.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Quartierbereich für Mechkrieger
07. Februar 3025

Es war bereits später Abend und Tyr hatte das Einräumen der persönlichen Habe von ihm und Uljana in das neue, wesentlich geräumigere Quartier schon fast beendet als seine Partnerin plötzlich in der Tür stand.
„Die Rolle des Hausmannes steht dir zwar nicht wirklich, Traummann, aber es ist schön zu sehen, dass du dir Mühe gibst.“
Er verzog leidlich das Gesicht und legte einige T-Shirts aus der Reisetasche in den einfachen Schrank, der neben dem Doppelbett das einzige Möbelstück in dem fensterlosen Schlafzimmer darstellte.
„Ich tue mein Bestes. Wie war dein Tag?“
Mit einem schnellen Sprung stürzte sich Uljana auf ihn und riss ihn rückwärts auf das Bett, dass er bereits bezogen hatte.
Lachend drückte sie ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen und nagelte ihn auf seinem Brustkorb sitzend in der liegenden Position fest.
„Wundervoll. Du glaubst gar nicht, was die hier an Ausrüstung und technischer Kompetenz auffahren, Schatz. Andrew Baxter weiss mehr über Battlemechs als selbst mein Vater und Großvater zusammen und sein Team besteht aus Spezialisten für alles was mit Kriegsgerät zu tun hat. Sie können hier Panzerplatten nach Maß herstellen, Aktuatoren einstellen, Myomer zuschneiden, Computersysteme rekalibrieren. Ich glaube, ich habe heute mehr gelernt als während meiner gesamten Ausbildung zur Tech.“
Tyr musste lächeln als sie zu schwärmen begann und griff liebevoll ihre Hüfte.
„Nicht jetzt, du Lustmolch. Erstens muss ich dringend unter die Dusche und zweitens habe ich wirklich gute Neuigkeiten den Khopesh betreffend.“
Mit einem Mal war seine Betroffenheit bezüglich der körperlichen Zurückweisung wie weggefegt. Er hatte gehofft, so schnell wie möglich etwas über den Battlemech zu erfahren, dass es jedoch noch am selben Tag sein würde, hatte er nicht zu träumen gewagt.
Uljana stieg von ihm herunter, griff in die tiefe Beintasche ihres Overalls und zog einen brandneuen Noteputer hervor, der Grahams Gerät ähnelte.
Nach einigen kurzen Eingaben flackerte ein sich drehendes Hologramm des Khopesh über dem Bildschirm und Tyr setzte sich auf, um es genauer begutachten zu können.
„Wir sind die Konstruktionsdaten durchgegangen, die ich bei unserer Flucht runter geladen habe und es scheint, dass wir wirklich eine ganze Menge Glück haben. Der Khopesh wurde von meinen Vorfahren als Konkurrenzmodell zum Hector entworfen und ist damit eine der ersten Entwürfe für Battlemechs überhaupt. Die Komponenten wie der Reaktor, die Waffen, das Gyroskop, das alles sind Prototypen die später wesentlich verbessert wurden. Ein Grund weshalb er nie in Serie gebaut wurde und seit Generationen ein Dasein als Ausbildungsobjekt für neue Techs in der Werkstatt meiner Familie fristete.“
Etwas gelangweilt nickte er zu ihren Ausführungen.
„Okay, der Mech ist alt und ein Einzelstück. Soviel wussten wir auch vorher schon.“
Ein böser Blick aus den Augenwinkeln ließ ihn verstummen bevor sie murrend einige Befehle in den Comp eintippte.
Ein Großteil des Hologramms verfärbte sich rot und verschwand dann nach und nach, bis nur noch das Skelett der Maschine über dem Gerät schwebte.
„Wir werden die Maschine komplett strippen. Angefangen bei der desolaten Panzerung über die Aktuatoren und Myomermuskulatur bis hin zum Reaktor. Der Khopesh wird vollständig überarbeitet und in ein hochmodernes, gefechtstaugliches Monster verwandelt. Der Grundaufbau ähnelt dem Hector und damit dem Marodeur so sehr, dass wir die weitaus meisten Teile der ruinierten Maschine von Pieter nutzen können. Es ist anzunehmen, dass General Motors die Vogelbeine und das Torsolayout in großen Teilen vom Hector übernommen hat. Wir integrieren also den komplexen Bewegungsapparat und das Myomer ohne das umfangreiche Umbauarbeiten oder Anpassungen nötig wären. Das reduziert die Arbeitszeit immens. Die Arme ersetzen wir ebenfalls durch die des Marodeur, behalten aber die Manschetten mit den Greifkrallen. Das Gyroskop wird ebenfalls der Maro spenden genau wie die Sensoren und die Lebenserhaltung und auch das Kühlsystem, das wir aber um sechs Aggregate erweitern.“
Nach und nach tauchten grüne Teile um das Hologramm herum auf, die sich kurz darauf in das Modell integrierten und so eine Maschine mit völlig neuem Design formten.
„Der Reaktor ist ein Problem. Zum einen weil der des Marodeurs während des Gefechts schwer beschädigt wurde und zum anderen, weil die Anschlüsse nicht passen. Zum Glück hat Andrew ein volles Ersatzteillager aufgebaut in dem wir Teile eines ausgeschlachteten Hammerhands gefunden haben. Muss eine der Maschinen gewesen sein, mit denen Jonathan hier her kam. Der DAV 225 Reaktor passt in jedem Bezug und wird deine Höchstgeschwindigkeit auf 54 Kilometer pro Stunde erhöhen.“
Sie unterbrach den Vortrag, als sie sein Stirnrunzeln wahrnahm.
„Ich weiss, dass ist für einen schweren Mech noch immer nicht gerade viel, aber wir haben eine Möglichkeit gefunden, die Mobilität zu erhöhen. Die Sprungdüsen des Hammerhands werden dir erlauben, Distanzen von neunzig Metern zu überbrücken und das dürfte einige Gegner bei einer 75 Tonnen schweren Maschine überraschen.“
Ungläubig blickte Tyr auf die holographischen Düsen, die sich nun in den mittleren Torso und die Füße des Mechs einpassten.
„Das Biest wird springen können?“
Nun lächelte Uljana wieder und nickte voller Überzeugung.
„Das Biest wird springen können, mein Lieber! Und noch viel, viel mehr. Von der Bewaffnung behalten wir nur die Kurzstreckenraketenlafette und ihren Munitionsvorrat der gut gekühlt mit einem Großteil der Wärmetauscher im rechten Torso verbleibt. Die linke Manschette erhält einen mittelschweren Laser und eine Partikelprojektorkanone aus dem Marodeur, die rechte ebenfalls einen Laser sowie eine Binäre Laserkanone. Eine Weiterentwicklung des schweren Lasers, die sich wegen der großen Hitzeentwicklung eigentlich nie durchsetzen konnte. Das Ding hat einen unglaublichen thermalen Bums! Damit kannst du einer Wespe das Cockpit mit einem einzigen Treffer raus brennen. Dein neues Cockpit wird eine Spezialanfertigung aus einem Sammelsurium an Teilen. Das geht leider nicht anders weil wir kein Komplettes im Bestand haben. Wir nutzen als Basis das Cockpit eines schwarzen Ritter und ergänzen dann einen Zielcomputer den Andrew selbst entwickelt hat während ein Krupp-Com 650 für die Kommunikation sorgt. Zum Schluss packen wir den Khopesh in fast so viel Valiant Lamellor Schmiedepanzerung wie die Struktur tragen kann wobei wir versuchen, das Grunddesign zu erhalten.“
Mehrere grün leuchtende Panzerungsschichten legten sich auf das Hologramm, bis es drei Mal kurz aufleuchtete und dann einige Daten in kleinen roten Zahlen daneben erschienen.
„Wenn ihr glaubt, dass ich als Entrechteter Monate lang den Spielen nur zusehe, dann habt ihr euch geschnitten. Uljana, verdammt, was ihr da vorhabt wird Hunderttausende C-Noten verschlingen und wahrscheinlich ein Jahr an Arbeitszeit benötigen. Das wird Graham niemals genehmigen.“
Kopfschüttelnd verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte den Rücken an die kalte Betonwand an der das Bett stand.
„Das hat er bereits. Andrew und ich waren in seinem Büro, bevor ich hergekommen bin. Unser neuer Chef war von der Planung begeistert. Er hat angeordnet im drei-Schicht-System an dem Khopesh zu arbeiten. Jeder verfügbare Tech wird zu Überstunden verdonnert. Gerade in diesem Moment schneiden vier Teams die alte Panzerung runter. Wenn wir im Zeitplan bleiben und keine gravierenden Probleme auftreten kannst du deine neue Maschine in 30 Tagen testen. Genau richtig für die Qualifikationen der Endausscheidungen.“
Völlig entgeistert blickte er Uljana an.
„Das alles wollt ihr in einem Monat schaffen? Das ist verrückt. Unmöglich. Uljana, wenn ich das richtig verstehe, baut ihr einen völlig neuen Mech unter Nutzung der Teile einer ganzen Lanze. Ich bin kein Tech, aber alleine die Kompatiblitätsprobleme der einzelnen Baugruppen wird euch Wochen kosten. Dazu die Verkabelung.“
Von der Situation völlig überfordert blickte er weiter auf das leuchtende Hologramm, bis Uljana es mit einer kurzen Eingabe deaktivierte.
Sie schenkte ihm das Lächeln, welches er so sehr an ihr liebte und drückte erneut einen Kuss auf seine Lippen.
„Ich dachte eigentlich, dass die Aufgabenverteilung klar ist. Du, der Krieger, machst Dinge kaputt während ich, die Tech, Dinge wieder in Ordnung bringe. Ich werde nicht anfangen dir zu erklären wie du einen Mech zusammenschießen musst und du lässt uns in Ruhe den Khopesh überarbeiten.“
Zustimmend nickte er und begann, sie zu sich heran zu ziehen, was jedoch vehement verwehrt wurde.
„Ich sagte, ich muss unter die Dusche.“
Damit erhob sie sich vom Bett und wandte sich der Tür zum Wohnbereich zu, welchen man durchqueren musste um zum Bad zu gelangen.
Seine missmutige Miene schien Uljana dabei zu ignorieren.
Bis der geworfene Büstenhalter in seinem überraschten Gesicht landete.
„Kommst du?“
Alle Bedenken und Einwände waren in dem Moment verschwunden, als er vom Bett sprang und ihr hinterher eilte.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Büro von Jonathan Graham
07. Februar 3025

„Ich bin mir sicher, dass Miss Poljakow nicht gemerkt hat, dass wir die Spezifikationen des Khopesh bereits hatten. Sie ist eine junge Tech mit guter Auffassungsgabe und fundiertem Basiswissen, mehr definitiv nicht. Sie stammt von Blackjack im Lyranischen Commenwealth wo Ihre Familie bereits seit Generationen eine Wartungsanlage für Battlemechs betrieben hat. Die Vorfahren emigrierten schon zu Zeiten des Sternenbundes aus dem Bereich der Liga freier Welten wo sie wohl ein Konstruktionsbüro für damals hochentwickelte Waffen unterhielten.“
Andrew Baxter schob von seinem Platz auf dem Stuhl vor dem riesigen, chaotischen Schreibtisch einen Datenchip zu Jonathan Graham, der stumm nickte.
„Das erklärt den Besitz des Khopesh. Die Vorfahren nahmen ihr ehrgeizigstes Projekt mit in die neue Heimat. Das deckt sich mit der Analyse der restlichen Daten von dem Noteputer.“
Zahra Lynch stand in militärischer Manier neben dem Wissenschaftler und blickte nachdenklich auf den Chip.
„Eine Aktion des lyranischen Geheimdienstes um spezifisches Wissen zu beschaffen?“
Die Frage von Graham war eher an sich selbst gerichtet, während er den Datenchip mit Baxters Bericht zu sich zog und nach kurzem Zögern in das Lesegerät seines Computers steckte.
Kurz darauf flimmerte die Zusammenfassung der Gespräche mit seiner neuen Angestellten über den Monitor.
„Auszuschließen ist das natürlich nicht. Ich gebe aber zu bedenken, dass diese Vorkommnisse dann fast sechshundert Jahre zurück liegen. Und der Mech scheint in diesem Fall nicht auf gesteigertes Interesse des LIC gestoßen zu sein, sonst wäre er nicht bei der Familie verblieben.“
Baxter lehnte sich entspannt gegen die Lehne des Stuhls und rückte die dicken Brillengläser zurecht.
„Ich habe keine Ahnung, weswegen die beiden Blackjack verlassen haben und auch über Tyr Sievers konnte ich nur wenig in Erfahrung bringen. Sie haben sich in jedem Fall auf dem Planeten kennengelernt. Wahrscheinlich während seiner Ausbildung. Interessant ist, dass sie einmal eine Flucht erwähnt hat. Das ganze schien ihr peinlich zu sein, denn sie wechselte sofort das Thema und ich glaube auch nicht, dass es beabsichtigt war, mir das Preis zu geben.“
Zahra blickte interessiert zu dem sitzenden Wissenschaftler hinab.
„Eine Flucht? Wovor? Kriminelle Elemente? Staatliche Organe? Familie? Haben sie weiter nachgeforscht?“
Entnervt sah der kleingewachsene Mann zu ihr hinauf.
„Ich bin Wissenschaftler, Miss Lynch. Wissenschaftler, kein Agent oder Verhörspezialist. Ich kann eine Fehlersuche in einem komplexen Computersystem durchführen oder auch den Kühlmantel eines Lasers modifizieren. Aushorchungen von Angestellten steht weder auf meiner Liste von Fähigkeiten noch in meiner Stellenbeschreibung.“
Um das ohne Zweifel anstehende Streitgespräch der beiden bereits im Keim zu ersticken räusperte sich Jonathan Graham und blickte von dem Monitor auf.
„Nun gut. Wie steht es mit dem Mech? Ist er für unsere Zwecke geeignet oder verpulvere ich gerade eine Millionen C-Noten unserer Ressourcen?“
Augenblicklich erhellte sich Baxters Miene und er sah zu seinem Vorgesetzten, während er sich die Antwort auf die gestellte Frage zurecht zu legen schien.
„Der Khopesh ist perfekt. Anders als bei den restlichen Maschinen können wir hier von vornherein ein Design gestalten, das unseren Bedürfnissen entspricht. Durch die Implementierung so vieler Teile aus dem ersten Testobjekt ist die Kalibrierung der Messgeräte nur in geringem Ausmaß nötig und mit der neuen Waffenlast dürften wir im Einsatz aussagekräftige Ergebnisse erzielen. Ich gehe davon aus, dass wir trotz des Rückschlags den Zeitplan einhalten können.“
Das waren fürwahr gute Neuigkeiten. Jonathan hasste nichts mehr als Verzögerungen.
„Nun gut, Andrew. Dann fahren wir wie geplant fort. Behalten Sie ein Auge auf Miss Poljakow. Ich möchte über alle Unregelmäßigkeiten informiert werden. Die Sicherheit hat oberste Priorität.“
Verstehend nickte der Wissenschaftler und erhob sich dann von seinem Platz um zielstrebig die Ausgangstür an zu steuern.
Zahra Lynch würdigte er dabei keines weiteren Blickes.
Nachdem die Tür sich hinter dem Wissenschaftler geschlossen hatte, nahm seine Stellvertreterin auf dem nun freien Stuhl Platz. Ihre Mimik sprach Bände über das seit jeher gespannte Verhältnis zwischen Baxter und seiner Stellvertreterin.
„Wenn das arrogante Arschloch noch einmal so mit mir spricht, breche ich ihm mindestens einen Arm, Sir. Meine Frage war berechtigt. Wenn Tyr Sievers und Uljana Poljakow vor irgendetwas fliehen, ist das ein Sicherheitsleck, welches wir uns nicht leisten können.“
Zustimmend nickte er in ihre Richtung, schnaufte kurz und ließ den Bericht auf seinem Bildschirm dann verschwinden.
„Da bin ich ganz deiner Meinung, Zahra. Leider gehen uns zur Zeit die Optionen aus. Wir liegen hinter dem Zeitplan und brauchen diesen Mech um das wieder ins Lot zu bringen. Ein Monat Arbeitszeit ist vertretbar, wenn die Ergebnisse es rechtfertigen. Wir können es uns nicht leisten, wieder auf die Suche nach einem Piloten mit passender Maschine zu gehen. Das würde in jedem Fall den zeitlichen Rahmen sprengen. Außerdem glaube ich nicht, dass wir hier jemanden finden, der nicht auf der Flucht vor irgendwem ist. Hier raus kommen nur Menschen die wirklich verzweifelt sind.“
Er hatte die Hände gefaltet und auf dem Tisch abgelegt und war in Gedanken versunken, als ihre Worte den Weg durch sein Bewusstsein fanden.
„Wir können die beiden liquidieren und den Mech behalten. Die Suche nach einem passenden Piloten kann auf Astrokaszy nicht so schwer sein. Nicht bei all den Entrechteten da draußen.“
Ihr Einwand war durchaus berechtigt. Ehrlich gesagt hatte er diese Möglichkeit gerade selbst in Erwägung gezogen, aber schnell wider verworfen.
„Nein, Zahra. Ein Unfall mit tödlichem Ausgang ist tragisch, aber durchaus nicht verdächtig. Zwei weitere tote Angestellte innerhalb so kurzer Zeit würden aber unliebsame Fragen aufwerfen. Ich möchte keine Unruhe. Die Leute sollen sich auf ihre Arbeit konzentrieren und nicht anfangen Nachforschungen anzustellen.“
Grübelnd erhob er sich aus dem bequemen Sessel, wobei das alte Leder knarrte und ging dann, die Hände in den Taschen seiner Uniformhose versenkt zu dem großen Bild, welches eine ganze Wand seines Büros einnahm.
Er spürte Zahra's Blick förmlich, der ihm auf Schritt und Tritt folge. Natürlich war sie anderer Meinung, aber das lag in der Natur der Sache. Für sie stand die Sicherheit an erster Stelle, während seine Priorität auf dem Ergebnis lag.
Wie schon so oft in seinem Leben studierte er die feinen Pinselstriche des Ölgemäldes, welches Gaveston's Gorge, einen gigantsichen Canyon zeigte. Der unbekannte Künstler hatte es geschafft, die majestätische Erscheinung der Gesteinsformationen einzufangen, was ihn immer wieder in seinen Bann riss.
Im Gegensatz zu den hellen, oberen Kanten des Canyons lag der Grund in tiefer Schwärze verborgen und selbst bei näherer Betrachtung nur zu erahnen.
„Wir müssen die Details, welche noch in der Dunkelheit verborgen sind, beleuchten, Zahra. Wir benötigen Informationen über Sievers und Poljakow. Du stellst Fisches der beiden zusammen, mit allem was wir bis jetzt haben und schickst es dann an unseren Kontakt. Prioritätsanfrage. Top Secret. Vierfachverschlüsselung. Und mach dem Hauptquartier klar, dass des dringend ist. Bis wir eine Antwort erhalten behalten wir die beiden unter schärfster Beobachtung.“
Er hatte sich nicht zu Zahra umgedreht und betrachtete noch immer gedankenverloren das Gemälde
„Natürlich, Sir. Wie Sie wünschen.“
Seine Stellvertreterin erhob sich fast geräuschlos, dann waren die Schritte ihrer metallbeschlagenen Stiefel auf dem Parkettboden sowie die sich öffnende und wieder schließende Tür zu vernehmen.
Er blieb allein in dem großen Raum zurück, den er sich in den letzten Jahren zu einem gemütlichen Büro ausgebaut hatte.
Ruckartig riss er sich von dem Anblick los und ging dann zu dem niedrigen Schränkchen aus Eichenholz, welches an der Wand neben seinem Schreibtisch stand. Er öffnete die alte Tür mit den knarrenden Scharnieren und presste dann seinen Daumen auf den Abtaster des eingelassenen Panzerschranks.
Es dauerte nur Sekundenbruchteile, dann erlosch das rote Lämpchen neben der schwarzen Glasscheibe und ein gelbes flammte blinkend auf.
„Freigabecode. Graham, Jonathan. Den Teufel spürt das Völkchen nie und wenn er sie beim Kragen hätte.“
Der innen liegende Computer analysierte seine Stimme sowie den Sicherheitssatz bevor sich die schweren Riegel des Safes öffneten und die Tür aufschwang.
Sofort fiel ihm die geladene und entsicherte Autopistole ins Auge , die griffbereit im oberen Fach neben einem Stapel Papiere lag. Dann wanderte sein Blick über die verschiedenen Aufbewahrungsboxen mit Datenchips und die Bündel Bargeld aus den verschiedenen Nachfolgestaaten bis er auf der kleinen Truhe verharrte, die an ihrem Platz im untersten Fach stand.
Vorsichtig hob er die hölzerne Box heraus und stellte sie auf dem Boden ab, bevor er den Deckel öffnete.
Der Anblick raubte ihm bei jedem Mal fast den Atem.
Dutzende Edelsteine funkelten im Wettbewerb um seine Aufmerksamkeit.
Durchsichtige Diamanten, blutrote Rubine und grüne Smaragde, blaue Saphire und schwarze Obsidiankristalle lagen auf dem schwarzen Untergrund aus Samt.
Sein ganz persönlicher Schatz.
Schnell fischte er das von Tyr Sievers übergebene Säckchen aus der Hosentasche und schüttete die darin enthaltenen Steine zu seiner Sammlung, bevor er die Truhe schnell wieder verschloss und zurück in den Panzerschrank stellte.
Erst als alles wieder verschlossen an seinem Platz stand setzte er sich an seinen Schreibtisch, öffnete die unterste Schublade und zog ein Glas sowie eine Kristallflasche mit bernsteinfarbenem Inhalt hervor.
Ein kleiner Schluck guten Brandys sowie eine Zigarre würden seinen geschundenen Nerven gut tun.
Und es würde ihm helfen, wichtige Entscheidungen zu treffen.
Zumindest hoffte er das.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Mechhangar
08. Februar 3025

Tyr's Lungen brannten wie Feuer und seine Beine schienen kurz davor, ihm den Dienst zu versagen, aber er weigerte sich, aufzugeben. Seit den frühen Morgenstunden war er dem Willen von Noel Zapotozni ausgeliefert und der offensichtlich sadistisch veranlagte Ausbilder schien wahre Freude in seinem Beruf zu empfinden.
„Na das war doch ein feiner Spaziergang, Mister Sievers. Finden Sie nicht?“
Sieben Kilometer Laufschritt im Gelände. Mit einem zwanzig Kilo schweren, mit Steinen befüllten Rucksack auf dem Rücken. Bei dreißig Grad Außentemperatur. Und das Ganze in unter einer Stunde.
Tyr benötigte all seine Zurückhaltung um die erwartete Antwort zwischen zwei Atemzügen durch die Zähnen heraus zu quetschen.
„Jawohl, Ausbilder. Ein feiner Spaziergang.“
Die entstellenden Narben im Gesicht des älteren Mannes zuckten kurz, gefolgt von einem bellenden Lachen das von den Felswänden des Hangars zurück geworfen wurde.
„Ihr Gegner ist eine leichte Scoutlanze bestehend aus einer Wespe, einem Heuschreck, einem Panther sowie einem Jenner. Ihr eigener Kampfschütze ist warm gelaufen, aber noch nicht überhitzt. Das Gelände ist hügelig und bewaldet. Verstärkung ist für keine Seite zu erwarten. Zumindest nicht in der nächsten Zeit. Die Scoutlanze schließt schnell zu ihnen auf. Was tun sie?“
Noel Zapotozni ratterte die Frage herunter, die er wohl schon hunderten Rekruten in der gleichen Situation gestellt hatte und Tyr war sich bewusst, dass eine falsche Antwort fünfzig Liegestützen bedeuten würde. Das hatte er heute bereits leidvoll erfahren müssen. Mehrfach.
Drei Sekunden dachte er über die Fragestellung nach, bevor er nochmals kurz Luft holte.
„Mein Kampfschütze ist auf Reichweite ausgelegt. Ich suche mir eine erhöhte Position, aus der ich den Gegner frühzeitig erkennen und bekämpfen kann. Vorzugsweise einen Hügel mit freier Fläche davor oder eine Lichtung. Ich sorge dafür, dass mein Rücken durch dichte Bewaldung oder Ähnliches gedeckt ist. Mein Primärziel ist der Panther, der mit seiner PPK ein ähnliches Reichweitenprofil wie meine mittelschweren Autokanonen besitzt. Da die Lanze offensichtlich nur aus leichten Scouts besteht, versuche ich so viel Schaden wie möglich ins Ziel zu bringen, wobei ich stationär bleibe um die Trefferrate zu erhöhen. Wenn der Gegner einen Aufklärungsauftrag hat, wird er die direkte Konfrontation meiden und abdrehen. Geht er auf den Kampf ein, gilt es, eine Maschine nach der anderen aus dem Gefecht zu nehmen und darauf zu achten, dass kein Gegner hinter mich kommt. Die Frontalpanzerung des Kampfschützen dürfte den leichten Waffen der Scouts lange genug stand halten um einen Sieg zumindest denkbar zu machen.“
Der alte Ausbilder nickte langsam zu Tyrs Worten, griff dann an seinen Gürtel und nahm die blecherne Trinkflasche ab, die dort baumelte. Mit routinierten Bewegungen schraubte er den Verschluss auf und nahm einen schnellen Schluck, bevor er ihm die Flasche anbot.
„Warum flüchten Sie nicht? Es steht immerhin vier gegen einen.“
Dankbar nahm er die Flasche entgegen und trank zwei gierige Schlucke. Auch um sich Zeit für die Antwort zu erkaufen.
„Die höhere Geschwindigkeit der Scouts macht eine Flucht unmöglich, Sir. Ich gebe den Vorteil der Geländewahl und des fast sicheren ersten Treffers aufgrund des genauen Zielens aus dem Stand auf und erlaube dem Gegner, meine dünne Rückenpanzerung zu attackieren. Der Gegner kann mich aus verschiedenen Richtungen angreifen und wird über kurz oder lang die Oberhand gewinnen.“
Wieder zuckten die Narben auf dem alten Gesicht und Tyr hätte schwören können, den Anflug eines Lächelns zu sehen.
Den ganzen bisherigen Tag löcherte Noel Zapotozni ihn bereits mit Fragen zu taktischen Gegebenheiten, strategischen Vorgehensweisen, Einzelheiten verschiedener Battlemechs und sonstiger militärischer Grundlagen. Und das alles, während er Tyr körperlich das Maximum abverlangte.
Er musste dem Ausbilder jedoch zugute halten, dass er den Lauf neben ihm durchgeführt hatte. Zwar ohne zusätzliches Gewicht, aber er war sich sicher, dass auch dies seinem Gegenüber möglich gewesen wäre.
Zapotozni war körperlich trotz seines Alters in herausragender Verfassung.
„Na gut, Mechkrieger. So schlecht, wie ich zu Beginn dachte, war deine Ausbildung dann wohl doch nicht. Trotzdem gibt es beträchtliche Lücken im Basiswissen, in der Führung wie auch in der Theorie. Das werden wir aber innerhalb eines Monats in den Griff bekommen. Ich habe dir Lernmaterial zusammen gestellt und in dein Quartier bringen lassen. Ich erwarte, dass es bis Ende der Woche durchgearbeitet ist. Wir werden jeden Morgen an deiner Fitness arbeiten. Null siebenhundert. Jede Tag. Ohne Ausnahme. Es ist jetzt zwölf Uhr TSZ. Ab unter die Dusche, Overall anlegen und nach dem Mittagessen meldest du dich bei deinem Herzblatt und greifst den Techs unter die Arme, die deinen Schrotthaufen überarbeiten. Du hast für heute genug meiner Zeit verschwendet.“
Damit nahm der Ausbilder die Trinkflasche wieder entgegen, verstaute sie an seinem Gürtel, nachdem er sie verschlossen hatte und marschierte dann in Richtung seiner Unterkunft davon.
„Jawohl, Sir.“
Die Worte kamen automatisch über seine Lippen, bevor er sich ebenfalls in Richtung der Quartiere für Mechkrieger schleppte.

Zwanzig Minuten später stand Tyr frisch geduscht und in einen sauberen, khakifarbenen Overall gekleidet an der Essensausgabe der Kantine und fühlte sich endlich wieder wie ein Mensch. Noch immer schmerzten seine Beine, aber der Duft leckerer Speisen ließ ihn das vergessen.
„Du bist doch der Neue, den Sonnenschein heute über den Berg gejagt hat, oder?“
Der zur Essensausgabe verdonnerte, vielleicht neunzehnjährige Infanterist trug über seiner normalen Uniform einen blauen Kittel der schon etliche Saucenspritzer abbekommen hatte sowie eine gleichfarbige Kochmütze und lächelte ihn mitleidig an.
„Hoch und wieder runter. Den ganzen Vormittag. Deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du die Kelle schwingst und mir was von den Steaks und dem Kartoffelbrei auf das Tablett haust. Keine Sauce, die macht fett.“
Tyr fiel in das Lachen des Jungen ein, der sich beeilte und ihm ein dickes Stück gebratenen Fleisches und eine große Portion des Breis auf das Blechtablett schaufelte.
Zum Abschluss überreichte er ihm eine Schale mit grünem Salat, eine kleine Tasse klarer Suppe und zwei abgepackte Küchlein, die ebenfalls neben dem Becher mit Wasser und dem Besteck landeten.
„Lass es dir schmecken, Mechjockey. Und nur nebenbei, das Programm vom alten Zapotozni hast du herausragend hinter dich gebracht. Viele der Jungs haben einen Heiden Respekt vor der Leistung. Hab gehört das sogar der Staff Sergeant beeindruckt war. Und das ist ein wirklich harter Brocken. Schraub einen Gang zurück. Wenn unsere geforderten Leistungen angepasst werden weil du hier neue Maßstäbe setzt, dann werden die Jungs und Mädels nicht mehr ganz so toll von dir sprechen.“
Verstehend nickte Tyr und hob das Tablett an.
„Werde ich mir merken, Schlammstampfer. Wie ist dein Name?“
„Private Franky De Maggio. Sicherungsgruppe. Erster Zug. Kannst mich aber einfach Franky nennen. Macht hier jeder.“
Erneut nickte er.
„Ich bin Tyr Sievers. Hat mich gefreut, Franky.“
Damit drehte er sich um und stiefelte auf der Suche nach Uljana durch die voll besetzte Kantine.
Nach kurzem Suchen erblickte er seine Partnerin an einem der Tische, an dem auch Cassandra Vasquez und Patrick Jansson Platz genommen hatten und steuerte diesen zielstrebig an.
„Ist hier noch frei?“
Er sprach bewusst etwas tiefer und mit einem gespielten drakonischen Akzent, was Uljana sich irritiert umdrehen ließ.
Völlig überrascht von seiner Kleidung fand sie erst gar keine Worte, sondern rückte nur einen Platz auf, woraufhin er sich grinsend auf die harte Bank fallen ließ.
„Schatz! Warum hast du dich als Tech verkleidet? Und nur zu deiner Information, wenn das wirklich eine Verkleidung sein soll, dann bist du zu sauber.“
Sie presste ihm einen Kuss auf die Wange, blickte ihn jedoch weiter fragend an.
„Zapotozni hat mich zum Techdienst verdonnert. Ich glaube er war etwas enttäuscht davon mich nicht gebrochen zu haben, wobei er wirklich nah dran war. Ich fühle mich, als wenn ein Atlas auf mir Stepptanz geübt hätte.“
Das allgemeine Lachen am Tisch ließ er mit einem Bissen seines Steaks über sich ergehen und spülte mit einem Schluck Wasser nach.
„Ja, Sonnenschein scheint dich wirklich zu mögen.“
Cassandra ließ ihr Besteck klappernd auf das leere Tablett fallen und sah dann über den Tisch zu ihm herüber.
„Das hier ist Staff Sergeant Henry Miles. Kommandant der Sicherungsgruppe. Henry, das ist der neue Mechjockey Tyr Sievers.“
Er vernachlässigte den bereits auf die Gabel geschaufelten Kartoffelbrei und reichte dem zwei Plätze weiter sitzenden, hünenhaften Mann die Hand, die dieser freundlich schüttelte.
„Freut mich, Staff Sergeant. Ich dachte, der finstere Schatten von Graham würde die Sicherheit hier leiten.“
Er hatte sich bereits wieder dem Essen auf seinem Tablett gewidmet als der Infanterist mit einer wohlklingenden Stimme zu einer Erklärung ausholte.
„Nun, Mister Sievers, dem ist auch so. Miss Lynch hat den Oberbefehl und ich bin eher für die Durchführung ihrer Anweisungen verantwortlich. Mir sind die beiden Züge der Sicherungsgruppe unterstellt. Unser Boss hat aber auch noch eigene Kampfhunde auf diesen Staubball mitgebracht und die unterstehen nur dem Befehl von Graham oder Lynch. Wir sind für die Sicherheit der Basis verantwortlich, während diese Mistkerle einen faulen Lenz schieben und nur ihr eigenes Ding machen. Was immer das auch sein mag.“
Verstehend nickte Tyr, wobei das letzte Stück Steak in seinem kauenden Mund verschwand.
„Und was immer das ist, Ihre Jungs und Mädels könnten das wahrscheinlich besser.“
Er hatte die überhebliche Art von Henry Miles als das typische Verhalten von Schlammstampfern eingeschätzt, wurde aber von den folgenden Worten des Mannes eines besseren belehrt.
„Keine Chance. Meine Truppe besteht aus Grünschnäbeln. Fast ausschließlich ohne Kampferfahrung. Gute Soldaten, aber mit absolut keiner Erfahrung gesegnet. Graham hat uns brauchbare Ausrüstung besorgt, aber gegen seine privaten Kampfhunde stinken wir gewaltig ab. Einmal die Woche trainieren wir zusammen und ich kann ihnen sagen, dass sind Spezialisten. Keine Ahnung wo der Boss die ausgegraben hat, aber ich tippe auf Kommando- und Einzelkämpferausbildung. Das sind eiskalte Killer. Diese zwanzig Gestalten würden im Ernstfall mit uns den Boden aufwischen obwohl wir mehr als das doppelte an Mannschaftsstärke aufbieten können. Zum Glück sind die auf unserer Seite.“
Auch der Infanterist hatte das Mittagessen beendet und sah in die Runde.
„Wer ist jetzt eigentlich bei dem abendlichen Ausflug ins Boom Boom dabei, damit ich von der Bereitschaft die Fahrzeuge abstellen lassen kann?“
Fragend starrte Tyr in Cassandras Richtung, die mit einem verschwörerischen Lächeln antwortete.
„Man merkt, dass ihr noch nicht lange auf dem Planeten seid. Der Boom Boom Club ist einer der wenigen Orte in Jasons Reef, an dem Alkohol ausgeschenkt wird. Eigentlich ist das vom Wesir verboten, aber der Club wird wegen der Mechkrieger toleriert. Ein netter Ort um mal abzuschalten. Graham besteht darauf, dass seine Angestellten nur in größeren Gruppen und mit Anmeldung bei Lynch den Stützpunkt verlassen, was auf Astrokaszy definitiv eine weise Entscheidung ist. Wir wollen uns heute Abend ein wenig amüsieren und die Jungs und Mädels die sich diese Woche bei Henry unbeliebt gemacht haben müssen fahren und auf uns aufpassen.“
Ein schneller Blickwechsel zwischen ihm und Uljana machte deutlich, dass sie beide nichts gegen ein wenig Abwechslung einzuwenden hatten.
„Geht klar. Wir sind dabei. Gibt es irgendwas zu beachten?“
Mit einem schnellen Griff angelte sich seine Partnerin die Salatschüssel von seinem Tablett was ihn mit der klaren Suppe zurück ließ, die jedoch nach einem kurzen Test als durchaus genießbar eingestuft werden konnte.
„Keine Uniform. Zivilkleidung ist vorgeschrieben außer für die Fahrer und Wachen die eh bei den Fahrzeugen bleiben. Außerdem hat jeder eine Handfeuerwaffe mit sich zu führen.“
Kauend mischte sich nun auch Patrick Larsson in das Gespräch ein.
Der übergewichtige Scoutpilot hatte seinen Nachtisch bereits verschlungen und deutete nun auf die Küchlein auf Tyrs Tablett.
„Isst du die noch?“
Kopfschüttelnd schob er das abgepackte Gebäck zu dem Mechkrieger undefinierbaren Alters und löffelte dann weiter die mittlerweile fast zu kühle Suppe.
„Ein ziemlicher Sicherheitsfanatiker unser Boss, findet ihr nicht? Ich meine diese Basis ist besser gesichert als die meisten Außenposten der Miliz. Zwei Züge Infanterie als Sicherungsgruppe und jetzt auch noch das.“
Uljana hatte die Begutachtung des Salats beendet, die vorhandenen Tomatenstücke herausgepickt und auf dem Tablett abgelegt und begann, während sie die Unterhaltung fortführte, sich die grünen Blätter mit der Gabel in den Mund zu schieben.
Noch bevor jemand etwas sagen konnte, ergriff Henry Miles wieder das Wort.
„Sie sind hier nicht in der inneren Sphäre, Miss Poljakov. Das hier draußen ist ein Sammelbecken für subversive Elemente jeglicher Art. Der Boss achtet darauf, wen er einstellt damit sein Stall sauber bleibt und auch, dass niemand hier reinkommt der unter Umständen Böses im Schilde führt, aber wir sollten uns nichts vormachen. Die Armut der Bevölkerung in Jasons Reef liegt verdammt hoch. Und außerhalb der Stadtgrenzen wird das eher noch schlimmer. Die marodierenden Banden in der Wüste werden nur durch die Garde des Wesirs davon abgehalten in der Stadt Unruhe zu stiften, aber wie überall ist auch hier die Korruption ein Problem. Man erzählt sich, dass in der Anfangszeit der Schwarzen Legion eine Tech entführt wurde, die in Uniform auf dem Basar unterwegs war. Mister Graham erhielt einige Tage später eine Lösegeldforderung zusammen mit einer abgetrennten Hand jener Frau in einem Korb.“
Völlig entgeistert ließ Uljana die Gabel auf das Tablett fallen und blickte den Staff Sergeant an.
Dieser nickte nur, schien jedoch nicht gewillt zu sein, die Geschichte zu Ende zu erzählen.
Schließlich sprang Patrick Larsson ein.
„Er hat nicht gezahlt. Sie haben die Leiche des armen Mädels eine Woche später mit durchschnittener Kehle einen Kilometer von der Basis entfernt an der Straße gefunden. Die Schakale hatten sich bereits an der Leiche gütlich getan, aber es war klar dass sie keinen leichten Tod hatte. Muss ein übler Anblick gewesen sein. Wenn man der Geschichte glauben kann, ist Graham daraufhin zu einer Audienz mit dem Wesir gefahren. Drei Tage später hat man dann die Leichen von fünf Männern auf dem Basar gefunden, die mit der Entführung und dem Mord in Verbindung gebracht wurden. Sie wurden zu Tode gefoltert und als eine Art Warnung an den Füßen an einer Hauswand aufgehängt. Seit dem sind die Fronten geklärt und es gab so gut wie keine Übergriffe mehr. Trotzdem ist der Boss vorsichtig. Kann man ihm ja nicht verdenken.“
Auch Tyr war der Appetit an der Suppe vergangen und er legte bedächtig den Löffel neben die kleine, noch halb volle Schale.
„Ist die Geschichte belegt oder nur das übliche Geschnatter unter Soldaten?“
Reihum sah er in grübelnde Gesichter, bis er bei Cassandra angekommen war, die sich offenbar nicht aus der Ruhe bringen ließ.
„Die junge Tech hieß Fiona. Fiona Gale. Wir kamen mit dem selben Landungsschiff hier an und wurden zeitgleich von Graham angeworben. Ich kannte sie nicht gut, aber es war ein nettes, junges Ding. Fröhlich, aufgeschlossen und unbedarft. Das hat sie das Leben gekostet.“
Damit ergriff die Mechkriegerin mit den langen, schwarzen Haaren ihr Tablett und stand von der Bank auf.
„Ihr könnt über Graham sagen was ihr wollt, aber seine Mitarbeiter sind ihm wichtig. Deshalb die hohen Sicherheitsstandards. Wir alle sind Söldner und uns steht damit der Tod näher als das Leben, aber es ist eine Sache im Kampf zu fallen und eine ganz andere nach einer Gruppenvergewaltigung von einem der Bastarde mit einem rostigen Messer die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen.“
Damit drehte sie sich um und ging langsam in Richtung des Ausgang, wo sich auch die Sammelstelle für das schmutzige Geschirr befand.
Betretenes Schweigen hatte sich an dem Tisch ausgebreitet, dass nun von Henry Miles durchbrochen wurde.
„Lassen wir uns von der tragischen Geschichte nicht die Laune verderben. Meine Jungs und Mädels werden schon darauf achten, dass nichts passiert. Also, wer ist heute Abend dabei?“
Patrick nickte zustimmend und auch Tyr selbst zeigte seine Zustimmung, während Uljana noch immer betreten auf den vor ihr stehenden Salat starrte.
„Tut mir leid, aber ich bin raus.“
Mit einem aufgesetzten Lächeln sah sie zu ihm hinüber.
„Aber geh du ruhig ein wenig frische Luft schnappen, Schatz. Dein Laserpistole verstaubt sowieso im Schrank und einen Drink hast du dir auch verdient, wenn wir heute im Hangar fertig sind. Ich schließe mich euch beim nächsten Mal an. Versprochen!“
Dankbar nickte er, als auch sie sich von ihrem Sitzplatz erhob und kurz den Infanteristen anblickte.
„Sie werden doch auf ihn aufpassen, Henry? Er neigt dazu, sich in gefährliche Situationen zu begeben.“
Der Infanterist mit dem charmanten Lächeln antwortete ohne zögern.
„Ich verspreche es Ihnen, Uljana. Wir bringen ihren Mechjockey unbeschadet zurück.“
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Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Straße nach Jasons Reef
08. Februar 3025

Einige Stunden später polterten zwei Rock Rover Infanterietransporter sowie zwei Jeeps über die Schlaglöcher der Straße den Mount Keeve hinab durch die Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht.
Eigentlich war Tyr viel zu fertig für den Besuch der Boom Boom Bar, aber er hatte zugesagt und wollte nicht bereits am Anfang als jemand gelten, der einen Rückzieher machte.
In dem engen Innenraum des gepanzerten Halbkettenfahrzeugs hatten es sich Cassandra, Patrick, Henry und er sowie vier weitere, ihm nicht bekannte Angehörige der Schwarzen Legion gemütlich gemacht.
Da das Gefährt für den Transport von bis zu zwölf voll ausgerüsteten Infanteristen ausgelegt war, herrschte kein wirklicher Platzmangel, den das niedrige Dach jedoch vermittelte.
„Keine Panik. De Maggio ist ein guter Fahrer. Er lässt vielleicht nicht jedes Schlagloch aus, aber das liegt eher an seiner miesen Laune. Eigentlich war er heute mit einem Besuch im Boom Boom dran.“
Henry Miles schrie über das infernalische Heulen des Motors hinweg zu Tyr hinüber, der an der Ausstiegsluke am Heck Platz genommen hatte.
„De Maggio? Franky De Maggio?“
Er brüllte seine Frage zurück und musste sich dann an einen der Haltegriffe klammern um nicht von der Bank geschleudert zu werden als der Rock Rover erneut durch eines der tiefen Schlaglöcher rumpelte.
Der Staff Sergeant nickte beiläufig und blickte dann nach vorn zur Fahrerkabine als müsste er über die Frage nachdenken.
„Eigentlich ein guter Mann. Kommt aber aus zwielichtigen Verhältnissen. Wir haben ihn dabei erwischt, wie er mit zwei anderen eine Destille für Schwarzgebrannten in einem nicht genutzten Lagerraum zusammen gebaut hat. Sie wollten wohl aus den hier überall wachsenden Agaven Mezcal brennen und dann verkaufen. Verrückte Idee. Aber sie hatten es fast geschafft. Wir sind per Zufall darauf gestoßen. Ich wäre ja für eine harte disziplinarische Maßnahme gewesen, aber Graham war anderer Ansicht. Er hat gelacht und es bei zwei Monaten Strafdienst für die drei belassen. Mir soll es Recht sein.“
Die Soldatin, von der bis jetzt nur der Unterkörper und die Beine zu sehen gewesen waren, weil sie das Lasergeschütz auf dem Dach durch die offene, runde Luke bediente, ließ sich in das Innere des Fahrzeugs rutschen, zog das Staubschutztuch vom Mund und klemmte die Fahrerbrille an den Helm.
„Da Sie gerade davon sprechen, Staff Sergeant, ich hab das Ganze über den Bordfunk mitbekommen. Erstens war das eine klasse Idee und zweitens verstehe ich nicht, warum De Maggio die Karre fahren darf und ich die beschissene Kanone bemannen muss, während mir der Sand die Fresse poliert. Ich hab ihm doch nur geholfen die Teile zu besorgen.“
Wieder erschien das fast selbstgefällige Lächeln auf Henry's Gesicht.
„Erwartungshaltungen, Morris. Von De Maggio habe ich nichts anderes als dumme Ideen erwartet. Er ist eben so. Von Ihnen erwarte ich ein wenig mehr. Das haben sie enttäuscht. Deshalb fährt er das Fahrzeug und Sie bekommen das gratis Peeling. Und jetzt schwingen Sie ihren Arsch wieder an das Geschütz, Soldat.“
Fluchend zog die junge Frau das Tuch wieder über den Mund und setzte die Brille auf die Augen, bevor sie ihren Oberkörper durch die Luke nach oben schob.
Henry lehnte sich entspannt gegen die Wand des Rock Rover und schloss die Augen.
„Strafe muss sein, Mechjockey. Da bin ich eigen. Das nächste Mal wird sie es sich zweimal überlegen, ob sie bei solchen Dummheiten mitmacht.“
Tyr konnte ihm nur beipflichten. Die Tortur der Fahrt in der offenen Luke würde in jedem Fall in keiner guten Erinnerung bleiben und das für eine lange Zeit.
Schaudernd dachte er an seine Zeit als Rekrut zurück und die finsteren Stunden, die er im strömenden Regen Wache am Tor gehalten hatte.
Ihn hatte das von den meisten dummen Ideen kuriert.


Planet Astrokaszy
Jasons Reef
General-Aziz-Platz
08. Februar 3025

Zwei Stunden später hielt der kleine Konvoi auf der Straße vor dem Boom Boom Club und Tyr war froh als er sich endlich von der harten Bank erheben konnte. Mit schnellen Bewegungen entriegelte er die schwer gepanzerte Hecktür und stieß sie auf um gleich darauf auf die Straße zu springen.
„Zwei gottverdammte Stunden Fahrt um ein Bier in einem Club zu trinken. Ich hoffe wirklich es ist wenigstens gekühlt.“
Er streckte seine steifen Glieder und trat dann beiseite um den anderen Passagieren den Ausstieg zu ermöglichen.
„Kühl ist die Pisse. Nur schmecken tut sie nicht. Halt dich lieber an die harten Sachen. Da ist der Geschmack dann nach ein oder zwei Runden sowieso egal.“
Patrick Larsson schob seinen tonnenförmigen Körper, den er in ein dunkles T-Shirt und eine Jeans gekleidet hatte als nächstes aus der breiten Tür gefolgt von den vier Unbekannten und Cassandra, die die Beinfreiheit ebenfalls genoss. Auch aus den Jeeps und dem zweiten Rock Rover stiegen die Passagiere und strömten ohne großen Aufenthalt über die staubige, menschenleere Straße auf das große, hell erleuchtete Gebäude zu, dessen rotes Neonschild den Namen Boom Boom Club verkündete.
„Na dann, Tyr. Lass uns doch mal sehen, ob was los ist. Ich kann es gar nicht erwarten, da rein zu kommen.“
Henry schwang sich als Letzter aus dem Innenraum des Fahrzeugs, klopfte ihm auf die Schulter und marschierte dann zielstrebig auf den Eingang zu.
Tyr wollte sich im gerade anschließen, da erregte ein leiser Pfiff seine Aufmerksamkeit. Er drehte sich um und sah De Maggio und die Infanteristin, die Henry Morris genannt hatte am Heck des Panzerwagens stehen und mitleidig zu ihm hinüber blicken.
Unentschlossen steckte er die Hände in die Taschen seiner schwarzen Uniformhose und schlenderte die zwei Schritte zurück zu dem Rock Rover.
„Was wollt ihr beiden Galgenvögel?“
Franky De Maggio druckste nur herum, während Morris ebenfalls den Blickkontakt vermied aber zumindest kurz darauf zur Sache kam.
„Sir, Franky meinte, dass Sie ein vernünftiger Mann wären. Also nett und so. Und wir haben alle ihren Kampf gesehen. Mit Regeln haben Sie es ja auch nicht so. Ich meine, klar, wir haben Mist gebaut und der Staff Sergeant hat ja auch Recht mit seiner Predigt von wegen Strafe muss sein. Aber wir haben uns gedacht, wenn Sie doch schon mal da drin sind, könnten Sie vielleicht einem der Kellner ein wenig extra zu schieben damit er uns ein oder zwei große Bier hier raus bringt, Sir. Wir wären Ihnen wirklich dankbar, Sir. Sehen Sie, die lange Fahrt hier runter, die ganze Zeit den Kopf aus der Luke gestreckt. Ich hab mehr Sand im Maul als hier auf der Straße liegt, Sir. Ich möchte so weit gehen zu sagen, dass wenn ich jetzt jemanden auf Knien beglücke, es so wäre als würde dieser jemand sein bestes Stück in eine verdammten Schleifmaschine schieben. Sir. Nicht dass ich sowas vor hätte. Nur um Ihnen einen Eindruck meiner Lage zu vermitteln, Sir.“
Die verlegenen Worte der Soldatin ließen Tyr erneut schmunzelnd zurück an seine eigene Zeit als Rekrut denken. Und an einen Unteroffizier mit einer heißen Tasse Kaffee, der ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hatte.
„Und ich darf davon ausgehen, dass ein oder zwei große Bier da Abhilfe schaffen könnten. Ohne dass etwas an den Staff Sergeant oder sonst jemanden weiter getratscht wird. Und dass der edle Tropfen gerecht unter allen Beteiligten aufgeteilt werden würde.“
Weitere Soldaten waren an die Gruppe heran getreten und nickten eifrig, nachdem Tyr die Sätze ausgesprochen hatte.
„Aber natürlich, Sir. Es wird sein als wäre nichts geschehen, bis auf die Tatsache unserer Dankbarkeit Ihrer Person gegenüber. Und das mit dem Teilen ist natürlich Ehrensache.“
De Maggio lächelte breit unter seinem Helm und Tyr konnte nicht anders als sich kopfschüttelnd umzudrehen.
„Ich werde sehen, was sich machen lässt. Die Herren, die Dame. Ich wünsche einige unterhaltsame Stunden hier draußen.“
Unbewusst wiederholte er fast die gleichen Worte, die damals der Unteroffizier zu ihm gesagt hatte und beeilte sich dann, den Anschluss an die bereits im Eingang verschwindende Gruppe zu finden.

Der Boom Boom Club ließ Tyr bereits beim Eintreten in den großen Gastraum durch die riesigen Flügeltüren erstaunt inne halten. Die gelungene Mischung aus Club, Bar, Restaurant und Bordell erstreckte sich im Erdgeschoss auf mehrere Sitzgruppen, wenn man die auf dem Boden liegenden großen, grellbunten Kissen und niedrigen Tische so nennen wollte, einem langen Tresen aus schwarz lackiertem Holz mit hohen Hockern gleicher Farbe in der Mitte des Raumes sowie einer Balustrade im ersten Stock zu der mehrere, breite Treppen mit goldenen Geländern hinauf führten. Auf einer Bühne am anderen Ende des Raumes spielte eine Band, deren dunkelhäutige Sängerin in einem schwarzen, mit Pailletten bestickten Abendkleid und mit rauchiger, wohlklingender Stimme ein ruhiges Lied zum Besten gab.
Die Atmosphäre war so entspannt, dass Tyr sich sofort wohl fühlte.
Dunkles, poliertes Holz erstreckte sich von den Bodendielen über die Wandvertäfelung bis zu den Säulen und Deckenbalken, welche die Balustrade stützten.
Vor der Bühne hatte der Innenarchitekt, falls es so jemanden auf Astrokaszy überhaupt gab, einen Springbrunnen installieren lassen, der von Zeit zu Zeit kleine Fontänen glitzernden Wassers in die Höhe spie.
Der angenehme, erste Eindruck wurde durch die Vielzahl der Gäste bestätigt, die sich über den gesamten Raum verteilten.
Viele davon trugen Uniformen, einige andere zivile Kleidung. In einer Ecke machte er sogar die grünen Uniformen der Garde des Wesirs aus.
Rauchwolken aus dutzenden Wasserpfeifen, Zigarren und Zigaretten verschwanden lautlos in Abzugshauben unter der hohen Decke und Ventilatoren bliesen angenehm kühle Luft in den Raum.
„Na, zu viel versprochen, Mechjockey?“
Henry war neben ihn getreten und hielt ihm eine geöffnete Flasche Bier entgegen, die er dankbar entgegen nahm.
„Eher noch untertrieben, Schlammstampfer. Der Club ist der Wahnsinn. Hier könnte ich mich fast zuhause fühlen.“
Lachend schob der Infanterist ihn die drei breiten Stufen hinab und quer durch den Raum, vorbei an in strahlend weiße Uniformen gewandete Kellnerinnen, die mit silbernen Tabletts zwischen den Sitzgruppen hin und her huschten, bis sie einen Kissenberg erreicht hatten, der wohl von Cassandra und Patrick in Beschlag genommen worden war.
Die Mechkriegerin zog bereits an einem Schlauch, der mit einer blubbernden Wasserpfeife verbunden war, und blies anschließend Rauchringe in die Luft während der Scoutpilot bereits wieder schmackhast aussehendes Essen von einem silbernen Teller in sich hinein schaufelte.
Entspannt ließ der Staff Sergeant sich an einer freien Stelle auf die großen Kissen fallen und schlug dann die Beine über Kreuz, die er auf einem Beistelltisch ablegte.
„Komm zu uns, Tyr. Genieße den Abend, denn du kannst nicht sicher sein, dass ein Morgen dich erwartet.“
Henry prostete ihm nach dem Zitat zu, dessen Quelle ihm entfallen war, und leerte die Flasche dann ohne abzusetzen in nur wenigen Zügen.
Auch Tyr trank einen Schluck des kühlen Bieres, musste sich jedoch eingestehen, dass Patrick wohl Recht hatte. Das einheimische Bier schmeckte schal, abgestanden und war so gar nicht nach seinem Geschmack.
„Nimm es mir nicht übel, Henry, aber ich muss mir erst was anständiges zu trinken organisieren. Das hier bekomme ich beim besten Willen nicht runter.“
Über das herzhafte Lachen von Patrick und das beleidigte Gemurmel des Infanteristen hinweg drehte er sich zu der Bar um und stiefelte darauf zu, während er einem vorbei eilenden Kellner die nur angebrochene Flasche auf das leere Tablett stellte.
An dem Ziel seines kurzen Weges angekommen stellte er einen Stiefel lässig auf die dafür vorgesehene Messingfußleiste und legte die Arme auf der polierten Oberfläche des Tresens ab.
Dem sofort erscheinenden Barmann in ebenfalls schneeweißer Uniform schenkte er ein gutmütiges Lächeln, dass dieser freundlich erwiderte.
„Herzlich willkommen im Boom Boom Club, mein Herr. Mein Name ist Rashid. Was kann ich Ihnen Gutes tun?“
Rashid war nicht viel älter als Tyr selbst und sein starker Dialekt zeigte deutlich, dass Astrokaszy seine Heimat war.
„Rashid, mein Name ist Tyr. Es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich habe gleich zwei Dinge, um die ich dich bitten würde. Das erste wäre ein doppelter Whiskey. Irgendwas importiertes. Kein Eis.“
Ohne Zögern drehte sich der junge Barmann zu dem Regal mit unzähligen Flaschen um, das die Rückwand der Bar bildete und angelte eines der Behältnisse zielsicher aus dem Sortiment.
Ein polierter Tumbler aus Kristallglas landete lautlos vor Tyr auf dem Tresen und wurde kurz darauf mit einer angemessenen Menge bernsteinfarbenen Flüssigkeit befüllt.
Er griff in seine Hosentasche und zog einige der Geldstücke hervor, die in Jasons Reef als Zahlungsmittel genutzt wurden. Das wertvollste davon war eine goldfarbene Münze mit dem Konterfei des Wesirs.
Dieses schob er über das glänzende Holz auf Rashid zu.
„Dafür bekommen Sie zwei ganze Flaschen, mein Herr. Und wenn Ihr zweiter Wunsch ein unmoralisches Angebot beinhalten sollte, so muss ich Sie in das obere Stockwerk verweisen.“
Tyr schüttelte lachend den Kopf und nahm den Finger von der Münze.
„Die eine Flasche reicht mir voll und ganz, Rashid und nein, unmoralische Angebote sind nicht mein Ding. Aber ich habe draußen auf eurem Parkplatz ein paar Freunde die sehr durstig sind, aber denen es nicht gestattet ist, hier etwas zu trinken. Diese Freunde würden sich sehr über zwei große Bier freuen. Aber es darf niemand sehen, dass meine Freunde diese Getränke erhalten. Das muss also heimlich, still und leise von statten gehen, Rashid. Glaubst du, wir können hier zu einer Übereinkunft kommen?“
Lächelnd griff der junge Astrokaszy nach der Münze und ließ sie in einem ledernen Portemonnaie verschwinden.
„Aber natürlich, Mister Tyr. Das dürfte kein Problem darstellen. Heimlich, still und leise sind meine anderen Vornamen. Wie erkenne ich Ihre Freunde auf dem Parkplatz?“
Fast beiläufig griff Tyr nach dem Glas und nahm einen tiefen Schluck, genoss das Feuer, welches sich in seiner Kehle und dem Magen ausbreitete und griff dann auch nach der Flasche, welche Rashid ihm reichte.
„Acht Uniformierte. Zwei Jeeps und zwei Rock Rover Halbkettenfahrzeuge. Sag einfach, dass ich dich schicke.“
Eifrig nickte der junge Mann und beeilte sich dann, durch eine versteckte Tür hinter einem Spiegel der Rückwand der Bar zu verschwinden.
Zufrieden mit sich und der Welt drehte er sich zu dem Gastraum um und ließ die Atmosphäre auf sich wirken als sich eine faltige Hand auf seine Schulter legte.
Sofort rutschte seine Rechte zu dem Griff der Laserpistole im tief hängenden Halfter noch bevor er seinen neuen Gesprächspartner im Augenwinkel erkannte.
Stephano Gallierdi hatte ein halbvolles Glas Rotwein in seiner linken Hand und hob nun beschwichtigend die andere von seiner Schulter.
„Keine Sorge, Kleiner. Hätte ich dich erschießen wollen, so wäre das auf deinem Weg vom Eingang zur Sitzgruppe oder eben von hinten wesentlich einfacher gewesen.“
Tyr verfluchte in Gedanken seine Achtlosigkeit und drehte sich dann zu dem anderen Mechpiloten um, wobei er seinen Thumbler neben die Flasche auf die Theke stellte.
Die rechte Hand behielt er auf dem Griff der Pistole.
„Ich hätte auch nur noch ein einziges Mal auf deinen Kiso einschlagen müssen um dich zu zerquetschen, Gallierdi.“
Der alte Mann nickte bedächtig, während seine stahlgrauen Augen Tyr von oben bis unten musterten. Seine freie Hand steckte er in der Tasche seiner dunklen Anzughose, die in Kombination mit dem weißen Hemd und dem dunklen Sakko eher den Anschein eines gut gestellten Geschäftsmannes vermittelten als den eines Mechkriegers.
Die lichten, grauen Haare waren ölig nach hinten gekämmt und das faltige Gesicht stand ganz im Gegensatz zu den auf Hochglanz polierten Lederschuhen.
„Ja, das ist wohl wahr, Kleiner. Deshalb stehe ich hier. Ich habe dich unterschätzt und du hast mir gezeigt, wie überaus tödlich dieser Fehler sein kann. Ohne mich wirklich an den Sensenmann zu überstellen. Dafür möchte ich dir danken.“
Die Worte des alten Mechkriegers klangen ehrlich, wenn auch etwas verbittert was in Anbetracht der Situation nur zu verständlich war.
Tyr ließ die Hand von dem Griff der Laserpistole rutschen und griff wieder zu seinem Thumbler.
„Wir alle sind Soldaten, Mister Gallierdi. Krieger und keine Mörder. Ich töte, wenn ich dazu gezwungen bin und nicht weil es mir Spaß macht. Ein Dank ist also nicht nötig. Wenn Sie Ihren Kiso zurück kaufen wollen, bin ich der falsche Ansprechpartner. Er gehört jetzt meinem neuen Boss.“
Lachend schüttelte der alte Krieger den Kopf bevor er einen Schluck des Rotweines nahm.
„Eine gute Einstellung, Kleiner. Ziemlich einfältig, aber es zeugt von einem guten Herz. Den Kiso habe ich abgeschrieben. Bin auf ein etwas leichteres Gerät umgestiegen und damit sehr zufrieden. Du kämpfst jetzt für Jonathan Graham?“
Die beiläufig gestellte Frage ließ Tyr's geistige Alarmsirenen aufklingen und er räusperte sich bevor er ebenfalls von dem exquisiten Whiskey trank.
„Du brauchst nicht zu antworten. Mir ist durchaus bekannt, dass der Bastard seinen Leuten den Maulkorb anlegt. Du bist ein guter Fang für die Schwarze Legion, aber pass auf dich auf. Grahams Leute leben gefährlich. Wir sehen uns spätestens zu den Endausscheidungen auf dem Playground, Kleiner.“
Damit drehte sich Gallierdi um und spazierte mit eleganten Schritten zu einer Sitzgruppe, in der wohl Angehörige seines Teams ausgelassen feierten.
„Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und einen Kopf größer als du. Von wegen Kleiner, du alter Sack!“
Frustriert leerte er den Thumbler und befüllte ihn mit der daneben stehenden Flasche erneut, als Rashid hinter der versteckten Tür wieder auftauchte und ihm mit dem Daumen nach oben zu verstehen gab, dass die geheime Operation planmäßig durchgeführt worden war.
Zufrieden nickend nahm er den Stiefel von der Messingfußleiste und schlenderte zu seiner eigenen Gruppe zurück, die bereits ausgiebig dem in Strömen fließenden Alkohol zusprach und lauthals über die Vor- und Nachteile des örtlichen Bieres debattierte.
„Oh, der feine Herr Mechkrieger ist eher dem Whiskey zugetan als mit dem einfachen Fußvolk die derbe Schönheit von Gerstensaft zu genießen.“
Lachend rückte Henry ein Kissen weiter und Tyr ließ sich vorsichtig auf den nun freien Platz sinken, peinlich darauf bedacht, keinen Tropfen der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in seinem Glas zu verschütten.
Die Flasche stellte er auf dem niedrigen Tisch ab und nahm dankend den von Cassandra angebotenen Schlauch der Wasserpfeife entgegen.
Einen langen Zug später breitete sich der Geschmack von exotischen Früchten in seinem Mund aus und auch er lehnte sich entspannt in die gemütlichen Kissen.
Patrick, der mittlerweile seine späte Mahlzeit beendet hatte, blickte fragend zu der Flasche und dann zu ihm und Tyr nickte großzügig, woraufhin der andere Mechkrieger zwei Finger der fast öligen Flüssigkeit in sein Glas kippte.
„Erzähl mal was von dir, Neuling.“
Die Stimme des Lyraners unterbrach ein sich entwickelndes Streitgespräch zwischen Henry und Cassandra über Geschmacksnuancen verschiedener Tabaksorten und der Staff Sergeant schwenkte sofort auf das neue, viel interessantere Thema um.
„Genau, in den letzten zwei Tagen hast du fast alles über uns erfahren und wir fast nichts über dich. Wird Zeit diese Ungerechtigkeit anzugehen, findest du nicht? Ich meine, Patrick und Cassandra müssen mit dir in die Endausscheidungen ziehen. Ihr Leben könnte von dir abhängen.“
Verächtlich stieß Cassandra einen Rauchring in die Luft.
„Vielleicht das Leben dieses Fettsacks in seiner sprintenden Konservendose, aber garantiert nicht meines.“
Die Worte der Pilotin ignorierend drehte der Infanterist sich eine Zigarette und entzündete diese an der glühenden Kohle der Wasserpfeife, ohne ihn aus dem neugierigen Blick zu entlassen.
„Ich möchte die Party nicht mit meiner doch eher traurigen Lebensgeschichte belasten, Leute. Es wäre unpassend.“
Missmutig nahm er einen erneuten Schluck aus dem Thumbler und merkte allmählich, wie der Alkohol seine Wirkung zeigte. Er war nichts mehr gewöhnt. Definitiv.
„Das kannst du getrost uns überlassen, Tyr. Wir haben ja gefragt. Also leg los. Wo kommst du her? Was machen deine Eltern? Wie hast du diese Traumfrau getroffen die unverständlicherweise an deiner Seite ist?“
Patrick beugte sich verschwörerisch nach vorn und wisperte die nächsten Worte.
„Oder bist du ein Adliger auf der Flucht und darfst nicht darüber sprechen?“
Zu dem einsetzenden Gelächter schüttelte er nur lächelnd den Kopf und atmete dann noch einmal tief ein und aus.
„Nein, das nicht gerade. Ich komme wie Uljana von Blackjack. Meine Mutter war eine Edelprostituierte für die obere Schicht des Planeten. Meinen Vater kenne ich nicht. Mit sechzehn schickte sie mich von Ihren Ersparnissen auf die Akademie, wo ich Uljana kennen lernte. Das Unternehmen ihres Vaters wartete nicht nur die Maschinen der Miliz sondern auch die des Akademiekaders. Hat zwei Jahre gedauert, aber dann habe ich das schönste Mädel des Planeten in den Armen gehalten. Beharrlichkeit zeichnet sich irgendwann aus. Kurz darauf wurde meine Mutter aus dem Fenster eines Hochhauses gestürzt. Der Fall wurde von der örtlichen Polizei nie aufgeklärt. Wahrscheinlich ein hoch gestellter, unzufriedener Kunde der genug Geld und Einfluss hatte um die Ermittlungen ins Leere laufen zu lassen. In jedem Fall nahm Uljanas Familie mich danach auf wie einen Sohn. Pjotr, ihr Vater gab mir eine Anstellung in seiner Firma und mit dieser Unterstützung konnte ich die Ausbildung beenden. Ich arbeitete mich im Büro immer weiter nach oben. Abteilung für Finanzen, Regressansprüche, allgemeine Buchhaltung und so. Vor zwei Jahren war von einem auf den anderen Tag Schluss. Eine andere Firma hatte die Verträge mit wesentlich günstigeren Angeboten an sich gerissen. Wir hatten keine Chance. Pjotr trickste ein wenig um die Bilanzen zu schönen und das flog bei einer Steuerprüfung auf. Er tauchte unter und bevor der Zoll den Betrieb schloss entwendeten Uljana und ich eine ganze Menge Ausrüstung. Unter anderem das Bergungsfahrzeug und den Khopesh. Wir nahmen das nächste Landungsschiff, bevor das Verschwinden von Millionenwerten auffallen konnte und streifen seit dem durch die Gegend. Durch die veraltete Technik des Mechs und meine nur geringe Erfahrung im Kampf fand ich nur Anstellungen bei runtergekommenen Söldnereinheiten im Garnisonsdienst was unsere Ausgaben nicht annähernd abdeckte. So sind wir irgendwann hier gelandet. Den Rest kennt ihr.“
Betretenes Schweigen und betroffene Blicke machten die Runde, während er erneut den Thumbler leerte.
Patrick beeilte sich, die bereit stehende Flasche zu öffnen, sich zu ihm zu beugen und das Glas erneut zu füllen.
„Verdammt, Tyr. Tut mir leid aber dass deine Geschichte so tragisch ist konnte ja keiner ahnen.“
Henry Miles schluckte hart, was Tyr ein Lächeln abrang.
„Jeder hat so seine Geschichte, Schlammstampfer. Und nicht bei jedem ist sie rosarot. Entscheidend ist doch letztendlich nur, was wir daraus machen. Ich lebe und sitze hier mit neuen Freunden über einem guten Glas Whiskey, rauche Wasserpfeife und genieße den Abend. Was will ich denn mehr? Vergessen wir die Vergangenheit und lasst uns sehen, was die Zukunft so für uns bereit hält. Zum Wohl!“
Alle Beteiligten hoben ihre Gläser und leerten sie wie Tyr in einem Zug.
„Für einen jungen Spund sind das wirklich nette Worte. Wenn Sonnenschein jetzt noch dein Können an den Kontrollen eines Battlemechs in die Spur bringt, freue ich mich darauf, neben dir in den Kampf zu ziehen.“
Patrick erhob sich schwankend von seinem Kissenstapel, schloss kurz die Augen und blickte dann in Richtung einer der breiten Treppen des Boom Boom.
„Und jetzt entschuldigt mich einen Moment. Ich muss pissen! Außerdem habe ich auf das zu befürchtende Gespräch wirklich keine Lust.“
Damit bewegte er seinen tonnenförmigen Körper an dem kleinen Tisch vorbei und ging mit steifen Schritten auf die anvisierte Treppe zu, an der Tyr nun das Schild für die Toiletten erblickte.
„Was zur Hölle meint er damit? Habe ich was falsches gesagt?“
Verwundert sah er seinem Lanzenkamerade nach, der sich bemühte, die Treppe mit so viel Würde wie möglich zu erklimmen, als eine Frau Mitte dreißig in dem Overall eines Techs und mit kurzen, blonden Haaren und schlanker Figur taumelnd an die Sitzgruppe trat.
Dass die Dame betrunken war zeigte der vernebelte Blick und die krampfhafte Haltung, mit der sie ihre Bierflasche umfasst hielt, lange bevor sie zu sprechen begann.
„Da ist ja die feine Truppe des mordlüsternen Bastards. Hab euch gar nicht reinkommen sehen. Freut mich, dass ihr alle noch am Leben seid, ist ja bei der Schwarzen Legion schon eher unüblich.“
Henry nickte nur in Richtung der Frau während Cassandra sich aggressiv nach vorn lehnte.
„Hallo Megan. Freut mich auch, dich zu sehen. Ich glaube du hast genug getrunken. Geh zu deinen Freunden zurück und lass uns in Ruhe. Bis jetzt war es ein schöner Abend und ich möchte, dass es so bleibt.“
Die zierliche Mechpilotin schob eine ins Gesicht hängende Strähne des pechschwarzen Haares hinter ihr Ohr und legte den Schlauch der Wasserpfeife in der dafür vorgesehenen Halterung ab.
Die Stimmung war mit einem Mal gespannt, was Tyr sich nicht erklären konnte.
Nur das es mit der betrunkenen Frau zu tun hatte, war unübersehbar.
„Na aber was soll das denn, Cassandra. Ist das die Art, eine ehemalige Kameradin und Freundin zu begrüßen? Ich wollte doch nur kurz Hallo sagen oder ist euch das jetzt auch schon von dem elenden Henker verboten worden.“
Ihr Blick fiel auf ihn und es schien, dass die Frau namens Megan sich setzen musste, also rückte Tyr ein Stück auf um Platz zu machen.
Seine Erziehung setzte sich wieder besseren Wissens durch.
Sie leckte sich mit der Zunge über die Lippen und beachtete den freien Platz gar nicht.
„Dich kenne ich nicht. Bist du neu in Grahams Truppe? Ein neues Lamm, das er zur Schlachtbank führen kann? Dann möchte ich dir eines gleich sagen. Du bist so gut wie tot, Mann. Und der Schuss wird dich nicht von vorn treffen, sondern in den Rücken. Das ist die einzige Art wie es euch zu sterben gestattet ist. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede.“
Henry war aufgestanden und baute sich vor der Tech auf, der Speichel aus dem Mundwinkel rann.
Im Gegensatz zu seinem aggressiven Auftreten war seine Stimme ruhig, fast freundlich.
„Du weißt nicht, was du sagst, Megan. Du bist völlig betrunken. Wir alle fühlen mit dir, aber was du hier abziehst geht zu weit. Graham hatte nichts damit zu tun. Pieter hatte einfach nur Pech. Das kann jeden von uns treffen. Jeden. Ich bringe dich zu deinen Leuten zurück.“
Er griff die Frau am Arm, aber sie riss sich schnell wieder los und schrie ihm ins Gesicht.
„Pech? Pech nennst du das? Pieter war ein erfahrener Pilot. Er kannte seine Maschine wie kein anderer. Ich selbst habe vor dem Gefecht alle Systeme überprüft und der verdammte Druckluftzylinder war in Ordnung. Graham hat ihn umgebracht. Feige und hinterhältig, Henry. Nur weil er zu viele Fragen über die verdammten Steine gestellt hat. Nur darum. Darum musste auch Fiona dran glauben. Versteht ihr es denn nicht? Er wird euch alle umbringen. Einen nach dem anderen und ihr seht treu in Habacht-Stellung dabei zu.“
Tränen rannen der Frau über die Wangen als ein weiterer Tech hinter ihr auftauchte. Die Farbe seines Overalls glich der, welchen die Frau trug und mit einem warnenden Blick zu dem Infanteristen schob sich der Mann zwischen die beiden.
Einige geflüsterte Worte später ließ sich Megan ohne Widerstand von der Sitzgruppe weg führen, während Henry wieder zu seinem Platz zurück kehrte.
„Hatte nichts mit dir zu tun, Tyr. Auf solche Situationen legt Patrick keinen Wert. Er ist da eher sentimental gestrickt. Außerdem waren Pieter und Megan gute Freunde von ihm.“
Nun horchte Tyr auf.
„Pieter van Zahnt? Der gefallene Mechpilot?“
Traurig nickte der Infanterist und spülte den bitteren Geschmack des zurückliegenden Gesprächs mit einem Schluck seines Bieres hinunter.
Cassandra sprang für eine Erklärung ein.
„Genau der. Megan ist seine Witwe. Sie war Tech, ebenfalls in der Schwarzen Legion. Nach dem Tod von Pieter sind bei ihr die Sicherungen durchgeknallt. Bei Nacht und Nebel ist sie verschwunden und hat bei Team Ross angeheuert. Graham hat es durchgehen lassen, auch wenn er es als Desertion gesehen hat. Hat ihr eine Abfindung für Pieter bezahlt und ihr die zurück gelassenen Sachen geschickt. Trotzdem sieht sie in ihm den Teufel.“
„Und Fiona Bale war ihre was, Schwester?“
Seine Frage ließ Cassandra kurz schnaufen und dann bekümmert nicken.
„Ja. Megan hat zuerst bei der Schwarzen Legion angeheuert. Sie hat Fiona dann hierher geholt. Als die Geschichte passierte ist, machte sie sich schwere Vorwürfe und verrannte sich immer tiefer in Verschwörungstheorien. Die Heirat mit Pieter hat sie stabilisiert, aber ganz hat sie die Nachforschungen nie aufgegeben. Verdammt traurige Sache. Eine Verkettung unglücklicher Umstände die der Frau einfach die Beine unter dem Körper weggezogen hat. Sie war eine verdammt gute Tech. Ist sie wahrscheinlich noch immer. Aber den Verstand hat sie verloren.“
Patrick trat wieder an den Tisch und blickte sich kurz um, bevor er sich in die Kissen sinken ließ.
„Ist sie weg?“
Cassandra wie auch Henry bestätigten seine Frage knapp, woraufhin sich der ältere Mann entspannte.
Tyr hing noch immer seinen Gedanken nach und drehte bedächtig den Thumbler zwischen seinen Händen.
„Was meinte sie mit den Steinen?“
Seine Frage stieß auf Schweigen, bis Patrick schwer schnaufte und sich ein weiteres Mal aus Tyrs Flasche einschenkte.
„Also gut, Junge. Du warst ehrlich zu uns, also bin ich ehrlich zu dir. Ich erzähle dir die Geschichte ein einziges Mal aus meinem Blickwinkel. Ohne Wertung. Ohne Anklage. Und wenn du davon irgend jemandem was sagst, prügele ich dich ins Koma. Verstanden?“
Erschrocken nickte Tyr nur, bevor Patrick begann.
„Fiona und Megan stammen wie fast alle von uns aus dem lyranischen Raum. Bevor sie hierher kam hat Fiona die Außenstelle eines Juweliers auf Tharkard geleitet. Sie kannte sich also mit Edelsteinen verflucht gut aus. Sie hat wohl immer den Verdacht gehegt, dass Graham uns nur einen Bruchteil des Wertes der funkelnden Kostbarkeiten gibt und den Löwenanteil selbst einstreicht. Nach ihrem Tod hat Megan weiter nachgeforscht, stieß aber immer wieder auf eine Mauer aus Schweigen und Unwissenheit. Hat sie verrückt gemacht nicht zu wissen, was mit ihrer Schwester passiert ist. Als sie und Pieter geheiratet haben begann auch er darüber nach zu denken, was mit den verfluchten Steinen passiert, sobald der Boss sie in seine Hände bekommt. Pieter war ein schlauer Kopf und auch wenn ich das nicht gern sage, er war gierig. Die beiden haben sich ausgemalt, dass Graham für ein Syndikat arbeitet, das die Edelsteine hier günstig einstreicht und dann mit Schmugglern in die Innere Sphäre bringt, wo sie geschliffen werden und einen viel höheren Preis erzielen. Natürlich vorbei an der Steuer. Das würde die sündhaft teure Ausrüstung erklären. Und auch seine schiere Sucht nach Geheimhaltung. In jedem Fall marschiert Pieter als Lanzenführer in das Büro von Graham und stellt ihn zur Rede. Der streitet natürlich alles ab und scheucht ihn raus. Und zwei Tage später verbrennt Pieter van Zahnt bei einem Kampf aufgrund des Versagens eines Teils an seinem gut gewarteten Mech. Nimmt man jetzt noch die schlimme Sache mit Fiona hinzu, kann man angsteinflößende Schlüsse ziehen, aber davor möchte ich dich eindringlich warnen, Tyr. Ich habe keine Ahnung was Graham mit den Steinen anstellt und ehrlich gesagt will ich es auch nicht wissen. Wir wurden alle gewarnt, nicht zu viele Fragen zu stellen und daran halte ich mich. Und das solltest du auch so halten, Junge.“
Damit schloss Patrick und schien nicht gewillt zu sein, weitere Details Preis zu geben. Trotzdem hakte Tyr nach.
„Und die beiden waren deine Freunde?“
Der Scoutpilot blickte traurig auf sein Glas Whiskey und nickte nur stumm.
„Und du willst nicht wissen, was wirklich dahinter steckt?“
Diesmal schüttelte der untersetzte Mechpilot den Kopf und stürzte den Inhalt des Glases in einem Rutsch in sich hinein.
„Nein, Junge, das will ich nicht. Ich bin nicht so alt geworden weil ich meine Nase in Angelegenheiten steckte die mich nichts angehen. Im Gegenteil. Ich spüre feindliche Einheiten auf, gebe die Position an euch weiter und jage deren Scouts. Wenn es sein muss bis in die Hölle. Wenn es hart auf hart kommt, greife ich auch mir weit überlegene Einheiten an. Attackiere die Rückenpanzerung, setze ein paar schmerzende Treffer bevor ich mich aus dem Staub mache. Aber eines ist in meinem Job überlebenswichtig. Man muss wissen, wann man sich bedeckt halten und den Kopf einziehen sollte. Sonst wird er einem ganz schnell abgeschlagen. Das gilt auf dem Schlachtfeld genau so wie auch in dieser Sache.“
Verstehend nickte Tyr zu den Worten des alternden Mechkriegers und bemerkte erst jetzt, dass Cassandra wie auch Henry betreten auf ihre Getränke starrten.
Er hatte genug gehört und war nicht bereit, den Abend mit dieser Stimmung zu beenden.
„Okay, dann erzählt mir mal was über die anderen Teams, die es wahrscheinlich in die Endausscheidungen schaffen. Kann ja nicht schaden, seinen Gegner zu kennen.“
Sofort hellte sich die Stimmung der Anwesenden auf und über die kommenden Stunden hinweg erhielt Tyr wichtige Informationen zu den kommenden Kämpfen, obwohl seine Aufnahmefähigkeit mit steigendem Alkoholpegel immer weiter abnahm.

Der Morgen graute bereits, als die zwanzig Angehörigen der Schwarzen Legion durch die großen Flügeltüren wieder ins Freie traten oder in zwei Fällen sogar getragen werden mussten. Die Stimmung war ausgelassen. Tyr hatte sich von Henry eine Zigarette drehen lassen und ließ sich von ihm nun auch Feuer geben während er den noch immer menschenleeren Platz vor dem Club in Augenschein nahm. Vor ewigen Zeiten hatten die Bewohner von Jasons Reef einen Baum genau in die Mitte des gepflasterten Platzes gepflanzt, der jedoch nur noch ein verkümmertes Skelett darstellte. Die Geschäfte rund herum waren noch geschlossen und die Dunkelheit wurde nur von den Lichtern des Boom Boom Clubs erhellt.
„Wir wären dann bereit zur Abholung, Maultier. Stehen schon vor dem Club bereit.“
Henry nuschelte in das Com und wartete die Bestätigung gar nicht erst ab, bevor er Tyr schief angrinste.
„Na das nenne ich doch mal einen gelungenen Abend.“
Seine letzten Worte gingen im Aufheulen eines schweren Motors unter, das die breite Hauptstraße hinab auf den großen Platz hallte. Ein rostiger Sand Devil Schweber raste mit halsbrecherischer Geschwindigkeit und brüllenden Rotoren heran. Das Fahrzeug war offensichtlich nicht bewaffnet und auch kaum gepanzert und befand sich auch sonst in einem äußerst desolaten Zustand.
Khaled Ibn Nasr, der Offizier der Garde des Wesirs, mit dem sich Tyr angefreundet hatte war hinter ihnen an der Spitze seiner Leute aus dem Club getreten und schüttelte nun wütend den Kopf.
„Verdammtes Idiotenpack. Es ist immer dasselbe wenn die Karawanen in die Stadt kommen. Die denken sie könnten mit ihren verrotteten Karren hier genau so aufdrehen wie in der Wüste.“
Schulterzuckend zog Tyr an seiner Zigarette als er schemenhaft eine Gestalt wahr nahm, die über den Platz taumelte.
Der Schweber raste noch immer mit geschätzten hundertzwanzig Stundenkilometern heran, da sprintete Tyr schon los. Seine Stiefel trugen ihn in Windeseile die Treppen hinab, während er sich die Lunge heraus brüllte.
„Hey, vorsicht! Hey, der Schweber!“
Wie durch Zauberhand ersetzte nun ein Adrenalinrausch den Alkoholeinfluss und er rannte so schnell ihn seine Füße tragen konnten über den Platz, vorbei an dem abgestorbenen Baum und über das Jahrhunderte alte Kopfsteinpflaster.
Das Tosen der Rotoren des Sand Devil war nun ohrenbetäubend und doch schien die Person es nicht einmal wahr zu nehmen. Wieder und wieder schrie er Warnungen, als er bemerkte, dass der Schweber genau auf die nun als Frau in einem Tech-Overall zu erkennende Gestalt zu hielt.
Entweder hatte der Fahrer das Licht ausgeschaltet um den Kick der Hochgeschwindigkeitsfahrt zu erhöhen oder die Scheinwerfer des Fahrzeugs waren defekt, was für Tyr viel wahrscheinlicher war.
In jedem Fall beschleunigte er sein Fahrzeug erneut in Richtung der Hauptstraße, die von dem Platz wegführte.
Im letzten Moment drehte Megan van Zahnt irritiert den Kopf zur Seite, blickte erst zu dem nur noch wenige Meter entfernten Schweber und dann mit weit aufgerissenen Augen in seine Richtung.
Sein Schrei musste ihre Ohren erreicht haben, als die rostige Stoßstange des Schwebers sie erfasste, die Frau brutal erst auf die Motorhaube, dann das Dach und schließlich hinter dem Schweber auf die Straße schlagen ließ. Der Aufprall war dermaßen brachial das Tyr sich einbildete, die Knochen des Opfers bersten zu hören.
Kurz schlingerte der Sand Devil, bevor er ungebremst die Hauptstraße entlang rauschte.
Schlitternd kam Tyr neben Megan in kniender Position zum stehen, riss seine Laserpistole aus dem Holster und eröffnete das Feuer auf das fliehende Fahrzeug.
Die Impulsstrahlen seiner Waffe loderten heiß auf der wenigen Panzerung, die der Besitzer dem Sand Devil gelassen hatte, zogen Brandspuren über rostiges Metall und verblichenen Kunststoff und schmolzen sich durch eine improvisierte Heckscheibe in den Innenraum.
Erst als sein Magazin aufgebraucht war, ließ er den Abzugsbügel der glänzenden Laserwaffe los. Das leise Zischen der Strahlen wurde jedoch fast sofort durch das laute Bellen automatischer Waffen ersetzt. Franky De Maggio warf sich vor ihn und eröffnete im Knien das Feuer aus seinem Federated Long Rifle. Das Sturmgewehr spuckte armlange Flammen dem flüchtenden Sand Devil hinterher, der plötzlich von Funken und Querschlägern umgeben war. Die Infanteristin namens Morris deckte ihn ebenfalls mit ihrem Körper als sie auf seiner anderen Seite auf ein Knie herab sank und dann die Hölle aus ihrem leichten Maschinengewehr über den Sand Devil hereinbrechen ließ. Die donnernden Salven des vollautomatischen Gewehrs hallten über den Platz und erleuchteten in kurzen Blitzen jeden Winkel vor dem Boom Boom Club.
Zwischen den beiden Soldaten hindurch sah Tyr gerade noch, wie der schwer getroffene, eine schwarze Rauchfahne hinter sich her ziehende Sand Devil an einer Kreuzung abbog, dann versperrten ihm die mit quietschenden Reifen vor dem Quartett in Schutzposition haltenden Jeeps die Sicht.
Sofort erhob sich Morris und feuerte weiter in Richtung der Hauptstraße, während nun auch die Besatzungen der Jeeps aus allen Rohren zu schießen begannen.
„Bleiben sie unten, Sir. Wir regeln das!“
Franky De Maggio ließ das leer geschossene Magazin aus seinem Sturmgewehr gleiten, klopfte ein Neues kurz gegen seinen Helm, rammte es in die dafür vorgesehenen Öffnung und sprang dann ebenfalls auf um über die Motorhaube des Jeeps weiter großflächig Geschosse zu verteilen.
Tyr hingegen steckte die Laserpistole wieder in das Holster und betrachtete hilflos den zerschmetterten Körper von Megan van Zahnt, während die sich schnell ausbreitende Blutlache ihn bereits umschlossen hatte.
„Sani! Gottverdammt, wir brauchen einen Sanitäter!“
Sein Brüllen wurde von verschiedenen Soldaten aufgegriffen, und nur Sekunden später kniete sich ein junger Mann in Uniform der Schwarzen Legion neben ihn und begann, den schwer atmenden Körper zu untersuchen.
Nach nur wenigen Augenblicken sah der Sanitäter mit verbittertem Gesicht zu Tyr und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Aber Megan van Zahnt war noch nicht tot. Ihre Lippen bewegten sich fast lautlos und ihr Blick war fest auf Tyr gerichtet.
„Feuer einstellen, ihr verdammten Arschlöcher! Das war ein Verkehrsunfall! Feuer einstellen habe ich gesagt. Der Schweber ist schon lange aus dem Schussfeld.“
Die brüllende Stimme von Henry Miles schallte über die Szenerie und nach und nach verstummten die Waffen.
„Ich kann sie nicht verstehen, Misses van Zahnt. Bitte wiederholen sie das noch einmal.“
Nachdem die Schüsse verhallt waren beugte sich Tyr ganz nah über das Gesicht der sterbenden Frau, während der Sanitäter sich erhob und Cassandra sowie Patrick herbei geeilt kamen.
Beim Anblick der schrecklichen Szene blieb die sonst so selbstsichere Mechpilotin wie angewurzelt stehen, presste die Hände vor den Mund und konnte die Tränen nicht zurück halten.
Patrick drehte sie von dem Anblick weg und presste ihren zitternden Kopf gegen seine Schulter, während er völlig überfordert auf Megan und Tyr starrte.
Mit einem letzten, gurgelnden Atemzug hob sich der Brustkorb der Frau noch ein Mal, dann brachen ihre Augen und Blut quoll aus dem Mund.
Tyr kam aus der gebeugten Position wieder hoch, atmete tief durch und schloss dann die Augen der Verstorbenen, bevor er sich erhob.
Seine Hose war Knie abwärts völlig mit Blut besudelt, genau wie seine Hände und sogar sein Gesicht. Seine Stiefel standen in der sich noch immer ausbreitenden Lache der roten Flüssigkeit.
Schwer atmend blickte er zu Henry und dem neben ihm stehenden Khaled Ibn Nasr.
„Der verfluchte Penner hat sie gesehen. Er hat auf der Hauptstraße beschleunigt und die Lichter abgeschaltet, damit er später bemerkt wird. Er ist mit Höchstgeschwindigkeit über einen hundert Meter breiten Platz gerast. Hundert Meter breit. Der Schweber ist drei Meter breit. Ohne zu bremsen fährt er rechts um den Baum herum. Jede andere Lenkbewegung hätte sie aus der verdammten Gefahrenzone gebracht. Nach dem Aufprall hat er nur kurz geschlingert als wäre er darauf vorbereitet gewesen. Jetzt könnt ihr euch ausrechnen, wie groß die Chance ist, dass das hier ein verdammter Verkehrsunfall war.“
Aufgebracht machte er sich auf dem Weg zu den vor dem Club stehenden Halbkettenfahrzeugen, bei denen auch der Rest der Gruppe stand.
„Ich erwarte alle Beteiligten morgen früh zur Befragung in meinem Büro, Staff Sergeant Miles. Sie sorgen dafür. Wir werden den Fahrer erwischen. So etwas läuft in meiner Stadt nicht.“
Khaled Ibn Nasr winkte einen seiner eigenen Jeeps heran, der mit quietschenden Reifen neben ihm zu stehen kam. Herrisch bestieg er das alte Fahrzeug und der Fahrer ließ die Reifen beim Anfahren durchdrehen. Er schloss sich damit zwei ähnlichen Vehikeln an, die bereits die Verfolgung des fliehenden Schwebers aufgenommen hatten.
„Zumindest tut er so, als würden ihn Recht und Ordnung in diesem Rattennest interessieren.“
Henry hatte Tyr eingeholt während Cassandra noch immer schluchzend in Patricks Armen lag, der sie etwas langsamer in dieselbe Richtung führte.
„Glaubst du wirklich das war kein Verkehrsunfall, Tyr?“
Der Infanterist hatte so leise geraunt, dass nur er die Worte verstehen konnte.
Das langsam nachlassende Adrenalin ließ eine bleierne Müdigkeit von ihm Besitz ergreifen und auch der Alkohol forderte seinen Tribut.
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Henry.“
Die beiden hatten die mit laufenden Motoren wartenden Fahrzeuge fast erreicht als Henry Miles stehen blieb und Tyr am Arm packte.
„Was hat Megan dir gesagt? Eben, bevor sie gestorben ist.“
Emotionslos blickte Tyr in Henry's Augen. Äußerlich schien er müde und abgelenkt, aber in seinem Kopf arbeitete es schwer.
„Ich glaube sie hat mich für Ihren Mann gehalten. Konnte kaum etwas verstehen. Aber es klang wie: Ich liebe dich.“
Henry's Hand rutschte von seinem Arm und er wendete sich wieder den Rock Rover Infanterietransportern zu, in denen nun die Angehörigen der Schwarzen Legion verschwanden.
Ein letztes Mal blickte Henry Miles zurück zu der alptraumhaften Situation auf dem Platz, dann widmete er sich wieder seiner Aufgabe.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Büro von Jonathan Graham
08. Februar 3025

„Was zur Hölle fällt Ihnen beiden ein? Sie sollten beobachten. Nur beobachten, verdammt. Und jetzt habe ich eine Tote, die direkt vor den Augen eines Trupps meiner Leute und dem halben Offizierscorps der Garde des Wesirs ermordet wurde. Von den Fragen innerhalb der Einheit mal ganz abgesehen verlangt der Wesir ein Treffen und ich kann mir lebhaft vorstellen, über was der Mistkerl sich unterhalten möchte.“
Jonathan Graham war außer sich vor Zorn und schrie seine Gefühle mit zu Fäusten geballten Händen in die Gesichter der drei anderen Anwesenden.
Zahra Lynch stand einen Schritt neben ihren beiden Sicherheitsleuten und schien von der Ansprache nicht beeindruckt zu sein während die sonst so selbstsicheren Männer sich unter dem rasenden Blick des Geschäftsmannes zu winden schienen.
„Sir, wie Sie dem Bericht entnehmen können, gab die spätere Zielperson definitiv sensible Informationen an die beobachtete Gruppe weiter. Sie gab uns keine Möglichkeit einer anderen Klärung der Situation. Sie war nie alleine, weder im Waschraum noch irgendwo anders, sonst hätten wir eine subtilere Form der Liquidation gewählt. Als sie den Club verließ mussten Specialist Cromwell und ich unsere Position aufgeben um die Situation zu bereinigen. Zu diesem Zeitpunkt saßen unsere Leute noch auf den ganzen Raum verteilt und haben gefeiert. Es konnte keiner ahnen, dass sich die Aufbruchsstimmung innerhalb weniger Minuten durchsetzte und die Truppe mit einem Mal vor der Tür stand.“
Während er sprach, blickte der Soldat stur gerade aus und verzog keine Miene.
„Ich hatte das Fahrzeug bereits unter meine Kontrolle gebracht als ich von Specialist Heyden die Information über die geänderte Situation erhielt. Ein Abbruch der Aktion war da schon nicht mehr möglich. Wir hatten eine Entführung geplant. Die Leiche der Zielperson wäre dann spurlos in der Wüste verschwunden. Heyden stand am Platz bereit. Aber durch die plötzlich auftauchende Menschenmenge mussten wir handeln. Wir haben improvisiert, Sir. Wir entschieden uns für die Durchführung und tragen die Konsequenzen unseres Handelns.“
Auch der zweite Soldat zuckte nicht mit auch nur einem Muskel.
Mit einem kurzen Seitenblick auf Zahra nickte Graham und versuchte, seinen Gefühlsausbruch unter Kontrolle zu bekommen, was ihm trotz aller Anstrengungen nur leidlich gelang.
Wütend ging er um seinen voll geladenen Schreibtisch herum und ließ sich in den gemütlichen Sessel fallen.
„Fahren Sie fort, Specialist Cromwell. Jede verdammt Einzelheit.“
Der angesprochene Mann bestätigte den ihm gegebenen Befehl und räusperte sich dann kurz.
„Jawohl, Sir. Ich hatte den Schweber mit zwei jungen Beduinen an der Straße entdeckt. Die beiden waren offensichtlich alkoholisiert und das Fahrzeug trotz desolatem Zustand die perfekte Wahl. Zwei junge Einheimische, die eine Fremdweltlerin entführen, vergewaltigen und dann in der Wüste verscharren, bevor sie einem tragischen Unfall bei hoher Geschwindigkeit erliegen. Absolut wasserdicht. Das war der Plan. Ich neutralisierte die beiden im Nahkampf um bei einer späteren Untersuchung keine Spuren von Waffengewalt zu hinterlassen und lud die Körper in das Fahrzeug. Dann stieg ich selbst ein und beschleunigte. In diesem Moment erhielt ich die Meldung über die aufgetauchten Zeugen von Heyden via Com. Er empfahl das Ableben der Zielperson durch einen Verkehrsunfall und ich stimmte zu. Ich beschleunigte den Schweber auf Höchstgeschwindigkeit und neutralisierte die Frau ohne Kollateralschäden bei fast hundertachtzig Stundenkilometern. Ich konnte das durch den Aufprall hervorgerufene Schlingern des Fahrzeugs durch Gegenlenken abschwächen. Womit wir nicht gerechnet hatten war die Reaktion des neuen Mechkriegers.“
Nun sprang wieder Heyden in die förmlich vorgebrachte Meldung ein.
„Tyr Sievers nahm den Schweber zuerst wahr und reagierte trotz vorhergehendem, massivem Alkoholkonsum beachtlich, Sir. Er versuchte die Zielperson durch lautes Rufen zu warnen und sprintete über den Platz. Er erreichte das Ziel kurz nach dem Aufprall und zog sofort seine Waffe um das Feuer zu eröffnen. Gezielte Schüsse, Impulsfeuer, Sir. So etwas habe ich noch nie gesehen und ich spreche von der Waffe wie auch der Reaktion. Gepulstes Laserfeuer. Muss ein Relikt aus dem Sternenbund sein. Und der Mann ist ein herausragender Schütze. Er brachte alle Schüsse in ein sich mit hoher Geschwindigkeit bewegendes Ziel, nach einem Sprint von hundert Metern unter Alkoholeinfluss und bei Dunkelheit mit hohem Stressfaktor. Mit einer Handfeuerwaffe, Sir. Ich bin ausgebildeter Scharfschütze, aber das hätte ich nicht hinbekommen.“
Nachdenklich lehnte sich Graham in dem alten Sessel zurück, wobei das Leder ein leises Knarren von sich gab, faltete die Hände vor dem Mund und betrachtete die vor ihm stehenden Männer.
Seine Wut war verflogen und wurde durch sein analytisches Denken ersetzt für das er unter seinen Leuten bekannt und gefürchtet war.
„Er hat sofort geschossen?“
Beide Soldaten nickten ohne zu zögern.
„Sofort, Sir. Kniende Schusshaltung. Beide Hände an der Waffe. Bei den Reflexen tippe ich auf eine hochwertige Infanterieausbildung. MI6, DEST, Todeskommandos oder Lohengrin. In jedem Fall ist das kein normaler Mechjockey, Sir. Ich habe sein Training mit dem Lanzenführer am zweiten Tag gesehen und die Leistung hätte für jede Aufnahmeprüfung des DMI gereicht.“
Wieder nickte Graham, während sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen. Äußerlich ließ er sich das jedoch nicht anmerken.
„Interessant. Weiter!“
Wieder räusperte sich Cromwell, bevor er den vorgetragenen Bericht zum Abschluss brachte.
„Nach der Aktion begab ich mich zum vorher ausgemachten Treffpunkt, wo ich Specialist Heyden aufnahm. Es hatte sich heraus gestellt, dass die Garde des Wesirs mich verfolgt, aber die altersschwachen Jeeps waren für die Leistung des Schwebers kein Problem. Wir verließen die Stadt Richtung Bengalen und kontaktierten Hornissennest. Nachdem die Abholung gesichert war setzten wir die Leichen der beiden Beduinen auf Fahrer und Beifahrersitz, sabotierten die Treibstoffleitung, klemmten den Geschwindigkeitsregler fest und ließen das Fahrzeug in einer engen Kurve mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Felswand prallen. Der Schweber wurde bei dem Aufprall fast vollständig zerstört und den Rest hat der sich entzündende Treibstoff erledigt. Es gibt keine Beweise für unsere Beteiligung, Sir. Nicht einmal Hinweise. Nach der Zerstörung des Schwebers begaben wir uns zum Abholpunkt. Direkt nach der Rückkehr erstatteten wir der Kommandantin Bericht.“
Ruckartig setzte Graham sich auf und legte die Unterarme auf der Tischplatte ab.
„Nun gut, meine Herren. Entschuldigen sie meinen Ausbruch. Sie haben alles richtig gemacht. Es war mein Fehler. Ich hätte mich der Problematik mit Megan van Zahnt bereits sehr viel früher widmen müssen. Nun haben Sie meine Versäumnisse korrigiert. Ich werde eine Belobigung Ihren Akten hinzufügen und für den heutigen Tag nehmen Sie sich frei. Aber eine letzte Frage habe ich noch.“
Neugierig starrte er auf das breite, strahlend weiße Pflaster, welches an Cromwells rechter Halsseite klebte.
„Wie ist das passiert?“
Die Miene des Angesprochenen verfinsterte sich schlagartig.
„Durch das Feuer von Sievers, Sir. Ein Strahl schmolz sich durch die Heckscheibe, streifte meinen Hals und brannte sich dann durch die Frontscheibe.“
Die Tatsache, dass er verletzt worden war, schien dem Mann gehörig auf den Nerv zu fallen. Aber das kümmerte Graham nicht.
Er erhob sich wieder aus dem Sessel, blickte den Soldaten funkelnd an und stützte die Fäuste auf der Tischplatte ab.
Als er sprach war sein Tonfall schneidend, geradezu bedrohlich.
„Ich habe gefragt, wie das passiert ist?“
Verstehend nickte Cromwell sofort aber es dauerte einige Sekunden, bis sein Gehirn eine passende Antwort zusammen geschustert hatte.
„Eine Unachtsamkeit beim Training mit scharfer Waffe, Sir. Nach dem Abschuss eines tragbaren Kurzstreckenraketenwerfers auf dem Übungsgelände rutschte mir die Waffe nach vorn und ich verbrannte mir den Hals an einer durch den Feuerschweif der Rakete glühenden Stelle des Rohrs. Keine Einschränkungen der Dienstfähigkeit, Sir. Ich werde beim nächsten Mal besser acht geben.“
Mit der Erklärung zufrieden nickte Graham in Richtung seiner Stellvertreterin.
„Wegtreten!“
Das nur leise gesprochene Wort der Frau rief ein sofortiges Zusammenschlagen der Hacken von Cromwell und Heyden hervor, die im Anschluss eine perfekte Wende auf dem Absatz vollführten und dann schnell das Büro verließen.
Einige Augenblicke lang starrte Graham auf die geschlossene Tür, bevor er Zahra fokussierte.
„Setz dich hin, verdammt. Es macht mich nervös, wenn du da die ganze Zeit in der Gegend herum stehst.“
Kurz mit den Achseln zuckend schlenderte die Frau zu einem der vor dem Schreibtisch stehenden Stühle und ließ sich darauf fallen.
„Cromwell und Heyden sind zwei meiner besten Leute. Wir trainieren die Jungs während der Ausbildung auf selbstständiges Denken und Handeln innerhalb der ihnen vorgegebenen Grenzen des Auftrags. So gesehen haben sie richtig gehandelt. Die Frau war eine Gefahr für die Geheimhaltung und musste liquidiert werden, Sir.“
Noch immer in Gedanken versunken ließ er sich wieder in den Sessel fallen.
„Ja, aber eine weitere Leiche wirft Fragen auf, welche die Geheimhaltung ebenfalls gefährden. Eine solche Häufung tragischer Ereignisse wird langsam unglaubwürdig, auch wenn wir unsere Spuren verwischen. Die Bestechungsgelder für den Wesir sind eine nicht zu unterschätzende Ausgabe unserer Ressourcen und ich befürchte, dass der gierige Mistkerl nach der Aktion seine Forderungen nochmals erhöhen wird. Und dann haben wir da noch Mister Sievers. Ich werde das Gefühl nicht los, dass meine Einschätzung falsch war und wir uns den Fuchs in den Hühnerstall geholt haben, Zahra.“
Schwer atmend griff Graham zu seiner Zigarrenschatulle, holte eine der wertvollen, gerollten Kostbarkeiten aus dem schützend, feuchten Klima und biss das Ende mit einer kurzen Bewegung ab, bevor er es zielsicher in den bereitstehenden Mülleimer spuckte.
Augenblicklich erhob sich seine Stellvertreterin, riss ein aus der Tasche gezogenes Streichholz am Rand der Tischplatte an und hielt es ihm entgegen.
Dankbar führte er die Zigarre an das brennende Stück Holz und zog mehrmals an dem Rauchwerk.
„Also lassen wir Mister Sievers und seine Partnerin verschwinden? Wir haben den Mech, Baxter ist zufrieden und wir besorgen uns einen Entrechteten aus der Stadt als Piloten. Problem gelöst, Sir.“
Sie blies das Streichholz aus und warf es ebenfalls in den Mülleimer noch bevor sie Grahams verärgerten Blick gewahr wurde.
„Hast du mir nicht zugehört? Ich habe gerade versucht dir zu erklären, dass wir uns weitere Unfälle oder das dubiose Verschwinden von Personen nicht leisten können. Gottverdammt, schalte endlich dein Hirn ein. Zumindest für den Moment können wir nicht viel unternehmen. Ich werde mit der Gruppe zur Befragung nach Jasons Reef fahren und dafür sorgen, dass der Wesir seine Bluthunde zurück pfeift. Sag Baxter, dass er Miss Poljakow von allen kritischen Angelegenheiten ausschließen soll, aber möglichst nicht so offensichtlich. Und ich will, dass Mister Sievers überwacht wird. Tag und Nacht. Ich will immer wissen, wo er sich gerade befindet und was er dort treibt. Haben wir schon eine Antwort von unserem Kontakt bezüglich seiner und Miss Poljakow's Identität?“
Missmutig verzog Zahra Lynch das Gesicht.
„Wir haben die Anfrage mit Priorität versendet, aber es wird mindestens ein bis zwei Wochen dauern, bis wir eine Antwort erhalten. Vorausgesetzt die Schreibtischhengste beeilen sich.“
Die Antwort war nicht gerade das, was Grahams Stimmung aufhellen konnte, aber er hätte sich für die Frage selbst ohrfeigen können. Was hatte er erwartet. Der einzige HPG ComStars befand sich in der planetaren Hauptstadt Shervanis City und war ein Klasse B Gerät, was die Versendung von Nachrichten zusätzlich verlangsamte. Selbst die teuren Prioritätsnachrichten mussten mehrere weitere HPG passieren, bevor sie bei dem Empfänger an kamen. Und dasselbe Spiel dann wieder zurück. Dabei waren die Nachforschungen noch nicht einmal eingerechnet. Zahras Schätzung von einer bis zwei Wochen Wartezeit für die Antwort war seiner Ansicht nach sehr positiv.
„Na schön, Zahra. Es bleibt dabei. Nimm deine Jungs und Mädels an die kurze Leine. Keine Liquidierungen mehr, es sei denn ich habe diese persönlich genehmigt. Erst einmal packen wird die Samthandschuhe aus und halten uns alle Optionen offen.“
Sie nickte kurz und drehte sich dann der Ausgangstür zu als Graham sich nochmals räusperte.
„Und schick mir Mister Sievers her. Ich werde dem jungen Mann ein wenig auf den Zahn fühlen.“

Wenige Minuten später trat Tyr vor die Tür von Jonathan Grahams Büro, atmete noch einmal tief durch und klopfte dann vorsichtig an. Er war übermüdet und die Vorkommnisse der vorhergehenden Morgenstunden lagen ihm schwer im Magen. Zum Glück hatte Sonnenschein die morgendliche Übungseinheit ausgesetzt als er von dem Unfall erfahren hatte.
Die Erklärungen an Uljana hatten ihn viel Zeit gekostet, was nur zu verständlich war.
Sie hatte einen furchtbaren Schrecken bekommen, als er in blutbesudelter Uniform die Wohnung betrat.
„Herein.“
Grahams Stimme klang wie gewohnt freundlich und Tyr öffnete die Tür um den Raum dann zu betreten und sie hinter sich wieder zu schließen.
Das Büro seines Brötchengebers war ein großer, fensterloser Raum, dessen komplette rechte Seite von einem kunstvollen Ölgemälde eingenommen wurde, welches einen Canyon zeigte.
Der Schreibtisch, vor dem in einem Ledersessel sitzenden Mann, war chaotisch mit Unterlagen, Datenchips und anderem Kram übersät, wie auch alle anderen Möbelstücke die ausnahmslos aus Holz gefertigt waren.
Mit einer einladenden Geste deutete Jonathan Graham auf einen der Stühle vor dem Tisch und Tyr beeilte sich, der stummen Aufforderung Folge zu leisten.
Der Geschäftsmann wartete, bis Tyr Platz genommen hatte und ließ dann einen Stapel Papier auf die Tischplatte fallen.
„Du siehst scheiße aus, Junge.“
Die ehrlichen Worte von Jonathan Graham ließen ihn erst stutzen, dann lachen.
„Na zum Glück haben Sie mich nicht wegen meines guten Aussehens eingestellt.“
Graham fiel in das Lachen ein und stand dann auf um sich zu einem kunstvollen, hölzernen Globus zu begeben, der etwas von dem Schreibtisch entfernt stand.
Mit einer kurzen Bewegung klappte er die obere Hälfte auf und brachte damit eine Sammlung Flaschen zum Vorschein. Nach kurzem Überlegen zog er eine davon aus ihrer Halterung und griff mit der anderen Hand zwei Kristallgläser, aus Versenkungen neben den Flaschen.
Als er zum Schreibtisch zurück kehrte und alles auf diesem Abstellte lachte er noch immer.
„Wegen des guten Aussehens! Der war wirklich gut, Junge.“
Mit fließenden Bewegungen öffnete er die Flasche und goss zwei Finger breit bernsteinfarbene Flüssigkeit in jeder der beiden Gläser.
Tyr wollte protestieren, aber Graham erstickte jede Gegenwehr bereits im Keim, während er ihm eines der Gefäße in die Hand drückte.
„Ich bin der Boss. Wir trinken jetzt. Glaub mir, Junge, einen richtigen Kater bekämpft man mit einem Konter-Whiskey. Und der hier ist wirklich was besonderes. Hundert Jahre alt. Von Terra. Henry Miles hat mir erzählt, dass du einen guten Tropfen zu schätzen weist.“
Dankbar nickte er und stieß dann mit dem noch immer lächelnden Mann an um kurz darauf einen Schluck des besten Whiskeys zu nehmen, den er in seinem Leben geschmeckt hatte.
„Keine Sorge, wir beide und alle anderen Beteiligten an dieser furchtbaren Sache gestern werden später nach Jasons Reef fahren um diesem muslimischen Halsabschneider Ibn Nase oder wie er auch immer heißt, Rede und Antwort zu stehen.“
„Der Name des Mannes ist Khaled Ibn Nasr, Mister Graham. Und er gehört der christlichen Minderheit in der Stadt an. Wir haben uns gestern länger unterhalten.“
Sein Gegenüber hob eine Augenbraue, ersparte sich aber tiefer gehende Fragen.
„Na egal, in jedem Fall habe ich angeordnet, dass keiner der Leute heute noch arbeiten muss sobald wir aus der Stadt zurück kommen. Und jetzt unterhalten wir beide uns über gestern Nacht.“
Tyr fühlte sich unwohl, sah aber ein, dass Graham die folgenden Fragen stellen musste. Er war der Boss und im Grunde genommen konnte er dankbar sein, dass nicht Zahra Lynch vor ihm saß. In diesem Fall wäre die Unterhaltung nicht annähernd so gemütlich gewesen.
„Ich glaube nicht, dass ich den Berichten der anderen irgendwas hinzufügen könnte, Mister Graham. Wenn sie mit Henry gesprochen haben, dann wahrscheinlich auch mit Cassandra und Patrick sowie den Soldaten der Schutztruppe.“
Diesmal nickte Jonathan Graham bedächtig und blickte auf den Stapel Papiere vor sich, bevor er sich gemächlich wieder in den Sessel setzte.
„Du hast Recht, Junge. Ich habe mit allen gesprochen, die gestern Abend vor dem Boom Boom Club standen. Und alle erzählen mir dieselbe, völlig verrückte Geschichte. Die Geschichte von einem Jungen der hundert Meter quer über einen Platz sprintet, sich dabei die Seele aus dem Leib brüllt um eine ihm völlig fremde Frau vor einem sich nähernden Schweber zu retten und als er das nicht schafft, dem flüchtenden Fahrzeug mit seiner Laserpistole hinterher schießt. Als meine Infanterie eintrifft, sieht sie den am Boden knienden Jungen und entfesselt einen Feuersturm, der einen halben Straßenzug verwüstet. Siehst du, den Soldaten kann ich gar keinen Vorwurf machen. Die haben ihren Job gemacht. Aus ihrem zugegeben eingeschränkten Blickwinkel. Aber warum feuerst du hinter einem flüchtigen Unfallfahrer her? Einem ignoranten Lyraner, dem die Bewohner dieses Planeten am Arsch vorbei gehen könnte ich das nachsehen. Aber du hast ja gerade eben mit dem Wissen über den Namen des Offiziers und seiner religiösen Ausrichtung gezeigt, dass dem nicht so ist. Also, was zum Teufel sollte das?“
Tyr verfluchte sich selbst. Er war in Grahams Falle getappt. Auch wenn der Geschäftsmann noch immer seinen freundlichen Tonfall bei behielt war seine Frage doch präzise und analytisch gestellt.
Er musste auf der Hut sein.
„Ich gebe es nicht gern zu, Mister Graham, aber ich war mächtig betrunken. Die Situation hat mich einfach überfordert. Als ich das Blut gesehen habe sind mir die Sicherungen durch gebrannt. Hab einfach nicht nachgedacht, sondern meine Waffe gezogen und geschossen, als ich sah, dass der Schweber nicht anhielt. Tut mir leid, Boss.“
Offensichtlich mit dieser Antwort zufrieden lehnte Graham sich in seinem Sessel zurück und nippte an dem Whiskey, wobei sein Blick nach unten, bis zu Tyrs Laserpistole wanderte, die im Holster an seinem rechten Bein festgeschnallt war.
„Mit dieser Waffe?“
Tyr nickte und daraufhin beugte Graham sich wieder nach vorn wobei er das Glas abstellte.
„Darf ich?“
Tyr runzelte die Stirn, zog jedoch vorsichtig die glänzende Waffe aus dem Holster und übergab sie mit dem Griff voran an den Geschäftsmann, der sie mit hochgezogenen Brauen entgegen nahm und begutachtete.
„Ein wirklich schönes Stück. Silberner Körper mit Edelstahlteilen und einem Griff aus poliertem Elfenbein. Massiv und doch elegant. Langes Hochenergiebatteriepack. Feuert einzeln oder im Impulsmodus. Sie muss noch aus den Zeiten des Sternenbundes stammen. Ein Erbstück?“
Mit einem Anflug von Stolz nickte Tyr.
„Seit Generationen im Familienbesitz, Mister Graham. Einer meiner Vorfahren soll Offizier der SBVS gewesen sein. Erzählt man sich zumindest. Aber das kann auch nur Bullshit sein. Ein Battlemech der Streitkräfte wäre mir zwar lieber, aber ich bin mit der Waffe zufrieden. Hat mir schon das ein oder andere Mal das Leben gerettet.“
Mit einem zufriedenen Nicken reichte Graham die Waffe an Tyr zurück, hielt sie jedoch im letzten Moment fest.
„Eine gute Waffe benötigt auch einen guten Schützen. Und die besten Schützen sind die, die überlegt ihre Ziele wählen, Junge. Wenn du noch ein einziges Mal ohne Grund ein solches Feuerwerk wie gestern auslöst stecke ich dir das Erbstück so tief in deinen Arsch dass du den Druck an den Mandeln spüren kannst. Haben wir beide uns verstanden?“
Tyr musste schwer schlucken und blickte seinem Auftraggeber dann in die Augen.
„War völlig unmissverständlich, Mister Graham. Wird nicht noch einmal passieren.“
Sein Gegenüber entließ den Lauf der Waffe aus seinem Griff und Tyr beeilte sich, sie wieder im Holster zu verstauen.
„Das mit deinem Mech werden wir hinbekommen. Ist dann vielleicht noch immer nicht auf dem Standard der SBVS aber definitiv das Beste was hier auf dem Planeten in der Gewichtsklasse zur Verfügung steht. Ich investiere eine ganze Menge in dich, Junge und ich erwarte das du dich revanchierst und Kämpfe für die Schwarze Legion gewinnst. Für mich gewinnst. Wirst du das für mich tun, Junge?“
Lauernd blickte der Geschäftsmann über den Tisch, stieß dieses mal aber auf einen Gesichtsausdruck, der brutaler in Tyrs jungem Gesicht nicht hätte sein können.
„Wenn Uljana mit der Maschine Recht hat, lege ich Ihnen einen verdammten Mechkopf vor das Tor, Mister Graham. Versprochen.“
Nun lächelte auch Graham wieder zufrieden und schob einen Stapel der Papiere auf ihn zu.
„Dann, Junge, unterschreibe jetzt die Verträge und du bist offiziell ein Teil meiner privaten, kleinen Armee.“


Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Kommandantur der Garde des Wesirs
08. Februar 3025

Tyr hatte auf der Fahrt von der Basis der Schwarzen Legion bis in die Stadt ein wenig Schlaf nachgeholt, fühlte sich aber noch immer wie gerädert und die lange Wartezeit vor dem Büro von Khaled Ibn Nasr zusammen mit fast dreißig anderen besserte an seiner Gemütslage nicht ein Quäntchen. Die ungemütlichen Hartplastikstühle ließen seinen Rücken bereits nach kurzer Zeit schmerzen und auch die allgemeine Stimmung war auf dem Tiefstpunkt angelangt.
Jonathan Graham hatte mit einer Abordnung seiner eigenen Sicherheitskräfte den Konvoi begleitet, war nach Erreichen der in einem nüchternen Betonhochbunker gelegenen Kommandantur jedoch weiter in Richtung des Palastes gefahren.
Er hatte die Augen bereits seit geraumer Zeit wieder geschlossen und den Hinterkopf an die kühle Betonwand gelehnt als eine Stimme in dem für Astrokaszy typischen Dialekt seinen Namen rief.
Noch bevor er reagieren konnte stieß die neben ihm sitzende Morris ihren Ellenbogen in seine Seite.
„Ich glaube Sie sind dran, Sir.“
Langsam hob er die Lider und blickte verschlafen zu ihr herüber, was die Soldatin mit einem Lächeln beantwortete.
„Schlafzimmerblick bei Männern ist nicht so meins, Sir. Aber versuchen Sie doch ihr Glück bei der orientalischen Schönheit in dem Büro. Vielleicht können Sie da punkten.“
Morris war bereits vor geraumer Zeit wieder aus dem Zimmer gekommen, wie auch alle anderen Angehörigen der Schwarzen Legion, so dass man nun nur noch auf seine Vernehmung warten musste.
„Lustig, Morris. Überaus anregende Vorstellung, zumal ich hier bis jetzt nur Schnurrbartträger ausmachen konnte. Würde mich überraschen, wenn das ausgerechnet in diesem Büro anders wäre.“
Unterdrücktes Lachen aus allen Richtungen begleitete sein Aufstehen aus dem orangenen Plastiksitz, dem ein ausgiebiges Strecken der schmerzenden Glieder folgte, bevor er sich auf den Weg zu dem auf dem Gang stehenden Soldaten der Garde machte.
Der junge Mann beobachtete seinen Weg emotionslos und schloss die Tür, nachdem Tyr das verqualmte Vorzimmer betreten hatte.
„Warten, hier.“
Der Dialekt des Mannes beruhte offensichtlich auf seinem schlechten Englisch, was Tyr nicht störte. Hätte er versucht, die einheimische Sprache zu sprechen, wäre er wohl in einer Irrenanstalt gelandet.
Das kleine Vorzimmer besaß keine Fenster, nur eine surrende Klimaanlage, einen aufgeräumten Schreibtisch auf dem in einem Aschenbecher eine Zigarette glimmte und eine weitere Tür zu dem Büro von Khaled Ibn Nasr.
Durch die nur einen Spalt geöffnete Tür streckte der junge Mann nun den Kopf und nuschelte einige Worte in der Landessprache, bevor er sie ganz öffnete und in seine Richtung blickte.
„Kommen!“
Tyr trat durch den Eingang in einen durch eine lange Fensterfront hell erleuchteten Raum mit einem weitaus größeren Schreibtisch, Aktenschränken, einem Sofa und davor stehendem Tisch. Auch hier arbeitete die Klimaanlage des Gebäudes, aber auf wesentlich höherer Stufe, denn die Luft war geradezu angenehm kühl.
Khaled Ibn Nasr, hoher Offizier der Garde des Wesirs und Kommandeur des Sicherheitsdienstes von Jasons Reef, was auf anderen Planeten wohl mit einem Polizeipräsidenten gleichzusetzen gewesen wäre, stand inmitten seines geräumigen Reiches und lächelte auf eine ehrliche, freundliche Art als Tyr eintrat.
„Tyr, eine Freude, Sie wieder zu sehen, auch wenn die Umstände eher unschön sind.“
Während sie einen festen Handschlag austauschten musste er seinem Gegenüber Respekt zollen.
Der Offizier war definitiv bereits jenseits der dreißig Jahre Grenze, was die einzelnen, grauen Haare in seinem das Gesicht dominierenden aber gepflegten Schnurrbart bezeugten.
Der Mann konnte nicht mehr geschlafen haben als Tyr selbst, wahrscheinlich sogar wesentlich weniger und trotzdem funkelten ihn die braunen Augen nun freundlich und neugierig unter den akkurat getrimmten Augenbrauen an.
Die olivgrüne Uniform der Garde saß perfekt auf dem eher unscheinbaren Körper und die schwarzen Haare waren militärisch kurz geschnitten und gekämmt. Nicht einmal dunklere Augenringe zeugten von dem Besuch des Boom Boom Clubs am gestrigen Abend, auch wenn Tyr diese Tatsache auf den dunkleren Teint des Mannes schob.
„Es freut mich ebenfalls, Khaled. Du siehst gut aus.“
Der ältere Mann deutete einladend auf das bequem aussehende Sofa und Tyr ließ sich dankbar auf dem handgewebten, goldenen Stoff nieder. Kurz darauf trat er ebenfalls zu dem Möbelstück, jedoch mit zwei kleinen, dampfenden Tassen auf kleinen Tellerchen in den Händen, wovon er eine an ihn weiter reichte.
„Mokka. Mit Kardamom, Zimt und Nelken. Eine Spezialität meiner Heimat. Wenn du Zucker oder Rosenwasser dazu wünschst, sag es einfach. Für Fremdweltler ist der aromatische Geschmack meist zu stark. Vorsicht, er ist sehr heiß und am Boden der Tasse sammelt sich der Kaffeesatz.“
Der Offizier schlürfte etwas von dem Mokka ohne sich zu setzen während Tyr die tiefschwarze Flüssigkeit erst kritisch musterte, schließlich jedoch nippend probierte.
Khaled hatte Recht. Das Kaffeearoma war stark ausgeprägt während die Gewürze einen orientalische Beigeschmack hinterließen. Zudem belebte es fast augenblicklich seine Lebensgeister.
„Ausgezeichnet, Khaled. Das wird in jedem Fall mein neues Lieblingsgetränk.“
Lächeln nickte der Offizier während Tyr noch einen vorsichtigen Schluck nahm und das Tellerchen mit der Tasse dann vorsichtig auf den Tisch stellte.
„Aber du hast mich ja nicht hier rein bestellt, damit wir zusammen einen Kaffee trinken, oder?“
Wieder schlürfte Khaled nachdenklich an der Tasse und ging dann einige Schritte zu der großen Fensterfront, welche einen atemberaubenden Blick auf die Stadt erlaubte.
„Mokka, Tyr. Kein einfacher Kaffee. Und eigentlich habe ich alle Informationen die ich benötige bereits von deinen Kameraden erhalten. Deine Mechjockeyfreunde haben alle drei ausgesagt was für ein netter Typ du bist, die Infanteristen loben deinen Einsatz. Wir haben eine genaue Beschreibung des beteiligten Fahrzeuges und den Tathergang habe ich selbst mitbekommen, wie du dich sicherlich erinnern wirst. Zudem ist das Ganze eigentlich bereits aufgeklärt.“
Nun war Tyr's Interesse geweckt und er lehnte sich nach vorn.
„Ihr habt den Fahrer erwischt?“
Tief schnaufend drehte sich der Offizier wieder zu ihm herum, stellte die Mokkatasse mit dem Unterteller auf dem Fenstersims ab und setzte sich dann auf demselben ab.
„Nicht direkt. Wir haben das vollständig ausgebrannte Wrack des Schwebers außerhalb der Stadt gefunden. Zwei Leichen. Fahrer und Beifahrer. Es sieht aus als wären sie bei hoher Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und gegen eine Felswand geprallt.“
Er nickte in Richtung einer vor Tyr auf dem Tisch liegenden Aktenmappe.
Neugierig ergriff er die Mappe und öffnete diese, was er praktisch sofort bereute.
Verschiedene Fotos zeigten die beiden bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen in dem völlig zerstörten Sand Devil. Die Wucht des massiven Aufpralls hatte den kompletten Rahmen des Fahrzeugs zerquetscht, Teile des schweren Motors durch den Innenraum katapultiert und Teile der Verkleidung über mehrere Meter in der Umgebung verteilt.
Der gesamte Unfallort war ein Szenario der Verwüstung.
Als er die Mappe wieder zu schlug und auf den Tisch warf, räusperte sich der Offizier und griff wieder zur der Mokkatasse auf dem Fenstersims.
„Kein schöner Anblick. Wir konnten die beiden Insassen trotz des Zustands der Leichen recht schnell über das Fahrzeug identifizieren. Der Fahrer und Besitzer des Schwebers hieß Adel Fahim. Sein Beifahrer Hussein Baraa. Zwei junge Männer hier aus der Stadt. Waren in deinem Alter. Keine Vorstrafen. Nie dem Sicherheitsdienst ins Auge gefallen. Der eine Muslim, der andere Christ. Es war wohl Alkohol im Spiel, aber meine Spezialisten sagen, es war zu wenig für Ausfallerscheinungen. Ein Bier. Mehr nicht.“
Schlürfend trank Khaled aus der noch immer dampfenden Tasse und auch Tyr nahm nachdenklich einen Schluck, bevor er die Tasse wieder auf dem Teller abstellte und sich zurück lehnte.
„Also gut, Khaled. Ihr habt die Täter und ich versichere dir, dass mein Boss mir wegen des Waffeneinsatzes gehörig die Ohren lang gezogen hat. Ich möchte dir ausdrücklich versichern, dass dies zumindest von meiner Seite aus nie mehr vorkommen wird. Es zwing sich mir aber eine Frage auf. Warum diese Vernehmungen wenn ihr die Täter bereits habt? Du kannst mit nicht erzählen, dass der Sicherheitsdienst der Stadt an bürokratischen Abläufen hängt.“
Schallendes Lachen schlug ihn von seinem Gesprächspartner entgegen, während dieser von der Fensterfront zu seinem Schreibtisch ging um dort eine weitere Mappe von einem Stapel zu nehmen.
Als der Offizier die Couch erreicht hatte, setzte er sich auf den daneben stehenden Sessel und überreichte die neuen Akten ebenfalls an Tyr.
„Ich liebe eure herrlich direkte Art, ihr verrückten Fremdweltler. Nein, Tyr, du hast absolut Recht. Mit Bürokratie haben wir hier auf Astrokaszy nicht viel am Hut. Und auch mit Recht und Gesetz haben wir hier erhebliche Defizite. Für die Aufklärung solcher Fälle habe ich in einer Stadt mit fast einer Millionen Einwohnern nicht mal einhundert Leute. Normalerweise würde ich meine Unterschrift unter den Bericht setzen, nachdem ich ihn gelesen habe und das ganze vergessen.“
Tyr hatte die neue Mappe aufgeschlagen und blickte auf die Bilder von zwei jungen Männern in der olivgrünen Uniform der Garde des Wesirs. Ihnen fehlten die goldenen Rangabzeichen am Kragen und die gleichfarbige Fangschnur, welche bei den Soldaten und Offizieren von dem rechten Schulterstück zur Knopfleiste des Uniformhemdes führte.
Noch bevor er eine Frage stellen konnte, führte Khaled mit nachdenklicher Miene aus.
„Die Rekruten der Garde des Wesirs, Abteilung öffentliche Sicherheit Adel Fahim und Hussein Baraa. Die Bilder wurde letzte Woche während der zeremoniellen Vereidigung der beiden gemacht.“
Erstaunt sah er zu dem Offizier hinüber und musste um seine Fassung ringen.
„Die beiden waren Gardisten?“
Langsam nickte Khaled Ibn Nasr, nahm ihm die Bilder aus der Hand und betrachtete sie.
„Ja, das waren sie. Einfache Soldaten des Sicherheitsdienstes sind angehalten, außerhalb ihrer Dienstzeit keine Uniform zu tragen. Sie werden es kaum glauben, aber unsere Abteilung ist unter der Bevölkerung eher unbeliebt. Deshalb sind auf den Leichen keine Uniformrückstände zu erkennen. Sie trugen Zivilkleidung. Adel Fahim erhielt den Schweber von seinem Vater, ebenfalls einem Offizier der Garde, als Geschenk zu seinem Abschluss der Spezialausbildung zum Einsatzfahrer für schweres Gerät. Er hat ihn zusammen mit seinem besten Freund von Grund auf renoviert und wieder fahrfähig gemacht. Den Motor hatten sie bereits überholt und die Karosserie sollte das nächste Ziel sein.“
Langsam setzte sich das Puzzle in Tyr's Gedanken zusammen.
„Hussein Baraa!“
Mit plötzlich ernstem Gesicht nickte Khaled Ibn Nasr wieder, noch immer auf die Bilder starrend.
„Hussein Baraa. Angehender Spezialist für Kriminaltechnik. Anwärter für den Offizierskader. Klassen- und Jahrgangsbester.“
Der Offizier schluckte hart und warf die Bilder auf den kleinen Tisch bevor er fortfuhr.
„Aber das Wichtigste und der Grund dafür, dass ich diesmal alles über den Fall wissen möchte ist die Tatsache, dass die Mutter von Hussein Baraa meine Schwester ist. Hussein war mein Neffe und wäre ein besserer Sicherheitsdienstoffizier geworden als ich es je sein werde. Er hat zu mir aufgeblickt, Tyr. Ich war nach dem frühen Tod seines Vaters sein Vorbild. Er wohnte mit seiner Mutter in meinem Haus, aß an meinem Tisch, hat mit meinen Töchtern gespielt. Und das seit über zehn Jahren. Die beiden haben für Ihre Arbeiten am Schweber meine Garage genutzt. Manchmal habe ich geholfen. Gestern Mittag habe ich mich mit Kollegen im Boom Boom Club verabredet und wusste dass es spät wird. Ich wusste, dass wir trinken werden und habe deshalb meinen Wagen vor der Kommandantur stehen lassen. Die beiden hatten mir so stolz erzählt, dass die Turbine des Sand Devil wieder läuft, da habe ich sie gefragt ob sie mich vielleicht abholen möchten. Sie waren begeistert.“
Seine Stimme brach ab während Tyr mit offenem Mund die Informationen verarbeitete. Eine einsame Träne rann über das vom Leben gezeichnete Gesicht von Khaled Ibn Nasr, der noch immer auf die Fotos starrte, welche nun auf dem Tisch lagen.
„Es tut mir furchtbar leid, Khaled.“
Ohne sich zu regen oder auf seine Beileidsbekundung zu reagieren sprach der Offizier weiter.
„Im Grunde genommen habe ich Hussein erzogen. Siehst du, ich habe drei wundervolle Töchter, aber in unserer Kultur sind die Söhne der strahlende Nachlass, den wir kommenden Generationen vermachen. Als der Junge der Garde beitrat hat er mich so unglaublich stolz gemacht. Er war der Sohn, den mir meine Frau nie geschenkt hat. Ohne ihr einen Vorwurf machen zu wollen. Der Allmächtige hat entschieden, dass Hussein mein Sohn werden sollte und ich war damit einverstanden. Ich habe versucht, ihm ein guter Vater zu sein, mit allen Pflichten, welche damit verbunden sind.“
Zutiefst erschüttert hörte Tyr dem Offizier zu, der mit sich selbst zu sprechen schien.
Dann, mit einem mal drehte Khaled den Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. Wut flackerte darin auf. Eine tiefe und brennende Wut, wie er sie selten gesehen hatte.
„Die Beiden wären niemals so gefahren. Schon gar nicht vor dem Club, von dem sie mich abholen sollten. Ich bin der Kommandant des Sicherheitsdienstes. Kannst du dir vorstellen, welche Probleme das provoziert, wenn bekannt wird, dass mein Ziehsohn und sein Freund Rennen vor meinen Augen abhalten? Zwei gerade vereidigte Gardisten. Und ich dann auch noch in den Schweber steige. Ich hätte ihn grün und blau geschlagen. Und Adel ebenso. Und wenn der sich bei seinem Vater darüber beschwert hätte, wäre es ihm noch schlimmer ergangen. Und das wussten die Beiden ganz genau.“
Nun lehnte sich auch Khaled in dem Sessel zurück und atmete tief durch bevor er mit geschlossenen Augen weiter sprach.
„Was die ganze Sache aber vollkommen undurchsichtig macht, dass ist die Tatsache, dass die beiden nach dem Unfall in die Wüste gefahren sein sollen. Siehst du, Tyr, es gibt auf Astrokaszy ein Sprichwort. Such den Tod in der Wüste, denn etwas anderes wirst du dort nicht finden. Verliert etwas in der Übersetzung, aber ich glaube du verstehst was ich sagen möchte. Gehen wir von dem unwahrscheinlichen Fall aus, dass ich Hussein und Adel falsch eingeschätzt habe und die beiden wirklich in den Unfall verwickelt waren. Sie wissen, dass die Frau tot ist und sie können sich ausrechnen, dass ich den Unfall gesehen habe und ihnen folge. Gehen wir weiter davon aus, dass sie durch das Geschehene in Panik sind, wobei ich dir versichere, dass keiner der beiden selbst in Extremsituationen dazu neigte. Dann verlassen sie die Stadt, mit einem Schweber der genug Treibstoff für vielleicht fünfzig oder sechzig Kilometer im Tank hat Richtung Bengalen, einer Stadt, die vierhundert Kilometer entfernt ist. Dazwischen ist nichts, und Tyr, wenn ich nichts sage, dann meine ich genau das. Nichts. Sie haben kein Wasser an Bord. Keine Nahrungsmittel, keine Waffen, keine Kleidung, nicht einmal Sonnencreme. Sie kennen in Bengalen niemanden. In der anderen Richtung liegt Hydiena. Gerade vierzig Kilometer entfernt. Dort hatte Adel Familie.“
Die letzten Teile des Puzzles waren im Begriff, sich an die richtigen Stellen zu schieben. Schon jetzt wusste Tyr, worauf Khaled hinaus wollte. Es war praktisch offensichtlich.
Trotzdem unterbrach er den trauernden Offizier nicht. Zu groß war die Chance, dessen Wut auf sich zu ziehen.
„Wären sie hier in der Stadt geblieben und hätten sich in den nächsten Tagen gestellt, so wären sie vor einem unserer Gerichte gelandet. Ich will dich nicht anlügen, Tyr. Wie ich bereits zugegeben habe ist die Gerechtigkeit in Jasons Reef wie auf dem gesamten Planeten in einem ziemlich desolaten Zustand. Die Richter sind bestechlich und neigen dazu, Einheimische zu bevorzugen. In einem Verfahren gegen zwei Angehörige der Garde, die fahrlässig eine Fremdweltlerin totgefahren haben, würde das Urteil schon ohne mein Zutun milde ausfallen. Hätte ich einige ausstehende Gefallen eingefordert, wären die Jungs mit jeweils hundert Stockschlägen auf die Fußsohlen und einer einjährigen Beförderungssperre davon gekommen.“
Nachdem er seinen Vortrag abgeschlossen hatte, öffnete Khaled wieder die Augen, die nun wieder frei von Wut waren. Er trauerte und Tyr blieb keine andere Möglichkeit, als ruhig zuzuhören.
„Du siehst, mein Freund, es wäre töricht anzunehmen, dass Adel und Hussein den Unfall verursacht haben. Ich glaube nicht einmal, dass ihnen der Aufprall auf die Felswand das Leben gekostet hat. Ich bin viel eher der Meinung, dass die beiden bereits tot waren als Misses van Zahnt von dem Schweber erfasst wurde. Das ihre Leichen auf den Sitze platziert und der Unfall dann inszeniert wurde um den oder die wahren Täter zu decken.“
Tyr nickte verstehend, nahm einen letzten Schluck aus der Mokkatasse, darauf bedacht nicht den körnigen Kaffeesatz vom Boden in den Mund zu bekommen und faltete dann die Hände vor dem Mund. Krampfhaft überlegte er, welche tröstenden Worte er dem Offizier noch sagen konnte während ein anderer Teil seines Gehirns schon damit beschäftigt war, das Puzzle zu vervollständigen.
Wieder war es Khaled, der das Schweigen brach.
„Siehst du, Tyr, ich glaube nicht, dass du etwas mit dem Mord an Misses van Zahnt zu tun hast. Oder mit dem Mord an den beiden Jungs. Ich habe eine gute Menschenkenntnis und auch wenn ich nicht dein Feind sein möchte, so glaube ich doch, dass ein gutes Herz in dir wohnt. Ich führe diese Vernehmungen weil ich die Bestie fassen möchte, die drei Leben in meiner Stadt genommen hat und ich habe dir alle Einzelheiten und meine Verstrickungen in den Fall erklärt, weil ich hoffe, dass du Informationen hast, die Licht in das Dunkel bringen können.“
Erneut atmete Tyr tief durch, bevor er den Kopf schüttelte. Es hatte keinen Sinn, seinen Verdacht mit dem Offizier der Garde zu teilen. Noch nicht. Es war eine rührende Geschichte, aber er konnte nicht sicher sein, auf welcher Seite Khaled stand. Außerdem war zu befürchten, dass sie alle starben, wenn der trauernde Offizier zu tief grub.
Noch waren ihm die Hände gebunden.
„Wie ich bereits sagte, Khaled. Außer dem was die anderen und auch du gesehen haben, kann ich deinen Ermittlungen leider nichts beisteuern. Das ist eine furchtbare Sache und du hast mein volles Mitgefühl. Wenn ich irgendwie helfen kann, lass es mich wissen.“
Mit einem lang gezogenen Seufzer erhob sich der Offizier aus dem Sessel und auch Tyr schwang sich von der gemütlichen Coach.
„Schade, aber einen Versuch war es wert. Ich danke dir für dein Kommen, mein Freund und auch für dein offenes Ohr. Ich würde dich bitten, alles hier besprochene für dich zu behalten, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.“
Wieder gaben sich die beiden Männer die Hand und Tyr bestätigte den Wunsch von Khaled.
„Natürlich und danke für den Mokka.“
Als Tyr schon die Tür zu dem stickigen Vorraum geöffnet hatte, in dem der Adjutant des Offiziers bereits bei einer neuen Zigarette wartete, hielt er kurz inne.
„Ich habe den Motor des Schwebers erst kurz vor dem Unfall gehört, Khaled. Der Fahrer muss das Fahrzeug also in der Straße angelassen haben als wir aus dem Club kamen. Ich hatte nie einen Vater, aber hätte ich einen gehabt und der hätte mich gebeten ihn abzuholen, so wäre ich in jedem Fall früher in der Nähe gewesen. Vielleicht nicht direkt vor dem Club mit einem so heruntergekommenen Gefährt, aber ich hätte gewartet. Außerdem ist der Platz von der Straße aus nicht einsehbar. Wenn es also wirklich ein Anschlag war, muss es einen oder mehrere Beobachter gegeben haben, die dem Fahrer sagten, wann das Opfer in Position ist. Ihr solltet mal die Anwohner befragen. Möglich das jemand etwas gesehen hat.“
Khaled Ibn Nasr war zu seinem Schreibtisch gegangen und gerade im Begriff sich in den Bürostuhl zu setzen, als Tyr's Worte ein nachdenkliches Stirnrunzeln bei ihm hervor riefen.
„Das ist eine wirklich gute Idee, auch wenn die Bevölkerung eher selten mit uns spricht. Ich werde das in Erwägung ziehen. Warst du mal als Ermittler tätig?“
Schmunzelnd schüttelte er den Kopf.
„Nein, Khaled, ich bin Soldat und Söldner. Das Ermitteln überlasse ich euch Spezialisten. Ich habe mir nur so meine Gedanken gemacht. Auf Wiedersehen.“
Damit trat er durch die Tür und zog diese hinter sich zu, während der Adjutant ihn misstrauisch musterte und die Tür zum Gang hinaus aufstieß.
„Und auch Ihnen einen schönen Tag.“
Tyr verstand die Worte des Mannes nicht, aber freundlich hörten sie sich nicht an.
In Gedanken versunken ging er zu der wartenden Gruppe, die sich bereits zum Aufbruch bereit machte.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Quartierbereich für Mechkrieger
08. Februar 3025

Tyr wartete, bis Uljana tief und fest neben ihm eingeschlafen war, bevor er sich erhob und aus dem Schlafzimmer schlich. Behutsam schloss er die Tür und und zog eine Jogginghose über die Boxershorts, in denen er normalerweise schlief.
Mit ruhigen Bewegungen schaltete er das Tri-Vid ein und regelte die Lautstärke so weit herunter, dass nur ein Flüstern zu hören war. Die Übertragung eines vor zwei Monaten aufgezeichneten Mechkampfes in einer Arena von Solaris interessierte ihn jedoch nicht.
Aus dem Schrank unter dem Gerät holte er einige Snacks hervor und platzierte sie zusammen mit einer Flasche Wasser auf dem Wohnzimmertisch. Mit dem vorbereiteten Szenario zufrieden griff er zu dem Waffengurt, der an einem Kleiderhaken im Zimmer hing und und nahm zwei unbedruckte, kleine Blätter Papier, einen Bleistift sowie einen Klebestreifen vom Schreibtisch bevor er sich leise auf die Couch aus Lederimitat setzte und alles vor sich ablegte.
Ein Mechkrieger, der nicht schlafen konnte und sich ein wenig von dem Programm berieseln ließ während er seine Waffe reinigte und Fast-Food in sich hinein stopfte.
Perfekt.
Er nahm das Reinigungset aus der dafür vorgesehenen Tasche am Waffengurt und breitete die Bestandteile zwischen den Snacks aus bevor er die Laserpistole vorsichtig aus dem Holster zog und den schwarzen Ledergurt dann sorgfältig auf dem Platz neben sich zurecht legte.
Wieder und wieder ging er in Gedanken seine im Tagesverlauf erfolgten Gespräche mit Graham, Khaled und Uljana durch.
Seine Partnerin war erst spät von ihrer Schicht im Mechhangar in das Quartier zurück gekehrt und hatte nach einer langen Dusche die Konversation mit ihm gesucht.
Ihrer Ansicht nach bestand das Tech-Team der Schwarzen Legion aus zwei Teilen. Zum einen waren da die zwanzig Techs, die mit Routineaufgaben betraut waren und die Mechs der Einheit am laufen hielten, Wartungsarbeiten an den Systemen der Basis durchführten und aus Vertretern der gesamten Inneren Sphäre und auch der Peripherie bestanden. Normale Söldner im technischen Bereich, die einen guten Job machten. Und dann waren da noch die zwanzig Spezialisten, die Graham wohl mitgebracht hatte, als er auf dem Planeten landete, allen voran den Mastertech Andrew Baxter. Den Worten von Uljana zufolge ein eigenbrödlerisches Völkchen das unter sich blieb. Im Grunde genommen genau wie die Sicherheit der Basis, welche aus Henrys zwei Zügen Sicherungsinfanterie sowie den zwanzig Soldaten unter dem Kommando von Zahra Lynch bestand. Auch diese Angehörigen der Einheit pflegten so gut wie keine Kontakte zum Rest der Leute, waren von den Routineaufgaben ausgenommen und laut den Aussagen des Staff Sergeants eine eigene Elite.
Wiederum eine Ähnlichkeit zu den Techs. Baxters Crew bestand aus Spezialisten, die in der Lage waren, selbst schwierigste Reparaturen an kritischen Teilen der Mechs vor zu nehmen. Das war an sich nichts Besonderes. Der Stolz vieler Söldnereinheiten war ein guter Techstab. Hier jedoch waren Kompetenzen in einem Maße gebündelt die angesichts der Lage in der Peripherie doch außergewöhnlich anmutete.
Bereits mehrfach war Uljana mit Baxter aneinander geraten weil die beiden völlig unterschiedliche Herangehensweisen für auftauchende Problematiken hatten.
Während Uljana eine Fehlfunktion beheben wollte lag der Fokus des Mastertech auf dem Verstehen des Problems an sich und erst in zweiter Instanz an dessen Behebung.
Und so schienen es auch alle zwanzig Spezialisten der Techcrew zu halten.
Natürlich erledigten auch sie die verschiedenen Arbeiten an dem Khopesh, schienen aber jeden Schritt genau zu protokollieren und nach dem besten Lösungsverfahren zu suchen.
Trotzdem gingen die Arbeiten an dem Battlemech mit unglaublicher Geschwindigkeit voran. Laut Uljana lagen die Techs bereits jetzt schon vor dem Zeitplan.
Tyr griff zu einer feinen Feile, die zur Ausstattung des Reinigungssets gehörte und begann dann, die Mine des Bleistifts abzufeilen, wobei er das feine Graphit-Pulver auf dem ersten Stück Papier auffing. Nachdem er in etwa einen Fingerhut voll der Substanz gesammelt hatte, legte er den Bleistift zur Seite, nahm die Laserpistole mit spitzen Fingern am Schutzbügel des Abzugs und tauchte mit der anderen Hand einen weichen Pinsel in das Graphit, bevor er dieses vorsichtig auf einigen Stellen der glänzenden Waffe verteilte.
Wieder schweiften seine Gedanken ab. Von den Vorgängen des Unfalls zu seinem Gespräch darüber mit Khaled Ibn Nasr. Nach diesem war ihm nun klar, dass die Witwe von Pieter van Zahnt einem Anschlag zum Opfer gefallen war. Schlecht vorbereitet und schlampig durchgeführt, aber er hegte keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Mord handelte.
Auch der Grund war für ihn klar. Die junge Frau hatte mit ihren Unterstellungen Unruhe in eine Sache gebracht, die jemand tief begraben wollte.
Und dieser jemand war aller Wahrscheinlichkeit nach Jonathan Graham. Sein neuer Arbeitgeber.
Konzentriert betrachtete Tyr sein Werk. An einigen Stellen des Laufes wie auch des Elfenbeingriffs der Waffe zeichneten sich durch das Graphit deutliche Fingerabdrücke ab.
Nachdem er den Pinsel beiseite gelegt hatte, riss er mehrfach kleine Streifen des durchsichtigen Klebebands ab und drückte diese vorsichtig auf die schwarzen Abdrücke.
Diese zog er dann wieder ab und vollendete die Prozedur, indem er die Streifen auf das zweite Blatt Papier klebte. Nun waren die schwarzen Abdrücke deutlich auf weißen Hintergrund zu erkennen.
Die Fingerabdrücke von Jonathan Graham.
Während er das Reinigungsset wieder zusammen packte, die Laserpistole mit einem antistatischen Tuch komplett reinigte und auch das zum Auffangen benutzte Blatt Papier zusammengeknüllt in den Mülleimer warf formte sich in seinen Gedanken ein Plan, dessen Umsetzung gefährlich aber aus seiner Sicht notwendig war.
Er wollte wissen, was es mit den Geheimnissen um Graham und den Morden auf sich hatte. Aber er musste auch vorsichtig sein. Die Schwarze Legion war schon für zu viele ihrer Mitglieder zum Friedhof geworden.
Mit routinierten Bewegungen löste er die glänzende Griffschale der Laserpistole und brachte ein darin verborgenes Gerät zum Vorschein, welches nicht länger als zwei Zentimeter war. Am oberen Ende ein einfacher Knopf war kurz darunter eine kleine Linse angebracht. Der Rest bestand aus einem miniaturisierten Speicherchip. Aus kurzer Entfernung machte Tyr drei Aufnahmen der Fingerabdrücke, bevor er das Gerät wieder an seinem Platz innerhalb des Griffes verstaute und diesen wieder an der Waffe befestigte.
Dann zog er den auf dem Tisch stehenden Aschenbecher zu sich und entzündete darin das Papier mit seinem Feuerzeug. Das kurze Aufflackern als die Klebestreifen verschmorten und den dabei entstehenden, stinkenden Qualm überdeckte er mit dem Entzünden einer Zigarette und lehnte sich dann zurück.
Auf dem Tri-Vid flimmerte der Kampf eines Verteidigers gegen einen Dunkelfalken, in der Arena, die „The Factory“ genannt wurde. Keiner der namentlich genannten Piloten war Tyr bekannt und auch die Kommentatoren schienen dem langatmigen Kampf kaum noch etwas abgewinnen zu können.
Gerade als der Dunkelfalke eine Salve seiner Autokanone gegen den anderen Mech schleuderte und Tyr die glimmende Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer und Uljana taumelte schlaftrunken in das Wohnzimmer.
Kurz irritiert blickte sie von dem Tri-Vid über den Tisch zu ihm und verschwand dann murmelnd im Bad.
Als sie wenige Momente später zurück kehrte, schaltete sie das Gerät wortlos ab, ging zur Couch, ergriff seine Hand und zog ihn zurück ins Bett.
11.07.2020 18:25 Taras Amaris Neu2 ist offline E-Mail an Taras Amaris Neu2 senden Beiträge von Taras Amaris Neu2 suchen Nehmen Sie Taras Amaris Neu2 in Ihre Freundesliste auf
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Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Quartierbereich für Mechkrieger
11. Februar 3025

Und wieder endete ein Tag wie der vorhergehende schon verlaufen war. Die morgendlichen Runden mit Sonnenschein begannen Tyr Spaß zu machen, was man von den darauf folgenden Stunden theoretischen Büffelns nicht gerade sagen konnte. Ungemein lehrreich, durchaus, aber eben auch langweilig und öde. Im Gegensatz dazu war die Hilfe im Mechhangar eine willkommene Abwechslung, wobei er die Fortschritte an der Modifikation seiner Maschine nicht nur verfolgen sondern sogar mitgestalten konnte.
Mittlerweile stand das Skelett des Battlemechs völlig ohne Panzerung in dem riesigen Hangar. Die Arme waren demontiert worden und die Beinaktuatoren lagen bereits neben der Maschine, so dass diese nur noch von dem sie umgebenden Wartungsgerüst aufrecht gehalten wurde. Das gesamte Myomer hatten die Techs heraus gerissen, wie auch fast alle Kabel. An der Demontage des Gyroskops wie auch des Reaktors war gerade gearbeitet worden, als Tyr's Schicht geendet hatte.
Zu seiner Ablösung war Uljana erschienen, die nun im Normalbetrieb ebenfalls rotierende Schichten zugeteilt bekam. Ein kurzer Kuss und einige liebevolle Worte später war sie an die Arbeit gegangen und er hatte sich in ihr gemeinsames Quartier begeben.
Frisch geduscht, jedoch ohne den Geruch von Haar- oder Körperseife, ging er seinen Plan nochmals durch und zog dann den schwarzen Overall an, der bereits in seinem Schrank bereit lag. Die Kampfstiefel in derselben Farbe folgten genau wie das Schulterhalfter aus Nylon, in dem er seine Laserpistole verstaute. Erneut betrat er das Bad, schraubte eine mitgebrachte Dose auf und verteilte dann mit kurzen Kontrollblicken in den Spiegel die schwarze Tarnfarbe in seinem Gesicht, peinlich darauf bedacht keine Stelle wie die Augenlider oder den Bereich hinter den Ohren zu übersehen.
Nachdem er sich die Hände gewaschen hatte, zog er den bereits gepackten Rucksack aus dem Schrank und die darauf liegenden, schwarzen Handschuhe über die Hände. Zum Schluss steckte er das Wurfmesser in den rechten Stiefel, das schwere Bowiemesser in die Scheide an der Rückseite des Overalls und die Garrotte in die Brusttasche.
Dann öffnete er die Lüftungsklappe über der Couch und brachte den dahinter liegenden Schacht zum Vorschein, dessen Verlauf er die letzten beiden Nächte studiert hatte.
Das System stammte noch aus den Zeiten, als die Basis dem Bergbau gedient hatte, war weit verzweigt und so eng, dass Tyr mit seinen breiten Schultern gerade hindurch passte.
Zuerst stopfte er den Rucksack in den Schacht, aktivierte die darauf festgemachte Taschenlampe und trat dann mit dem linken Fuß auf den großen Brocken selbst hergestellter Haftknete, den er auf der Innenseite des Lüftungsgitters befestigt hatte. Noch ein kurzer, prüfender Blick, dann zog er seinen Körper mit einem Ruck kopfüber in den waagrechten Schacht.
Wie geplant hing das Gitter durch die Haftknete an seinem Stiefel und nach zwei vergeblichen Anläufen schaffte er es, die Abdeckung an ihrem Platz zu arretieren.
Mit einem schnellen Ruck löste er die Knete schmatzend von der Sohle des Stiefels.
Damit war er alleine in dem dunklen, engen Schacht.
Kriechend, den Rucksack vor sich her schiebend, bewegte er sich vorsichtig weiter, wobei sein Blick über das Gepäckstück hinweg und den Strahl der Taschenlampe entlang fokussiert war.
So kam er langsam, jedoch ohne gesehen zu werden, eine halbe Stunde später an den Lufteinlass an der Oberfläche des Berges, wo er die Taschenlampe aus schaltete.
Mit einem kurzen Ruck an der Ventilationsanlage stieß er diese nach außen, ohne die Mechanik zu beeinträchtigen oder den Betrieb zu stören und griff dann zu der zusammengerollten Decke, die unterhalb des Rucksacks befestigt war. Diese rollte er nach außen in das weitläufige, nächtliche Gelände aus und kroch dann darunter aus dem Schacht.
Schnell klemmte er den Ventilator wieder in seiner gewohnten Position fest und beobachtete dann einige Minuten lang die Umgebung, aber der Mount Keeve lag in fast völliger Stille und Dunkelheit vor ihm.
Als er sich sicher sein konnte, dass niemand seine Aktion bemerkt hatte, kroch er weiter unter der Decke in Richtung der Grenze des Geländes.
Er hatte sich die Positionen der Infrarot- und Erschütterungsdetektoren während der ausgeprägten, morgendlichen Läufe mit Sonnenschein gemerkt, deckte seine Körperwärme durch die isolierte Rettungsdecke ab und kroch so langsam aus dem überwachten Teil der weitläufigen Anlage, dass die Sensoren nicht anschlugen.
Eine weitere halbe Stunde später hatte er die Grenze des überwachten Gebietes erreicht, rollte die Decke zusammen und schnallte sie wieder unter dem Rucksack fest, den er sich dann auf die Schultern zog.
Im Laufschritt ging es die bekannte Strecke den Berg hinab bis zu dem rostigen Maschendrahtzaun auf dessen oberen Ende gerollter Stacheldraht thronte.
Erneut griff er in den Rucksack und brachte eine Zange sowie metallene Kabelbinder zum Vorschein. Schnell durchtrennte er den Draht des Zauns an einigen Schnittstellen des Geflechts, schob sich hindurch und befestigte den Zaun dann wieder unauffällig mit den Kabelbindern.
Mit dem Verlauf seines Planes bis hierhin zufrieden drehte er sich Richtung Jasons Reef und verfiel in einen schnellen Laufschritt, den er über Stunden hinweg durchhalten konnte, sollte dies nötig sein.
Bereits nach wenigen Minuten kam das Ziel seines Laufs in Sicht.
Das militärische Geländemotorrad der Schwarzen Legion stand einfach mitten im Nichts, genau wie De Maggio es versprochen hatte.
Tyr ging hinter einem großen Stein in Deckung und kramte aus dem Rucksack ein Nachtsichtgerät hervor, welches er sich ebenfalls von dem Infanteristen besorgt hatte.
Es schien, als hätte der gewiefte Soldat sich ein Netzwerk an Kontakten innerhalb der Einheit etabliert, welches es ermöglichte, fast alles zu organisieren.
Nervös suchte er mit dem klobigen Gerät die Umgebung ab, konnte jedoch auf dem grünlichen Display außer dem Motorrad keinen Fremdkörper in der vernarbten Wüstenlandschaft entdecken.
Er wusste nicht, in wie weit er dem Soldaten vertrauen konnte, aber De Maggio schien an nichts anderem als seinem Profit zu interessiert zu sein. Zumindest die Loyalität zu seinem Dienstherren ließ zu wünschen übrig.
Tyr verstaute das Nachtsichtgerät wieder in dem Rucksack und ging dann mit vorsichtigen Schritten zu dem Motorrad. Noch immer rührte sich nichts in der Umgebung so dass Tyr zufrieden in seine Hosentasche griff und eine Zündkerze heraus zog.
De Maggio hatte ihm diese gegeben und erklärt, dass das Motorrad zu einer der routinemäßigen Geländepatroulien gehörte, aber am Abend mit Motorschaden einfach liegen geblieben sei.
Der Fahrer sei mit dem zweiten Soldaten auf einem Motorrad in die Basis zurück gekehrt, nachdem man dort aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit zu der Entscheidung gelangt war, dass Fahrzeug am nächsten Tag zu bergen.
Er hatte Tyr versichert, dass dieser nur die Zündkerze zu tauschen brauche um das Motorrad wieder in Bewegung zu setzen. Und er sollte Recht behalten.
Nachdem Tyr sich mit ziviler, landestypischer Kleidung aus dem Rucksack ausgestattet hatte und auch die nachtschwarze Farbe aus seinem Gesicht verschwunden war, tauschte er das Motorteil aus und schob das Vehikel einen Kilometer weit durch die Landschaft, bevor er aufstieg und das Bike startete.
Der kräftige Motor sprang sofort an und er jagte mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht auf die entfernten Lichter von Jasons Reef zu, die einladend funkelten.


Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Innenstadt
11. Februar 3025

Wesentlich schneller als der langsam fahrende Konvoi, welcher ihn und die Gruppe der Schwarzen Legion zu dem Club und am folgenden Tag zu der Kommandantur gebracht hatte erreichte Tyr das Hauptquartier der Garde des Wesirs und stellte das Motorrad in einer Seitengasse ab. Der Tagelmust, eine für Tuareg typische Kopfbedeckung, die auch das Gesicht bis zu den Augen verdeckte und im Grunde genommen nur aus einem blauen Stück Stoff bestand, welches um den Kopf gewickelt wurde, würde seine Identität verdecken. Für die wenigen Leute, welche noch auf der Straße unterwegs waren, war er nun nur ein einfacher Händler des Wüstenvolkes. Zumindest hoffte er das.
Gemächlich schlenderte er die Straße entlang bis er eine weitere, dunkle Seitenstraße erreichte, die direkt an die Umgrenzungsmauer der Kommandantur anschloss.
Hier waren keine Passanten mehr unterwegs und der stinkende Unrat, welcher den Boden bedeckte machte deutlich, dass dies wahrscheinlich auch weiterhin so bleiben würde.
Die dreieinhalb Meter hohe Mauer aus Stahlbeton war auf ihrer Krone mit scharfkantigen Glasscherben und Metallfragmenten gespickt, was ein Erklimmen zu einem gefährlichen Unterfangen machte.
Nach kurzer Suche fand Tyr eine vermoderte, hölzerne Obstkiste und platzierte diese an der Wand, bevor er die zusammen gerollte Decke auf die Mauerkrone warf. Er konnte nur hoffen, dass der dichte Stoff ihn vor den Abwehrmaßnahmen schützen würde und die Isolierfähigkeit nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er würde sie bei seiner Rückkehr in die Basis noch benötigen.
Von der Wand des auf der anderen Seite an die Gasse grenzenden Gebäudes aus stieß er sich ab, sprintete einige schnelle Schritte durch die Dunkelheit und sprang dann mit Hilfe der Kiste in die Höhe. Er bekam die Mauerkrone durch die Decke zu fassen und stemmte sich dann darüber um lautlos auf der anderen Seite zu landen.
Wie geplant befand er sich auf dem äußeren Bereich des umgrenzten Parkplatzes auf der abgewandten Seite der Kommandantur, der für die Gardisten und deren Offiziere vorgesehen war. Um diese Uhrzeit war der Platz fast vollständig leer, aber die wenigen Fahrzeuge gaben ihm genügen Deckung um die Situation zu erfassen.
Es waren keine Wachen zu sehen und auch sonst hatte niemand seinen Einbruch bemerkt.
Lautlos zog er die Deckenrolle von der Mauerkrone und stellte zufrieden Fest, dass die Beschädigungen sich in Grenzen hielten.
Sein Ziel konnte er in einem mit Maschendraht eingezäunten Gebiet am Rand des Parkplatzes ausmachen. Dort stand einsam und verlassen das völlig zerstörte Wrack des Schwebers.
Leise und immer auf genügend Deckung achtend arbeitete sich Tyr zu dem Verschlag vor, dessen primitives Vorhängeschloss für seine talentierten Hände und einen Dietrich kein Problem darstellte.
Noch einmal blickte er sich um und schlüpfte dann durch den schmalen Spalt, den er die Tür in dem Zaun öffnete.
Der Zaun des Verschlags war bis in eine Höhe von zwei Metern mit nicht durchsichtigen Planen verkleidet, welche wohl als eine Art Sichtschutz für die Gardisten dienen sollte und ihm erlaubte, die Taschenlampe zu aktivieren.
Im schwachen Strahl der Lampe stellte er den Rucksack ab und legte die Decke daneben, bevor er geduckt den Innenraum des Wracks in Augenschein nahm.
Das im Anschluss auf den Aufprall gegen die Felswand ausgebrochene Feuer musste lange gewütet haben, denn alle brennbaren Materialien waren davon verzehrt worden. Die Sitze bestanden nur noch aus dem Drahtgeflecht, das Armaturenbrett war praktisch nicht mehr vorhanden. Die Hitze hatte die Reste der Scheiben geschmolzen und in den Innenraum tropfen lassen. Auch nach eingehender Suche konnte Tyr in den verkohlten Überresten nichts finden, was seine Untersuchung des Falles weiter gebracht hätte.
Dann widmete er sich dem hinteren Teil des Fahrzeugs, das im Normalfall dem Schützen zugeteilt war. Hier hatten die jungen Gardisten eine Art Rücksitz eingebaut, von dem nur noch geschwärzte Streben zeugten.
Der Motor war aus der Verankerung gerissen worden und der massive Block hing teilweise über den Resten der Sitzbank, was ihn dazu zwang, sich in den engen Zwischenraum zu quetschen.
Vorsichtig stocherte er mit dem Wurfmesser in den verkohlten Überresten herum, bis ein glänzendes Stück Metall seine Aufmerksamkeit erregte.
Vorsichtig schob er die umgebenden Trümmerstücke zur Seite und brachte nach und nach einen Knopf zum Vorschein. Die Beschichtung des Ösenknopfes war durch das Feuer verbrannt aber das innen liegende Metall hatte der Hitze und den Flammen getrotzt. Es musste ein hochwertiger Knopf gewesen sein und Tyr bezweifelte, dass so etwas auf Astrokaszy überhaupt hergestellt wurde.
Er hob den Gegenstand vom Boden auf und packte ihn in eine kleine Plastiktüte, bevor er ihn in der leeren, linken Tasche des schwarzen Overalls unter der Zivilkleidung verstaute.
Zufrieden mit dem Ergebnis machte er sich auf den Rückweg, wobei er diesmal das Dach eines Kleinwagens nutzte um die Mauerkrone zu erklimmen und in der schmutzigen, dunklen Gasse unweit seines Startpunktes zu landen.
Dann kehrte er wieder im gemächlichen Tempo zu dem abgestellten Motorrad zurück. Sein nächstes Ziel würde wesentlich einfacher zu erreichen sein. Zumindest hoffte er das.

Nur wenige Minuten später erreichte er ein unscheinbares Gebäude in einer der besseren Gegenden von Jasons Reef und stellte das Motorrad etwas abseits davon auf einem öffentlichen Parkplatz ab. Er stieg von dem Fahrzeug ab und kniete sich daneben als wolle er den Motor überprüfen, statt dessen jedoch löste er schnell den Griff der Laserpistole im Schulterholster unter seiner Verkleidung und entnahm das drin enthaltene Gerät, bevor er den Griff wieder befestigte. Dann machte er sich auf den Weg zu dem großen, zweistöckigen Gebäude neben dessen Eingangstür ein bronzenes Schild die Zugehörigkeit zu ComStar offen kund tat. Der HPG des Planeten befand sich zwar in Shervanis City, aber um auch anderen Einwohnern die interstellare Kommunikation zu ermöglichen ohne eine tagelange Reise zu unternehmen unterhielt der quasi-religiöse Orden Zweigniederlassungen in den größten Städten, die über Satellit oder Richtfunk mit der Zentraleinheit verbunden waren. Da diese Einrichtungen ebenfalls von ComStar Personal betrieben wurden konnte man sich auf die Neutralität und auch Verschwiegenheit verlassen.
Er zog den blauen Schleier von seinem Gesicht und drückte die Klingel zwei Mal kurz hintereinander und bereits kurz darauf öffnete ein Bediensteter in der typischen Robe des Ordens die Tür.
"Sei gegrüßt. Was kann ComStar für euch tun?"
Das Gesicht des Akoluth war jung und strahlte Freundlichkeit aus, die Tyr erwiederte.
"Ich habe eine Nachricht zu versenden. Bild und Sprachbotschaft. Ich besitze ein eigenes Konto sowie ein Postfach, dass ich gern abrufen möchte."
Der junge Mann nickte freundlich zu seinen Worten und trat dann beiseite um Tyr ein zu lassen.
Die Empfangshalle war im Gegensatz zu dem äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes prachtvoll ausgestattet, was bei dem kunstvollen Fußboden begann, der das Wappen des Ordens in Mosaiken zeigte bis hin zu der edlen Holzvertäfelung der Wände.
"Bitte wartet hier. Ich werde den zuständigen Adepten rufen. Wohin wünscht Ihr die Nachricht zu senden?"
Der Akoluth war bereits auf dem Weg zu einer der vielen Türen.
"Nach Blackjack III. Blackjack System. Lyranisches Commenwealth. Die Empfangsadresse ist ebenfalls ein Postfach."
Wieder nickte der Akoluth und verschwand dann lautlos.
11.07.2020 18:26 Taras Amaris Neu2 ist offline E-Mail an Taras Amaris Neu2 senden Beiträge von Taras Amaris Neu2 suchen Nehmen Sie Taras Amaris Neu2 in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 2


Planet Astrokaszy
Scheherazade Ebene
50 Kilometer von Jasons Reef entfernt
Sperrgebiet der Garde des Wesirs / Trainingsgelände
03. März 3025

„Hornissennest von Youngblood. Zielposition erreicht. Alle Systemchecks durchlaufen. Alle Systeme im grünen Bereich. Router für Datenübertragung online. Bereit für Start des Gefechtsfeldtests.“
Tyr fühlte sich trotz der ungewohnten Umgebung wohl. Das brandneue Cockpit des Khopesh war mit seinen modernen Komponenten ein Wunderwerk leuchtender Anzeigen und eine Unmenge an Daten liefernden Monitoren. Kein Vergleich zu den primitiven Bauteilen des Battlemechs vor dem Komplettumbau.
Zudem war die Kampfmaschine nun wesentlich schneller und auch beweglicher, hatte einen besseren Panzerschutz und eine aufgewertete Kühlleistung in Kombination mit schlagkräftiger Bewaffnung.
Uljana hatte nicht übertrieben.
Dieser Mech war ein Siegertyp.
„Youngblood von Hornissennest. Nur die Ruhe, Junge. Die technische Abteilung braucht noch etwas Zeit um die Messgeräte zu synchronisieren. Die Datenübertragung kommt mit einigen Störungen rein, aber der Pilot des Hubschraubers korrigiert seine Position. Das sollte das Problem beheben. Wie läuft es mit dem Zielerfassungs- und Verfolgungscomputer und dem Wärmehaushalt? Ist eine verfluchte Hitze da draußen.“
Die Stimme von Jonathan Graham klang aus den Lautsprechern seines Neurohelms, woraufhin Tyr einige der neuen Instrumente durch ging.
Der Khopesh stand nun schon seit einigen Minuten regungslos auf einer ausgetrockneten Ebene, deren rissige Oberfläche vor Hitze zu flimmern schien. Trotzdem war die Temperatur im Inneren der Pilotenkanzel geradezu angenehm.
Mit einem kurzen Druck auf zwei Schalter aktivierte Tyr den von Baxter selbst entwickelten Gefechtscomputer, woraufhin das hochentwickelte Gerät sofort rote und grüne Zeichen in sein Sichtfeld projizierte.
Die in einiger Entfernung stehenden, rostigen Wracks von Panzern und anderen Fahrzeugen, welche wohl bereits seit Jahren für Zielübungen genutzt wurden, identifizierte das System als ausgeschaltet, versah sie jedoch trotzdem mit einer genauen Entfernungsangabe und einer Typenbezeichnung.
Herausragend.
„Hornissennest von Youngblood. Das Dead Eyes System ist aktiviert und funktioniert tadellos Boss und der Kühlschrank in meinem rechten Torso schickt bereits Gefrierbrandwarnungen. Keine Störungen auf meiner Seite zu erkennen.“
Tatsächlich arbeiteten die neun Wärmetauscher, die sich den Platz im rechten Torso der Maschine mit der KSR Lafette und deren Munition teilten, nur mit gedrosselter Leistung. Ohne den Einsatz seiner Waffen oder durch Bewegung generierte Wärme war die Kühlleistung so hoch, dass Tyr ein Einfrieren des Ladesystems der Kurzstreckenlafette befürchtete.
Die Techs in der Kommandozentrale der Basis hatten ihn für seine Bedenken zwar fast ausgelacht, aber wie gewünscht die Leistung reduziert.
Auf dem dreihundertsechzig Grad Display konnte er nun auch den ihn begleitenden und nun näher kommenden Hubschrauber ausmachen, der als Relaistation für die Daten agierte, welche von den Systemen des Battlemechs gesammelt und dann per Richtfunk erst an den leichten Aufklärungshelikopter vom Typ Ferret und von dort an die Kommandozentrale gesendet wurden.
Graham hatte keine Kosten gescheut.
„So, Junge. Der Datentransfer ist nun stabil. Vergiss nicht, das ist der erste Testlauf deines neuen Spielzeugs. Ich will keine Kratzer auf der Panzerung oder durchgebrannte Leitungen sehen, wenn du wieder in den Hangar kommst. Du bist heute nur da draußen um die grundlegenden Funktionen zu testen. Nicht mehr. Die Umgebung ist sauber. Die Garde hat bestätigt, dass sie keine Einheiten in der Nähe hat und auch sonst dürfte da draußen nichts unterwegs sein. Wir beginnen mit den Beschusstests im Einzelfeuer auf das neunzig Meter entfernte Schweberwrack. Erst die Raketen, dann im Wechsel die mittelschweren Laser, anschließend die Partikelprojektorkanone und zum Schluss die binäre Laserkanone. Wir haben deine Wärmetauscher wieder hoch gefahren, sollte also kein Problem darstellen. Und ich muss wohl nicht anmerken, dass hier in der Zentrale eine ganze Menge Leute dich beobachten. Angefangen bei mir, jedem Tech, der an der Maschine gearbeitet hat, deinen Lanzenkameraden und nicht zuletzt deiner besseren Hälfte. Also keine blamablen Einlagen wie in deinem ersten Kampf auf diesem Sandball. Ich möchte eine mindestens überdurchschnittliche Schussleistung sehen. Und jetzt leg los, wir essen zeitig.“
Tyr konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, bevor er seinen Kiefer anspannte und den Kanal erneut öffnete.
„Verstanden, Boss. Überdurchschnittliche Schussleistung ist vermerkt. Beginne mit Testlauf.“
Er griff die Kontrollen fester und berührte leicht die Zielerfassungskontrollen, was ein grünes Fadenkreuz in seinem Blickfeld erscheinen ließ. Mit ruhigen Bewegungen führte er das Zielvisier über das angegebene Wrack, wurde dann jedoch von einer blinkenden Kontaktwarnung abgelenkt, die in seinem äußeren Sichtfeld rhythmisch aufblinkte.
Wieder biss er die Zähne zusammen.
„Hornissennest von Youngblood. Habt ihr nicht gesagt hier draußen wäre niemand? Ich habe nicht identifizierte Kontakte auf meinem Display. Östliche Richtung. Zweitausend Meter. Schnell näher kommend.“
Einen Moment lang blieb es ruhig in dem Funkkanal, dann erklang wieder die wohl bekannte Stimme von Jonathan Graham.
„Wir sehen es auch, Tyr. Test abbrechen. Der Ferret soll nachsehen, wer uns hier stört. Ich habe das Gelände für den ganzen Tag vom Wesir persönlich gemietet.“
Auf seinem Display konnte Tyr erkennen, wie der Hubschrauber abdrehte und auf die Position der Kontakte zu steuerte.
Plötzlich zuckten zwei künstliche Blitzschläge vom Boden außerhalb Tyr's Sicht in den Himmel und verfehlten nur knapp den ausweichenden Ferret.

Mit einem Mal war es in der überfüllten Kommandozentrale der Schwarzen Legion totenstill. Über sechzig Leute standen in dem großen Raum und starrten mit aufgerissenen Augen auf den großen Bildschirm, der Bilder von den Kameras des Ferret übertrug.
Deutlich waren die vier Battlemechs zu erkennen, die von einem guten Dutzend schneller Fahrzeuge begleitet wurden und mit hoher Geschwindigkeit auf die Position des Khopesh zu preschten.
„Phoenix und Toro haben Geschwindigkeit reduziert und die Partikelprojektorkanonen abgefeuert. Schließen jetzt wieder zum Rest der Gruppe auf. Gegnerische Modelle Clint und Firebee erkannt. Fahrzeuge sind vornehmlich leicht bewaffnete und gepanzerte Schweber aus planetarer Produktion.“
Der an einer Konsole sitzende Tech lehnte sich in dem Stuhl zurück und blickte dann zu Jonathan Graham.
„Sie sind zwischen dem Khopesh und der Stadt. Damit schneiden sie ihm den Rückzugsweg ab.“
Nun trat Sonnenschein näher an den Monitor heran und begutachtete die anrückende Streitmacht.
„Ziemlich desolater Zustand, aber schnell. Er hätte ohnehin keine Chance sie abzuhängen. Nicht in seiner langsamen Kiste. Das muss eine marodierende Einheit aus der Wüste sein. Sind wahrscheinlich hinter Ersatzteilen her. Die beiden Partikelblitze waren nur eine Warnung an den Piloten des Helikopters ihnen nicht zu nahe zu kommen.“
Die Worte des Lanzenführers riefen anschwellendes Gemurmel hervor, das von Graham sofort unterbunden wurde.
„Ruhe! Wie stehen seine Chancen?“
Nachdenklich blickte der Angesprochene weiter auf den Bildschirm.
„Gegen einhundertsechzig Tonnen gegnerische Mechtonnage mit Fahrzeugunterstützung? In einem nicht getesteten Mechmodell mit gerade einmal fünfundsiebzig Tonnen an dessen Kontrollen er heute zum ersten Mal sitzt? Ich würde mein Geld nicht auf ihn setzten. Mein Greif und der Commando können in zehn Minuten einsatzbereit sein. Der Zeus ist zu langsam. Mit den beiden Maschinen sind wir in dreißig Minuten bei ihm.“
Wütend blitzten die Augen von Graham auf bevor er quer durch die Zentrale brüllte.
„Worauf warten Sie dann noch? Schwingt eure Ärsche in die Maschinen und dann Volldampf! Henry, lassen sie den Einsatzzug ausrücken. Sie begleiten die Mechs mit allem was Schritt halten kann. Jeeps, Schweber, völlig egal. Sie an der Kommunikation, rufen Sie die Garde des Wesirs. Büro General Bakr Al-Abadi. Ich will wissen ob sie Einheiten in dem Gebiet haben, die schneller reagieren können.“
Der Raum explodierte praktisch vor Bewegung als Noel Zapotozni und Patrick durch die Tür in Richtung Mechhangar stürzten, gefolgt von einem Rudel Techs, die sich um die Bereitschaft der Maschinen kümmern würden. Mehrere Techs öffneten Leitungen und sprachen in ihre Mikrofone und bombardierten damit wohl jede Instanz der Garde mit Anfragen.
Cassandra Vasquez hingegen ging langsam zu Uljana, die noch immer mit weit aufgerissenen Augen auf die anrückenden Einheiten starrte.
„Mach dir keine Sorgen, Kleines. Dein Mann ist ein harter Brocken und er sitzt in einem herausragenden Mech. Er wird das überleben. Hörst du? Er wird das überleben!“
Wie in Trance blickte die junge Tech zu der älteren Mechkriegerin.
„Es war heute morgen so hektisch. Ich musste noch die letzten Kontrollen überwachen. Ich hatte keine Zeit ihn zu verabschieden bevor er in das Cockpit stieg. Es sollte doch nur ein Test sein.“
Noch immer wütend trat Graham an den Bildschirm als die Stimme von Tyr aus den Lautsprechern klang.
„Hornissennest von Youngblood. Ich habe den Gegner ausgemacht. Flucht Aufgrund der hohen Geschwindigkeit nicht möglich. Ich wiederhole, Flucht nicht möglich. Erbitte Erlaubnis Kampfhandlungen aufnehmen zu dürfen.“
Der Khopesh war eine hohe Sanddüne hinauf gestapft und hatte die anrückenden, feindlichen Einheiten damit vor sich. Kurz schnaufte Graham, dann öffnete er einen Kanal zu seinem Mechkrieger.
„Jetzt hör mir mal genau zu, mein Junge. Sonnenschein und Sprinter sind auf dem Weg zu dir, sie werden aber mindestens vierzig Minuten brauchen um dort einzutreffen. Wir kontaktieren die Garde um vielleicht früher Verstärkung für dich zu finden, aber ich will ehrlich sein. Es sieht nicht gut aus. Im Moment bist du auf dich alleine gestellt. Die Bastarde die da auf die zu kommen sind räudige Marodeure auf der Suche nach Ersatzteilen. Abschaum wie den kenne ich zur Genüge. Die können dir nicht das Wasser reichen. Wenn du ihnen so richtig mit Anlauf in die Eier trittst werden sie den Schwanz einziehen und dorthin flüchten woher sie gekommen sind. Aber es muss so richtig weh tun. Also, ich hole jetzt mein Scheckbuch aus der Tasche und stelle dir einen beglaubigten Zettel aus, für den du in jeder Niederlassung von ComStar zehntausend C-Noten erhältst. Hast du mich verstanden? Ich gebe dir zehntausend verdammte C-Noten plus einen weiteren Tausender für jeden Abschuss, den du mir heute lieferst. Es ist mir völlig egal ob du da draußen die Ares-Konvention verbrennst oder eine gottverdammte Atombombe zünden musst, aber bring deine Maschine heute wieder nach Hause. Zeig mir, dass ich den Krieger in dir gesehen habe. Dass du es wert bist, dich Söldner zu nennen.“
Auf die geknurrten Worte folgte eine Minute Schweigen, während der Khopesh weiter nur regungslos auf der Sanddüne stand. Die Angreifer waren bis auf einen Kilometer heran gekommen und schwärmten nun Sichelförmig aus.
Als die Stimme von Tyr erneut aus den Lautsprechern klang war sie kalt und entbehrte jedweder Emotion.
„Verstanden, Boss. Sie wollen ein Massaker mit einer ganzen Menge Blut.“
Grimmig nickte Graham zu den Worten.
„Ja, mein Junge. Ich will ein gottverdammtes Massaker. Lass diese Bastarde in ihrem eigenen Blut ersaufen!“

Nickend fuhr Tyr die Leistung des Reaktors hoch, bevor er einen freien Kanal öffnete.
„Ihr seid hier hergekommen um Beute zu machen. Das respektiere ich. Aber es ist der falsche Tag und ihr habt euch das falsche Opfer ausgesucht. Was nun folgt ist eure eigene Schuld, nicht die meine.“
Ohne ein weiteres Wort schloss er den Kanal wieder.
Die Zielerfassung des Dead Eye Systems leuchtete golden über der Silhouette des auf ihn zu stürmenden Toro und Tyr presste den Auslöser der Binären Laserkanone bevor er den Geschwindigkeitsregler voll durch drückte.
„Und es beginnt!“
Seine Worte begleiteten den Strahl gleißenden Lichtes der Sekundenbruchteile später sein Ziel fand.
Wie ein heißes Messer durch Butter schnitt die Energie durch die dünne Panzerung des Cockpits des gegnerischen Mechs, schmolz sich durch die interne Struktur und die Kanzel. Helle Flammen zuckten aus der verheerenden Schneise, die sich durch den gesamten Mechkopf zog und an der Rückseite eine Austrittsstelle bildete, gefolgt von dichtem, schwarzem Rauch der vom grausamen Ableben des Piloten kündete.
Von einem auf den anderen Moment erstarrt, kippte der Toro führungslos vornüber und prallte mit brachialer Gewalt auf dem ausgetrockneten Boden der Ebene auf. Das protestierende Kreischen berstenden Metalls erfüllte die gesamte Gegend und ließ den Sturmlauf der Angreifer abrupt ins Stocken geraten.
Dafür steuerte Tyr den Khopesh mit Höchstgeschwindigkeit die Sanddüne hinunter, direkt auf die Formation der Banditen zu.
Völlig irritiert feuerte der Pilot des Phoenix einen fauchenden Partikelblitz aus seiner Hauptwaffe in seine Richtung, der jedoch ohne ihm zu schaden über die rechte Schulter zischte, während der Clint seine mittelschwere Autokanone zum Einsatz brachte. Die grellen Explosionen der Granaten der Salve hämmerten Bruchstücke der brandneuen Panzerung vom rechten Torso des Khopesh, vermochten das dicke Material jedoch nicht zu durchschlagen.
Der Mechkrieger der Firebee hingegen stürmte weiter auf Tyr zu, zündete seine Sprungdüsen und katapultierte seinen Maschine hundertfünfzig Meter weit an ihn heran. Der Plan war klar. Während die beiden mittelschweren Maschinen ihn frontal beschäftigten würde der leichte Scout sich in seinen Rücken schleichen und die dünne Panzerung dort mit seinem schweren Laser bearbeiten.
Am Fuß der Sanddüne angekommen stoppte Tyr seinen Vormarsch und ließ das Fadenkreuz über den Clint gleiten, der etwas vor dem Phoenix Position bezogen hatte und sich wohl über die weitere Vorgehensweise unsicher war.
Entschlossen presste er die Auslöser der Binären Laserkanone, der PPK und schwenkte das Visier dann auf die vor dem mittelschweren Mech auf ihn zu rasenden Schweber um, bevor er eine Salve Kurzstreckenraketen auf die Reise schickte.
Diesmal verfehlte der sonnenhelle Strahl der Kanone sein Ziel und zog eine rauchende Brandspur über den Boden vor dem Clint, während der künstliche Blitzschlag seine volle Energie auf dem linken Arm entfalten konnte, mit tosender Gewalt Panzerplatten davon sprengte und sich in die interne Struktur fraß, wo er Myomerbündel zerfetzte und schließlich so viel Schaden anrichtete, dass der Unterarm komplett abgerissen wurde.
Die auf hell leuchtenden Antriebsflammen aufsteigenden Raketen senkten sich nach kurzem Flug den nur minimal gepanzerten Schwebern entgegen und sprengten mit dumpfen Detonationen Löcher in den ausgetrockneten Boden zwischen den Fahrzeugen. Einer der Sprengköpfe erfasste das Führungsfahrzeug, schlug durch die Frontpanzerung und explodierte im Inneren des todgeweihten Schwebers, der sich aufzublähen schien, dann außer Kontrolle zu schlingern begann und sich schlussendlich brennend mehrfach überschlug.
Tyr wartete auf den Hitzeschock, den der ungehemmte Waffeneinsatz zweifellos nach sich ziehen würde, aber als sein irritierter Blick auf die Wärmekontrolle fiel, zeigte diese einen noch immer grünen Wert. Der Khopesh war nicht überhitzt. Nicht einmal warm. Die Wärmetauscher hatten die gesamte Abwärme verarbeitet, auch wenn sie an der oberen Leistungsgrenze angekommen waren.
Der Battlemech war einfach unglaublich und dies in gleich mehrfacher Hinsicht.
Seine Faszination wurde von dem erneut aufflackernden Feuer der gegnerischen Mechs unterbrochen, dass nun auch von den Fahrzeugen unterstützt wurde.
Wieder erhob sich der Scoutmech auf flammenden Sprungdüsen, passierte in gerade einmal dreißig Metern Abstand Tyr's Battlemech und landete etwas oberhalb von ihm an der Sanddüne. Genau in seinem Rücken. Dann feuerte der gegnerische Pilot seine vier Kurzstreckenlafetten auf ihn ab. Von den insgesamt acht Raketen zogen sechs links an seiner Maschine vorbei und sprengten Sand in meterhohen Säulen von der Düne. Eine weitere Rakete prallte harmlos von dem rechten Rückentorso ab während die letzte auf dem rückwärtigen, mittleren Torso detonierte. Der aufblühende Feuerball des einzelnen Sprengkopfes war nicht stark genug die schwache Panzerung zu durchschlagen, aber er machte sich keine Illusionen darüber, was ein oder zwei Treffer des schweren Lasers an dieser Stelle anrichten konnte.
Der Phoenix bewegte sich nun langsam aber stetig auf ihn zu und schoss dabei weiter mit seiner PPK, die diesmal das rechte Bein des Khopesh traf und die Panzerung dort in einer glühenden Bresche aufriss während sein Partner im Clint auf Abstand blieb und die beiden mittelschweren Laser in Kombination mit der mittelschweren Autokanone sprechen ließ. Erneut zuckten feurige Explosionen über die Erscheinung des Khopesh, diesmal jedoch über den linken Arm, während die Laserstrahlen rotglühende Spuren über die Torsomitte und den rechten Torso schnitten.
Eine Vielzahl leichter Waffen trommelte aus Richtung der Fahrzeuge auf den Torso und das linke Bein ein, sprengten Sand überall um den Khopesh herum in die Höhe oder jaulte als Querschläger über das Schlachtfeld.
Tyr musste all sein Können aufbieten um seine Maschine aufrecht zu halten und wurde schwer in die Pilotenliege geworfen, bevor er die Pedale der Sprungdüsen durchtrat.
Durch den brachialen Schub der aus den Sprungdüsen tobenden Plasmaflammen stabilisierte sich die Lage des Khopesh und Tyr steuerte den Mech dreißig Meter zurück, genau neben und über den völlig überraschten Firebee.
„Damit hast du nicht gerechnet, mein Freund.“
Seine zu sich selbst gesprochenen Worte gingen in der Erschütterung der unsanften Landung unter, während er bereits die Waffen auf sein Ziel ausrichtete.
Auf eine Entfernung von nur wenigen Metern war ein Verfehlen des Firebee so gut wie unmöglich weshalb er fast seine gesamte Waffenlast auf einmal auslöste sobald das Fadenkreuz pulsierend golden aufleuchtete.
Die Laserkanone verdampfte eine Tonne Panzerung der leichten Maschine über dem rechten Torso und schmolz sich in die empfindliche interne Struktur wohingegen die mittelschweren Laser Ströme flüssigen Metalls von dem linken Bein und rechten Arm fließen und in den Sand tropfen ließen.
Die Einschläge der Kurzstreckenraketen verteilten sich gleichmäßig in aufblitzenden Feuerbällen auf den Gegner, wobei zwei Raketen über das Ziel hinaus schossen.
Vom Einsatz der PPK sah Tyr ab. Die Reichweitenwaffe war aufgrund der Feldhemmer über so kurze Distanzen nur bedingt effektiv und außerdem wollte er die Wärmetauscher nicht noch weiter beanspruchen, wobei sein Cockpit für die ausufernden Kampfhandlungen noch immer angenehm kühl war.
Energisch lehnte er den Oberkörper seines Battlemechs zurück und riss dann das rechte Bein nach vorn, krampfhaft darum bemüht, das kreischende Gyroskop nicht vollends zu überlasten.
Durch seine Position oberhalb des Firebee traf der gepanzerte Fuß des Khopesh genau auf die Torsomitte. Mit einem infernalischen Getöse platzten ganze Panzerplatten von dem geschundenen Mech, während die interne Struktur sich unter der schieren Gewalt des Tritts berstend verzog.
Unter diesem brutalen Nahkampfangriff verlor der gegnerische Pilot die Herrschaft über seine schwer angeschlagene Maschine und die Firebee fiel mit einem dumpfen Aufschlag rückwärts die Sanddüne hinab und rutschte dann bis auf die Ebene hinunter, wo sie von der folgenden Sandlawine fast verschüttet wurde.
Ein Großteil der leichten Schweber und Radfahrzeuge drehten nach dem Fall des leichten Mechs ab und flohen in die Richtung aus der sie gekommen waren während die beiden verbliebenen Mechkrieger sich ihre Niederlage wohl noch nicht eingestehen wollten.
Der Clint feuerte erneut seine Autokanone auf den Khopesh und hämmerte mit den Urangranaten Panzerung von dessen rechten Bein indes der Phoenix nun seine Position hielt und Tyr weiter mit der PPK beschoss, welche die Panzerung auf dem linken Torso verwüstete.
Ohne auch nur den Versuch des Ausweichens ließ er den Beschuss über sich ergehen, zielte sich auf den Phoenix ein und feuerte die PPK und die Laserkanone auf die gegnerische Maschine. Der azurblaue, künstliche Blitz zuckte über die Torsomitte des Gegners und riss Panzerung von den getroffenen Stellen, wurde jedoch von der Leistung der binären Laserkanone überschattet, deren greller Strahl sich durch die rechte Beinpanzerung brannte und bis in das innere der Maschine vordrang.
Um das Gleichgewicht kämpfend taumelte der Phoenix einen Schritt zurück und musste dann auf ein Knie sinken um nicht komplett die Kontrolle zu verlieren und zu Boden zu stürzen.
Tyr trieb den Khopesh erneut langsam vorwärts, auf den Phoenix zu, während der Clint mit der Autokanone und den beiden Lasern feuerte. Die Salve der Granaten zog eine feurige Spur über den mittleren Torso während die beiden Laserstrahlen sich in den rechten Arm brannten.
Ein kurzer Blick auf das Panzerungsdiagramm zeigte ihm jedoch, dass die Treffer außer auf den schützenden Stahlplatten keine Wirkung zeigten.
Gerade als der Phoenix den Arm mit der PPK erhob um ebenfalls auf Tyr's Mech zu feuern, löste dieser seine eigenen Waffen aus.
Wieder brannte die binäre Laserkanone ein rauchendes Loch in die Panzerung, diesmal jedoch über dem linken Schultergelenk des Phoenix, während der Blitzschlag der PPK sein Ziel verfehlte.
Der erneute Treffer schien dem Piloten der knienden Maschine die Aussichtslosigkeit seiner Lage zu verdeutlichen, denn kurz nach dem Einschlag sprengten Bolzen das Dach des Cockpits ab und er stieg auf den feurigen Düsen seines Rettungssystems aus, woraufhin der Mech in seiner Position erstarrte.
Sofort nach dem Ausfall seines letzten Verbündeten wendete sich der noch verbliebene Clint zur Flucht und stob mit Höchstgeschwindigkeit in die Richtung davon, aus der er nur wenige Minuten zuvor gekommen war, gefolgt von den verbliebenen Fahrzeugen.
Tyr setzte noch einen Schuss aus seinen mittelschweren Lasern auf einen der fliehenden Schweber, verfehlte das Ziel aber um mehrere Meter als der Fahrer geistesgegenwärtig einen Zickzackkurs einschlug und sein Fahrzeug auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigte.
Schwer atmend blickte Tyr den flüchtenden Resten seiner Gegner hinterher als auf dem 360 Grad Display eine Bewegung an der Düne in seinem Rücken seine Aufmerksamkeit erweckte.
Der schwer angeschlagene Firebee versuchte sich mit ruckartigen Bewegungen aus der Umklammerungen der Tonnen von Sand zu befreien, die seine Beine bis zum unteren Torso bedeckten. Entweder war der Pilot bei seinem Angriff verletzt worden oder aber das Gyroskop der Maschine hatte Schäden davon getragen.
In jedem Fall waren die unbeholfenen Versuche nicht von Erfolg gekrönt.
Langsam wendete Tyr den Khopesh und stapfte gemächlich die wenigen Schritte zu dem hilflos am Boden liegenden Scoutmech.
Die Sensoren der Maschine mussten Tyr erfasst haben, denn als er neben die Firebee trat, stellte der Pilot die Versuche ein.
Drohend richtete er die rechte Waffenmanschette mit der binären Laserkanone auf den Kopf seines Gegners und spannte die Kiefermuskeln an um einen Funkkanal zu öffnen.
„Es ist vorbei, Krieger. Steig aus dem Mech. Ich habe nicht den Wunsch dich zu töten, aber auch keine Probleme damit. Deine Entscheidung.“
Er musste nur kurz warten, dann erstarben die Bewegungen des vor ihm liegenden Mechs und nur eine Minute später wurde das Cockpitschott aufgestoßen und eine Gestalt, gekleidet in der für Mechkrieger typischen Boxershorts und Kühlweste, taumelte aus der Öffnung. Die langen, schwarzen Haare klebten unter einem Gemisch aus Schweiß und Blut an dem Gesicht der Frau, die mit einer niedergeschlagenen Bewegung die Waffe aus dem Halfter an ihrem nackten Oberschenkel zog und vor dem Khopesh in den Sand warf, bevor sie die Hände hinter dem Kopf verschränkte.

Patrick steuerte seinen Commando mit Höchstgeschwindigkeit über die staubige Ebene, immer zwei donnernde Schritte vor dem Greif seines Lanzenkommandanten. In der Rekordzeit von fünfundzwanzig Minuten hatten sie die fünfzig Kilometer zwischen der Basis und dem Übungsgelände hinter sich gebracht, begleitet von den Fahrzeugen der sichernden Infanterie die von Henry persönlich geführt wurde.
Zwar hatten sie von der Zentrale die Meldung erhalten, dass die Gefahrensituation bereinigt sei, aber da sie der Nachricht nicht richtig Glauben schenken konnten, waren sie überein gekommen, die Geschwindigkeit nicht zu reduzieren.
Tyr alleine in seinem Khopesh gegen eine ganze Lanze und deren Begleitfahrzeuge? Ein Sieg des Jungen erschien dem erfahrenen Mechkrieger doch eher unwahrscheinlich.
„Sprinter von Sonnenschein!“
Die verzerrte Stimme von Noel Zapotozni klang selbst über die schlechte Funkverbindung hinweg gehetzt.
„Sprinter hört.“
Eigentlich wusste Patrick bereits, was Sonnenschein von ihm wollte, aber als guter Scout hatte er gelernt, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten und dem Vorgesetzten nicht alles vorweg zu nehmen.
„Schwing deinen Arsch auf die Sanddüne vor uns. Dann müsstest du das Gefechtsfeld sehen können. Ich will keine Überraschungen erleben und in eine Falle stolpern.“
Genervt verdrehte er die Augen und ließ den Commando dann die hohe Sanddüne im Sprint erklimmen.
In Momenten wie diesen wünschte sich Patrick Sprungdüsen an seinem Mech, aber dafür konnte das Leichtgewicht mit einer schweren Bewaffnung aufwarten, die es ihm erlaubte, auf die Jagd nach gegnerischen Aufklärern zu gehen.
Auf dem Kamm des sandigen Hindernisses angekommen blieb er wie angewurzelt stehen. Der Anblick war einfach unglaublich.
„Bist du verrückt geworden, Sprinter? In Bewegung bleiben, verdammt. Wenn jetzt einer deine Signatur auffasst, stehst du da wie eine übergroße Zielscheibe.“
Ohne die Kontrollen wieder zu bewegen stand Patrick in seinem Commando unbewegt auf der Düne.
„Du musst mir meinen Job bei Gott nicht erklären, Lanzenführer, aber die Chance, dass jemand mich aufs Korn nimmt dürfte ziemlich gering sein. Eine Falle ist das in jedem Fall nicht und der Junge braucht auch keine Hilfe. Du solltest dir das aber wirklich selbst ansehen, sonst glaubst du es nicht.“
Patrick wartete, bis Sonnenschein seinen schwereren Mech die Steigung hinauf und neben seine Maschine bewegt hatte und auch der Zug Infanterie mit den Fahrzeugen nach zog.
Auf der weitläufigen Ebene lagen die teilweise noch immer rauchenden Wracks von drei Mechs und einem völlig ausgebrannten Schweber, umgeben von schwarzen Brandspuren und Einschlagskratern sowie Trümmerstücken.
Und in Mitten dieses Chaos erhob sich der Khopesh. Er trug nun einige Narben in der Lackierung und tiefe Breschen an einigen Stellen seiner Panzerung, war aber weit vom Zustand seiner Gegner entfernt.
Einige Geländefahrzeuge der Garde des Wesirs hatten um den Mech Stellung bezogen und etliche Trupps der Gardisten waren auf dem Gelände verteilt, während ein paar, offensichtlich höhere Offiziere bei Tyr standen, der es sich im Schatten seiner Maschine gemütlich gemacht hatte.
Gerade deutete einer der Offiziere in Richtung der zur Hilfe eilenden Schwarzen Legion, da knackten auch schon die Lautsprecher in Patricks Neurohelm.
„Hallo Jungs. Ihr seit spät dran. Colonel Tabati und seine Patrouille waren vor euch hier. Die Party ist leider schon vorbei aber die Autogrammstunde hat gerade erst begonnen. Und irgendwie bräuchte ich auch Hilfe das alles hier auf zu räumen. Die Gefangenen übernimmt freundlicherweise der Colonel, aber das teure Gerät sollten wir nicht einfach so hier rumliegen lassen. Leider ist meine Kommunikation mit der Basis zusammen gebrochen. Muss wohl ein Kurzschluss im Com sein.“
Der Scoutpilot konnte seinen Augen nicht trauen als Tyr vom Fuß seines Stahlmonsters aufsprang und in ihre Richtung winkte. Er musste ein tragbares Com für die Verbindung nutzen.
„Verteilt der da unten wirklich Autogramme?“
Sonnenschein's Greif stand nun ebenso bewegungslos auf dem Kamm der Düne wie auch sein eigener Commando und Patrick konnte sich das irritierte Gesicht des Lanzenführers bildlich vorstellen.
Einer der begleitenden Jeeps bewegte sich plötzlich vorwärts und stob die Düne herunter, eine Staubwolke hinter sich aufwirbelnd.
„De Maggio, was soll das denn jetzt? Zurück in die Formation. Wir sichern unsere Mechs.“
Die herrische Stimme von Henry klang durch den Kanal, was den Fahrer des Jeeps jedoch in keinster Weise zu stören schien.
„Gegen was sichern, Sir? Sonnenbrand? Sonst ist hier draußen niemand. Der Junge hat gerade im Alleingang drei Mechs zerlegt und einen weiteren in die Flucht geschlagen und er verteilt gratis Autogramme. Gratis, Sir. Wissen Sie was die in Jasons Reef wert sind, sobald das hier bekannt wird? Wenn Sie möchten, bleiben Sie auf der Düne stehen, Sir, aber ich habe hier ein fast jungfräuliches Fahrtenbuch, das nur darauf wartet, sich mit einer einfachen Unterschrift in Geldscheine zu verwandeln. Bei allem Respekt, Sir. Und ja, den Strafdienst akzeptiere ich, Sir. Morris übrigens auch.“
Patrick konnte sich ein Lachen bei den Worten des Infanteristen nicht verkneifen und lenkte seinen Mech dann ebenfalls die Düne hinab.
Kurz darauf folgten auch Sonnenschein und der Rest der Infanterie.
Wenn er sich so umsah, würde das ein langer Tag werden. Ein verdammt langer Tag.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Büro von Jonathan Graham
11. Februar 3025

„Es ist einfach unglaublich. Die Datenmenge ist so gigantisch, dass wir Monate für die Analyse benötigen werden.“
Wie von der Tarantel gestochen lief Andrew Baxter in dem geräumigen Büro auf und ab während seine Augen in einem fast fiebrigen Glanz erstrahlten. Seit die Verbindung zu dem Khopesh kurz vor Ende des Gefechts zusammen gebrochen war steigerte sich seine Erregung von Minute zu Minute bei der Durchsicht der Übertragungen des Kampfes.
Zahra Lynch hingegen saß wie fast immer unbeteiligt auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch und betrachtete Graham, der seinerseits geduldig abwartete bis Baxter die ausgebrochene, kindliche Begeisterung im Griff hatte.
„Verstehen Sie beide denn nicht? Genau das war es, was wir benötigt haben. Eine reale Belastungsprobe für die Aggregate in einem realen Kampf. Der Khopesh hat unsere kühnsten Erwartungen bei weitem übertroffen. Alleine die thermalen Spitzen während des gleichzeitigen Einsatzes der Partikelprojektorkanone und der binären Laserkanone sind so aussagekräftig wie die Hälfte der Einsatzzeit von Mister van Zahnt. Dazu die klimatischen Bedingungen auf der Ebene. Die Erschütterungen durch Treffer auf die betreffende Sektion. Der Tritt auf den Torso nach dem Sprung. Eine Doppelbelastung für den gesamten Kreislauf. Es war einfach alles perfekt. Sie haben mich gefragt, ob der Umbau des Mechs sich lohnen würde und ich habe das damals bestätigt. Aber sicher war ich mir da nicht. Jetzt hingegen haben wir aussagekräftige Daten in unglaublicher Menge von allen Sektionen des Testobjekts weil wir ihn so konstruieren konnten, dass wir ein bestmögliches Ergebnis erzielen. Ich möchte es also nochmal ausdrücklich unterstreichen. Der Umbau war jede C-Note, jede Überstunde und jedes Engagement wert. Wir müssen uns natürlich noch einen Überblick verschaffen, aber es ist gut möglich, dass wir nach diesem Kampf den Auftrag erfüllt haben. Die Auswertung kann dann im Institut erfolgen.“
Schlagartig blickten Graham und auch Zahra Lynch zu dem Mastertech auf, wobei die Frau zuerst die Fassung wieder erlangte.
„Wollen sie uns damit sagen, dass wir seit Jahren auf diesem Staubball festsitzen und dabei zusehen wie ihre Jungs und Mädels Ausdrucke studieren und dann basteln sie sich einen Mech innerhalb eines Monats zusammen der per Zufall in einem Gefecht landet und sammeln damit alle benötigten Datensätze?“
Abwehrend hob der Angesprochene beide Hände und seine Stimme überschlug sich bei der Antwort fast.
„Wie ich bereits sagte, sind wir uns noch nicht sicher. Wir haben nur eine grobe Sichtung vorgenommen, die jedoch äußerst positiv verlaufen ist. Bis wir mit Sicherheit sagen können, dass wir alle benötigten Informationen beisammen haben benötigen wir eine ganze Woche. Grob geschätzt. Sehen Sie, der Marodeur war durch seine konstruktionsbedingten Eigenschaften ein brauchbares Testobjekt für unsere Untersuchungen. Und Pieter van Zahnt war ein vorsichtiger Pilot. Ein Veteran. Für die Sicherheit der ganzen Operation durchaus nützlich, aber vom Standpunkt meiner Abteilung aus eher hinderlich. Wir hätten niemals so viele Messinstrumente und Aggregate in seinen Mech verbauen können wie es uns jetzt bei der Neukonstruktion des Khopesh möglich war. Nicht ohne Fragen aufzuwerfen. Und der Verstorbene wäre wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, solche Spitzen zu erzeugen. Die binäre Laserkanone in Kombination mit der restlichen Bewaffnung ist hier richtungsweisend. Ich würde sogar sagen ausschlaggebend.“
Skeptisch sah Graham zu dem Tech hinüber, der sich unter dem stummen Blick zu winden schien während er seine Optionen im Geist durchging.
„Ist Ihnen klar, dass ein vorzeitiges Ende der Operation nicht wieder rückgängig gemacht werden kann? Wenn wir unsere Zelte hier abbrechen und zurück kehren, dann ist der Ofen aus. Die oberen Instanzen werden nicht noch einmal solch gewaltige Mittel freigeben. Ich verlange also, dass Sie und ihr Team alles eingehend prüfen. Und dann prüfen Sie es nochmal. Persönlich. Ich will absolut sicher sein bevor eine Entscheidung getroffen wird, die wir im Nachhinein vielleicht bereuen. Wir haben zu viel investiert um jetzt vorschnell zu handeln. Machen Sie das ihrer Abteilung klar. In spätestens einer Woche habe ich Ihre Einschätzung auf dem Tisch und dann besprechen wir, wie es weiter geht.“
Zuversichtlich nickte Baxter.
„Aber natürlich. Wir werden mit äußerster Sorgfalt vorgehen und ich werde selbst alles überwachen. Sie können sich darauf verlassen.“
Damit drehte sich der Mann eilig zur Tür und ging aufgeregt aus dem Büro.
Zahra Lynch hingegen lehnte sich nachdenklich in ihrem Stuhl zurück.
„Das könnten gute Nachrichten sein, Sir. Ein erfolgreicher Abschluss Monate vor dem gegebenen Zeitrahmen. Das würde eine ganze Menge Leute beeindrucken. Ich gebe es ungern zu, aber Sie hatten wohl von Anfang an Recht, Sir. Mit Tyr Sievers, seinem Mech und auch vorher.“
Graham konnte seiner Stellvertreterin nicht zustimmen. Für ihn waren diese Nachrichten eine Katastrophe. Er war jedoch klug genug, das für sich zu behalten. Stattdessen lehnte er sich ebenfalls in dem Ledersessel zurück, der daraufhin die bekannten, knarrende Geräusche von sich gab.
„Mag sein. Haben wir Nachrichten bezüglich unseres neue Stars am Kriegerhimmel über Jasons Reef?“
Mit einem schnellen Griff angelte Zahra einen kleinen Datenchip aus der Hosentasche ihrer Uniform und warf diesen achtlos vor Graham auf dem Schreibtisch. Ihr verkniffener Gesichtsausdruck zeugte von Unmut, fast Scham.
„Ja, Sir. Kam heute via Prioritätsnachricht direkt von oben.“
Mit spitzen Fingern griff er nach dem kleinen Gegenstand und drehte ihn langsam hin und her, bevor er ihn in das dafür vorgesehene Lesegerät seines Computers steckten.
„Gib mir eine Zusammenfassung, Zahra. Wir wollen keine Zeit verlieren.“
Während er die große Menge an Seiten überflog zuckte sie mit den Schultern.
„Es gibt nicht viel, was es wert wäre, zusammengefasst zu werden, Sir. Unseren Nachforschungen zufolge hat er in wirklich jedem Bezug die Wahrheit gesagt. Die Mutter war eine gefragte Prostituierte für die höher gestellten Schichten von Blackjack. Sie hat die Gebühren für seine Ausbildung an der Akademie von einem privaten Konto aus beglichen. Pünktlich jeden Monat. Muss ziemlich fleißig gewesen sein, die Dame. Vor einigen Jahren wurde sie Opfer eines Mordes der nie aufgeklärt werden konnte, was aber bei dem Arbeitsumfeld nicht weiter verwunderlich ist. Die Ermittlungen wurden kurz nach ihrem Tod auf Anweisung höherer Stellen eingestellt. Der Vater ist, welch Überraschung, unbekannt. Keine weiteren Angehörigen, keine Verbindungen zu irgendwelchen Organisationen außer der Akademie. Keine Strafakte. Sein Ausbilder für den Infanteriekampf war im Übrigen ein Mann namens Nelson Kruger. Ehemaliger SWAT-Team Leiter der örtlichen Polizei. Die Abschlussnoten von Mister Sievers zeigen eher durchschnittliche Bewertungen in allen Fächern, bis auf eben den Infanteriekampf. Da werden seine Leistungen als herausragend beurteilt. In Kombination erklärt das wohl seine Reflexe und die Fähigkeiten mit der Pistole. In jedem Fall wurden nach dem Ausbleiben der Zahlungen der Mutter die Kosten von den Poljakow Werken übernommen. Der Firma des Vaters von Miss Poljakow. Eine Beziehung zwischen den beiden lässt sich im selben Zeitraum nachweisen. Wir haben Belege für Schmuckeinkäufe seinerseits und ein erhöhtes Anrufaufkommen ihres Coms. Es gibt auch einen Arbeitsvertrag der Firma mit Mister Sievers. Bürotätigkeiten, nichts Besonderes. In ziemlich kurzer Zeit ist ihm ein Aufstieg innerhalb der Firmenhierarchie gelungen, aber das liegt wahrscheinlich in der Tatsache begründet, dass unser Mister Sievers die Tochter des Unternehmensgründers geknallt hat. Da wurde wohl der zukünftige Schwiegersohn in die richtige Position gebracht. Ist ja auch einfacher einen Abteilungsleiter als Mann der Tochter zu präsentieren als einen Hurensohn. Im ursprünglichsten Sinne des Wortes. Auf jeden Fall wurde die Firma in den letzten Jahren Ziel einer feindlichen Übernahme durch ein konkurrierendes Unternehmen. Zorin Industries erhielt die Zuschläge für die Wartungsarbeiten an den Milizmaschinen und konnte durch wesentlich niedrigere Preise auch den Ersatzteilmarkt der Poljakow Werke einbrechen lassen. Der Vater von Miss Poljakow hat dann angefangen, bei der Steuer zu tricksen und Bilanzen zu fälschen, was aber bald darauf aufgeflogen ist. Kurz nach Beginn der Untersuchungen wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Selbstmord durch Erhängen. Den Untersuchungsbericht finden sie ebenfalls in der Datei. Wegen der offensichtlichen Todesursache unterblieb eine Obduktion. Das Familienvermögen wurde eingefroren und Mister Sievers sowie Miss Poljakow flohen mit einem Teil der Insolvenzmasse. Der Khopesh und das Bergungsfahrzeug werden aufgelistet, genau wie der Rest ihrer Ausrüstung. Zorin Industries erhielt in der Folge den Zuschlag für die Reste und stellte Strafanzeige, verfolgte die Sache aber nicht weiter. War eine reine Formalität. Die hatten den Konkurrenten ausgeschaltet und waren nicht an den beiden interessiert. Danach gibt es nur noch gelegentlich Kontakte. Kurzzeitige Anstellung in den Diensten eines niedrigen Adligen, dann in einer kleinen Söldnereinheit. Da sie aber gesucht wurden, waren ihre Chancen im lyranischen Raum begrenzt. Kurz darauf erschienen sie hier.“
Zahra Lynch beendete ihre Analyse mit einem Seufzer während Graham noch immer die über seinen Monitor flimmernden Daten sichtete. Auf einer Seite stutzte er kurz.
„Es gab eine Abfrage unserer Sicherheitsfreigabe durch die anderen?“
Erneut nickte sie beiläufig.
„In der Tat, Sir. Ist aber auch nichts Besonderes. Ein Großteil der Informationen wurde durch die gesammelt. Wenn unsere Jungs ein so großes Interesse an jemandem zeigen ruft das natürlich Neugierde hervor. Ich gehe davon aus, dass die unsere schwarze Freigabe gesehen haben und dann nicht weiter nachfragten. Zumindest haben wir noch keine weitere Anfrage erhalten. Kann aber auch sein, dass es noch dauert. Die Koordination der Organisationen läuft gerade erst an und der Informationsaustausch ist eher schleppend. Da möchte sich noch keiner in die Karten schauen lassen.“
Nachdenklich löschte Graham die Informationen auf dem Bildschirm und blickte dann auf das Gemälde an der Wand hinter Zahra Lynch.
„Nun gut, vielleicht bin ich einfach nur paranoid. Wäre ja eine Berufskrankheit.“
Schwungvoll erhob er sich aus dem Sessel und auch seine Stellvertreterin erhob sich elegant von dem Stuhl.
„Leiten sie alle Vorbereitungen für verbrannte Erde ein. Wenn Baxter wirklich alles zusammen hat können wir uns keine Verzögerungen leisten. Dann muss es schnell gehen. Schaffen sie alles, was wir nicht mehr benötigen zu dem Lander, aber unauffällig, Zahra. Die Operation läuft sonst weiter wie geplant. Ich bin mir ziemlich sicher, dass unser Brillenträger nächste Woche freudestrahlend mit Auswertungen vor uns steht, aber wir gehen auf Nummer sicher.“
Die Frau nickte grimmig und marschierte dann im Stechschritt aus dem Büro.
Graham wartete, bis die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte und zählte dann bis zehn.
In einem für ihn untypischen Wutausbruch fegte er Dokumente, Datenchips und auch den Monitor von der Schreibtischplatte, die polternd auf dem Boden landeten, bevor er den Sessel ergriff und gegen die Wand schmetterte.
„Gottverdammte Scheiße!“


Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Kommandantur der Garde des Wesirs
12. Februar 3025

Tyr schlenderte über den kahlen Gang des Hauptquartiers der Garde in Richtung des Büros von Khaled Ibn Nasr, vorbei an den ihm verhassten orangenen Plastsitzen und einer ganzen Menge verschlossener Türen. Es hatte ihn verwundert, dass Zahra Lynch ohne lange nachzudenken eine Genehmigung für seinen Besuch in der Stadt erteilt hatte, wenn auch unter Geleitschutz von sechs Soldaten des Sicherungszuges, um an der Vernehmung der von ihm gefangenen Pilotin des Firebee teilzunehmen, aber das Misstrauen der Frau schien sich seit dem gestrigen Tag auf ein Minimum reduziert zu haben. Vielleicht hatte das mit seinem Sieg auf dem Übungsplatz zu tun. Vielleicht auch nicht. Ihm konnte es nur Recht sein.
Morris und De Maggio, die ihn auf seinem Weg durch das Gebäude begleitet hatten, ließen sich schwerfällig auf zwei der Sitzgelegenheiten fallen und blickten gelangweilt umher, während er an die ebenfalls verschlossene Tür zu dem Büro klopfte, durch die er bereits den unangenehmen Geruch von kaltem Rauch wahrnehmen konnte.
Sofort wurde sie aufgezogen und derselbe Gardist, welcher ihn schon bei seinem ersten Besuch heran geholt hatte stand in der entstandenen Öffnung. Diesmal jedoch war sein Gesichtsausdruck freundlich, geradezu herzlich.
„Ah, kommen, kommen. Kommandant schon warten!“
Wieder glimmte eine Zigarette in dem übervollen Aschenbecher auf dem kleinen Schreibtisch was in Kombination mit der verrauchten Atmosphäre ein leichtes Déjàvu in Tyr auslöste. Statt direkt zu der zweiten Tür zu gehen, die zu dem Büro des Kommandanten führte, schloss der Gardist die Tür hinter ihm und begab sich dann zu dem Schreibtisch, von dem er zwei Photos und einen Kugelschreiber nahm und in seine Richtung hielt. Als er stirnrunzelnd die Gegenstände entgegennahm und sich gewahr wurde, dass die Photos Luftaufnahmen seines Mechs im Kampf gegen die Banditen zeigte, packte der Gardist ein Lederetui aus seiner Brusttasche und klappte es schnell auf um Tyr die Aufnahmen zweier Kinder im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren zu zeigen.
Nun dämmerte es ihm
„Faruk. Hajid. Autogramm bitte.“
Nacheinander zeigte der Mann auf die beiden Kinder und entblößte bei seinem Versuch eine Lächelns nikotingelbe Zähne.
Lächelnd nickte Tyr und legte die Photos auf den Schreibtisch um besser darauf unterschreiben zu können.
„Für Faruk und Hajid?“
Fragend sah er zu dem ihn genau beobachtenden Gardisten auf, der eifrig lächelnd ebenfalls nickte.
Mit großer Sorgfalt schrieb er den mittlerweile auswendig gelernten Text in arabischen Schriftzeichen auf die Photos und setzte auf jedes davon einen der Namen in europäischer Schrift.
„Für meinen Freund Faruk und Hajid. Dein Tyr Sievers.“
Mit weit aufgerissenen Augen nahm der Gardist die Photos entgegen und verbeugte sich dann umständlich, bevor er zu der Bürotür des Kommandanten eilte.
„Danke. Kommen, kommen. Kommandant warten.“
Ein kurzes Klopfen später stand er endlich in den gut klimatisierten Räumlichkeiten des Kommandanten, der ihn ebenfalls freudig mit Handschlag begrüßte.
„Tyr, mein Freund. Es tut gut, dich wohlbehalten sehen zu dürfen. Der Allmächtige muss ein wohlwollendes Auge auf dich werfen. Ich habe die Übertragung des Gefechts direkt hier sehen können.“
Der ältere Mann deutete auf den Monitor auf seinem Schreibtisch und Tyr verdrehte gespielt die Augen.
„Bitte du nicht auch noch, Khaled. Hat denn jeder in der Stadt die Übertragung dieses Aufklärungsflugzeugs gesehen?“
Schon kurz nach ihrer Rückkehr am Vortag zur Basis hatten ihn persönliche Glückwünsche des Wesirs per Boten erreicht. Ein Aufklärer der Garde hatte die Hilfegesuche von Hornissennest aufgefangen und das Gefecht mit seinen hochauflösenden Kameras aus dem perfekten Blickwinkel gefilmt. Und direkt an die örtliche Sendeanstalt weiter geleitet. Live, mit Ton und in Farbe. Der Pilot, dessen Vetter wohl ein hohes Tier in der Marketingabteilung des Wesirs war, hatte jeden Schritt kommentiert und jeden Abschuss bejubelt.
Wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, war er sofort nach seiner Landung in das Aufzeichnungsteam der Playgrounds versetzt worden.
Khaled lächelte nur und wies auf das bequeme, goldbestickte Sofa vor dem bereits eine dampfende Mokkatasse auf dem niedrigen Tisch stand.
Eine weitere Tasse stand vor dem dazu gehörenden Sessel, in den der Offizier der Garde sich fallen ließ während Tyr auf dem ihm zugewiesenen Platz nieder fiel.
„Im Gegensatz zu den meisten anderen Welten haben wir hier auf Astrokaszy zwei Hauptsendezeiten. Die erste ist abends, kurz nach dem Untergang der Sonne wenn die Menschen von der Arbeit nach Hause kommen. Das dürfte im ganzen Universum gleich sein. Die zweite ist Mittags, wenn die Sonne am höchsten steht. Die Temperatur steigt, es wird ungemütlich. Viele Bewohner ziehen sich dann in ihre Häuser zurück oder gehen in das nächste Kaffee- oder Teehaus. Es wird dann viel geredet, aber im Hintergrund läuft fast immer das TriVid. Und genau zu dieser Zeit suchst du dir Streit, der dann auch noch auf fast allen Sendern übertragen wird. Ich habe gehört, dass der Wesir selbst seinen Mittagsschlaf unterbrochen hat um die Übertragung zu sehen. Wie gesagt, dass wohlwollende Auge des Allmächtigen.“
Verlegen griff Tyr zu der Mokkatasse und schlürfte etwas von der wohltuenden, aromatischen Flüssigkeit, wobei sein Blick auf einen Speicherchip fiel, der neben der Tasse lag und das Wappen ComStars trug.
„Ja, er war so begeistert, dass er mich ohne Qualifikationsrunden direkt in die Ausscheidungskämpfe geholt hat. Für ihn musste ich lernen, einen Satz in eurer Schrift zu verfassen. Für meinen Freund und dann seinen Namen. Auf einer ausgedruckten Luftaufnahme in einem goldenen Rahmen. Ist das zu fassen?“
Wieder lachend blickte nun auch Khaled auf den Chip neben der Mokkatasse.
„Der wurde schon gestern für dich abgegeben, Tyr. Ich war so frei ihn anzunehmen, auch wenn ich nicht verstehe, warum du ihn dir nicht zur Basis hochbringen lässt. Der Bote bestand jedoch darauf, ihn nur mir zu geben. Ich musste sogar den Empfang quittieren. Ich! Kannst du dir das vorstellen.“
Beiläufig ergriff Tyr den kleinen Gegenstand und ließ ihn in seiner Brusttasche verschwinden.
„Tut mir leid, Khaled. Ich dachte ich komme noch einmal zu dir bevor es eintrifft und hätte dich dann darum gebeten es anzunehmen. Es ist nichts Wichtiges. Eine Arbeitsbestätigung eines ehemaligen Auftraggebers. Reine Formalität. Ich wollte dem Boten nur den Weg hinauf auf diesen Berg ersparen.“
Wieder lachten die beiden Männer laut auf.
„Das kann ich verstehen. Der Weg ist ja auch wirklich keine schöne Erfahrung.“
Damit wurde der Gesichtsausdruck des Offiziers der Garde ernster und er stellte die bereits halb geleerte Mokkatasse auf den Unterteller der auf dem Tisch bereit stand.
„Was die junge Dame betrifft, die du aus dem Firebee geschossen hast, können wir bis jetzt nur sagen, dass sie nicht von Astrokaszy stammt. Offensichtlich ist sie indischer Abstammung. Nichts gegen dich, aber es kommt viel Söldnerabschaum hierher. Abenteurer und Glücksritter, die es auf die Edelsteine abgesehen haben. Die schnell zu viel Geld kommen wollen. Normalerweise enden solche Individuen bei den Warlords in der Wüste wo sie sich als gedungene Mörder verdingen oder Karawanen plündern. Ihre Ausrüstung ist absolut nichtssagend. Dasselbe trifft auch auf das Schweberwrack zu. Kommt zwar aus planetarer Produktion, das war es dann aber auch schon. Die Leichen der Besatzung wurden von der Explosion der Kurzstreckenrakete so dermaßen zerfetzt, dass eine Identifizierung kaum mehr möglich ist. Um ehrlich zu sein können meine Experten nicht mal mehr sagen, wie viele Personen in dem Schweber saßen. Wir gehen von einer Bande Banditen aus, die deine Kampfkraft unterschätzt und sich selbst überschätzt haben. Gesagt hat die Pilotin bis jetzt nichts. Unsere Med-Techs haben sie untersucht und bis auf eine Gehirnerschütterung, einige Prellungen und eine Vielzahl älterer Narben wurde nichts festgestellt. Egal was bei der heutigen Vernehmung heraus kommt, sie landet in den nächsten Wochen vor Gericht und ich garantiere dir, dass des Henkers Schwert sie erwartet. Brigantentum wird vom Wesir nicht geduldet und auch unsere Gerichte gehen da gnadenlos vor.“
Verstehend nickte Tyr zu den Worten des Offiziers. Er hatte sich so etwas bereits gedacht, auch wenn das plötzliche Erscheinen der Banditen einen faden Nachgeschmack hinterließ.
„Na wir werden sehen. Habt ihr in der anderen Sache schon Neuigkeiten?“
Khaled lehnte sich in dem Sessel zurück und strich sich nachdenklich über den tiefschwarzen Schnurrbart.
„Wie man es nimmt. Ich sagte dir ja bereits, dass die Leute hier nicht gern mit uns reden. Nach einigen Vernehmungen stellte sich aber heraus, dass du mit deiner Vermutung Recht hattest. Adel und Hussein standen bereits seit mehreren Minuten mit dem Sand Devil in der Straße. Kurz vor dem Vorfall hat eine Anwohnerin von ihrem Fenster aus beobachtet, wie der Schweber gestartet wurde und beschleunigte. Sie sagt, dass sie durch die Dunkelheit nur wenig erkennen konnte, aber ziemlich sicher ist, dass nur der Fahrer in dem Fahrzeug zu sehen war. Kein Beifahrer. Außerdem habe ich noch die Aussage eines Barkeepers. Eines gewissen Rashid Sharif. Er war auf dem Parkplatz hinter dem Boom Boom Club unterwegs um wohl leere Gläser einzusammeln, auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie die da hin gekommen sein sollen. Er hat dabei einen Mann gesehen, der an der Gebäudeecke herumlungerte, sich aber nichts dabei gedacht. Er ging davon aus, dass der Verdächtige dort urinierte. Die Beschreibung ist eher dürftig. Groß, muskulös, Fremdweltler. Unauffällige Kleidung und dunkle Haare. Passt damit auf tausende Personen in der Stadt. Du siehst also, wir kommen nicht wirklich weiter.“
Tyr musste Khaled zustimmen. Trotz eines Monats an Ermittlungsarbeit hatte die Garde nicht gerade viel vorzuweisen. Eigentlich gar nichts.
Mit einem Blick auf die mittlerweile bis auf den Kaffeesatz geleerte Mokkatasse vor ihm änderte Khaled erneut das Thema.
„Wenn du soweit bist, können wir die Vernehmung dann beginnen. Wir haben da Räumlichkeiten im Keller der Kommandantur, die bereits vorbereitet sind. Gefliest und mit einem Abfluss in der Mitte und vor allem schallisoliert. Ich hoffe du verträgst so etwas.“
Auf den beiläufigen Ton des Offiziers reagierte Tyr mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund.
Eine volle Sekunde hielt Khaled das ernste Gesicht aufrecht, dann brach schallendes Gelächter aus ihm hervor.
„Du müsstest dein Gesicht sehen, mein Freund. Unbezahlbar. Hältst du uns wirklich für so primitiv? Wir mögen in der Peripherie sein und ich gebe zu, dass unsere Gesetze vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig sind, aber die Zeiten in denen wir Verhöre auf solche Art geführt haben sind lange vorbei. Wir erhalten aber den Glauben an diese Praktiken aufrecht. Ist in manchen Fällen hilfreich.“
Noch immer schmunzelnd marschierte der Offizier an ihm vorbei zur Tür und öffnete diese.
„Die Räumlichkeiten gibt es aber wirklich und genau dorthin gehen wir jetzt. Vielleicht lockert alleine der Anblick die verschlossene Zunge der jungen Dame. Wir werden sehen.“
Mit einem noch immer mulmigen Gefühl folgte Tyr dem Kommandanten der Garde des Wesirs durch das Empfangsbüro, wobei der nun am Tisch sitzende Gardist freundlich nickte und sich dann weiter dem Tippen eines Berichts widmete.
Als die beiden Männer auf den Gang traten, sprangen Morris und De Maggio von ihren Plätzen.
„Nur die Ruhe. Wir gehen jetzt zu dem Verhörraum. Ihr könnt hier warten.“
Deutlich konnte Tyr ein hartes Schlucken von Morris bei dem Wort Verhörraum wahrnehmen und die Frau beeilte sich, wieder auf den Platz zu sinken, während De Maggio den Befehl bestätigte.
„Geht klar, Chef. Wir halten die Stellung.“
Damit setzte sich auch der Soldat wieder entspannt auf die orangenen Sitzschale, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
Während er und Khaled durch ein menschenleeres Treppenhaus in den Keller hinabgingen, wobei die Temperatur von Schritt zu Schritt zu sinken schien, versuchte Tyr, seine aufwallenden Gefühle und vor allem Fluchtgedanken mit einfacher Konversation zu überdecken.
„Ein komischer Vogel, der Gardist in deinem Vorzimmer, Khaled.“
Mit einer verächtlichen Bewegung winkte der Angesprochene ab.
„Tarik. Der Bruder meiner Frau. Ein wenig einfältig und im Grunde zu nichts zu gebrauchen. Sie hat mich darum gebeten, ihm einen Job zu besorgen und was soll ich sagen, einen Wunsch der obersten Instanz abzulehnen hätte zu nachhaltigen Strafaktionen in meine Richtung geführt. Es heißt zwar, dass in unserer Kultur die Männer die Hosen an haben, aber glaub mir, es ist keine Freude, darin einen Skorpion zu entdecken. Nachdem du sie angezogen hast.“
Erschrocken sah Tyr zu Khaled, der gelassen mit den Schultern zuckte.
„Es war nur ein kleiner. Nicht wirklich giftig, aber sehr schmerzhaft. Am nächsten Tag war Tarik mein Adjutant. Geben und nehmen, Tyr. Das Leben ist ein ständiges Geben und Nehmen.“
In der untersten Etage angekommen verharrte der Offizier vor einer verschlossenen Stahltür und blickte ernst in seine Augen.
„Damit das funktioniert, musst du deine Rolle spielen, Tyr. Halt dich einfach zurück und lass mich reden. Wir haben sie zwei Stunden mit einem Sack über dem Kopf durch die Gegend gefahren und seit einer Stunde sitzt sie alleine in einer kalten Zelle und hört Tonbandaufnahmen von fürchterlichem Geschrei und anderen unschönen Dingen. Das funktioniert jedes Mal. Nach dieser Behandlung brauchst du nur nachdrücklich zu fragen und die Verdächtigen sagen dir alles was sie wissen. Alles. Wenn die junge Dame etwas anderes ist als eine Banditin, dann werden wir das in den nächsten Minuten erfahren. Versprochen. Wahrscheinlich hat sie bereits unter sich gemacht.“
Nun war es an Tyr, hart zu schlucken, während er sich ausmalte, welche psychischen Qualen die Mechkriegerin erleiden musste. Als Khaled zu dem schweren, rostigen Riegel der Stahltür griff, fasste er ihn am Arm.
„Versprich mir eines. Wenn ich dich jemals verärgern sollte, gib mir bitte die Möglichkeit, mich zu entschuldigen, bevor du das hier abziehst. Und noch eins. Wir fügen ihr keinen wirklichen Schaden zu.“
Verständnisvoll lächelnd zog Khaled den Riegel unter protestierendem Kreischen auf und öffnete die Stahltür, die den Blick auf einen langen, dunklen Gang frei gab.
Sofort war das Treppenhaus mit dem Hall grauenhafter Schreie erfüllt, unterbrochen von undefinierbaren Geräuschen, von denen Tyr gar nicht wissen wollte, was sie verursachte.
„Keine Angst, mein Freund. Wir sind keine Barbaren. Und das hier hätte auf dich jetzt ja keine Wirkung mehr. Da müsste ich tiefer in die Trickkiste greifen.“
Damit trat der Offizier in den Gang und blickte über die Schulter zurück.
„Kommst du?“
Unentschlossen trat Tyr von einem Bein auf das andere, bevor er sich dazu durchringen konnte, den gemächlichen Schritten des Gardisten zu folgen. Auch von den tieferen Gefilden der Trickkiste wollte er nichts weiter hören. Das was er sah, reichte ihm vollkommen.
Während sie an einem dutzend offen stehender Zellentüren vorbei gingen, die nur leere Räume offenbarten, stiegen ihm nun auch Gerüche in die Nase, die er nur als bestialischen Gestank einordnen konnte.
Als hätte Khaled seine Gedanken gelesen, blieb er vor der letzten Tür auf der rechten Seite stehen, vor der zwei grimmig dreinschauende Gardisten Wache standen, griff in die Hosentasche seiner Uniform und kramte ein kleines Döschen hervor, dessen Deckel er schnell aufschraubte. Mit dem kleinen Finger tauchte er in die cremeartige Substanz ein und verteilte diese dann auf seinem Schnurrbart unter der Nase, bevor er es Tyr anbot.
„Eukalyptusbalsam. Überlagert den Geruch von frischem Blut und verbranntem Fleisch sowie Fäkalien und Urin ganz gut. Wir haben einen Langzeitvertrag mit dem örtlichen Fleischer für diese Dinge. Ist eine Schande, die guten Steaks zu verbrennen, aber was tut man nicht alles für ein aussagekräftiges Geständnis.“
Die Grenze für psychischen Druck war nun bei Tyr bereits fast erreicht. Vorsichtig entnahm er mit dem kleinen Finger etwas des Balsams und rieb es sich unter die Nase, was die Geruchsbelästigung auf ein Minimum reduzierte und den Gestank durch den Duft von frischem Eukalyptus fast vollständig ersetzte.
„Die Schreie hören sich furchterregend echt an, Khaled. Das macht sogar mir Angst.“
Zustimmend nickte der Offizier.
„Oh, die sind echt. Ein Zusammenschnitt alter Verhöre aus den unzivilisierten Zeiten meines Vorgängers.“
Mit einem kurzen Blick signalisierte der Offizier einem der Wächter, dass sie bereit waren, woraufhin dieser die Zellentür öffnete und dann in den quadratischen Raum trat, gefolgt von Khaled, Tyr und dem zweiten Gardisten, der die Tür hinter sich wieder ins Schloss zog und dann an dem einzigen Ausgang in Position ging.
Khaled hatte nicht gelogen. Ein schmuddeliger Raum ohne Fenster mit grauen Kacheln an Boden und Wänden erwartete sie. Und auch der Abfluss in der Mitte fehlte nicht.
Darüber saß die Gestalt der Mechpilotin, gefesselt an einen billigen Holzstuhl, noch immer in die Boxershorts und das Top gekleidet, welches sie bereits bei dem Kampf getragen hatte. Nur die Kampfstiefel, den Gürtel und die Kühlweste hatte man ihr genommen.
Dafür hatte man ihr einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt.
Der erste Wächter ging zu einem vor dem Stuhl aufgestellten Scheinwerfer und schaltete das Gerät ein, was den Bereich um die Gefangene in gleißend hellem Licht badete. Dann trat er zwischen den Stuhl und das einzige weitere Möbelstück im Raum.
Einem Tisch, der übersät war mit brachialem Folterwerkzeug. Eisenstangen, Hämmer, Messer und anderes Gerät brachten Tyr zum Schaudern.
Er und Khaled traten hinter den Scheinwerfer, was es der Frau unmöglich machen würde, etwas außer einem undeutlichen Umriss zu erkennen, dann blickte der Offizier wieder zu dem Wächter, der ihr daraufhin den Sack vom Kopf riss.
Entgegen allen Erwartungen entblößte er kein angstverzerrtes Gesicht. Nicht der kleinste Anflug von Panik war auf den jungen, definitiv indischen Zügen der Frau zu erkennen. Nur Zorn loderte in ihren Augen.
Als die Wache den hölzernen Knebel löste und auf den Tisch zu dem restlichen Utensilien legte, spuckte sie verächtlich auf den Boden und sah sich dann um, bevor sie wütend Worte zwischen den Zähnen hervor presste.
„Ich will mit dem Piloten reden, der mich abgeschossen hat. Ich will mit Tyr Sievers reden!“
Völlig fassungslos blickte Khaled zu ihm und zuckte mit den Schultern.
„Das ist unglaublich, Tyr. Sie müsste völlig verängstigt sein. Und woher kennt sie deinen Namen?“
Der Offizier flüsterte in sein Ohr und war offensichtlich ratlos.
Noch bevor er seine Gedanken ordnen konnte, wiederholte die gefangene Pilotin ihre Forderung.
„Ich will mit Tyr Sievers sprechen.“
Neugierig machte er zwei Schritte auf sie zu, so dass er vor dem starken Scheinwerfer stand und blickte zu ihr herab.
„Ich bin Tyr Sievers. Wer sind Sie und woher zum Teufel kennen Sie meinen Namen?“
Die junge Frau blinzelte in das grelle Licht und schien sein Gesicht zu mustern, bevor sie nickte.
„Okay. Ich habe eine Nachricht für Sie.“
Verwirrt machte er einen weiteren Schritt auf sie zu und ging neben dem Stuhl in die Hocke. Sie waren nun auf Augenhöhe und auch er versuchte, ihr Gesicht einzuordnen. Er war sich jedoch schon nach kurzer Zeit sicher, die junge Kriegerin noch nie im Leben gesehen zu haben.
„Eine Nachricht? Von wem?“
Energisch schüttelte sie den Kopf, wobei eine Strähne ihres pechschwarzen Haares in ihr Gesicht rutschte.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Hören Sie gut zu. Manchmal tragen Freunde Maske, aber Feinde ebenso.“
Nachdem sie die Worte gesagt hatte, biss die junge Frau die Zähne zusammen und blickte ihn herausfordernd an.
„War ein guter Kampf.“
Plötzlich begannen die Muskeln des vor ihm sitzenden Körpers ekstatisch zu zucken und die gerade noch vor Zorn glühenden Augen verdrehten sich. Tyr sprang zurück, völlig im Anblick der in den Fesseln tobenden Frau verstrickt, während Khaled zur Tür sprang, die von dem zweiten Gardisten schnell aufgestoßen wurde und dann einige Worte in arabischer Sprache in den Gang brüllte.
Kurz darauf eilten zwei Med-Techs in den Verhörraum und begannen den noch immer zitternden Körper zu untersuchen. Trotz des verkrampften Gebisses tropfte Speichel aus dem Mund auf das Top der Kriegerin, die Augenlider flatterten und der Atem war stoßartig, bis er mit einem mal einfach aufhörte.
Schließlich erschlafften die Muskeln und der Oberkörper sackte kraftlos vornüber.
Die herbeigeeilten MedTechs versuchten krampfhaft, das Leben der Gefangenen zu retten, lösten die Fesseln und legten den Körper auf dem Boden ab, bevor sie die Wiederbelebung starteten.
Für Tyr und wohl auch den Rest der Anwesenden war jedoch klar, dass ihre Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sein würden.
Die junge Frau war tot.

Es dauerte zwei geschlagene Stunden, bis die Untersuchung des merkwürdigen Todesfalls beendet war. Die beiden älteren Vorgesetzten von Khaled hatten alle Anwesenden eingehend befragt und waren schlussendlich zu dem Ergebnis gelangt, dass wohl eine Vorerkrankung des Herzens der jungen Frau durch die psychische Belastung zum Tod geführt hatte.
Schon nach kurzer Zeit war er zu der Erkenntnis gelangt, dass es hier gar nicht um den Todesfall an sich ging, sondern viel eher um die Tatsache, dass man die Mechkriegerin nun nicht mehr in aller Öffentlichkeit aburteilen und hinrichten konnte.
Man würde die ganze Sache im Stillen begraben.
Eine tote Fremdweltlerin warf auf Astrokaszy keine Fragen auf. Eine Tatsache die Tyr wieder einmal schmerzlich bewusst wurde.
Nach einer weiteren Tasse Mokka, während der Khaled ihm immer wieder erklärte, wie leid ihm die Sache tun würde, verabschiedeten sich die Männer während der Offizier der Garde des Wesirs versprach, ihn auf dem Laufenden zu halten, was die Ermittlungen in Bezug auf die Banditen anging.
Als er wieder auf den Gang vor das Büro des Kommandanten trat, erhoben sich die beiden noch immer dort wartenden Soldaten von ihren Plätzen.
„Nicht so gelaufen wie geplant, was Chef?“
De Maggio und Morris hatten den entstandenen Tumult mitbekommen und der Soldat versuchte nun, ein wenig Licht in die Sache zu bringen. Verständlich, aber momentan ungelegen für Tyr.
„Kann man wohl sagen. Gehen Sie schon Mal vor zu den Fahrzeugen. Die Sache ist mir mächtig auf den Magen geschlagen. Vor unserer Fahrt zurück zur Basis werde ich die Toiletten nochmal aufsuchen.“
Die beiden nickten schnell, offensichtlich dankbar ihre Position endlich verlassen zu können und machten sich dann auf den Weg zum Ausgang.
„Wir warten vor dem Haupteingang auf Sie, Sir. Der nächste Donnerbalken ist hier direkt um die Ecke. Ich würde aber raten, nichts da drin anzufassen. Zumindest wenn ich von den Einrichtungen für Damen auf die der Herren schließen darf.“
Morris hatte über die Schulter gerufen und er lächelte zu den Worten, bevor er sich auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung machte und bereits kurz darauf die Türen für die sanitären Anlagen fand.
Die arabischen Schriftzeichen waren glücklicherweise um die multilingualen Zeichen für Herren und Damen ergänzt worden, so dass er nicht umständlich suchen oder Fragen musste.
Genau wie Morris vermutet hatte, waren die Toiletten in einem schäbigen Zustand, auch wenn Tyr nicht hier war um ein Geschäft zu verrichten. Vorsichtig kontrollierte er die einzelnen Kabinen, ob sonst noch jemand in dem Raum war und entschied sich dann für den letzten der Verschläge, der auch den Sauberste in der eingeschränkten Auswahl darstellte, nachdem er sicher war, allein zu sein.
Er schloss die Tür des WC's hinter sich und verriegelte sie, bevor er den Toilettendeckel herab klappte und sich darauf sinken ließ.
Dann fischte er den ComStar Chip aus seiner Tasche und zog sein Multifunktionscom vom rechten Handgelenk. Das teure Jaeger Gerät war ein Geschenk von Uljanas Vater gewesen und bot viele Annehmlichkeiten, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Daten holografisch auszulesen.
Er legte das sündhaft teure Accessoire auf dem metallenen Klopapierhalter ab und verband es im Anschluss mit dem Chip.
Bereits eine Sekunde später flimmerte eine holografische Aufzählung der enthaltenen Daten wenige Zentimeter über dem Gerät und ein Entschlüsselungscode wurde angefragt.
„Ich bin Teil der Familie und werde es immer bleiben.“
Tyr murmelte den Satz leise in das Mikrofon und sofort erschienen die Dateien im Klartext, wobei die einzige Videodatei seine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog.
Schnell gab er den Befehl zum Abspielen und die Schrift wurde durch das dreidimensionale Abbild eines ihm nur zu bekannten Kopfes ersetzt, der freundlich in seine Richtung lächelte.
Kurz darauf ertönte die dazu passende Stimme aus dem Lautsprecher, wobei er sich beeilte und die Lautstärke auf ein Flüstern herunter drehte.
„Hallo Halbbruder. Deine Nachricht hat uns alle sehr gefreut. Die Umstände eurer Abreise waren ja nicht gerade schön, aber wir sind glücklich, dass Uljana und du gesund und am Leben seid. Die Dinge hier laufen wieder in normalen Bahnen. Das haben wir Vater zu verdanken, der einige Schrauben angezogen und längst ausstehende Gefallen eingefordert hat. Mikhael hat sich gut hier eingelebt und ist mit seiner neuen Stelle als Leiter der technischen Abteilung zufrieden. Die beiden alten Männer verbringen Stunden damit, Diskussionen über die Sicherheit unseres Sitzes zu führen, was Stiefmutter regelmäßig fast um den Verstand bringt. Er vermisst seine Tochter aber das geht Vater mit dir ja nicht anders. Ich möchte euch beiden nochmal für eurer Verständnis und euer Opfer danken. Ich weiß, es war nicht gerade leicht, alles hinter sich zu lassen aber es gab keine andere Möglichkeit. Leider steht die Integrität der Familie über allem, aber das muss ich dir ja nicht erklären.“
Der Gesichtsausdruck von Jason wurde von einem auf den anderen Moment wesentlich düsterer, während er nach unten blickte um wohl einige Daten zu lesen.
„Was deine Fragen betrifft, so haben wir Nachforschungen angestellt und die Ergebnisse sind äußerst beunruhigend. Zuerst gibt es mehrere Personen mit dem Namen Jonathan Graham, aber keiner davon passt auf deine Beschreibung. Das mag draußen in der Peripherie nichts heißen, aber es geht noch weiter. Die Fingerabdrücke, die du mit dieser Person in Zusammenhang bringst konnten zweifelsfrei zugeordnet werden und zwar einem Colonel Damian Pearce, ehemals erste Davion Guards. Auf diesen Herrn passt auch die Beschreibung von Graham. Es gibt aber ein Problem. Colonel Damian Pearce wird in den Unterlagen als gefallen im Kampf geführt. Und das bereits seit einigen Jahren. Als ich weiter graben wollte, erhielt ich eine Meldung, dass mein Sicherheitsstatus für die angefragten Informationen nicht ausreicht. Richtig interessant wird die Sache, wenn man eine Anfrage über dich und Uljana der vergangenen Wochen hinzu zieht. Die konnte von uns geblockt werden, hat aber einen Schwarzstatus. Das bedeutet oberste Etage. Sie haben nur die offiziellen Verlautbarungen bekommen, aber es scheint weitere Untersuchungen zu geben. Vater und Stiefmutter lassen gerade einige ihrer Kontakte daran arbeiten. Ich soll dir aber ausrichten, dass du verdammt vorsichtig sein musst. Wir haben noch keine Informationen in was für einen Schlamassel du und Uljana da rein gestolpert seid, aber ihr müsst euch bedeckt halten. Das riecht alles sehr stark nach verdeckter Operation was wiederum bedeutet dass unliebsame Fragensteller irgendwo verscharrt werden. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun um euch zu helfen. Wenn ihr Geld oder sonst irgendwas benötigt, lass es uns wissen. Zur Not kehrt ihr nach Blackjack zurück. Das sollte aber unsere letzte Option sein. Ich habe dir alle verfügbaren Informationen zusammen gestellt und hänge sie an diese Nachricht an. Ich wünschte ich könnte im Moment mehr für euch tun, Tyr. Unsere Gedanken sind bei euch. Passt auf euch auf.“
Das Gesicht seines Halbbruders flimmerte kurz und verschwand dann um von der bekannten Dateiauflistung ersetzt zu werden.
Tyr überflog kurz die wenigen Texte und starrte dann eine volle Minute auf ein Bild, dass wohl eine digitale Kopie eines wesentlich älteren Fotos darstellte.
Der Mann, den er als Jonathan Graham kannte, lächelte in der Uniform der ersten Davion Guards in die Kamera. Jünger, durchaus, aber es war für jeden erkennbar, dass Colonel Damian Pearce und sein derzeitiger Arbeitgeber ein und dieselbe Person waren. Nachdem er alle Anhänge studiert hatte, stöpselte er den Chip wieder ab und befestigte das Com wieder an seinem rechten Handgelenk.
Kurz dachte Tyr darüber nach, den Datenträger zu behalten, entschied sich jedoch dagegen. Es war einfach zu gefährlich.
Kurz entschlossen zog er ein Feuerzeug aus der Tasche seiner Uniformhose und verbrannte den Chip so lange, bis nur eine blubbernde, verschmorte Masse zurück blieb, die er in der Toilette hinunter spülte.
Völlig in Gedanken versunken verließ er das WC und machte sich auf den Weg zu den bereit stehenden Fahrzeugen am Haupteingang der Kommandantur.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Freizeitbereich für Offiziere und Unteroffiziere
14. Februar 3025

Der große Gemeinschaftsbereich direkt neben den Mechkriegerunterkünften war brechend voll von Angehörigen der Schwarzen Legion, die dem Verlauf eines Ausscheidungskampfes auf dem großen TriVid verfolgten.
Tyr und Uljana hatten sich, wie die meisten oberen Ränge, bereits frühzeitig gemütliche Plätze auf einer der bequemen Couchgarnituren gesichert, während einfache Dienstgrade sich auf Isomatten auf dem Boden lümmelten oder an den Wänden standen um dem Spektakel beiwohnen zu können.
Neben seiner Partnerin hatte Cassandra Vasquez Platz genommen und die beiden Frauen teilten sich eine große Tüte Popcorn während an seiner Seite Patrick saß, der sich aus einem mitgebrachten Eimer frittierter Hähnchenteile bediente.
Vor ihnen hatten Morris und De Maggio ihre Matten ausgerollt und der Infanterist war fleißig dabei, jeden Treffer in ein kleines, schwarzes Büchlein zu kritzeln, während die Soldatin auf dem Bauch liegend gespannt auf den großen Bildschirm starrte um keine der zu erwartenden Kampfszenen zu verpassen.
Das drakonische Team, der absolute Favorit dieses Gefechts, bestand aus einem Striker, einem Jenner welcher von einem Panther unterstützt wurde und dem überschweren Charger des Anführers. Ihre Gegner waren eine gemischte Lanze deren Befehlshaber einen Archer ins Feld führte und dabei von einem Assassin, einer Cicada und einem Firestarter unterstützt wurde.
„Ich habe gehört, dass diese Draks einer Piratenbande angehören und auf persönliche Einladung des Wesirs bei den Spielen mitmachen.“
Cassandra stopfte sich eine weitere Hand voll Popcorn in den Mund, während Morris nickte.
„Sind Piraten. Der Anführer heißt Katsumi Tomonaga. Hat sich beim Drachen wohl unbeliebt gemacht als er eine Aktion gegen Helmar Valasek und seine Mörderbande in den Sand setzte. Statt sich wie ein braves Schlitzauge in das eigene Schwert zu stürzen ist er desertiert. Zumindest wird das erzählt.“
Die Soldatin drehte sich auf den Rücken und setzte sich dann schwungvoll auf, wobei ihr langes, blondes Haar wild durcheinander fiel.
Cassandra fischte eines der kleinen, braun-weißen Süßigkeiten aus der Tüte und warf es in Morris Richtung, die das Wurfgeschoss schnappend mit dem Mund auffing.
„Brav Informationen gesammelt, Morris. Fein gemacht.“
Lachend ließ sich die Frau wieder auf die Isomatte fallen und drehte sich dann zurück in Richtung des großen Monitors, auf dem gerade ein Sturmlauf des Charger in Großaufnahme gezeigt wurde.
Während der Striker sich ein ausgeglichenes Feuergefecht mit dem Archer lieferte, beharkten sich auf der einen Seite Jenner und Panther mit den gegnerischen Assassin und Firestarter.
Die Cicada hatte versucht, den Striker zu umgehen und in den Rücken der Maschine zu gelangen als der überschwere Charger durch eine Wand brach und aus der dunkelgrauen, aufwallenden Staubwolke heraus auf den mittelschweren Mech zustürmte.
Dann war das überschwere Monster auch schon heran und rammte die gepanzerte Schulter mit brachialer Gewalt gegen den Torso des armlosen Cicada. In einer Kaskade zerberstender Panzerplatten und brechender interner Struktur stolperte der mittelschwere Battlemech in eine weitere Ruine und ging nur wenige Meter von dem fast unbeschädigten und noch immer aufrecht stehenden Charger krachend zu Boden.
„Gottverdammt. Franky, woher zum Teufel hast du das gewusst? Die Chance, dass der Mech mit seinen Miniaturkanonen den ersten Kill hinlegt war so gering wie die über ein verfluchtes Lager der SBVS zu stolpern.“
Erneut setzte Morris sich auf und funkelte wütend in De Maggios Richtung, der ungerührt weiter in sein Büchlein kritzelte.
„So unwahrscheinlich war das gar nicht, meine Liebe. Der Charger ist ein Scoutjäger mit leichter Bewaffnung aber unglaublichen Stärken im Nahkampf und für sein Gewicht hoher Geschwindigkeit. Der prügelt einfach so lange auf seine wesentlich leichteren Opfer ein, bis die liegen bleiben. Mit Cicada, Firestarter und Assassin hatte er drei prädestinierte Ziele auf dem Feld. Mit der papierdünnen Panzerung ist er einem gut bewaffneten Gegner in seiner Gewichtsklasse unterlegen, aber die mickrigen Scouts verarbeitet der zu Altmetall. Ohne Probleme. Und jetzt rück die Kohle raus.“
Murrend zog Morris einige Münzen aus ihrer Hosentasche und warf diese achtlos auf seine Isomatte. Nach einer schnellen Begutachtung lächelte der Infanterist und verstaute die Münzen in einem kleinen Beutel, den er um den Hals trug.
Patrick leckte sich geräuschvoll die Finger und stellte den Eimer dann auf dem Boden ab.
„Unser gieriger Freund hat durchaus nicht Unrecht. Mit der leichten Bewaffnung die Scouts im Normalfall tragen, kannst du so einem Monster nicht kommen. Vielleicht schießt du ihm die Panzerung weg, aber die interne Struktur ist so massiv, dass du auch dort ein paar gute Treffer setzen musst um überhaupt was auszurichten. Wenn du ihn dann an dich ran lässt, bist du Geschichte. Ganz einfach.“
Auf dem Bildschirm stapfte der Charger nun auf die noch immer am Boden liegende Cicada zu, deren Pilot sich redlich bemühte, seine Maschine wieder auf die Beine zu bringen. Ein brutaler Tritt des überschweren Mechs gegen das linke Bein beendete das Vorhaben vorzeitig in einem Regen aus Metallsplittern und zerrissenem Myomer.
Kurz darauf öffnete sich das Cockpitschott der Cicada und der Pilot signalisierte seine Aufgabe, was den Charger dazu animierte, in Richtung des noch immer tobenden Gefechts zu marschieren.
„Mit meinem Zeus würde ich diese Fehlkonstruktion direkt in die Hölle schicken. Ohne Umwege. Der soll nur mal versuchen mir auf die Pelle zu rücken. Drakonische Missgeburt. Ich hoffe wirklich, dass wir im Finale gegen diesen Haufen antreten dürfen. Dann schicke ich Takashi Kurita ein feines Paket nach Luthien mit deren Köpfen als Inhalt.“
Das Cassandra die Einwohner des Drakonis Kombinats nicht leiden konnte war Tyr schon während einiger Gespräche aufgefallen, aber wie auch der Rest der Legionäre ignorierte er ihren offen lodernden Hass.
„Wir müssen ja erst noch unseren eigenen Ausscheidungskampf gegen das Team von Gallierdi bestehen bevor wir überhaupt über das Finale nachdenken können. Könnte haarig werden. Ich habe gehört, dass er sich nach der Niederlage gegen Tyr einen neuen Mech zugelegt hat. Einen Victor. Wenn das stimmt, solltet ihr euch in Acht nehmen. Die Kombination aus Sprungfähigkeit und einer überschweren Autokanone ist brachial. Nimmt man dann noch Gallierdis Erfahrung im Umgang mit dieser Gewichtsklasse hinzu, bekommt das Wort tödlich eine ganz neue Bedeutung.“
Uljana beendete den Satz mit einer handvoll Popcorn im Mund und nickte dann wieder in Richtung des TriVid.
Der Firestarter überschüttete den Panther aus nächster Nähe mit flüssigem Feuer aus seinen Flammenwerfern, was diesen davon abhielt, seine Hauptwaffe, einen tödliche Partikelprojektorkanone, zum Einsatz zu bringen und auch der Archer hüllte den drakonischen Striker in eine Korona blitzender Explosionen seiner Langstreckenraketen.
Der Jenner und der ihn verfolgende Assassin lieferten sich eine wilde Jagd auf Sprungdüsen quer durch die verwüsteten Straßenzüge, wobei die schwerere Bewaffnung des Jenner mit seinen vier mittelschweren Lasern und dem größeren KSR-Werfer sich langsam aber sicher durchzusetzen schien.
„Weiss eigentlich einer von euch was die Jungs und Mädels von Lynch die ganze Zeit treiben? Als ich gestern Abend in den Mechhangar gekommen bin haben einige von denen an Seilen unter der Decke gehangen und heute waren ein paar fluchend in den Lüftungsschächten unterwegs.“
Uljana blickte sich in der Runde um und erhielt von Morris und De Maggio schadenfrohes Grinsen.
„Genaueres weis keiner. Ist aber wohl so, dass Miss Herzlos alle für über eine Stunde in ihr Büro gerufen hat. Muss eine höllische Standpauke gewesen sein. Es wird gemunkelt, dass die Kampfhunde irgendwas verbockt haben und dafür nun Strafdienst drücken müssen. Routinemäßige Wartungsaufgaben eben. Die Kontrolle der Hallendecke ist eigentlich unsere Aufgabe. Da können sich Risse bilden, die dann mit Plastzement ausgekleidet und verschlossen werden. Ist eine wirklich beschissene Aufgabe kann ich dir sagen. Franky und ich mussten das schon öfter machen und ich habe den Dreck tagelang nicht von den Fingern bekommen. Die letzte Kontrolle liegt noch gar nicht so lange zurück, aber für eine Strafaufgabe hat Lynch wohl den Intervall dieses Mal verkürzt. Genau so sieht es bei den Lüftungsschächten aus. Die müssen regelmäßig auf Schäden und verstopfte Filter geprüft werden. Von innen versteht sich. Auch das haben wir schon gemacht, wobei dieses geldgeile Schwein neben mir sich immer um die Kriecherei gedrückt hat.“
Entrüstet sah De Maggio von seinem Büchlein auf und unterbrach seine Schreibarbeiten um die Unterstellung seiner Kameradin zu korrigieren.
„He, das war eine ganz faire Sache. Wir haben jedes Mal eine Münze geworfen wer von uns beiden in den verdammten Schacht kriecht. Und du hast verloren. War ja auch kein Traumjob deinen Arsch durch die Öffnung an der Decke zu schieben und die neuen Filter an zu reichen. Von den Verdreckten will ich gar nicht sprechen. Ich bekomme jetzt noch ein Kratzen im Hals wenn ich nur daran denke.“
Noch bevor er fortfahren konnte, schnaufte Morris verächtlich.
„Als hättest du nicht alles dafür gegeben mein Hinterteil mal in deinen Händen zu halten, verdammter Mistkerl. Und ich wette die Münze war gezinkt. Kann doch kein Mensch so viel Glück haben.“
Fromm grinsend widmete sich De Maggio wieder seinen Aufzeichnungen ohne die Anschuldigungen zu entkräften während Morris das Gespräch mit Uljana wieder aufgriff.
„Sind in jedem Fall normale Wartungsarbeiten. Nur das die zum ersten Mal von den faulen Säcken des Privattrupps durchgeführt werden. Da muss ziemlich was schief gelaufen sein. Oder aber Lynch hat einfach nur schlechte Laune. Cromwell hat sie ja auch wegen einem verschissenen Knopf durch die Mangel gedreht.“
Der letzte Satz der Infanteristin ließ Tyr aufhorchen und er blickte Fragend in Morris Richtung, die sich ein Lachen nicht verkneifen konnte.
„Wie jetzt? Habt ihr das noch nicht gehört? Also, Cromwell ist einer aus der Gruppe der Schweigsamen um Lynch und Graham. Niedliches Kerlchen aber wohl nicht mit übermäßigem Grips gesegnet. Trug längere Zeit ein übergroßes Pflaster am Hals. Der Idiot hatte sich beim Waffentraining am Abschussrohr einer tragbaren KSR verbrannt. Na auf jeden Fall ist Lynch beim Morgenappell aufgefallen, dass einer seiner Knöpfe gefehlt hat und dann musste der Junge so richtig leiden. Strafrunden über den Berg in voller Kampfmontur und bei jeder der Routineaufgaben steht er ganz oben auf ihrer Liste. Und das alles wegen einem fehlenden Knopf. Einem blöden, fehlenden Knopf. Ich meine, ist ja nicht so, dass wir bei den Streitkräften wären. Seien wir mal ehrlich. Wenn einer seine Waffe verbummelt, okay, aber ein Knopf?“
Tosender Applaus brandete durch den Raum, als der Archer eine weitere Doppelsalve seiner LSR in den bereits arg mitgenommenen Striker setzte und der Pilot des getroffenen Mechs den Kampf gegen die Schwerkraft verlor und seine Maschine zu Boden stürzte.
Die Legion rekrutierte sich zu fast hundert Prozent aus Lyranern, was die fehlende Sympathie dem drakonischen Team gegenüber erklärte.
Die Freude über den Treffer währte jedoch nicht lange. Der Charger sprintete aus einer mit Trümmern übersäten Seitengasse hervor, direkt in den Rücken des völlig auf den Panther konzentrierten Firestarter und setzte dessen dünner Rückenpanzerung mit seinen leichten Lasern zu, was den mittelschweren Mech dazu bewog, sich mit seinen Sprungdüsen vom Boden zu lösen und hundertachtzig Meter entfernt in vermeintlicher Sicherheit wieder zu landen.
Der schnelle Schuss des Panthers mit der PPK verfehlte den flüchtenden Firestarter zwar, dafür erschien nun der Jenner auf plasmaspeienden Sprungdüsen in dessen Rücken und setzte eine volle Breitseite seiner Waffen auf den gerade gelandeten Mech ab. Nur zwei der mittelschweren Laser trafen das Ziel, während die KSR komplett daneben gingen, dafür bohrten sich die gleißenden Strahlen tief in die interne Struktur der Maschine, wo sie verheerende Schäden anrichteten.
„Uh, der hat weh getan. Eines muss man diesen Drakoniern lassen. Das war wirklich herausragende Zusammenarbeit. Alleine das der Jenner den Assassin im genau richtigen Moment abhängt und präzise im toten Winkel des Firestarter landet. Respekt.“
Patrick griff wieder in den mittlerweile fast leeren Eimer und fischte sich eines der letzten frittierten Fleischstücke heraus.
Der kräftig gebaute Scoutpilot kaute schmatzend auf dem Hühnchen herum und kommentierte den Kampfverlauf weiter, während alle Anwesenden mitfieberten.
„Ein Kampf zwischen leichten Scouts ist wesentlich schwieriger als das mit euren schweren Mühlen der Fall ist. Ihr bringt die dick gepanzerten Monster in Position und drückt dann nacheinander die Feuerknöpfe. Im Grunde genommen müsst ihr doch nur das Fadenkreuz auf dem Ziel und die Wärmeskala im Auge behalten. In unserer Gewichtsklasse herrscht der Bewegungskampf vor. Blitzartige Attacken aus unerwarteten Richtungen und dann schnell wieder weg. Die leichte Panzerung vergibt keine Fehler. Bis du unkonzentriert oder sind deine Reflexe zu lahm bist du tot. Ganz einfach.“
Mit seiner Aussage über jede andere Gewichtsklasse als der von ihm Präferierten machte Patrick sich zwar keine Freunde, sonst war seine taktische Analyse jedoch fehlerfrei. Ein stehender, leichter Mech war auf dem modernen Gefechtsfeld so gut wie tot.
Allerdings galt das Tyr's Meinung nach auch für alle anderen Mechklassen.
Auf dem TriVid war nun eine Großaufnahme des schwer angeschlagenen Firestarter zu sehen, dessen Pilot wohl massive Probleme hatte, seinen Mech aufrecht zu halten.
„Verdammt. Sein Gyroskop muss was abbekommen haben.“
Cassandras Stimme war vor Spannung ein kaum vernehmbares Flüstern, dass von den donnernden Schritten aus den Lautsprechern fast übertönt wurde.
Der Charger rückte erneut vor und diesmal erreichte er sein Opfer.
Der Firestarter hob beide Arme und überschüttete den überschweren Gegner mit einem Inferno aus heiß lodernden Flammen in Kombination mit seinen beiden mittelschweren Lasern, die schwarze Brandspuren auf der Panzerung hinterließen.
Dann war der drakonische Nahkämpfer heran, hob die rechte, zur Faust geballte Hand und ließ sie wie einen Schmiedehammer auf den Torso des Firestarter krachen. Vier der leichten Laser stachen mit hellen Strahlen in das Chaos aus zerborstener Panzerung, verbogenen Streben der internen Struktur und offen liegenden Komponenten und verdampften alles in ihrem Weg.
Von der Gewalt des Angriffs geschockt, taumelte der Firestarter zwei Schritte rückwärts gegen die Ruine eines zwei Stockwerke hohen ehemaligen Parkhauses, dessen massive Betonstruktur dem Aufschlag stand hielt und rutschte dann Funken sprühend und unter metallischem Kreischen daran herunter.
Es war offensichtlich, dass der Kampf vorbei war, aber der Kuritaner schien anderer Ansicht zu sein.
Ohne Anlauf folgte er seinem Opfer die zwei Schritte und als der Firestarter in eine sitzende Position an dem Parkhaus zusammen sackte, hob er das linke Bein und schwang es in einem vernichtenden Tritt gegen das Cockpit.
Wie in einer Schrottpresse wurde die Kanzel und der darin sitzende Pilot zwischen dem tonnenschweren Fuß und der unnachgiebigen Betonwand zertrümmert. Schwere Stahlstreben zerbrachen wie Streichhölzer und Panzerplatten verformten sich unter der Gewalt des Angriffs wie Aluminiumdosen.
Als der Fuß des Charger sich wieder senkte, war von dem Kopf des Firestarter nur noch ein rauchender Haufen Trümmer übrig.
„Der Bastard hat ihn einfach zerquetscht. Ohne Grund. Der Medium war doch bereits am Ende.“
Schlagartig hatte sich betroffenes Schweigen über den Raum gelegt, dass nur von Uljanas Stimme unterbrochen wurde.
„Was für eine kranke Bestie sitzt in diesem Charger?“
Zuerst schien niemand ihre Frage beantworten zu können oder dies zu wollen, bis De Maggio mit belegter Stimme zu sprechen begann.
„Der Tote war ein Pilot aus den Vereinigten Sonnen. Den Farben seines Mechs nach zu urteilen Robinson Rangers. Da gab es eine ganze Menge böses Blut. Ähnlich wie bei uns, aber der Hass zwischen den Draks und den Davies brennt noch eine ganze Spur heißer. Die schenken sich nichts. Und das Ergebnis sieht man dort. Ich würde aber nicht darauf wetten, dass ihr als Lyraner von diesem Mechjockey Gnade zu erwarten habt. Das ist ein verfluchter Killer.“
Zustimmendes Nicken und unterdrückte Flüche füllten den Raum als das TriVid nun den Rückzug der beiden verbleibenden Mechs in Richtung des Ausgang zeigte.
Der Archer bombardierte rückwärts gehend den Charger, der die grellen Detonationen einfach abzuschütteln schien, während der Assassin mit weit gestreutem Feuer den Panther und den Jenner auf Abstand hielt.
Das Kurita Team schien an einer Verfolgung nicht interessiert zu sein. Zwar tauschten die beiden leichteren Maschinen noch Laser- und Partikelkanonenfeuer aus, aber einen entscheidenden Treffer konnte keine der Parteien landen.
Dann floh der Archer in eine Deckung gebende Seitenstraße und preschte mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung des rettenden Ausgangs, gefolgt von dem auf seinen Sprungdüsen in Sicherheit reitenden Assassin.
Der Kampf war vorbei.
Schwungvoll erhob sich De Maggio von der Isomatte und sah sich unter den betroffenen Gesichtern im Raum um.
„Wirklich schade. Aber wie alles in diesem Universum absehbar. Ich darf die werten Damen und Herren um die Wetteinsätze bitten. Auszahlungen für die Gewinner werden im Anschluss vorgenommen.“
Einige der Anwesenden griffen in ihre Taschen und warfen murrend Geldstücke in die Richtung des Infanteristen, der fröhlich pfeifend durch den Raum marschierte um das Geld einzusammeln.
„Haltet mal die Fresse. Der Kommentator spricht zur Abwechslung mal in unserer Sprache.“
Morris blickte noch immer auf das TriVid, dass nun die beiden überlebenden Mechs des geschlagenen Teams zeigte, die durch das riesige Ausgangstor schritten.
Am rechten unteren Bildschirmrand hatte sich ein kleines Fenster geöffnet, in dem zwei Kommentatoren zu sehen waren. Der rechts sitzende Mann sprach noch immer erregt in arabischer Sprache, während die daneben sitzende Frau in klarem Englisch das Ergebnis präsentierte.
„Wir gratulieren dem Team von Katsumi Tomonaga. Der Kampf ist beendet. Klarer Sieg durch Aufgabe des gegnerischen Teams. Für die Leistungen in dem überaus spannenden Gefecht erhält jeder Pilot des siegreichen Teams einen Diamanten aus dem persönlichen Besitz des Wesirs.“
Die Frau stutzte kurz, als wohl eine ihr unbekannte Nachricht über das für die Zuschauer nicht sichtbare Ablesegerät lief, fing sich jedoch schnell wieder.
„In diesem Moment haben wir eine Nachricht aus dem Palast erhalten. Das Team Zerberus um den berüchtigten Piloten Stephano Gallierdi hat soeben seine Teilnahme an den Ausscheidungskämpfen zurück gezogen. Mister Gallierdi gab dies direkt in einer Unterredung mit dem Wesir bekannt. Einzelheiten für die Gründe sind nicht veröffentlicht worden, es soll aber einen personellen Ausfall gegeben haben, der den Rückzug aus den Spielen nötig machte. Das für Ende der Woche angesetzte Gefecht zwischen Team Zerberus und dem Team der Schwarzen Legion ist somit nicht durchführbar. In seiner unendlichen Weisheit hat der Wesir entschieden, dass die Schwarze Legion direkt in den Endkampf aufsteigt der hiermit auf nächste Woche vorverlegt wird. Wir dürfen uns also auf eine Begegnung zwischen der Schwarzen Legion und dem Drachen in einem epischen Endkampf dieser aufregenden Saison freuen. Meliah Salih für die Vereinigung der Rundfunkanstalten von Jasons Reef. Wir wünschen ihnen einen schönen Abend.“
Kurz flimmerte die Aufnahme und wurde dann durch die beiden gekreuzten Krummsäbel auf grünem Hintergrund ersetzt, die das allgegenwärtige Zeichen des Wesirs waren und vom Ende der Übertragung zeugte.
Eine fast greifbare Stille hatte sich in dem überfüllten Raum ausgebreitet und alle Blicke der Anwesenden waren auf die Mechkrieger gerichtet, die noch immer auf der Coach saßen.
Patrick war der Erste, der sich von seinem Platz erhob und einen abgenagten Knochen in den mittlerweile leeren Eimer fallen ließ.
„Na Klasse. Ganz großes Kino. Gallierdi kneift den Schwanz ein und überlässt es uns den blutgeilen Draks in den Hintern zu treten. Der hat wahrscheinlich das Ableben des Davion Piloten live mitbekommen und keine Lust dessen Schicksal zu teilen. Aber gut, ist ja nicht gesagt, dass die Angsthasen gegen uns gewonnen hätten. Ich für meinen Teil werde jetzt schlafen gehen auch wenn ich nach der Show schwerwiegende Alpträume befürchte.“
Damit drehte sich der korpulente Scoutpilot auf dem Absatz um und marschierte gemächlich aus dem Raum, was eine allgemeine Aufbruchsstimmung auslöste.
Im Getümmel der Menge an den Raum verlassenden Mitgliedern der Schwarzen Legion bildeten die restliche Gruppe um die Coach einen nachdenklichen Ruhepol.
„Das ist doch Bullshit. Damit die Meldung direkt nach dem Kampf verlesen werden kann muss Gallierdi bereits vor der Attacke gegen den Firestarter aufgegeben haben. Das macht keinen Sinn. Ich meine, Team Zerberus war Favorit der Playgrounds und selbst wenn sie einen Piloten verloren hätten, gäbe es genügend Ersatz der kurzfristig einspringen könnte.“
Morris rollte ihre Isomatte zusammen, während sie sprach und blickte dann zu De Maggio auf, der wieder zu der Gruppe getreten war.
„Da muss ich dir zustimmen. Gallierdi hat gerade zehntausende C-Noten alleine an Antrittsgeldern in den Wind geschossen. Von der Siegprämie und den Bergungsrechten an abgeschossenen Mechs mal ganz abgesehen. Er ist nicht der Typ, der sich vor so ein paar dahergelaufenen Draks in die Hose macht. Schon gar nicht wenn es um so eine Menge Schotter geht. Und machen wir uns nichts vor, die Chancen im Kampf gegen unser Team wären mindestens ausgeglichen gewesen.“
Ein letztes Mal griff Uljana in die Popcorntüte und stopfte sich einige der Süßigkeiten in den Mund, bevor sie Tyr schmatzend einen Kuss auf die Wange gab und sich dann ebenfalls erhob.
„Egal warum, ihr steht im Finale und wir sollten dafür sorgen, dass eure Maschinen im perfekten Zustand daran teilnehmen. Baxter hat mit seinen Jungs einen Umbau deines Abwärmesystems in Angriff genommen und der Rest von uns wird sich der anderen Maschinen annehmen. Es stehen wieder Doppelschichten ins Haus. Warte nicht auf mich, Schatz. Es wird definitiv spät werden.“
Seine Partnerin war gerade dabei sich in Richtung Ausgang zu drehen als Tyr sie am Arm griff.
„Baxter tut was? Die Tauscher haben auf voller Leistung gearbeitet. Besser als ich es je erlebt habe. Selbst bei einem Alphaschlag wäre der Khopesh nur etwas wärmer geworden. Warum baut er es jetzt um?“
Achselzuckend steckte Uljana die Hände in ihren Tech-Overall.
„Keine Ahnung. Da sind wohl Störungen während des Gefechts erkennbar geworden. Kann sein, dass du das gar nicht gemerkt hast, aber sowas kann böse ins Auge gehen, wenn plötzlich nur noch die Hälfte deiner Tauscher arbeitet weil Kühlflüssigkeit sich im Kreislauf verfestigt. Baxter hat eine ganze Ladung neuer Aggregate aus dem Lager geholt und ersetzt die Kühlung vollständig. Damit kannst du diesem drakonischen Arsch dann richtig die Fresse polieren. Versprochen.“
Damit wandte sie sich ab und ging mit schnellen Schritten aus dem mittlerweile leergefegten Raum.
Cassandra sah irritiert zu Tyr und knabberte vorsichtig an ihrer Lippe, bevor sie zu sprechen begann.
„Also auf den Mund gefallen war Uljana ja noch nie, aber ich fürchte, dass Morris einen schlechten Einfluss auf die Sprache deiner besseren Hälfte hat.“
Völlig in Gedanken versunken nickte Tyr nur beiläufig, während die Infanteristin verärgert den Mund verzog.
„Tut mir leid, wenn meine Worte den hohen Ansprüchen lyranischer Poesie nicht gerecht werden, welche Ihr wohl gewohnt seid. Ich werde bezahlt um Leute von hier ins Jenseits zu befördern. Mit einer Schusswaffe. Ich soll sie nicht totquatschen. Und ich glaube Uljana konnte bereits fluchen als ich noch ein unschuldiges Ding vom Land war.“
Schallendes Gelächter von De Maggio unterbrach die Tirade der Infanteristin.
„Unschuldiges Ding vom Land! Der Witz war denkwürdig. Muss ich mir unbedingt notieren. Morris, wenn irgendwas definitiv nicht auf deinem Grabstein stehen wird, dann ist es unschuldiges Ding vom Land. Eher, dass wir das Maul separat tot schlagen mussten oder etwas wie: Sie starb schon vor Jahren, der Tod hatte nur nicht die Eier es ihr zu sagen.“
Murrend klemmte die Infanteristin ihre aufgerollte Isomatte unter den Arm und stolzierte dann vor De Maggio aus dem Raum.
„Pass nur auf, dass auf deinem nicht Platzhalter steht. Seine Leiche wurde nie gefunden.“
Cassandra warf noch einen letzten Blick zu ihm, aber er war so in seine Gedanken vertieft dass ihre Worte ihn gar nicht erreichten.
„Geh schlafen Tyr. Es stehen interessante Zeiten bevor und wir sollten ihnen ausgeruht entgegen treten können.“
Noch eine Stunde saß er alleine in dem leeren Raum und starrte auf das ausgeschaltete TriVid.
Wie interessant die Zeiten werden würden, konnte er sich nicht einmal in den kühnsten Träumen ausmalen.
11.07.2020 18:26 Taras Amaris Neu2 ist offline E-Mail an Taras Amaris Neu2 senden Beiträge von Taras Amaris Neu2 suchen Nehmen Sie Taras Amaris Neu2 in Ihre Freundesliste auf
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Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Büro von Jonathan Graham
14. Februar 3025

"Wie Sie sehen, habe ich alle Berichte persönlich geprüft. Mein Team ist äußerst gewissenhaft vorgegangen und wir sind uns sicher, dass die Daten mehr als ausreichen. Der uns gestellte Auftrag ist voll und ganz erfüllt."
Andrew Baxter schloss seinen Vortrag mit zufriedenem Gesichtsausdruck während Graham die Berichte auf dem Monitor überflog. Zahra Lynch stand lässig an seinen Schreibtisch gelehnt und musterte den Mastertech kritisch bevor sie zu sprechen begann.
"Und das haben Sie in der kurzen Zeit herausgefunden? Die Ihnen zur Verfügung gestellte Woche ist noch nicht einmal verstrichen und nehmen sie das jetzt nicht persönlich, aber meiner Erfahrung nach brauchen Leute wie Sie länger für solche Dinge."
Verstehend nickte der Angesprochene und nahm seine Brille von der Nase um sie nach eingehender Prüfung der Gläser mit einem aus der Tasche gezogenen Tuch zu polieren.
"Ich nehme das nicht persönlich, Miss Lynch. Ich kann Ihre Vorbehalte sogar voll und ganz nachvollziehen. Glauben sie mir, ich würde nicht hier sitzen, wenn wir uns nicht absolut sicher wären. Sie denken, dass Sie Schwierigkeiten bekommen, wenn wir mit unvollständiger Datenlage zurückkehren, aber ich versichere Ihnen als wissenschaftlicher Leiter dieser Anlage, dass die Konsequenzen einer verfrühten Abreise für mich noch wesentlich gravierender wären."
Mit steinerner Miene sah Graham von den Berichten, welche über seinen Monitor flimmerten, auf.
"Die Prototypen wurden bereits gesichert?"
Die kurze Frage beantwortete der Mastertech mit einem Lächeln.
"Natürlich. Sie wurden sorgfältig von unseren Leuten demontiert und sicher verpackt. Wir mussten die Aggregate für die Datenanalyse sowieso ausbauen. Damit niemand misstrauisch wird, haben wir Standardgeräte aus dem Lagerbestand wieder verbaut. Die Messgeräte und Datenübertragungsrelais sind ebenfalls gesichert und bereits auf die Transportfahrzeuge verladen. Da wir einen Großteil des sensiblen Equipments bereits an Bord haben, ist nur noch dieser eine Konvoi von Nöten. Von unserer Seite aus ist alles vorbereitet. Ich kann natürlich nicht sagen, wie es bei den Vorbereitungen von Miss Lynch steht."
Mit einem kurzen Seitenblick spielte Baxter den Ball selbstsicher zu der Sicherheitschefin, die gelassen antwortete.
"Verbrannte Erde ist bereit für die Durchführung. Meine Leute haben die Sprengsätze in der Deckenkonstruktion so bemessen, dass der ganze Komplex zu einem riesigen Grab wird. Sollte wirklich jemand neugierig werden, muss er sich durch hunderte Tonnen Gestein graben und findet dann nichts als zerquetschte Trümmer. Zusätzlich sind die Kampfgasverteiler in den Lüftungsschächten installiert. Ich halte das zwar für unnötig aber die doppelte Absicherung wird ein Überleben absolut unmöglich machen. Die versteckten Sprengsätze in den Cockpits sind ebenfalls verlegt, auch wenn ich nicht verstehe, wofür das gut sein soll. Wir können noch heute Nacht die Basis verlassen und hinterlassen nichts als Trümmer und nicht identifizierbare Leichen. Eine Zerstörung der Mechs würde durch die Sprengung der Decke sowieso erfolgen."
Noch während seine Stellvertreterin sprach, ging Graham zu dem Ölgemälde und betrachtete es eingehend. Nachdem sie geendet hatte ließ er eine Minute verstreichen, bevor er sich den gestellten Fragen widmete.
"Wir liegen weit vor dem Zeitplan. Kein Grund in Hektik zu verfallen. Wir werden das Finale der Spiele abwarten und die Piloten während des laufenden Gefechts mit den Bomben im Cockpit ausschalten. Damit fallen die Maschinen in die Hände der Kuritas, die wohl keine weiteren Untersuchungen anstellen werden. In den zweifellos entstehenden Tumulten innerhalb der Bevölkerung aufgrund des schnellen Sieges der Drakonier geschieht das Unglück, in dessen Verlauf die Basis völlig vernichtet wird. Keine Überlebenden, keine Fragen, keine Möglichkeit für Nachforschungen. Das ist der Plan und genau so werden wir vorgehen. Haben Sie beide das verstanden?"
Während Baxter nur stoisch nickte, schüttelte Lynch zweifelnd den Kopf.
"Bei allem Respekt, Sir. Ich verstehe nicht, warum wir warten sollen. Die Verzögerung ist unnötig und auch wenn ich Ihre Gedankengänge nachvollziehen kann, möchte ich nochmals anmerken, dass durch die Zerstörung der Basis in jedem Fall alle folgenden Nachforschungen über die Mission nichtig gemacht werden. Das Landungsschiff steht bereit und das Sprungschiff ist ebenfalls in Position."
Energisch wendete sich Graham der Frau zu und auch wenn seine Stimme nicht an Lautstärke zulegte, so wurde sein Ton eindringlicher.
"Ihre Einwände sind zur Kenntnis genommen und werden in dem Abschlussbericht an die Zentrale vermerkt, Zahra. Ich muss Sie jedoch hoffentlich nicht daran erinnern, dass ich der Leiter der Operation bin. Ich allein gebe die Befehle und entscheide über den Verlauf. Und ich glaube doch, dass meine Anweisungen in Bezug auf verbrannte Erde klar und deutlich formuliert waren. Sollten Sie also keine weiteren Einwände vorzubringen haben, ist dieses Gespräch beendet. Treffen Sie alle Vorbereitungen und machen Sie ihre Teams bereit. Ich wünsche keine Fehler."
Lynch nickte nur knapp und wartete, bis Baxter sich von seiner Sitzgelegenheit vor dem Schreibtisch erhoben hatte, bevor sie mit dem Mastertech aus dem Raum ging.
Graham wartete noch eine Weile, während das Studium des Gemäldes ihm dabei half, seinen Plan in den Windungen seines Gehirns auszubreiten. Einige Feinschliffe würden noch zu tätigen sein, aber er war zuversichtlich, das Maximum aus der verfahrenen Situation machen zu können.
Entschlossen drehte er sich um und begab sich zu seinem Schreibtisch, wo er das Com ergriff und aus dem Gedächtnis eine Nummer in Jasons Reef wählte.
Er musste nur kurz warten, dann wurde die Leitung von der anderen Seite geöffnet, ohne dass sich jemand meldete.
"Hier ist Graham. Ich muss mit dem Rabbi sprechen."


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Quartierbereich für Mechkrieger
16. Februar 3025

Unruhig wälzte Tyr sich in dem breiten Bett hin und her, gefangen in einem Alptraum, aus dem er nicht fliehen konnte. Ein feuerspreiender Charger verfolgt ihn durch die nächtliche Wüste und egal wo er sich auch versteckte, der Mech schien bereits da zu sein. Er selbst saß in seinem Khopesh, aber wann immer er versuchte, seine Waffen aus zu lösen, heulte die Sirene des Überhitzungsalarms auf und die mächtige Kampfmaschine erstarrte zu Salzsäule.
Dann war da die Stimme von Khaled Ibn Nasr, die lachend aus den Lautsprechern des Helmes drang.
"Ein toter Fremdweltler bedeutet hier nichts."
Und wieder tauchte der Charger auf dem verschwommenen Display genau vor ihm auf. Genau in dem Moment, als die Stimme in seinen Ohren sich in die von Graham verwandelte.
"Ich gebe dir zehtausend C-Noten, du Mörder. Also tue, wofür ich dich angeworben habe. Ich will diesen Drak tot sehen. Verstehst du, Junge? Tot!"
Der überschwere, drakonische Mech stampfte unaufhaltsam auf seine Position zu und erhob drohend die schwer gepanzerte Kampffaust, als Uljanas Stimme zu ihm durch drang.
"Tyr, wach auf. Bitte, mein Schatz. Es ist wichtig. Mach bitte die Augen auf."
In einem schlagartigen Reflex realisierte er, dass die Stimme seiner Partnerin nicht zu dem furchtbaren Traum gehörte, sondern real war und sie vor dem Bett stand.
Mit weit aufgerissenen Augen blickte er erschrocken zu ihr empor, noch immer in einer Abwehrhaltung um den Schlag des Charger abzuwehren.
Uljana trug noch immer den verschmutzten Overall, den sie bereits bei ihrer Verabschiedung in der Mechhalle der Basis am heutigen Abend an gehabt hatte und ihr Gesichtsausdruck war überaus ernst.
"Es tut mir leid, Tyr, aber es ist dringend. Außerdem hattest du einen Alptraum. Zieh dir etwas über und komm dann in den Wohnbereich, wir haben Besuch."
Damit warf sie ihm eine Jogginghose sowie ein zerknittertes T-Shirt zu und ging dann zu der Tür, durch die leise Gespräche bekannter Stimmen zu ihm drangen.
Völlig verwirrt trank er einen Schluck kühlen Wassers aus der Flasche neben dem Bett und blickte dann auf die digitale Anzeige seine Com.
"Besuch? Um drei Uhr morgens? Träume ich noch immer oder soll das ein Witz sein?"
Müde rieb er sich den Schlaf aus den geröteten Augen und blickte dann Uljana hinterher, die bereits in der Tür stand.
"Zieh dich an, Tyr. Das ist kein Witz und leider auch kein verdammter Traum. Beeile dich bitte."
Schnell zog er im Aufstehen die Hose an und trat bereits in den Wohnbereich, als er das T-Shirt über den Kopf zog. Die Ansammlung von Menschen in dem kleinen Raum ließ ihn abprubt zurück weichen und überrascht blinzeln.
De Maggio und Morris lungerten an der Eingangstür herum, während Cassandra, Patrick und Noel Zapototzni es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatten. Henry stand der Sitzgelegenheit gegenüber mit der Schulter an die Wand gelehnt, während Uljana eine Tasse Tee von der Küchenzeile griff und sich dort auf die Kante setzte.
Und alle blickten ernst in seine Richtung.
Barfuß und unsicher das knittrige Shirt gerade ziehend sah er sich unter den Anwesenden um.
"Okay, Geburtstag habe ich nicht und für eine Orgie sind erstens zu wenig Frauen anwesend und zweitens ist die Stimmung dafür zu mies. Verrät mir jetzt vielleicht mal jemand warum wir eine Versammlung in unserem Quartier abhalten oder soll ich weiter raten?"
Seine Worte klangen gereizter als es beabsichtigt war, was ihm jedoch niemand krumm zu nehmen schien. Auf ein knappes Nicken von Uljana hin schaltete Henry das TriVid ein und drehte die Lautstärke auf.
Als seine Partnerin zu sprechen begann, war dies so leise, dass kaum die Anwesenden es verstehen konnten, von einem zufälligen Zuhörer auf dem Gang ganz zu schweigen.
"Es tut mir leid, Schatz. Ich habe mich erst mit den anderen besprochen, bevor ich entschied dich mit hinein zu ziehen. Du bist in solchen Dingen ziemlich zielstrebig und ich wollte mir sicher sein, dass es kein Missverständnis ist bevor du über Leichen gehst."
Mit einem wütenden Funkeln in den Augen blickte er warnend zu ihr hinüber, als Noel beschwichtigend das Wort ergriff.
"Nur keine Aufregung, Tyr. Sie hat uns nichts gesagt, was nicht schon von vornherein klar war. Das du kein einfacher Mechpilot bist hatten die meisten bereits vermutet. Aber ich versichere dir, dass niemand an deiner Geschichte interessiert ist. Zumindest jetzt nicht. Es gibt viel beunruhigendere Neuigkeiten."
Völlig perplex ging er durch den Raum und griff dann nach der Teekanne und einer Tasse um sich selbst ein Getränk einzugießen, bevor er sich wieder in die Runde drehte und nickte.
"Also gut, ich höre."
Zu seiner Überraschung ergriff Uljana wieder das Wort, ohne sich von der Position neben ihm fort zu bewegen.
"Als wir vor zwei Tagen nach dem Kampf im TriVid über das Bereitmachen der Mechs sprachen, da hast du mich gefragt, warum Baxter und seine Jungs ein einwandfrei funktionierendes System ausbauen und ersetzen. Ehrlich gesagt habe ich Andrew vertraut und mir keine Gedanken gemacht. Er ist ein Experte in dem was er tut, aber als ich an diesem Abend sein Team beobachtet habe, sind mir ein paar Ungereimtheiten aufgefallen. Zunächst war alles unauffällig. Sie haben die Wärmetauscher ausgebaut und auch die Messinstrumente, die ja nach dem erfolgreichen Test nicht mehr benötigt wurden. Dann haben sie die neuen Aggregate aus den Lagerbeständen eingebaut, Kühlflüssigkeit aufgefüllt und ein paar Tests durchlaufen lassen. Es schien mir aber so, als wären sie nicht ganz so sorgsam in ihrem Tun als in der ganzen vergangenen Zeit. Und dann packen sie die benutzten Tauscher mit Samthandschuhen in gepolsterte Transportkisten. Also nicht, dass du mich da falsch verstehst, natürlich haben die Dinger auch gebraucht einen ziemlich hohen Wert, aber bisher haben die sich um solche Dinge nicht geschert. Gebrauchtes Material wurde entsorgt oder landete irgendwo im Lager. Nicht so diese Wäremtauscher. Die wurden wie rohe Eier in Kisten verpackt und dann auf Schweber verladen. Während der Nachtschicht. Genauer gesagt während der Pausenzeit innerhalb der Nachtschicht."
Tyr hatte die Augen geschlossen und versuchte, sein noch immer nur träge arbeitendes Gehirn auf Touren zu bringen. Die Informationen, welcher ihm gerade zugetragen wurden, waren unglaublich interessant, aber passten nicht in das Puzzle, welches er für sich angelegt hatte.
Nachdem niemand etwas sagte, fuhr Uljana fort.
"Heute Nacht habe ich einen Routinecheck in deinem Cockpit gemacht. Normalerweise erledigt das einer von Baxters Jungs, aber nach ihrer Hektik beim Einbau der neuen Tauscher habe ich mir gedacht ich schaue selbst mal nach dem Rechten. Alle Systeme liefen prächtig, aber die Frischluftzufuhr schien selbst auf höchster Stufe nur ein laues Lüftchen zu produzieren. Also habe ich mir meinen hydraulischen Schlüssel gegriffen und die Abdeckung abgeschraubt und gefunden habe ich das hier."
Auf ein Zeichen von ihr zog Morris ihren Rucksack von der Schulter und legte ihn vorsichtig auf dem Boden ab, bevor sie eine Vorrichtung heraus zog, die aus zwei armlangen, etwa zwanzig Zentimeter breiten Zylindern bestand, die in der Mitte von einem Kasten aus Plastik verbunden wurden.
De Maggio kniete sich neben das Gerät und blickte dann in die Runde.
"Was wir hier sehen, meine Damen und Herren, ist eine ziemlich fiese Aerosolbombe. Der erste Zylinder beinhaltet komprimierten Sauerstoff. Der zweite eine chemische Variante von weißem Phosphor. Das ganze wird über einen Funkzünder aktiviert und um den durchaus berechtigten Fragen vorzubeugen, ja, wir haben den Zünder entschärft. Wenn man so eine Sprengvorrichtung in den beengten Verhältnissen eines Cockpits auslöst erzeugt der Sauerstoff einen Überdruck, in den der Phosphor genebelt wird. Das Zeug verbrennt dann in kurzer Zeit mit einer Temperatur von mehr als eintausenddreihundert Grad. Das vernichtet alles was nicht gerade aus gehärtetem Stahl besteht. Absolut tödlich."
Entsetzt sah Tyr zu den beiden Infanteristen herab und schüttelte ungläubig den Kopf.
"Und das war an meine Sauerstoffversorgung gekoppelt?"
Nun mischte sich auch Henry in das leise Gespräch ein und bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen.
"An deine, der von Cassandra, Patrick und auch Noel. Und wenn man von der Funktionsbeschreibung ausgehen darf, dann hat genau das auch Pieter van Zahnt getötet."
Plötzlich war Tyr's Mund staubtrocken und er beeilte sich, einen Schluck Tee zu trinken, damit sein Schock nicht für die anderen offensichtlich wurde.
"Wir haben alle vier Sprengsätze ausgebaut und entschärft. Die sich nun stellende Frage lautet: Wer zur Hölle tut sowas und warum?"
Morris beeilte sich, die Bombe wieder in den Rucksack zu packen und erhob sich dann aus der knienden Position.
Noel Zapototzni lehnte sich nachdenklich auf der Couch zurück.
"Da gibt es eigentlich nur einen Verdächtigen. Baxter und sein Team. Wäre es jemand von den einheimischen Techs gewesen, die die Spiele manipulieren wollen, hätten die was beschädigt oder eine Handgranate modifiziert. Das hier waren Spezialisten. Und sie wollten sicher gehen, dass wir es nicht überleben."
Zustimmendes Nicken von allen Seiten machte Tyr klar, dass dieses Gespräch wahrscheinlich bereits früher geführt worden war und er gerade informiert wurde. Sein Hirn war nun dabei, die Lage zu analysieren, aber die Gruppe um ihn herum war noch nicht am Ende.
"Das war aber noch nicht alles."
De Maggio erhob sich ebenfalls vom Boden und blickte zu Tyr, der ihn fragend an sah.
"Der Master Sergeant hat Morris und mich auf der Liste für unliebsame Aufgaben ganz weit oben. Eine davon war die Inventurkontrolle der Waffenlager und bei der Zählung sind dann einige von Lynchs Kampfhunden aufgetaucht und haben uns verscheucht. War uns ganz Recht, aber merkwürdig war es schon. Deshalb sind wir noch mal rein, natürlich nachdem die Idioten verschwunden sind und siehe da. Es fehlt keine einzige Kiste. Nichts. Bis wir darauf gekommen sind, hat es einige Zeit gedauert. Die Legion hat schon lange keinen Mech mehr, der eine überschwere Autokanone ins Feld führt. Aber drei Tonnen Munition dafür haben wir noch auf Lager. Als wir die Granaten inspiziert haben ist es uns wie Schuppen von den Augen gefallen. Es waren nur noch die Zünder und Hülsen da. Die haben den Sprengstoff komplett verflüssigt und aus Bohrlöchern abgegossen. Muss eine heiden Arbeit gewesen sein."
Der Infanterist lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und zuckte dann mit den Achseln.
"Wir sind damit sofort zum Master Sergeant und der hatte gerade mit Uljana gesprochen. Da war dann klar, dass die Schweinebande irgendwas plant. Gefunden haben wir den fehlenden Sprengstoff dann schlußendlich auch. Morris hatte die zündende Idee, auch wenn ich das Ganze nicht wirklich verstehe. Die Kampfhunde haben die verdammte Hallendecke des Mechhangars nicht gewartet, sondern an allen tragenden Elementen Sprengsätze installiert. Da wir keine Kabel oder Leitungen finden konnten tippe ich hier ebenfalls ganz stark auf Funkzünder. Ohne eine Kletterausrüstung kommen wir da aber nicht ran um diese Hypothese zu bestätigen. Und selbst wenn wir eine hätten, dass erregt auf jeden Fall Aufmerksamkeit wenn wir da in luftiger Höhe von der Decke baumeln. Wir haben uns überlegt, einen Störsender aus einem der Funkgeräte in den Jeeps zu basteln. Wenn wir davon ausgehen, dass sie nur eine Sorte Zünder verwenden und die aus den Aerosolbomben als Basis nehmen, könnten wir die möglichen Frequenzbänder überlagern und so eine Zündung verhindern. Zumindest in der Theorie."
Ungläubig starrend nippte Tyr erneut an seinem Tee, bevor er seine Stimme wieder fand.
"Drei Tonnen Granaten? Wieviel Sprengstoff haben die da raus bekommen? Und die Granaten aus Autokanonen haben doch einen Kopf aus abgereichertem Uran. Wie zur Hölle haben die das geschafft?"
Wieder schüttelte De Maggio nur den Kopf.
"Können wir nicht genau sagen, Chef. Ich schätze aber die konnten rund eine Tonne hochbrisanten Sprengstoffs gewinnen. Die Granaten in unserem Lager sind alte Varianten. Hier produziert. Die waren auf Sprengwirkung ausgelegt, nicht auf Penetration. Es reicht in jedem Fall um die gesamte Basis unter einer massiven Gerölldecke zu begraben. Und das weitaus Schlimmste kommt erst noch."
Tyr blickte von seiner Tasse auf.
"Es kommt noch dicker? Wartet, wir haben Bomben in unseren Cockpits und eine Tonne Sprengstoff an der Hangardecke. Was zum Teufel kann noch schlimmer sein?"
Uljana schnaufte neben ihm kurz auf und sah dann wieder zu Henry, der mit wütenden Gesichtszügen übernahm.
"Nachdem klar war, dass hier was im Busch ist, haben wir alle Arbeiten überprüft die Lynchs Leute in der letzten Zeit an sich gerissen haben. Und fündig geworden sind wir bei den Lüftungsschächten. Die haben die benutzten Filter nicht ausgetauscht sondern einfach nur die abgenutzten rausgeholt. Eingesetzt haben sie stattdessen Nebelgeräte. Im Grunde genommen ein Verteilsystem für Gas. Bestückt mit etwas das sich laut Beschriftung Blauschleier nennt. Aufgrund der gelb lackierten Kapseln und der Warnhinweise gehe ich von einem hochtoxischen Nervenkampfstoff aus, aber da enden meine Kenntnisse auch schon."
Noch bevor jemand anders an die Ausführungen des Staff Sergeant anschließen konnte stellte Tyr die Tasse zur Seite, schloss die Augen und legte nachdenklich den Kopf in den Nacken.
"Deine Analyse ist vollkommen richtig, Henry. Blauschleier ist eine Erfindung aus dem ersten Nachfolgekrieg. Das Teufelszeug wurde entwickelt um eine möglichst hohe letale Wirkung auf größtmöglicher Fläche für eine lang anhaltende Dauer zu erzielen. Normale Filtersysteme sind nutzlos, da die Aufnahme des Giftes auch über die Haut möglich ist. Nur ein Vollschutz bietet eine Chance auf Überleben. Es gibt Berichte über den Einsatz des Kampfstoffs auf Truppenkonzentrationen in Divisionsstärke die dabei völlig ausgelöscht wurden. Es ist eine Art blauer Nebel der in Bodennähe bei guter Wetterlage über Stunden hinweg aktiv bleiben kann bevor er sich auflöst. Reste setzen sich als gleichfarbige Schicht auf allen Oberflächen ab und erhalten die tödliche Wirkung über Tage oder sogar Wochen hinaus. Kontaminiertes Gelände ist damit für jedewede Aktion unbrauchbar. In freiem Gelände liegt die durchschnittliche Sterblichkeitsrate bei achzig Prozent. In geschlossenen Räumen ohne Verwehungen durch den Wind und ohne Schutzmaßnahmen ist das ein unwiederbringliches Todesurteil. Schon kleinste Mengen reichen um bei den Opfern innerhalb von wenigen Minuten multibles Organversagen hervorzurufen. Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Orientierungslosigkeit, starke Schweißausbrüche und Sehstörungen in Kombination mit starken Augenschmerzen. Im Endstadium treten Krampfanfälle der Skelettmuskulatur und Atemnot auf. Der Tod tritt kurz darauf durch Atemlähmung ein. Obwohl durch die Ares-Kovention geächtet wird vermutet, dass alle Nachfolgestaaten das Toxin in ihren geheimen Arsenalen lagern. Eingesetzt wird es aber nicht, da die Furcht vor massiven, ähnlichen Gegenschlägen zu groß ist."
Als er die Augen wieder öffnete war das fassungslose Entsetzen in den Blicken aller Anwesenden klar zu erkennen. Niemand konnte oder wollte etwas zu seiner Zusammenfassung sagen.
Die Vorstellung eines solchen Todes war einfach zu schrecklich.
Erst nach einigen Sekunden hatte sich Morris von dem Schock erholt.
"Diese Bastarde wollen die gesamte Basis in ein gottverdammtes Massengrab verwandeln. Wir krepieren an dem Giftgas und die einstürzende Decke begräbt alles unter Tonnen von Geröll. Und sollte es doch einer in ein Mechcockpit schaffen, dann verbrennen sie ihn zu Asche. Ich habe keine Ahnung wie ihr anderen darüber denkt, aber soviel steht fest. In meinem Vertrag stand nichts über diesen Bullshit. Das war es. Ich schlage vor wir gehen zur Waffenkammer und pumpen dann Graham und seine gesamte verfluchte Bande mit so viel Blei voll, dass selbst ihre Mütter bei der Identifizierung der Leichen Schwierigkeiten hätten. Wir sind in der gottverdammten Peripherie. Wenn wir hier ein Massaker veranstalten interessiert das keinen Schwanz."
Kopfschüttelnd ergriff wieder Henry das Wort.
"Keine Chance, Morris. Vergessen Sie nicht, dass Lynch zwanzig Mann unter ihrem Kommando hat. Und die sind gut. Verdammt gut. Zahlenmäßig ist die Sicherungsabteilung mehr als zwei zu eins überlegen, aber bei deren Ausbildungsstand wird das bei Weitem nicht reichen. Und die Techs wie auch das restliche zivile Personal können wir nicht mitzählen. Die wenigsten von denen haben auch nur grundlegende Infanterieausbildung. Das wäre wie Lämmer zur Schlachtbank zu führen."
Auch De Maggio hatte mittlerweile seine Fassung wieder erlangt und nickte in Richtung der auf der Coach sitzenden Mechkrieger.
"Aber wir haben eine ganze Lanze Battlemechs. Das sollte der Waagschale doch zu einem entscheidenden Ruck in unsere Richtung verhelfen. Man nennt die Monster doch nicht ohne Grund Könige des Schlachtfeldes."
Ohne zu zögern lachte Noel Zapotozni leise auf und warf einen nüchternen Blick in Richtung des aufgebrachten Soldaten. Die Narben in seinem Gesicht zuckten nervös und er fuhr sich mit den Händen über die Glatze bevor er tief Luft holte.
"Typisch Infanterie. Hast du Witzbold vielleicht an einem unserer Mechs auch nur ein einziges Maschinengewehr entdeckt? Womit sollen wir euch denn bitte im Infanteriekampf unterstützen? Mit den KSR-Werfern? Oder den mittelschweren Lasern? Dann fällt meine Maschine schonmal komplett raus. Die verfügt nämlich nur über Reichweitenwaffen, die in dem engen Hangar völlig nutzlos sind. Tyr's Khopesh, der Commando und der Zeus könnten unterstützen, aber das Gefechtsfeld wäre so ungünstig wie es nur möglich ist. Der beengte Hangar biete selbst drei gleichzeitig agierenden Mechs nur eingeschränkten Aktionsradius. In den noch schmaleren Tunneln könnte dann nur noch der Kommando operieren. Und eines sage ich euch ohne Umschweife. Wenn irgend jemand glaubt, es sei einfach mit Mechwaffen auf einzelne Ziele in Menschengröße zu wirken, dann hat er keine Ahnung. Da wird es in jedem Fall zu Kollateralschäden kommen. Wir könnten ja nicht einmal unterscheiden wer zu welcher Partei gehört. Im Worst Case Szenario machen die euch vollständig nieder und sitzen dann in den ausgebauten Betonstrukturen, wo wir gar nicht mehr ran kommen, während wir wie die Katze vor dem Mäuseloch im Mechhangar darauf warten müssen dass die aktiv werden. Ist also eine eher beschissene Idee, wirst du ja zugeben müssen."
Tyr hatte genug gehört. Energisch stieß er sich von der Küchenzeile ab und marschierte in die Mitte des Raumes.
"Zudem habt ihr alle das Wichtigste vergessen. Wir haben keine Ahnung, wer diese Typen sind, oder wer hinter ihnen steht. Es wäre schon übel, sich mit einem interplanetar agierenden Syndikat anzulegen, aber das hier riecht mir verdammt nach einer verdeckten Operation eines Geheimdienstes. Und wenn wir einem von denen in die Suppe spucken kann ich euch versprechen, dass die Reaktion wirklich unschön sein wird. Dann finden sich unsere Namen nämlich ohne Verzögerungen auf einer schwarzen Liste und ich kann garantieren, dass selbst hier in der Peripherie dann kein Ort mehr sicher sein wird. Kopfgeldjäger, Kommandotruppen, Einsatzagenten. Das volle Programm. Die geben keine Ruhe bis wir alle das Zeitliche gesegnet haben und verfügen über Ressourcen, von denen wir nur träumen können. Dann können wir alle schon anfangen unsere Gräber zu schaufeln und uns dann reinlegen. Enden wird es in jedem Fall genau damit."
Wieder erschütterte seine Ansprache die versammelten, hartgesottenen Söldner bis ins Mark. Und wieder war es Morris, die verzweifelt die Arme in die Luft warf.
"Und was zur Hölle tun wir jetzt? Sitzen wir auf unseren Ärschen und warten auf das Unvermeidliche? Kann doch nicht euer Ernst sein. Wenn ich schon abtreten muss, dann will ich wenigstens einen von denen mitnehmen. Und ich will im Kampf sterben, nicht röchelnd auf dem Boden, während sich meine Eingeweide auflösen, verdammte Scheiße."
Tyr steckte die Hände in die Taschen seiner Jogginghose und blickte entschlossen zu Uljana, die unmerklich mit dem Kopf nickte.
"Untätig zu bleiben ist keine Option. Nicht wenn wir am Leben bleiben wollen. Aber wenn wir Graham und seine Kampfhunde ausschalten möchten, dann geht das nur auf meine Weise. Und ihr Alle müsst mir vertrauen. Ohne Einschränkungen."
Bevor er fortfuhr wartete er auf das zustimmende Signal jedes einzelnen Anwesenden, dass jedoch nicht lange auf sich warten ließ.
"Also gut. Dann an die Arbeit. Wir müssen vorsichtig und vor allem ohne Aufmerksamkeit zu erregen vorgehen. Unser Gegner ist alles andere als dumm. Franky und Morris, wir brauchen die Bomben aus den Cockpits und auch die Verteiler für das Gas. Können wir die Zünder auf eine andere Frequenz legen und die Reichweite erhöhen?"
Nun lächelte De Maggio wieder und verschränkte zuversichtlich die Arme vor der Brust.
"Wenn du es wünschst, Chef, kopple ich die Sprengsätze auch mit einer Eieruhr. Das ist kein Problem. Wie weit soll das Signal denn reichen? Bis Jasons Reef? Oder planetar?"
Das Lächeln des Infanteristen steckte auch ihn an und ein brutaler Gesichtsausdruck erfüllte seine Züge.
"Genau das, ist die Richtige Einstellung. Planetar, Franky. Auf jeden Fall planetar."


Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Östliche Wartehalle für Kontrahenten der Playgrounds
20. Februar 3025

Während seine Lanzenkameraden verschiedenen Tätigkeiten in der Wartezeit bis zu dem finalen Gefecht der Saison nachgingen, saß Tyr nachdenklich an einem der vielen Tische des Aufenthaltsraumes und starrte zu den vier Battlemechs, die in der großen Halle auf ihren Einsatz zu warten schienen. Das drakonische Team würde auf der anderen Seite des Schlachtfeldes in einem ähnlichen Bau darauf warten, dass die Spielleitung den Befehl zum Besteigen der Kampfmaschinen gab, aber all das war in die untergeordneten Gedanken in seinem Kopf gerückt.
Noel Zapotozni konnte er von seinem Platz aus sehen. Der alternde Mechkrieger kontrollierte ein letztes Mal den Zustand seines Griffin, während Cassandra sich einige Plätze weiter den Kampf der letzten Woche auf einem tragbaren Computer immer und immer wieder ansah und dabei Notizen auf ein Blatt kritzelte. Schon vor einer halben Stunde hatte sich Patrick auf die Toilette verabschiedet, was wohl seine Art war, mit dem aufkommenden Stress fertig zu werden.
Vielleicht war ihm aber auch nur das auf dem Weg verzehrte Fladenbrot mit Fleisch, Salat und Sauce nicht bekommen. Wer konnte das schon wissen.
Es würde noch mindestens zwei geschlagene Stunden dauern, bis der Kampf begann und alleine diese Tatsache nagte an ihm.
"Die Zeit vor den Kämpfen ist immer die schlimmste. Zumindest empfinde ich das so. Darf ich mich zu dir setzen, Kleiner?"
Ruckartig blickte er auf und nahm erschrocken Stephano Gallierdi wahr, der unverhofft vor ihm aufgetaucht war und nun freundlich lächelnd auf ihn herab blickte. Der alte Mann trug wie schon bei ihrem Aufeinandertreffen in dem Boom Boom Club einen vornehmen Anzug mit weißem Hemd und polierten Lederschuhen. Unter den ölig nach hinten gekämmten, lichten grauen Haaren stachen die stahlgrauen Augen aus dem faltigen, alten Gesicht und Tyr konnte gar nicht anders als auf einen der freien Plätze zu deuten.
„Sollte der Wartebereich für Nonkombattanten nicht gesperrt sein?“
Seine Worte schienen den anderen Mechkrieger zu belustigen, der sich auf einen der unbequemen Stühle fallen ließ.
„Durchaus. Aber wie du ja bereits gemerkt hast gibt es auf Astrokaszy immer eine Möglichkeit, Verbote zu umgehen. Ein wenig Bargeld hier, ein kleiner Gefallen da und schon sitze ich neben dir. Eine wundervolle Welt, findest du nicht?“
Verächtlich schaute er den ihm nun gegenübersitzenden Mann in die Augen.
„Es geht so.“
Trotz seiner knappen Antwort stellte Gallierdi sein Lächeln nicht ein, sondern beugte sich ein Stück nach vorn.
„Naja, wie dem auch sei. Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich nicht hier bin um nach einem Autogramm zu fragen oder eurem Team viel Glück für den bevorstehenden Kampf zu wünschen wobei ihr das nebenbei bemerkt gegen diese Draks sicherlich brauchen werdet. Aber kommen wir zur Sache. Ich möchte, dass wir einen kleinen Ausflug machen. Nicht lange und wir müssen auch nicht weit fahren. Du hast mein Wort als Gentleman, dass dir nichts geschehen wird und du pünktlich zum Beginn des Gemetzels wieder hier sein wirst. Es gibt da etwas, von dem ich glaube, dass es dich interessieren wird. Ich möchte jetzt nicht auf die Dringlichkeit dieser Information eingehen, aber ich kann dir versprechen, dass eine gewisse Brisanz dahinter steckt.“
Misstrauisch lehnte Tyr sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, wobei er seinen gegenüber nicht aus den Augen ließ.
„Sie möchten also, dass ich Ihnen auf einen Ausflug folge, wobei dies so kurz vor dem Kampf von der Spieleleitung verboten ist. Zu dem Zweck dieses Ausflugs können Sie mir nichts sagen außer, dass es wichtig ist und als Garantie für meine Sicherheit habe ich nur ihr Wort als Gentleman. Bitte entschuldigen Sie, Mister Gallierdi, aber vielleicht verstehen Sie, dass ich aufgrund dieser Voraussetzungen Ihrem Vorschlag eher abgeneigt gegenüber stehe.“
Noch immer lächelnd erhob sich der alte Mann wieder von dem Stuhl und drehte sich bereits in Richtung eines der Notausgänge.
„Deine Mutter hatte durchaus Recht. Du besitzt wirklich ein misstrauisches Wesen. Aber vielleicht kann ich das überwinden, indem ich dir sage, dass du deinen Vater erst mit fünf Jahren kennen gelernt hast. Bis dahin war deine Lieblingsgeschichte die Artus-Saga und am liebsten mochtest du den eher tragischen Charakter des Lancelot, der sich seiner unsterblichen Liebe zu Guinevere, der Gemahlin des Königs, hingibt und dadurch zum Verräter wird. Das Buch, aus dem sie dir vor dem zu Bett gehen vorlas hatte einen braunen, ledernen Einband mit goldener Schrift und als Lesezeichen verwendete sie eine von dir selbst gemalte Karte welche die kindliche Darstellung eines Schwertes zeigte. Ohne Zweifel eine frühe Hommage an Excalibur, das sagenumwobene Schwert der Könige. So nennst du übrigens auch die Laserpistole in deinem Besitz. Excalibur. Eine herausragende Wahl wie ich finde. Sie war ein Geschenk deines Vaters was die Namensgebung noch überaus passender gestaltet. Solltest du dich nun entschieden haben, mich doch zu begleiten, so wartet ein Wagen am Notausgang auf uns. Im anderen Fall darf ich dir viel Glück für deine Zukunft wünschen, insbesondere in Bezug auf das bevorstehende Gefecht.“
Damit ging Gallierdi auf die Tür des Notausgangs zu ohne Tyr weitere Beachtung zu schenken, der mit offen stehendem Mund die gerade gehörten Wahrheiten erst noch verarbeiten musste.
Ruckartig schnellte er aus der sitzenden Position empor und beeilte sich, dem alten Mechkrieger zu folgen, wobei er einen beruhigenden Blick in Richtung Cassandra's warf, die mit einem Griff zu ihrer schweren Autopistole in dem Holster unter ihrer Achsel alarmiert in seine Richtung starrte.
„Alles in Ordnung, schätze ich. Wenn alles glatt läuft bin ich vor Beginn des Kampfes wieder hier. Wenn nicht, dann wisst ihr, wen ihr fragen müsst um heraus zu finden was mit mir passiert ist.“
Langsam nickte sie, während Tyr neben Gallierdi trat und seine Schritte in der Geschwindigkeit denen des grauhaarigen Mannes anglich.
„Ich habe keine Ahnung woher Sie das wissen, Gallierdi, aber ich möchte Ihnen versichern, dass zumindest Sie es nicht überleben werden, sollte hier eine Täuschung vorliegen. Ich kann mit Excalibur wirklich gut umgehen und bezweifle stark, dass Sie unter Ihrem teuren Anzug einen ausreichenden Schutz verbergen konnten. Für den Fall das doch, werde ich Ihnen aber einfach in Ihr Gesicht schießen.“
Er raunte die Worte mit einem leisen Tonfall, aber der geheimnisvolle Mann neben ihm lächelte trotz der offenen Drohung nur weiter.
„Ich möchte dir versichern, dass die Androhung körperlicher Gewalt absolut nicht notwendig ist, Kleiner. Diese Welt ist weit entfernt davon, in gut und böse, schwarz und weiß eingeteilt werden zu können, aber um in dieser Analogie zu verbleiben darf ich dir versichern, dass meine Person eher zu einem helleren Grauton tendiert, was dich betrifft. Es gibt Gestalten in deiner näheren Umgebung die deutlich dunklere Töne anschlagen. Glaub mir.“
Sie hatten die Tür des Notausgangs erreicht und Tyr zog sie auf, nachdem er vergeblich nach der sonst üblicherweise hier stehenden Wache der Garde des Wesirs Ausschau gehalten hatte.
Auf seinen Fragenden Blick hin zuckte Gallierdi nur die Schultern.
„Keine Sorge. Dem Gardisten ist nichts passiert. Ich bin nicht Jonathan Graham und ziehe eine Spur von Leichen hinter mir her, die später unliebsame Fragen aufwirft. Er ist nur in einen gewissen Interessenskonflikt geraten. Hin- und hergerissen zwischen seiner Loyalität dem Wesir gegenüber und der Aussicht auf einen größeren Bargeldbetrag in seiner Tasche denkt er wohl gerade über den Sinn des Lebens nach. Wenn ich die einheimischen Gepflogenheiten richtig einschätze, wahrscheinlich bei einer Tasse Mokka oder Tee.“

Direkt vor dem Notausgang wartete, wie von Gallierdi versprochen, ein unscheinbarer Jeep auf sie, dessen Fahrer den Motor nicht abgestellt hatte und auch nicht ausstieg um seinen Fahrgästen die Türen zu öffnen, sondern stoisch auf seinem Sitz verharrte. Lässig um das Heck des Jeeps herum schlendernd öffnete der alte Mechkrieger die hintere Tür und rutschte dann auf das abgenutzte Leder des Rücksitzes, was Tyr unter Zugzwang setzte.
Noch einmal atmete er tief durch, blickte sich prüfend um und öffnete dann ebenfalls die Tür des Fahrzeugs um sich neben Gallierdi fallen zu lassen.
Seine Tür war noch nicht richtig ins Schloss gefallen, da fuhr der Jeep bereits an. Da der andere Mann neben ihm kein Wort zu dem Fahrer gesprochen hatte, wusste dieser offensichtlich, wohin die Reise ging.
Mit einem schnellen Spurwechsel scherte das Fahrzeug auf die breite Hauptstraße ein und tauchte in dem nur geringen Verkehrsaufkommen der Mittagszeit und des bevorstehenden Kampfes unter.
„Wir werden keine fünf Minuten fahren, Kleiner, aber vielleicht möchtest du mir erzählen, was die verstorbene Misses van Zahnt dir gesagt hat, bevor sie die Augen für immer geschlossen hat. Gott sei ihrer Seele gnädig.“
Schnell bekreuzigte sich der alte Mann und sah dann wieder freundlich in seine Richtung während Tyr krampfhaft versuchte, sich den Weg einzuprägen. In dem Chaos kleiner Straßen der Altstadt, in dass sie abgebogen waren keine leichte Aufgabe.
„Vier Worte. Graham ist nicht Graham. Zu mehr kam sie nicht.“
Ernüchtert und mit der Antwort wohl nicht ganz zufrieden lehnte sich Gallierdi auf der Sitzbank zurück.
„Nicht gerade poetische letzte Worte. Wenn auch der Inhalt völlig korrekt ist. Da fand ich meine Nachricht an dich wesentlich besser und vor allem aussagekräftiger. Manchmal tragen Freunde Maske, aber Feinde ebenso. Das hat Stil. Das hat Glanz. Ist im Übrigen ein Zitat aus einem Werk von Giacomo Casanova. Ich fand es passend.“
Mit der Geschwindigkeit eines professionellen Killers riss Tyr die Laserpistole mit der rechten Hand aus dem Halfter und richtete sie gegen die Schläfe Gallierdis während seine Linke das rasiermesserscharfe Wurfmesser aus seinem Versteck in der Jacke zog und in einer fließenden Bewegung von hinten dem Fahrer an den Hals setzte.
Von der Plötzlichkeit des Angriffs völlig überrumpelt schluckte Gallierdi hart und der Fahrer ließ den Wagen vorsichtig ausrollen, stoppte den schweren Motor und hob dann die Hände über das Lenkrad, so dass Tyr sie sehen konnte.
„Gut, Kleiner, das war jetzt wirklich beeindruckend. Und damit bestätigt sich auch die Einschätzung von Nelson Kruger, der meinte, dass wir ein ganzes Sondereinsatzteam benötigen würden um dich gegen deinen Willen irgendwo hin zu bringen. Ich bin wirklich froh darüber, diese Variante gewählt zu haben und nicht dem vorgegebenen Modus Operadi gefolgt zu sein. Und nun bitte ich dich eindringlich, nichts Falsches zu tun. Nichts was du später mit Sicherheit bereuen würdest. Man mag es kaum glauben, aber ich hänge an meinem Leben. Vor allem möchte ich es nur ungern beendet sehen wegen einem Missverständnis, dessen Aufklärung nur weniger Worte bedurft hätte.“
Ein Schweißtropfen rann dem alten Mann die Schläfe hinab, nur Millimeter von der Mündung des todbringenden Lasers entfernt und Tyr spürte, wie ein Tropfen warmen Blutes aus dem seichten Schnitt des Messers am Hals des Fahrers seine Hand entlang lief. Nur ein wenig mehr Druck und das Leben beider Personen endete abrupt.
„Eine rasche Aufklärung der Situation wäre definitiv in Ihrem Interesse, Gallierdi. Ich habe die Faxen wirklich satt und bin kurz davor, ein Blutbad in Kauf zu nehmen. Also reden Sie. Wenn das Ihre Pilotin in der Firebee war, was sollte das dann. Warum haben Sie mich auf dem Übungsgelände angreifen lassen? Und warum hat Sie auf eine Giftkapsel gebissen? In was für eine Scheiße bin ich hier geraten? Und keine weiteren, rätselhaften Zitate von Casanova. Strapazieren Sie meine Geduld nicht weiter, Gallierdi. Das ist die letzte Warnung.“
Mit dem Blick starr geradeaus gerichtet nickte der Mann kurz und bleckte sich dann die spröden Lippen, bevor er zu sprechen begann.
„Worum es hier geht, das kann ich dir nicht sagen. Das weist du wahrscheinlich mittlerweile besser als ich. Der Angriff war ein Versuch, etwas über die in der Basis vorgehenden Dinge zu erfahren. Ich wollte wissen, warum Graham so dermaßen viel seiner Mittel in den Umbau eines völlig veralteten Mechs steckt. Niemandem sollte etwas passieren. Die Einheit sollte lediglich die Möglichkeiten deiner Maschine ausloten und sich dann zurück ziehen. Es konnte ja keiner ahnen, dass du direkt drei der Mechs abschießen würdest. Darunter den mit meiner besten Pilotin. Kurz bevor sie kapitulierte kontaktierte Sie mich per Funk und ich gab Ihr die Anweisung dir den Satz zu übermitteln. Ich wollte dir zeigen, das du auf der falschen Seite stehst. Dass wir nicht deine Gegner sind. Sondern Graham. Das mit der Giftkapsel, dass ist so eine Sache. Aber ich glaube, es ist einfacher wenn du Davina, die vor dir am Steuer sitzt ein wenig mehr Spielraum lässt um ihren Kopf zu drehen. Das wird zwar weitere Fragen deinerseits aufwerfen, aber ich hoffe damit deine Killergelüste ein wenig zu dämpfen.“
Nur kurz dachte Tyr über die Worte des Mannes nach, entschied dann jedoch, dass ein wenig mehr Spielraum der Klinge seine eigene Sicherheit nicht gefährdete. Sie saß dann zwar nicht mehr an der Kehle, aber an der Halsschlagader, was mindestens genau so tödlich war.
Ohne Gallierdi aus den Augen zu lassen beugte er sich einige Zentimeter nach vorn und hielt seine Stimme bewusst bedrohlich.
„Fahrer. Ich will, dass du mir jetzt ganz genau zuhörst. Dein Leben hängt davon ab. Ich werde die Klinge an deinem Hals nun ein wenig lockern, aber mach dir keine Hoffnungen. Solltest du auch nur blinzeln, töte ich dich ohne mit der Wimper zu zucken. Die Hände bleiben wo sie sind und du drehst deinen Kopf ganz langsam zum Beifahrerfenster hin bis ich dein Gesicht sehen kann.“
Ohne eine Möglichkeit der Bestätigung verharrte der Fahrer in seiner Position bis Tyr den Druck des Messers ein wenig reduzierte.
Als die Frau seiner Anweisung Folge leistete, verschlug es ihm den Atem.
Die junge Mechkriegerin mit den typisch indischen Gesichtszügen, deren Tod er in der Folterzelle der Garde erlebt hatte, lächelte aufgeschlossen in seine Richtung.
„War ein guter Kampf.“
Ihre Worte waren freundlich, aber trotzdem verstärkte er den Druck seiner Klinge wieder, was sie erschrocken in eine Starre verfallen ließ.
„Ich sagte doch, nicht einmal blinzeln, Davina. Ich bin Aufgrund der Gegebenheiten verdammt nervös und man sollte sich unbedingt an die Anweisungen eines Mannes halten, der so verdammt nervös ist. Vor allem, wenn dieser Mann einem ein Messer an die Kehle hält. Ich muss aber sagen, ein wirklich schöner Trick. Und Gallierdi, Sie hatten Recht, jetzt habe ich sogar noch eine weitere Frage. Warum zur Hölle unterhalte ich mich gerade mit jemandem, dessen Tod ich live und in Farbe mitbekommen haben. Und warum kann dieser jemand ein Auto fahren. Gibt nicht viele Leichen, die das können. Wenn ich ehrlich sein soll, ist das hier die Erste mit dieser Fähigkeit, die mir begegnet.“
Nun wirkte der alte Mann sogar etwas verlegen.
„Nun ja, Kleiner. Was du da gesehen hast war eine grandiose Vorführung der Eigenschaften eines speziellen Giftes. Der Name ist mir gerade entfallen aber es wird aus den Drüsen eines Fisches gewonnen. Es versetzt einen menschlichen Körper in ein tiefes Koma, dass durchaus mit Gevatter Tod verwechselt werden kann, wenn man nicht weiß, worauf man achten muss. Keine angenehme Erfahrung, wenn ich den Worten meiner wundervollen Angestellten Davina Glauben schenken darf. Aber in jedem Fall angenehmer als Folter. Soviel glaube ich doch zu wissen. Der Rest war schnöde Bestechung der Gardisten, die die Leiche entsorgen sollten.“
Erneut schluckte der alte Mann hart und warf ihm dann einen Seitenblick zu.
„Hör mal, Tyr. Wenn ich mir deine Reise an die Pforten der Hölle gewünscht hätte, so wären mir andere Werkzeuge gegeben als selbst in einen Jeep zu steigen und dich von dem bevorstehenden Gefecht weg zu holen. Aufgrund der Informationen, die ich über dich besitze und auch schon mit dir geteilt habe, dürfte dir klar sein, auf welcher Seite der Front ich stehe. Auch wenn du das für dich selbst noch nicht entschieden hast, garantiere ich dir, dass von uns keine Gefahr für dich ausgeht. Im Gegenteil. Ich werde mein Möglichstes tun um dein Überleben zu sichern, weil ich eine genau so lautende Anweisung in meinem Besitz habe. Und jetzt bitte ich dich nochmals darum, die Waffen wieder weg zu packen.“
Tyr nahm sich einen kurzen Moment um seine Optionen im Geist durch zu gehen und entschied sich dann auf Risiko zu spielen. Was hatte er schon zu verlieren.
Langsam sicherte er die Impulslaserpistole mit dem Daumen und steckte sie dann in das Holster zurück bevor er das Wurfmesser von dem Hals nahm und ebenfalls wieder verstaute.
Die Frau auf dem Fahrersitz atmete erleichtert auf und auch dem alten Mechkrieger war anzusehen, dass die Anspannung ab fiel.
„Na gut, Gallierdi. Ich gewähre einen Vertrauensvorschuss. Nicht viel und auch nicht auf Dauer. Und Davina, es tut mir leid wegen dem Schnitt am Hals. Und der Aktion in dem Folterkeller. Ich möchte Ihnen versichern, dass ich nicht zugelassen hätte, dass jemand Ihnen etwas antut. Mir wurde glaubhaft versichert, dass es nur Show sein sollte. Bei mehr hätte ich nicht mitgespielt.“
Stumm nickte die Frau und blickte dann wieder nach vorn ohne den Motor erneut zu starten oder das Lenkrad zu ergreifen.
„Ein Vertrauensvorschuss. Wundervoll. Einfach grandios. Du wirst es nicht bereuen, Kleiner. Wir sind im Übrigen bereits an unserem Ziel angekommen. Zeit ein paar Wahrheiten auszugraben, findest du nicht?“
Damit öffnete Gallierdi die Tür und stieg aus dem Jeep, gefolgt von Davina, die leichtfüßig vom Sitz sprang und dann seine Tür auf zog.
Als er sich ebenfalls erhob und neben ihr auf die staubige Seitenstraße trat lächelte sie ihn noch immer an, aber ihre braunen Augen spuckten förmlich Feuer.
„Wenn du mir das nächste Mal eine Klinge an die Kehle hältst, würde ich dir raten mich auch umzubringen. Sonst schneide ich dir die Eier ab und stopfe sie dir so tief in den Rachen das du daran erstickst bevor dich der Blutverlust umbringt. Und das ist ein Versprechen.“
Sie hatte nur geflüstert und doch schien der wenige Meter entfernt an einer unscheinbaren Haustür stehende Gallierdi es gehört zu haben, denn nachdem er drei mal geklopft hatte, drehte er sich mit einem ermahnenden Blick zu den beiden um.
„Davina, bitte. Unser junger Freund steht unter Stress. Da sind Überreaktionen zu erwarten. Es ist ja nicht so als wären wir nicht gewarnt worden. Und Tyr, du tätest besser daran, Davina nicht zu verärgern. Sie ist eine ehemalige Thuggee und damit eine mindestens ebenso versierte Killerin wie du einer bist. Ich würde Sie nicht unterschätzen, nur weil du uns ein mal überraschen konntest. Beim nächsten Mal ist Sie darauf vorbereitet.“
Noch einmal funkelte die Mechkriegerin in seine Richtung und ging dann zu Gallierdi, der geduldig vor der Tür verharrte während Tyr sich die spärlichen Informationen über den Geheimkult von Mördern und Räubern in seinem Geist vor Augen rief. Entstanden vor Jahrtausenden auf Terra beteten die Angehörigen Hindi die Todesgöttin Kali an und verdienten sich nach ungesicherten Informationsquellen als Auftragsmörder und geheime Todesschwadronen.
Er nahm sich vor, die junge Frau im Auge zu behalten.
Gerade als er sich ebenfalls in Richtung der Tür in Bewegung setzte, wurde diese von innen geöffnet und ein breitschultriger Hühne mit misstrauischem Blick versperrte den Zutritt.
„Ismael, mein Freund. Wir haben einen Termin mit dem Rabbi und sind in Eile. Wenn du uns freundlicherweise zu ihm führen würdest, wäre ich dir überaus verbunden.“
Kritisch beäugte der ganz in schwarze Kleidung gehüllte Angesprochene Gallierdi, gefolgt von Davina und Tyr, bevor er knapp nickte und zur Seite trat.
Zielstrebig betrat der alte Mann zuerst den Raum und ging dann neben Ismael durch die abgedunkelte, mit Computern und Schreibtischen ausgestattete Behausung, welche von innen viel größer wirkte als es von Außen den Anschein erweckte.
Vor einer weiteren Tür bedeutete ihnen der Türsteher zu warten und ging dann selbst hindurch bevor er sie nach einer kurzen Wartezeit herein winkte.
Das angeschlossene Büro war karg eingerichtet und der einzige Anwesende außer der jetzt eintretenden Gruppe war ein Mann mittleren Alters, der entspannt hinter einem Schreibtisch saß.
Freudig blickte er auf und deutete auf die Stühle vor dem Schreibtisch, während Ismael hinter dem Mann eine beobachtende Position bezog.
„Stephano. Es ist mir eine Freude. Aber setzt euch doch bitte. Kann ich eine Erfrischung anbieten? Tee vielleicht? Oder ein Eiswasser? Die Mittagshitze ist heute wirklich fast unerträglich.“
Tyr schüttelte wie auch die anderen beiden verneinend den Kopf und ließ sich auf den äußeren, rechten Stuhl fallen, während Gallierdi die mittlere Sitzgelegenheit in Anspruch nahm.
Davina hingegen blieb hinter den beiden stehen, was die Nervosität in ihm zurückkehren ließ.
„Danke, Rabbi, aber wir sind mitnichten hier wegen deiner weit gerühmten Gastfreundschaft.“
Mit einem kurzen Seitenblick zu Gallierdi mischte sich Tyr nun in das Gespräch ein.
„Warum nennt man sie Rabbi?“
Der Mann setzte eine verschlagene Miene auf und antwortete gespielt leise.
„Das könnte an der Tatsache liegen, dass ich ein Rabbi bin. Aber bitte nicht weitersagen. Unsere Gemeinschaft ist auf diesem Planeten nicht wirklich beliebt, junger Freund.“
Dann wendete er sich wieder Gallierdi zu und sein Blick wurde verschlossener.
„Nun, da ihr nicht wegen meiner Gastfreundschaft hier seid und wohl auch nicht wegen Ratschlägen bezüglich der Tora oder einer Konvertierung, denke ich dein Besuch ist geschäftlicher Natur, Stephano. Also, was kann ich denn für euch tun.“
Der alte Mechkrieger lächelte breit und sah dann in Tyr's Richtung.
„Mein Freund hier möchte eine Wette auf den bevorstehenden Kampf abgeben. Und zwar auf den Sieg des Teams der Schwarzen Legion. Kleiner, hast du vielleicht zufällig eine Münze dabei?“
Völlig überfordert griff er in seine Hosentasche und zog eine der silbernen Münzen hervor, die in Jasons Reef das übliche Zahlungsmittel darstellten.
Ismael bewegte sich von seiner Position hinter dem Rabbi hervor und nahm Tyr das Geldstück aus der Hand, bevor er es dem Mann hinter dem Schreibtisch übergab, der die Stirn in Falten gelegt hatte.
Mit einem verständnislosen Blick auf die Münze zwischen seinen Fingern richtete er das Wort wieder an Gallierdi.
„Soll das ein Witz sein, Stephano? Wenn ja, so kann ich nicht darüber lachen. Du kennst die Mindesteinsätze des Hauses. Was soll ich denn mit einem Dinar?“
Mit einem Rundumblick sprang Tyr die Erkenntnis an, wie ein hungriges Raubtier.
„Ein Wettbüro. Das ist ein illegales Wettbüro. Und Sie sind dann der Buchmacher. Beißt sich das nicht mit ihrer anderen Profession?“
Der Rabbi blickte ihn kopfschüttelnd an, bevor er antwortete.
„Nicht gerade scharfsinnig, dein neuer Freund, Stephano. Und um Ihre Frage zu beantworten, die Tora ist da eher undeutlich und vage. Wie überall im Leben ist es wohl Auslegungssache. Ich für meinen Teil lege es so aus, dass meine Religion meinen anderen geschäftlichen Aktivitäten nicht im Weg steht. Wenn ich jetzt erfahren dürfte, was das ganze hier soll.“
Wieder lächelte der alte Mechkrieger und deutete auf das vor dem Rabbi liegende, große Buch.
„Die Wette, Rabbi. Bitte notiere die Wette und den Einsatz.“
Entnervt griff der Mann zu einem altmodischen Füllfederhalter und schlug eine neue Seite in dem Buch auf.
„Also gut, unserer Freundschaft und der guten, geschäftlichen Beziehungen zu Liebe. Aber nicht das du glaubst du könntest jetzt jeden Hartgeldstricher von der Straße hier rein schleifen. Wie lautet ihr Name?“
Bei der beleidigenden Unterstellung des Rabbi zuckte er kurz zusammen, unterdrückte dann jedoch einen bösen Kommentar und quetschte seinen Namen zwischen den Zähnen hervor.
„Tyr Sievers.“
Schlagartig hörte der Rabbi auf, die Seite zu beschreiben und blickte entsetzt zu Gallierdi.
„Ist das dein verdammter Ernst oder hast du deinen Verstand verloren?“
Wieder entglitten dem alten Mann die Züge nicht. Das aufgeschlossene Lächeln strahlte wie gemeiselt aus seinem Gesicht.
„Eine Wette, Rabbi. Bitte. Eine ganz einfache Wette. Einen Dinar auf den heutigen Sieg des Teams der Schwarzen Legion auf den Namen Tyr Sievers. Schreib es auf.“
Tief atmete der Buchhalter mit geschlossenen Augen ein und auch wieder aus. Dann setzte er die Schreibarbeit geflissentlich fort, während er sprach.
„Also gut. Tyr Sievers setzt einen Dinar auf den Sieg des Teams der Schwarzen Legion im heutigen Finalkampf. Die Quote beträgt zwölf zu eins. Ihr zu erwartender Gewinn beläuft sich im Falle des Sieges Ihrer Partei auf sagenumwobene zwölf Dinare.“
Bei den letzten Worten des Rabbi stutzte Tyr und beugte den Oberkörper nach vorn.
„Warum ist die Quote so hoch? Die Chancen zwischen den beiden Teams sollten eigentlich ausgeglichen sein. Ähnliche Tonnage, gleiche Reputation. Warum wird ein Sieg meines Teams höher bewertet?“
Im Gegensatz zu ihm lehnte Gallierdi sich nun entspannt zurück.
„Ah, die richtige Frage. Wir kommen den wirklich brisanten Antworten näher und näher.“
Ein böser Blick des Rabbi's konnte nichts daran ändern, dass sein Lächeln noch breiter wurde. Mit belegter Stimme sprechend, steckte dieser den Füllfederhalter wieder zusammen.
„Da gibt es mehrere Komponenten die hineinspielen. Zum einen das Ergebnis des letzten Gefechts des Teams von Tomonaga. Ein beeindruckender Sieg. Dem entgegen steht ihre durchaus beachtliche Leistung auf dem Übungsgelände. Es gibt aber einfach einige wirklich finanzstarke Spieler die hohe Einsätze gegen Sie gesetzt haben. Deshalb die Quote. Einfache Mathematik.“
Und wieder rückte ein Puzzleteil in dem Gesamtbild an die richtige Stelle. Tyr hatte bereits einen Verdacht und schloss die nachdenklich Augen während seine Gedanken rasten.
„Hat Jonathan Graham eine hochdotierte Wette gegen sein eigenes Team eingereicht?“
Kurz schnaufte der Buchhalter und blätterte dann in dem vor ihm liegenden Buch einige Seiten zurück. Mit dem Zeigefinger ging er die aufgeschlagene Seite dann von oben nach unten durch und blieb etwa mittig stehen.
„Wenn das rauskommt, Stephano, dann bin ich erledigt. Aber glaube nicht, dass ich alleine untergehen werde. Dich ziehe ich mit in den Abgrund. Es stimmt. Mister Jonathan Graham hat eine Wette gegen sein eigenes Team am laufen. Der Nominalwert ist zwölf Millionen C-Noten. Das Maximum dessen, was ich anzunehmen bereit bin.“
Und genau in diesem Moment fiel es Tyr wie Schuppen von den Augen.
Endlich sah er den Schimmer der Wahrheit durch das verstrickte Netz aus Lügen und Verrat.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Kommandozentrale
20. Februar 3025

Jonathan Graham war mit dem Verlauf der Dinge mehr als zufrieden. Völlig ruhig blickte er auf den Soldaten seiner persönlichen Schutztruppe hinab, der für die Kommunikation verantwortlich war und an der ausgedehnten Konsole saß, die eigens dafür vorgesehen war.
„Geben Sie mir einen Statusbericht der Transportaktion. Alphagruppe. Wie weit sind Sie?“
Bereits heute früh hatte der Konvoi mit den Wissenschaftlern, Prototypen und den wichtigsten Geräten der Mission unter dem Schutz der Hälfte seiner Sicherheitsleute die Basis in Richtung des in der Wüste wartenden Landungsschiffes verlassen. Die restlichen Angehörigen der Schwarzen Legion hatten dies nicht bemerkt, waren sie doch voll in die Vorbereitungen des bevorstehenden Finalkampfes eingebunden.
„Alles in Ordnung, Sir. Alphagruppe meldet Abschluss der Verladearbeiten in wenigen Minuten. Keine besonderen Vorkommnisse. Ablauf wie geplant.“
Zufrieden nickend schlenderte Graham von der Kommunikationskonsole zu Thomlinson, seinem Spezialisten für Datenbeschaffung und Aufbereitung und dem zweiten Mann in der Befehlskette nach Zahra Lynch.
„Wie sieht es aus? Und wo ist Miss Lynch?“
Seine Frage traf den Soldaten unvorbereitet, aber er überspielte dies mit der Professionalität eines erfahrenen Außendienstagenten der er war.
„Es ist alles vorbereitet, Sir. Alle Ziele sind in der Kantine wo das Buffet aufgebaut wurde und das große TriVid den Kampf überträgt. Heyden und Cromwell stehen in Vollschutz bereit um das Ergebnis zu kontrollieren. Die Fahrzeuge sind betankt und einsatzbereit. Sie stehen am westlichen Notausgang. Das Belüftungssystem der Kommandozentrale ist auf Überdruck geschaltet und von dem betroffenen Bereichen separiert. Das sollte uns zehn bis fünfzehn Minuten geben, bevor es ungemütlich wird. Miss Lynch ist auf dem Weg von der Entschlüsselungsabteilung und müsste jeden Moment...“
Rüde wurde Thomlinson unterbrochen als sich die Stahltür der Kommandozentrale öffnete und Zahra Lynch herein stürmte. Ohne den Soldaten zu beachten, griff seine Stellvertreterin ihn am Arm und zog ihn zur Seite, ein bedrucktes Blatt Papier in der Hand haltend.
„Wir müssen abbrechen, Sir. Sofort! Es gibt neue Erkenntnisse aus dem Hauptquartier, die eine völlige Neubewertung der Lage nötig machen. Bitte, Sir. Sie müssen die Operation abbrechen. Verbrannte Erde muss unbedingt gestoppt werden.“
So dermaßen aufgebracht hatte Graham seine Stellvertreterin noch nie gesehen und ehrlich gesagt gefiel ihm dieser Umstand nicht sonderlich. Von der Handgreiflichkeit ihm gegenüber ganz abgesehen.
„Was zur Hölle redest du da? Welche neuen Erkenntnisse? Wir können die Operation nicht mehr abbrechen, wie stellst du dir das vor, Zahra?“
Einen Moment schloss die Chefin seiner Sicherheit die Augen um ihre Gedanken zu ordnen, bevor sie schnell und leise zu reden begann.
„Sir, dass hier kam vor einer Stunde via ComStar. Und es kommt von ganz oben. Und ich meine ganz weit oben, Sir. Prioritätsnachricht dreifach verschlüsselt. Es geht um Tyr Sievers. Die Informationen, die wir von der anderen Seite erhalten haben, Sir, dass war alles konstruierter Hintergrund. Nachdem unsere Freigabe geprüft worden ist, haben wir nun Zugang zu den echten Daten erhalten. Die Mutter von unserem Mechjockey heißt weder Sievers, noch ist sie Prostituierte, noch ist sie verstorben. Das ist alles gefakt. Ihr richtiger Name lautet Tabea Kaine und sie war eine Einsatzleiterin von Lohengrin. Oberste Sicherheitseinstufung. Auszeichnungen ohne Ende. Selbst jetzt sind die Berichte über ihre Beteiligung an Operationen bis auf die Namen unter Verschluss. Bei ihrem letzten Außeneinsatz wurde sie schwer verletzt. So schwer, dass man entschied, sie aus kritischen Aktionen abzuziehen. Nach der Erholung wurde sie zum Sicherheitsdienst versetzt. Abteilung für den Schutz hochrangiger Adliger auf Blackjack. Namentlich des Barons des Planeten, Bartholomäus Drake. Sie war seine persönliche Leibwache. Der Baron hatte eine schwere Zeit nach dem Tod seiner Frau zu bewältigen und ein Jahr später wird Miss Kaine dann abgelöst und geht in den Krankenstand. Für neun Monate. Das ist jetzt genau zweiundzwanzig Jahre her. Sie erhält eine neue Identität als Prostituierte, was ziemlich unauffällig ist, denn nun kann der Baron aus und eingehen, wann immer er will ohne Aufsehen zu erregen. In den ersten Jahren hält er sich zurück, aber es ist bestätigt, dass Tyr Sievers sein unehelicher Zweitgeborener ist. Und damit Halbbruder des amtierenden Barons von Blackjack. Der verdammte Mistkerl hat blaues Blut und es geht noch weiter. Zeitgleich mit dem Tod von Liane Sievers, der Tarnidentität von Tabea Kaine, wird eine planetare Adlige im selben Alter, die unter schwersten Depressionen litt nach einem Selbstmordversuch in ein Sanatorium eingeliefert. Vier Monate später wird sie entlassen, zieht ohne Umwege in den Palast und heiratet ein Jahr später unter dem Jubel der Bevölkerung den Senior. Tyr Sievers wird aus schwarzen Konten des Adelshauses und des lyranischen Geheimdienstes in seiner Entwicklung unterstützt und ist mit achtzehn Jahren vollwertiger Agent. Abschluss mit Auszeichnung. Aber er will offensichtlich als Mechkrieger ausgebildet werden und trägt sich an der privaten Schule auf dem Planeten ein. Auch die Gelder für diese Ausbildung werden zunächst von dem Adelshaus übernommen. Als er Uljana Poljakow kennen lernt werden die Dinge allerdings noch kompliziert. Er quittiert mit Hilfe seiner Mutter und seines Vaters den Dienst, beendet die Ausbildung zum Mechkrieger und schlägt ein unauffälliges Leben als Mitarbeiter der Poljakow Werke ein, bis diese Pleite gehen. Jetzt wird es richtig brisant. Um Untersuchungen und die Gefahr einer Aufdeckung seiner Verwandtschaft zum Baron im Zuge der Ermittlungen um die Bilanzfälschungen und Insolvenzverschleppung zu vermeiden, müssen die beiden verschwinden. Blackjack ist ein ziemlich traditioneller Planet und die Gesellschaft steht Bastarden des Adels eher skeptisch gegenüber. Es wäre ein politischer Supergau gewesen, wenn seine wahre Identität bekannt geworden wäre. Also verschwinden Miss Poljakow und er in die Peripherie und der Vater der jungen Dame stirbt bei einem Selbstmord, auch wenn ich davon ausgehe, dass er ebenfalls eine neue Identität erhalten hat. Es bleibt eine Tatsache, dass Tyr Sievers der Sohn eines lyranischen Barons ist und das seine Mutter einer hohe Position innerhalb des lyranischen Geheimdienstes bekleidet. Außer den Informationen haben wir keine Anweisungen erhalten, Sir, aber ich muss Sie hoffentlich nicht daran erinnern, dass es Vorgaben gibt, die eine Liquidierung von Angehörigen des Adels auf beiden Seiten nur mit ausdrücklicher Genehmigung gestattet. Es gibt einen Agenten des LIC auf dem Planeten, der sich in Kürze mit uns in Verbindung setzen wird um diese verfahrene Situation zu bereinigen, Sir. Ich muss Sie also nochmals dringendst darum ersuchen, verbrannte Erde zu stoppen. Das ist alles völlig aus dem Ruder gelaufen und könnte zu diplomatischen Verwicklungen auf höchster Ebene führen.“
Und da war es wieder.
Unbarmherzig schlug das Schicksal zu und vernichtete präzise Planungen in Sekundenbruchteilen.
Jonathan Graham war von den Entwicklungen so dermaßen geschockt, dass er mit offenem Mund auf einen der Stühle sank und die Hände vor das Gesicht schlug.
Wie hatte das nur geschehen können. Es war ein Fall eingetreten, den er sich in seinen schlimmsten Träumen nicht hätte einfallen lassen.
Dann übernahm sein analytisches Denken wieder die Kontrolle und ging seine spärlichen Optionen durch. Er konnte nicht darauf hoffen, dass seine Nebeneinkünfte durch den LIC Agenten nicht aufgedeckt werden würden und außerdem bestand die Möglichkeit, dass die Schwarze Legion den Finalkampf gegen die Drakonier gewann, was seine gesamten finanziellen Mittel, die er über die Zeit der Operation in seinen Besitz gebracht hatte in dem gierigen Rachen des Rabbi verschwinden lassen würde. All die wertvollen Edelsteine. Es würde ihm nichts bleiben und er machte sich keine Hoffnungen auf die Reaktion seiner Vorgesetzten. Das war in jedem Fall sein Todesurteil.
Energisch erhob er sich wieder und blickte dann entschlossen in die Augen seiner Stellvertreterin.
„Nein, Zahra. Verbrannte Erde wird nicht gestoppt. Wir fahren weiter wie geplant fort. Ich werde diese bedauerliche Angelegenheit mit Tyr Sievers bei unserer Rückkehr persönlich mit dem Gremium klären, aber die Sicherstellung der Geheimhaltung der Operation hat oberste Priorität. Wir dürfen den Auftrag nicht riskieren. Ich übernehme die volle Verantwortung für die Konsequenzen.“
Entsetzt sah ihn Zahra Lynch an.
„Sir, ich muss in aller Form protestieren. Ich bin der Ansicht, dass Sie sich der Tragweite dieser Entscheidung nicht bewusst sind. Bis jetzt habe ich als Sicherheitschefin hinter jedem Detail der Mission gestanden, aber wenn wir das durchziehen, wird es in jedem Fall eine Untersuchung geben, Sir. Die anderen werden das nicht auf sich sitzen lassen und wenn der Einsatz des chemischen Kampfstoffes heraus kommt, dann sind wir Massenmörder und Kriegsverbrecher die gegen die Ares-Konventionen verstoßen haben. Wir alle, Sir. Die Zentrale wird uns fallen lassen wie ein glühendes Stück Kohle und das ist noch der beste Fall.“
Zustimmend nickte Jonathan Graham und blickte sich in der Kommandozentrale um. Keiner der Anwesenden interessierte sich für das Gespräch und er konnte davon ausgehen, dass seine Truppe seinen Befehlen gehorchen würde.
„Ich nehme deinen Protest zu Kenntnis, Zahra. Es bleibt aber bei meiner Entscheidung. Die Planung wird nicht geändert oder abgebrochen. Wir machen weiter wie besprochen. Das wäre alles.“
Trotz seiner klaren Ansage blieb seine Stellvertreterin weiter vor ihm stehen und schien eine Konfrontation zu suchen, die ihm mehr als nur ungelegen kam.
„Ich muss Sie hoffentlich nicht daran erinnern, dass ich den Oberbefehl über diese Mission habe, Miss Lynch. Ich habe das letzte Wort und trage die Verantwortung. Sie haben ihre Befehle. Weggetreten!“
Der militärische Tonfall und die lauter werdende Stimmlage ließen die an den verschiedenen Konsolen sitzenden Männer und Frauen die Köpfe einziehen, beeindruckte Zahra jedoch nicht im Geringsten.
Zumindest schien es jedoch so, als würden sie die gewünschte Wirkung erzielen.
Die Frau nickte kurz und ging dann zu einer der Konsolen um sich dort auf den Stuhl fallen zu lassen.
Im Weggehen konnte er ihre geflüsterten Worte nur undeutlich hören.
„Das ist ein gottverdammter Fehler, du Bastard!“'


Planet Astrokaszy
Regionale Hauptstadt Jasons Reef
Östliche Wartehalle für Kontrahenten der Playgrounds
20. Februar 3025

Gerade noch rechtzeitig schwang Tyr sich in das Cockpit des Khopesh, streifte die Hose und das Shirt ab und schlüpfte in die Kühlweste, bevor er in Shorts auf der Pilotenliege Platz nahm, die Gurte anlegte und den Neurohelm auf den Kopf setzte.
„Schön dass du doch Zeit gefunden hast, Youngblood. Wir hatten schon befürchtet, dass du mit deinem neuen Freund durchgebrannt bist.“
Die Stimme von Cassandra klang angespannt aus den Lautsprechern, was in Anbetracht der verbleibenden drei Minuten bis zum Start des Kampfes nur zu verständlich war.
Mit einigen schnellen Griffen zu den Instrumenten ließ er die Luke zu dem Cockpit zuschlagen und mit metallischem Quietschen verriegeln und fuhr im Anschluss den Reaktor des Mechs hoch.
Dutzende Monitore und Schaltflächen erwachten summend zum Leben und das Display seines Helmes war sofort mit Statusanzeigen und den Berichten über abgeschlossene Diagnosen erfüllt.
Der Khopesh war einsatzbereit.
„Youngblood an alle. Frequenzwechsel auf Delta Echo Charly.“
Schnell wechselte er die Frequenz auf den privaten Kanal, den die Mechkrieger während der letzten geheimen Besprechung festgelegt hatten und wartete, bis sein Com ihm signalisierte, dass alle vier seiner Mitverschwörer ihn hören konnten.
Die Tatsache, dass nun auch wirklich nur seine Teamkamerade ihn hören konnten, vereinfachte die Kommunikation erheblich.
„Graham schlägt heute zu. Das Ding ist wirklich bis ins letzte Detail geplant. Er hat eine gigantische Wette gegen uns laufen. Wenn er uns aus den Cockpits sprengen könnte, würde er vom reichen Mann noch ein paar Stufen aufsteigen. Er will den Kampf manipulieren, den Gewinn einsacken und dann abrauschen ohne Spuren zu hinterlassen. Ich habe Henry bereits benachrichtigt, aber wir müssen diesen Kampf durchziehen, sonst verlieren wir unsere Maschinen an Tomonaga. Die Regeln der Playgrounds sind da eindeutig. Erst wenn wir gewonnen haben können wir zur Basis zurück und den anderen helfen. Wollen wir hoffen, dass unser Plan aufgeht und das Überraschungsmoment uns den Sieg beschert.“
Kurz war es Still in dem rauschenden Kanal, bis die Stimme von Patrick erklang.
„Dieser Hund betrügt sein eigenes Team, aber dem werden wir in die Suppe spucken. Wie hast du das mit der Wette rausgefunden, Tyr?“
Noch immer auf die Startfrequenz seines Mechs konzentriert spannte er die Kiefermuskeln an und blickte auf den nur noch Sekunden laufenden Countdown über dem Tor der Halle.
„Ist eine lange Geschichte. Aber wir haben neue Freunde in Jasons Reef. Die haben mir geholfen beziehungsweise die Augen geöffnet. Aber jetzt lasst uns erst diesen Draks in den Hintern treten. Danach erkläre ich euch alles.“
Gerade als die Anzeige auf Null sprang und die schweren Stahltore sich kreischend öffneten mischte sich Noel Zapotozni ein.
„Sonnenschein an Alle. Funkdisziplin. Wir gehen wie besprochen vor. Viel Glück und gute Jagd.“
Die Worte waren noch nicht richtig verklungen, da sprintete der Commando aus dem Schatten der Halle mit Höchstgeschwindigkeit hinaus auf die mit Trümmern übersäte Straße, gefolgt von dem Griffin, der jedoch bereits kurz darauf in eine Seitenstraße abbog.
Tyr steuerte den Khopesh geradezu gemächlich neben Cassandras Zeus aus der Halle und die Schritte der Tonnen schweren Maschinen erschütterten die Umgebung während Betonbrocken und Asphaltreste unter den gigantischen Füßen zu Staub zermahlen wurden.

Katsumi Tomonaga blickte erneut auf die taktische Anzeige seines Chargers und war mit der Ausführung seiner Befehle zufrieden. Minoru steuerte seinen überschweren Striker an der Spitze der Formation, zu beiden Seiten flankiert von dem Jenner und dem Panther die das Gelände einige hundert Meter vor ihm auskundschafteten.
Er war sich wohl bewusst, dass ein Sieg über die Schwarze Legion schwerer zu erkämpfen sein würde als es gegen den Davionabschaum der Fall gewesen war, aber er war zuversichtlich, auch das Finale siegreich hinter sich zu bringen.
Der Wesir würde ihm den faustgroßen Smaragd, das Zeichen des Sieges dieser Saison, persönlich überreichen, dessen Verkaufserlös die Kosten seiner Einheit für mindestens ein viertel Jahr decken würde. Von den Beutemechs ganz zu schweigen.
Er spielte bereits mit dem Gedanken, seinen geliebten und geachteten Charger gegen den Zeus des gegnerischen Teams zu tauschen. Eine Beleidigung für jeden Lyraner, dass ein Drakonier an den Kontrollen dieses ehrwürdigen lyranischen Mechs saß.
„Sensei, wir haben den Zeus ausgemacht. Er steht regungslos mitten auf der großen Fläche des ehemaligen Parks wo wir die Davies abgeschlachtet haben. Er scheint zu warten. Die anderen Maschinen des Gegners konnten wir nicht finden, aber die seismischen Detektoren zeigen massive Aktivität in östlicher Richtung. Ich denke der Zeus ist nur ein Ablenkungsmanöver und die anderen Mechs versuchen sich an einem Flankenmanöver. Das würde zu den hinterhältigen Lyranern passen. Keinen Funken Ehre im Leib.“
Zustimmend nickte Tomonaga zu den Worten seines Jenner Piloten. Ein ehrloses Manöver, was hatte er auch anderes erwartet. Vielleicht würde dieser Sieg sich doch einfacher gestalten als er es für möglich gehalten hatte.
„Minoru, nimm die beiden Scouts und stelle den Gegner im Osten. Die Ehre, den schwersten Mech in der Aufstellung des Gegners zu besiegen gebührt alleine mir. Sobald ich mich um den Zeus gekümmert habe schließe ich zu euch auf. Möge der Drache euren Weg erleuchten.“
Eine Bestätigung seiner Befehle war nicht notwendig.
Sofort schwenkte seine rechte Hand mit dem überschweren Striker in östlicher Richtung in eine kreuzende Straße, gefolgt von den beiden leichteren Maschinen, die sich beeilten, wieder eine Position vor dem überschweren Mech zu erlangen.
Seine Krieger waren blutdurstig und das gefiel Katsumi sehr, hatte er sie doch persönlich wegen eben dieser Eigenschaft ausgewählt.
Mit einem leichten Druck auf die Steuerung beschleunigte er den Charger auf Höchstgeschwindigkeit und preschte durch die verwüsteten Ruinen der Playgrounds und schon wenig später führte ihn die breite Straße, der er bis jetzt gefolgt war, auf den riesigen Platz, der wohl mal einen ausgedehnten Park dargestellt hatte. Völlig bewegungslos und umringt von hohen Ruinen und Schuttbergen erhob sich der gegnerische Zeus fast majestätisch aus den versandeten Resten grüner Wiesen und den vertrockneten Stämmen abgestorbener Bäume.
Katsumi kam nicht umhin, dem anderen Piloten Respekt zu zollen, alleine dafür, dass er sich hier als Ablenkung zur Verfügung stellte. Ein anderer Kommandeur hätte vielleicht seine komplette Feuerkraft auf den Zeus konzentriert und somit einen Gegner aus dem Spiel genommen, bevor er sich um die anderen Mitglieder der Lanze gekümmert hätte.
Dreihundert Meter vor seinem überschweren Gegner brachte er den Charger zum stehen und öffnete dann einen freien Kanal.
Ein kurzes Rauschen ertönte in der Verbindung als sein Gegner sich auf die Frequenz aufschaltete.
„Dein Mut, dich mir im Zweikampf zu stellen ehrt dich und deine Familie, Krieger. Mein Name ist Katsumi Tomonaga. Nenn mir den deinen, auf dass ich deinem Leichnam nach der Schlacht die Würde eines Grabsteins erweisen kann.“
Das als Antwort auf seine Worte in den Lautsprechern schallende Gelächter ließ ihn entrüstet einatmen.
Dann erklang die verzerrte Stimme einer Frau.
„Wenn ihr Schlitzaugen doch nur so gut kämpfen wie reden könntet wäre ich ja wirklich in Versuchung, einen Zweikampf zu wagen. Da aber wahrscheinlich nur heiße Luft heraus kommt, kürzen wir das Ganze doch entschieden ab, Tomonaga.“
Irritiert von dem Satz seiner Gegnerin nahm er das Blinken einer weiteren Verbindung, diesmal von Minoru, zur Kenntnis und beendete die Unterhaltung mit der frechen Lyranerin um mit seinem Stellvertreter zu sprechen.
„Was willst du, Minoru? Ich bin damit beschäftigt diesem lyranischen Abschaum Manieren bei zu bringen.“
Gerade als er die Kontrollen für einen Anlauf nach vorn drücken wollte, der einen vernichtenden Rammstoß zur Folge haben würde, ertönte die hektische Stimme seines Stellvertreters.
„Sensei, es ist eine Falle. Wir haben nur den Commando ausmachen können, der wohl einige Ruinen zum Einsturz brachte um unsere seismischen Sensoren zu täuschen. Ich wiederhole. Nur der Commando ist hier. Wir haben die Verfolgung aufgenommen, aber der Pilot spielt mit uns Verstecken. Es wird dauern, ihn in die Enge zu treiben. Ich brauche eure Anweisungen, Herr.“
Schon während Katsumi noch den Worten seines Stellvertreters lauschte, klang der Alarm weiterer auftauchender Gegner durch das Cockpit und er konnte auf dem 360 Grad Display erst den Griffin rechts hinter einer rußgeschwärzten Ruine hervortreten sehen, gefolgt von dem Khopesh, der links von seiner Position aus einer Seitenstraße auftauchte.
Nun hob auch der Zeus seine waffenstarrenden Arme, was ihm keine Chance für eine geeignete Reaktion mehr ließ.
„Ein ehrloses Manöver. Was hatte ich anderes erwartet?“
Die an sich selbst gerichteten Worte gingen im Tosen der Einschläge des schweren Geschützfeuers aus den Waffen dreier Battlemechs unter.

Tyr hatte die PPK und die binäre Laserkanone des Khopesh gleichzeitig ausgelöst. aber im Gegensatz zu seinem ersten Gefecht auf dem Übungsgelände der Garde eine Woche zuvor, schnellte diesmal die Wärmeanzeige im Cockpit sprunghaft in die Höhe und die sich schlagartig ausbreitende Hitze trieb ihm die Luft aus den Lungen.
„Gottverdammt! Habt ihr statt Wärmetauschern Feuerholz in den Mech gepackt?“
Seine gestöhnten Worte hallten ungehört durch die aufgeheizte Atmosphäre und bremsten den Jubel über die Treffer seiner Waffen auf Tomunagas Charger.
Aus drei Richtungen schlugen gleich viele, knisternde Partikelblitze, zwei Salven Langstreckenraketen und ein schwerer Laserstrahl sowie das gleißende Licht seiner binären Laserkanone in den praktisch nicht zu verfehlenden, stehenden Mech. Die künstlichen Blitze rissen die Panzerung in einer Kaskade zerplatzender Panzerung von dem Torso sowie dem rechten Arm, während der schwere Laser des Zeus die entstandenen, ausgefranzten Breschen erweiterte. Die Sprengköpfe der auf feurigen Antriebsflammen dahin rasenden Raketen erzeugten grelle Feuerbälle auf dem linken Arm und verwüsteten den Torso weiter. Seine Laserkanone hingegen zog eine Spur geschmolzenen Metalls über das linke Bein, verflüssigte fast die Hälfte der dort aufgebrachten Panzerung, die sofort in glühenden Rinnsalen auf den sandigen Boden tropfte.
Tomonaga war ein erfahrener Pilot, der wahrscheinlich bereits hundert Kämpfe überstanden hatte, aber diese Menge an Schaden in Kombination mit dem Verlust von fast vier Tonnen seiner Panzerung war auch für ihn zu viel.
Nur Sekundenbruchteile, nachdem die letzte Rakete ihr Ziel gefunden hatte, stürzte der stählerne Titan in einer aufwallenden Staubwolke zu Boden, die sich wie ein Grabtuch über dem Mech ausbreitete.
„Sonnenschein von Sprinter. Ich bin mit Höchstgeschwindigkeit zu euch unterwegs. Eintreffen in unter einer Minute und ich bringe wirklich wütende Gesellschaft mit. Ich hoffe für uns alle, dass ihr den Alphadrak ausgeschaltet habt, sonst wird das hier böse enden.“
Tyr sah auf die taktische Anzeige des Khopesh und verfolgte das schnell auf den Platz zu steuerndes Symbol von Patricks Commando, welches von drei gegnerischen Symbolen verfolgt wurde.
Der drakonische Striker bildete das Schlusslicht der ihren Scout jagenden Maschinen, der Panther befand sich kurz davor während der Jenner Patrick bereits fast eingeholt hatte.
„Youngblood von Sonnenschein. Du kümmerst dich um Tomonaga. Sorg dafür, dass der Mistkerl am Boden bleibt. Flashfire und ich bilden eine Verteidigungslinie gegen die anrückenden Gegner, damit Sprinter endlich zu jammern aufhört. Ausführung.“
Die Anweisungen von Noel Zapotozni klangen im routinierten Tonfall klar und deutlich aus der Verbindung und bereits kurz darauf erhob sich der Griffin des Lanzenführers auf flammenden Sprungdüsen um quer über das Feld in Richtung Tomonagas gefallenem Mech zu gleiten und knapp davor eine elegante hundertachtzig Grad Drehung zu vollführen um die Straße, aus der Patrick und die ihn verfolgenden Drakonier kommen würden, wieder im frontalen Schussfeld zu haben.
Cassandras Zeus stapfte ebenfalls los und stellte sich im Abstand von hundert Metern neben den Griffin, bevor sie sich in die gleiche Richtung drehte.
Damit wandten seine Kameraden dem am Boden liegenden Gegner den Rücken zu, aber er hatte nicht vor, Tomonaga diese Position ausnutzen zu lassen.
Langsam lenkte er den Khopesh auf das freie Feld und auf den sich wieder regenden Charger zu.
Der gegnerische Kommandant versuchte, seine schwer angeschlagene Maschine wieder auf die Füße zu bringen und erhob sich bereits wieder auf ein Knie als Tyr's Zielerfassung golden über der Silhouette aufblinkte.
Entschlossen presste er die Auslöser seiner mittelschweren Laser, der Partikelschleuder und der KSR Lafette, was die Wärmetauscher wieder an ihre Leistungsgrenzen führte. Noch hatte die Hitze in seinem Cockpit keine Auswirkungen, aber es war eine gefährliche Gradwanderung zwischen dem Abwägen massiver Feuerkraft und im eigenen Saft gegart zu werden.
Zumal er die verminderte Leistung der Kühlaggregate nicht einschätzen konnte.
Der künstliche Blitz riss in einem Sturm knisternder Partikel Panzerung vom rechten Torso des Charger, während die beiden grellen Laserstrahlen das schützende Metall auf der Torsomitte und dem linken Arm verdampften und glühende Furchen hinterließen.
Nur drei der abgeschossenen Raketen schlugen in das noch immer kniende Ziel ein und grelle Explosionen zuckten über das rechte Bein und den Torso derselben Seite.
Diesmal jedoch kämpfte der Kuritapilot erfolgreich gegen die Wucht der Einschläge und erhob seinen überschweren Mech dann vollständig.
Kurz schien Tomonaga zu überlegen, gegen wen er sich richten sollte, entschied sich jedoch für Tyr, der noch immer Schritt für Schritt langsam auf ihn zu steuerte.
Da die Distanz für die fünf leichten Laser noch immer zu groß war, versetzte er den Charger erneut in einen Sturmlauf und ihm war fast so, als könne er die Mordlust des anderen Kriegers fühlen.
An dem auf ihn zu stürmenden Mech vorbei konnte Tyr die hinter dem Commando aus der Seitenstraße brechende Formation der restlichen Gegner erkennen. Angeführt von dem aus allen Rohren feuernden Striker schienen die Drakonier sich nun auf den Zeus seines Teams zu konzentrieren.
Patricks leichter Scout war ein Bild des Grauens. Der rechte Arm bestand nur noch aus herunter hängenden Leitungen und Trümmern der internen Struktur, der Torso war an mehreren Stellen aufgerissen und glühende Preschen in der geschundenen Panzerung zeugten von schweren Laserfeuer, dem der Mech auf seiner Flucht ausgesetzt gewesen war.
Der außerhalb seines Mechs eher gemächliche Scout sprintete mit fast hundert Kilometern die Stunde zwischen seinen beiden Teamkameraden hindurch und damit hinter Tomonagas Charger, auf den er seine verbliebenen Waffensysteme bestehend auf sechs Kurzstreckenraketen und einem mittelschweren Laser abfeuerte.
Wieder zuckten Flammen um dem geschundenen Mech des gegnerischen Anführers, aber nur wenige der Raketen fanden ihr Ziel und auch der sonnenhelle Laserstrahl schälte nur wenig der Panzerung vom rechten Bein.
Das Ergebnis von Sonnenschein und Flashfire nach den ersten Sekunden des entstehenden Feuergefechts konnte sich dagegen mehr als sehen lassen.
Zwar hatte der überschwere Zeus schwere Treffer des Striker und seiner beiden Begleiter einstecken müssen, Cassandra hielt die Maschine aber mit der Erfahrung einer abgebrühten Mechkriegerin aufrecht.
Im Gegenschlag schleuderte sie dem auf sie zu stapfenden Sturmmech die Zerstörungswut des schweren Lasers und der PPK entgegen.
Noel's Griffin hingegen war durch den Einsatz seiner vollen Waffenlast gegen den Charger und dem darauf folgenden, weiten Sprung in die Mitte des Platzes noch so aufgeheizt, dass er nur die Langstreckenraketen einsetzte. Als Ziel hatte sich der Lanzenkommandant den Panther erwählt, der auf die Reste eines drei Stockwerke hohen Gebäudes gesprungen war und dessen PPK noch immer vom Einsatz gegen den Zeus rauchte.
Die Salve der zehn Raketen schraubte sich auf spiralfömigen Flugbahnen in die Höhe und sank dann kurz vor dem Ziel herab, donnerte mit hoher Geschwindigkeit in die fensterlose Ruine und zertrümmerte mit ihren schweren Explosionen altersschwachen Beton und rostige Stahlträger.
Grimmig sah Tyr dabei zu, wie die tragenden Wände des leer stehenden Gebäudes nachgaben und die angeschlagenen Mauern unter den fünfunddreißig Tonnen Gewicht des nun einbrechenden Daches stehenden Panthers regelrecht zermahlen wurden.
Zuerst sackte der Mech durch das Staubwolken und Trümmer speiende Dach, dann gaben auch die instabilen Außenmauern nach und begruben den nun weiter einbrechenden Panther unter Tonnen an herabfallenden Trümmern.
Eine dichte Wand aus feinem Staub wallte vierzig Meter hoch auf und verhinderte einen Blick auf das weitere Schicksal des Scoutmechs, er war sich jedoch sicher, dass dieser Gegner nicht mehr am Kampf teilnehmen würde selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintrat, dass der Pilot den Einsturz überlebt hatte.
Mit einem kurzen Blinzeln vertrieb er einen Schweißtropfen von seinem Augenlid und wendete sich dann wieder seinem ganz eigenen Problem zu. Tomaonaga und seinem nahenden Charger.
Die Attacke des Commando schien den Kurita nicht im Geringsten gestört zu haben und der Nahkampfmech war nun fast auf Armlänge an seinen Khopesh heran.
Tyr konnte und wollte sich auch gar nicht ausmalen, was eine Rammattacke des schwereren Gegners bei dieser Geschwindigkeit mit seinem eigenen Kriegsgerät anstellen würde und ein Positionswechsel war aufgrund seiner nur mageren Beweglichkeit nicht zielführend.
Selbst seine Sprungdüsen würden ihn nirgendwohin bringen. Zumindest nicht in Sicherheit vor dem wütenden Charger.
Entschlossen zog er das Fadenkreuz wieder über den mittlerweile fast schutzlosen Torso seines Gegners und wartete die Sekundenbruchteile, bis der Computer die Erfassung durch Blinken bestätigte.
Auf kürzeste Entfernung pumpte Tyr erneut seine mittelschweren Laser, die Geschosse der Kurzstreckenlafette und die hitzige Vernichtungskraft seiner binären Laserkanone in den Rumpf des Chargers und bezahlte den massiven Waffeneinsatz fast direkt mit einer atemraubenden Hitzewelle, die über ihm zusammen schlug.
Seine Laser schmolzen die noch verbliebene Panzerung vom Rumpf der Maschine von Tomonaga und stachen dann tief in ihr Inneres, wo sie empfindliche Teile zu glühenden Klumpen zerschmolzen, gefolgt vom gleißend hellen Licht der Kanone, deren Strahl sich über den linken Torso bis ins Zentrum der breiten Brust schnitt, Stahlträger wie Streichhölzer verbrannte und ebenfalls die internen Bauteile mit immenser Hitze verflüssigte.
Dann folgten die KSR.
Alle sechs Raketen zuckten, auf hellen Abgaslinien reitend, über die kurze Distanz und durchschlugen die nur noch bruchstückhaften Reste der Panzerung um mit ihren grellen Detonationsblitzen das Innere des Charger stroboskopartig auszuleuchten und ganze Panzerplatten und verbogene Struktur auf den versandeten Platz zu schleudern.
Tyr hielt den Atem an und machte sich für den Aufprall bereit, aber diesmal zeigten seine Treffer Wirkung. Tomonaga wurde in seinem Sturmlauf gestört, als der Charger noch einen wackeligen Schritt machte und dann wie eine Marionette, deren Führungsseile man durchtrennt hatte, nach vorn kippte.
Mit dem Geräusch berstenden Stahls schlug das achtzig Tonnen schwere Monster nur wenige Meter vor den Füßen des Khopesh auf und blieb regungslos auf dem sandigen Untergrund liegen.
Erleichtert aufatmend richtete Tyr seine Aufmerksamkeit wieder auf den Schlagabtausch der restlichen Teilnehmer, aber er konnte gerade noch sehen, wie der völlig demolierte Striker hinter der Ecke einer Seitenstraße abtauchte, während sein Teamkamerad im Jenner mit einem weiten Sprung auf seinen plasmaspeienden Düsen die Sicherheit der Ruinen ebenfalls suchte.
„Sonnenschein an Alle. Keine Verfolgung der beiden verbliebenen Ziele. Für heute soll es genug sein. Lasst sie laufen.“
Die Stimme von Noel tönte angestrengt aus den Lautsprechern seines Helmes und Tyr konnte den Mech des Lanzenkommandanten auf den thermischen Sensoren wie ein Leuchtfeuer glühen sehen. Er hatte der Maschine alles abverlangt, wie auch Cassandra in dem Zeus, dessen Frontalpanzerung nur noch eine blasse Erinnerung der einstigen Stärke darstellte.
Patricks kaum noch einsatzfähiger Commando kam neben dem rauchenden Wrack des Charger zum stehen und der Kopf der Maschine schien den Khopesh kritisch zu mustern.
Dann rauschte die Verbindung erneut und die Stimme des Scouts erklang.
„Eine wirklich grandiose Idee. Mein Kübel fällt gleich auseinander. Aber wenn ich mir Youngblood so ansehe, frage ich mich wirklich ob unser Neuzugang überhaupt am Gefecht teilgenommen hat. Der hat nicht einen verdammten Kratzer abbekommen. Beim nächsten Mal kann er das Ablenkungsmanöver übernehmen und ich ruhe mich aus. Für diesen Mist werde ich langsam zu alt.“
Von stoßartigen Atemzügen unterbrochen klang die Stimme doch fröhlich und zufrieden.
Gerade als Tyr entrüstet auf die Anspielung antworten wollte, wurden alle Kanäle von einer Durchsage der Spielleitung überlager.
„Wir gratulieren dem Team der Schwarzen Legion. Der Kampf ist beendet. Klarer Sieg durch Aufgabe des gegnerischen Teams. Damit steht der Gewinner dieser Saison fest. Die Schwarze Legion erhält für die grandiose Leistung in dem überaus spannenden Gefecht eine Belohnung und den Siegerpreis aus den Händen des Wesirs persönlich.“
Tyr hörte die Worte bereits nicht mehr, denn ein hektisches Blinken auf der Comkonsole, welches er mit den Augenwinkeln wahr nahm, riss seine Aufmerksamkeit an sich.
„Ich glaube die Siegerehrung müssen wir schwänzen. Mein Com zeigt die übertragene Zündfreigabe für die Cockpitbombe an. Keine Ahnung wie lange schon.“
Schon riss er die Steuerung herum und ließ den Khopesh in einen schnellen Trab in Richtung des Ausgangs verfallen.
„Bei uns auch, Youngblood. Die blinken schon seit Beginn des Feuergefechts. Wir sollten uns beeilen. Hoffen wir, dass Henry und seine Jungs und Mädels es geschafft haben sonst wird die Siegesfeier ziemlich trübe aussehen.“
Cassandra schwenkte hinter seinem Khopesh ein, während der Griffin und der Commando an ihm vorbei voraus preschten.
Hoffnung war alles, was ihnen jetzt blieb. Die Hoffnung darauf, die Basis bei ihrer Rückkehr nicht als rauchendes Massengrab vor zu finden.
11.07.2020 18:28 Taras Amaris Neu2 ist offline E-Mail an Taras Amaris Neu2 senden Beiträge von Taras Amaris Neu2 suchen Nehmen Sie Taras Amaris Neu2 in Ihre Freundesliste auf
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Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Hauptquartier der Schwarzen Legion
Kommandozentrale
20. Februar 3025

Alles aus und vorbei. Erneut duckte sich Graham hinter der Konsole in der Mitte des Raumes in Deckung als eine lange Salve schwerer Geschosse funkensprühend eine Reihe Löcher in das Metall stanzte.
Seine Hand umfasste die schwere Automatikpistole und verzweifelt ließ er sich mit dem Rücken gegen die Konsole fallen, an der er zu Boden rutschte und auf dem Boden sitzen blieb.
Die Kommandozentrale glich einem chaotischen Schlachtfeld.
Überall waren die verbliebenen Männer und Frauen seines Sicherheitsteams in Stellung gegangen und feuerten mit ihren Waffen durch die aufgesprengte Eingangstür, koordiniert von der immer wieder laut Befehle brüllenden Zahra Lynch.
Wie hatte das alles nur so völlig seiner Kontrolle entgleiten können?
Alle seine Planungen, die gesamte Situation. Im Geist ging er nochmals die Vorgänge der vergangenen eineinhalb Stunden durch.
Während des Gefechts hatte er den Befehl zur Auslösung der Cockpitbomben gegeben und gleichzeitig angeordnet, die an der Oberfläche Luft einsaugenden Schächte des Belüftungssystems zu schließen um eine möglichst verheerende Wirkung des Kampfstoffes zu gewährleisten.
Aber weder waren die Bomben explodiert, noch war das Gas ausgetreten. Im Gegenteil.
Die beiden Züge der Sicherungsabteilung waren unter Einsatz schwersten Waffenfeuers aus der Kantine gestürmt und hatten die dort wartenden Spezialisten Heyden und Cromwell einfach überrannt.
Auch die beiden bei den Fluchtfahrzeugen wartenden Soldaten, die Lynch zur Verstärkung des Teams befohlen hatte, waren innerhalb von Sekunden ausgeschaltet worden.
Und nun hatte die Mechlanze der Schwarzen Legion den Finalkampf gewonnen, bis auf die Kommandozentrale kontrollierten die Söldner die gesamte Basis und vor wenigen Minuten waren auch noch die vier Mechs aus Jasons Reef wieder eingetroffen, was ihre Chancen, heil aus der verfahrenen Situation zu entkommen von niedrig auf unmöglich sinken ließ.
Zahra sprang von ihrer Position hinter einer benachbarten Konsole hinter seine Deckung und schoss dabei zweimal mit ihrer Gyrojetpistole in Richtung der ausgefranzten Öffnung, die vor dem Treffer einer tragbaren KSR mal eine solide, doppelflügelige Stahltür gewesen war.
„Keine Chance, Sir. Ohne die zusätzlichen Kräfte die den Konvoi gesichert haben, können wir hier nichts ausrichten. Die lassen uns nicht mal durch den Notausgang entkommen ohne wie ein Sieb zu enden. Ich verstehe nicht, warum die nicht einfach ein paar Granaten durch die Tür werfen oder nochmal mit dem KSR-Werfer hier rein halten. Würde uns auf jeden Fall den Rest geben. Nicht dass wir mit sechs Mann plus uns beiden noch irgendwas ausrichten könnten. Richardson hat sich eine Kugel in die Schulter gefangen. Thomlinson hat es am Bein erwischt. Uns geht die Munition aus und die Zünder in der Hangardecke reagieren ebenfalls nicht. Tut mir leid, Sir, aber ich habe keine Ahnung was wir machen sollen. Wie sind ihre Befehle?“
Die Frau schrie über das aufwallende Antwortfeuer hinweg, aber er konnte ihr keine Antwort geben. Zu sehr war er von den Ereignissen geschockt. Zu sehr arbeitete sein Gehirn krampfhaft an einer Lösung, die nicht mit seinem sicheren Tod endete.
Dann herrschte von einem auf den anderen Moment eine fast angsterfüllende Stille.
„Graham, Lynch, können sie mich hören?“
Die Stimme von Tyr Sievers hallte durch den verrauchten Gang in die Kommandozentrale und schnell gab seine Stellvertreterin ihren verbliebenen Leuten ein Zeichen, nicht zu schießen.
Mit einem kurzen Blick zu ihm schüttelte sie frustriert den Kopf und rief dann selbst in die Richtung der zerfetzten Eingangstür.
„Hier ist Lynch. Ja, ich höre Sie klar und deutlich. Ich hoffe Sie verstehen, dass ich Ihnen nicht zu Ihrem Sieg im Finale gratulieren kann. Hat für uns eher unschöne Auswirkungen gehabt.“
Kurz herrschte wieder Ruhe, dann trat der junge Mechkrieger um die Ecke des Ganges herum und ging auf die breite Öffnung zu.
Die Laserpistole steckte in seinem Halfter und er trug noch immer nur die Shorts und die Kühlweste, mit denen er den Kampf bestritten hatte. Seine Arme waren ausgebreitet wie zu einem Gebet, aber in der Rechten hielt er ein kleines Kästchen mit einer roten Klappe, die bereits geöffnet war und einen silbernen Schalter entblößte.
„Nicht schießen, Lynch. Lassen sie uns reden. Es sind genug gute Leute für einen Tag gefallen.“
Tief atmete die Leiterin der Sicherheit durch und sah dann nochmals auf ihren leer vor sich hin starrenden Vorgesetzten herab, bevor sie die Gyrojetpistole ebenfalls in das Halfter steckte und sich langsam mit gehobenen Händen erhob.
„Na gut, Sievers. Ich glaube zwar nicht, dass ein Gespräch viel an der derzeitigen Situation ändern wird, aber versuchen wir es. Schaden kann es ja nicht.“
Der Mechkrieger war in den Trümmern der Tür stehen geblieben und blickte herausfordernd zu ihr herüber während sich nun auch Graham erhob.
„Egal was Sie tun, Sievers, wir gewinnen. Unser Auftrag ist erfüllt, die Prototypen und das relevante Personal sind in Sicherheit. Selbst wenn Sie uns jetzt alle umbringen, werden die Kampfhunde unseres Auftraggebers über eure kleine Gruppe an Verrätern herfallen. Sie werden euch jagen und zur Strecke bringen. Egal wo oder wann, ihr werdet immer mit einem offenen Auge schlafen müssen, denn die Arme der Organisation sind lang und sie vergisst nie etwas. Und was wollen Sie mit diesem dämliche Zünder? Wenn Sie uns umbringen wollen, erschießen Sie uns doch einfach.“
Ihre Worte sollten wohl aggressiv klingen, warnend, aber es war offensichtlich, dass dies nur eine bröckelnde Fassade darstellte. Einen letzten Versuch, sich aus der Situation zu winden, auch wenn durchaus Wahrheit in den Worten steckte.
„Sie haben die Eier uns Verräter zu nennen, Lynch? Wirklich? Sie und Graham wollten uns alle umbringen. Jeden einzelnen. Mit gottverdammtem Kampfgas. Und dann wollten Sie uns unter Tonnen an Geröll begraben, damit ja niemand von Ihren schändlichen Taten erfährt. Sie haben uns verraten. Sie haben Pieter van Zahnt umgebracht, weil er unbequeme Fragen stellte und seine Witwe, weil sie nicht aufhören wollte für Unruhe zu sorgen, nachdem Sie ihre Schwester und ihren Mann getötet hatten. Aber wir sind die Verräter? Sie können mich mal, Lynch. Kreuzweise, wenn Sie das wollen. Und was Ihre Frage mit dem Zünder in meiner Hand betrifft, so bin ich so frei und stelle Ihnen eine Gegenfrage. Was glauben Sie haben wir mit den Cockpitbomben und den Sprühvorrichtungen aus dem Lüftungssystem gemacht? Sehen Sie, nachdem uns klar wurde, dass Sie so überstürzt abreisen wollen und uns so nette Geschenke da lassen würden, da sahen wir uns Außerstande, diese anzunehmen. Also haben wir sie in einige unauffällige Kisten auf den Schwebern gepackt. Den Schwebern, die heute morgen mit Baxter und seiner Gruppe in die Wüste gestartet ist. Wenn ich sie richtig einschätze, haben ihre Leute bereits alles auf ein wartendes Landungsschiff geladen. Die Ladungen sind so eingestellt, dass bei Auslösung der blaue Dunst zweiundzwanzig Minuten hat um sich durch alle Ebenen des Schiffes zu arbeiten. Danach detonieren die vier Aerosolbomben. In einem voll gestellten Hangar dürfte das so gut wie alles vernichten und von dem Personal ist dann auch nichts mehr übrig. Sie sehen also, Sie werden nicht gewinnen. Ich verbrenne Ihre verdammten Superwärmetauscher und alle Berichte und Diagnosen zu Asche, nachdem ich Ihr relevantes Personal in einer gigantischen Urne zu Grabe getragen habe. Und das alles mit einem einfachen Druck auf diesen Schalter in meiner Hand.“
Als Zahra Lynch die Zusammenhänge in seinen Worten verstand, sog sie scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, während Jonathan Graham nur weiter leer vor sich hin starrte.
„Du Bastard hast ja keine Ahnung mit wem du dich hier anlegst. Wir wissen genau wer du bist und glaub mir, wir werden dich und deine Schlampe finden und in einem tiefen Loch begraben. Das verspreche ich dir.“
Er lächelte nur zu ihren Worten und nickte dann langsam.
„Glauben Sie mir, Miss Lynch, ich weis genau mit wem ich mich hier anlege. Ratten wie Jonathan Graham und Sie laufen mir nicht zum ersten Mal über den Weg. Oder soll ich Ihren Chef vielleicht Colonel Damian Pearce nennen? Ehemaliges Mitglied des Offizierscorps der Davion Guards. Das DMI rekrutiert noch immer gern aus den militärischen Rängen der Streitkräfte der Vereinigten Sonnen wie ich sehe.“
Er spie verächtlich auf den Boden und amüsierte sich offensichtlich über die geschockten Gesichter seiner beiden Gesprächspartner. Selbst Graham oder Pearce wie er in einem früheren Leben gehießen hatte, war aus seiner Starre erwacht und blickte ihn nun entsetzt an.
„Und was die Verfolgung von uns angeht, so habe ich nicht vor, Sie vom Planeten zu lassen. Sehen Sie, ich kenne die normale Vorgehensweise des Geheimdienstes wenn man Agenten liquidiert und um genau diese von Ihnen angesprochenen Folgen für uns zu vermeiden, habe ich das mit dem Landungsschiff in die Wege geleitet. Sie lösen sich einfach in Luft auf. Und wenn ein Team des DMI hier auftaucht um den Umständen ihres Verschwindens auf den Grund zu gehen, so finden sie ein ausgebranntes und kontaminiertes Schiffswrack. Keine Verbindungen zu uns. Man wird von einem Unfall oder Sabotage einer nicht freundlich gesinnten Organisation ausgehen, uns vielleicht befragen und dann das Mäntelchen der Verschwiegenheit über der Sache ausbreiten. Weitere Ressourcen zu verschwenden um Beteiligte aufzuspüren und zu begraben werden wohl nicht genehmigt. Und das ist dann das Ende der Geschichte.“
Hinter Tyr Sievers waren Infanteristen mit erhobenen Waffen aufgetaucht, die jetzt links und rechts an ihm vorbei in die Kommandozentrale traten und bedrohlich die verbliebenen Soldaten der Sicherungsgruppe ins Visier nahmen. Da keine Befehle von den Kommandooffizieren der Operation erfolgten, eröffneten diese nicht das Feuer sondern folgten den Söldnern nur mit den Läufen ihrer Waffen.
„Wie zum Teufel hast du das alles raus gefunden, Junge?“
Jonathan Graham schien sich langsam wieder zu fangen, aber ohne detaillierte Informationen konnte er sich natürlich nicht erklären, wie Tyr auf all die Gegebenheiten gestoßen war.
„Nun, Colonel, einen Verdacht hatte ich schon die ganze Zeit. Die hochwertige Ausrüstung, Ihre fast unbegrenzten Geldmittel, das war schon ziemlich verdächtig. Das fast ausnahmslos Lyraner für Sie arbeiten war ebenfalls ein Detail, das ins Auge sprang. Ich denke, man hätte diese Tatsache im Falle das Informationen durch ihr Netz gesickert wären, für eine Operation des LIC gehalten. Die Techs, die mit mehr Fachwissen aufwarten konnten als so manche Wissenschaftler des NAIS. Das alles hat nicht gepasst. Aber den Durchbruch hatte ich erst, als Mrs. van Zahnt in meinen Armen starb. Ihre letzten Worte gaben den Ausschlag für meine Neugierde. Graham ist nicht Graham.“
Mit langsamen Bewegungen der freien Hand griff Tyr in eine Tasche seiner Shorts und holte einen metallischen Gegenstand hervor, den er auf die zerschossene Konsole vor Lynch und Graham warf.
Mit erhobener Waffe war Henry zu seiner Rechten aufgetaucht und in gleicher Position stand Uljana zu seiner linken.
„Sicherheit hatte ich dann, als ich den abgerissenen Knopf von Cromwell in dem ausgebrannten Schweberwrack fand. Einer der toten Gardisten muss ihm den bei dem Handgemenge abgerissen haben und als er die Leichen auf dem Rücksitz ablegte, ist dieser dann zu Boden gefallen, wo ich ihn später entdeckt habe. Schöne Uniformknöpfe mit Metallinlett. So was gibt es hier nicht. Außer bei Ihren Jungs und Mädels. Ihre Fingerabdrücke hatten Sie ja freundlicherweise auf meiner Waffe hinterlassen, so dass ich diese einfach überprüfen lassen konnte. Und nachdem ich wusste, wer Sie vor Ihrem vermeintlichen Tod waren, habe ich Uljana gebeten, die Augen offen zu halten. Sie hat dann ihre Modifikationen in den Mechs entdeckt und Henry's Leute das Giftgas im Lüftungssystem. Und dann ist da ja noch die Wette gegen Ihr eigenes Team. Die zeigte mir, dass es heute so weit sein würde. Zwölf Millionen C-Noten auf unsere Niederlage. Das wäre eine schöne Rente gewesen.“
Entgeistert riss Lynch den Kopf zu Graham und ein wütendes Funkeln trat in ihre Augen.
„Sie haben was? Sie haben eine idiotische Wette über einen riesigen Betrag etabliert und das wahrscheinlich aus den durch die Operation erwirtschafteten Mitteln. Das sind Verstöße gegen jede Richtline und Vorgabe. Damit haben Sie die Geheimhaltung der Operation in eklatanter Art und Weise in Gefahr gebracht. Dafür müsste ich sie selbst erschießen.“
Kopfschüttelnd stützte Zahra Lynch die Hände auf die Konsole, ohne auf die Glassplitter zu achten, die darauf lagen. Ihre Welt schien gerade in einem Haufen solcher Scherben unter zu gehen.
Schuldbewusst und hilflos sah Graham sich unter den anwesenden Soldaten um, aber bevor er etwas zu seiner Verteidigung sagen konnte, öffnete sich die Notausgangstür und Stephano Gallierdi stolzierte in seinem in dieser Umgebung so unpassend erscheinenden Anzug herein.
„Na das ist doch eine schöne Überleitung zu meinem Auftritt, meine Damen, meine Herren. Ich würde Sie nun alle bitten, die Finger an den Abzügen zu entspannen. Die Atmosphäre dieses Raumes ist so angefüllt von Aggressionen, dass wir ein wenig klaren Menschenverstand zum Einsatz bringen sollten. Und du, Kleiner, bitte klapp den Zünder zu. Ich verspreche dir, dass es keine irgendwie geartete Notwendigkeit gibt, die Situation in einem solchen Maße eskalieren zu lassen. Bitte.“
Dem alten Mann folgte die junge Mechkriegerin, die zwar in angespannter Haltung einen Schritt hinter ihm verharrte, ihre eigene Waffe jedoch ganz im Sinne seiner Ansprache im Holster ließ.
Überraschung hatte jetzt von jedem einzelnen Anwesenden Besitz ergriffen, das Gallierdi ausnutzte um zwischen die beiden Parteien zu treten und beschwichtigend die Arme zu heben.
„Was tun Sie hier, Gallierdi?“
Zahra Lynch schüttelte als erstes die Verwirrung ab und blickte fordernd zu dem alten Mechkrieger, der entwaffnend Lächelte.
„Meinen Job, meine Werteste. Nur meinen Job. Und der beinhaltet, Ihnen das Leben zu retten, genau wie Tyr Sievers und auch allen anderen Beteiligten an dieser wirklich unschönen Angelegenheit. Sogar das Leben von Jonathan Graham oder wie wir eben gehört haben Colonel Damian Pearce. Auch die Leben von Mister Baxter und seinem Team und der Mannschaft des Landungsschiffes. Vor allem ist es aber mein Job, die Aggregate zu sichern und wenn Sie mir nicht glauben, so habe ich hier ein Schriftstück das mich heute Morgen mit weiteren Anweisungen via ComStar erreicht hat. Es ist kodiert, dreifach wie ich vermute, aber es dürfte sich ja jemand im Raum befinden, der das ändern kann, oder?“
Er zog ein gefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche seines Anzugs und auf ein knappes Nicken von Lynch hin trat ein Soldat vor und nahm es entgegen.
Ohne Zeit zu verschwenden steckte der Mann seine Waffe weg und begann, den Text auf dem mittlerweile auseinander gefalteten Blatt mit einem Gerät zu scannen.
Tyr hatte die Arme sinken lassen und sah zu Gallierdi, der entspannt ein Lied vor sich hin summte.
„Was soll das Ganze, Gallierdi?“
Wieder lächelte der alte Mechkrieger und machte eine beruhigende Geste.
„Nur mit der Ruhe, Kleiner. Geduld wird immer belohnt.“
Nachdem auch die letzte Zeile eingelesen war, blickte der Soldat erneut zu Lynch, die wieder nickte, bevor er begann, die entschlüsselte Nachricht vor zu lesen.
„Von der Operationszentrale. Geheimdienstliches Sekretariat des DMI. Schwarze Befehle. Das Lesen ist nur mit entsprechender Einstufung gestattet. Es ist für Sie, Miss Lynch.“
Mit aufgerissenen Augen hob der Soldat den Kopf, als sein Training im suggerierte, dass das Vorlesen einer solch brisanten Nachricht im Umfeld so vieler Zeugen definitiv nicht gestattet war.
„Lesen Sie, Mann.“
Der Befehl von Lynch kam in einem herrischen Tonfall und überzeugte den Mann davon, alle Bedenken über Bord zu werfen. Im angespannten Tonfall fuhr er fort.
„Für den MI4 Offizier der innerhalb der gegebenen Operation die sicherheitsspezifische Leitung sowie die Tarnidentität Zahra Lynch trägt. Wir möchten Sie davon in Kenntnis setzen, dass die Operation unter Revision steht. Da eine Gewährleistung der Sicherheit unter Vorbehalt einer Unterwanderung und Vergehen gegen die bestehenden Vorgaben nicht mehr gewährleistet werden kann, befehlen wir die Übergabe des Kommandos und aller damit verbundenen Befehlsgewalt an den Überbringer dieser Nachricht unter dem Decknamen des LIC Stephano Gallierdi. Er ist Führungsoffizier der Abteilung Norns und wird die Beendigung der Operation leiten und überwachen. Er ist in jeder Hinsicht als Vorgesetzter zu betrachten und hat alle Befugnisse, die dem ehemaligen Leiter oblagen. Der MI4 Agent mit der Tarnidentität Jonathan Graham ist sofort in Gewahrsam zu nehmen. Seine Sicherheitsfreigabe ist mit sofortiger Wirkung erloschen und eine Rückführung zur weiteren Untersuchung ist hiermit angeordnet.“
Prustend lachte Graham auf und zeigte hämisch auf das Schreiben.
„Was für ein Unsinn. Das ist eine Fälschung. Da könnte ja jeder mit so einem Stück Papier daherkommen. Wer soll das denn angeordnet haben? Mit welcher Autorität soll eine derartige Zusammenarbeit zwischen den Diensten legitimiert werden?“
Der Soldat schluckte kurz, sah noch einmal auf den Bildschirm und dann von Lynch zu Gallierdi.
Der alte Mann lächelte wieder, während die Sicherheitschefin eine misstrauische Miene aufgesetzt hatte.
„Nun mach schon, mein Sohn. Ließ weiter, wir haben heute noch einige wichtige Dinge zu erledigen.“
Wieder nickte der Soldat und erhob dann die Stimme.
„Gezeichnet, Hanse Adriaan Davion, Erster Prinz der Vereinigten Sonnen. Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Der Code ist verifiziert. Kein Fehler möglich. Das kommt aus der Operationszentrale. Die Befehle sind echt.“
Eisiges Schweigen.
Noch immer lächelte Gallierdi und blickte Lynch in die überraschten Augen.
„Es tut mir leid, dass wir uns nicht an die Befehlskette gehalten haben und direkt nach ganz oben gegangen sind, aber das haben wir nicht zuletzt auch den Eltern von Mister Sievers und ihren nicht unerheblichen Kontakten zu verdanken. Es kam zu einem unerfreulichen Nachrichtenwechsel zwischen New Avalon und Tharkad bezüglich der Situation hier vor Ort. Sie verstehen sicherlich, dass der Prinz dann persönlich einschreiten musste. Wie ich bereits sagte, eine unschöne Lage in der wir uns befinden. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir alles klären können. Mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit. Und da Sie meine Legitimation nun kennen, bitte ich Sie, Ihren Soldaten zu befehlen, die Waffen zu senken und zu sichern, Zahra.“
Mit offenem Mund starrte die Frau Gallierdi an und alle konnten sehen, wie es in ihrem Gehirn arbeitete.
Schließlich stimmte sie zu.
„Waffen senken und sichern. Mister Gallierdi, ich übergebe Ihnen den anwesenden Teil des MI4 Teams auf Astrokaszy bestehend aus noch vier einsatzbereiten Soldaten, zwei Verletzten, meiner Person und dem Agenten der unter dem Namen Jonathan Graham bisheriger Leiter der Operation war, Sir. Der Rest des Teams befindet sich mit den Operationszielen an Bord des Landungsschiffes Utrecht hundert Kilometer entfernt in der Wüste. Das Kommando dort trägt der wissenschaftliche Leiter Doktor Emilio Sanders, Tarnidentität Andrew Baxter. Wenn ich mit ihm Kontakt aufnehmen kann, wird er Ihnen ebenfalls das Kommando übergeben.“
Gerade als Zahra Lynch geendet hatte, zog Graham den Splint der Blendgranate in seiner Tasche heraus und schleuderte diese dann in einer schnellen Bewegung in die Mitte des Raumes, während er die Augen schloss und sich weg drehte.
Das gleißende, grellweiße Licht der Explosion wurde von einem kurzen Knall begleitet und blendete alle Anwesenden, die mit einer solchen Aktion nicht gerechnet hatten und zusätzlich durch die Entwicklungen völlig abgelenkt waren.
Schon während Graham als einzig Sehender zum Notausgang sprintete, feuerte er wild zwei kurze Salven aus seiner Automatikpistole hinter sich, die alle als Reaktion in Deckung gehen ließen, bevor er die leer geschossene Waffe fallen ließ und durch die noch offen stehende Tür hechtete.
Angetrieben von der Gewissheit, dass nur eine sofortige Flucht sein Leben noch zu retten vermochte, sprintete er durch die nur spärlich beleuchteten Gänge des Notausgangssystems der Basis.
Die Blendwirkung der Granate verschaffte ihm einige Sekunden Vorsprung und er hatte nicht vor, diese zu verschenken.
Nach einigen Minuten in den Korridoren erreichte er die steil nach oben führende Treppe und nahm immer drei Stufen auf einmal, bis er endlich die stählerne Außentür vor sich sah und diese schwer atmend aufdrückte.
Er konnte es schaffen. In einem der Schweber befand sich die Reisetasche mit den wertvollen Edelsteinen und die Fahrzeuge waren äußerst schnell und wendig. In Kombination mit seinen ausgeprägten Fähigkeiten als Fahrer eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Flucht.
Im Laufschritt sprang er an den ersten Fahrzeugen vorbei, die für ihren Rückzug zu dem Landungsschiff vorgesehen gewesen waren und riss dann die Fahrertür seines Schwebers auf um sich sofort auf den Sitz fallen zu lassen und mit einem kurzen Griff zu den Kontrollen den schweren Motor zu starten.
Mit einem letzter Blick auf den Rücksitz versicherte er sich, dass die Reisetasche noch immer an ihrem Platz lag, aber als er wieder durch die Frontscheibe sah, erstarrte er.
Ein großer Mann mit breiten Schultern und in einen schwarzen Anzug gekleidet stand direkt vor dem Schweber und starrte ihn aus bösen Augen an.
„Ismael! Was tust du denn hier?“
Die Frage blieb ihm im Hals stecken, als der Stahl eines kühlen Pistolenlaufs aus Richtung der noch immer geöffneten Tür gegen seine linke Schläfe gedrückt wurde.
Und dann erklang die Stimme des Mannes, mit dem Graham jetzt wirklich nicht gerechnet hatte.
„Hallo, mein Freund. Im Normalfall erwarte ich, dass meine Kunden ihre verlorenen Spieleinsätze direkt zu mir bringen, aber in deinem Fall und im Hinblick auf die große Summe dachte ich mir, ich könnte auch mal bei dir vorbei schauen und diese lästige Angelegenheit Auge in Auge klären. Du wolltest doch nicht etwa den Planeten verlassen ohne deine Schulden zu begleichen? Nein, das glaube ich nicht. Auf der anderen Seite ist diese Welt so erfüllt von schlimmen Dingen. Seien wir einfach froh, dass ich dich noch erreichen konnte, bevor Unstimmigkeiten auftreten konnten. Und das bringt mich auch schon zu der zwölf Millionen C-Noten Frage.“
Der Rabbi trat neben den Killer, der seine Waffe auf Graham richtete und funkelte böse in den Fahrzeuginnenraum.
„Wo ist mein Geld?“
Resignierend ließ der Angesprochene den Kopf hängen und deutete mit einer trägen Bewegung in Richtung der Rückbank. Einige Meter weiter hinten wurde die Notausgangstür nach außen getreten und ein ganzes Rudel Soldaten brach aus dem Gang hervor, die Waffen auf den Rabbi und seine Leute gerichtet, die nun ebenfalls neue Ziele fanden.
Hechelnd stolperte Gallierdi aus der Gruppe hervor und auf den Buchmacher zu.
„Stephano, dich trifft man auch überall. Ich denke die ganze Aufregung ist unnötig. Ich bin nur hier um Spielschulden einzutreiben. Der Rest interessiert mich nicht.“
Er gab seinem Angestellten ein Zeichen und dieser nahm die Waffe vom Kopf von Graham, beugte sich an diesem vorbei und zog die Tasche vom Rücksitz um sie auf dem Boden abzustellen und zu öffnen.
Zum Vorschein kam eine kleine, hölzerne Truhe die der Mann heraus zog und an den Rabbi weiter reichte.
Kurz entschlossen öffnete der Buchmacher den Deckel und lächelte dann zufrieden, bevor er ihn vorsichtig wieder schloss und die Box unter seinen Arm klemmte.
„Und schon ist der unangenehme Teil zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt. Graham, ich entschuldige mich, sollte unser Zusammentreffen zeitlich unpassend gewesen sein, aber du weist ja, finanzielle Dinge dulden keinen Aufschub. Es war mir wie immer eine Freude, Geschäfte mit dir zu tätigen. Einen schönen Tag noch.“
Ohne die auf ihn gerichteten Waffen zu beachten, wandte der Rabbi sich um und ging mit seiner kleinen Truppe zu zwei wartenden Geländefahrzeugen, die bereits kurz nach dem Einsteigen mit durchdrehenden Reifen und heulenden Motoren beschleunigten und in Richtung Jasons Reef davon fuhren.
Gallierdi hatte die Soldaten davon abgehalten einzuschreiten und ging nun mit ernster Miene an die Fahrertür, wo er zu Graham hinab blickte.
„Damit haben Sie aus einer unschönen Situation eine tragische gemacht, Jonathan. Sie werden es nicht bemerkt haben, aber mit Ihren Schüssen hinter sich haben Sie ein unschuldiges Leben genommen. Die Person ohne jede militärische Ausbildung, die nicht schnell genug in Deckung gehen konnte. Die Liebe eines wirklich, wirklich beunruhigend talentierten jungen Mannes, dessen boshafte Ader wie ich befürchte nun zu Tage treten wird. Ein Jammer, dass ich Sie zurück bringen muss. Zu gern würde ich sehen wie der Kleine Sie in Stücke reißt, für das was Sie Uljana angetan haben. Und jetzt steigen Sie aus dem Schweber. Wir bringen sie in Sicherheit, bevor der junge Witwer den Weg hier hoch findet und Rache fordert, ich bezweifle nämlich, dass die Söldner meinen Befehlen gehorchen werden, sobald Sie die seinen vernehmen. Spute dich, unruhiger Geist, der grimme Schnitter kommt mit großen Schritten und wenn man ihn fragt, so gibt er deinen Namen kund.“
Damit trat er von der Tür zurück und ließ Graham gebeugt aussteigen, während er seinen Blick in die Ferne schweifen ließ.
„Eine wirklich tragische Situation, fürwahr.“
11.07.2020 18:30 Taras Amaris Neu2 ist offline E-Mail an Taras Amaris Neu2 senden Beiträge von Taras Amaris Neu2 suchen Nehmen Sie Taras Amaris Neu2 in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 3


Unbekannter Planet
Ein unauffälliges Bürogebäude in einem Industriepark
Besprechungsraum
08. Mai 3025

Der lange, auf Hochglanz polierte Holztisch wirkte fast verloren in dem geräumigen Zimmer, das für Unterredungen wie jene eben gerade stattfindende speziell eingerichtet worden war. An jeder der Seiten saßen sich vier elegant gekleidete Personen gegenüber, deren Gefühlswelten stark voneinander abwichen.
Vor der riesigen Fensterfront war das wundervolle Schauspiel der am Horizont untergehenden Sonne zu bewundern, das jedoch niemanden interessierte.
Viel zu wichtig waren die Angelegenheiten, die es zu klären galt.
„Soll das ein Witz sein? Sie riskieren die Sicherheit einer Top-Secret Aktion wegen eines einzelnen Mannes? Wegen des unehelichen Bastards eines Ihrer niederen Adligen. Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.“
Der Sprecher war ein Mann mittleren Alters, der in erregtem Zustand die Worte lauter von sich gab, als dies wohl beabsichtigt war.
„Über die Einzelheiten der Operation waren wir nicht im Bilde, Blane. Es konnte ja keiner ahnen, dass Sie eine Truppe massenmordender Killer da draußen halten, die ohne jeden Grund Liquidierungen von Zivilisten vornehmen. Auch unter der Verwendung von Kampfstoffen, die laut der Ares-Konvention geächtet sind. Ihr Mann vor Ort hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und das ist ihm nun einfach nicht gut bekommen. Ich muss mich auch wirklich fragen, ob ihre Rekrutierungsmethoden nicht überprüft werden sollten, wenn solche Individuen Ihre verdeckten Operationen leiten.“
Die junge Frau auf der anderen Seite des Tisches formulierte ihren Einwand überlegt und emotionslos, ohne eine Miene zu verziehen, was Blane dazu brachte, wütend zu schnauben.
„In manchen Fällen benötigen wir Spezialisten deren Fähigkeiten breit gefächert sind. Die sich von ihrem Gewissen nicht zu Fehlern verleiten lassen und in verschiedenen Situationen auch Improvisationstalent beweisen. Dass die moralische Integrität solcher Personen nicht immer gewährleistet werden kann, sollte auf der Hand liegen. Colonel Damian Pearce war einer unserer Besten im operativen Bereich. Er etablierte und leitete die Aktion über einen langen Zeitraum und stellte den Erfolg sicher. Das mit dem Kampfgas, ja nun, da hat er wohl etwas über die Strenge geschlagen, zugegeben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass zur Sicherstellung der Geheimhaltung eine großangelegte Säuberungsaktion nötig war. Ich bitte Sie, Juliette. Als würde euer Verein nicht dasselbe machen. Wir sollten nicht vergessen, dass es hier um einen Haufen Söldner und Peripheriebewohner geht. Geringe Kollateralschäden. Mehr nicht. Ihre Reaktion darauf war völlig überzogen.“
Nun mischte sich ein weiterer Mann ohne aufzublicken in das Gespräch ein, der auf seinem Platz neben Juliette nachdenklich die Berichte auf einem in den Tisch eingelassenen Monitor durch ging.
„Söldner mit lyranischer Herkunft. Fast ausschließlich, Blane. Wir finden es nicht lustig, wenn False-Flag Aktivitäten auf unsere Kosten gehen. Und wenn einer unserer Feldagenten beginnen würde, eine ganze Reihe von Morden anzuordnen, so können Sie sich sicher sein, dass diese Aktivitäten einer Prüfung unterzogen werden würden. Spätestens als klar war, wer Tyr Sievers in Wahrheit ist, hätten Sie dieses Gremium unterrichten müssen. Und Pearce an die kurze Leine legen. Und tun Sie bloß nicht so, als wäre die vorliegende Situation unsere Schuld. Das geht alleine auf Ihr Konto. Sie haben die Kontrolle über Ihren Agenten verloren und wir sind eingeschritten um ein Desaster zu verhindern. Das Projekt ist in Sicherheit, die relevanten Mitarbeiter wieder in Installationen unter Ihrer Kontrolle. Und das ist der Verdienst unserer Organisation, nicht der Ihren. Wir wollen nicht vergessen, dass wenn unser Agent vor Ort nicht aktiv geworden wäre, Sie jetzt nichts weiter als einen kontaminiertes, ausgebranntes Wrack mit einigen verkohlten Leichen hätten. So sieht es nämlich aus. Die entstandenen Verluste wären weitestgehend vermeidbar gewesen, wenn man uns von der Tragweite der Operation von Anfang an in Kenntnis gesetzt hätte.“
Blane zog wütend die Stirn in Kraus und sah den Mann verächtlich an.
„Sie kennen aber schon die Definition einer verdeckten Operation? Einer der wichtigsten Grundsätze für die Durchführung solcher Angelegenheiten ist, dass so wenig Individuen wie möglich eingeweiht sind. Das ist essentiell. Und wenn wir Kenntnis von einer Ihrer Operationen erlangen würden, so können Sie sich sicher sein, dass wir nicht gleich beim Archon anrufen um nachzufragen was denn da los ist, verdammte Scheiße. Wegen Ihren Nachforschungen sitzt mir jetzt der Palast im Nacken und verlangt Antworten, die einfach nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Ich hätte nicht übel Lust eine Liste ihrer Einsatzagenten auf T-Shirts und Plakate zu drucken und dann vor dem Palast auf Tharkad zu verteilen.“
Der entstehende, aufgebrachte Tumult auf beiden Seiten des Tisches wurde von einer älteren Dame, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte und nun an das Kopfende des Tisches trat mit einer beruhigenden Geste beendet.
„Meine Damen, meine Herren, ich bitte Sie. Gegenseitige Vorwürfe, Schuldzuweisungen und vor allem Drohungen bringen niemandem etwas. Wir sind alle hier um diese brisante Situation in den Griff zu bekommen und weitere, derartige Vorkommnisse zu vermeiden. Genau darauf sollte unser Fokus liegen. Die reibungslose Zusammenarbeit unserer Dienste ist die Aufgabe dieses Gremiums. Mister van der Witt, was können Sie uns zum Hintergrund der Operation sagen, damit eine Einschätzung und Bewertung der Aktion und vor allem eine angemessene Reaktion durch uns möglich wird?“
Der angesprochene Mann, der am Tischende auf Blanes Seite saß, lehnte sich unbehaglich in dem Sessel zurück und warf einen schnellen Blick zu seinem noch immer wütenden Kollegen, bevor er sich räusperte und dann begann.
„Frau Vorsitzende, ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig die Geheimhaltung des Projekts ist. Das Vorgehen von Colonel Pearce erscheint überzogen, aber im Grunde genommen hat er seine Befugnisse mit dem Befehl zu verbrannter Erde nicht überschritten. Sehen Sie, als vor drei Jahren unsere Forschungsabteilung auf Hoff von Söldnereinheiten im Auftrag der Drakonier überrannt wurde, entschieden wir uns, das Projekt Phoenix in einzelne Installationen zu splitten, aber vor allem die Erprobung der Prototypen erwies sich als delikate Angelegenheit. Es war nötig, die Wärmetauscher mit erhöhter Leistungskapazität unter den realen Bedingungen eines Einsatzes zu testen, aber es wurde befürchtet, die revolutionäre Technologie könnte bei einem regulären Kampfeinsatz in die Hände des Feindes fallen. Tests bei den Spielen auf Solaris wären zu auffällig gewesen. Also etablierten wir die nun betroffene Einheit unter dem Kommando des Colonels auf Astrokaszy mit dem Auftrag, die dort stattfindenden Spiele für die nötigen Untersuchungen zu nutzen. Abgelegen und für niemanden von gesteigertem Interesse war dieser Planet in der Peripherie die perfekte Wahl. Die erzielten Ergebnisse geben uns Recht. Die Prototypen konnten erfolgreich alle geplanten Versuchsreihen durchlaufen ohne, dass eine Interesse über die Stadt hinaus geweckt worden wäre. Ich habe die eingegangenen Berichte nur überflogen, aber meiner Meinung nach rechtfertigen die Ergebnisse durchaus unser Vorgehen. Ich möchte noch anmerken, dass es zwar tragisch ist, aber eine Liquidierung der beteiligten Söldner sowie des zivilen Personals von uns noch immer in Betracht gezogen werden sollte. Alleine aufgrund der Möglichkeit eines hundert Prozent glaubhaften Dementis seitens des Palastes. Wir stricken eine nicht nachprüfbare Geschichte und begraben die ganze Angelegenheit dann.“
Wieder brandeten laute Proteste zwischen den Parteien aus, die jedoch diesmal von einer grauhaarigen Dame unterbrochen wurden, die lachend erst zu van der Witt und dann zu Blane hinüber sah.
„Ich glaube wirklich, dass Sie meinen Sohn massiv unterschätzen. Er weis jetzt, mit wem er es zu tun hat und er besitzt eine abgeschlossene Ausbildung unseres Dienstes. Seine Bewertungen durch verschiedene Instanzen waren durchweg fabelhaft und der Verlust durch seine Quittierung des Dienstes aufgrund persönlicher Gründe war bedauerlich, aber unvermeidbar. Er ist intelligent, vorsichtig und in der jetzigen mentalen Verfassung wahrscheinlich überaus tödlich. Zudem verfügt er dank Ihnen über eine eigene Einheit von nicht unerheblicher Kampfkraft. Zwei volle Lanzen Mechs, wenn ich nicht irre. Dazu Infanterie und Fahrzeuge. Er hat Verbündete auf dem Planeten und Kenntnisse des Geländes. Eine festungsartige Basis und zumindest in der Stadt eine hohe Reputation. Was möchten Sie denn unternehmen, van der Witt? Eine militärische Intervention? Schicken Sie die Davion Heavy Guards? Brandmarken Sie ihn als Piraten und schicken Ihre Spürhunde auf die Suche? Ich garantiere Ihnen, dass dies eine Entscheidung wäre die Sie definitiv bereuen. Von der zweifellos erregten Aufmerksamkeit solcher Aktionen mal ganz abgesehen würden Sie ihn dazu zwingen, gegen uns vor zu gehen. Direkt und ohne Rücksicht auf Verluste. Machen Sie sich nichts vor, Tyr Sievers ist ein junger Mann, den Sie nicht als Gegner haben wollen und die Möglichkeit, ihn kampflos zu liquidieren haben Sie vertan. Ich würde diesem Gremium stattdessen raten, eine Aushebung der Einheit als freie Mitarbeiter für schwarze Operationen in Betracht zu ziehen. Wir verpassen den Mitgliedern Schweigevereinbarungen und machen Ihnen klar, was passiert, wenn Sie dagegen verstoßen. Damit gewinnen wir eine hochwertige Ressource statt Mittel aufbringen zu müssen um diese zu vernichten. Wenn wir unseren Einfluss geltend machen und unsere Aussagen gegenüber den Palästen abstimmen, können wir das ganze glaubhaft verschleiern und umgehen unliebsame Anhörungen und Untersuchungen auf beiden Seiten. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.“
Die Stille, welche die Worte der wohl einst schönen Dame auslöste, war fast greifbar und sogar der sonst hitzige Blane faltete nachdenklich die Hände.
Es war van der Witt, der die Wand aus Schweigen durchbrach und sich erneut räusperte.
„Madame Drake, die Tragweite Ihres Vorschlags dürfte Ihnen bewusst sein. Wir müssten eine verdeckte Kontrollinstanz innerhalb der Einheit etablieren, die alle Abläufe koordiniert. Es werden vertrauenswürdige Kontakte benötigt und unser Dienst würde natürlich eine gleichberechtigte Nutzung der neu entstandenen Ressource voraussetzen. Wir haben Millionen C-Noten in die Infrastruktur investiert.“
Wieder mischte sich die Frau mit dem Namen Juliette ein und blickte ärgerlich über den Tisch.
„Ist das jetzt Ihr Ernst? Sie wollten diese Infrastruktur unter Tonnen von Gestein begraben, van der Witt. Sie selbst haben eben noch gesagt, dass wir weiter gegen diese Söldner vorgehen sollten. Und jetzt erdreisten Sie sich eine Kommandogewalt über eben jene Männer und Frauen zu verlangen, deren Tod Sie noch vor wenigen Augenblicken empfohlen haben? Das ist an Dreistigkeit ja wohl nicht mehr zu überbieten. Ihr Führungsoffizier hat bei seinem misslungenen Fluchtversuch die Lebensgefährtin des jetzigen Kommandanten der Einheit erschossen, der nebenbei bemerkt der Sohn eines Mitglieds dieses Gremiums ist. Was glauben Sie denn bitte, wie viel Motivation dieser Mann jetzt aufbringen wird, für Sie die Steine aus dem Feuer zu holen? Von den Frauen und Männern unter seiner Führung ganz zu schweigen. Ich wusste, dass die Intelligenz innerhalb Ihres Dienstes nur spärlich gestreut ist, aber dass die Inkompetenz bis hier her reicht, davon bin ich dann jetzt doch überrascht. Seien Sie froh, wenn wir Tyr Sievers davon abhalten können, mit seinen Truppen in die Piraterie abzudriften und wahllos Davion Welten zu attackieren.“
Wieder entbrannten heftige Streitgespräche zwischen den Parteien, die erneut von der am Tischende stehenden älteren Dame mit fester Stimme unterbunden wurden.
„Meine Damen, meine Herren. Ich rufe Sie nun zum zweiten Mal zur Ruhe. Juliette, was ich zuvor an Blane gerichtete sagte, gilt auch für Sie. Mäßigen Sie ihre Wortwahl. Ich werde eine Eskalation in diesem Gremium unter meinem Vorsitz nicht dulden. Ich verstehe die emotionalen Gegebenheiten der gesamten Angelegenheit und Madame Drake, ich möchte Ihnen hiermit mein tief empfundenes Beileid zum Tod ihrer Schwiegertochter in Spee ausdrücken aber wir sollten uns jetzt nicht von unseren Gefühlen leiten lassen. Ich stehe dem Vorschlag des LIC aufgeschlossen gegenüber, aber es bleibt eine Tatsache, dass das DMI erhebliche Kosten bei der Etablierung der Operation und auch weitere hohe Ausgaben während der Durchführung hatte. Das eine Vernichtung dieser Mittel angeordnet war ändert nichts an der Tatsache, dass hier ein gewisses Besitzrecht noch immer besteht. Auf der anderen Seite ist natürlich nachzuvollziehen, dass Tyr Sievers nicht bereit sein wird für die Fraktion zu arbeiten, die seiner Ansicht nach den tragischen Tod seiner Lebensgefährtin verschuldet hat. Zumindest im Moment nicht. Wie wäre es mit einem Kompromiss? Der LIC übernimmt das Kommando und ist für die Geheimhaltung und Koordinierung verantwortlich. Ausschließlich erfahrene Offiziere aus dem lyranischen Bereich. Sollte das DMI eine Verwendung für die neu geschaffene Ressource haben, so stellen wir eine Anfrage, die durch Sie geprüft und genehmigt wird. Die Befehlskette beruht dann ausschließlich auf Ihren Leuten. Die Kosten werden fair nach dem entstehenden Einsatzaufkommen geteilt. Wir heben die Einheit aus und belegen sie mit dem schwarzen Status. Keine Informationen an Außenstehende, keine Erwähnung in Einsatzberichten, außer direkt an dieses Gremium. Was die Paläste angeht, so würde ich den Vorschlag von Madame Drake aufgreifen und wir suchen einen Sündenbock, den wir dann präsentieren können. Dieser Spinner auf Sian würde sich doch anbieten. Das wäre auch eine Erklärung für die geächteten Kampfstoffe. Dem ist ja schließlich alles zu zu trauen. Wir entlarven Colonel Pearce als Doppelagenten im Dienst der Maskirovka und deklarieren seine Aktionen als Hochverrat. Das sollte die Herrschaften in den Thronsälen besänftigen. Damit erhalten wir die Geheimhaltung, erschaffen eine wertvolle, neue Ressource und gehen unbequemen Fragen der Obrigkeit elegant aus dem Weg. Das wäre eine Lösung, die für alle Seiten eine akzeptable Ausgangssituation unter nur geringen Verlusten erschaffen könnte.“
Fast alle Anwesenden nickten zu dem ausführlich vorgetragenen Vorschlag der Vorsitzenden. Nur Blane schien wenig Begeisterung aufbringen zu können, auch wenn er wohl die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in dieser Sache einsah.
„Frau Vorsitzende, bei allem Respekt, ich habe Vorbehalte, den Namen eines verdienten Einsatzagenten vor dem Prinzen in den Schmutz zu ziehen. Natürlich hat Pearce Fehler gemacht, ohne Frage, aber dieses Vorgehen wirft einen negativen Schatten auf unsere gesamte Organisation und wir sollten uns wirklich gut überlegen, ob wir dem Ruf eines toten Mannes so etwas antun möchten. Wie ich bereits sagte, waren seine vorhergehenden Einsätze überaus erfolgreich.“
Lucille Drake legte die Stirn in Falten und sah mit schmalen Augen zu Blane hinüber.
„Warum eines toten Mannes? Zumindest im Moment ist der Mörder von Uljana Poljakow noch quicklebendig. Er ist hier.“
Die Gesichtszüge von Blane und van der Witt entglitten gleichzeitig in eine Maske puren Entsetzens, wobei der zweitgenannte seine Sprache zuerst wieder fand.
„Was meinen Sie bitte mit quicklebendig? Und vor allem hier?“
Die bis jetzt abwartende vierte Person auf der Tischseite des LIC, ein unscheinbarer Mann mittleren Alters und mit grauem Nadelstreifenanzug schnaufte verächtlich.
„Lesen Sie beide eigentlich die Berichte, die Sie erhalten oder ist das für Personen in Ihrer Position unüblich, verdammt? Colonel Pearce wurde auf Astrokaszy in Gewahrsam genommen und unter Arrest gestellt. Die Utrecht brachte ihn zu einem Treffpunkt mit einem unserer Schiffe und heute morgen ist er hier eingetroffen. Er steht unter der Aufsicht Ihrer MI4 Agentin und des nicht kompromittierten Teils des Teams. Im Moment sind sie auf dem Weg zu dieser Installation.“
Aufgebracht sprang Blane von seinem Stuhl, stützte die geballten Fäuste auf die Tischplatte und brüllte den Sprecher wütend an.
„Seid Ihr denn alle völlig irre? Warum ist Pearce noch am Leben? Gibt es an Bord eurer Schiffe keine Luftschleusen aus denen man ihn hätte entsorgen können? Und warum bringt Ihr ihn ausgerechnet hier her? Hat der Schwachsinn im LIC um sich gegriffen oder wollt Ihr uns jetzt vollständig blamieren? Sie wagen es von Inkompetenz zu sprechen und dann das? Welchen Teil des Wortes Geheimdienst habt Ihr nicht verstanden? Geheim, gottverdammte Scheiße!“
Noch bevor die Vorsitzende einschreiten konnte, antwortete der unscheinbare Mann ohne auf den Wutausbruch seines Gegenüber einzugehen mit ruhigen Worten und ohne mit der Wimper zu zucken.
„Sehen Sie, Blane, zum ersten waren die Befehle Ihres Prinzen klar und deutlich formuliert. Wir sollten Pearce unter Arrest stellen und zu weiteren Vernehmungen in Ihren Gewahrsam überstellen. Wenn unser Dienst solche Anweisungen von ganz oben erhält, dann pflegen wir das auch so zu tun. Punkt. Im Gegensatz zu Ihrer Organisation legen wir Anweisungen nicht aus wie es beliebt. Zweitens haben wir gar nicht die Legitimierung Ihre Einsatzagenten auf Kommandoebene einfach zu liquidieren. Das geben die Grundlagen unserer Zusammenarbeit einfach nicht her. Machen Sie uns also nicht für den Dreck vor Ihrer Tür verantwortlich, Blane. Und lassen Sie mich noch ein kurzes Wort der Warnung aussprechen. Diesen Tonfall lasse ich mir von Ihnen nicht gefallen. Vergessen Sie nicht, mit wem Sie hier sprechen oder ich sorge dafür, dass Ihre Erinnerung aufgefrischt wird. Wir von Loki vergessen nicht so schnell und man sollte uns auch nicht provozieren!“
Der kalte, drohende Unterton in der Stimme des Mannes ließ Blane wieder zurück auf seinen Stuhl sinken, auch wenn die Wut nicht aus seinen Augen verschwand.
„Drohen Sie mir, Tembroke? War das gerade wirklich eine Drohung in meine Richtung, Sie verdammter Terrorist?“
Nun setzte der Angesprochene ein verbindliches Lächeln auf, bevor er antwortete.
„Nur eine einfache, partnerschaftliche Warnung, Blane. Nichts weiter. Aber seien Sie mit dem Wort Terrorist vorsichtig. Das ist doch eine unschöne, diffamierende Bezeichnung, auch wenn Bomben und Gifte zu den Spezialitäten meiner Abteilung gehören. Fürchterlich, was so eine Autobombe mit ihren Opfern anstellt.“
Wieder wollte Blane wütend aufbrausen als die herrische Stimme der Vorsitzenden laut durch den Raum schallte.
„Es reicht! Sie beide werden sich jetzt beherrschen. Wir sind Verbündete und sollen uns nicht gegenseitig abschlachten. Blane, letzte Warnung an Sie. Weitere verbale Ausbrüche werden Konsequenzen nach sich ziehen. Und Tembroke, wir nehmen auch Warnungen sehr ernst. Seien Sie versichert, dass ich Mittel und Möglichkeiten habe, auch Sie in Ihre Schranken zu weisen.“
Die ältere Frau blickte sich am Tisch um und nahm nickend zur Kenntnis, dass die beiden Streithähne sich wohl wieder unter Kontrolle hatten. Dann fuhr sie fort.
„Also gut, van der Witt, Sie nehmen sich direkt im Anschluss an diese Unterredung dem Problem mit Colonel Pearce an. Ich denke es ist an der Zeit, dass wir seine bereits vor Jahren erschienene Todesanzeige verwirklichen. Er verschwindet und diesmal endgültig. Und das Ganze bitte still und heimlich ohne Aufsehen zu erregen und bevor er hier eintrifft. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?“
Van der Witt bestätigte die Anweisung ohne ein Wort zu sagen mit einem einfachen Blick.
„Da das nun geklärt ist, bringe ich meinen Vorschlag zum abschließenden Umgang mit dieser Situation zur Abstimmung. Dafür oder dagegen. Keine Enthaltungen und keine weiteren Diskussionen. Es hat genug böses Blut zwischen uns gegeben. Also, ich bitte um eindeutige Handzeichen. Wer ist dafür, die einvernehmliche Lösung von Madame Drake und mir so anzugehen?“
Alle Anwesenden hoben bestätigend die Hände, was der Vorsitzenden einen zufriedenen Gesichtsausdruck abrang.
„Na also, dann besprechen wir nun die Details.“


Derselbe unbekannter Planet
Außerhalb einer unbekannten Stadt
Auf einer menschenleeren Straße durch einen ausgedehnten Wald
08. Mai 3025

Damian Pearce saß zusammen gesunken und mit hinter dem Rücken gefesselten Händen auf der Rückbank der dunklen Limousine neben Zahra Lynch und starrte gedankenverloren aus dem Fenster.
Seit drei Stunden fuhr das Fahrzeug und ein weiteres, baugleiches Vehikel die einsame Straße entlang, die von dichtem Wald gesäumt wurde.
Weder seine ehemalige Stellvertreterin sprach, noch der Fahrer oder der Beifahrer, die noch bis vor wenigen Monaten unter seinem Kommando gestanden hatten.
Das ließ ihm die Zeit, über sein Vorgehen zu sinnieren und die vergangenen Ereignisse Revue passieren zu lassen. Nicht, dass er dazu nicht bereits genügend Zeit an Bord des Landungsschiffes auf dem Transport hierher gehabt hätte.
Er zermarterte sich das Gehirn, mit welchen Ausflüchten oder Lügen er sich aus der bevorstehenden Befragung winden konnte, aber so sehr er sich auch anstrengte, die Aussagen seiner Leute wie auch die Indizien sprachen eine klare Sprache.
Und zwar gegen ihn.
Er wurde aus dem Grübeln gerissen, als das Com der neben ihm sitzenden Frau summend zum Leben erwachte und sie den Anruf mit einer schnellen Bewegung der Hand bestätigte.
Ohne sich zu melden horchte sie in die Leitung und sprach erst, als der Anrufer wohl geendet hatte.
„Ja, Sir, wir sind auf dem Weg. In etwa einer Stunde können wir vor Ort sein. Die Zielperson ist wie befohlen in Gewahrsam.“
Wieder herrschte Stille, als der Gesprächspartner das Wort ergriff, dann verkniff Zahra die Lippen, als wolle sie Einspruch erheben, schien sich aber im letzten Moment anders zu entscheiden.
„Jawohl, Sir. Ich habe verstanden. Die Befehle werden sofort umgesetzt. Ich melde mich nach dem Vollzug.“
Kurz schloss sie die Augen, während sie die Verbindung beendete und beugte sich dann mit einem tiefen Seufzer nach vorn.
„Jefferson, suchen Sie einen Waldweg und biegen Sie dann ab. O'Reilley geben Sie Team zwei Bescheid, dass sich die Befehle geändert haben. Wir werden gleich halten.“
Beide Männer bestätigten die Anweisungen mit einem stummen Nicken und sie ließ sich wieder auf die Rückbank sinken, wobei ein kurzer Blick ihn streifte.
„Das war mein Todesurteil, oder etwa nicht, Zahra? Die haben entschieden dass eine Befragung vielleicht zu unerwünschten Antworten führen könnte und jetzt sollen Sie sich meiner entledigen. Hier, mitten im Nichts. Keine Zeugen, keine Fragen. Eine Leiche in einem tiefen Grab. Oder irre ich mich?“
Seine Worte ließen die Frau schlucken und ärgerlich schnaufen.
„Halten Sie den Mund, Pearce. Das haben Sie sich alles selbst zu zu schreiben. Niemand anders trägt die Schuld daran. Wir wären Ihnen selbst in die Hölle gefolgt und Sie haben uns verraten. Und das alles um Ihre Pension aufzubessern. Nach all dem was wir zusammen überlebt haben. Ich kann es noch immer nicht fassen. Aber keine Sorge. Ich werde es selbst erledigen. Ein sauberer Schuss in den Hinterkopf und einer in den Torso. Es wird schnell zu Ende gehen, dass verspreche ich Ihnen. Einen Rest von Respekt für Sie trage ich noch immer in meinem Herzen.“
Der Agent mit dem Namen Jefferson hatte die Limousine auf einen Waldweg gesteuert und hielt nun an, während der Beifahrer leise in sein Com murmelte, da ergriff Damian Pearce die Initiative.
Mit der Geschwindigkeit eines erfahrenen Agenten befreite er sich aus den bereits über die vergangenen Stunden hinweg gelockerten Fesseln und führte einen völlig überraschenden Schlag mit der Handkante gegen den Kehlkopf von Zahra, die röchelnd vorn über sackte. Schnell packte er sie an der Schulter, zog sie wieder in aufrechte Position und griff zu der Automatikpistole im Schulterholster unter ihrer Jacke.
Gerade als O'Reilley den Kopf nach hinten drehte um auf die Geräusche zu reagieren, zog er die Waffe hervor, entsicherte und lud sie durch und schoss dann dem MI4 Agenten zielgenau in die Schläfe.
Blut, Hirnmasse und Teile des Schädels begleiteten das Geschoss auf seinem Weg durch die gepanzerte Frontscheibe, während er die Ausrichtung der Pistole korrigierte und Jefferson in den Hinterkopf feuerte. Wieder verunstaltete eine Fontäne roter Masse den vorderen Innenraum, aber um sicher zu gehen schoss er noch jeweils ein weiteres Geschoss durch die Sitze in die Oberkörper seiner Opfer, die dies mit kurzem Zucken quittierten, bevor er die Tür aufriss und aus dem Wagen sprang.
Das zweite Fahrzeug hatte hinter ihnen nun ebenfalls gehalten und alle vier Türen öffneten sich sofort und entließen drei weitere Agenten seines ehemaligen Teams. Drei Männer und eine Frau, die bereits zu den Waffen griffen.
Thomlinson, der auf der Fahrerseite auf dem Rücksitz gesessen hatte, war als erstes bereit zu reagieren, warf einen schnellen Blick auf ihn, richtete seine Laserpistole dann auf den Hinterkopf des vor ihm stehenden Fahrers und drückte den Abzug durch.
Das Ergebnis war nicht im Ansatz so grauenvoll wie die Wirkung der Automatikpistole, brannte aber ebenfalls ein fingerdickes Loch durch den Schädel und trat an der Stirn wieder aus, wo eine rauchende Austrittsöffnung entstand, bevor der Fahrer tot zusammen brach.
Die Frau, welche vom Beifahrersitz gesprungen war, drehte sich in einer fließenden Bewegung um und ließ ihre Nadlerpistole in Richtung des Gesichts des hinter ihr platzierten Agenten sprechen.
Drei kurze Feuerstöße der messerscharfen, auf hohe Geschwindigkeit beschleunigten Polymersplitter verwandelten das Antlitz des Mannes in eine blutige Masse, bevor seine Leiche leblos zu Boden sank.
Thomlinson und auch die Frau traten dann um die ihre Sicht blockierenden Türen herum und feuerten erneut auf ihre Opfer um den Tod der Agenten sicher zu stellen, bevor sie langsam zu ihm traten.
„Das war so nicht geplant, Sir. Wir wollten doch warten bis wir Punkt beta erreichen. Was ist passiert?“
Die Frau sicherte ihren Nadler wieder und ließ ihn in dem Holster an ihrem Rücken verschwinden, während auch Thomlinson seinen Laser wieder in das Schulterholster steckte.
„Ein Anruf aus der Zentrale. Ich musste improvisieren. Die Bastarde wollten mich direkt hier in die Rente ohne Bezüge schicken. Eine unschöne Entwicklung, aber nötig. Verläuft sonst alles nach Plan?“
Während er um den Kofferraum herum zur hinteren Tür ging begutachtete Damian die Automatikpistole in seiner Hand und war mit dem Zustand der schweren M&G Service Automatic zufrieden. Das Magazin fasste acht Schuss, was ihm nach den vier verbrauchten Kugeln noch einmal dieselbe Anzahl zur Verfügung stellte.
Mit vorsichtigen Bewegungen öffnete er die Tür und Zahra Lynch's Körper kippte röchelnd und mit hervorgetretenen Augen vom Sitz auf den Boden. Ihre Hände umklammerten noch immer den zerquetschten Kehlkopf und Panik hatte von ihrem Blick Besitz ergriffen.
„Zu schade, Zahra. Ich schätze Loyalität, aber leider ist die Ihre dem Prinzen gegenüber fixiert. Das gestaltet unsere weitere Zusammenarbeit eher schwierig wie sich sicherlich vorstellen können. Ich bitte Sie aber, dass hier nicht persönlich zu nehmen. Ich habe Ihre Person immer geschätzt und war mit den Ergebnissen der Ihnen übertragenen Aufgaben in allen Fällen zufrieden. Ich möchte Sie auch nicht umbringen, wie Sie es zweifellos mit mir vor hatten. Das wäre eine Beendigung unserer durch tiefes Vertrauen geprägten Beziehung, die ich nicht auf mein Gewissen laden möchte. Viel eher bitte ich Sie um einen letzten Gefallen. Richten sie doch bitte meinem ehemaligen Arbeitgeber aus, dass ich hiermit den Dienst quittiere und auf die Abfindung für meine Tätigkeiten verzichte. Das mit ihrem Kehlkopf tut mir schrecklich leid, aber Sie wissen ja, im Krieg und in der Liebe sind alle Gemeinheiten gestattet. Ich wünsche Ihnen eine schnelle Genesung und bitte nehmen Sie Abstand von der Idee mich aufspüren zu wollen. Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, werde ich nicht so barmherzig sein. Und das ist ein Versprechen.“
Er war in die Hocke gegangen und lächelte friedvoll zu ihr herab, was einen herben Gegensatz zu seinem mit Blut besudelten Anzug bot.
Thomlinson war neben ihn getreten und sah ebenfalls auf die um Luft ringende Lynch herab.
„Wir liegen vor dem Zeitplan, Sir. Sonst verläuft alles wie geplant. Gefälschte Pässe und passende Unterlagen liegen bereit. Der Rest des Teams steht bei Punkt beta auf Abruf bereit und wartet auf weitere Anweisungen. Ich will Ihnen keine Vorschriften machen, Sir, aber halten Sie es für eine gute Idee, sie am Leben zu lassen? Das könnte in der Zukunft zu Problemen führen.“
Mit einem Ächzen erhob er sich in eine stehende Position und steckte die Waffe an seinem Rücken in den Hosenbund bevor er sich an seinen Untergebenen wandte.
„Mag sein, mag nicht sein. Die werden Stunden brauchen um rauszufinden, was hier passiert ist. Genug Zeit für uns um ungesehen zu entschwinden. Da mache ich mir keine Sorgen. Kontaktieren Sie das Team, dass wir uns am Abholpunkt delta treffen. Sofortiger Rückzug wie geplant.“
Damit ging er zu der zweiten Limousine, auf deren Fahrersitz die Frau mittlerweile Platz genommen hatte.
Thomlinson folgte ihm und sprach während dessen in sein Com um die Befehle auszuführen.
Damian Pearce hingegen war mit seinen Gedanken schon wieder bei der weiteren Planung.
Ein neues Spiel hatte begonnen und die neuen Voraussetzungen versprachen einiges an Spannung.


Planet Astrokaszy
Mount Keeve
Auf dem Gipfel des Berges
16. Mai 3025

Tyr Sievers kniete vor dem Steinhügel, den er alleine, nur mit seinen bloßen Händen zusammengetragen und über dem Grab von Uljana aufgeschichtet hatte. Seit fast drei Monaten kam er nun täglich hier hinauf um das Grab zu besuchen und fand jedes Mal Blumen und andere Gegenstände vor, die wohl von anderen Mitgliedern seiner neuen Einheit stammten.
Nachdem er seinen eigenen Strauß auf dem Hügel platziert hatte, setzte er sich schwerfällig daneben und betrachtete den wundervollen Ausblick. Rundherum erstreckte sich das Meer der Wüste bis an den Horizont, unterbrochen nur von den hellen Schatten von Jasons Reef. Die Luft auf dem Gipfel war dünn, aber frisch und kühler als auf der Ebene und ein ständiger Luftzug wehte miniaturisierte Staubtornados über des felsige Gelände.
Dieser Ort hätte ihr gefallen.
Nachdenklich zupfte er an dem Verband herum, der die bereits verheilende Schusswunde in seiner Schulter überdeckte. Das Geschoss aus der Waffe von Graham hatte seinen Körper an dieser Stelle durchschlagen und noch genug Kraft besessen, Uljanas Hals auf zu reißen.
Alle Versuche der herbeieilenden Sanitäter hatten seine Liebe nicht retten können. Sie war in einer sich ausbreitenden Blutlache in seinen Armen gestorben, während er nichts hatte unternehmen können.
Hilflos musste er mit ansehen, wie das Leben aus ihrem Körper entwich und alles Toben und Schreien seiner geschundenen Seele hatte nichts gebracht.
Er war sogar unfähig gewesen, den Mörder seiner Partnerin zu verfolgen, hatte jeden mit der gezogenen Laserpistole bedroht, der es gewagt hatte, sich ihnen zu nähern.
Erst Stunden später war es Stephano Gallierdi gelungen ihn von dem toten Körper wegzuholen, aber der furchtbare Anblick und die Erinnerungen an die Ereignisse ließen ihn bis zum heutigen Tag nicht ruhen.
„Du fehlst mir so sehr.“
Er sprach so leise, dass die Worte vom Wind verweht wurden und eine einsame Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange.
„Ich vermisse deine Nähe, Uljana. Deinen Rat und deine Stärke. Ich kann nachts kaum schlafen und wenn ich es doch tue, träume ich von unserer gemeinsamen Zeit. Wenn ich dann aufwache suche ich verzweifelt nach dir und finde nur eine leere, kalte Stelle im Bett. Ich glaube, ich verliere den Verstand und ich kann nichts dagegen tun.“
Verlegen griff er zu einem kleinen Stein und schleuderte ihn einige Meter von sich bevor er die Feuchtigkeit mit dem Ärmel des Uniformhemdes von der Wange wischte.
„Ich habe deinem Vater geschrieben. Habe erklärt was passiert ist und ihm ein aktuelles Foto von dir geschickt. Natürlich habe ich keine Antwort erhalten und ich wage es gar nicht mir vorzustellen wie hart ihn die Nachricht von deinem Tod getroffen hat. Meine Mutter hat zwar geschrieben, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht, aber ich kann mir vorstellen, dass ich ihm nicht mehr unter die Augen zu treten brauche. Leiden konnte er mich ja noch nie und es schmerzt, dass er mit seinen Worten Recht behalten hat. Ich würde dich in den Abgrund ziehen, hat er gesagt, als ich zum ersten Mal bei euch war und du mich vorgestellt hast. In den Abgrund.“
Traurig schnaufte er und betrachtete dann das schmucklose, metallene Kreuz, welches die verbliebenen Techs der Einheit aus den internen Strukturteilen eines Battlemechs gefertigt hatten.
Uljana Poljakow, geboren 01. Juni 3004. Gestorben 20. Februar 3025. Geliebte Seele, nun bist du frei.
Die Inschrift war grob mit einem Schneidbrenner in das harte Metall getrieben worden und würde in dem trockenen Klima von Astrokaszy über Jahrhunderte erhalten bleiben.
Er war sich sicher, dass auch dies Ihre Zustimmung gefunden hätte.
„Ich habe mit Khaled gesprochen. Er möchte Hussein und Adel ebenfalls hier oben bestatten lassen und hat versprochen, sich auch um dein Grab zu kümmern. Auch Megan und Pieter van Zahnt sowie Fiona Gale sollen umgebettet werden. Er sagte, es wäre passend, wenn alle Opfer dieser Vorfälle zusammen Ruhe finden würden. Da du Einsamkeit ja noch nie leiden konntest habe ich zugestimmt.“
Er fand einen weiteren, kleinen Stein und warf diesen ebenfalls weit von sich, bevor er fort fuhr.
„Ich habe mein Bestes getan, die Einheit zusammen zu halten, aber es ist unendlich viel Arbeit. Ich wollte sie nutzen um deinen Tod zu rächen, um wie eine Plage über die Vereinigten Sonnen her zu fallen, aber in Anbetracht unserer geringen Stärke ist das wohl Wunschdenken gewesen. Außerdem hast du Rache verabscheut und wärst wahrscheinlich auch nicht damit einverstanden gewesen, dass ich dir frühzeitig folge, nur weil meine Gefühle mich zu unbedachten Handlungen bewogen hätten. Mir wurde versichert, dass Graham seine gerechte Strafe erhalten hat, auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich das glauben soll. Meine Eltern haben sich wohl ziemlich ins Zeug gelegt, damit wir überhaupt eine Überlebenschance haben. Wahrscheinlich wären wir sonst jetzt schon auf der schwarzen Liste. Im Gegenzug habe ich zugestimmt, die Einheit als Einsatzgruppe des lyranischen Geheimdienstes auszubauen. Auf Basis freier Zusammenarbeit natürlich. Also habe ich unser Ziel einer eigenen Söldnereinheit letztendlich doch erreicht, auch wenn ich alles dafür geben würde, diesen Erfolg mit dir teilen zu können. Es sind alle geblieben, aber es fehlt noch einiges an Personal bis wir auf Sollstärke sind. Vor allem die Techs haben nach dem Wegfall von Baxters Team und dir keine Führung mehr. Eine richtige medizinische Abteilung besitzen wir auch nicht, wenn wir mal von den Sanitätern der Infanterie absehen. Im Grunde genommen fehlt uns die komplette logistische Unterstützung und ich habe keine Ahnung wie ich das ohne dich bewältigen soll. Bei den kämpfenden Einheiten stehen wir besser dar. Henry hat einen weiteren Zug Infanterie zur Ausbildung aufgestellt und damit fast eine Kompanie unter Waffen. Er hat aber durchblicken lassen, dass er sich erfahrene Unteroffiziere und vor allem einen Vorgesetzten wünscht. Wo ich den hernehmen soll, frage ich mich schon seit Tagen. Bei den Mechs sieht es nicht anders aus. Ich habe unsere Lanze und die erbeuteten Mechs von Tomonaga und der Gruppe um Gallierdi aus meinem Gefecht am Übungsplatz. Der Toro war aufgrund seines Alters nicht mehr zur retten, mit dem Rest kann ich eine weitere Lanze ins Feld führen. Aber mir fehlen die Piloten. An Fahrzeugen haben wir den leichten Fuhrpark der Legion übernommen. Da ist aber wenig drunter, was man wirklich in den Kampf schicken sollte. Der Gewinn aus dem Finale sichert uns finanziell ziemlich gut ab und auch Stephano hat zugesichert, dass wir in diesem Bezug Hilfe bekommen, sollte dies nötig sein. Über den Wesir habe ich Kontakt zu einem Landungsschiffskipper aufgenommen, der in Shervanis City wohl in ziemlichen Schwierigkeiten steckt. Ein Schmuggler, so weit man mir gesagt hat, dessen Ware wohl nicht der angegebenen Qualität entsprach. Er stammt aus der Liga freier Welten und hat eine alte Czar Klasse, einen ziemlich heruntergekommenen Kahn, den er uns auch langfristig vermieten würde, wenn wir ihm im Gegenzug aus seiner misslichen Lage helfen die wohl aus leeren Tanks und hohen Rückforderungen zwielichtiger Fraktionen besteht. Wird zwar eng werden, aber er schätzt, dass es klappt. Wir haben die letzten Wochen mit der Demontage der Ausrüstung der Basis verbracht, aber das habe ich dir ja schon erzählt. War eine ziemliche Plagerei und ich würde auch gern den Stützpunkt weiter nutzen, aber du kennst ja meine Paranoia. Zu viele Leute kennen diesen Ort und ich habe auch nicht vor, weiter an den Spielen teil zu nehmen. Wir werden uns einen abgelegenen Winkel der Peripherie suchen und dort neu anfangen. Ich habe da bereits so eine Idee, aber wir werden sehen müssen."
Langsam erhob er sich von dem kühlen, felsigen Boden und blickte wieder auf den Steinhügel hinab, als könne dieser ihm antworten.
"Ich habe zu lange damit gewartet und jetzt ist es nicht mehr als eine leere Geste, Uljana. Ich habe dich geliebt und nun, da du mir genommen wurdest, ist mein Herz leer und hat sich in einen Ort verwandelt, den du nicht wiedererkennen würdest. Nicht nur du bist hier gestorben. Auch ein Teil von mir liegt unter diesem Haufen Geröll begraben. Bitte verzeih mir, dass ich mit unserer Hochzeit so lange gewartet habe. Dass ich den Zeitpunkt immer für unpassend hielt."
Mit zitternden Bewegungen griff er in seine Hosentasche und holte das kleine Kästchen hervor, dessen Inhalt er bereits auf Blackjack erstanden hatte. Als er es öffnete, blitzten die beiden goldenen Ringe im Schein der Sonne.
"Ich habe unsere Verbindung immer weiter hinausgeschoben und das ist wohl eine der Tatsachen, die ich den Rest meines Lebens bereuen werde."
Behutsam nahm er das größere Schmuckstück aus dem Behältnis und steckte es sich an den Ringfinger, bevor er in die Hocke ging und einige der Steinbrocken unter Schmerzen zur Seite hievte.
Nachdem er das wieder verschlossene Kästchen in dem frei gewordenen Raum deponiert hatte, legte er die groben Felsstücke wieder an ihren Platz und erhob sich dann.
"Ich hoffe, dass du mir auch vor dem Altar deine Zustimmung gegeben hättest, Uljana. Wir werden heute aufbrechen und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich wieder hierher zurückkehren werde. Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben und es wird kein Tag vergehen, an dem ich nicht an dich denke. Ich liebe dich noch immer wie am ersten Tag und das wird sich niemals ändern, das verspreche ich dir. Leb wohl, Uljana. Wir sehen uns auf der anderen Seite wieder."
Noch einmal atmete er tief durch und drehte sich dann steif um. Der Abstieg würde zwei gute Stunden dauern und er hatte nicht vor sich zu beeilen. Zu viele Gedanken schwirrten in seinem trauernden Hirn umher, die um seine Aufmerksamkeit rangen. Er würde Zeit benötigen um alles in Ordnung zu bringen.
Viel Zeit.

Als er mit langsamen Schritten den großen Platz vor der Basis erreichte, war dieser erfüllt von hektischer Betriebsamkeit. In langen Reihen standen Fahrzeuge der Einheit bereit, wurden eilig beladen oder noch betankt um zumindest für die erste Etappe des zweiwöchigen Marsches durch die Wüste nach Shervanis City und das dort auf sie wartene Landungsschiff bereit zu sein. Die sieben lauffähigen Mechs ragten dazwischen wie mythische Giganten auf und schienen missmutig auf das Gewusel herab zu blicken, während der völlig demolierte Charger von Tomonaga auf dem Mechtransporter ruhte, den Uljana und er mit gebracht hatten. In der verbliebenen Zeit war es seinen Techs nicht möglich gewesen, alle Maschinen für den anstehenden Marsch bereit zu machen, was er jedoch absolut nachvollziehen konnte.
Alleine das Verladen der nicht unerheblichen Munitionsvorräte hatte einen vollen Tag in Anspruch genommen, von den anderen Arbeiten ganz zu schweigen.
Zielstrebig steuerte er auf Henry zu, der mit einem altmodischen Klemmbrett in der Hand inmitten des Chaos stand und böse umher sah. Als er ihn erblickte, hellte sich die Miene des Staff Sergeants merklich auf.
"Ich bin wirklich froh, dass du hier bist, Tyr. Das Ganze entwickelt sich zu einem logistischen Alptraum. Die fünfundzwanzig vom Wesir geliehenen Lastkraftwagen und auch unsere eigenen zehn sind beladen und betankt, die sechs Tankfahrzeuge stehen bereit. Zwölf Jeeps, vier Rock Rover Halbkettenfahrzeuge, zehn Motorräder und das alles muss noch kontrolliert werden. Der improvisierte Techstab geht gerade alle Lager nochmal durch, aber bis auf das ausgeschlachtete Wrack des Toro bin ich mir sicher, dass wir alles leer geräumt haben. Der Charger ist aufgeladen, Panther und Phoenix werden von Techs gesteuert. Einen Kampf sollten wir uns verkneifen, aber zumindest für den Marsch wird es reichen. Proviant und das Inventar aus den Ersatzteil- und Waffenlagern ist verstaut. Ich habe Infanteriegruppen für die Perimetersicherung eingeteilt und eine Abordnung der Garde des Wesirs wird für zusätzliche Sicherheit sorgen, wobei ich kaum glaube, dass irgendeiner dieser Wüstenspinner so dumm ist, einen Konvoi dieser Größe mit fast zwei Lanzen Mechs anzugreifen."
Während er sprach, sah Henry auf das Klemmbrett und schien mit seiner Leistung mehr als zufrieden zu sein, auch wenn das Gesamtbild der Transportaktion wohl noch nicht seinen hohen Asprüchen genügte.
Bei der Aufzählung der Battlemechs zog Tyr die Stirn in Kraus und blickte dann zu dem Firebee hinüber, dessen mattbraune Lackierung ihn fast mit der Umgebung verschmelzen ließ.
"Was ist mit dem? Gibt es keinen Tech, der die Maschine steuern kann?"
Kurz blickte Henry über die Schulter und hob dann beide Augenbrauen.
"Schon, aber das, mein Lieber, musst du mit deinem Freund Gallierdi klären. Der steht mit einer Truppe seiner Leute da hinten bei den drei Schwebern. Ist vor einer Stunde hier aufgetaucht und übernimmt wohl die Basis von uns. Der Offizier der Garde hat einen entsprechenden Vertrag mit dem Büro des Wesirs bestätigt. Was den Mech betrifft, so wollte er nur mit dir persönlich sprechen, mal abgesehen davon, dass ich für so einen Mist auch gar keine Zeit habe. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss dafür sorgen, dass diese idiotischen Techs die Prüfungen des Fuhrparks endlich über die Bühne bringen, dass die Ladung der Transportfahrzeuge richtig befestigt wurde und noch tausend anderer Dinge. Wenn du die Unterhaltung beendet hast, würde ich ein wenig Hilfe zu schätzen wissen, damit wir doch noch vor Einbruch der Nacht los kommen."
Damit drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte ohne ein weiteres Wort zu einer wartenden Gruppe seiner Infanteristen, die er ohne Umschweife durch die Gegend scheuchte.
Tief atmete Tyr durch und machte sich dann auf den Weg quer über den großen Vorplatz zu der kleinen Gruppe Personen die um Gallierdi herum standen. Bereits von Weitem strahlte der blütenweiße Anzug des Mannes und konkurrierte mit dem darunter getragenen, weinroten Satinhemd um die meiste Aufmerksamkeit.
"Kleiner, ich dachte schon du hättest es dir überlegt und würdest doch hier bleiben. Wir müssen wirklich über den Zustand der Basis sprechen. Ihr habt ja wirklich alles demontiert. Selbst von den Wartungsgerüsten der Mechs sind nur noch die Metallkonstruktionen übrig."
Missmutig verzog Tyr das Gesicht und nickte dann grüßend in die Runde.
"Hätte ich gewusst, dass Sie die Basis übernehmen, hätte ich sogar die Glühbirnen rausgedreht. Und zwar persönlich. Jede einzelne. Außerdem haben wir Ihnen doch die Sprengsätze in der Decke gelassen. Also kein Grund zur Beschwerde. Der Stützpunkt ist in fast genau dem Zustand, in dem Ihr Freund Graham ihn übernommen hat."
Bedauernd schnaufte nun der alte Mechkrieger und steckte hilflos die Hände in die Hosentaschen.
"Du bist also noch immer erbost über die Tatsache, dass ich Ihn dir nicht ausliefern konnte. Nun, das ist nach den tragischen Vorfällen wohl verständlich. Überaus schade, aber verständlich. Ich wurde angewiesen, dir diese Informationen zukommen zu lassen. Es ist die Aufstellung sowie die Identifikationscodes einer Söldnereinheit, die nicht mehr existent ist. Coldshaws Lanciers. Ehemals in den Diensten eines kleinen Diktators hier in der Nähe. Das sollte als Tarnung ausreichen um dahin zu kommen, wo auch immer eure Wege euch führen werden. Außerdem haben wir darauf alle Informationen zusammen gefasst, welche euer neues Transportmittel betreffen. Das Czar-Klasse Landungsschiff mit dem klingenden Namen Prinzessin Cecilia Waratah hat genau wie sein Kapitän und Besitzer eine bewegte Vergangenheit. Vornehmlich in Strafregistern. Du solltest der Besatzung nur so weit trauen wie du deinen Khopesh zu werfen vermagst. Ich gehe nicht davon aus, dass du deine Meinung geändert hast und mir doch mitteilen möchtest, welchen Namen das Ziel dieses Transports trägt?"
Die ihm entgegengehaltene Box mit Datenchips nahm er fast beiläufig aus der Hand Gallierdis, aber die neugierige Frage beantwortete Tyr nur mit einem kalten, emotionslosen Blick, der sein Gegenüber mit den Schultern zucken ließ.
"Wohl nicht. Überaus bedauerlich, aber ebenfalls nicht unverständlich, bezieht man die Situation mit in die Überlegungen ein. Du hast dich verabschiedet?"
Erneut sagte er kein Wort und starrte dem noch immer freundlich lächelnden Mann in die Augen.
"Diese Konversation erscheint mir doch ein wenig einseitig. Vielleicht gelingt es mir ja, dich mit einem Abschiedsgeschenk freundlicher zu stimmen. Wie ich sehe, bemannst du deine Beutemaschinen aufgrund des Mangels ausgebildeter Piloten mit Techs. Eine gute Übergangslösung, aber auf Dauer wohl doch nicht wirklich kampfstark. Ich habe da eine talentierte, junge Dame, deren Bekanntschaft du bereits gemacht hast, die sich dir gern anschließen würde. Jemand ganz besonderes. Herausragende Referenzen, auch wenn ich dir diese bedauerlicherweise nicht zugänglich machen kann, aber ich garantiere, du würdest staunen. Sie kennt die Eigenarten der Firebee und ist für Operationen, wie die, denen ihr schon bald gegenüber stehen werdet geradezu prädestiniert. Ein Gewinn für deine neue Einheit, nicht zuletzt wegen ihrer ausgeprägten Fähigkeiten auch außerhalb des Cockpits."
Schwungvoll zog er die Tür des hinter ihm parkenden Schwebers auf und die Mechkriegerin mit der indischen Abstammung stieg elegant von der Rückbank, wobei sie einen großen Rucksack und einen noch voluminöseren Seesack hinter sich her zog.
Sie trug eine für Mechkrieger typische Shorts und ein grünes T-Shirt, über dem die Kühlweste saß sowie grobe Kampfstiefel.
"Nein!"
Er ließ der jungen Frau gerade genug Zeit, ihr Gepäck neben Gallierdi abzustellen und ignorierte die ihm entgegengestreckte Hand ohne seinen Blick von dem alten Mechkrieger zu nehmen, der seinerseits kurz die Augen schloss und schaufte.
"Tyr, ich glaube es dürfte dir bewusst sein, dass man Geschenke nicht zurückweist. Es ist überaus unhöflich dem Schenkenden gegenüber und in diesem speziellen Fall ist es auch gar nicht möglich. Davina wird euch begleiten. Diese Entscheidung kommt von ganz oben und glaube mir, Kleiner, es ist auch für mich ein durchaus herber Verlust. Von allen Personen aus meinem Stab, die man dir als Anstandswauwau hätte zuteilen können hat das Büro deiner Mutter genau die ausgewählt, deren Entwicklung ich seit geraumer Zeit gefördert habe. Sie ist nur dir persönlich unterstellt und ich bin mir überaus sicher, dass ihre Fähigkeiten und ihr Wissen einen enormen Vorteil deinerseits generieren wird. Lass mich nur nebenbei anmerken, dass ein Unfall der für Davina tragische endet, nachhaltige Konsequenzen für dich und die Einheit heraufbeschwört. Ich möchte hier nicht drohend auftreten. Sieh es als freundschaftliche Warnung."
Frustriert ergriff er nach kurzem, wütenden Funkeln in Gallierdis Richtung die noch immer angebotene Hand und war von dem festen Druck durchaus überrascht.
"Also gut, Davina. Dann willkommen bei den schwarzen Ulanen. Ihr Mech steht bereit. Melden Sie sich bei Staff Sergeant Miles und verstauen Sie ihr Gepäck. Die Techs sollen die Einstellung der Maschine auf Ihre Hirnmuster vorrangig behandeln. Wenn ich schon eine Pilotin übernehmen muss, dann soll sie auch voll einsatzbereit sein. Wir werden auf dem Weg nach Shervanis City viel Zeit für Unterhaltungen über Einsatzmöglichkeiten und Loyalitäten haben."
Die junge Frau salutierte zackig und schlug die Hacken der Kampfstiefel gegeneinander, bevor sie sich die beiden Gepäckstücke auflud und im Laufschritt in Richtung der Menge verschwand.
Tyr hingegen sah wieder gleichgültig zu Gallierdi, der nun zufrieden nickte.
"Na siehst du, Kleiner, es geht doch. Und jetzt verrat mir doch bitte noch wie wir mit deinen Ulanen in Kontakt treten können, wenn wir nicht wissen dürfen wo du steckst. Eine Brieftaube oder Flaschenpost dürfte sich ausschließen."
Nur ein kurzer Anflug eines Lächelns als Reaktion auf den Witz zuckte über sein Gesicht, bevor er zu einer Antwort ansetzte.
"Gar nicht. Wenn Sie etwas wollen, dann schalten Sie eine Todesanzeige in der Sonntagsausgabe der Blackjack Gazette. Was Sie da rein schreiben ist völlig egal. Aber das Geburtsdatum muss der 12. August 2941 sein. Sobald ich dieses Datum sehe, setze ich mich via ComStar mit Ihnen in Verbindung. Der Kanal zu meiner Familie wird nicht genutzt, Gallierdi. Dieses Postfach ist für persönliche Nachrichten reserviert. Und versuchen Sie erst gar nicht meinen Halbbruder zu nerven. Er wird abstreiten mich zu kennen."
Gallierdis Lachen klang laut hörbar über den Platz.
"Famos, Kleiner, einfach famos. Da merkt man eben die hohe Wertigkeit deiner Ausbildung. Ich vermag mir gar nicht vorzustellen was für einen grandiosen Agenten du abgegeben hättest. Aber ich bin mir überaus sicher, dass dein Werdegang auch so bemerkenswert ausfallen wird. Ich darf mich entschuldigen, die Abnahme der Basis erfordert meine Aufmerksamkeit. Ich wünsche dir und deinen Leuten eine gute Reise und viel Glück. Es stehen uns spannende Zeiten bevor. Überaus spannend, Tyr und wie ich befürchte auch voll blutigem Tagwerk. Pass auf dich und deine Untergebenen auf. Eine Einheit ist immer nur so viel Wert wie ihre Führung."
Damit drehte sich der alte Mechkrieger um und stolzierte umgeben von einer handvoll seiner Leute in Richtung der Felswand davon, in deren Mitte der Eingang des Stützpunkts aufragte.
"Und ich wünsche dir die Pest an den Hals, Gallierdi. Hoffentlich endet dein Kadaver in einem Folterkeller der Maskirovka."
Seine Worte waren so leise gemurmelt, dass niemand ihn hören konnte.
Zumindest dachte er das.
"So viel Glück werden wir nicht haben, Tyr. Ein Sprichwort besagt, dass es schlechten Menschen immer gut geht. Verliert etwas in der Übersetzung, aber du verstehst sicherlich, was ich dir damit sagen will, mein Freund."
Überrascht wirbelte er herum und schüttelte freudig auflachend die Hand von Khaled ibn Nasr. Der Offizier der Garde des Wesirs war unbemerkt hinter ihn getreten und erwiederte das Lächeln aufgeschlossen in seiner perfekt sitzenden, grünen Uniform.
"Khaled, dich habe ich hier am allerwenigsten erwartet. Was zur Hölle bewegt dich dazu dein klimatisiertes Büro zu verlassen und den Weg hier hinauf zu finden?"
Gleichgültig mit den Schultern zuckend verschränkte der Offizier die Arme vor der Brust und blickte sich um.
"Scherzt du, mein Freund? Dieses Spektakel lasse ich mir doch nicht entgehen. Genauso wenig wie die Möglichkeit einen guten Mann zu verabschieden, der die durchsiebten Leichen der Mörder meines Neffen vor die Türen der Kommandantur hat legen lassen. Außerdem tut ein wenig Bewegung an der frischen Luft in meinem Alter ganz gut und ganz uneigennützig ist mein Besuch dann auch nicht. Ich habe nämlich eine Bitte an dich, die von eher privater Natur ist."
Sofort nickte Tyr zu den Worten seines Gegenübers.
"Alles, was du willst, Khaled. Ohne deine Hilfe wäre das hier nicht im Ansatz so glimpflich abgelaufen wie es das letztendlich ist. Raus mit der Sprache. Was kann ich für einen guten Freund tun?"
Mit einem lauten Pfiff über die rechte Schulter in Richtung eines bereit stehenden Jeeps in den Farben der Garde bleckte sich Khaled über die Lippen als müsse er sich die folgenden Worte bereit legen.
"Siehst du, Tyr, ich liebe meine Heimat. Es gibt aber, wie immer im Leben, auch hier einige Dinge und vor allem Traditionen, die völlig veraltet sind, an denen die Mehrheit der Bevölkerung sich aber seit Jahrhunderten klammert. Traditionen, die zu überwinden meine Möglichkeiten bei weitem überschreitet."
Als Reaktion auf sein Signal sprang eine Person in paramilitärischer Kleidung vom Rücksitz des offenen Jeeps und sprintete schnell über die nicht geringe Distanz, wobei ein massives Gewehr quer über ihrem Rücken hing. Nachdem Khaled den Satz beendet hatte, trat die Gestalt in Hab acht Stellung neben ihn und zog den schwarzen Schleier vom bis dahin bis zu den Augen verdeckten Gesicht.
Zum Vorschein kam das Gesicht einer Frau in jungen Jahren. Tyr schätzte, dass sie sogar jünger war als er selbst.
"Das ist meine mittlere Tochter Hana. Sie war bis heute Morgen Mitglied der Garde des Wesirs in einer Aufklärungsabteilung. Es erfüllt mich mit Stolz dir zu sagen, dass sie im Umgang mit dem Scharfschützengewehr alle ihre männlichen Kollegen in den Schatten stellt. Schon früh begann sie, ihrem alten Vater nach zu eifern, aber in unserer Tradition ist die Rolle der Frau recht eingeschränkt. Siehst du, in unserer Gesellschaft steht ihr nicht nur das Geschlecht, sondern auch unsere christliche Religion im Weg. Das vorrangig muslimisch geprägte Offizierskorps der Garde legt mir schon erhebliche Steine in den Weg, meine Tocher jedoch würde nie mehr werden können als eine einfache Soldatin. Ihre Aufstiegschancen wären trotz ihrer Leistungen gleich null. Egal was sie tut, eine Beförderung würde einfach nicht erfolgen. Seit sie davon erfahren hat, dass du und deine Einheit den Planeten verlasst, fleht sie mich an, dich zu überreden, sie mit zu nehmen. Als Teil deines Infanteriekontingents. Und was soll ich sagen, das tue ich hiermit."
Nachdenklich blickte Tyr vom Vater zur Tochter und wieder zurück bevor er tief durchatmete.
"Khaled, ich habe dir gesagt, dass ich jede deiner Bitten im Rahmen meiner Möglichkeiten erfüllen würde. Dazu stehe ich mit meinem Wort. Ich möchte dich jedoch eindringlich darum bitten, noch einmal über diese Sache nachzudenken. Du hast bereits einen Mann verloren, der dir wie ein Sohn war und jetzt bittest du mich darum, dir auch noch eine Tochter zu nehmen. Khaled, das Leben eines Söldners ist nicht gerade ungefährlich. Ich könnte für die Sicherheit von Hana nicht garantieren. Es bestünde immer die Chance, dass sie getötet wird, gerade in unserem Infanteriekontingent. In der Garde wäre sie in jedem Fall sicherer aufgehoben."
Noch bevor der Offizier etwas sagen konnte, ergriff seine Tochter das Wort und mischte sich damit in die Unterhaltung der beiden Männer.
"Herr Kommandant, ich garantiere Ihnen, dass mein Vater gründlich über diese Dinge nachgedacht hat. So wie auch ich. Ich versichere Ihnen, dass ich mich wehren kann und keine Belastung für ihre Einheit darstellen werde. Ich verlange auch keine Sonderbehandlung. Aber bitte geben Sie mir die Chance, aus dieser Gesellschaft zu fliehen, die in mir nur eine Rebellin gegen die ehrwürdigen Traditionen sieht. Die es mir verweigert, meinen eigenen Wünschen zu folgen. Es ist mir bewusst, dass ich unter Ihrem Kommando mein Leben verlieren könnte, aber lassen Sie mich ihnen eine Frage stellen. Ist es besser ein Leben lang von seinen Wünschen nur zu träumen und in Sicherheit zu sterben oder den Tod zu riskieren aber den Traum zu leben?"
Mit einer leichten Bewegung des Kopfes und einem Schnalzen der Zunge strich Khaled sich über den Bart.
"Ein altes Sprichwort, mein Freund. Verliert etwas in der Übersetzung, aber du verstehst, was meine Tochter sagen will. Natürlich bin ich und vor allem ihre Mutter nicht gerade glücklich mit ihrem Wunsch, aber was wären wir für Eltern, sie nicht bei der Verfolgung ihrer Träume zu unterstützen? Wenn du allerdings meine Bitte zurückweist, so werden wir das akzeptieren."
Wieder sah Tyr zu der jungen Frau und musterte sie kritisch von Kopf bis Fuß. Bei der massiven Waffe auf ihrem Rücken blieb sein Blick haften.
"Sie haben in einer Aufklärungsabteilung gedient? Als Scharfschütze? Ist das Ihre bevorzugte Waffe?"
Seine Worte waren bewusst knapp und militärisch präzise gehalten um eine ähnliche Reaktion zu erhalten und seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
"Jawohl, Sir. Dritte Aufklärungsabteilung, zweites Regiment der Garde des Wesirs. Spezialausbildung für gezielten Feuerkampf auf große Entfernungen. Höchste Distanz für einen bestätigten Abschuss liegt bei zweitausend Metern. Meine Waffe ist der Nachbau einer Panzerbüchse aus planetarer Produktion die hier Verwendung unter dem Namen Istiqlal, findet aber nicht weit verbreitet ist. Großes Kaliber, hohe Reichweite und Durchschlagskraft. Optisches Visier und sechs Schuss Magazin. Halbautomatisch. Sie stammt aus Privatbesitz und ich würde sie nur ungern wechseln, werde mich jedoch den Befehlen fügen."
Hana hatte die massive Waffe von ihrer Schulter gezogen und präsentierte diese nicht ohne Stolz an angewinkelten Armen. Das am vorderen Ende des Laufs montierte Zweibein war eingeklappt und das Zielfernrohr mit einer ledernen Schutzhülle verdeckt, was Tyr zufrieden stellte.
Profis pflegten ihre Ausrüstung und dieses Scharfschützengewehr war in allerbester Verfassung.
"Die Kanone wiegt doch mindestens zwanzig Kilo auch ohne Munition. Sind Sie in der Lage, dieses Gewicht auch über größere Distanzen ohne Hilfe zu tragen? Zusätzlich zu ihrem Marschgepäck?"
Ohne darüber nachzudenken nickte sie selbstbewusst zu seinen Einwänden.
"Im Laufschritt, Herr Kommandant. Auch über größere Distanzen. Kein Problem. Und es sind zweiundzwanzig Kilo. Ich schaffe den Aufbau in unter einer Minute. Stellungswechsel mit geladener Waffe sind möglich. Bis jetzt arbeitete ich im Team mit einem zweiten Soldaten, der die Zielsuche unterstützt und die Munitionsreserve trägt. Ich kann das aber auch ohne Hilfe. Der direkte Feuerkampf auf kurze Distanzen gestaltet sich aufgrund des langen Laufes und des hohen Rückstoßes schwierig, ist aber zu bewältigen."
Zufrieden nickte Tyr und steckte seine Hände in die Hosentaschen.
"Also gut Hana. Keine Bevorzugung. Keine Sonderbehandlung. Ich erwarte von Ihnen mehr als von meinen anderen Soldaten, aber Sie sind dabei. Holen Sie ihr Gepäck und dann im Laufschritt zu Staff Sergeant Miles. Richten Sie ihm einen schönen Gruß von mir aus und dass Sie die letzte Einstellung sind, die ich heute vornehme. Das wird Ihn hoffentlich beruhigen bevor er Sie frisst."
Mit einem zackigen Salut bestätigte seine neue Infanteristin die Befehle und machte dann auf der Stelle kehrt um mit hohem Tempo zu dem Jeep zu sprinten und dort einen großen Rucksack zu holen. Auch sie verschwand kurz darauf in dem wuseligen Getümmel auf dem großen Platz.
"Ich danke dir, mein Freund. Wenn ich dir einen Tip geben darf, sie ist zwar in der Küche nicht zu gebrauchen, aber ihr Mokka ist wirklich bemerkenswert."
Die beiden Männer gaben sich lachend die Hand und der Offizier marschierte zu dem wartenden Jeep, wobei er sich noch einmal umdrehte.
"Ich wünsche dir alles Gute, Tyr. Möge der Allmächtige ein gütiges Auge auf deine Wege werfen. Ich werde für euch beten."
Damit stieg der Gardist in sein Fahrzeug und gab dem am Steuer sitzenden Soldaten den Befehl zum losfahren. Noch eine Weile sah Tyr dem davon fahrenden Geländefahrzeugen nach, das eine dichte Staubwolke hinter sich her zog.
Er war nicht gläubig, aber es konnte auch nicht schaden, wenn Khaled ibn Nasr für sie alle betete.
Die Prüfungen die vor ihnen lagen würden schwer genug werden.


Ende
11.07.2020 18:31 Taras Amaris Neu2 ist offline E-Mail an Taras Amaris Neu2 senden Beiträge von Taras Amaris Neu2 suchen Nehmen Sie Taras Amaris Neu2 in Ihre Freundesliste auf
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