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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Seit einiger Zeit existieren die Raketenmärchen von Roland Triankowski, in denen er klassische Märchen nimmt und ins Raumzeitalter versetzt; davon inspiriert habe auch ich beschlossen, eigene Raketenmärchen zu schreiben, und ja, auch hier auf Twobt.de zu veröffentlichen. Drei sind es schon, die auch einige Zeit existieren und auf Fanfiktion.de von mir bereits veröffentlicht wurden. Am vierten schreibe ich gerade, nur falls sich jemand wundert, wo meine Arbeiten bleiben, aber manchmal bestimmen die Geschichten selbst, was ich schreibe, und nicht umgekehrt. Ich poste hier also nach und nach alles, was mir zum Thema einfällt und was nicht gegen das Jugendschutzgesetz verstößt.

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04.04.2022 14:49 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Hänsel und Gretel – ein Raketenmärchen


„Hänsel und Gretel, verliefen sich im Wald.
Dort war es finster, und auch so bitter kalt.
Sie kamen an ein Häuschen, aus Pfefferkuchen fein.
Wer mag der Herr in diesem Häuschen sein?“

CUT

Das ist jetzt nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig, wenn man tatsächlich die Legende von Hänsel und Gretel erzählen möchte. Ich würde sagen, es ist eine stark vereinfache erste Strophe des damaligen Geschehens, welche diese beiden außerordentlichen Berühmtheiten beschreibt.
Um die Wahrheit erzählen zu können, muss ich allerdings ein klein wenig ausholen. Und ich muss fünfzig galaktische Standardjahre in die Vergangenheit zurückkehren.


1.
Es war im Jahr 3408 Galaktischer Zeitrechnung, GZR genannt. Unsere Geschichte spielt in einer Region am äußeren Rand der Saggitarius-Arms unserer spiralförmigen heimatlichen Galaxis in einem sonnenbesetzten Raumgebiet, das etwa viertausend Lichtjahre lang ist und an der dicksten Stelle sechshundert Lichtjahre im Radius misst. Diese Region ist durchsetzt mit ungewöhnlich vielen Dunkelwolken, die unsere terranischen Vorfahren liebevoll Kohlensäcke genannt haben, nach einem antiken prästellaren Heizmittel aus kohlenstoffhaltigen Fetten. Es waren derart viele Kohlensäcke, kosmisch gesehen, dass die Bewohner dieser Region, die hauptsächlich Nachfahren der Menschen von Terra waren und noch immer sind, sie den „Schwarzen Wald“ nannten. Der Schwarze Wald wurde durch die Kohlensäcke, sagen wir, etwas dünn gemacht. Zwar bargen die Kohlensäcke für abenteuerlustige Prospektoren mitunter große Schätze, aber wo eine dieser Dunkelwolken war, da stand natürlich kein Stern, befand sich kein Sonnensystem. Die Folge waren kleine Reiche, die nur ein oder zwei Systeme umfassten, oder durch die Kohlensäcke eine ungewöhnliche Gebietsverteilung aufwiesen, also lange, dünne Territorien bildeten, die sich zwischendurch schlagartig verdicken konnten.
Ich gebe zu, Menschen sind keine friedliche Spezies, und so sind es auch die Bewohner dieser Region nicht. Sie müssen wieder und wieder daran erinnert werden, dass das Leben auch ohne Krieg stattfinden kann. Oder gestoppt werden, wenn sie in ihrer Gier auf Plünderung aus sind.

Eines dieser kleinen Reiche, das nur ein einzelnes System umfasste, aber mitten zwischen zwei Kohlensäcken lag, die ihren Prospektoren Reichtum und damit dem kleinen Reich einen ungewöhnlich großen Wohlstand beschert hatten, war die Republik House of the Forest, eine Anspielung auf den Regionalnamen. Beherrscht wurde das Reich, das Cabin-System – ja, die haben die House-Sache echt zu Tode geritten – von einem Oligopol erfolgreicher Prospektorenfirmen, die das Sonnensystem mit relativ milder Hand regierten und den Reichtum, den sie erwirtschafteten, auch relativ großzügig mit den Bürgern teilten. So ganz ohne Charity und dergleichen, einfach über ein Steuersystem, zu dem sie als Superreiche auch beitrugen. Ein gutes, funktionierendes System. Um diesen Reichtum und die Bürger auf den drei bewohnten Planeten zu beschützen, hatte der herrschende Rat des House of the Forest nicht etwa eine eigene Armee aufgebaut, oder gar eine eigene Flotte, sondern Söldner angeheuert. Und zwar die besten, die sie sich leisten konnten. So kam es, dass am Ende zwei große Söldnerflotten für die Verteidigung des Cabin-Systems angeheuert wurden. Wir reden hier von Standardflotten mit der üblichen Automatisierung, also drei Trägerschiffen, zwei Schlachtschiffen, neun Kreuzern, dreißig Zerstörern und Fregatten sowie fünf großen Frachtern als Materialschiffen. Warum zwei Flotten? Der regierende Rat brauchte zwei verschiedene Einheiten, um notfalls die eine gegen die andere führen zu können, denn hey, es waren immer noch Söldner, und die kämpften für Geld.
Diese beiden Flotten kamen aus zwei verschiedenen Ecken der Galaxis. Die eine Flotte, die Husari-Armee, stand unter dem Kommando des Tyrenianers Markhus Hannz, einem Nachfahren der Terraner und der tyrenianischen Urbevölkerung. Fragt nicht, was alles an der Genetik modifiziert wurde, damit beide Spezies gesunden Nachwuchs zeugen konnten, und das auch nur in einem Inkubator. Die andere Flotte, das House of Tarwan, stand unter dem Kommando der Weganerin Elisabel Greethell, die allerdings rein terranische Vorfahren besaß.

Beide Flotten wurden also angeheuert, nach einem besonders großen Ernteereignis in einer der Dunkelwolken mit ungewöhnlich hoher Rendite, das Cabin-System zu beschützen. Und so taten sie es ungefähr zwanzig Jahre lang, gegen kleinere und größere Feinde, und dies grundsätzlich erfolgreich. Dabei verstanden sich die Angehörigen beider Flotten aber so gut miteinander, dass der Rat misstrauisch wurde. Dieses Misstrauen ging so weit, dass im Gespräch stand, eine dritte Flotte anzuheuern, für den Fall, dass sich beide Flotten, die Husari-Armee und das House of Tarwan, vereinten, um in der House of the Forest-Republik die Macht und damit den Reichtum zu übernehmen. Dies schien sich sehr billig erreichen zu lassen, denn eines der anderen Reiche in der Umgebung, das Konigrich Llairfindeir, machte den Prospektoren ein gutes Angebot. Das Cabin-System wurde in das Konigrich aufgenommen, ein moderater Steuersatz von zwanzig Prozent erhoben, und dafür übernahm man die Verteidigung der Republik.
Blieb nur noch das Problem mit den Söldnern. Die hatte man zwar klugerweise temporär angeheuert, aber eben im Zwei Jahres-Intervall. Und im aktuellen Intervall war noch über ein Standardjahr verblieben. Man hätte natürlich einfach den Vertrag auslaufen lassen können, aber das Konigrich wollte seine zwanzig Prozent gerne schon jetzt haben. Und es hatte auch eine Lösung für das Problem parat. Als einer der größten Platzhirsche in der Region verfügte es über zehn standardisierte Flotten. Und davon konnte es kurzfristig sechse frei machen, um die beiden Söldnerflotten zu besiegen. Wenn man bei der Geschichte auch noch das eine oder andere Schiff der Söldner einkassieren konnte, warum denn nicht?
Dieses Gebaren hätte die House of the Forest-Republik eigentlich warnen sollen. Aber zwanzig Prozent Steuern auf den Handel war billiger als das, was sie den Söldnern für den zugegeben perfekten Schutz zahlte, und ein echter Konflikt mit Lleinfindair würde mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr viel teurer kommen, da die Söldner natürlich diverse Floskeln in den Verträgen hatten, was Ersatz von verlorenem Material betraf. Also plante man, beide Flotten regelrecht ans Messer zu liefern.

Kurz gesagt, der Plan ging fehl, die Husari-Armee war gewarnt und deckte den Abzug des House of Tarwan, das zuerst attackiert wurde, und wo die Leute nicht wussten, was überhaupt mit ihnen geschah. Beide Flotten wurden angeschlagen, die Husari-Armee eine ganze Ecke mehr als Tarwan, aber sie überlebten, und gemeinsam zog man sich in die Deckung eines Kohlensacks zurück. Allerdings drängten die Verfolger einher, und so entstand ein regelrechtes Katz-, und Mausspiel, und jedes Mal, wenn die Söldner die Wolke wieder verlassen wollten, warteten schon Spähschiffe des Konigrichs auf sie, um den Ausbruchsversuch zu melden. Endlich, nach Tagen der zermürbenden Schleichfahrt, kürzesten Hyperraumetappen und immer wieder mit den Verfolgern aufflackernden Kämpfen, erreichten sie das andere Ende des Kohlensacks. Sie hatten ihn einmal durchquert und damit siebzehn Lichtjahre und ein bisschen hinter sich gebracht. Und als ihre Spähschiffe vorsichtig aus der kosmischen Dunkelwolke hinausspähten, erwarteten sie diesmal keine Einheiten des Konigrichs. Sie hatten die Einflusssphäre der Llairfindeirer komplett verlassen. Hier hatten die Koniglichen nichts mehr zu sagen.
Darüber war man natürlich einerseits sehr froh in beiden Einheiten. Andererseits wusste man auch so nicht genau, was überhaupt passiert war und wie es jetzt weitergehen sollte. Denn abgesehen davon, dass die Heimatbasis für über zwanzig Jahre verloren war und die Besatzungen meist nur das hatten retten können, was sie auf den Schiffen mit sich führten, die Husari-Armee war stark angeschlagen und hatte viele Leute verloren. Nur mit viel Glück waren alle Schiffe in Sicherheit gebracht worden. Natürlich ging es dem House of Tarwan besser, denn diese Flotte war ja beschützt worden. Sie hatte zwar auch kaum mehr retten können als das, was sie auf ihren Schiffen hatten mitnehmen können, aber die Flotte war intakt und sie hatten weit weniger Verluste erlitten.
Also kamen Elisabel Greethell und Markhus Hannz mit ihren Stäben an Bord seines Flaggschiffs, der WAYMAKER, zusammen, und diskutierten die Lage und die Möglichkeiten. Und davon gab es nicht viele.
Die Lage war sehr schwierig, und das schien noch eine kleinliche Untertreibung zu sein mit zwei Flotten, von der eine relativ zusammengeschossen war und beide kaum Versorgungsgüter hatten. Zudem sagte Elisabel, für die Rettung ihrer Leute stünden sie in der Pflicht der Husari-Armee und würden fortan sie beschützen. Also kamen die beiden Stäbe überein, zuerst einmal beieinander zu bleiben, als ihr Glück einzeln zu versuchen. Aber was tun und wohin? Dieser Teil des Saggitarius-Arms war kaum erforscht, denn die Kolonisation durch die Zivilisationen der Galaxis hatte zwar einen Teil der Kohlensäcke erreicht, aber war dort auch steckengeblieben, wegen der Reichtümer der Dunkelwolken. Sie befanden sich in Terra Inkognita, unbekannter Erde, einem Stück unerforschter weißer Landkarte. Zwar waren auch hier die terranischen Explorer zumindest durchgeflogen, aber dies war über dreihundert Jahre her, und in diesen Zeiten entstanden und vergingen gewaltige galaktische Reiche.

Wer also konnte die Verwunderung ermessen, als die Späher der House of Tarwan-Flotte, die mit ihren Fregatten die Langstreckensicherung übernommen hatten, immerhin waren da sechs Flotten in feindlicher Absicht hinter ihnen her, plötzlich etwas entdeckten, das zu ihnen trieb? In früheren Jahrtausenden wäre es ein Geruch gewesen, der durch einen finsteren Wald wehte und ihnen den Weg zu einem Kochfeuer wies. Oder zu einer tragenden, schweren Süßigkeit wie offenliegendem Honig. In diesen modernen Tagen aber war es eine lichtschnelle Radiosendung mit altertümlichen terranischen Musikstücken, die von Reichtum, Zivilisation und ausgelassenem Leben erzählten. Von Freiheit, Frieden und vollgestellten Esstischen. Dies wurde Elisabel Greethell gemeldet, und sie gab dies sofort an Markhus Hannz weiter.
Die Wissenschaftler gingen an die Arbeit und ermittelten das Alter der Welle, was mit zwanzig Jahren schon beträchtlich war, und bestimmten die Richtung, aus der die lichtschnellen Signale kamen. Aber in der Richtung befand sich vor zwanzig Jahren, als diese Signale auf die Reise gegangen waren – nichts. Kein Kohlensack, kein Sonnensystem, rein gar nichts. Und so hätten sie vielleicht die Sache abgetan und lieber weiter dran gearbeitet, ihrer misslichen Lage zu entkommen, wenn die guten Fernorter der Husari-Armee nicht in genau diesen zwanzig Lichtjahren Entfernung in genau dieser Richtung die Explosion eines Hyperraumaggregats geortet hätten, und kurz darauf noch eine. Als man wusste, wo man suchen musste, richteten auch die Schiffe der House of Tarwan-Flotte ihre Orter aus, und schnell fügten beide Flotten ihre Ortungsdaten zusammen. Dort, zwanzig Lichtjahre (und sieben Lichtmonate, drei Lichttage und etwa neunzehn Lichtstunden) entfernt, wurde gekämpft, und hyperflugtaugliche Schiffe hatten mindestens ihre Hyperraumaggregate verloren, Was meistens mit einem Totalverlust des ganzen Schiffs einher ging. Aber nicht immer.

Es war ein gewagtes Spiel, aber das Interesse von Elisabel Greethell war geweckt, und sie überredete Markhus Hannz, diese Koordinaten anzufliegen. Gesagt, getan, diese zwanzig Lichtjahre durch offenen Raum waren nach dem Flug durch die Dunkelwolke auch keine große Belastung mehr, und die beiden halbwracken Schiffe der Husari-Armee konnten von den Frachtern geschleppt werden. Also brachen die beiden Flotten auf, wenngleich die beiden stärksten Schiffe Seite an Seite zuerst in den Hyperraum gingen, da man Kampfhandlungen erwartete.
So brachen die WAYMAKER der Husari-Armee und die SPÄHER von Greethell an besagten Koordinaten im Nichts als Erste zurück in den Einsteinraum ein. Und wären deshalb beinahe abgestürzt, denn vor ihnen eröffnete sich eine riesige, gigantische, unendliche Wand. Sie hatten ein künstliches Gebilde gefunden, das eine ganze Sonne und ihre Planeten umschloss: Eine Dyson-Sphäre. Das war eine technische Großleistung, so wunderbar und gewaltig, selbst auf den beiden riesigen Schiffen erstarrte man in Andacht und Ehrfurcht ob dieser technischen Großtat. Dann warnte man die nachrückenden Schiffe der Flotte, sofort auf Ausweichkurs zu gehen, wenn sie aus dem Hyperraum zurücksprangen, damit diese sich das Schicksal des Beinaheabsturzes der beiden Schlachtschiffe ersparten. Was dann nicht nur sehr gut gelang, sondern sogar noch besser, weil die meisten Schiffe einfach etwas früher aus dem Hyperraum fielen.
So kamen beide Flotten zur Dyson-Sphäre, einem Gebilde, das einen Durchmesser von vierzig Millionen Kilometer hatte. Schnell fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Musik, die sie gehört hatten, wahrscheinlich die letzten Radiowellen gewesen waren, die vor der absoluten Schließung der Dyson-Sphäre ausgesandt wurden (vielleicht war es aber auch eine Falle), und die Soldaten fanden heraus, wo die Explosionen stattgefunden hatten.
Etwa elf Millionen Kilometer entfernt entdeckten sie über der Dyson-Sphäre eine ausgewachsene Raumschlacht. Eine Raumschlacht mit relativ primitiven Mitteln, aber definitiv mit sprungfähigen Schiffen. Keine tausend Kilometer hoch über der Sphäre kämpften Schiffe, halb so groß wie eine normale Standard-Fregatte, zwanzig auf der einen, und fünfzig auf der anderen Seite. Und auf der Oberfläche standen sich zwei Armeen gegenüber, eine kleine und eine große. Und das, worum sie kämpften, war eine gigantische Öffnung von zwanzig Kilometern Durchmesser. Diese führte ins Innere der Dyson-Sphäre. Die kleine Fraktion verteidigte, die große attackierte. Und aus dieser Öffnung kamen die Radiowellen mit den altterranischen Songs.
Wie man später wusste, gab es sechs dieser Öffnungen, die mit der Sphäre rotierten, und vor zwanzig Jahren hatte eine der Öffnungen genau auf jene Stelle gezeigt, an der die Söldner die Funkwellen empfangen hatten. So war das geschehen.

Natürlich wurden die neuen Schiffe bemerkt. Die kämpfenden Fraktionen kontaktierten die Söldner sofort. Die Angreifer in großspurigen, vorlauten Worten, dass das fremde Pack hier nichts zu suchen hatte, und die Sphäre wäre die Beute der Scholaren, und man würde sie vernichten, wenn sie sich einmischten; die Verteidiger mit der vagen Hoffnung, es nicht mit noch mehr Plünderern zu tun zu haben und dem Angebot, die Söldner für Unterstützung zu entlohnen, das waren die Katzianer. Beide Parteien taten dies auf Interlac, der gängigen Verkehrssprache der Galaxis, mussten also irgendwann einmal Kontakt mit anderen Zivilisationen gehabt haben.
Natürlich musste hier nicht lange diskutiert werden, was nun zu geschehen hatte. Die Husari-Armee und das House of Tarwan schlugen sich auf die Seite der Katzianer. Alleine eine kurze Demonstration der Schlagkraft ihrer schwächsten Fregatte, einem waidwund geschossenen Schiff der Husari-Flotte, reichte vollkommen aus, um die Scholaren von der Öffnung fortzutreiben. Auch die Armee auf der Oberfläche der Dyson-Sphäre hatte nun nichts Eiligeres zu tun, als ihre Landungsfahrzeuge zu bemannen und verdammt schnell die Weite des Alls wieder aufzusuchen. Aber nicht, ohne noch ein paar Drohungen auszustoßen. Nicht zu viele, denn der neue Gegner war sehr viel stärker als sie und sie wollten keine Vergeltung riskieren.
Nach nur wenigen Stunden war der Spuk vorbei und der Jubel bei den Katzianern unendlich groß. Dankbar für die Rettung vor den Invasoren boten sie den gut ausgerüsteten Söldnern den Einflug in die Sphäre sowie Reparaturen an. Denn obwohl das technische Niveau der Katzianer unter dem der Söldner stand, so waren ihre Reparaturkapazitäten von einem Standard, der sogar das galaktische Niveau überbot. Aber was nützte das, wenn man keine Neubauten auf Kiel legen konnte, sondern nur in der Lage war, Reparaturen durchzuführen?

Wer sich jetzt wundert, warum eine Werft einen modernen Kreuzer reparieren, aber keinen neuen bauen konnte, der wundert sich zu Recht. Des Rätsels Lösung: In der Dyson-Sphäre umkreisten zwei Planeten die Sonne, einen weißen Zwergstern, der eigentlich am Ende seines Lebens stand, aber noch zwanzig Millionen Jahre sein Licht aussenden würde. Mit Hilfe der Dyson-Sphäre staute sich das Licht und ermöglichte so genug Energieausbeute, dass auf beiden Planeten, genannt Knysper und Hysen, die Existenz einer fast ungesteuerten Ökosphäre möglich war. Die Katzianer waren nicht die Erbauer dieses Systems, aber wohl die Nutznießer. Was jedoch von den Erbauern übrig war, das war Hexamon, der Supercomputer, der auf Lebku, dem Mond von Hysen, errichtet worden war. Nachdem seine Erbauer ausgestorben waren, hatte Hexamon den Katzianern Zugang zur Sphäre gewährt, aber nicht zur Technologie der Erbauer. Dies hatte sich als Fehler erwiesen, als die Scholaren angriffen. Und so war Hexamon nicht nur bereit, den Söldnern für die Rettung zu danken und die Schiffe der Husari-Armee unentgeltlich zu reparieren – und aufzuwerten – sondern beiden Flotten auch einen Heimathafen und einen neuen Kontrakt anzubieten, um die Sphäre und vor allem die Katzianer zu schützen.
Da die Husari-Flotte stärker angeschlagen war, sollte diese vorerst im Innenraum bleiben, damit die halb zerstörten Schiffe repariert und die anderen Einheiten wie versprochen aufgewertet werden konnten. Das House of Tarwan jedoch, das besser davon gekommen war, erhielt für seine beschädigten Einheiten erst einmal Zugang auf der nicht so modernen Werft, die um Knysper kreiste, den inneren Planeten, was angesichts der Umstände auch vollkommen ausreichte. Überdies, so Hexamons Vorschlag, sollte Admiralin Greethell mit ihren Schiffen die Außensicherung übernehmen und die sechs Pforten verteidigen, die in die Dyson-Sphäre führten, bis Kommandant Hannz' Schiffe die Aufwertung erfahren und wieder einsatzbereit waren, dann sollten auch die House of Tarwan-Schiffe an die Reihe kommen. Warum auch nicht, denn Hexamon versprach einen satten fünf Jahres-Kontrakt zu Standardkonditionen mit der Aufwertung aller Schiffseinheiten als fetten Obendrauf-Bonus. Und beide Flottenführer gingen darauf ein, Admiralin Greethell nicht zuletzt deshalb, weil sie und ihre Flotte den Husari ihre Leben verdankten.

Also wurden die schwer beschädigten Schiffe repariert, und nach und nach dockte ein Schiff der Husari nach dem anderen auf der großen Reparaturwerft von Hysen an. Dabei fanden die Söldner in den Katzianern, die übrigens nicht katzenartig waren, obwohl der Name das vermuten ließe, wahre Freunde, die nicht nur die meisten Arbeiten auf der Werft für sie vornahmen, sondern sie auch sehr freundlich auf den beiden bewohnten Welten aufnahmen. Aber wie ich schon erzählte, die House of Tarwan-Flotte übernahm die Wacht an den Toren der Dyson-Sphäre, und die Husari erhielten eine lange, lange Pause bei gutem Essen und alter terranischer Musik.
Nun war es nicht so, als hätten Hannz und seine Leute auf der faulen Haut gelegen. Sechs Tore zu verteidigen und auch noch darauf zu achten, ob Leute wie die Scholaren vielleicht irgendwo einen eigenen Eingang zu sprengen versuchten, war für eine Standardflotte eine große Aufgabe, vor allem weil die Scholaren immer mal wieder vorbei kamen und die neuen Verteidiger testeten. Also half Hannz mit seinen Husari immer aus, wenn Not am Mann war, denn zusammen mit den Scholaren kamen bald die Maks, dann die Hewigeren, und schließlich auch noch die Hewigiren. Aber im House of Tarwan entstand halt doch sehr schnell der Eindruck, die Husari würden fetter und fetter gefüttert, so gut waren die Verbesserungen an ihren Schiffen, die repariert und aufgewertet von der Hysen-Werft kamen, während die House of Tarwan-Schiffe und ihre Besatzungen abgearbeitet wurden wie geprügelte Dienstmägde.
So verging fast ein ganzes Standard-Jahr, und trotz der anstrengenden, ständigen Kämpfe hatte sich in beiden Flotten ein gewisser Optimismus breit gemacht, denn bald schon, bald, sollten beide Flotten die Plätze tauschen und es war dann an Admiralin Greethells Leuten, ihre Schiffe aufrüsten zu lassen. Ja, und dann stürzte der Besen ab.

Klingt merkwürdig? War es auch. Dass der Besen abstürzte, war alter Raumfahrerjargon zu jener Zeit. Man erzählte sich nämlich, dass damals auf Terra, als es noch keine Raumfahrt gab, ein Schiff, das auf die letzte Probefahrt aufs Meer ging, bei gelungener Erprobung an den höchsten Mast einen umgedrehten Besen befestigte. Fehlte der Besen, war der Test fehlgeschlagen. Stürzte der Besen vom Mast, war es ein schlechtes Omen für das künftige Schicksal des neuen Schiffs. Nur wenn der Besen blieb, wo er war, war auch alles in Ordnung.
Was war also passiert? Die FUCHS, eine der Fregatten, die als erste repariert worden waren, war urplötzlich, als sie zwischen Lebku und Hysen einen Routineflug unternahm, von einem Moment auf den anderen ohne jede Energie, ganz so, als hätte man das Schiff mal so eben abgeschaltet. Blind, taub und ohne jede Form der Kommunikation stürzte das Schiff auf Hysen hernieder, und nur der Einsatz eines Trägerschiffs der Husari errettete Schiff und Besatzung vor dem sicheren Tod, und gleich drei Großstädte der Katzianer auf Hysen vor einem wirklich schlimmen Wochenende.
Schnell wurde die FUCHS wieder auf die Werft geschleppt, um die Ursache für den Totalausfall zu finden, und merkwürdigerweise öffnete das Schiff sich für die Katzianer, aber nicht für die Husari-Söldner. Zudem verweigerte Hexamon die Reparatur und verwies darauf, dass die Söldner eventuell mit der moderneren Technik nicht umzugehen in der Lage seien und sie warten sollten, bis alle Schiffe der Husari aufgewertet waren. Derart fadenscheinige Aussagen brachten nicht nur die Husari auf, auch die Katzianer begannen, sich Fragen zu stellen.
Als sich dann herausstellte, dass ein paar tausend Katzianer von Hexamon drauf trainiert wurden, genau diese verbesserte Technologie an Bord der Husari-Schiffe zu bedienen, war es aber fast schon zu spät. Hexamon setzte an, Kommandant Hannz und seine Besatzungen, die fett und träge geworden waren, mit einem Happs zu verspeisen. Dazu schaltete Hexamon auch die anderen Schiffe der Husari ab – man hatte ihnen bei der Aufwertung also etwas eingebaut, was die Schiffe vollkommen desaktivierte – und befahl den Katzianern, die Schiffe zu stürmen, alle Husari zu töten und die Einheiten dann im Namen von Hexamon zu übernehmen und mit ihnen die Schiffe des House of Tarwan zu vernichten. Einige Katzianer wollten da durchaus gehorchen, aber ein großer Teil auch eben nicht, Dankbarkeit für Hexamon hin, Dankbarkeit für Hexamon her. Sie hatten nicht vergessen, wer sie im vergangenen Jahr beschützt hatte, und diese Dankbarkeit schlug sich nieder, als im allerletzten Moment Elisabel Greethell mit ihren beiden stärksten Schlachtschiffen über Lebku aus dem Hyperraum kam und auf den Mond feuerte, bis Hexamon, der große, supermächtige Computer einer unbekannten Großzivilisation wie in einem gigantischen Ofen zu Asche verbrannt war. Die Katzianer hatten sie gerufen und ihr alles erklärt, und sie hatte gehandelt.

Ist dies bereits das Ende der Geschichte? Mitnichten. Es gab ein Schisma, eine Aufspaltung bei den Katzianern. Da waren die Demarolen, die der Zeit unter Hexamons Herrschaft nachtrauerten und sie verklärten und die Söldner verantwortlich machten, dass es so weit gekommen war. Irgendwas mussten die schon falsches gesagt oder getan haben. Und es gab da die Ralos, die sehr wohl verstanden, was Hexamon war und wie sehr der Computer auch sie ausgenutzt hatte. Die Demarolen machten dann auch nur ein Fünftel der Bevölkerung beider Welten aus, aber dennoch kamen die Ralos mit den Söldnern überein, dass es zu lange dauern würde, die Demarolen zu überzeugen, wie unrecht sie hatten. Stattdessen wollte man die Söldner mit Gold und Seide behängen und wieder ziehen lassen. Übersetzt bedeutete dies, dass die Werften nun in der Lage waren, ohne die Blockade durch Hexamon, eigene Schiffe zu bauen. So bauten sie für beide Flotten zwei gigantische, kampfstarke neue Flaggschiffe und erstellten zugleich für den eigenen Bedarf eine Flotte von Fregattengroßen Einheiten, von denen sie fünfzig Stück im Jahr bauen konnten. Gleichzeitig werteten sie nun auch die Einheiten des House of Tarwan auf.
Und als die Katzianer sahen, dass sie ein Jahr später stark genug geworden waren, um die Dyson-Sphäre allein zu beschützen, und beide Flotten repariert und verbessert waren und man die beiden neuen Flaggschiffe vom Stapel lassen konnte, da trennten sich die Söldner von den Ralos in Freundschaft und verließen die Dyson-Sphäre wieder. Hinter ihnen übernahmen die neuen Fregatten die Sicherung des „Hauses“, wie die Katzianer die Sphäre fortan nannten.
Ja, und weiter? Zuerst einmal sprangen beide Flotten, ihre mächtigen Flaggschiffe vorweg, in das nächste Sonnensystem, um den Ralos den Druck zu nehmen, den die Demarolen auf sie ausübten. Hier erwartete sie zu ihrer aller Überraschung ein Spähschiff aus dem Cabin-System, das sie seit über einem Jahr gesucht hatte.

Es stellte sich schnell heraus, dass das Konigrich sich mit den zwanzig Prozent Steuer auf alle Geschäfte in der Republik nicht zufriedengab und lieber achtzig haben wollte, kaum dass die Söldner nicht mehr wiederzufinden waren. Das Ergebnis war natürlich der Zusammenbruch der Versorgung, der Sturz der alten Regierung, und ein Generalgouverneur, eingesetzt vom Konigrich, der dafür sorgte, dass nur das Nötigste in der House of the Forest-Republik blieb, was Finanzen anging. Und das war nicht mal genug, um die Menschen davor zu bewahren, zu hungern. Um das durchzusetzen, waren immer drei der zehn Flotten des Konigrichs Llairfindeir im System stationiert, und jedes Prospektorschiff, das aus den Dunkelwolken zurückkam, wurde bereits am Systemrand hart besteuert. Und auf den Rest entfielen wie gesagt achtzig Prozent. Zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben.
Aber mit der alten Regierung davon gefegt und deren Firmen geplündert und entmachtet erbten andere Leute das, was die Oligarchen verursacht hatten. In aller Heimlichkeit rüsteten sie Fernschiffe aus, die nach den beiden Söldnerflotten suchen sollten, um sie zu bitten, doch zurückzukehren und sie wieder zu beschützen. Dies war auch der Auftrag des Spähschiffs, das ihnen begegnet war.

Nun hätten das House of Tarwan und die Husari-Armee den Bewohnern des Cabin-Systems eine lange Nase drehen und in den Weiten der Galaxis verschwinden können, immerhin hatten die nichts dazu getan, sie zu retten, als beide Flotten dem Verrat anheim gefallen waren. Aber immerhin, die Husari-Armee war gewarnt worden, was sie alle gerettet hatte. Und sie hatten auch noch eine Rechnung offen mit den Llairfindeirern. Also beschlossen sie, den Hilferuf zu beantworten und ins Cabin-System zurückzukehren.
Der Generalgouverneur hatte natürlich überall seine Spitzel, nicht an Bord der Spähschiffe, aber in der Heimat. Und als er hörte, dass die Husari und die Tarwaner auf dem Weg zurück waren, da forderte er keine vierte, keine fünfte, sondern auch eine sechste Flotte an, sodass genauso viele Schiffe im System standen wie zwei Jahre zuvor, als man die Republik erobert hatte. Damit, so dachte er, würde er der Söldner schon Herr werden. Aber was er nicht wusste und was auch niemand verriet: Alleine die neuen Flaggschiffe waren schon wert, eine ganze Flotte aufzuwiegen, wenn es ihnen gelang, selbige zusammenzutreiben oder zu überraschen. Und die übrigen Schiffe waren nach der Aufwertung auch sehr viel stärker geworden, sodass man nicht über die Kraft von zwei Flotten verfügte, sondern über deren sieben. Etwa.

Der Rest ist schnell erklärt. Die Söldner kehrten zurück und besiegten ohne eigene Verluste gleich drei der Flotten des Konigrichs. Allein die Flaggschiffe waren so gewaltige Monster, dass die Kommandeure der anderen drei Flotten die Beine in die Hand nahmen und das Hasenpanier ergriffen. Die drei überlebenden Flotten sprangen in Panik aus dem System und kamen auch nicht mehr wieder. Der Generalgouverneur tauchte, so schnell er konnte, unter und verließ das System unerkannt, und somit war die Regierung vakant.
Als das, was von den Oligarchen übrig geblieben war, erneut die Regierung bilden wollte, widersprachen aber die normalen Leute, die am meisten unter der Besetzung durch das Konigrich gelitten hatten, die man hungern gelassen hatte. Und mit der militärischen Macht der mit Gold und Seide behangenen Söldner ersetzten sie den oligopolischen Rat durch eine ordentliche, das Volk besser repräsentierende demokratische Regierung.
Die Söldner aber wurden auf Lebzeit angestellt und noch höher entlohnt als vorher. Denn, das wollen wir nicht verheimlichen, durch die Verbesserungen, die sie in der Dyson-Sphäre erhalten hatten, konnten die Schiffe beider Flotten in den Dunkelwolken nun besonders gut orten und halfen den Prospektoren, noch viel leichter diese Schätze zu finden, und das Cabin-System wurde noch reicher. So viel reicher, dass auch weiter entfernte Staaten begierig nach ihnen griffen. Aber solange die Soldaten, die einst Söldner gewesen waren, auf Obacht waren, blieb es bei den Begehrlichkeiten und kam nie zum Erfolg.

So entstand die Geschichte von Markhus Hannz und Elisabel Greethell, die sich im Wald verlaufen hatten, ein Pfefferkuchenhaus fanden, das von einer bösen Hexe bewohnt wurde, die erst den armen Hannz und dann die Greethell hatte fressen wollen. Stattdessen aber besiegten sie die Hexe, indem Greethell sie in den Ofen stieß, den diese Hannz zugedacht hatte. Und danach nahmen beide tüchtig vom Schatz der toten Hexe, kehrten heim, und alle lebten glücklich in Frieden und Wohlstand, bis an ihr Lebensende.

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Die Hagebutten - ein Raketenmärchen

Ein Männlein steht im Walde
Ganz still und stumm,
Es hat von lauter Purpur
Ein Mäntlein um.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald’ allein
Mit dem purpurrothen Mäntelein?

Und damit sind wir auch schon mitten in der Geschichte. Wer mag das Männlein mitten im Walde auf einem Bein sein? Die Antwort: Ein terranischer Soldat von der Spezialeinheit der SUCCLAS. Grüne Hosen, rote Jacken, schwarze Barrets sind ihr Markenzeichen, oder im Feld eine Rüstung mit grüner Lackierung auf den Beinen, rotem Torso und schwarzem Helm, der ein wenig an die Bärenmützen der Elitewache der englischen Kaiserfamilie erinnert. Das hat ihnen den Spitznamen „Hagebutten“ eingebracht hat.
Warum ist das wichtig? Nun, als die terranische Föderation sich immer weiter über den lokalen Sonnencluster ausbreitete und Richtung Plejaden expandierte, stieß sie auf das Imperium der Hykarden. Diese waren nicht sehr erfreut über die Begegnung mit den Menschen. Und ihren Verbündeten, von denen es bereits einige gab, was zur Bildung der Föderation geführt hatte. Nun war es nicht so, als wollte Terra den Hykarden etwas wegnehmen. Oh nein, über so ein Verhalten war man im Fünfundzwanzigsten Jahrhundert endlich erhaben. Zwar gab es noch Militär in Form von Armee und Flotte, aber diese dienten zur Absicherung, nicht zur Expansion.
Das interessierte das hykardische Imperium nicht besonders. Es verstand sich als Hegemonialmacht und beanspruchte nicht nur das direkte Umfeld wie zum Beispiel den offenen Sternhaufen der Plejaden mit seinen über zweihundert Sonnen, nicht nur jedes System zwischen den Plejaden und ihrem imperialen Gebiet, nicht nur den ganzen Milchstraßenarm, in dem sich Föderation und Imperium befanden. Es beanspruchte gleich die ganze Milchstraße. Die Ganze. Ja. Finde ich ebenso absurd. Jetzt muss man aber auch verstehen, dass die Hykarden ein Reich von über dreihundert Systemen beherrschten, in denen sie allein lebten, während die Föderation aus neunzehn terranischen und etwas über einhundert in der Föderation verbundenen Systeme bestand. Einige davon waren Siedlungssysteme jüngeren Datums, auf denen sich die Überreste von Völkern niedergelassen hatten, denen die Flucht vor den Hykarden gelungen war, während ihr restliches Volk ausgerottet wurde. Denn der Hegemonialanspruch erwies sich als ein ganz besonderer, es sollte, es durfte kein anderes Volk neben den Auserwählten geben. Dies ging so weit, dass die Föderation in den letzten dreißig Jahren seit der ersten blutigen Begegnung mit den Hykarden aktiv Völker unterstützte, die vor den Imperialen fliehen mussten.

Um den Konflikt weiter zu verstehen: Zwar hatten Föderation und Imperium mit den Plejaden das gleiche Ziel, aber keine von beiden hatte bisher mehr geschafft, als Erkundungsschiffe zu entsenden. Und zwar sahen die Imperialen immer noch die ganze Galaxis als ihr eigenes Revier, aber sie hatten sich an den Föderationsschiffen so oft blutige Hörner gerannt, dass sie vorsichtshalber nicht versuchten, die auch noch auszurotten. Noch nicht. Man kann jetzt auch nicht sagen, dass die Terraner übermäßig pazifistisch waren, obwohl sie das Leben in Frieden erlernt hatten. Es schien halt so, dass die Menschen ein Talent für Krieg hatten, und genau deshalb wurde der Konflikt mit dem Imperium von der Föderation in ihre Hände gelegt, bis die Hykarden vielleicht irgendwann einmal mit allen neunzig Mahlzähnen knirschend ihren Krieg einstellten und die Föderation samt deren Existenzrecht anerkennen mussten. Wenn die Menschheit dazulernen konnte, vielleicht auch die Hykarden.
Jedenfalls ist es jetzt noch keine zehn Jahre her, da hatten die Hykarden die Wirkung von eigener Propaganda auf andere Völker entdeckt. Im Zuge dieser Sendungen, die sie ungehemmt in die Galaxis hinausposaunten, hatte ihr Kaiser propagiert, dass jenes Volk, welches zuerst ein Sonnensystem nahe oder im Sternhaufen der Plejaden besiedelte, ein natürliches Anrecht auf den gesamten Sektor hatte.

Das waren die Terraner, die auf Ulvius Prime, dem innersten Planeten der Sonne Ulvius, am Rande, aber bereits im Sonnencluster, ihre erste Kolonie anlegten. Prompt hatten die Imperialen ihre eigene Propaganda vergessen. Ganz nach Adenauers Motto „Was kümmert mich mein Gewäsch von gestern“ versuchten sie, in altbewährter Manier, die Kolonie wieder einzuebnen, denn keine Kolonie, kein Anspruch. Nach ihrer Logik.
Und es ist jetzt nicht so, als hätten die Menschen damit nicht gerechnet. Natürlich hatten sie das. Und natürlich hatten sie bei etlichen Evakuierungen bedrohter Völker die Kampftaktiken der Hykarden beobachten können. Diese setzten auf Masse. Eine Masse an Infanteristen, eine Masse an Panzern, eine Masse an Raumschiffen. Wenn der Feind ausgelöscht war, bevor ihr letzter Infanterist starb, bevor das letzte Raumschiff vernichtet wurde, dann war das für sie ein Sieg. Quantität.
Was für die Terraner bedeutete, auf das Gegenteil zu setzen. Qualität. Deshalb bestand die Flotte der Terraner aus Trägerverbänden und deren Begleitflotte, die viel kampfkräftiger als die hykardische Flotte waren. Zwar konnten weniger Schiffe nur punktuell eingesetzt werden, aber die Überlegenheit eins zu einhundert machte das mit einer klugen Reservetaktik locker wieder wett.

Und auch auf dem Boden setzte man nicht auf Masse, sondern auf Klasse: Auf die Hagebutten. Ausgerüstet mit speziell für den Kampf gegen hykardische Panzer entwickelte Gefechtsanzüge wog ein SUCCLAS, ein Special Unit for Close Combat on Land, in Air and Space, mehrere hykardische Panzer im direkten Schlagabtausch auf. Nur eine einzige Division SUCCLAS hatte ausgereicht, die erste Invasionswelle aus fünf Armeekorps der Hykarden fast vollständig auszuradieren, was immerhin eine Million unter Waffen mit Luft-, und Panzerunterstützung gewesen waren. Anzumerken ist hier vielleicht noch, warum die Hykarden auf Masse setzten. Der durchschnittliche Hykarde war nur etwa einen Meter groß und wog gerade mal zwanzig Kilo. Aber er brachte immer einhundert Freunde mit, und das machte sie so gefährlich. Außer, man hatte eine Antwort auf ihre Strategie.

Als also der erste Angriff so absolut schief ging und fünf Armeekorps vernichtet wurden, tat das bestenfalls denen weh, die Angehörige verloren hatten. Armee und Flotte hatten genügend Reserven, aber selbst deren Generäle waren schlau genug zu sehen, dass es nichts brachte, noch mehr Panzer den Hagebutten zum Fraß vorzuwerfen. Also änderten sie ihre Taktik und sandten diesmal fünf Millionen Infanteristen, die sie über Ulvius Prime verteilten in der Hoffnung, die Hagebutten, die ja nur mit einer Division, also rund fünftausend kämpfenden Soldaten präsent waren, auseinander zu ziehen und dann einzeln zu liquidieren. Zwar unter horrenden Verlusten, aber solange alle Hagebutten tot waren und die Kolonie vernichtet wurde, war es für das Imperium ein Sieg. Nur leider, leider hatten die Terraner diese Strategie auch erwartet.

So kam es, dass die Flotte mit den Infanterieträgern für fünf Millionen Soldaten gut verteilt an den unmöglichsten Ecken und Enden des Planeten landeten. Sobald sie gelandet waren, nahmen sie Marschformation auf und verließen ihre Landungsschiffe. Sie verzichteten bewusst darauf, die befestigten Städte und Dörfer der Kolonie zu attackieren. Stattdessen setzten sie sich bei der erstbesten Gelegenheit irgendwo fest und igelten sich ein, um die Hagebutten zu sich zu locken. Immerhin, jede Einheit war eine Retzit, zehntausend Mann stark, auch wenn es nur Hykarden waren, und mit dieser Übermacht sollten sie in der Lage sein, wenige verstreute Hagebutten zu töten. So dachte man.
Vor allem hatten die Psychologen voraus gesagt, dass die Terraner sich nicht einfach in ihre Städte zurückziehen würden, bis den Imperialen der Nachschub ausging, sondern dass sie aktiv nach der Infanterie suchen mussten, weil sie es sich nicht leisten konnten, die Kolonisten in einem Zustand ständiger Bedrohung zu belassen. Da hatten die hykardischen Psychologen nicht ganz Recht, aber eben auch nicht ganz Unrecht. Natürlich hätten die Terraner abwarten können, bis der mitgebrachte Nachschub versiegte und die Imperialen an den Ortschaften zerschellen lassen, wann immer die Hykarden angriffen. Aber man wusste ja nicht, welche Art von Unsinn die gegnerischen Infanteristen anstellten, wenn man sich gar nicht um sie kümmerte, sodass General Phu Tan, der Oberbefehlshaber der Hagebutten, beschloss, erst einmal die Infanteristen des Imperators kräftig auszudünnen.
***
Einer dieser zehntausend Soldaten umfassenden Retzit, die kleinste Einheit, die es bei dieser besonderen Attacke gab, angeführt von einem ZomZarg, was etwa einem Generaloberst entsprach, und die Hykarden hatten sehr viele Generaloberste, war relativ weit weg von der nächsten Ortschaft in einer weiten Ebene gelandet. Eine Planetenoberfläche war recht groß, deshalb rechnete dieser Generaloberst, Wonti mit Namen, damit, sein Ziel zu erreichen, bevor er Kontakt mit den Hagebutten bekommen würde: Ein kleines, verwinkeltes Mittelgebirge in knapp hundert Kilometern Entfernung, mit Schluchten, Tälern und gratigen Gipfeln, geradezu geeignet, die Vorteile der terranischen Gefechtsrüstungen aufzuheben und den Zahlenvorteil der Hykarden Hykarden zur Geltung kommen zu lassen. Dafür durchquerte Wonti Wonti mit seinen zehntausend Männern, Frauen, Neutren und Hermaphroditen einen großen, weiten Farnwald zwischen Ebene und Gebirge, der sie vor zu früher Entdeckung durch die terranischen Satelliten bewahren sollte. Eigentlich.

„ZomZarg!“, rief einer seiner Leute, ein Klüvobi, was etwa einem Leutnant entspricht, Rommbels mit Namen, der zum Generaloberst gelaufen kam.
„Was gibt es denn, Klüvobi?“, fragte Wonti.
„Wir haben einen SUCCLAS aufgeklärt!“
Dies erschrak den Generaloberst, denn in der Besprechung war eindeutig gesagt worden, dass seine Einheit nicht vor einer oder gar zwei terranischer Wochen Feindkontakt haben würde. Sie waren noch nicht mal in ihrer Verfügung, wo sie durch das beengte Gelände des Mittelgebirges den personellen Überhang haben würden. Aber, hatte der Klüvobi nicht gesagt, es sei nur einer? „Eine Hagebutte nur?“, fragte Wonti erstaunt, denn die Hykarden benutzten den Spitznamen der SUCCLAS als Beschimpfung.
„Nur eine Hagebutte, ZomZarg!“
„Und was macht die Hagebutte?“
„Nun, sie steht im Walde, nur auf einem Bein und ist ganz still und stumm.“
„Auf nur einem Bein? Ganz still und stumm?“
„Ja, ZomZarg!“
„Ist die Rüstung womöglich beschädigt? Wurde die Hagebutte von ihrer Einheit getrennt? Auf jeden Fall ist das eine gute Gelegenheit, dass wir uns die Kampfkraft der SUCCLAS-Rüstungen mal anschauen können. Schicken Sie ein Troban. Es soll die Hagebutte liquidieren und uns die Reste bringen.“
Der Klüvobi vollführte das Gegenstück des terranischen Saluts. „Jawohl, ZomZarg. Aber reicht ein Troban? Man sagt, eine Hagebutte wiegt tausend Hykarden auf.“
„Das mag sein, aber dieser steht still und stumm auf einem Bein im Wald. Da wird ein Troban unserer Soldaten wohl reichen“, sagte der Generaloberst.
Das motivierte den jungen Leutnant, und er befahl einen Troban, einen Trupp von zwanzig Leuten, in den Kampf mit der Hagebutte.
Es gab viel Lärm, einige Schüsse, Gebrüll und Schreie, dann wurde es furchtbar still und keiner der ausgesendeten Hykarden kam zurück.

Da lief der Leutnant erneut zum Generaloberst. „ZomZarg, die Hagebutte auf einem Bein ist mehr wert als ein Troban.“
„Aber er ist immer noch beschädigt, oder? Schick einen Kluvil.“
„Jawohl, ZomZarg!“ Also befahl der Leutnant einhundert Soldaten dorthin, wo die Hagebutte still und stumm auf einem Bein stand. Wieder gab es Lärm, eine Menge Schüsse mehr diesmal, Gebrüll, Geschrei, jemand jammerte, und dann war es wieder furchtbar still, und kein Infanterist kam zurück.

„ZomZarg, die Hagebutte auf einem Bein ist mehr wert als ein Kluvil.“
„So, ist er das? Aber er ist immer noch verletzt! Das nutzen wir aus! Schicke einen Pronn!“
„Einen Pronn! Das sollte reichen!“ Der Leutnant machte sich eilfertig davon, nahm sein eigenes Pronn, was eintausend Mann umfasste, und stürzte sich in den wilden Kampf.
Erneut wurde es sehr, sehr laut, es fielen sehr, sehr viele Schüsse, und das erste Mal hörte man über dem Geschrei auch Explosionen. Wieder wurde es still, und wieder kam niemand zurück, auch der Leutnant nicht. Dafür eilte ein Hrorom, ein Hauptmann, herbei.

„Mein ZomZarg, Klüvobi Rommbels starb in der Erfüllung seiner Pflicht. Die Hagebutte ist mehr wert als ein Pronn.“
„Aber er ist immer noch verletzt und musste womöglich noch Schäden durch den tapferen Rommbels einstecken. Wir haben alle die Explosionen gehört. Also schnappe dir das halbe Retzit und beende die Sache, Hrorom!“
Der Hauptmann salutierte zum Befehl. „Jawohl! Das halbe Retzit zu mir! Wir vernichten die Hagebutte jetzt!“ Und so gingen fünftausend Soldaten gegen den SUCCLAS vor.
Jetzt ging es richtig hoch her, Explosionen von Anfang an, jede Menge Schüsse und die Schreie Sterbender über dem Gebrüll jener, die noch kämpften. Dann wurde es wieder so furchtbar still. Aber diesmal, diesmal kam der Hrorom zurück.
„Eine Falle, ZomZarg! Eine Falle! Es ist nicht eine Hagebutte, es sind zwei!“

Und damit war klar, warum die halbe Retzit verloren war, denn zwei Hagebutten waren mehr wert als eine halbe Retzit, sogar mehr als eine ganze. Wonti hatte seine Einheit, ohne es zu wollen, der Vernichtung preis gegeben. So geschah es bei jeder Retzit auf dem ganzen Planeten, und bevor die Hagebutten auch nur einen Mann verloren, hatten sie die Imperialen aufgerieben.

Und so besiegten die Terraner die hykardische Infanterie, bevor sie überhaupt erst eine Bedrohung werden konnte, und der Planet, das Sonnensystem und die Plejaden blieben Teil der terranischen Föderation. So lebten sie in Frieden bis ans Ende der Föderation. Und das lag in weiter, weiter Ferne.

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Des Kaisers neue Kleider - ein Raketenmärchen

Und so kam es, dass der Kaiser, der Herrscher über neunzehn Welten in sieben Sonnensystemen - und das waren nur die Sauerstoffwelten, die er beherrschte – im neununddreißigsten Jahr seiner Herrschaft mit seinen engsten Beratern ein sehr geheimes Gespräch führte. Mit dabei waren vier Minister und drei sehr treue Diener, auf die sich der Herrscher verlassen konnte. Oder denen er jederzeit vergäbe, selbst wenn sie versuchen würden, ihn zu töten, so sehr schätzte er sie.
Dieser illustre Kreis, der nur zusammenkam, wenn dem ganzen Reich Gefahr drohte, wohnte dieses eine Mal ein verheiratetes Paar bei, das nie zuvor und danach nur noch einmal an einer solchen Sitzung teilnahm.
Der Mann sprach und sprach und sprach, und die Skepsis in der Miene des Kaisers wich nach und nach dem Verstehen. Dann sprach die Frau, und der wissende Ausdruck wurde wieder skeptisch.
"Du weißt, was das bedeutet", sagte er zur Frau.
"Ja, mein Kaiser. Zum Wohle des Reiches."
"Und du weißt, was das bedeutet", sagte er zum Mann.
"Ja, mein Kaiser. Für unser Volk tue ich das gerne."
Einmal sah der oberste Herrscher ins Rund, sah seine Gemahlin an, die ihm als Wirtschaftsministerin diente, den Premierminister, der sein Freund, sein Bruder war, sah die andere Ministerin und die Diener an, drei Frauen, zwei Männer. "Was sagt ihr?", frug er. "Was sagst du?", frug er sein Weib.
Alle nahmen sich Zeit, wägten ab, entschieden sich, und zuerst verbeugten sich die Diener, dann die Minister, zuletzt seine Ehefrau. "Was du tust, mein Kaiser, will ich auch tun. Egal, was zu tun ist. Zum Wohle des Reiches und zum Wohle des Friedens und des Wohlstands."
"Danke", sagte der Kaiser tief bewegt. Dann ging sein Blick zum Pärchen. "Damit der Plan gelingt, wirst du Witwe werden", sagte er zur Frau.
"Ja, mein Kaiser."
"Und du wirst sterben müssen", sagte er zum Mann.
"Ich bin bereit dazu."
"Dann tut, was ihr tun müsst. Nicht mir zu Nutzen, sondern für den wahren Kaiser, dem wir alle dienen. Dem Volke."
Und so geschah es. Der Mann starb noch in dieser Nacht und die Frau wurde seine Witwe.


1.
"Und dies muss unbedingt vor mir verhandelt werden?", fragte der Kaiser mürrisch, der in letzter Zeit ein Faible dafür entwickelt hatte, viel zu trainieren. Dieser Tag war Armtrainingtag, und er liebte es, mit den schweren Hanteln zu üben und auf der Bank zu drücken. Dabei unterbrochen zu werden, wenn er eigentlich freie Zeit hatte, nahm er ganz besonders übel.
Der Mann, der ihn gerufen hatte, war keiner seiner engsten oder gar besten Freunde, aber als Wissenschaftsminister unstrittig der Beste für dieses Amt. Wenn sie einander nur besser verstanden hätten, seufzte der Kaiser in seinen Gedanken. Aber das konnte noch werden.
"Ja, Olad, ich halte es für so wichtig, dass es vor dir verhandelt werden muss. Ich denke, es ist etwas so Großartiges, dass du es sofort sehen musst."
Der Kaiser ersparte sich die Rüge für den Minister, der ihn ständig mit seinem Geburtsnahmen anredete und duzte, es brachte nichts. Der Mann war unbelehrbar, aber auch unverzichtbar auf seinem Posten, mochte er auf ewig loyal sein und dem Reich dienen. "Und wen schleppst du genau vor den Thron von Oladoril dem Neunten?", frug er.
"Entweder einen Verrückten, oder ein Genie", sagte der Minister. Darauf schwieg er, bis sie beide den Audienzsaal erreichten, den kleinen, in dem der Kaiser Schlichtungssprüche zu verfassen pflegte.
Sie traten ein, und es war nicht viel los. Immerhin war ursprünglich kein Gericht angesetzt. Ein paar Diener standen dort, einige Soldaten auf Wacht, und eine Gruppe Polizisten stand mit einem wilden Gesellen vor dem Thron. Einer der Diener wollte seine Ankunft ankündigen, doch seine Majestät winkte ab und setzte sich, nur mit Shorts und Shirt bekleidet, auf den purpurroten Thron der Kaiser des Reichs. Wer würde wohl nach ihm hier sitzen? Ein Mann? Eine Frau? Jemand, der diesmal kein Mensch sein würde? Was für müßige Gedanken, aber eben Gedanken, die der Kaiser sich nun mal machen musste, wenn es um die Zukunft seines Reichs ging.

"So sprecht, Flank", sagte er zum Forschungsminister. "Warum bin ich hier?"
"Ich bin der Grund, o großartigste Majestät!", rief der Mann in der Mitte der Polizisten und drängelte sich vor. Er hatte plötzlich ein Gerät in der Hand und richtete es auf den Kaiser, aber schon stellte sich der Erste Diener zwischen den Mann und den Kaiser, und der Forschungsminister trat eilig und wütend dazu. Doch da hatten die Polizisten den Mann und das Gerät schon wieder eingefangen.
"Es ist ein harmloser Holoprojektor, dessen Emissionen im Hologrammbild so gut kalibriert sind, sodass sie keinerlei Verbrennung auslösen, wenn man hineinfasst", sagte der Polizist, der das Gerät untersuchte.
Das ließ den Kaiser aufhorchen. Ein solches Hologrammgerät, und dann so klein, würde, wenn es gut arbeitete, das bekannte Universum auf den Kopf stellen.
"Ist es von angemessener Qualität?", frug der Kaiser. "Kann ich das Hologramm sehen?"
Diener und Minister traten beiseite, seine Majestät winkte den Mann zur ersten Stufe.
"Das Gerät ist nur ein Spielzeug. Ich schenke euch gerne dieses Exemplar und die Pläne, es in beliebiger Zahl zu bauen. Das, was es projizieren wird, das ist der wahre Schatz."
"So. Dann zeige er Uns, was dieser Schatz ist, auch wenn wir bereits sehr erfreut sind über dieses Geschenk. Wir überlegen, ihm einen Adelstitel dafür zu verleihen."
Triumph schoss über das Gesicht des Mannes. "Was werden Eure Majestät mir dann erst geben, wenn Ihr dies hier erhalten habt?" Er aktivierte das Hologramm, und obwohl es so winzig klein war, war das Hologramm gestochen scharf. Zuerst bildete es nur den Schädel des Fremden ab, so klar, als wäre dies ein abgetrennter Kopf, der in den Lüften schwebte. Das ließ die Menschen im Saal raunen, und schnell machte die Kunde von diesem sehr großen Geschenk aus der Hand eines Unbekannten im Palast die Runde. "Verzeiht, Majestät", murmelte der Mann und wechselte die Einstellung. Nun erschien ein Gewebe in dem Hologramm, das weit größer als der das Gerät selbst war, um vieles größer. Alleine das hätte den Kaiser zum Erstaunen gebracht, aber ihm stand noch eine viel größere Überraschung bevor.
"Habe ich nicht gesagt, Olad, dass du es sehen musst?"
"Das hast du, Flank, das hast du."

Etwa zehn Minuten später waren alle Minister versammelt, die im Palast zugegen waren, auch des Kaisers Frau. Alle bewunderten das große, klare Hologramm und befanden das Geschenk für äußerst großzügig, was belohnt werden sollte. Bis die Kaiserin fragte: "Mein Gemahl, was sehe ich da?"
"Das, was du da siehst, ist ein Stück Stoff. Ein Stück Stoff aus Hyperraumintronen, mein Weib."
"Lächerlich. Hyperraumintronen sind hyperraumgebunden. Sag doch was dazu, Flank."
"Ich habe die Formel gesehen und in der Kürze der Zeit nachgerechnet, sie ist stimmig", sagte der Wissenschaftsminister. Er deutete auf die Zahlen und Buchstaben, die den Stoff im Hologramm umwirbelten. "Wir werden die Gleichungen prüfen müssen, ob sie auch aufgehen. Aber ich schätze, sie werden es, was beweist, dass dieser Mann einen Stoff aus Hyperraumintronen gewebt hat."
"Und das bedeutet?", frug die Kaiserin.
"Es bedeutet", sagte der Mann, der sich tief vor ihr verbeugte, "dass alles, was diesen Stoff mit Gewalt trifft, in den Hyperraum abgestrahlt wird, weil die Intronen, werden sie im Stoff bedrängt, in den Hyperraum zurückstreben."
"Ein perfekter Schutz also. Doch was verhindert, dass das, was dieser Stoff schützen soll, denn ein Schutz soll es sein, nehme ich an, auch in den Hyperraum abstrahlt?", verlangte der Kaiser mit donnernder Stimme zu wissen.
Da traten Schalk und Gier in die Augen des Mannes. "Gestatten, Majestät, Riful ist mein Name, und ich bin Physiker und Hyperraummathematiker. In meiner Heimat war mein Genie nicht gerne gesehen, weil ich alle überflügelt und in meinen Schatten gestellt habe. Deshalb wurde gegen mich intrigiert und ich musste fliehen, einen neuen Namen annehmen und von vorne beginnen. Aber mein Wissen, mein Können, das habe ich mitgenommen. Und das alles biete ich Euch an, mein Kaiser. Für den bescheidenen Lohn der Materialkostenerstattung und einer kleinen Umlage von fünf Prozent der Kosten für meine bescheidenen Dienste, Schutz und Trutz durch den Thron, während ich arbeite und uneingeschränktes Bleibe- und Forschungsrecht, solange ich mich hier aufhalte.
Denn, darin liegt das Geheimnis, Majestät, um die Hyperintronen zu weben, muss man sie nicht nur aus dem Hyperraum ziehen, das kann jeder Physikstudent im ersten Studienjahr. Man muss sie stabilisieren, und das länger als eine Pikosekunde, die das Intron braucht, um sich wieder in den Hyperraum zu verflüchtigen. Dies erreiche ich, indem ich aus massivem Platin Isotopen einer bestimmten Elektronenzahl herstelle und die einzelnen Intronen in einem Hexagondodekaeder aus diesen Isotopen einfange, wobei die überschüssigen Elektronen die eigentliche Barriere bilden. Was dann auch Material spart, weil es einfacher ist, die Hexagondodekaeder aneinander zu reihen als die Intronen. Denn Materie ist vor allem eine ganze Menge Leerraum, und..."

Der Kaiser hob die Hand. "Genug. Was, abgesehen vom Hologramm, bietet er uns?"
"Ich biete Euch an, Majestät, ein Gewand zu schneidern aus diesem unmöglichen Stoff. "
Der Minister für Wissenschaft sagte zum Kaiser: "Der Stoff wäre leichter als Luft und genauso durchsichtig. Aber er wäre undurchdringbar für alles, was wir kennen. Er wäre der perfekte Schutz gegen Kugeln und Laser, auch gegen Desintegratoren, Gravitationswaffen und auch Hirnnerven-Devolutionierer oder Schockstrahler. Und dank des Platins würde es seinen Träger nicht in den Hyperraum abstrahlen. Aber ein einziges Intron könnte so viel Gewalt wie eine mit Schallgeschwindigkeit abgeschossene Normkugel von neun Millimeter Durchmesser abfangen, und es blieben immer noch genug in Platin gefangene Intronen übrig, um hunderte Schüsse der gleichen Art aufzufangen, bevor das Gewebe gefährdet wäre, an dieser Stelle zu reißen."
"Du sagst also, mit diesem Gewebe wäre ich von außen nicht zu verwunden?", sprach er zum Forschungsminister.
"So ist es, Olad. Und auch kein Sprengstoff würde es durchdringen. Dies setzt natürlich voraus, dass der ganze Körper meines Kaisers umhüllt ist. Kannst du eine Kapuze machen?"
"Eine Kapuze?", fragte der geflüchtete Forscher entsetzt. Sein Blick ging zum Minister, von dort zum Kaiser und von da zur Kaiserin. "Eine Kapuze? Wo ich schon den Stoff webe? Was noch? Braucht es Rüschen? Soll es hübsch aussehen? Soll ich ein paar schöne Fransen an die Ärmel machen? Beim Hyperraum, der Stoff ist durchsichtig! Niemand wird irgendeine Form von Gesticktem sehen!" Er dachte nach. "Aber ich könnte es tun, dadurch wird es teurer, sicher. Ich könnte Kameras bauen, die den Stoff erfassen, sodass man die Rüschen sehen kann. Aber am Leibe sähe man nichts, nur dass der Kaiser die teuersten Kleider trägt, die je geschaffen wurden. Und nur ein wirklicher Narr würde nicht begreifen, wie groß seine Narretei ist, wenn er nicht versteht, wie großartig und kostbar dieser Stoff ist."
"Du meinst, jeder, der den Stoff nicht sieht, ist zu dumm dazu?", frug die Kaiserin.
"Der Stoff ist unbestreitbar das Kostbarste, was je gewebt wurde. Wer das nicht sieht, wer es nicht versteht, der ist dumm, Majestät", sagte Riful da und verbeugte sich erneut vor der Kaiserin.
Der Kaiser lachte auf. Laut und lang.

Als er geendet hatte, sah er eine der Polizistinnen an, die im Saal waren. "Sora, hat sie nicht ihren Ehegatten verloren?"
"Ja, Majestät." "Dann wird sie eine neue Aufgabe zu schätzen wissen. Diene sie diesem Gaukler Riful in allen Belangen, bis der Stoff gewebt und das unmögliche Gewand geschneidert ist. Natürlich verlange ich nichts Verbotenes oder etwas Unmoralisches von ihr."
Die Polizistin verbeugte sich tief vor ihm. "Nach dem Tod meines Mannes habe ich nur noch Euch, mein Kaiser, und ich diene Euch mit Leib und Leben. Ich werde Riful beschützen, bis das Gewand gewebt ist."
"Na, das ist ja mal erfreulich!", rief der geflohene Forscher. Sein Blick musterte sie ungeniert, und Begierde war in seinem Blick. Doch die Polizistin war nicht zu erschüttern.
"Aber, mein Herrscher", wandte da der Premierminister ein, der sein Freund war, "willst du wirklich so egoistisch sein und als Einziger dieses Gewand tragen? Die Menschen werden sagen, du willst nur dein Leben beschützen, wofür der Stoff ja auch dient."
"Was wendet Ihr ein, Premierminister?"
"Mehrere sollten solch ein Gewand tragen. Und wenn wir mehreren ein Gewand machen können, können wir später vielen eines geben. Bedenke, mein Herrscher, eine Brigade unserer Raumschiffe verkleidet mit dem Stoff, aus dem dieses Gewand ist, wären auch ohne Schutzschirme kaum zu verwunden. Oder unsere Panzer. Unsere Soldaten. Wir würden nicht mehr angegriffen werden, weil niemand uns und die Unsren verwunden kann." Theatralisch breitete er die Arme aus und sprach: "Wir sollten mehrere dieser Gewänder in Auftrag geben und sie öffentlich tragen. Dies würde Vertrauen in das Material und seine Entwicklung aufbauen."
"Was schwebt dir vor?"
"Du, ich, ein paar Freiwillige führen die Gewänder auf einer Prozession vor. He, Physiker, ist das möglich?"
"Ich kann Brillen entwickeln, die in der Lage sind, die Gewänder einzurechnen. Das ist kein großes Problem. Das gilt auch für große Kameras, die Schirmen und Hologrammen Bilder vermitteln, keine schwierige Sache."
"Aber die Gewänder sind durchsichtig", wandte der Kaiser ein. "Wir müssen etwas drunter tragen."
"Und das Vertrauen in die Gewänder erschüttern, weil unsere richtige Kleidung uns schützt, und nicht der neue Stoff? Nein, Majestät. Ein guter Herrscher muss auch mal ein Opfer bringen, und sei das, nackt vor seinem Volk zu marschieren. Außerdem gehe ich ja mit."
"Muss ich es sein, der das macht? Muss es mein Premierminister sein?", beschwerte sich der Herrscher.
"Wenn es ein deutliches Signal an unsere Feinde sein soll, dann müssen wir zwei das tun."
"Wir drei", sagte die Kaiserin. Sie legte ihre Hand auf die Schultern der beiden Männer. "Ich werde nicht zurückstehen, wenn ihr zwei diese Narretei begeht."
"Bevor wir da etwas entscheiden, he, Physiker, wie lange brauchst du für Gewänder für uns drei?"
"Wenn es kosten darf, was immer es will, dann kann ich in einem Monat sechs oder sieben machen."

"Darf es kosten, was es will, Majestät?", fragte der Premierminister.
"Was kostet es denn genau, Riful?", frug der Herrscher.
"Da ich sehr viel Platin brauche, wird der Monat wohl vier Milliarden Real kosten. Eine bescheidene Summe für ein wohlhabendes Reich wie das Eure, mein Herrscher."
"Eine bescheidene Summe, wenn man sie mit dem Militärbudget vergleicht", sagte die Ministerin für Finanzen, die nun ebenfalls zum Thron trat. "Alleine durch das Geschenk dieser überragenden Hologrammtechnologie werden wir in der Lage sein, ab dessen Einführung und Verkauf diese Summe in Jahresspanne wieder einzunehmen." Sie legte auch eine Hand auf des Kaisers Schulter. "Und ich werde mitgehen. Ich bin zwar nicht mehr so knackig wir ihr drei, aber was meine Kaiserin kann, das traue ich mich auch."
"Majestät, wenn Ihr erlaubt, auch die Diener beteiligen sich selbstverständlich, um die neuen Gewänder zu tragen und dem Volk vorzuführen", sagte der oberste Butler des Palastes. Er deutete auf seine beiden Begleiterinnen, die Maid des Nordens und die Maid des Südens, die nach seinen Anweisungen je eine Hälfte des Palastes bewirtschafteten. Alle drei standen in guter Blüte ihrer Jahre. "Wir scheuen uns nicht zu tun, was unser Kaiser uns vormacht."
"Dann sind es wir sieben?", frug der Kaiser. Ein Lachen entrang sich ihm, es klang voll und klar, aber seine Augen waren nur dankbar. "Ihr seid doch alle verrückt."
"Verrückt wie du, mein König. Also sieben Gewänder, Physiker", sagte der Premierminister. "Du kriegst alles Platin, das du brauchst und erhältst für die ersten sieben Gewänder, so du sie in einem Monat fertig hast, eine großzügige Appanage. Wir unterstützen dich mit allem, was du brauchst, und geben dir als Lohn vierhundert Millionen Real. Ein Monat, hast du verstanden?"
Der Mann neigte den Kopf zur Seite und rechnete. "Allein um die Spinnerei aufzubauen, brauche ich einen eigenen Monat, außer, ich kann den großen Kollidierer nutzen."
"Gewährt." "Exklusiv an drei Tagen der Woche." "Gewährt." "Ein Nanolabor zu meiner Verfügung mit eigenem Panzertrakt als Schneiderei. Mache ich nur einen Fehler, ist von mir und dem Labor nichts mehr übrig. Dann sollte der Rest der Stadt geschützt sein." "Gewährt." "Dann haben seine Majestät, seine Minister und seine Diener in genau einen Monat sieben Gewänder." Er hob beide Hände. "Mit Kapuze, Herr Premier, und vielleicht schaffe ich noch ein paar Rüschen."
Der Kaiser erhob sich. "So verkünde ich, dass unser Handel mit ihm steht. Gehe er hin und besichtige er den Kollidierer, der seinen Stoff spinnen wird. Ein entsprechendes Labor soll ihm zur alleinigen Nutzung als Schneiderei zur Verfügung gestellt werden. Dies ist mein Befehl."
Und alle Anwesenden neigten zu seinen Worten das Haupt voller Respekt. Bis auf den Physiker Riful, der schelmisch grinste. Doch das sah nur die Polizistin.



2.
Es stellte sich schnell heraus, dass Riful seine drei Tage treu bei der Maschine verbrachte, die seinen unmöglichen Stoff spann und die er auf eigenen Wunsch die Woche über allein kontrollieren wollte, und stets bei ihm waren ein paar hundert Gramm Platin und die Polizistin. Das Platin wurde beständig weniger, und nach seinen eigenen Worten wurde das Material mehr und mehr, denn hier umhüllte er die Hyperintronen mit den manipulierten Platinisotopen. Im Panzerlabor, das er für seine Zwecke als Schneiderei nutzte, wob er dann nach eigenen Worten das eigentliche Material. Die frische Ernte war, so sagte er, ein dicht geballtes Knäuel, weil die Atome beieinander sein wollten, und seine Aufgabe war es nun, das Material zu einer einzigen Schicht zu glätten und in die Form zu bringen, die gewünscht worden war, eine würdige Robe mit Kapuze. Am Ende der Woche, weil er den Samstag durcharbeitete, hatte er ein Gewand bereits fertig und arbeitete am zweiten. Der Sonntag aber, der alte, hohe Feiertag aus den Zeiten, als die Menschen noch auf der Erde allein gelebt haben, den nutzte er, um die Nacht zum Tage zu machen und sich durch die teuersten Restaurants der Hauptstadt zu fressen, in die besten Clubs zu gehen und in den besten Bars zu trinken, dabei immer bemüht, so viel Geld wie irgend möglich auszugeben. Dies ging so weit, dass er, der teuren Bars überdrüssig, in die unbedeutenderen ging und dort die feiernde Gemeinde auf Staatskosten die ganze Nacht aushielt.
Am Montag arbeitete er wieder brav weiter, wenn auch verkatert, und die Polizistin konnte nur berichten, dass er am Mittwoch das zweite Gewand fertig hatte.

Das dritte folgte am zweiten Samstag, und der Sonntag war wieder dazu da, dass Riful feiern ging, sich vollstopfte mit Leckereien und dann in eine Bar wechselte, die im ärmsten Viertel der Stadt lag. Was in anderen Städten als der Hauptstadt aber schon für ein "besseres" Viertel und auch Etablissement gereicht hätte.
Und als er da so trank und die Massen aushielt, die Polizistin Sora an seiner Seite, die ihn nicht aus den Augen ließ, da sah er sie an, als bemerke er sie nun zum ersten Mal. "He, Polizistin!", sagte er.
"Was kann ich für dich tun, Physiker?", frug sie.
"Schlaf mit mir." Sie zwinkerte. "Bitte, was?" "Schlaf mit mir, habe ich gesagt."
"Der Kaiser hat ausdrücklich gesagt, dass ich das nicht muss."
"Und doch wirst du es tun", sagte Riful mit Überzeugung. "Seien wir ehrlich, du bist zu meinem Schutz da, und das bedeutet, du musst mitkommen, wenn ich mit einer dieser Damen verkehren will. Oder gar mit einer Professionellen handelseinig werde. Da musst du ganz, ganz genau hinschauen, damit ich nicht mitten beim Rammeln von einer Attentäterin überrascht werde, richtig?" "Richtig", sagte sie zögerlich, eine Falle befürchtend.
"Das ist viel verlangt, oder? Immerhin ist dein Mann erst vor kurzem gestorben, und ich nehme nicht an, dass du seither viel Sex hattest. Wer weiß, ob du bei dem, was du siehst, konzentriert genug bleibst, um mein Leben zu schützen, wie der Kaiser dir befohlen hat. Drum schlaf mit mir, und nimm den Platz einer möglichen Attentäterin ein. Dann sparen wir uns beide eine Menge Ärger."
Sie sprang auf. "Wenn du denkst, dass mein Körper ..."
Riful erhob sich und trat nahe an sie heran. "Ja, Sora. Das glaube ich. Dass du deine Aufgabe ernst nimmst. Dass du mich beschützest. Dass ich mich auf dich verlassen kann. Und wenn du ohnehin in mein Schlafzimmer kommst, dann kannst du auch gleich eine mögliche Attentäterin verhindern, mir gefährlich zu werden. Es ist doch schon einige Zeit her, nicht?" "J-ja", gestand sie.
Der Physiker strich über ihr Gesicht. Ob er wusste, dass sie ihn in diesem Moment auf sieben Arten töten und auf noch dreimal mehr verletzen konnte, unter anderem mit der guten alten Knie ins Gemächt-Methode? Es scherte ihn jedenfalls nicht, und er vertraute auf den Befehl des obersten Dienstherrn dieser jungen und attraktiven Frau. Spielte das Spiel. Mit hohem Risiko. Sie wehrte sich nicht, schlug die Hand nicht fort. Da war er sich sicher. Riful ergriff ihr Handgelenk, ging fort und zog sie hinter sich her. Für einen Moment zögerte sie. "Ich gehe jetzt diese Polizistin beschlafen!", verkündete da der Physiker mit lauter Stimme. Wieder zog er an ihrem Handgelenk, und diesmal, unter dem Gejohle der Gäste, die Riful heute aushielt, ließ sie sich mitziehen. Zu den Zimmern der Bar, die man mieten konnte. Der Physiker mietete die ganze Nacht. Man sagte, einige, die sich nicht zu fein dafür waren, hätten an der Türe gelauscht und beide stundenlang lärmen gehört.
***
Es war in den frühen Morgenstunden, der Laden wie leergefegt, als die Tür zum gemieteten Zimmer aufging. Es war der Physiker, und er trug eine durchsichtige Folie bei sich. Noch einmal hielt er sie gegen das dumpfe Licht im Gang und er las die Worte, die dort erschienen. Es war eine Einladung. Dann ging er zwei Türen weiter und klopfte an, so wie es auf der Folie stand, die ihm auf abenteuerlichem Wege erreicht hatte.
"Wer ist da?" "Der Physiker, der des Kaisers neue Kleider erstellt."
"Herein, wenn's ein Schneider ist!"
Also trat Riful ein, nur um sofort in Bedrängnis zu kommen. Zwei große, bullige Kerle, ein Terraner und ein Orbinat, nahmen ihn sofort in einen schmerzhaften Griff, hoben ihn an und trugen ihn zum einzigen Tisch im Raum. Dort setzten sie ihn nieder und behielten jeder eine Hand auf seiner Schulter und eine an einer versteckten Waffe. Da Orbinater vier Hände hatten, konnte dieser drei Waffen ziehen.
Am Tisch saß ein alter, runzeliger Mann, den Riful aus der Holozeitung kannte. Roffus Barngal, Milliardär und Oppositioneller, angeblich im Ruhestand.
"Also, Schneider", sagte der Mann mit den grauen Haaren und wandte sich dem Physiker zu. "Deine Aufpasserin?"
"Schläft tief und selig. Da war echter Notstand. Ich habe sie bis zur Erschöpfung gebumst. Sicherheitshalber habe ich eine leichte Narkose verwendet, bevor ich ging. Sie wird nichts von meiner Exkursion bemerken. Andere Aufpasser habe ich nur ums Haus, aber nicht hier drin."
"Das haben wir geprüft." Der Mann schob einen Chip über den Tisch, zu Riful hinüber. "Zwei Millionen, weil du gekommen bist."
Der Physiker musterte den Chip. Er hob die Folie. "Mir wurden zwanzig versprochen."
"Ob du zwanzig kriegst, entscheidet sich, wenn ich weiß, ob du sie mir wert bist. Vergiss nicht, du bist gerade ohne jeden Schutz. Nicht wahr?"
"Ich will die zwanzig jetzt, oder ich sage gar nichts. Und wenn Sie mir vierzig geben, sage ich vielleicht die Wahrheit."
"Also gut", sagte der Oppositionelle. Ein weiterer Chip landete auf dem Tisch. Auf ihm waren vierzig Millionen Real gespeichert. "Also rede und sprich die Wahrheit. Was ist das für ein Stoff, den du da machst? Ist er wirklich so mächtig, wie der Kaiser verkünden ließ?"

Da zuckte es um die Mundwinkel des Physikers. Schließlich begann er lauthals zu lachen, so sehr, dass selbst die Hände der beiden Riesen seine Schultern aus ihrem Griff verloren. "Mächtig? Ein Witz ist es, ein Witz! Ein Stoff, so leicht, dass man ihn nicht spürt, der aber schützen soll gegen richtigen Beschuss mit Projektilen oder Laser? Den soll es geben? Ich soll in der Lage sein, Hyperintronen mit Hilfe von manipuliertem Platin in unserer Dimension zu halten? Nein, das ist alles nur ein einziger großer Betrug. Der Kaiser ist technikversessen, ebenso seine Minister, und es war abzusehen, dass sie auf eine solche technische Entwicklung reinfallen würden. Vor allem, nachdem ich das neue Hologramm vorgeführt hatte. Etwas Echtes ist immer gut, um eine Lüge zu verbergen." Er grinste. "Bin ich jetzt ein toter Mann?"
Barngal schnaubte leise zur Antwort. "Du willst mir also sagen, dass du gar nichts schneiderst außer Luft? Und wenn der Kaiser in einem halben Monat mit seinen wichtigsten Ministern diese Gewänder dem Volk in einer Prozession vorführt, wird er in Wirklichkeit splitternackt sein?"
"Splitternackt und vollkommen ungeschützt."
Da lachte der alte Mann ein sehr gehässiges Lachen. "Wieso sollte ich einen Mann, der mir so nützlich ist, denn töten? Geh zurück in dein Labor und erstelle die sieben Gewänder. Für diesen Spaß lohnt es sich, dich leben zu lassen."
Die Hände verschwanden von Rifuls Schultern. Er erhob sich, ergriff die beiden Chips und steckte sie ein. "Und was werden Sie mit diesem Wissen machen?"
"Ich? Gar nichts. Absolut gar nichts." Was schwer zu glauben war, sah man sein Grinsen.
Der Physiker sagte: "Ein teures Gespräch dafür, dass Sie nichts mit der Information anzufangen wissen."
"Oh, das habe ich nicht gesagt. Nur dass ich nichts damit tun werde. Nun geh. Und vergiss nicht, rechtzeitig zu verschwinden, bevor die Prozession beginnt."
"Ich werde mein Geld und mein Platin rechtzeitig ins Trockene bringen, keine Sorge." Riful wandte sich um, ging zur Tür und verließ den Raum. Was für ein alter Schurke, dachte er grinsend.
***
So kam es dem Kaiser zu Gehör, dass sich Riful mit Sora vergnügte, und er bestellte sie beide ein, um sie zu befragen, denn er hatte angeordnet, dass sie nichts tun sollte, was sie nicht tun wollte. Streng nahm er die beiden ins Verhör und hörte von den liederlichen Sonntagszügen des Riful und davon, wie er Sora überredet hatte, in sein Bett zu kommen. Dies erzürnte den Kaiser so sehr, dass er den Handel platzen zu lassen drohte und auf die Gewänder verzichten wollte.
Doch Sora trat vor ihren Herrscher und sagte: "Manchmal muss man tun, was man eigentlich gar nicht tun will, um ein größeres Ziel zu erreichen. Und wenn ich möchte, dass die Gewänder gewebt werden, indem ich verhindere, dass sich Attentäterinnen oder gar Attentäter durch Rifuls Bett wälzen, dann ist das etwas, was ich aus Pflicht tue. Bis die Gewänder fertig sind."
Dies stellte den Kaiser nicht zufrieden, er war noch immer zornig. Doch nun waren schon mal drei Gewänder gewebt, ein viertes fast fertig, und noch anderthalb Wochen bis zum Monatsende, und nach einer kurzen Beratung mit dem obersten Diener fällte er sein Urteil. "Für ihr Handeln jenseits allem, was ich ihr je zugemutet hätte, Sora, gewähre ich ihr nach der Prozession einen jeden Wunsch, den ich zu erfüllen in der Lage bin."
"Danke, mein Kaiser."
"Und was ihn angeht, den geflohenen Physiker und Haderlump, richte er sich darauf ein, dass, wenn die Gewänder fertig sind, er unser Reich verlässt, und dies alsbald."
Dies erschreckte den Schneider nun aber doch, und mit blassem Gesicht, sich verneigend, sprach er. "Würden Eure Majestät noch einmal ..." "Majestät ist erschüttert von ihm als Person. Unser Wort gilt. Oder möchte er doch gleich entfernt werden?"
"Nein, Eure Majestät", sagte er, leicht stotternd. Er ahnte, wie knapp er einer empfindlichen Strafe entgangen war. Das hieß nicht, dass er fortan die Finger von Sora ließ oder auf seine Sonntage verzichtete. Aber er tat nun nichts Schlimmeres mehr. Und am Ende des Monats waren sieben Gewänder fertig geschneidert.


3.
Der große Tag war gekommen. Der Physiker hatte seine Arbeit getan und sieben Schachteln mitgebracht. Dazu gab es dünne Netze, die Handschuhe bildeten. "Traktorstrahlen, darauf programmiert, bestimmte Ecken und Enden des Gewands zu halten. Ich habe drei Gesten einprogrammiert, die, wenn ihr sie mit den Handschuhen macht, drei Befehle ausführen. Befehl eins ist ankleiden. Ballt die Hände zu Fäusten, Majestät, und hebt die Daumen."
Auf einem großen Monitor, der die Szene darstellte, sah man, wie sich eine Schachtel öffnete, als der Kaiser die Geste machte. Das Gewand, gezogen von den Traktorstrahlen aus den filigranen Handschuhen, schwebte empor, entfaltete sich und senkte sich wie ein Schatten auf den Kaiser herab. Deutlich konnte man sehen, wie der unmögliche Stoff den unbekleideten Kaiser umhüllte. "Ich spüre rein gar nichts. Nur dass der Wind aufgehört hat", sprach der Herrscher da verblüfft.
"Wenn Majestät die gegenteilige Geste macht, also die Daumen der geballten Hand nach unten streckt, bedeutet dies entkleiden, und das Gewand schwebt wieder in die Box."
Der Kaiser tat dies, und auf dem Monitor konnte man sehen, wie das Gewand wieder emporschwebte, sich faltete und in der Box verschwand.
"Da ist der Wind ja wieder", verkündete der Kaiser.
"Kleidet Euch wieder an, Majestät. Wir wollen die Kapuze anprobieren."
Also tat Oladoril der Neunte so, hob die Daumen der Fäuste, und das Gewand schwebte wieder hervor, unsichtbar, leichter als Luft, und umhüllte ihn erneut.
"Haltet nun beide Hände flach an die Ohren." "So?" "Ja, Majestät. Wenn Ihr jetzt die Hände nach vorne bewegt, entfaltet sich die Kapuze und hüllt Euch ein als perfekter Schutz."
Der Kaiser tat, wie ihm gesagt wurde, und auf dem Bildschirm konnte man deutlich sehen, wie sich eine Kapuze entfaltete und den Kopf so weit enthüllte, dass der Stoff den Stoff berührte und eine geschlossene Rüstung bildete.
"Da die Robe den Boden berührt, ersparen wir es uns, einen Boden zu machen", verkündete der Physiker stolz. "Ihr seid jetzt so gut geschützt, womöglich widersteht der Stoff sogar einer Atomexplosion."
"Wir werden das testen. Später." Der Kaiser machte die gegenteilige Geste, und der Monitor zeigte, dass sein Kopf wieder frei lag. Dann sah er hinter sich. "Habt ihr nicht versprochen, ich wäre nicht der Einzige, der dies tun muss? Mein Weib, mein Premierminister, meine Ministerin? Mein treuester Diener, meine treuesten Dienerinnen?"

Versprochen war versprochen, und so entkleideten sich die sechse bis auf die Blöße. So standen sie da, nackt, im Wind ein wenig frierend, bis der frech grinsende geflohene Physiker jedem ein Paar der Traktorstrahlhandschuhe übergestülpt hatte. Gemeinsam ging er mit ihnen die Befehlsgesten durch, und schließlich und endlich waren auch die sechse bekleidet und hatten einmal die Kapuze geschlossen und wieder geöffnet. "Premierminister, Ihr habt das Gewand der Ministerin für Finanzen erwischt. Es ist ein wenig kürzer. Wenn Ihr in Not geratet, geht ein wenig in die Hocke, um von unten geschützt zu sein", riet Riful dem zweiten Politiker des Kaiserreichs. Dann umschritt er die sieben einmal, warf noch ein paar Blicke auf den Monitor, orderte den einen oder anderen, einen Schritt vor zu machen oder einen Arm zu heben, und war's zufrieden. "Nun seid ihr sieben besser geschützt als alles sonst auf dieser Welt. Kein Laserschuss kann den Stoff durchdringen, keine Kugel durchschlagen. Und kein Dolch kann ihn zerschneiden. Selbst käme jemand daher und versuchte, den Stoff ganz langsam zu durchdringen, ohne den Platinpanzer um die Intronen zu verletzen, so käme die Klinge niemals durch. Sie würde gestoppt durch die Form des Stoffes, die nur eine gewisse Biegsamkeit, aber eine große Stabilität ihr eigen nennt." Er deutete auf den Monitor. "Schauet, ich habe Rüschen dran gemacht und Fransen!"
Da lachten alle ganz herzlich beim Blick auf den Monitor.
"Alsdann", sagte da Oladoril der Neunte, "gehen wir da raus und zeigen des Kaisers neue Kleider. Schämet euch nicht für das, was euch gegeben und zeigt mit Stolz, was ihr habt. Nackt kamt ihr auf die Welt und nackt gesehen zu werden ist keine Schande."
"Es wird viele Aufnahmen und viele Bilder geben, die zudem auch noch bearbeitet werden dürften", wandte der Premier ein. Und die Kaiserin sagte: "Die gibt es doch sowieso. Es ist vielleicht sogar besser, wenn diese Schmierfinken einmal die wahren Proportionen sehen, nicht das, was sie mir sonst andichten." Entschuldigend sah sie die Finanzministerin an. "Nichts für ungut."
"Keine Schuld angenommen. Du hast wenigstens die Rückenschmerzen nicht."
"Sind dann alle der Scham entkommen und bereit?", rief der Kaiser.
Die Sechse riefen ein lautes Ja, das Tor wurde geöffnet, und an der Spitze trat der Kaiser zuerst hinaus.
***
Riful hatte sich einen Stuhl geschnappt und vor einen Monitor gesetzt. Die Strecke, die Kaiser und Gefolge zurücklegen wollten, war ein Rondell, das einmal über die Hauptstraße, dann über die Königin Drost-Straße und schließlich über das Bürger Hanns-Rondell zurück zu dieser Halle im kaiserlichen Palast führen sollte. Der Physiker hatte einiges an Arbeit geleistet, um neben seiner Schneiderei Modifikationen für Kameras zu erarbeiten und die Produktion der Brillen in Gang zu setzen, jene, die die Gewänder würden sehen können. Dazu hatte er an allen drei Straßen große Monitore aufstellen lassen, anhand derer man auch ohne Brille den unmöglichen Stoff, den man nicht fühlen und nicht sehen konnte, betrachten durfte.
Rittlings setzte er sich auf den Stuhl, als er die Mündung eines Lasers im Nacken verspürte. "Ist jetzt der Moment gekommen, in dem du mich tötest?", frug er Sora, die Polizistin.
Diese nahm die Waffe wieder ab und griff sich selbst einen Stuhl. "Das ist wohl nicht mehr notwendig. Ich habe gehört, du bist jetzt reich."
"Zweiundvierzig Millionen von der Opposition für ein wenig Wissen, vierhundert Millionen vom Kaiser für meine Arbeit, ja, ich denke, ich bin jetzt reich. Willst du meinen Reichtum mit mir teilen, Polizistin?"
"Wie, das stand nicht von vorneherein fest?", rief sie entrüstet und gab dem Physiker einen Klaps auf den Kopf. Der nahm es mit einem Lachen hin. "Und schon hast du wieder Oberwasser."
Die Polizistin grinste und deutete auf den Bildschirm, der Kaiser und Gefolge zeigte. "Na, dann wollen wir doch mal sehen, was dein Projekt wirklich wert ist, Intronenschneider."
Entrüstet legte er beide Hände auf seine Brust. "Du zweifelst doch nicht etwa an mir?"
"Ich denke, ob ich zweifle oder nicht, das liegt nicht in unserer Hand."



4.
Und so trat der Kaiser an einem sonnigen Tag auf die Hauptstraße hinaus, neben sich sein geliebtes Weib, hinter sich zwei treue Minister - ihm ging durch den Kopf, dass er den Forschungsminister, der ihm all dies eingebrockt, hätte überreden sollen, auch ein Gewand zu tragen und mitzugehen - und die drei treuesten seiner Diener. Dahinter war eine Zeitlang nichts, aber dem folgte ein robotischer Musikzug, der deutlich Abstand hielt, aber einen zünftigen Marsch spielte. So schritten Kaiser und Kaiserin voran. Man hatte Barrikaden am Straßenrand errichtet, und an diesen drängelten sich die Bürger der Hauptstadt, schwenkten Fahnen, jubelten, oder schossen eifrig Fotos und Videos. "Zum Glück habe ich trainiert", murmelte der Kaiser und schritt aus. Nicht zu hastig, als würde er sich schämen, nicht zu langsam, als würde er auf etwas warten.
Die Menschen am Straßenrand trugen fast alle eine Brille des Physikers, doch wer keine mehr hatte ergattern können, der schaute auf die Monitore.
Schon begannen über dem Jubel Bürger verzückt über den eleganten Schwung zu sprechen, die Rüschen und die Fransen zu loben - ehrlich, am Physiker war ein Schneider verloren gegangen - und die Stimmung war gut wie auf einem ausgelassenen Fest, als ein kleiner, dicker Mann in dem Moment, da der Kaiser ihn passierte, die Hand hob, mit einem dicken Zeigefinger auf ihn zeigte, und dann laut rief: "Der Kaiser ist ja nackt! Er trägt ja gar nichts am Leib, rein nichts!"
Da lachte das Volk ringsum, aber nicht über seine Majestät, sondern über den dicken, schlecht trainierten Mann. Einer sprach, was alle dachten. "Es mag sein, dass er nackt ist unter seiner Kleidung, Bursche, so wie wir alle unter unserer Kleidung nackt sind. Aber unser Herrscher, der weise und gerechte Oladoril der Neunte, mit dem ich übrigens schon mal trinken war - Hallo, Majestät - der Mann ist kein Narr. Unter seiner Kleidung mag er nackt sein, und mit ihm seine Kaiserin, seine Minister und Diener, aber darüber, darüber liegt der unmögliche Stoff!"
"Ein Stoff, den man nicht sehen kann, den man nicht erspürt, den man nur erblickt, wenn man eine dieser Brillen trägt oder auf die Monitore schaut!", rief der dicke Mann. "Hergestellt von einem windigen Physiker, den niemand kennt! Ich sage euch, der Kaiser ist einfältig und hat sich reinlegen lassen! Nichts trägt er! Nichts! Naiv hat er sich um ein Vermögen betrügen lassen, das besser ins Volk hätte investiert werden sollen!"
Da lachte die Menge erneut. "Man merkt, du bist ein Fremder und kennst unseren Kaiser nicht. Niemals würde er so etwas Törichtes tun. Nein, die Roben gibt es, und sie sind in diesem Moment um die sieben geschlungen, so wie die Monitore es zeigen."
"Du glaubst den Unsinn auch?", rief der Dicke da.
"WIR glauben den Unsinn!", sagte der Trinkkumpan des Kaisers, und die Menschen stimmten jubelnd zu.
"Na, dann können wir das doch mal ausprobieren!", rief der Dicke. Dann drückte er einen Knopf an seinem Handgelenk.

Etwas weiter die Hauptstraße runter, wo sie die Königin Drost-Straße kreuzte, die der Zug des Kaisers als Nächstes nehmen würde, enthüllte sich etwas, trat hervor aus der Unsichtbarkeit, die bis zu diesem Moment perfekt gewesen war. Es war eine Kampfmaschine, sechs Meter hoch, geduckt wie ein Vogel, mit vier großen Laserkanonen bestückt, wie das Ausland sie herzustellen und einzusetzen pflegte. Und die Waffen glühten in Bereitschaft.
"Was hat das zu bedeuten?", rief der Kaiser da.
"Was glaubst du wohl, du dummer Narr? Stirb an deiner Narretei, an den unmöglichen Stoff zu glauben!", rief der Dicke. Auf seinen Wink hin setzte sich die Kampfmaschine in Bewegung.
"Schützt die Menschen!", befahl der Kaiser. Schutzschirme schossen aus den Sperren hervor, die in Wirklichkeit getarnte Projektoren waren, aber nicht die normalen für Prallfelder, sondern Hochenergieschirme für den Krieg. Dann sah der Kaiser hinter sich. "Schützt euch, meine Freunde!" Und alle sieben machten jene Geste, welche die Kapuzen schloss, und der Premierminister ging dazu ein Stückchen in die Knie, um sich nicht die Füße zu verbrennen.
In diesem Moment feuerte die Kampfmaschine mit allem, was sie hatte, und die Laserstrahlen rasten mit über einhundert Impulsen auf den Kaiser, die Kaiserin, den Premierminister, die Ministerin für Finanzen, den obersten Palastdiener, und die Maiden des Nordens und des Südens ein, trafen sie, entfesselten unglaubliche Gewalten und ließen alle sieben Gestalten in dem Toben verschwinden, so als hätte es sie nie gegeben. Doch auf den Monitoren standen alle sieben da, vollkommen unberührt.
Der Dicke lachte im Triumph und hielt mit arroganter Geste Polizisten ab, die ihn verhaften wollten. "Ich steuere immer noch den Kampfroboter. Seine Waffen haben den Kaiser getötet, was denkt ihr, wird er mit dieser Barriere machen?"
"Vermutlich nichts, genau wie bei uns!", klang da die Stimme des Kaisers auf. Nicht nur auf dem Monitor, auch auf der Hauptstraße war seine Majestät wieder zu sehen, zusammen mit seinen Begleitern. Und alle waren sie vollkommen unversehrt.
"Das ist doch unmöglich!", rief der Dicke und befahl noch einen Feuerschlag, und noch einen, und noch einen, nur um sicherzugehen. Aber auch danach waren Kaiser, Kaiserin und die Freunde noch immer da. Und wie man sehen konnte, da der Stoff vollkommen durchsichtig war, wurde keinem der Sieben irgendwo am Leibe auch nur ein Haar gekrümmt. Lediglich der Premierminister musste um eine Winzigkeit nicht aufgepasst haben, denn einer seiner Füße war außen ein wenig rot wie von einem Sonnenbrand, wegen der kurzen Robe. Lediglich einige Mitglieder der robotischen Kapelle, die hinter der Prozession marschierte, hatte ein paar Mitglieder durch Fehlschüsse verloren.

Daraufhin ließ der Dicke den Kampfroboter auf die Roben zustürmen. "Aber rohe Gewalt, dagegen hilft er nicht, der unmögliche Stoff!", rief er triumphierend. So kam der Roboter über sie und wollte allesamt zertrampeln. Aber als der rechte Fuß des Giganten auf den Kaiser niederfuhr, da verschwand der gewaltige Fuß, als wäre er verpufft, und es folgte auch das Bein, das zwischen Kaiser und Kaiserin zu Boden ging. Der Leib fiel auf den Premierminister und die Ministerin für Finanzen, und der Schädel mit zwei der Laser traf die tapferen Diener. Und alles, was die Roben mit Wucht berührte, wurde von den vom Platinkäfig befreiten Hyperintronen in den Hyperraum gezerrt. Das, was die Roben nicht traf, stürzte als Rest zu Boden.
"Das ist ... Das ist unmöglich! Der Physiker hat gelogen! Er hat doch den unmöglichen Stoff erschaffen!"
"Blitzmerker!", rief der Kaiser da und lachte. Aber er machte nicht die Geste, welche die Kapuze wieder hob. Warum, zeigte sich, als nun ein Dutzend Soldaten wie aus dem Nichts erschienen, dort wo auch der Roboter gewesen war, und die nun heraneilten und versuchten, die Sieben zu erdolchen. Doch die Schwerter, die nach den Roben schlugen, verschwanden im Hyperraum, und wo die Mörder versuchten, den Kaiser langsam zu erstechen, da drangen sie nicht durch. Dies ging so lange, bis die Attentäter erschöpft aufgaben und einer nach dem anderen ohne jede Kraft zu Boden fielen.
"Des Kaisers neue Kleider", rief da der Mann, der mit seiner Majestät schon mal trinken war, "sind wunderschön! Und sie halten alles, was sie versprechen!"
Die Menge jubelte ob dieses Triumphes und des Beweises, dass das Kaiserreich nun im Besitz eines Stoffs war, der eine unmögliche Rüstung bedeutete. Und der dicke Mann wurde verhaftet und abgeführt.
"Was braucht es Farben, was braucht es einen eleganten Schnitt! Funktionieren muss es, und die Gewänder funktionieren sehr gut!"
Die sieben nahmen den Jubel und die Begeisterung hin, winkten in die Menge und freuten sich. Endlich machten Kaiser und Gefolge die Geste, um die Kapuzen abzunehmen, und unter dem Jubel der Gäste an den Straßen schritten sie durch die Königin Drost-Straße ganz hindurch und kehrten über das Bürger Hanns-Rondell zurück zum Palast, begeistert gefeiert von den Menschen. Des Kaisers neue Kleider waren ein Riesenerfolg.
***
Noch bevor Kaiser, Kaiserin, Minister und Diener wieder im Palast waren, war schon die Polizei unterwegs, um eine große Verschwörung zu zerschlagen. Sie wussten einige Namen, den von Ruffus Barngul zum Beispiel, und hatten sie einen gefasst, fielen schnell weitere Namen. Noch bevor der Tag zu Ende war, wurden über vierzig Rädelsführer dem Haftrichter vorgeführt, und gegen dreihundert Weitere Ermittlungen eingeleitet, vor allem für das Einführen von Kriegswaffen verfeindeter Nationen und das Attentat auf den Kaiser. Dank der großartigen Ablenkung durch die Prozession der tapferen Sieben hatte sich die Polizei unbemerkt in Position bringen und überall im Kaiserreich zuschlagen können. Als das Ende des Tages erreicht war, strotzten die Newsfeeds und Zeitungen und Sendungen im Reich mit Berichten über die Prozession und geradezu vor Stolz platzenden Bürgern, aber hier und da fiel auch schon das erste Wort über die zerschlagene Verschwörung.


5.
Am Folgetag, dieses mal nicht in das unmögliche Gewand gekleidet, saß der Kaiser auf dem Purpurthron, im großen Thronsaal, und dieser war sehr gut gefüllt,unter anderem mit dem Mann, der mit dem Kaiser schon mal getrunken hatte.
Oladoril der Neunte hob eine Hand, und das Gemurmel der Massen, Bürger, Soldaten, Polizisten, Staatsbedienstete verstummte.
"Zuallererst möchten wir sagen, dass jeder Einzelne in diesem Raum darüber erhaben ist, Teil der Verschwörung zu sein, die wir aufgedeckt haben. Dies betrifft auch diesen Windhund hier", sagte er, auf den geflohenen Physiker Riful deutend.
Der Kaiser winkte den Mann heran, neben seinem Thron zu stehen. Dann ging sein Wink zu der Polizistin, die den Schneider der unmöglichen Materie beschützt hatte, ebenfalls näher zu treten.
"Enttarne dich", befahl er, und der Physiker gehorchte. Er drückte auf seinen Ohrring, und das Hologramm, das ein fremdes Gesicht gespiegelt hatte, zerfiel. Stattdessen erschien das Gesicht eines Toten, eines der wichtigsten Forscher des Landes, der erst kürzlich verstorben war, der Ehemann von Sora, der Polizistin.
"Dies ist Karem. Die meisten kennen sein Gesicht und seine Arbeit. Offiziell ist er vor einiger Zeit bei einem Unfall gestorben und hinterließ diese Frau als Witwe. Eine notwendige Täuschung."
Der Kaiser ließ seine Worte sacken. "Es ist uns schon einige Zeit bekannt, dass man dem Reich sein Vermögen neidet, den Wohlstand, vor allem aber den Frieden. Drum kamen schon vor einiger Zeit äußere Mächte in unser Land und suchten sich Verbündete unter uns. Verbündete, die mich beseitigen sollten, um den Thron zu okkupieren und danach das Land aufs Blutigste auszubeuten. Mit harter Hand zu herrschen, mit blutigen Peitschen. Um uns zu nehmen, was wir erarbeitet haben. Das alles wissen wir schon lange, aber nie gelang es uns, eine wirklich konkrete Spur zu finden. Wir sahen immer nur die Geldströme der Bestechungen und dergleichen. Als wir bemerkten, dass vermehrt Waffen ins Kaiserreich flossen, wussten wir, dass der Angriff kurz bevor stand. Also mussten wir handeln."
Der Kaiser erhob sich. "Und es war in jenen Tagen, dass Karem vor meinen Thron trat und mir versprach, einen Stoff schmieden zu können, der den Träger für alle uns bekannten Waffen unverwundbar machen konnte. Es war eine Theorie, doch schnell konnten wir beweisen, dass sie funktionierte. Und während wir dies taten, sprachen wir mit Karem auch über die dunkle Verschwörung und den Angriff auf unser Reich."
Der Physiker sah seinen Kaiser an, der auffordernd nickte.
"Und dies war der Punkt, an dem ich sagte, dass ich und meine Frau bereit waren, für den Schutz unserer Familien, für den Schutz unserer Freunde und Nachbarn, für den Schutz aller guten Bürger des Kaiserreichs einfach alles zu tun. Und dies war der Punkt, an dem ich sterben und meine Frau verwitwen musste, denn hätte Karem den Stoff gewoben, und nicht Riful, wäre es eine Bedrohung gewesen. So aber konnte ich unseren Feinden für den geringen Preis von zweiundvierzig Millionen Real einreden, dass ich den Kaiser und das ganze Reich betrog, indem ich ihnen reine Luft verkaufte." Er ergriff die Hand seiner Frau und drückte diese. "Damit dies gelang, musste ich inkompetent, unmoralisch und hinterlistig erscheinen., so wie sie selbst es sind. Alles das sind Dinge, die ich nicht sein kann und nicht bin, und da kam meine Frau ins Spiel. Mit ihr zusammen konnte ich den Schein erwecken. Allen etwas vorspielen. So viel sogar, dass selbst der Kaiser für einen Moment meinte, einschreiten zu müssen."
"Bin ich so ein guter Schauspieler, dass ich ihn getäuscht habe, Karem?", lachte seine Majestät.
Dies machte den Physiker verlegen. "Ich muss zugeben, ja."
"Das ist gut zu wissen." Zufrieden forderte er Karem auf, weiterzusprechen.
"Als die Verschwörer überzeugt waren, dass ich nichts herstellte, war es leicht, zu erahnen, was sie würden tun wollen. Ihre Technologie der Unsichtbarkeit ist der unseren voraus, aber sie haben nicht eingeplant, dass wir das Gewicht messen können, das auf den Straßen lastete. Als wir also das Gewicht eines Kampfroboters und das von gerüsteten Menschen auf der Kreuzung von Hauptstraße und Königin Drost-Straße anmessen konnten, wussten wir, dass sie den Köder geschluckt hatten und tatsächlich glaubten, der Kaiser, die Kaiserin, der Premierminister, die Ministerin für Finanzen, der oberste Palastdiener und die Maiden von Nord und Süd würden tatsächlich splitternackt und vollkommen ungeschützt mitten über die Hauptstraße gehen, jedwedem Angriff ausgesetzt. Das machte sie so unvorsichtig, dass sie nichts anderes mehr sahen, als ihre Chance."
Der Physiker sah seinen Kaiser an, der zustimmend nickte. "An dieser Stelle erklären wir, dass es Riful nie gegeben hat und dass Karem nicht zu Tode gekommen ist. Dies bedeutet, Sora, eure Ehe wurde nie beendet. Darüber hinaus werden wir euch beide über das, was wir bereits gezahlt haben, reich belohnen, denn dank euch haben wir dieses Mal die ganze Verschwörung beenden können, bevor sie wirklich gefährlich werden konnte. Wenn man von den angebrannten Füßen des Premierministers absieht."
"Sehr witzig", murrte dieser und erntete Lacher dafür.
"Und ich habe nicht vergessen, dass ich ihr einen erfüllbaren Wunsch versprochen habe. Beizeiten mag sie vor mich treten und diesen äußern."
"Das habe ich bei weitem nicht verdient, aber ich nehme an, Majestät", sagte die Polizistin verdutzt.
"Oh doch, das hast du verdient. Alleine schon, weil du so viel Zeit mit dem garstigen Riful verbringen musstest", raunte der Kaiser ihr zu, und sie wurde rot und Karem lachte.

Der Kaiser erhob sich, ergriff die Hand seiner Kaiserin mit der Rechten, und seines Premierministers mit der Linken. Dort hängten sich die Ministerin für Finanzen und die Maid des Nordens, auf der anderen Seite der oberste Diener und die Maid des Südens ein. "Dank euch, meine Getreuen, meine Freunde, meine Geschwister, ist es mir gelungen, diesen Weg zu gehen und die Bedrohung zu beenden. All dies, um den wahren Kaiser, unsere Bürger, zu schützen. Was habt ihr geleistet, was habt ihr riskiert. Ich bin stolz auf euch alle."
Sein Blick strich über die Menge, bis er jenen Mann sah, der schon mal mit ihm getrunken hatte. "Und natürlich danke ich meinem Minister für Wissenschaft, mit dem ich nicht immer einer Meinungen bin und selten gut auskomme, der aber bereit ist, für die Menschen in diesem Reich alles zu geben, wenn er muss, sogar sein Leben."
Der Minister verbeugte sich lächelnd als Antwort.
"Und ich muss natürlich erwähnen, dass das neue Hologrammgerät, das von allen, sogar unseren Nachbarstaaten, so begehrt ist, nicht von Karem erbaut wurde, sonderm vom Minister für Forschung, der natürlich jederzeit auf der Seite von Recht und Ordnung stand. Er hat es willentlich als Ablenkung zur Verfügung gestellt und darauf verzichtet, als Erfinder benannt zu werden.
Was den Stoff angeht, so gehen wir in die Produktion und machen mehr davon, so weit das Platin reicht. Und damit rüsten wir uns und machen uns derart unangreifbar, dass niemand mehr einen Angriff wagt. Wie gut dieser Stoff ist, konnten wir alle ja am gestrigen Tag sehen. Das wird uns für lange Zeit verdiente Ruhe bescheren. All das war die Wirren der letzten Tage wert."
"Ein Hoch auf des Kaisers neue Kleider!", rief der Minister für Wissenschaft, und alle fielen ein. Des Kaisers neue Kleider waren ein Riesenerfolg und hatten viel Blutzoll erspart. Und all das für den Preis, ein wenig kaiserliche Haut zu zeigen.
Denn wer sein Land liebte, wer seine Bürger liebte und beschützen wollte, der zog auch mal blank, egal wie andere das fanden. Natürlich fiel es einem leichter, wenn man so gut in Schuss wie diese sieben war, aber das ist bereits eine andere Geschichte.
Ende

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Des Teufels rußiger Bruder - ein Raketenmärchen.

Die Taurus-Region ist schon seit jeher ein raues Pflaster. Ein Tummelplatz für Abenteurer, Meuterer, Piraten, und solche, die eines von all dem werden wollen. Diese Sternenregion umfasst etwas über achtzigtausend Systeme und ist Teil des Halos der nördlichen Milchstraße. Der Halo besteht aus Sonnen, die relativ weit voneinander entfernt sind, wenn man von den anderen Sternen ihrer Geburtsgruppe absieht. Dazu muss der Erzähler stark verkürzt erklären: Sonnen entstehen aus großen Wolken kosmischen Gases, die sich an einem bestimmten Punkt zusammenballen. Sobald sie eine gewisse Masse erreichen, mindestens das Dreifache des Jupiters, entzünden sich diese Gasbälle in heißer Kernfusion, und eine Sonne ist geboren. Normalerweise entstehen aus einer Wolke drei, vier Sterne, eventuell mehr, sodass keine Sonne wirklich alleine steht. Zwischen dieser Gruppe und der nächsten jedoch liegen mehr Lichtjahre als üblich. Zum Vergleich: Die terranische Heimatsonne Sol hat ihre Nachbarn in Abständen von ungefähr fünf Lichtjahren, aber im Umkreis von hundert Lichtjahren mehrere hundert weitere Sonnen, darunter so berühmte wie Beteigeuze und Sirius.
In der Taurus-Region sind die Entfernungen zwischen den Geburtsgruppen so groß, dass sie zwar Nachbarn in vier, fünf Lichtjahren haben, aber die ersten anderen Gruppen erst in zwanzig, manchmal dreißig oder gar fünfzig Lichtjahren Entfernung zu finden sind. Das ist einer der Gründe, warum man den nördlichen Halo oberhalb der Ekliptik der Milchstraße auch oft als des Teufels Vorgarten, als wüstes, ödes Land bezeichnet. Die großen Abstände halten die Völker, die auf den Planeten dieser Sonnen leben, natürlich nicht davon ab, ihre Leben zu leben, im Guten wie im Schlechten. Die großen Entfernungen bedeuten, dass Staatsgebilde eher selten mehr als eine Sonnengruppe umfassen, größere Gebilde sind dünn gesät und schwierig zu beschützen. Ein Umstand, den sich Piraten gerne zunutze machen, denn nirgends verschwindet man leichter als im Nichts zwischen den Sternen.
Für die Astronomen, die dies lesen: Es gibt noch weit mehr Gründe, warum Sonnen in den Halo eintreten, und ja, es gibt dort auch Sternhaufen, die zwischen hundert und zehntausend, manchmal auch Millionen Sterne ihr Eigen nennen, die dann oft nur ein oder zwei Lichtjahre auseinanderstehen. Der Erzähler weiß das, doch es würde zu lang dauern, auf diesem Punkt herumzureiten.
Aber um diese besonderen Sternhaufen geht es nicht, denn wo die Sterne so eng beieinanderstehen, ist es leichter, ein Reich zu erhalten und zu kontrollieren. Das ist im Halo nicht der Fall, und vor allem nicht in der Taurus-Region. Fun Fact: Sie hat ihren Namen, weil sie "hinter" dem Sternbild des Stiers liegt. Und ja, der Erzähler weiß, dass die Taurus-Region noch zwei weitere Sternbilder umfasst und die Setzung dieser Grenzen von den ersten raumfahrenden Menschen absolut willkürlich war, wenn man das Konzept von Sternbildern versteht.

Aber kommen wir zur Geschichte vor der Geschichte: Da der Taurus-Sektor relativ nahe an der Erde liegt, drangen erste Explorer schon um 2102 alter Zeitrechnung in diese Region ein; erste Siedlungswelten sind seit 2133 dokumentarisch bestätigt. Die Entfernungen zur Erde variieren zwischen fünftausend und dreißigtausend Lichtjahren und haben es seit jeher schwer gemacht, dieses Gebiet in die Föderation aufzunehmen, geschweige denn unter Kontrolle zu bekommen. Das erzeugte Interesse für die Region bei Alternativlern, Piraten, Verbannten, Dissidenten, religiösen Fanatikern, eigentlich allen Leute, die einige Dinge, die sie als ihr Recht ansahen, auf der Erde unter Strafandrohung nicht ausführen durften. So wurde die erste Kolonisierungsphase, die mit kleinen und kleinsten Populationen begann, die zudem in einem ohnehin sonnenarmen Gebiet sporadisch verstreut waren, vollkommen erratisch.
Fünfhundert Jahre später konnte man allerdings eine Konsolidierung beobachten, eine Staatenbildung und den Versuch, zumindest bilaterale Beziehungen zur Föderation zu erhalten und zu stabilisieren. Dies war die Phase der kleinen Reiche, die oft nur ein System umfassten, aber sich oft auch aufschwangen, die näheren Sonnen und deren Systeme zu okkupieren. Was damals relativ einfach war, denn wie gesagt, die Region erwies sich immer noch als dünn besiedelt, und die meisten Alienvölker woanders zu finden, kaum im Halo. Man konnte durchaus sagen, der Halo war in terranischer Hand, zumindest in der Nordseite der Milchstraße.

Und da beginnt auch schon die eigentliche Geschichte, denn als die Expansion einmal angefangen hatte, strebten manche Nationen danach, mehr als ihre direkten Nachbarsonnen zu annektieren, deren Planeten, so vorhanden, ohnehin meist unbesiedelt waren. Manche taten dies friedlich durch Kolonienbildung, manche, indem sie versuchten, bestehende Staaten durch Eroberung dem eigenen Gebiet einzuverleiben. Kurz und gut, es wurde relativ schnell chaotisch und mancherorts auch blutig und tödlich. Alle diese Konflikte aufzuzählen, würde zu weit führen. Also reicht es, zu erzählen, dass heute, im Jahr 3602 der alten Zeitrechnung und 400 der neuen Zeitrechnung, die Region vergleichsweise stabil ist. Es sind Dutzende kleiner Staaten zu finden, in den unterschiedlichsten Ausprägungen und den verschiedensten politischen Systemen, und viele der größeren Reiche haben dank der großen Distanzen zwischen ihren Besitzungen seit jeher mit Piraten zu kämpfen.
Die Lösung? Mehr Piraten. Zumindest eine bestimmte Sorte, jene von Andreas Teufel. Der terranische Hasardeur war ein Pirat aus einem Randbezirk des Taurus-Gebietes und brachte eine eigene, beachtliche Flotte mit. Großzügige Kaperrechte, die Gewährung von über zwanzig unbesiedelten Sonnensystemen, über den halben Sektor verteilt als Stützpunkt-, und Rohstoffwelten, und die Garantie der internen Souveränität überzeugten Andreas, das Angebot anzunehmen, in einem bestimmten Gebiet die politische Ruhe zu bewahren. Das war im Jahr 3201 alter Zeitrechnung. Der Pakt wurde mit über siebzig Nationen geschlossen. Relevant für unsere Geschichte sind aber nur zwei: Der Hausir-Pakt, und dies aus Gründen, und die Landau-Monarchie.
Heute führt Andreas Teufel noch immer seine beachtlich weiter gewachsene Flotte an, die bekannt ist unter dem Namen: Teufels Dämonen. Und er hat sich all die Jahre - von denen er übrigens schon zweihundert tot sein sollte - an den Auftrag gehalten, für den er, seine Verträge einhaltend, sehr gut bezahlt wird. Ja, Andreas Teufel lebt immer noch und führt seine Dämonen an. Und man muss sagen, es ist sehr von Vorteil, dass er es tut, und sich an seinen Auftrag hält. Fast. Er legt den Pakt nicht buchstabgengenau aus und bewahrt sich einige Freiheiten. Was uns erst einmal in den Hausir-Pakt und zum eigentlichen Protagonisten bringt.



1.
Man sagt im Taurus-Gebiet: Leg dich nicht mit dem Teufel an. Das ist eine feste Regel, die immer wieder ihre Bestätigung findet, denn des Teufels Dämonen, die Schutzmacht dieses Sektors, jagt nicht nur Piraten, Hasardeure und Kaperfahrer, sie geht auch gegen jede Form von "internem" Konflikt vor. So kam es, dass der Teufel mitmischte, als zwei große Flotten mit rund einhundert Schiffen vom Hausir-Pakt ausgesandt wurden, um die Quamoa-Enge militärisch zu erobern. Diese enge, aber sichere Passage zwischen mehreren Dunkelwolken hindurch begann im Enders-System. Dort stellte der Teufel die ausgesandten Schiffe und zerschlug die Flotte der Angreifer
.
Als dem Anführer der Angreifer, Admiral Simmers, bewusst wurde, dass unter seinem Befehl weder sein Auftrag durchführbar war noch seine Flotte überleben würde, übergab er das Kommando an Kapitän Rohlfs auf der FAUNIR, und setzte sich mit Hilfe der schnellsten Fregatte der Flotte ab. Er entkam.
Rohlfs war kein dummer Mann und merkte sehr schnell, welches Schicksal sein Admiral ihm zugedacht hatte. Aber noch immer sah er die Chance auf einen geordneten Rückzug, auch unter dem Feuer der Teufelsdämonen. Er ordnete also die Schiffe neu, staffelte sie zu einer effektiven, sich überlappenden Abwehr mit aufgeteilten Feuer-, und Abwehrfeldern, und begann den geordneten Rückzug.
Sobald diese Strategie zu funktionieren schien, betrog Kapitän Fliet, der Kommandeur der kleineren Flotte, seinen neuen Oberkommandierenden, und zog seine Einheiten aus der Formation, hieß sie wenden und ihre Kameraden dem Opfertod zu überlassen.
Auch jetzt noch, mit nur noch fünfunddreißig Schiffen von einst einhundertsieben, achtundreißig Schiffsverluste abgerechnet, sah Rohlfs eine reelle Chance, mit möglichst wenigen Verlusten noch in den Sprung zu gehen und seine Flotte zu retten. Oder zumindest das, was noch von ihr übrig war.
Da wurde er das dritte Mal betrogen, denn auf dem stärksten Schiff seiner Flotte, der AUGIR, meuterten die Offiziere, töteten Kapitänin Hobbs, eine gute, fähige Frau, die mit ihm durchs Feuer gegangen war, den 1. und den 2. Offizier ebenfalls, setzten Graf Voller, den 3. Offizier, als Kapitän ein und ließen das Schiff abdrehen, um ihre armseligen adligen Leben zu retten.
Als abzusehen war, dass die Übermacht der Dämonen keine geordnete Flucht mehr zulassen würde, traf Rohlfs eine Entscheidung. Keine gute Entscheidung, aber die Einzige, die er in der Lage war zu treffen. Er beorderte einige der schwerer beschädigten Einheiten an die Seite der FAUNIR, , ließ Mannschaften evakuieren und Freiwillige aufstellen, soweit dies ging, und befahl den restlichen zwanzig Schiffen, die anderen Mannschaften aufzusammeln und auf Fluchtkurs zu gehen, während sich die FAUNIR und sieben Begleitschiffe opfern würden, um deren Rückzug zu decken. Und dies gegen neununddreißig der kampfstärksten Einheiten, die dieser Sektor der Milchstraße, des Teufels Vorhof, kannte und die mit der Flotte aus einhundertsieben Schiffen bereits den Boden aufgewischt hatten - ohne eigene Verluste wohlgemerkt.

Makkus Rohlfs befahl den vollen Stopp der acht Schiffe, die sich opfern würden. Bis dahin waren sie, wie alle anderen Schiffe der Hausir-Flotte, auf dem Weg zum Systemrand gewesen, wo just in diesem Moment die AUGIR in den Transit ging, ihre Kameraden zum Sterben zurücklassend.
Als der Stopp erreicht war, befahl er Gegenschub auf die Dämonen, und wer jetzt noch an Bord war, den erfüllte genug Grimm, um an seiner Seite in die Hölle einzufahren. Makkus hatte jedem die Wahl gelassen; am Ende musste er sogar Matrosen und Offiziere abweisen, die an Bord der acht Schiffe bleiben wollten. Das erfüllte ihn mit Stolz, denn sie hatten mit ihm sterben wollen. Und es erfüllte ihn mit Zufriedenheit, dass er diese Menschen wahrscheinlich retten konnte. Aber was dann mit ihnen geschehen würde, wusste er nicht zu sagen, denn die Regierung des Hausir-Reichs hatte mit Sicherheit kein Interesse daran, dass Zeugen dieser Schlacht unzensiert über diese Raumschlacht berichten würden.
Und seien wir ehrlich, was freie Rede, Rechte und Sicherheit anging, war das Hausir-Reich in den letzten zwanzig Jahren echt auf Kellerniveau gesunken, seit sich die Neolibezialen an die Macht geputscht hatten und das Staatsgebilde ohne Wahlen allein durch die Macht ihrer Waffen lenkten. Aber das war nichts, was ihn noch etwas anging oder worauf er Einfluss haben würde. Denn er und seine Gefährten auf den acht Schiffen waren so gut wie tot. Es gab keinen Zweifel, dass die Einheiten des Teufels, die die ganze Flotte grün und blau prügelten, mit acht zum Teil schwer beschädigten Schiffen nicht viel Aufhebens machen würden.
Aber merkwürdigerweise hatte er keine Angst vor diesem Schicksal. Wenn man es genau nahm, fühlte er sich sogar beschwingt, geradezu euphorisch, und das, obwohl ihm durch eine Explosion der rechten Konsole des Kommandosessels das halbe Gesicht verbrannt worden war. Es war nur eine notdürftige Behandlung möglich gewesen, die die Hitze aus der Wunde gezogen und diese vorläufig desinfiziert hatte. Und wenn er in die Gesichter der Freiwilligen in der Zentrale sah, dann bemerkte er dort meist grimmige Entschlossenheit oder die Andeutung eines Lächelns, eines zufriedenen Lächelns.
"Danke, dass ihr mit mir zum Teufel fahrt", sagte er spontan, und als Antwort erntete er Gelächter und wohlmeinende Antworten. Und dies, während alle acht Einheiten seiner Restflotte unter dem Beschuss der Dämonen lagen und nicht selten eine Waffe ihre Schilde durchschlug und auf den Schiffszellen detonierte, was den ganzen Körper zum Klingen brachte. Falls eine Sekundärexplosion diesen riesigen Gong nicht übertönte.
Und dann waren sie in Reichweite der mittleren Waffen, und die Dämonenflotte setzte auch diese ein. Natürlich hatten seine Schiffe ebenfalls Waffen auf mittlere Reichweite, falls sie nicht schon lange zerstört worden waren, aber die Übermacht der Dämonen erwies sich natürlich als zu groß. Also war alles, was sie auf den acht Schiffen der Hausir-Flotte tun konnten, darauf zu hoffen, die Dämonen so lange beschäftigt zu halten, dass ihre Schiffe die fliehenden eigenen Einheiten nicht mehr vor dem Sprung würden erreichen können. Falls Andreas Teufel allerdings die Verfolgung bis ins nächste Sonnensystem befahl, wusste Makkus nicht, was geschehen würde. Aber das würde auch nicht mehr seine Aufgabe sein, denn dann war er bereits tot.
Und so geschah es. Eines nach dem anderen verschwanden seine Schiffe aus seiner Ortung. Entweder in einer Explosion oder aber als zerbrechendes, auseinandertreibendes Wrack, während der eigene Beschuss bestenfalls ein paar Ehrentreffer landen konnte. Als dann die Reihe an die FAUNIR kam und besonders heftige Explosionen das Schiff durchschüttelten, das Licht ausging und die blaue Notbeleuchtung ansprang, und auch diese letztendlich verschwand und er in Dunkelheit gehüllt war, bemerkte er noch, dass er wieder sehen konnte - weil ein großer Brand in der Zentrale neues Licht spendete. Makkus Rohlfs spürte , wie die Flammen ihn erreichten, seine Beine verbrannten, dann war der Sauerstoff fort und ließ ihn gnadenvoll ersticken.



2.
"Lebst du noch, Makkus Rohlfs?"
Verwirrt schreckte der Angesprochene hoch. aber er sah nichts. Seine Augenlider schienen unbeweglich wie Blei. Wo war er? Was war passiert? Wer war er? Ach ja, Kapitän Makkus Rohlfs, Offizier des Hausir-Paktes, gestorben, als er die hochtrabenden Eroberungspläne seines illegalen Regimes ausgeführt hatte. Was für ein trauriges Ende.
"Ich denke nicht. Ich muss tot und in der Hölle sein", sagte er mit einer rauen, in Mitleidenschaft gezogenen Stimme, die er kaum als seine eigene erkannte. "Bist du der Teufel?"
Da lachte die Stimme, rau, laut, im Bariton, aber melodisch. "Ja, ich bin der Teufel, und ich bin gekommen, um dich und deine Leute zu holen, Makkus."
"Das ist in Ordnung", erwiderte der Kapitän. "Ich denke, ich habe es mir verdient."
"Womit verdient? Nicht, dass ich es nicht weiß, aber vielleicht erleichtert es dich, wenn du sagst, was dir auf dem Herzen liegt."
Nun, warum nicht? "Verdient habe ich es, weil ich diesem schwachsinnigen Befehl gefolgt bin, meine Flotte nach Enders brachte und versucht habe, dieses System zu erobern." Er hustete. Merkwürdig, hatten Tote Hustenreiz? Irgendetwas drang in seine Kehle ein, und Makkus stellte fest, dass es Wasser war. Sein trockener Rachen saugte das meiste davon auf, aber einen Teil schluckte er auch runter.
"Nicht zu viel. Du hängst am Tropf und kriegst genügend Flüssigkeit. Das ist nur, um den Weg zum Magen feucht zu halten, bis er wieder etwas aufnehmen kann", mahnte der Teufel. "Rede weiter. Warum ein schwachsinniger Befehl? Wäre ich einen Tag zu spät gekommen, wäre es vielleicht was geworden mit der Annexion des Enders-Systems."
"Der Befehl kam von Präsident Quois. Präsident, ha. An die Macht geputscht hat er sich, die Gesellschaft umgebaut, radikalisiert, belogen und mit Feindbildern gefüttert, und seine Apologeten der Neolibezialen errichteten ein Spitzelsystem nebst Geheimpolizei, die jeden Widerstand unterdrücken. Hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre auch auf dem Vertan-Mond gelandet, dort, wo sie die aufrührerischen Soldaten internieren und manchmal in großer Zahl exekutieren, um uns andere bei der Fahne zu halten. Und manchmal landen da auch besonders renitente Bürger."

"Ist das mit Vertan sicher?", fragte der Teufel und ließ einen Lux-Schreiber über eine Folie kratzen.
"Ja, natürlich ist das sicher. Ich wurde einmal durch dieses Lager geführt. Als Warnung an mich, denn ich war drauf und dran, die unehrenhafte Entlassung anzunehmen, nur um nicht nach Enders zu müssen und diesen Quatsch durchzuführen. Aber als ich sah, wo ich dann landen würde, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Ich wusste ja nicht, dass es noch Schlimmeres gibt. Und damals wusste ich nicht, dass es noch was Schlimmeres als Enders gibt."
Wieder lachte der Teufel. "Man lernt nie aus. Wer wüsste das besser als ich, der schon ewig lebt? Also, du hast einen unrechtmäßigen Befehl ausgeführt."
"Und dafür bin ich hier gelandet."
"In Freiheit", betonte der Teufel.
"Ich weiß. Stellt ihr mich körperlich erst wieder her, oder werde ich im Schwebestuhl exekutiert?"
Der Teufel lachte bellend. "Du bist frei, Makkus. Keiner wird dich exekutieren."
"Aber das geht nicht. Ich war an einem illegalen Angriff beteiligt!", rief der Soldat aufgebracht. Ein weiterer schwerer Hustenanfall unterbrach ihn.
"Langsam, langsam, Kapitän. Deine Lungen wurden stark verschmort, und die Naniten brauchen noch ein paar Wochen, um dich wieder herzustellen. Ja, du warst am Angriff beteiligt, aber du hattest nicht die Gelegenheit, um irgendein Verbrechen zu begehen. Die Absicht allein reicht manchem Richter schon, aber ich bin mir sicher, dass du zwar hättest auf Soldaten schießen lassen, aber nicht auf Zivilisten und zivile Einrichtungen, Enders hin, Enders her. Daher sehe ich keinen Grund, dich noch schwerer zu bestrafen, als dir schon passiert ist."

Ein leiser Gong ertönte. "Du kannst jetzt die Augen wieder aufmachen. Sie sind wiederhergestellt, Makkus."
Der Kapitän tat wie geheißen. Zuerst war es sehr grell, dann sehr unscharf. Er blinzelte, und nach und nach erkannte er ein langes, weiß leuchtendes Paneel über sich.
"Und?", fragte es von der Seite. Makkus sah hin, erkannte einen großen, stämmigen Mann, dessen roten Haare sein Gesicht umflossen wie eine Tumar-Mähne und über seine Schultern fielen.
"Tolle Haare", kommentierte er. "Implantat oder echt?"
Der Teufel lachte, griff sich in sein Haar und warf es nach hinten. "Natürlich ist mein Haar echt. Aber was denkst du, was ich alles tun muss, um diese Pracht zu erhalten. Mindestens einmal die Woche eine Kurpackung. Dieses Keratin ist ein sehr verwöhnter Halunke. Aber zurück zu dir. Du kannst wieder sehen. Richte dich ein Stück auf. Da ist ein Spiegel."
Makkus versuchte es, aber erst als Andreas Teufel ihm half, konnte er sich weit genug aufsetzen. Der Teufel stopfte ihm ein Kissen in den Rücken, für besseren Halt. Nicht, dass Makkus es gemerkt hätte. Wie von einer starrenden Hounda gebannt sah er auf den Spiegel. "Das bin ich", stellte er fest, hob die Rechte und strich über die schwer verbrannten, verkohlten Stellen von dem, was mal sein Gesicht gewesen war. Nur ein Auge hatte eine lediglich stark gerötete Haut, und ums Kinn und an der linken Wange war ein wenig unversehrt geblieben.
"Ja, das bist du, Makkus. Und ich will, dass das so bleibt."
"Was?" Erstaunt sah Makkus ihn an. "Wieso?"

"Demut. Du brauchst Demut für deine neue Aufgabe. Du musst immer deutlich wissen, was dir passiert ist und was du anderen antun kannst." Der Teufel grinste. "Ich habe so eine Ahnung, dass du dich dieser Aufgabe nicht entziehen wirst."
Kapitän Rohlfs straffte sich. "Was sind die Konditionen dafür, dass ich für dich gegen den Hausir-Pakt kämpfe, Andreas Teufel?"
"Ich wusste, dass es sich lohnt, dich vor dem Tod zu bewahren. Und mir war klar, dass du verstehst, dass es nach diesem Angriff auf eine souveräne Nation eine Strafexpedition geben wird - durch Teile meiner Flotte. Mit dir als Oberbefehlshaber habe ich dann nicht nur einen Insider, der die Struktur der Hausir-Armee und der Verteidigung seiner Systeme kennt, sondern auch jemanden, der Hausir moralisch überlegen ist und deren System ändern will. Oder sehe ich das falsch?"
"Nein", sagte Makkus, ohne zu zögern. Tatsächlich fühlte er eine starke Hitze in seiner Brust und es dauerte einen Moment, bis er merkte, dass es Adrenalin war. Adrenalin, ausgestoßen beim Gedanken daran, dass er sich würde rächen können. Ach Quatsch, Rache. Huluip Quois und seine Büttel vom Thron stoßen und den ursprünglichen Pakt wiederherstellen!
"Ich nehme an!", sagte er grimmig.
"Nun gut, aber die Konditionen nenne ich dir trotzdem. Neben dir haben einhundertachtundneunzig deiner Leute überlebt, die bis zum Schluss auf den acht Schiffen der letzten Verteidigungslinie waren. Dazu kommen etwas über siebenhundert, die wir aus Beibooten und Rettungskapseln aufgenommen haben. Fast alle haben zugestimmt, für sechsundzwanzig Jahre in meinen Dienst zu treten, und dies unter deinem Kommando. Nicht nur gegen den Hausir-Pakt, sondern überall dort, wo ich euch hinschicke. Dafür musst du zwei Konditionen erfüllen. Die eine ist, dass du für fünfundzwanzig Jahre in meine Dienste trittst."
"Nicht sechsundzwanzig wie meine Leute? Aber warum?"
"Weil das ebenso zur Demut gehört, aus der du eine sehr wichtige Lektion erhältst, wenn du ein Jahr ohne deine Leute auskommen musst. Die zweite Sache, auf die ich bestehe, ist, dass du das da-" er deutete auf den Spiegel "-erst reparieren lässt, wenn ich es dir erlaube, auch nachdem du deine Dienstzeit abgeleistet hast."
"Wegen der Demut?" "Wegen der Demut."
"Ich sagte schon, ich nehme an. Was ist mein Part des Deals?"
"Du desertierst offiziell zu mir und erklärst dem Hausir-Pakt unter Präsident Huluip Quois den Krieg. Du wirst mit deinen Leuten als Kernmannschaft eine meiner Flotten führen und den Pakt erobern und die ganze Bande an Kriegsverbrechern und Gewinnlern ohne jede Gnade einsacken, aburteilen und die Demokratie wiederherstellen. Danach wirst du weiter als einer meiner Admiräle dienen, bis deine Dienstzeit abgelaufen ist."
"Ich verstehe."
"Das Beste kommt noch. Du bekommst auf Hades eine eigene Villa mit großem Swimmingpool, direkt an einem subtropischen Meer, ein ganzes Heer an Bediensteten, deine Leute dürfen sich Villen und Häuser in der gleichen Stadt aussuchen, deren Kosten ich komplett übernehme. Außerdem bekommst du das dreifache Salär, das du als Volladmiral im Hausir-Pakt bekommen hättest, also achthundertsiebzig Interstellare Megawährungseinheiten im Jahr."
"Das fünfundzwanzig Jahre lang, und ich bin reich", staunte Makkus.
"Ein Pakt mit dem Teufel bringt eben eine ganze Menge ein. Wenn du dich an die Regeln hältst und mich nicht verrätst."
"Wofür ich keinen Grund habe."
"Vielleicht nicht gegen den Pakt, aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt." Für einen kurzen Augenblick glaubte Makkus, einem Raubtier kurz vor dem Sprung ins Gesicht zu schauen. "Und wer mich betrügt, trägt die Konsequenzen, ohne Wenn und Aber."
"Lieber ein Pakt mit dem Teufel, als noch ein Pakt mit Leuten wie Quois", sagte Makkus mit fester Stimme. Erneut ging sein Blick zurück zum Spiegel. Die verkohlte, rot bis aufs Fleisch verbrannte oder teils narbige Haut sah furchtbar aus, aber sie war schmerzfrei, und es störte Makkus nicht wirklich. Nur dass er keine Haare mehr hatte, war ungewohnt. So würde er also so lange aussehen, bis der Teufel ihn davon befreite. Dafür würde er sein Land befreien können, denn ja, er kannte Armee und Flotte, er kannte die Verteidigung des Hausir-Pakts. Und er wusste, dass es nur eines Anstoßes, einer Chance auf Sieg bedurfte, um eine Revolution zu beginnen. Andreas Teufel hatte eine schlaue Entscheidung getroffen, ihn auszuwählen, dieser Anstoß zu sein. Und danach? Er zweifelte nicht an seinem Sieg, nicht bei den Mitteln von Andreas Teufel. Sie würden es sehen.

"Dann werde gesund, und dann finde dich auf deinem neuen Flaggschiff ein, der BEELZEBUB."
"Weil ich mich gerade wo befinde?"
Andreas lachte laut. "Auf Hades natürlich. Dies ist das Höllensystem. Wir haben fünf bewohnte Welten, und alle sind sie paradiesisch schön. Ich habe ein paar Jahrzehnte an Terraforming dafür aufgewendet, und das Ergebnis lässt sich sehen. Wir haben Hades, diese Welt, auf der auch dein Haus steht, Dschehenn, Eulysium, Shigoku und Inferno. Alles Welten, auf denen man sehr gut leben kann, und das nicht nur wegen des Klimas, sondern auch wegen herausragender Infrastruktur. Das ist das Geheimnis meines Erfolges: Ein überdurchschnittlich gutes Betriebsklima für meine Leute." Der Teufel lachte, klopfte Makkus auf die Schulter und sagte: "Wir haben bald eine wichtige Besprechung. Dann legen wir den Grundstein für deine Operation."
Der junge Kapitän fühlte sich erhoben und erleichtert zugleich. "Ich beeile mich mit dem Gesund werden."



3.
Auf Hellig, dem wichtigsten Planeten der fünf Sternensysteme umfassenden Landau-Monarchie, saß ein furchtbar zugerichteter Mann in der Raumfahrerkneipe Rufus Lounge an einem Tisch und trank ein Souvvis, die beste einheimische Biermarke im Lokal. Bei ihm war eine dunkelhäutige, blonde Schönheit mit tiefblauen Augen, ebenfalls ein Souvvis vor sich, die im Reich Landau jeder kannte: Prinzessin Gry-Joune aus dem Haus Marley. Es hieß, sie sei bei einer Good Will-Tour von Piraten entführt worden. Sie jetzt ausgerechnet in einer Kneipe zu sehen erstaunte viele Anwesende. Aber es gab eine Regel im Haus, weshalb es auch gerne von Prominenten besucht wurde: Niemand ging ohne Einladung an den Tisch eines anderen. Man konnte den Schankwirt bitten, eine Frage zu übermitteln, aber man musste sich an die Antwort halten. Doch bisher hatten die beiden total gegensätzlichen Menschen - der Entstellte war doch ein Mensch? - nur einen zu sich gelassen, einen hochrangigen Staatsdiener, der auch nur das Allernötigste mit der Prinzessin besprochen hatte. Etwa, ob es ihm erlaubt sei, ihre Familie zu informieren und ob und wann sie in den Palast zurückkehren würde. Alle anderen, vor allem Reporter, fragten vergeblich.
Ein Umstand, den Connor Bannis, Lord of House Rouge, Träger einer Blauen Flagge und damit einer von fünf Admirälen der Heimatverteidigung, befremdlich, wenn nicht verstörend fand. Ein unbekannter Kriegsversehrter, zu arm für eine Restaurationsoperation in der Gegenwart von Gry-Joune? Nicht während seiner Schicht.
Als sich der Adlige von seinem Tisch erhob, den Blick fest auf den Entstellten gerichtet, griff sein Sitznachbar, Colonel Amir Chan, nach seinem Oberarm und zwang ihn, sich wieder zu setzen.
"Kerl, was erlaubst du dir?", fuhr er den rangniedrigeren Offizier an.
"Dir das Leben retten, das erlaube ich mir", sagte der kleine, aber sehr ernste Mann zu dem wesentlich größeren und muskulöseren Lord. Da Chan eine Division der Sikhar befehligte, den härtesten und besten Infanteristen der gesamten Landau-Monarchie, erlaubte es sich Connor, nach dem ersten Ärger auf seinem Platz zu bleiben und die Rechtfertigung des anderen anzuhören, denn einen Sikhar beleidigte man nicht, und man hörte sich seinen Rat zumindest an.
Chan deutete auf den verbrannten Mann. "Das ist des Teufels rußiger Bruder, Makkus Rohlfs."
Der Lord hob eine Augenbraue. Selbst er hatte vage irgendwo mal etwas aufgeschnappt über einen Deserteur, den Andreas Teufel bei sich aufgenommen hatte, damit dieser ihm spektakuläre Siege einfuhr. Einer spektakulärer als der vorherige. Und diese erbärmlich verbrannte Gestalt, die es wagte, mit ihrer Anwesenheit die Luft zu verschmutzen, welche die jüngste Prinzessin atmete, sollte dieser Mann sein? Connor machte Anstalten, sich wieder zu erheben, aber Chan war schneller.
"Ich will dir drei Geschichten erzählen, junger Mann. Dann entscheide selbst, ob es das wert ist."
"Wenn es nicht zu lange dauert." Seine Geduld, diese Beschmutzung ihrer Majestät zuzulassen - oder vielmehr nicht den gleichen Einfluss auf sie zu haben, wie dieser Narbigewäre bald aufgebraucht.
***
Als Makkus Rohlf genesen und mit seinen Leuten wiedervereinigt war, gab es nicht viel Federlesens. Der Teufel stellte ihnen wie versprochen die BEELZEBUB zur Verfügung, einen topmodernen Schlachtkreuzer, und seine eigenen Leute reichten aus, das Schiff zu bemannen und nach ein paar Wochen hartem Drill erfolgreich durch eine Schlacht zu führen. Die letzten Worte von Andreas Teufel, bevor er Makkus seinen ersten Auftrag erledigen ließ, nämlich die Bestätigung der eigenen Daten über den Hausir-Pakt durch eine eigene Spionageaktion, lauteten wie folgt: "Betrüge mich nicht und schau nicht nach, gegen wen ich dich schicke, dann will ich an dir festhalten und dich reich belohnen."

Und so geschah es, dass die BEELZEBUB alleine nach Zomi sprang, dem kleinsten und schwächsten Mitglied des Hausir-Pakts, weil die Sonne Zomi nur auf drei Planeten schien, und keiner von ihnen trug einheimisches Leben, wohl aber ein paar Bergbauunternehmen, und es gab auch eine kleine Wachflotte zu deren Schutz.
Die Mission war simpel. Ins System einfliegen, so viele Ortungsdaten wie möglich einsammeln und den Kampf vermeiden, mit den Daten zurückkehren und mit einer Flotte des Teufels wiederkehren, um es zu erobern. Die Technologie, die die Piraten verwendeten, war, das musste Kapitän Rohlfs neidisch anerkennen, weit, weit fortgeschrittener als die im Pakt, und Makkus wusste sehr wohl, dass, würde er dieses Schiff nach Hause bringen und versilbern, ihn der ganze Pakt inklusive Quois als Helden feiern würde. Nur - für wie lange? Wann würde der Staat ihn wieder angreifen, als Fremdkörper, als Bedrohung der existierenden Unterdrückungssysteme?
Nein, das war nicht der rechte Weg. Also beschloss er, die Tarnung zu aktivieren und die Daten zu sammeln, deretwegen er hergekommen war. Die BEELZEBUB, ein stattlicher schwerer Kreuzer, jedem Schiff seiner Gewichtsklasse weit überlegen, hatte auch eine überlegene Ortung. Langsam verstand Makkus den Erfolg von Andreas Teufel.

Als sie ins System sprangen, zählten die Ortungssysteme neunundzwanzig Einheiten der Pakt-Marine, von denen die drei größten Leichte Kreuzer waren, acht Fregatten, zwei Zerstörer, der Rest Korvetten und zwei Tenderschiffe zur Versorgung. Makkus las die Transponder aus und erkannte schnell, dass keines dieser Schiffe auch nur annähernd im Verdacht stand, der Elite der Flotte anzugehören. Ja, er traute sich auch einen Schlagabtausch der BEELZEBUB mit diesen Einheiten zu, ohne großartige Beschädigungen zu riskieren, derart überlegen war des Teufels Technik.
Dann aber fuhr es ihm eiskalt übers Gesicht. Er meinte, einen eisigen Hauch durch seine nicht mehr vorhandenen Haare gehen zu spüren, als ihm gemeldet wurde, dass doch ein Schwerer Kreuzer im System war, bis dato nicht zu orten gewesen, da er in engem Orbit um Tuma, der Zentralwelt, flog und sich aus der Sicht seines Schiffes gerade erst über die Planetenkrümmung schob. Es handelte die AUGIR, das Schiff, dessen Offiziere die eigene Kapitänin und ihre Offiziere getötet und ihn und die Flotte betrogen hatten. Wilde Wut erfasste ihn, erfüllte ihn, ließ seinen ganzen Körper brennen, so wie es gewesen sein musste, als sein Gesicht gebrannt hatte. Die AUGIR. Der Tod seiner besten Kapitänin, seiner Freundin, seiner Familie.
"Veni. Schalte die Antiortung ab", befahl er mit eiskalter Stimme, die im kompletten Gegensatz zum inneren Feuer stand.
"Was?", frage Veni Zand, Erster Offizier unter Rohlfs. "Du hast mich verstanden. Ich will, dass das ganze System die BEELZEBUB sieht. Ich will, dass die AUGIR die BEELZEBUB sieht."
Der Erste Offizier nickte verstehend und gab den entscheidenden Befehl. Sofort war der Schwere Kreuzer für jede aktive Ortung sichtbar, und schon nach wenigen Minuten wurden sie von einer Hyperbarke angefunkt und sehr, sehr höflich gebeten, das System zu verlassen. Man hatte sie als Teil von Teufels Flotte identifiziert und wohl eine ganz ähnliche Berechnung angestellt wie er selbst.
"Kamera auf mich. Freier Funk über die Hyperbarke zu allen Empfängern des Systems", befahl er eiskalt.
"Du bist drauf in drei, zwei, eins..."
Keine Null wurde genannt, er und seine Leute waren Profis, auch im Kampf mit und gegen Propaganda. "Mein Name ist Makkus Rohlfs. Ich bin der Mann, dessen Flotte aufgrund von Verrat und Desertationen im Enders-System aufgerieben wurde. Ich sehe die AUGIR über Tuma stehen, jenes Schiff, desssen Offiziere ihre Kapitänin getötet und die Front verlassen haben, um uns alle dem Untergang zu überantworten. NIEMAND MISCHT SICH EIN! Ich werde die AUGIR und ihren Kapitän zur Rechenschaft ziehen, und wer das zu verhindern sucht, wird vernichtet!" Er gab ein Zeichen, die Kamera wieder zu deaktivieren. Dann setzte er sich auf seinen Kapitänssessel. "Und nun warten wir."
Die Antworten von den verschiedenen Schiffen kamen schnell und zeigten eine breite Palette von Drohungen, Einverständniserklärungen und Neutralitätsbekundungen. Nur von der AUGIR kam keine Antwort. Stattdessen zündete der Kreuzer seine Triebwerke und verließ den Orbit in Richtung Systemrand steuerte, um von dort ins nächste Sonnensystem zu springen.
"Hinterher, Veni", befahl Makkus. Sein Erster Offizier knurrte das grimmigste "Jawohl", das er je ausgesprochen hatte und ließ ihr Schiff einen langen Bogen schlagen, der es unweigerlich auf den Kurs des fliehenden Kreuzers brachte. Und zwar lange bevor diesem der Sprung gelingen konnte. Der Rest war warten, denn die BEELZEBUB war um einiges beschleunigungsstärker als die AUGIR und würde das andere Schiff einholen.

Die Verfolgung dauerte anderthalb Tage, da die AUGIR das andere Systemende ansteuerte, wohl weil sie sich davon einen Vorteil versprochen hatte. Aber wie gesagt, bessere Antriebssysteme.
Die BEELZEBUB kam in Reichweite ihrer eigenen Langstreckenwaffen lange bevor die AUGIR feuern konnte. Wohl schoss sie lenkbare Torpedos auf das Schiff des Teufels ab, aber die überlegene Technik fing sie allesamt ab, bevor diese gefährlich werden konnten. Makkus ließ die Tachyonengeschütze sprechen, seine stärksten Langstreckenwaffen. Torpedos oder Raketen sparte er sich auf, denn seinem Schiff folgten Verteidiger mit dem Ziel, ihn zu stoppen. Dann würde er diese Waffen sicher noch brauchen.
Das Bombardement war effektiv und zerstörerisch. Die AUGIR verlor erst den äußeren, dann den mittleren Schild. Danach war die BEELZEBUB in Reichweite der Laserwerfer des Gegners, aber die überschweren Waffen, überall im Taurus-Sektor gefürchtet, schafften es kaum, den äußeren Schirm von Makkus' Schiff ins Schwanken zu bringen, geschweige denn ihn zu zerstören.
Dann waren sie in Reichweite für die mittleren Waffen, und lange bevor jene der AUGIR antworten konnten, war das Schiff verheert und lahm geschossen. Rettungskapseln und Beiboote verließen die AUGIR, und Makkus befahl, eigene Beiboote auszuschleusen, welche die Verräter einsammeln sollten. Wobei er auch anordnete, all jene, die an der Meuterei unbeteiligt waren, ziehen zu lassen und nur die verbrecherischen Offiziere zu verhaften. Für später.
Die BEELZEBUB rückte jetzt auf, reduzierte die eigene Geschwindigkeit, glich sich dem Gegner an und flog schließlich parallel zum zusammengeschossenen Schiff.
"Ich brauche ein Enterkommando", sagte Makkus Rohlfs. Mit diesem, ausgestattet mit den berüchtigten Infanterierüstungen des Teufels, setzte er auf das waidwunde Schiff über, um mit eigenen Augen zu sehen, was die Kanonen angerichtet hatten. Und das war eine Menge.

Vereinzelt waren noch Raumfahrer an Bord, obwohl sie die Chance gehabt hatten zu fliehen. Als sie merkten, dass ihnen kein Ungemach drohte, machten sie für die Infanteristen den Weg zur Brücke der AUGIR frei. Makkus, an der Spitze seiner Leute, betrat den gut besetzten Schiffsleitstand und sah nicht einen Offizier, der an der Meuterei und damit am Untergang seiner Flotte beteiligt gewesen war. "Wo sind die Meuterer?", fragte er Jaiv Bonnz, einen jungen Leutnant, den er flüchtig kannte.
Der Funkoffizier führte ihn in die nächste Schiffsmesse. Dort hatten sich drei der Offiziere, keinen Ausweg mehr sehend, selbst gerichtet. Doch von Graf Voller keine Spur. "Wo ist Voller?"
"Versteckt sich im Schiff, der Feigling", sagte Bonnz. "Der Erste Offizier ist übrigens in den Arrestzellen, der Zweite Offizier ebenso. Es scheint, dass dieser adlige Bastard dachte, er könnte sie noch benutzen. Aber wollen Sie nicht zuerst ins Kapitänsquartier?"
"Ich weiß nicht. Will ich? Was finde ich da?"
Bonnz grinste wild. "Eine willkommene Überraschung, denke ich."
Das überzeugte Makkus, wenngleich er seinen Infanteristen den Hinweis gab, auf einen Hinterhalt zu achten. Derart gerüstet erreichten sie das Kapitänsquartier, das verriegelt und verrammelt war. Bonnz konnte das Schott nicht öffnen, aber einer der Infanteristen trat vor, brach das Schloss auf und die ganze Stahltür gleich mit.
Als sich der Lärm gelegt hatte, klang eine vertraute Stimme zu Makkus herüber. "Da bist du ja endlich."
Mit Unglauben stürmte Makkus Rohlfs an seinem Soldaten vorbei in das große Quartier. Tatsächlich, mitten im Raum, die Arme verschränkt und spöttisch grinsend, obwohl grün und blau geprügelt, stand Ania Hobbs, und sie war sehr lebendig.
Makkus eilte zu ihr, wollte sie berühren, schreckte aber zurück. "Nur zu, ich bin kein Geist, ich lebe noch."
"Aber ich bin entstellt."
Ania sagte: "Wen stört das?", und nahm ihn seinerseits in die Arme. Zögerlich, dann aber umso beherzter schloss auch er die Frau in die Arme, die für ihn wie eine kleine Schwester war.
"Aber wie...?"
"Voller weiß von meinen Verbindungen zu Rheinfels und Brauer, deshalb hat er die Hinrichtung inszeniert und hielt mich gefangen, nackt in Dunkelheit und Kälte mit kaum genug zu essen, um zu überleben, bis ich ihm wieder nützlich sein würde. Dann aber schnappte ich über die Gespräche vor meinem Gefängnis Gerüchte darüber auf, dass du nicht im Enders-System gefallen bist, und quasi auf die Minute schalteten meine Kerkermeister das Licht an, die Heizung ein und gaben mir Kleidung und gute Nahrung, was meine Situation erheblich verbesserte. Dann, vor knapp zwei Tagen, bekam ich ein strikt bewachtes, einfaches Quartier zugeteilt. Das ließ mich vermuten, dass etwas Gravierendes passiert sein musste.
Vor etwa acht Stunden wurde ich aus dem Quartier geholt und in meine Kapitänskajüte gesteckt. In mein Quartier. Meines. Also habe ich mich hier drin verrammelt und meine versteckten Waffen hervorgeholt. Nur Voller habe ich reingelassen. Der Mann war schon immer ein von sich selbst übersteigert eingenommener Dummkopf und glaubte, Herr der Lage zu sein."
Makkus löste sich von der Freundin, ein paar Tränen aus dem guten Auge drückend. "Und wo ist er jetzt?"
Ania führte ihn um das große bequeme Sofa. Dort lag der Adlige, eine große Thermostrahlwunde in der Brust. "Ich dachte mir, du würdest dich über so ein Geschenk freuen. Den Abschuss konnte ich dir leider nicht überlassen, das musst du verstehen. Der Bastard hat in erster Linie mich verraten."
"Was dein ist, ist dein, da mosere ich nicht." Grimmig starrte er auf den Toten. "Gut, das erspart uns die langwierige Suche. Und was ist jetzt? Was tust du von hier ab?"
"Ich nehme an, du hast die AUGIR zusammengeschossen. Aber sie ist immer noch mein Kommando. Schick sie zum Teufel. Sobald sie repariert ist, werde ich sie nehmen und an deine Seite zurückkehren, wo ich hingehöre, mein Kapitän."
Das rührte das Herz des Versehrten derart, dass er zustimmte, ohne zu bedenken, dass dies eine Tat war, die noch mehr als alle anderen gegen seine Befehle vom Teufel verstieß. Also sagte er zu.
Dann ging er zu dem Toten, zerrte ihn am Kragen auf seine Augenhöhe, und sagte sehr zufrieden: "Du hattest mich. Jetzt habe ich dich."
***
Noch während die AUGIR unter den besseren Waffen der BEELZEBUB zusammengeschossen wurde, deuteten die Menschen auf den drei Planeten des Systems die Passivität der Flotte vollkommen falsch als Kapitulation. Einige Manager hielten es für eine gute Idee, diesen Irrtum noch zu befeuern, um einen kleinen Aufstand auszulösen und so die seit Jahren vorhandenen Unruhestifter sich selbst entlarven zu lassen, um sie endlich los zu sein. Leider gab es keinen kleinen Aufstand - es wurde ein großer Aufstand, der die Führungskräfte sehr schnell in ihren Büros isolierte. Die Werkssicherheit, die normalerweise genau so ein Geschehen niederschlagen würde, kämpfte mit sich selbst; diejenigen Kräfte, die sich mit den Aufständischen gegen die Regierung Quois und die Ausbeutung durch seine Stellvertreter solidarisierten, setzten sich durch. Die Flotte, über das System verteilt, mit nur wenigen Kräften auf den oder im Orbit um die Planeten, bot daher in den ersten Stunden lediglich ein paar hundert Soldaten auf, die sie in die Bergbaustädte schicken konnte. Dort aber wurde deren Ankunft vollkommen missverstanden, und da kein "Schießbefehl auf Sicht" existierte, wurden die eintreffenden Truppen als Befreier und wichtige Helfer gefeiert, und durch eine Verkettung sehr glücklicher Umstände fanden sich genau diese Truppen dann an der Spitze des Aufstands wieder. Was wiederum gut war, denn zusätzlich zum repressiven Regime und der Werkspolizei verfügten die Direktoren noch über mit automatischen Waffen gespickte Residenzen, in die sie sich flüchteten - so sie es noch schafften. Die Raumfahrer mit ihren Rüstungen waren daher die einzigen, die diese Gebäude angreifen konnten, und kaum hatte der erste Laserschuss einen der Rüstungsträger auch nur gestreift, waren die Truppen Teil des Aufstands und besiegten die Automatikwaffen der Villen.
Als nun weitere Schiffe die Bergbauplaneten erreichten, waren diese schon fest in der Hand der Aufständischen und ihrer Marine-Helfer. Dies war ungefähr der Zeitpunkt, als die BEELZEBUB über alle Kanäle per Hyperbarke nicht nur die Eroberung der AUGIR, sondern auch das Überleben von Kapitänin Hobbs verkündete, was allen Kapitänen sehr schnell klar machte, auf welchen zerbrechlichen Eiern man hier tanzte, falls dieses Schiff beschloss, umzukehren und den Aufstand zu unterstützen. Eine vollkommen berechtigte Vermutung, denn es war schließlich nur an Bord der BEELZEBUB bekannt, dass Makkus Rohlfs lediglich hatte erkunden sollen.
Mit dieser realen Bedrohung an der eigenen Kehle versuchten sich einige Schiffe durch Flucht zu entziehen. Aber deren Kapitäne hatten unterschätzt, wie willkommen den meisten Soldaten ein Aufstand gegen Quois und sein Regime war, sodass es zu Meutereien kam. Andere Kapitäne, die insgeheim gegen Quois' Diktatur eingestellt waren - vielleicht ein Grund, warum sie in diesem eher unbedeutenden System ihre Patrouillen ziehen mussten - nutzten die Chance, um mit Mann und Maus überzulaufen. Man konnte sagen, dass die Lage entschieden war, als man auf der BEELZEBUB noch daran arbeitete, die wrackgeschossene AUGIR in Schlepp zu nehmen und aus dem System zu schaffen.
Vollendete Tatsachen wurden geschaffen, als weitere Schiffe von Andreas Teufel ins Zomi-System sprangen und es offiziell "von des Teufels rußigem Bruder" für besetzt erklärten.

In den nächsten Tagen trafen weitere Schiffe ein, während die AUGIR in der einzigen Orbitalwerft über Tuma von Fachleuten so gut es ging wieder einsatzbereit gemacht wurde, unter Mithilfe der Mannschaft, die sich wieder hinter ihre Kapitänin und die beiden Offiziere stellte, zumindest in großen Teilen. Jene Offiziere und deren Helfer, die sich gegen Rohlf und Hobbs verschworen hatten, wurden inhaftiert und bekamen einen fairen Prozess, in dem ihre Schuld eindeutig belegt und je nach Schwere ihrer Verbrechen auch mit dem Tod bestraft wurde.
Per Hyperbarke kamen eindeutige Befehle der Admiralität, die diese Prozesse verboten und für ungültig erklärten, immerhin waren viele der Offiziere, die gemeutert hatten, Adlige aus wichtigen Häusern. Also ließ Makkus die Angeklagten aus dem System schaffen und zur Erde bringen, wo ihnen ein internationaler Prozess gemacht wurde, der sich im Ergebnis nicht unterschied, nur dass die Heimatwelt aller Menschen keine Todesstrafen vollstreckte , sondern in lebenslange Haft umwandelte. Der Protest des Hausir-Pakts war in etwa so hilfreich wie eine Kerzenflamme im Vakuum des Alls. Abgesehen davon, dass die Erde sich von den lächerlichen Mitteln des Paktes nicht einschüchtern ließ.
So kam es, dass die Anzahl der Einheiten des Hausir-Pakts im Zomi-System schnell auf fünfunddreißig stieg, dann auf fünfzig, und schließlich fünf Tage nach dem Abschuss der AUGIR gar auf achtzig. Am zehnten Tag hatte sich die Gesamtzahl verdoppelt, und das bedeutete, dass einhundertsechzig Einheiten des Hausir-Pakts ihrer Admiralität und ihrem Präsidenten den Stinkefinger zeigten, was immerhin ein Sechstel aller Schiffe darstellte.
Makkus war klar, was die nächste Maßnahme von Quois sein musste, nämlich die Erpressung aller Deserteure durch ihre Verwandten und Freunde. Schon an Tag zehn sendete der Staatsfunk ganz unverhohlen Bilder von "Staatsfeinden", die nach Vertan gebracht wurden und nannte ihre Namen und ihre vielfältigen Verbrechen, sodass man annehmen musste, auf den Hauptwelten herrsche gesetzlose Anarchie. Aber niemand beschwerte sich, keiner drängte Makkus zu irgendetwas. Alle warteten auf seine Befehle, selbst Andreas Teufel schwieg sich aus, obwohl er durch fünfzehn eigene Schiffe im Zomi-System präsent war.
***
Das, was Makkus Rohlfs plante, als er sämtliche Kapitäne, Vertreter der Bergbauarbeiter und der Mannschaften zu einer großen Besprechung bat, war genauso riskant wie genial und wahnwitzig. Er plante tatsächlich, die Sicherung des Systems den Teufelschiffen einschließlich der BEELZEBUB zu überlassen und angeführt von der AUGIR mit allen hundertsechzig Schiffen Vertan, den Mond des achten Planeten des Hauptsystems des Hausir-Pakts zu überfallen, die Lager zu erobern, alle Insassen, Soldaten wie Zivilisten in die Freiheit nach Zomi mitzunehmen. Eine vage Freiheit, denn die Lebensbedingungen auf allen Bergbauwelten waren karg, zwei hatten nicht mal eine Atmosphäre, die Städte waren klein, die Quartiere beengt, und man rechnete damit, gut einhundertzwanzigtausend Menschen evakuieren zu müssen. Dazu kamen viele weitere Familienmitglieder und Freunde, die noch nicht nach Vertan geschafft worden waren. Und allein die hundertzwanzigtausend mussten die dreißig Lichtjahre vom Hausir-System nach Zomi transportiert werden, was bedeutete, dass sie Platz und Ressourcen zur Lebenserhaltung benötigten, von Nahrung ganz zu schweigen, denn jeder Mensch, der durch das All reisen musste, benötigte Luft und Wärme. Und Nahrung, wenn es länger dauerte, aber auf jeden Fall Wasser und die Möglichkeit, Körperausscheidungen wieder loszuwerden. Was bedeutete, dass jedes der Schiffe im Schnitt etwas weniger als eintausend Menschen würde aufnehmen müssen, und dafür waren viele der Schiffe schlicht zu klein.
Aber immerhin, die aufständischen Bergarbeiter waren bereit, den wenigen Platz brüderlich und schwesterlich zu teilen, was Makkus immerhin ein Problem ersparte. Der Aufbau von zusätzlichen Notunterkünften war mit Hilfe der Ressourcen der Flotte auch kein Problem, und über das danach konnten sie sich später Sorgen machen.

Als man also anfing, laut drüber nachzudenken, ob man nicht die Frachter herrichten konnte, um diese mehrmals zwischen beiden Systemen pendeln zu lassen, traf eine Flotte aus neun Schiffen ein, begleitet von einem einzigen Kriegsschiff, ausgerechnet einem von vier Schlachtschiffen in des Teufels Flotte neben der BEELZEBUB: Die LUZIFER. Diese waren die stärksten der stärksten Schiffe im gesamten Raumsektor. Drei der Schiffe erwiesen sich als zivile Transportschiffe, die zehntausende Tonnen an Nahrung und einfacheren Luxusgütern an Bord hatten, von Sanitärartikeln bis hin zu kleinen Kommunikationsgeräten, Dinge, die bisher entweder teuer hatten in konzerneigenen Shops bezahlt werden müssen, oder generell verboten gewesen waren. Die anderen sechs Schiffe aber waren Truppentransporter von der Erde, für einr symbolische Gebühr ausgeliehen mit der strikten Order, dass die durchaus gut bewaffneten Einheiten in keinerlei Kampfhandlungen eingreifen dürften. Die Kapazitäten der sechs Transporter waren darauf ausgelegt, bequem jeweils bis zu zwanzigtausend Infanteristen in voller Ausrüstung zu transportieren, und dazu noch ein Panzerregiment in den Frachtbuchten. Damit verfügten die Aufständischen auf einen Schlag über sowohl genug Nahrung und bescheidenen Luxus als auch die Mittel, die Inhaftierten aus dem System zu schaffen.
Damit wurde der Plan noch am gleichen Tag angenommen, und nur einige wenige Leute fragten sich, wie der Teufel seine Hand so schnell auf terranische Schiffe hatte legen können, wobei sich die angeblich zivilen Kapitäne der terranischen Einheiten zu den Details ihrer Mission nicht im mindesten äußerten. Makkus Rohlfs nahm es hin, organisierte die Schiffe in vier Flotten, deren Einheiten er nach deren Aufgaben zusammenstellte, also mehr schwere Einheiten in den beiden Flotten, die Vertan und die Transporter bewachen würden, und mehr leichte Einheiten, welche flexibel auf jede Form der Bedrohung reagieren würden, unter anderem, weil sie schneller und beweglicher waren. Dann nannte er als Zeitpunkt des Aufbruchs den folgenden Morgen.
Zwanzig Stunden später erschienen die ersten Späher dieser Flotte im Hausir-System.
***
Schnell zeichnete sich für die Verantwortlichen ab, dass einhundertsechzig eigene Einheiten ins System gesprungen waren. Was alle überraschte, denn die regionalen Admiralitäten hatten sämtliche Berichte über Schiffe geschönt, die "angeblich" zu Rohlfs übergelaufen waren und derenZahl auf fünfzig schöngeredet. Allerdings hatte diese Zahl schon nicht gerade gefallen. Jetzt mit dem Dreifachen konfrontiert zu sein sorgte für blankes Entsetzen. Anzahl und Stärke der Schiffe war ausreichend, das Hausir-System zu erobern. Nicht auf Dauer zu halten, denn alle Flotten zusammen waren ja fünfmal so stark. Aber es befand sich nur die Heimatflotte im System, denn im Nachbarsystem, Kolmans Stern, kämpften alle verfügbaren Hausir-Schiffe gegen eine dreißig Einheiten umfassende Flotte von Andreas Teufel, der augenscheinlich die sieben Werftkomplexe im Orbit von Hagenfeld, dem einzigen Sauerstoffplaneten vernichten wollte, und das war die Hälfte der gesamten Kapazität ihres Militärs. So kam es, dass den hundertsechzig Angreifern nur knappe dreißig Schiffe aller Klassen gegenüberstanden, gerade das Allernötigste, um das Heimatsystem zu verteidigen. Und diese zogen sich auch prompt über der Hauptwelt Hause zusammen, um die Regierung zu schützen.
Allerdings wagte es niemand wirklich, auf nur einen der Angreifer zu schießen, denn deren Übermacht war zu erdrückend. So konnten alle vier Flotten über dem Mond Vertan in den Orbit gehen und ihre Landungstruppen zu Boden bringen. Die Wächter des Lagers wussten, was die Stunde geschlagen hatte. Man floh mit Mann und Maus und versuchte, sich in den Städten zu verbergen oder im nichturbanen Gelände zu verstecken, beispielsweise im Mons-Gebirge.
Die normalen Bürger auf Vertan aber verkannten die Natur des Angriffs von Makkus Rohlf, und machten sich daran, die verhassten Gefängniswärter des Straflagers aufzuspüren und, wenn sie dabei nicht gleich ob ihrer Gegenwehr getötet wurden, zusammenzubringen und nun selbst als Verbrecher einzusperren. Dies geschah, lange bevor die AUGIR in den Orbit eintreten konnte. Die Lager waren befreit und geöffnet worden, lange bevor die erste Fähre startete, und als die ersten landeten, befand sich der ganze Mond bereits in einer Festtagsstimmung und jagte die Beamten, Polizisten und Helfershelfer der Quois-Regierung aus ihren Ämtern und ihren Stuben.

Normalerweise hätte Makkus diese Entwicklung beunruhigen müssen, denn wie sollte er diesen Menschen später helfen, wenn seine Schiffe wieder abgezogen waren? Niemand hatte vor diesem Angriff eine solche Entwicklung erwartet, und auch wenn seine Flotte der stärkste Spieler im System war, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis andere Flotten herangezogen werden würden, die nicht vom Teufel beschäftigt gehalten werden konnten. Und ob es bei denen eine nennenswerte Desertionsbewegung geben würde, wusste niemand zu sagen.
Aber bevor die Zweifel und Bedenken vertieft werden konnten, erreichte ihn eine Nachricht vom Planeten Hause selbst, die vom Flottenhauptquartier versandt worden war. Demnach war der Kommandeur der kleinen Flotte von Hausir-Einheiten, die sich über dem Hauptplaneten Hause versammelt hatten, kein anderer als der frisch zum Admiral beförderte Lekks Fliet, der Makkus im Enders-System mit der eigenen Flotte so feige in Stich gelassen und dessen Flucht so vielen seiner Leute das Leben gekostet hatte. Mit einer Wut, die ihresgleichen suchte, aber nach außen hin überlegen und kühl, befahl er sechzig seiner Schiffe, der AUGIR zum Planeten Hause zu folgen. Man erzählte sich, seine Narben hätten gebrannt, als er den Befehl gegeben hatte, und eine Aura hätte ihn umgeben, die jeden verschmorte, der ihm zu nahe zu treten wagte. Nur Ania Hobbs konnte sich ihm nähern und sogar eine Hand auf seine Schulter legen, ohne verbrannt oder davongeschleudert zu werden von seiner schieren Präsenz.
"Willst du mich hindern?", fragte er.
Die Kapitänin lachte laut. "Was? Mit Fliet, der feigen Rubba, direkt vor Augen? Im Gegenteil. Mach ihn ordentlich fertig und kümmere dich nicht um die AUGIR, das ist meine Arbeit."
"Danke." Mehr konnte er nicht sagen, aber man erzählte sich, Makkus Rohlfs hätte ab diesem Moment eine noch stärkere Aura ausgestrahlt.
Nun war Hause nicht irgendein Planet in irgendeinem Sonnensystem, sondern die Hauptwelt des Hausir-Pakts. Er wurde nicht nur von einer Flotte verteidigt, sondern auch von drei mächtigen Raumforts, die selbst die Feuerkraft ganzer Geschwader hatten. Und da waren die auf dem Boden stationierten Raketenwerfer, die bis ins Weltall feuern konnten, noch gar nicht berücksichtigt. Immerhin war diese Welt der Regierungssitz von Präsident Quois und seiner Regierungspartei. Sechzig Schiffe waren genug, um mit der kleineren Flotte von Fliet den sprichwörtlichen Boden aufzuwischen, aber die Forts und die Raketen würden ihren blutigen Preis fordern. Dies wurde Makkus in einem lichten Moment bewusst, und er befahl eine Ringschaltung zu allen sechzig Kapitänen, um zu erklären, was er vorhatte, und jedem freizustellen, zur Evakuierung des Gefangenenlagers auf Vertan zurückzukehren. Die Kapitäne ließen die Ansprache auch über sich ergehen, aber nicht einer entschied sich dafür, umzukehren. Alle hielten Makkus die Treue, und gerührt von ihrer Einsatzbereitschaft ließ er den Angriffsflug fortsetzen.

Da kam ihm wieder der Zufall zu Hilfe, denn Huluip Quois war, wen wundert es, ein wahrer Feigling und Opportunist. Für ihn war abzusehen, dass er sein Heil nur in der Flucht finden konnte, denn nach seinem Verständnis reichte es Rohlfs, ein einziges Schiff übrig zu behalten, um seinen Palast zu bombardieren und sein Leben zu beenden. Und so begab er sich mit seiner Regierung, hohen Amtsträgern der Flotte und weiteren wichtigen Leuten seines Staatsapparats auf die KABALLA, den schnellsten Leichten Kreuzer, der im System stand, und der auch Fliet als Flaggschiff diente.
Noch bevor Makkus' Flotte in Waffenreichweite war, verließ das Schiff den Orbit um Hause und floh zum gegenüberliegenden Systemrand, begleitet von den schnellen Einheiten von Fliets Gruppe, während die langsameren, besser bewaffneten Einheiten die Hauptwelt verteidigen sollten. Ein großer Fehler, denn das Ziel von Rohlfs war nun mal nicht, die Hauptwelt zu attackieren oder die Flotte auszulöschen: Er wollte Fliet. Also schlug seine Flotte einen Haken und eilte der KABALLA hinterher. Fliet war jetzt auch kein fähiger Offizier , sondern darauf angewiesen, dass seine Leute ihm ordentlich zuarbeiteten und seine vielen Fehler ausglichen. So ließ es sich erklären, dass er nicht den möglichst weit von Makkus' Flotte entfernten Sprungpunkt aus dem System hinaus gewählt hatte, sondern den ihm nächsten, sodass die schnellen Schiffe der Fliehenden fast in einem neunzig Grad-Winkel zum Kurs der Angreiferflotte flogen. Alles, was Makkus tun musste, war wie beim Gefecht der BEELZEBUB und der AUGIR einen großen Bogen zu fliegen, um den schnellen Einheiten direkt im Nacken zu sitzen.
Das bedeutete, dass er die überlegene Waffenreichweite des Teufel-Schiffs diesmal gar nicht brauchte und seine gesamte Flotte in Waffenreichweite war, ohne dass die schweren Hausir-Schiffe, die noch immer den Orbit von Hause besetzten, überhaupt eingreifen konnten. Natürlich waren seine Schiffe damit auch in Reichweite des Gegners, aber weil Fliet nur leichte Einheiten mitgenommen hatte, waren sie der Feuerkraft von sechzig Einheiten aller Klassen klar unterlegen. Dazu kam, dass Fliet, nervös, ängstlich und getrieben, bereits mit Torpedos auf die sechzig Schiffe feuern ließ, bevor es sinnvoll war und damit diese wichtigen Waffen vergeudete. Und Makkus hatte keine Probleme damit, sein Feuer zurückzuhalten, bis die fliehenden Schiffe mit Quois und seiner Bande an Bord in effektiver Maximalreichweite waren. Dann aber ließ er aus allen Geschützen und allen Werfern der Langstreckenreichweite feuern. Mit grimmiger Miene besah er sich auf der taktischen Anzeige, was seine Schiffe für Schäden beim Feind verursachten, und sagte: "Du hattest mich. Jetzt habe ich dich."

Am Ende des Kampfes hatten sich elf der Schiffe ergeben, drei waren vernichtet worden, den Rest ließ er entern, sobald seine Flotte in der effektiven Reichweite für die Gefechtsfähren der Infanterie gekommen war. Auch wurde den schnellen Einheiten befohlen, die Beiboote und die Rettungskapseln aufzusammeln. Besonders das zu Klump geschossene Wrack der KABALLA wurde durchsucht, denn nichts hätte ihn glücklicher gemacht, als Fliet lebend in die Finger zu kriegen, um ihn auf heißer Flamme langsam gar zu rösten. Tatsächlich fanden die Infanteristen auch einige Überlebende an Bord, die den schweren Beschuss wie durch ein Wunder überlebt hatten. Aber die Brücke hatte gleich mehrere Volltreffer abbekommen und war nur noch ein großes, tiefes Loch. Fliets Leiche fand man nicht in den Resten seiner Brücke, sondern auf der Zweitbrücke, die tiefer im Schiff lag und sicherer war. Doch auch die war mindestens einmal getroffen worden, sodass man nur noch seine Leiche bergen konnte. Quois und viele seine Minister waren ebenfalls auf dieser Brücke gewesen, in vermeintlicher Sicherheit, und hatten den Tod gefunden. Ein Umstand, der Makkus weit mehr zufriedenstellte, als er zugegeben hätte.
Wie es seine Pflicht war, dokumentierte er die Toten, stellte ihre Identitäten fest und gab diese Informationen ans Flottenhauptquartier weiter. Dann wandte er sich wieder der Evakuierung der Gefangenen im Lager auf Vertan zu. Die war mittlerweile abgeschlossen, aber keiner der Truppentransporter hatte sich bisher angeschickt, die einhundertvierzigtausend Geretteten ins Zomi-System zu schaffen.

Stattdessen baten die Admiräle, die von der Regierung Quois inhaftiert und noch nicht ermordet worden waren, immerhin neun an der Zahl, Makkus Rohlfs darum, zur Zentralwelt gebracht zu werden. Eigentlich ein Himmelfahrtskommando, aber auch nur, weil sich die wichtigsten Neuigkeiten noch nicht bis zu ihm herumgesprochen hatten. Auch auf den schweren Schiffen im Orbit um Hause gab es mittlerweile Meutereien, und auf dem Planeten selbst hatten Polizei und Bürger die Reste der Regierung von Quois aus ihren Amtsstuben gejagt. Noch bevor Makkus die AUGIR wenden konnte, erklärten neue Verantwortliche die Regierung für abgesetzt und die Partei von Quois für verboten. Die Gefängnisse wurden geöffnet und politische Gefangene freigelassen, Untersuchungen anberaumt und die Regierungen des Hausir-Pakts in den anderen Systemen über die veränderte Lage informiert, Flotten kontaktiert und deren Loyalitäten abgefragt.
Das Bild, das sich dann abzeichnete, war eines von großer Erleichterung, dass die Phase mit Quois und seinen Verbrechern endlich ein Ende hatte, und wo man es noch nicht so war, wurde eben flugs gemeutert, bis der ganze Pakt endlich wieder von der Diktatur frei wurde. Als dann die AUGIR auf dem größten Raumhafen des Planeten aufsetzte, wurde dem Kommandeur der Flotte, der Kapitänin und der Mannschaft ein spektakulärer Empfang bereitet. Des Teufels rußiger Bruder wurde als Befreier gefeiert, ebenso wie seine Begleiter und die ganze Flotte.
***

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In den nächsten Tagen begannen die ersten Untersuchungen, welche die Verbrechen in der Flotte und auf den Planeten des Pakts, die von Quois und seinen Claqueuren begangen worden waren, aufarbeiteten und weitere Täter ermittelten. Die Ermittler stürzten sich mit derartigem Feuereifer auf diese Aufgabe, als hätten sie nur auf diese Gelegenheit gewartet, und wahrscheinlich war es auch so.
Makkus Rohlfs wurde der Posten als Kopf der Übergangsregierung angeboten, bis es Neuwahlen gab. Aber er sagte: "Ihr habt den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, und jetzt soll der Beelzebub die ganze Macht haben? Nein, ich widerstehe und bleibe Soldat."
Unter den Gefangenen auf dem Mond waren auch viele Oppositionelle gewesen, sodass Makkus den Vorschlag machte, Hamine Kynz das Amt des Staatsoberhaupts bis zu freien Wahlen zu übergeben. Immerhin war sie die gewählte Regierungschefin gewesen, bevor Quois in einer sehr umstrittenen Wahl gegen sie gewonnen hatte. Ihr Glück war einfach wie bei vielen anderen gewesen, dass der Diktator die Möglichkeit, sie noch lebend zu brauchen, in Betracht zog.
Dem Vorschlag stimmten alle zu, und so kam es, dass Kynz mit den Überlebenden ihrer eingespielten Regierungsmannschaft, ihre alte Arbeit wieder aufnahm und den Kurs zurück auf Demokratie anlegte.
Makkus aber ließ die BEELZEBUB ins System kommen und wechselte mit allen Leuten, die sich auf sechsundzwanzig Jahre dem Teufel verschworen hatten, auf des Teufels Schiff. Allen anderen verbot er, ihm zu folgen, auch seiner guten Freundin Ania Hobbs. "Es können nicht alle guten Leute in so schwierigen Zeiten wieder gehen", sagte er ihr, und sie nahm die Aufgabe zähneknirschend an. Viel lieber wäre sie mit Makkus gegangen, aber sie sah ein, dass jemand wie sie dringend gebraucht wurde, vor allem in der Flotte.
Makkus aber verließ das Hausir-System und kehrte zu Andreas Teufel zurück, um sich dafür zu verantworten, dass aus einer reinen Erkundungsmission eine ausgewachsene Rebellion geworden war.
Als er ins Höllensystem zurückgekehrt war und vor Andreas Teufel stand und seine Erklärung vorbrachte, lachte der nur und hieß den steif dastehenden Kapitän, sich zu setzen. "Du hast zwar in die Kessel geschaut, und das viel tiefer als du hättest sollen. Aber du hast das Feuer unter deinen Feinden noch geschürt, anstatt es aus falscher Rücksichtnahme zu löschen und damit den Hausir-Pakt von seinem verrückten Diktator befreit. Für mich reicht es so. Diene mir weiter so gut in den kommenden fünfundzwanzig Jahren, und ich will es zufrieden sein."
So sagte er, und so war er es auch.


4.
Fast fünfundzwanzig Jahre später, nachdem er in vielen Schlachten gekämpft, Piraten bestraft, Aggressoren gezüchtigt und Unschuldige verteidigt und er sich einen großen Namen als des Teufels rußiger Bruder gemacht hatte, kam endlich die Zeit, dass sein Dienst ein Ende fand. Fünfundzwanzig Jahre im Dienste Andreas' waren vorbei, als wäre es nur ein einziges Jahr gewesen.
Seine ISMWE, die interstellaren Megawährungseinheiten, waren alles in allem mit Boni und Extrapauschalen auf fünfundzwanzigtausend gewachsen in diesen fünfundzwanzig Jahren, da er ja nie was auszugeben brauchte, denn all seine Bedürfnisse und was immer er für deren Erfüllung brauchte, wurde vom Teufel bezahlt, und mehr als ein Haus und Nahrung benötigte er nicht. Dieses gigantische Vermögen, das einer halben Milliarde terranischer Galax entsprach, machte ihn zu einem der wohlhabendsten Menschen im ganzen Taurus-Sektor, wo immer er auch damit hingehen würde.
Andreas Teufel für seinen Teil bestand darauf, dass Makkus die Villa wieder hergab und das Höllensystem verließ, und zwar gleich nachdem der Vertrag zwischen ihnen ausgelaufen war. Als dies dann tatsächlich geschah und der verbrannte Mann seine Taschen gepackt und er defacto bereits kein Kommando mehr innehatte, erreichte ihn eine besondere Nachricht. Danach war Simmers, der Admiral, der ihn damals als Erster im Enders-System verraten und zum Sterben zurückgelassen hatte und den er auch nach der Eroberung des Hausir-Systems nicht zu fassen kriegen konnte, auf viele Jahre untergetaucht. Nun aber hatte ihn jemand wiedererkannt und die Information an Andreas Teufel verkauft.

Makkus stand natürlich sofort vor dessen Büro, denn den letzten seiner Sargnägel wollte er auch noch erwischen. Andreas war dem nicht abgeneigt, und obwohl sein rußiger Bruder schon abgemustert war, gab er ihm noch ein letztes Mal die BEELZEBUB, um Jagd auf den Admiral zu machen.
"Er ist unter die Piraten gegangen. Vermutet habe ich das schon lange, nachdem er nirgends im Hausir-Pakt aufzufinden gewesen war, und seine übliche Handschrift habe ich in manchem Angriff wiederfinden können. Ich konnte es nur nie richtig festmachen", sagte Andreas. "Nun aber hat er ein ziviles Schiff der Landau-Monarchie überfallen und entern lassen. Dabei nahm er alle Menschen an Bord als Geiseln. Einige konnten schon ausgelöst werden, und wie es der Zufall so will, war einer von ihnen vor seinem Ruhestand ein kleiner Beamter in der Flottenzentrale des Hausir-Pakts und kannte den Admiral, der Admiral aber ihn nicht. Kaum aber dass der Mann in Sicherheit war, hat er uns kontaktiert, denn er hatte Simmers auch verkleidet eindeutig identifiziert. Was an der Sache noch wichtig ist, bei seinem Angriff fiel ihm Gry-Joune in die Hände, die jüngste Tochter des Königs. Natürlich sind alle Geiseln wichtig, und du musst sie mir lebend bringen. Aber es ist nicht verkehrt, wenn du auf Gry-Joune mehr achtest als auf die anderen, vor allem weil Simmers gar nicht weiß, wen er da in Händen hat, denn die Gute hat sich ebenso verkleidet wie der Admiral es getan hat."
"Und wo finde ich ihn und die Prinzessin?"
Der Teufel lachte, beugte sich vor und stützte sich dabei auf seinem Schreibtisch auf. "Das, mein rußiger Bruder, musst du selbst herausfinden, ebenso wie du herausfinden musst, wie du meinen Auftrag erfüllst und die Passagiere befreist und dennoch deine Rache bekommst. Aber ich gebe dir einen Hinweis, den ich für eine halbe ISMWE erkaufen konnte: Simmers erwartet einen Unterhändler für die weiteren Lösegeldforderungen im Hammat-System."
Makkus grinste von einem Ohr bis zum anderen, was bei seinem verbrannten Gesicht nicht gerade ein Anblick der Ästhetik war. "Na, dann gehe ich doch mal des Teufels Arbeit machen."
***
Vier Tage später hatte die BEELZEBUB das Hammat-System erreicht. Hammat war eine allein stehende Sonne, ein Irrläufer, der entgegen der Flugrichtung der anderen Sonnen im Halo um die Milchstraße kreiste. Vermutungen von Astronomen lauteten, ein später kollabiertes wanderndes Schwarzes Loch könnte die Sonne aus ihren Geburtspulk gerissen haben, was durchaus plausibel erschien. Aber das war nicht für Makkus' Mission interessant und bedurfte keiner Klärung. Er war hier für den Unterhändler.
Hammat hatte nur einen Planeten, Hammatir genannt, ein gewaltiger Gasriese, der nur knapp unter der Schwelle stand, sich zu entzünden und ein sogenannter Brauner Zwergstern zu werden. Ihn umkreisten ein paar hundert Gesteinsbrocken verschiedenster Größe, aber neun von ihnen hatten genug Masse, um eine Kugelform auszubilden. Der größte von ihnen, Hammatiran, besaß sogar eine eigene Atmosphäre aus Methan und Stickstoff. Auf dieser Welt gab es einige überkuppelte Siedlungen, die von den verschiedensten Interessengruppen errichtet worden waren, denn Hammat war ein relativ beliebtes Transit-System, und viele Händler flogen nur bis hier, um ihre Waren zu verkaufen, während andere nur bis hier flogen, um ihre Waren einzukaufen. Deshalb war auch der Unterhändler hier zu finden, denn auch Informationen waren Waren.
Das Habitat, das die BEELZEBUB zum Ziel hatte, war von, nein, nicht Piraten, aber Freibeutern errichtet worden, die mit regulären Kaperbriefen ausgestattet waren, und damit ein sicherer Hafen für jedermann, der Anonymität schätzte und das Geld hatte, dafür zu bezahlen.
Die BEELZEBUB fiel natürlich erheblich auf in einem System, in dem das kampfstärkste Schiff eine vierhundert Jahre alte Fregatte war, und das sonst nur Frachter sah. Dementsprechend wurde seinem Schiff Vorrang zugeteilt. Makkus bekam vor allen anderen einen Parkorbit über der Kuppel, Landeerlaubnis für seine Fähre an einem prominenten Landeplatz direkt neben einer Kuppelschleuse, und wurde gegen die übliche Bestellung mit seinen Begleitern beschleunigt in das geschützte Gebiet gelassen.
Innerhalb der Kuppel fand Makkus den Unterhändler relativ schnell. Er war ein Informationsmakler, der mit jedem arbeitete und alles zu Geld machte, wenn sein Ertrag nur stimmte. Und es kostete den rußigen Bruder des Teufels eine Neuntel ISMWE, um die Information zu bekommen, die er nun brauchte, anstatt mit dem Makler als Vermittler drauf zu warten, von den Entführern kontaktiert zu werden.
Er war nicht besonders überrascht, als der Makler ihm verriet, wo sich Simmers versteckt hielt, nämlich in einer Raumstation innerhalb der Atmosphäre des Gigantplaneten, künstlich stabilisiert in einer Umlaufbahn über dem Planetenkern in einer Höhe, in der Hammatir etwa einfache Erdschwere ausübte. Man konnte diese Station nur finden und erreichen, wenn sie ein Peilsignal aussandte, und damit war sie so gut wie unangreifbar. Aber "so gut wie unangreifbar" war nicht "unangreifbar", und der Informationsmakler legte die Gratisinformation obendrauf, dass sein Ziel auf der Höhe des Äquators den Gasplaneten orbitierte. Wie tief in der Atmosphäre das Gebilde steckte, war nur eine kurze Berechnung, denn jeder Raumkadett konnte die größte Schwerkraft des Gasriesen berechnen, und wie sehr sie in welcher Höhe abnahm. Das Ergebnis: Die Station umkreiste den Planeten auf der Äquatorbahn in eintausend Kilometer Tiefe.

Also zog Makkus die BEELZEBUB über den Äquator. Und tat das, was er burschikos als "anklopfen" bezeichnete. Er jagte über mehrere Stunden hinweg Raketen in den Gasriesen hinein, die in einer Tiefe von achthundert Kilometern detonierten. Nicht so tief, dass sie die Station gefährden konnten, aber nahe genug dran, dass das Bombardement bemerkt wurde. Natürlich war der Planet viel zu groß, um mit einem zufälligen Bombardement eine Stelle zu beschießen, die in der Nähe der Station lag. Die BEELZEBUB hätte tausende Raketen und mehrere Jahre gebraucht, um den ganzen Äquator damit zu belegen. Deshalb hatte Makkus noch ein paar kleinere Beträge ausgegeben, kaum dass er wusste, wo sich Simmers versteckt hielt, um die Protokolle von Ortungssystemen zu bekommen, die Hammatir permanent beobachteten. Diese zeigten relativ schnell, wie Schiffe aus der Atmosphäre des Gasriesen kamen oder in sie hineinflogen. Also bezog die BEELZEBUB Stellung über jenem Bereich, an dem das letzte Mal ein einfliegendes Schiff bemerkt worden war. Und so dauerte es nicht lange, bis die Hyperbarke einen Kontaktversuch meldete. Es war die Station, die sie suchten. Und gegen ein stattliches Trinkgeld wurde es einem Beiboot der BEELZEBUB gestattet, zu ihr hinabzutauchen. Und zwar Makkus Rohlfs und neun seiner Leute, und keinem mehr.
Makkus nahm an, suchte sich seine Leute aus, überprüfte seine Bewaffnung und tauchte mit seinem Einsatzkommando in die Gasatmosphäre ab. Ein Leitstrahl kam und führte sie sicher in die Tiefe, und tatsächlich fanden sie in knapp eintausend Kilometern die gesuchte Station.
Ihnen wurde erlaubt, anzudocken und das versprochene Trinkgeld zu entrichten.

Als er den Hangar betrat, in dem sein Shuttle hatte andocken dürfen, tat er dies nur mit einem Handlaser bewaffnet. Drei seiner Leute begleiteten ihn, es gab keine Gefechtsrüstung, nur Handfeuerwaffen.
"Mein Name ist Makkus Rohlfs", sagte er zum vordersten Freibeuter, den er für den Anführer hielt. Natürlich, Simmers war es nicht. Man musste ja auch mal Pech haben. "Ich sage euch jetzt zwei wichtige Dinge. Erstens, ich bin zum Verhandeln hier. Zweitens, wenn ich hier unten sterbe, wird mein Schiff wieder feuern, aber diesmal auf die Position, von der unser letztes Funksignal kam. Ist das allen klar?"
Die bisherige Demonstration hatte durchaus ausgereicht, die Piraten um ihr sicheres Versteck bangen zu lassen, und das selbstsichere Auftreten des Mannes, der überall, wo man über ihn sprach, nur "des Teufels rußigen Bruder" genannt wurde, war ebenfalls beeindruckend.
"Ach, und bevor jemand mit dem Gedanken spielt, mich gefangen zu nehmen und damit meine Leute zu erpressen." Er legte eine Hand auf seine Seitenwaffe. "Derjenige muss schon sehr schnell und sehr tapfer sein. Aber selbst, wenn er oder sie es schafft, meine Leute kennen jetzt die Position dieser Station und haben kein Problem damit sie zu bombardieren, bis ich wieder freikomme, oder noch länger."
Der vorderste Freibeuter schluckte hart, bevor er sich wieder im Griff hatte. "Völlig klar. Wenn wir vielleicht erst mal die Andockgebühr regeln könnten?"
Einer von Makkus' Leuten trat vor und bezahlte eine Zehntel ISMWE, wahrlich eine Summe, für die terranische Großmütter Jahrzehnte stricken mussten.

"Ist das damit geklärt?"
"Es ist geklärt, rußiger Bruder. Was können wir noch für dich tun?"
"Ich interessiere mich für die Gefangenen vom Zivilschiff aus der Landau-Monarchie."
Sein Gegenüber lächelte jovial. "Da bist du hier falsch. Wir wissen nichts von Gefangenen aus der Landau-Monarchie."
"Schade. Ich wäre bereit gewesen, für alle Frauen von diesem Schiff achttausend Interstellare Mega-Währungseinheiten zu bezahlen." Er hielt einen Chip hoch. "Von einem nicht verfolgbaren Barchip."
"Sagtest du Landau-Monarchie? Ich habe dich vorhin falsch verstanden. Natürlich haben wir Besatzung und Passagiere hier unten als unsere wertgeschätzten Gäste. Allerdings ist der Preis für sie etwas höher, sagen wir bei zehntausend ISMWE", sagte sein Gegenüber, ohne mit der Wimper zu zucken.
"Meinetwegen. Aber dafür erhalte ich die Erlaubnis, mit weiteren Beibooten anzudocken und die Frauen im Pendelverkehr zu meinem Schiff zu bringen. Und nicht nur die vom überfallenen Zivilschiff, sondern alle Frauen, die ihr gefangen haltet."
Ein erfreutes Raunen ging durch die Piraten, denn dies war eine Summe, mit der man einen kleinen Mond kaufen konnte. Nicht in bester Lage, und garantiert nicht mit Sauerstoffatmosphäre, aber doch einen kleinen Mond.
"Zahlbar sofort", sagte der Vorderste.
"Halt, wir sind noch nicht fertig. Die gleiche Summe biete ich für die Männer. Und alle anderen Gefangenen, die hier unten darauf warten, für Lösegeld freizukommen. Ach, und vergessen wir nicht all jene, die hier unten versauern, weil niemand für sie Lösegeld bezahlt. Ich nehme sie alle mit."
Seinem Gegenüber entglitt ein wildes Grinsen. Er glaubte, Makkus hätte es von vorneherein auf die Männer abgesehen, beziehungsweise einen bestimmten von ihnen. Um den Preis in die Höhe zu treiben, würde er einen seiner Leute aus dem Hangar schicken, um den anderen Piraten zu befehlen, noch einmal die Identitäten der Männer zu checken, besonders aber der Neutren und jener Gefangenen, für die bisher kein Lösegeld bezahlt wurde. Tatsächlich flüsterte er kurz mit einer Begleiterin, die daraufhin wortlos den Hangar verließ.
"Einen Augenblick. Ich lasse feststellen, um wie viele es sich handelt, inklusive jener, für die kein Lösegeld bezahlt wurde, und die jetzt ihre Verköstigung als Fronleister abarbeiten. Es kann sein, dass es teurer als Zehntausend wird."
"Dann lass die Frauen schon mal bringen und weitere meiner Fähren andocken, damit ich sie auf mein Schiff schaffen kann. Ich habe vor, die Männer so schnell wie möglich von dieser Station zu fliegen, dann ist es gut, wenn nicht zu viele auf einen Transfer warten."
"Natürlich, natürlich. Wenn du das bitte bezahlen würdest..."
Makkus trat vor, hob den Chip, und als sein Gegenüber einen Leser gegenhalten wollte, griff er mit dem anderen Arm zu und umklammerte dessen Handgelenk. "Es sind alle Frauen enthalten, für die kein Lösegeld bezahlt wurde, und alle, die die Station verlassen wollen. Bei dem Preis ist das ein Witz. Und denke nicht dran, mich zu betrügen. Ich habe deine Station einmal gefunden und werde sie auch ein zweites Mal finden. Die Frauen werden wissen, wen sie hier schon mal gesehen haben und welchen Status sie besitzen. Sie werden mir sagen, ob jemand fehlt. Du willst sicher nicht, dass ich mit einer Flotte von Andreas Teufel wiederkommen muss."
"Ich habe das schon beim ersten Mal verstanden. Und bei deiner Großzügigkeit sehe ich keinen Grund, dich zu hintergehen. Aber verhandeln dürfen wir doch."
Makkus ließ den Arm los und hielt den Chip an den Leser. "Zehntausend ISMWE, wie abgesprochen." Es machte Klick, und das riesige Vermögen war legales Eigentum der Piraten. Diese tauschten sehr erfreute Blicke aus, und dies ließ Makkus nach innen schmunzeln. Wenn er es schaffte, die Frauen in den Orbit zu kriegen, hatte er gewonnen. Zumindest zum Teil.

Als die ersten Frauen herbeigeschafft wurden, war unter ihnen Stephane Well, die Kapitänin der CARTY, des zivilen Schiffs aus der Landau-Monarchie. Ihr erster Weg führte sie direkt zu Makkus, aber wie abgesprochen trat einer seiner Leute vor, fing sie ab und brachte sie mit sanfter Gewalt in eine Ecke auf "seiner" Seite des Hangars. "Admiral Rohlfs hat zu tun. Richten Sie alles, was Sie ihm sagen wollen, an mich", sagte der Offizier. Dazu zog er sie noch weiter in die Ecke und begann einen lauten Monolog über die Verhaltensweisen und dass die Sache erst beendet war, wenn auch die Männer gerettet waren, und dass die Kapitänin sicherstellen sollte, dass alle Frauen, die unfreiwillig auf der Station waren, diese nun auch mit ihnen verlassen konnten.
Makkus derweil vermied es, aktiv nach der Prinzessin zu suchen. Die anderen beiden Leute seines Vorauskommandos wehrten weitere Frauen ab und schickten sie auch in die Ecke mit dem lautstarken Hinweis, der Admiral könne jetzt nicht abgelenkt werden. Makkus fiel dabei eine Offizierin auf, die sich aufdringlich unaufdringlich zu ihm vorarbeitete.
"Veni", sagte er dem Mann, der die Kapitänin bearbeitete. "Bring die Störenfriede in die Fähre. Wir brauchen hier einen klaren Kopf." Er sah seinen Verhandlungspartner an. "Wir hätten mit den Männern anfangen sollen. Weniger hysterisch."
"Tun Sie, was immer Sie wollen. Sie haben bereits bezahlt, rußiger Bruder. Wir sind selbst froh, diese Kapitänin wieder los zu sein. Auch einige ihrer Offiziere sind... anstrengend."
"Gut. Veni, vergiss nicht, dass die Frauen darauf achten sollen, ob sie vollzählig sind. Wenn unsere Fähre voll ist, sollen sie Gruppen bilden, sodass wir sie mit drei weiteren Fähren auf einen Schlag rausbringen können."
"Jawohl, Admiral."
Derweil hatte die eine Frau in Offiziersuniform ihn erreicht. Makkus sah sie wütend an, als diese fast vor ihm stand. Sein Blick war hart, und seine Augen rollten leicht. Was immer die junge Offizierin hatte sagen wollen, sie behielt es für sich, murmelte ein vages, halblautes Dankeschön und betrat mit den anderen Geschlechtsgenossinnen das Shuttle.
"Wenn ich jetzt um einen Peilstrahl für die anderen Fähren bitten dürfte", sagte Makkus, während sich mehr und mehr Frauen einfanden, einige mit ihren Kindern und mit erschreckend vielen Mädchen.
"Natürlich kriegen Sie den Peilstrahl. Sie haben teuer bezahlt."
Er deutete auf die Neuankömmlinge. "Habt ihr sie..."
"Vergewaltigt? Misshandelt? Sie haben für ihren Lebensunterhalt gearbeitet, wenn sie ihn nicht bezahlen konnten. Aber keine musste etwas tun, was gegen ihren Willen war."
"Das ist ein dehnbarer Begriff."
"Und doch muss er ihnen reichen, Admiral. Keiner Frau, keinem Mädchen, keinem Kind wurde geschadet. Sie sind unsere Ware, und wir pflegen unsere Ware. Waren sie nicht unsere Ware, waren sie unsere Produkte, und wir pflegen unsere Produkte."
"Das rechne ich euch als Punkt an. Zum Positiven." Nichtsdestotrotz würde er die Frauen und Mädchen ausführlich befragen lassen. Nur um sicherzugehen.
Als die letzte Frau den Hangar betrat, flog gerade sein eigenes Shuttle ab, um Platz für eines der drei zusätzlichen Beiboote zu schaffen, die den Pendeltransport aufnehmen würden. Damit war die Prinzessin in Sicherheit, wenn er die richtige Frau an Bord hatte schaffen lassen. Das bedeutete, der Auftrag war erledigt, aber noch lange nicht seine Herzensarbeit.
Er ließ durchzählen, und am Ende kam heraus, dass drei junge Mädchen fehlten. Makkus bestand auf sie, und nach einer Menge Ärger, die sein Verhandlungspartner auf seine eigenen Leute niedergehen ließ, wurden sie schließlich auch noch gebracht.
"Ich hoffe, bei den Männern und den Neutren haben wir nicht so viele Probleme", sagte er.
"Wenn der Preis stimmt, sicher nicht", sagte sein jovialer Gegenüber.
Schließlich war das letzte Shuttle gestartet und alle Mädchen und Frauen in relativer Sicherheit, zumindest auf dem Weg zur BEELZEBUB.
"Dann lasst uns über die Männer reden."
"Naturgemäß haben wir mehr von ihnen", begann sein Verhandlungspartner.
"Ich nehme sie alle. Inklusive der Neutren, wie ich schon sagte."
"Du bestehst auf die Neutren?"
"Ich bestehe auf die Neutren. Ich bestehe auf jeden, der diese Station verlassen will. Ich zahle zwölftausend ISMWE."
"Achtzehn." "Dreizehn." "Siebzehn." "Vierzehn." "Sechzehn."
Makkus hob seinen Chip. "Fünfzehn, und keinen einzigen Galax mehr."
"Einverstanden."

Der Strom an Männern und Neutren war größer und dauerte länger. Auch ihnen gab Makkus die Aufgabe, festzustellen, ob jemand fehlte. Tatsächlich wurden achtzehn Neutren aus dem Volk der Josobaren zurückgehalten.
Während die Beiboote die ersten Männer zur BEELZEBUB schafften, erörterte er das Thema mit seinem Gegenüber. "Bis hier verlief unsere Verhandlung absolut nach den Regeln, und abgesehen von deinen horrenden Preisen kann ich mich über nichts beschweren. Warum jetzt der Ärger mit den Josobaren?"
"Die anderen Kommandanten vermuten, dass ein hochrangiger Adliger unter ihnen ist. Sie wollen über sie extra verhandeln."
"Den Preis hochtreiben, wie? Wir haben über sie verhandelt." Die beiden Männer tauschten eisige Blicke aus. "Ist deine Zusage nichts wert?"
Das erzürnte sein Gegenüber, aber nicht über ihn, sondern über seine Kommandanten. "Einen Moment, rußiger Bruder."
Er sprach leise mit einem anderen Begleiter. Der verließ den Hangar, und nach ein paar Minuten gab es ein paar Explosionen. Als er wiederkam, führte er einen Trupp Soldaten an, welche die Josobaren brachten. "Ich habe die Lage kurz klären lassen", sagte sein Gegenüber jovial wie sonst auch. "Ich bin jetzt in der Lage, meinen Teil des Handels einzuhalten."
"Gut." Makkus hob wieder den Chip, der Andere den Leser, dann gingen weitere fünfzehntausend ISMWE auf ihn über. "Um dich zu beruhigen, ich halte mein Wort ebenfalls, weil ich nicht betrogen wurde. Ich schaffe die restlichen Gefangenen an Bord und lasse diesen Schlupfwinkel unbehelligt. Ich nehme an, dass ihr ihn eh aufgebt, denn die Summe, die ich dir gezahlt habe, reicht aus, dass ihr allesamt in einen sehr luxuriösen Ruhestand gehen könnt. Und ich habe dir gesagt, dass ich mit euch keinen Streit habe." "Ja, das haben Sie, rußiger Bruder."

Makkus zog seinen Strahler, hob ihn und schoss, ohne sein Ziel anzusehen, auf einen Mann, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, ins Bein. Als der überrascht zu Boden ging, sah der Admiral ihn das erste Mal an. "Aber mit dir habe ich Streit, Simmers. Du hast mich in Enders verraten. Ich vergesse und vergebe nicht. Du hattest mich. Jetzt habe ich dich." Er drückte erneut ab und jagte Admiral Simmers einen Treffer genau zwischen die Augen. Was definitiv tödlich war. Mit grimmiger Zufriedenheit steckte er seine Waffe wieder fort. Das war der dritte Verrat und der dritte Verräter. "Ich hoffe, das ist jetzt kein Problem."
"Nein, kein Problem. Um den hätte ich mich als nächsten kümmern müssen. Sie haben mir also einen Gefallen getan, rußiger Bruder."
Makkus reichte dem Anderen die Hand. "Besiegeln wir es."
Der Unterhändler reichte ihm die Rechte, und mit einem kräftigen Händedruck wurde die Vereinbarung ein für alle Mal abgeschlossen.
Kurz darauf verließ er mit den letzten Gefangenen im letzten Shuttle die Station. Und nein, er ließ sie nicht bombardieren. Er hatte alles erledigt, was er dort hatte erledigen wollen und kehrte in einem Stück zurück, und keiner der Befreiten hatte einen schwerwiegenden Vorwurf vorzubringen. Makkus war jetzt zwar arm, aber in einem Stück.



5.
Kaum hatte die BEELZEBUB den Sprung aus dem System Hammat gemacht, wurde Makkus Besuch angekündigt. Es war Stephane Well, die Kapitänin des gekaperten Zivilschiffs CARTY. "Admiral Rohlfs, ich wollte mich im Namen der Mannschaft und der Passagiere bedanken, dass..."
"Es braucht keinen Dank", sagte Makkus. "Mein eigentliches Ziel war es, Admiral Simmers zu erwischen, und das habe ich." Er sah zur jungen Begleiterin herüber, die noch immer die Offizierskleidung eines zivilen Lieutenants trug. "Auch ihre Rettung, Prinzessin Gry-Joune, war eher, nennen wir es Nebeneffekt."
Die junge Frau sah den vernarbten Mann eine Zeitlang stumm an. "Sie haben fünfundzwanzigtausend ISMWE ausgegeben, nur um einen alten Feind töten zu können?"
Das amüsierte Makkus. "Natürlich nicht. Es war mein erklärtes Ziel, jeden Einzelnen, der gegen seinen Willen auf der Station festgehalten wurde, da wieder rauszuholen, wenn möglich ohne Kampf, auch wenn es mich meinen letzten Galax kostet. Und natürlich war es mir sehr wichtig, dass ich Sie und die anderen Passagiere so schnell wie möglich aus einer potentiellen Gefahrensituation schaffen konnte. Ich mochte es auf Simmers als Ziel abgesehen haben, aber ich habe niemals meinen Grundsatz aufgegeben, jeden zu beschützen, wenn ich es kann und wenn er oder sie oder es den Schutz verdient hat. Der leichteste Weg, dies zu erreichen, war diesmal Geld gewesen. Also habe ich Geld benutzt."
"Eine Menge Geld. Ein riesiges Vermögen an Geld", sagte Well.
"Und dennoch ist es nur Geld. Ein Leben ist ungleich kostbarer, finde ich. Besonders ein Leben, wie Ihres, Gry-Joune. Sie haben die Gelegenheit, sehr viele Leben zu beeinflussen, und nach ihrem eigenen Entschluss ist dieser Einfluss bisher sehr positiv ausgefallen und kann es auch weiterhin, soweit ich informiert bin." Er räusperte sich. "Ich habe mich über Euch erkundigt, Hoheit."
"Ich... verstehe, Admiral", sagte die junge Frau.
"Was uns gleich zu einer weiteren Herzensangelegenheit bringt. Wir haben achthundert Frauen, Mädchen und Kinder gerettet und etwas über eintausenddreihundert Männer sowie dreihundertelf Neutren. Viele von ihnen haben eine Heimat, ein Zuhause. Andreas Teufel wird ihnen ermöglichen, über kurz oder lang, mit eigenen oder seinen Mitteln zu diesem Zuhause zu reisen, so wie er den Menschen aus Landau eine Heimreise ermöglichen wird. Aber es gibt einige unter ihnen, die keine Heimat mehr haben, und zwar die Station hatten verlassen wollen, aber jetzt nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Einige von ihnen haben mein Angebot, im Höllensystem neu anzufangen und unter Andreas Teufel zu dienen, angenommen. Andere haben das nicht. Prinzessin, wollen Sie mir versprechen, dass Sie sich um diese Leute kümmern und ihnen in Landau ein neues Leben ermöglichen?"
"Wenn meine Titel, mein Rang, mein Name, meine Reputation, wenn all das, wofür ich stehe, nicht mehr genug wert ist, um diesen Wunsch nicht erfüllen zu können, dann bin ich nichts wert. Ich verspreche ihnen, Makkus Rohlfs, dass ich diesen Wesen, egal welches Geschlecht sie haben, egal welchem Volk sie entstammen, eine Heimat geben werde. Und ich verspreche noch mehr. Selbstlos haben Sie ein Vermögen geopfert, Admiral, nur um uns zu retten. Ich verspreche ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, damit die Landau-Monarchie dieses Geld, fünfundzwanzigtausend ISMWE, an Sie zurückzahlen wird. Darauf gebe ich mein Wort, und ich soll in der Hölle schmoren, wenn ich es breche."
"Es ist nur Geld", entgegnete Makkus.
"Und es ist nur mein Wort. Wollen wir schauen, was schwerer wiegt?", fragte sie.
"Das wird jetzt interessant", sagte Makkus. "Gut, ich nehme an. Ich begleite Sie zurück in die Monarchie und erwarte, das Lösegeld von ihnen zurückzubekommen."
Das macht die Prinzessin froh und stolz, und auf eine sehr verquere Art zufrieden, obwohl, es war schon sehr viel Geld. Sie allein, trotz adligem Status, verfügte nicht über eine derart große Summe. Aber wenn ihr Wort etwas galt, sollte ihr Retter sein Vermögen wieder bekommen.
***
Zwei Tage später saß der rußige Bruder dem Teufel gegenüber und berichtete, was geschehen. Auch, was er bezahlt hatte. "Oh, das ist viel. Warte, ich gebe dir einen Bonus, den du dir verdient hast, dann bist du zwar nicht mehr ganz so reich, aber immer noch reich genug."
"Geschenkt", erwiderte Makkus. "Gry-Joune hat mir ihr Wort verpfändet, dass ihr Königreich mir mein Vermögen, das ich für ihre Rettung gezahlt habe, wieder zurückgibt, und ehrlich gesagt bin ich sehr gespannt, ob sie dieses Versprechen einhalten kann."
"Legst du nicht etwas viel Last auf ihr junges Herz?", mahnte Andreas. "Zerbrich es nicht."
"Sie hat mir ihr Wort gegeben, dass sie alles tun wird, was in ihrer Macht steht, mir mein Geld zurückzugeben. Ich habe drauf geachtet, dass sie nicht verspricht, es auf jeden Fall zu tun." Er lachte. "Und ehrlich gesagt bin ich neugierig. Sie scheint eine interessante Person zu sein, die vielleicht nur die richtige Herausforderung braucht, um zu etwas zu wachsen, was der ganze Taurus-Sektor respektieren kann. Ich will in erster Reihe dabei sein."
"Nun gut, wenn du es so siehst. Aber zwei Dinge habe ich da noch", sagte der Teufel.
"Ich bin ganz Ohr."
"Deine Verbrennungen. Du wirst sie behalten." "Damit habe ich gerechnet. Ich bin noch nicht demütig genug, richtig?" "Etwas in der Art. Und das zweite: Wenn in Landau etwas schief geht, kommst du zu mir zurück. Zu mir und deinen Leuten. Hast du gehört? Du wirst hier immer einen sicheren Hafen haben, und in mir immer einen hilfreichen Freund."
"Das weiß ich doch. Daran habe ich nie gezweifelt. Niemals in den letzten fündundzwanzig Jahren habe ich es auch nur einen Tag bereut, mit dir gegangen zu sein, Andreas."
Da lachte dieser. "Du bist wahrlich würdig, des Teufels rußiger Bruder genannt zu werden."
***
Es brauchte zwanzig Tage, die Makkus größtenteils in seinem Haus verbrachte, das er nun aufgeben würde, mit der Prinzessin und einigen ausgewählten Befreiten als seinen persönlichen Gästen, bis der Transport ins Königreich organisiert war. Und es dauerte weitere siebzehn Tage - das Transportschiff hatte eine kleinere Panne und reparierte unterwegs geschlagene acht Tage den eigenen Sprungantrieb - bis das Schiff die Landau-Monarchie erreichte, und auf Hellig, dem Hauptplaneten der Sonne Landau seine Passagiere entladen konnte. Es brauchte eine weitere Stunde, bis Gry-Joune und Makkus in der Rufus Lounge einkehrten, um ein wenig Entspannung zu suchen und ein oder zwei Souvvis zu trinken, denn beide waren mittlerweile gute Freunde geworden. Und es dauerte noch eine Stunde mehr, bis Amir Chan die Lebensgeschichte von Makkus Rohlfs Connor Bannis, seines Zeichens Admiral der Blauen Flagge und hochgeborener Lord, erzählt hatte.
"Und woher weißt du das alles?", fragte dieser schließlich.
"Weil ich einer von denen war, die der rußige Bruder befreit hat. Und weil ich dabei war, als er ohne eine Miene zu verziehen diesen Simmers niedergeschossen hat wie einen tollwütigen Kata. Mein Rat, Lord Bannis, leg dich nicht mit ihm an."
Das erschien Connor ein guter Rat zu sein, denn die Lebensgeschichte dieses Mannes war beeindruckend. Einen direkten Angriff zu führen, das war nicht ratsam, denn die Hand von Andreas Teufel erhob sich schützend über ihn. Aber was sprach dagegen, ihn indirekt anzugreifen?
Die Prinzessin lachte gerade über etwas, was Rohlfs gesagt hatte und drückte ihm einen Kuss auf die rußige rechte Wange, was dieser nicht einmal zu bemerken schien. "Lieber will ich zur Hölle fahren und dem Teufel dienen, als dass ich zulasse, was ich hier vor mir sehe. Das ist ein Schwur."
Und Amir Chan hatte diesen Schwur gehört. Er grinste in sein Glas hinein und bestellte sich ein neues Bier.
***
In den nächsten Tagen wurde Makkus offiziell dem König vorgestellt und seine Heldentat dargelegt. Dabei sprach Gry-Joune auch von ihrem Versprechen, ihm das Lösegeld wieder zurückzugeben, und in den Medien wurde diese riesige Summe kolportiert, aber nicht in Frage gestellt. Allgemein zeichnete sich ein großes Einverständnis in der breiten Gesellschaft ab, und seien wir ehrlich, das war vor allem deshalb, weil die Leute die Prinzessin wiederhatten.
An diesem Punkt aber setzte Lord Bannis sein perfides Spiel an. Bisher war die Landau-Monarchie ein starkes parlamentarisch kontrolliertes Königreich gewesen, mit einem gut aufgestellten Adelsstand und vielfältigen Möglichkeiten, selbst hierin aufzusteigen oder selbigen wieder zu verlieren, wenn man seinen Aufgaben nicht nachkam. Noblesse obliege war das Credo der Adligen. Doch wie alle Demokratien musste auch diese täglich verteidigt werden, und in den Schatten der Gesellschaft hatten Connor Bannis und seine Parteifreunde - sie waren nicht die ersten, bei weitem nicht - die Demokratie gegen sich selbst gewendet und die freie Rede dazu benutzt, um Zweifel zu schaffen, Apologeten und dumme Gefolgsleute zu produzieren, sprich, sich mehr Basis und Macht zu verschaffen. Das Erodieren des Staates war nun schon Jahrhunderte im Gange und hätte sicher noch einige weitere Jahrzehnte gebraucht, um das Ziel zu erreichen, das Bannis und seiner Entourage vorschwebte, nämlich ein Dynastiewechsel hin zum fähigeren, stärkeren und kompromissloseren, weniger zugestehenden und mehr fordernden Haus Bannis. Ja, dafür war es noch zu früh. Aber einzelne Themen, die konnte er sehr gut besetzen und von seinen Leuten, die man auf Terra Sockenpuppen genannt hätte, weil sie ausschauten, als würden sie eigenständig reden und denken, aber nur die Worte und Gedanken ihrer Herren wiederholten, in die Öffentlichkeit, in die Medien schaffen lassen. Dazu kam, dass er in sozialen Netzwerken, im Wust der Zeitungen, Radios und Fernsehsender bereits einen großen, wenngleich nicht zu starken Einfluss hatte gewinnen können und auch im Parlament über willenlose Sockenpuppen verfügte. Für Bannis reichte dies, um den "Ausländer" und seine Heldentat zu zerlegen.

Natürlich war er nicht wegen der Prinzessin im Hammat-System gewesen. Das war eine nebensächliche Entwicklung, und der Beweis war, dass er nicht ein Wort mit ihr gesprochen hatte, bevor sie auf der BEELZEBUB angekommen war.
Klar, großartige Leistung, aber besaß der Mann überhaupt fünfundzwanzigtausend ISMWE? Immerhin war der Mann nur ein Raumsoldat, und noch nicht mal ein besonders wichtiger in der Truppe von Andreas Teufel, der die Taten, die seine Leute angeblich erbrachten, ebenso hochspielte, wie die Personen selbst. Da war doch nur viel Glitter bei, und die astronomischen Summen, die geflossen sein sollten, waren wohl der wilden Phantasie des rußigen Bruders entsprungen, der sich ja nicht mal eine plastchirurgische Behandlung hatte leisten können.
Und war die Prinzessin wirklich befreit worden? Bestand nicht die Möglichkeit, dass das Ganze eine abgekartete Sache war? Hatte vielleicht die Kapitänin die junge Adlige absichtlich den Piraten ausgeliefert, um dieses Schauspiel abzuliefern, letztendlich, letztendlich die sehr beliebte, aber Entschuldigung, wirklich etwas naive Prinzessin zu überzeugen, diese gigantische Summe sei tatsächlich geflossen? Aber in Wirklichkeit war es ein Versuch, um die Landau-Monarchie auszunehmen?
Bei der Diskreditierung von Kapitän Stephane Well und Gry-Joune machte Connor Bannis aber nicht Halt. Er war selbst nicht ganz unvermögend. Außerdem war er korrupt, und hatte schon oft Einfluss auf die Gesetze genommen oder dabei geholfen, um bestimmten Leuten einen Vorteil zu verschaffen, der auf Kosten der Massen ging. Und er hatte eifrig daran gearbeitet, dass es niemand wagte, diese einfachen Wahrheiten anzuprangern. Mehr noch, nach außen als Mäzen und Menschenförderer auftretend hatte er viel dran gearbeitet, selbst als unangreifbar und unkritisierbar angesehen zu werden. So war es ihm ein Leichtes, der Vorsprecher der Kritik zu werden, und eine Menge leicht beeinflussbarer Menschen zu unsinnigen Demonstrationen anzustacheln, die noch zwei, drei Stufen härter vorgingen und Makkus Rohlfs als Dieb, als Pirat, als wüsten Verführer beschimpften, der sie alle in den Untergang treiben würde.
Der nächste Schritt war, einerseits das Parlament unter Druck zu setzen, um ein Gesetzeslesung über die Rückerstattung des Lösegelds hinauszuzögern, denn verhindern konnte er es nicht, weder die drei Lesungen noch den Abschluss des Gesetzes. Aber das war auch gar nicht sein Ziel. Er wollte Rohlfs vertreiben, bevor dieser sein Geld bekam. Deshalb tat er hinter den Kulissen sein Möglichstes, um das private Vermögen von Gry-Joune Marley so gut er konnte abzuwerten, zu binden, ihr Eigentum zu verklagen, damit es nicht liquide gemacht werden konnte, und was ihm noch so einfiel, inklusive einiger Gefallen bei der einen oder anderen Bank, auf denen Gry-Joune beträchtliche Vermögenswerte hatte, damit diese eine Zeitlang nicht ausgezahlt werden konnten. Dazu streute er das Gerücht, die Prinzessin sei pleite, weil Makkus Rohlfs schon begonnen hatte, sie auszunehmen. Was die Proteste der nützlichen Idioten noch einmal anheizte. Und zwar so sehr, dass etwa einen Monat nach seiner Ankunft ein rasender Mob drohte, das Hotel zu stürmen, in dem er untergebracht worden war.
Der Mob hätte es nicht geschafft, die künstlich aufgebrachten Apologeten wären nicht mal bis in die Lobby gekommen. Aber in ihrer eigenen Bubble wäre jede Träne, jeder blaue Fleck, jeder aufgespannte Prallschirm, jede noch so kleine Verletzung ein Beweis der eigenen Unlogik gewesen.

Dies war der Augenblick einer riesengroßen Überraschung, denn wie hingezaubert erschien die BEELZEBUB im Orbit über dem Planeten, unangekündigt, nicht eingewiesen. Das Schiff spie Landungsboote und Infanteristen aus, die einen großen Sektor rund um das Hotel besetzten, die Demonstranten verjagten - ohne Blut und Tränen, plötzlich ging das - und anschließend ihren alten Kommandanten aus dem Gebäude evakuierten.
Während er davonflog, kontaktierte die Prinzessin ihn. "Es tut mir leid, dass ich mein Wort nicht halten konnte", sagte sie mit Tränen in den Augen. "Es ist mir ein Rätsel, warum dich jemand fortjagen will. Es tut mir leid, dass ich dir dein Geld nicht geben kann. Ein Jahr, nein, gib mir nur ein halbes, und..."
"Gry", sagte der rußige Bruder. "Es ist nur Geld. Viel wichtiger für mich ist, dass du in Sicherheit bist. Dass du ein gutes Leben hast."
"Du bist nicht fair", klagte sie.
"Das verstehe ich nicht."
"Ich weiß, dass du das nicht verstehst. So bist du halt, Makkus. Was wirst du jetzt tun?"
Der rußige Bruder grinste, was bei seinen Narben nicht wirklich ein schöner Anblick war. "Fliehen. Zurück zu Andreas. Dafür hat er mir mein Schiff mit meinen Leuten geschickt. Ich werde mich ein wenig länger verdingen und noch ein wenig Geld verdienen. Und wer weiß, vielleicht kann ich anonym zurückkehren und dich noch einmal besuchen. Nur dass ich mich dann aus eigener Kraft schützen kann."
"Wirst du wirklich wieder kommen?", fragte sie. Tränen flossen ihre samtigbraunen Wangen hinab.
Als er dies sah, verfluchte er Bannis, verfluchte er die Demonstranten, verfluchte den ganzen Planeten. Hätten sie ihn nicht schon am ersten Tag vertreiben können? Nun war es zu spät für ihn. Er legte eine Hand auf den Monitor vor sich, der die Prinzessin abbildete. Auch sie legte ihre Hand auf ihren Monitor, sodass es aussah, als berührten sich beide Hände. "Ich komme zurück", versprach er.
"Ich warte auf dich", flüsterte sie.
Als die Verbindung erlosch, pfiff jemand anzüglich, andere lachten in jenem Tonfall, in dem man Leute zu necken pflegte, die sich in Romanzen wiederfanden. Aber die Episode währte nur kurz, denn der rußige Bruder starrte auf den nun dunklen Monitor, noch immer seine Hand daraufgelegt.



6
"Und? Was willst du jetzt tun?", fragte Andreas Teufel.
"Ehrlich gesagt war mein Plan, dass du mich wieder anheuerst, ich noch ein paar Schlachten für dich schlage, ein wenig Geld verdiene, nach Hellig zurückfliege, mit Gry durchbrenne und irgendwo neu anfange."
Der Teufel grinste. "Ich habe da einen besseren Vorschlag. Weißt du eigentlich, dass ich dir zu wenig bezahlt habe? Ich habe dir die meisten Leistungsboni vorenthalten. Das bedeutet, ich schulde dir noch etwa zweitausend ISMWE. Weißt du, was dabei witzig ist? Die Verträge deiner Leute aus dem Hausir-Pakt laufen in diesem Monat aus. Ich habe sie ausgezahlt und ihnen freigestellt, wohin sie sich wenden wollen. Jetzt rate mal, was passiert ist, als deine Ankunft gemeldet wurde, während ich sie fragte?"
Makkus wurde es heiß und kalt zugleich. "Sie wollen mir folgen?"
"Egal, wohin du gehst."
"Ich habe nicht vor, ins Söldnergeschäft einzusteigen", sagte Makkus ablehnend.
"So? Das ist schade, aber unvermeidbar. Ich habe auch mehr an eine andere, sagen wir Position gedacht. Es hat sich herausgestellt, dass die Landau-Monarchie erhebliche innenpolitische Probleme hat. Es sieht so aus, als stünde ein Coup d'Ètat relativ kurz bevor, der eine absolutistische Monarchie zum Ziel hat. Der König braucht dringend zuverlässige Verbündete, viele gute zuverlässige Verbündete. Wir haben ein wenig über die Hyperbarke geredet und sind uns einig geworden, dass er dir ein Angebot macht. Als Ausgleich für die fünfundzwanzigtausend ISMWE, die du so selbstlos bei der Rettung der Prinzessin und der anderen Zivilisten ausgegeben hast, bietet er dir eine spätere Zahlung in Raten an. Außerdem sollst du einen vakanten Adelstitel und das dazugehöre vakante Land bekommen, was mit der Rückzahlung verrechnet wird. Liegt alles ziemlich am Boden, aber mit den Ratenzahlungen und den ISMWE von mir, sowie der Unterstützung und der Vermögen deiner Leute, solltest du in der Lage sein, die Region schnell wieder auf die Füße zu kriegen.
Damit verbunden ist der Titel eines Herzogs und die Einreihung in die Thronfolge der Landau-Monarchie. Zwar nur im zweistelligen, entfernteren Bereich, aber Hey, ich finde, das ist ein sehr gutes Angebot. Vor allem, weil man Makkus Rohlfs angreifen kann, aber Herzog Makkus, Teil des Adels, auf der Erbfolgeliste, Mitglied der Monarchie, bei dem fällt es doch nicht ganz so leicht. Und du hast doch etwas auf Hellig zu erledigen, oder?"

Makkus lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Ich bin erschlagen. Wann hast du das arrangiert? Wie hast du das geschafft?"
Andreas grinste wahrhaft dämonisch. "Ich bin der Teufel, und Intrigen und Hinterhofgeschäfte sind genau mein Ding. Tatsächlich hat die Entführung der Prinzessin einen intensiveren Austausch zwischen mir und dem König angestoßen, und dabei kamen auch ein paar seiner Probleme zur Sprache. Wie schlimm diese aber wirklich sind, wissen wir erst, seit wir mit deiner unfreiwilligen Hilfe auf den Busch geklopft haben, um diese Arbatsen auszutreiben."
"Du hast mich benutzt?", rief Makkus.
"Ist das neu für dich? Und war es jemals zu deinem Schaden?"
"Schon gut, ich wollte nur in meiner Rolle bleiben. Natürlich will ich zurück nach Hellig. Seit ewigen Zeiten habe ich mal einen Grund, einen wirklich guten Grund, um... Nun."
"Okay, dann ist das der Fahrplan. Ich entbinde dich von deinem Versprechen, zum Lernen von Demut die Narben zu tragen. Daher gehst du sofort zum Chirurgen und lässt das da korrigieren. Wir mussten es lange genug ansehen. Es wird Zeit, dass der wirkliche Makkus Rohlfs wieder vor uns steht. Dann schnappst du dir die BEELZEBUB und die 9. Flotte, die ich dir zum Vorzugspreis ausleihe und gehst zurück nach Hellig. Dort wirst du zum Herzog ernannt und hilfst dabei, Land und Leute auf sichere Pfade in die Zukunft zu führen."
"Nanu? Kein Wort zur Prinzessin?"
Irritiert sah Andreas sein Gegenüber an. "Hallo? Liebe ist Privatsache. Da mische ich mich nicht ein. Aber ein guter Rat von mir. Wenn sie nicht will, will sie nicht. Versuche ja nicht, irgendwas zu erzwingen. Das ist eindeutig unter deiner Würde, rußiger Bruder. Obwohl, bei dem, was mir über euch beide berichtet wurde, wirst du da eher keine Probleme haben."
Der unverwüstete Teil von Makkus' Gesicht wurde rot. "Meinst du das wirklich?"
"Was meinst du denn, rußiger Bruder?"
"Ich meine, ich sollte zum Plastchirurgen gehen." Makkus erhob sich und verließ das Büro. In der Tür aber wandte er sich noch mal um. "Danke. Danke für alles, Andreas."
Der Mann lächelte verschmitzt. "Da soll noch mal einer sagen, ein Pakt mit dem Teufel sei schlecht.
Makkus lachte und schloss die Tür. Der Teufel aber rieb sich die Hände. "Alsdann, auf zum großen Finale. Connor Bannis, auf dich wartet ein besonders großer, heißer Kochtopf, in dem ich dich schmoren werde."
***
Exakt fünf Tage später erschien die BEELZEBUB wieder über Hellig, und zwar auf die gleiche Art und Weise, in der sie damals aus dem Nichts aufgetaucht war, als die Besatzung ihren Admiral abgeholt hatte. Allerdings war sie nicht allein, denn fünf weitere Schiffe der Kategorie der Schweren Kreuzer waren ebenfalls im Orbit erschienen. Dazu strebten vom Systemrand etwas mehr als dreißig weitere Schiffe aller Klassen nach Hellig. Eine Flotte des Teufels war eingetroffen.
Per Hyperbarke wurde Andreas Teufel hinzu geschaltet. Er kaufte Sendezeit bei allen großen Stationen des Planeten, und um die Weiterverbreitung im Rest der Monarchie musste er sich bei dem Aufwand sicher nicht kümmern. Er adressierte König Kelz-Monn den Zweiten persönlich und warf ihm ganz offiziell Vertragsbruch vor. "Wir hatten eine Abmachung, verbrieft und gesiegelt, in der festgehalten wurde, dass meiner Organisation, beziehungsweise meinem Vertreter das Lösegeld für die Rettung von Mannschaft und Passagieren der CARTY zurückerstattet werden wird. Dabei war eine Höhe des Lösegelds nie festgelegt worden, denn der Preis, den es eigentlich zu gewinnen gab, Prinzessin Gry-Joune, ist wahrlich fünfundzwanzigtausend Interstellare Mega-Währungseinheiten wert. Das wird hoffentlich niemand bestreiten. Natürlich können wir Abstriche machen, denn sicher will das wohlhabende Landau nicht für die anderen Männer und Frauen bezahlen, die Makkus Rohlfs mit seinen ISMWE gerettet hat. Das wird in Verhandlungen zu klären sein, auch wegen des Schicksals der achtzehn Neutren aus dem Volk der Josobaren, die gerettet wurden, und unter denen sich hochrangige Angehörige Josobs befanden, die anonym auf einer Wallfahrt waren und bereits eine Entlohnung von zehntausend ISMWE für ihre Rettung angeboten haben. Wenigstens die sind nicht geizig. Aber ich verstehe, dass das Volk von Landau Beweise sehen will. Deshalb übergibt die BEELZEBUB sämtliche Daten, die sie bei den Verhandlungen im Hammat-System gezogen hat, inklusive Videoaufnahmen der Beiboote und der Autokameras von Admiral Rohlfs Begleitern, die ein zusammenhängendes Bild ergeben werden."

Die Daten wurden gesendet, und da Andreas Teufel ein schlauer Kerl war, übergab man nicht nur Datenträger an die Regierung, wo sie von Verbündeten des Connor Bannis leicht manipuliert werden oder verschwinden konnten, sondern strahlte die Videoinformationen über seine gekaufte Sendezeit auf den großen Stationen aus und bettete die Rohdaten in den sozialen Netzwerken für jedermann zum Abruf ein. Connor Bannis wurde dabei als Gegner erwähnt, weil Andreas seinen wichtigsten Feind und dessen Netzwerk kannte. Und das vielleicht viel besser als dieser selbst. Noch während der Teufel seine Ansprache hielt, gingen seine Agenten gegen eben dieses Netzwerk vor, und mit ihnen Polizei und Kripo des Planeten, die aufgrund der Verschwörung gegen die Regierung ermittelten. Noch während der überraschte Connor Bannis versuchte, irgendwie einen Gegenschlag vorzubereiten und die Argumentationskette des Teufels zu durchdringen, bildeten sich durch die ersten Verhaftungen erste Löcher in seinem Netzwerk. Dazu erbeuteten die Ermittler Unmengen an Daten, die Verbindungen und die Beteiligungen der verschiedenen Akteure betreffend, und waren diese überhaupt erst einmal wie Quni-Steine gefallen, fielen nach und nach die anderen auch. Selbstredend kippte die öffentliche Stimmung enorm und zugunsten des Admirals. Was auch daran lag, dass die Geldquellen, mit denen Bannis seine dummen Demonstranten zu kaufen pflegte, plötzlich ausgetrocknet waren, und das bis auf den Grund. Am Ende des ersten Tages schon stand der Lord vor dem Ende seiner Ambitionen. Dann begannen die Medien, mit Hilfe zugespielter Daten seine Rolle nicht nur in dieser unrühmlichen Geschichte, sondern in der ganzen Verschwörung aufzudecken. Normalerweise hätte Bannis das zum Anlass genommen, sein Glück mit einem vorzeitigen Militärputsch zu versuchen, um mit Gewalt zu bekommen, was er nicht anders bekam. Aber auch diese seine Vorbereitungen, all seine Beziehungen, waren mit einem Schlag wertlos. Er konnte nur noch dasitzen und abwarten, was passieren würde. Und er wusste, etwas würde passieren, denn eine solch komplette Zerschlagung seiner Ambitionen, seiner Organisation, konnte nur von innen heraus erfolgt sein. Und wer immer dies gewesen war, er würde sich das Sahnehäubchen dieser Aktion nicht entgehen lassen.
***
"MAKKUS!", rief Gry-Joune aufgeregt, als der rußige Bruder direkt nach seiner Landung und einer beunruhigend groß umjubelten Fahrt durch die Menschenmenge der Hauptstadt vor der Audienz mit ihrem Vater auf persönlichen Wunsch zuerst in ihre privaten Gemächer kam.
Wie ein abgeschossener Pfeil stürzte sich Gry-Joune auf den Admiral, fiel ihm um den Hals, drückte ihn an sich, nur um ihn danach mit Küssen zu übersäen.
"Langsam, langsam", lachte er da. "Fällt dir nichts an mir auf, Gry?"
"Wieso? Du hast ein bisschen was machen lassen, ja, das sehe ich", sagte sie, ihn fest umarmend und von ihm umarmt.
"Ein bisschen was machen lassen?" Mit gerunzelter Stirn strich er sich über die stoppeligen schwarzen Haare, die ihm gleich nach der Abschlussoperation gewachsen waren. Und beinahe war er versucht, auch über die neue Haut in seinem Gesicht zu streichen. "Ich bin ein vollkommen anderer Mensch."
"Ach." Gry-Joune entwand sich seinen Armen und trat einen Schritt zurück. Sie schürzte die Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Eins sage ich dir, Makkus Rohlfs. Wärst du ein vollkommen anderer Mensch, dann hätte ich dich im schlimmsten Fall mit einem Tritt in den Arsch wieder aus meinem Arbeitsraum geworfen, oder im besten Fall auf Distanz gehalten, um in Ruhe zu ergründen, ob in diesem hübschen Mann noch was von meinem Makkus steckt. Aber als du zur Tür reingekommen bist, da habe ich sofort gefühlt, dass noch alles zwischen uns da ist, dass du immer noch der gleiche bist, in den ich mich verliebt habe." Sie öffnete die Arme. "Und hier stehe ich und will ganz dein sein."
"Oh. OH! Das trifft sich gut. Denn offiziell läuft zwar noch die Beschwerde vom Teufel gegen die Landau-Monarchie, aber inoffiziell haben wir uns bereits geeinigt. Ich kriege in Raten mein Geld zurück und einen vakanten Herzogstitel mit dem dazu gehörigen Land. Soll aber in einem miesen Zustand sein. Du kennst nicht zufällig eine Top-Ökonomin, die mir ein wenig zur Hand geht, das Land wieder auf die Beine zu stellen und es zu einer Unterstützung der Krone zu machen?"
"Was ist mit dem Lord of House Rouge? Guck nicht so erstaunt. Ich war vor allem auf der CARTY, um mich ihm und seinen extrem hochtrabenden Ambitionen eine Zeitlang zu entziehen. Zum Glück wusste er nicht, dass ich mich als Bordoffizierin getarnt habe. Aber meinen Flug verraten hat er garantiert."
"So ein Halunke, ein Schuft."
"Und Widerling. Weißt du, was er vorhat? Die Monarchie stürzen, mich zwangsheiraten und als Alibi benutzen, dass es doch irgendwie seine Richtigkeit hat."
"Wie krank und schrecklich." "Aber ich denke, du kannst da was gegen tun, jetzt wo du Herzog werden sollst. Du bist dann ranghoch genug in unserem Adel, um dich mit mir unschuldiger Prinzessin zu verloben und mich zu beschützen. Das ist auch für dich ein guter Handel, denn ich bin nicht einfach ein verwöhntes Prinzesschen, sondern eine Top-Ökonomin. Die du zufällig gerade brauchst."
"Dann ist das doch abgemacht", sagte Makkus grinsend. "Ich glaube, über diesen Teil müssen wir gar nicht so lange verhandeln, denn zurückgekommen bin ich nur wegen dir, Gry."
"Ach, gib dir keine Mühe. Ich liebe dich doch schon", sagte sie. "Was aber ist mit Connor?"
"Oh, glaub mir, das wird kein Problem mehr sein. Er hat Andreas angepisst, und wer sich mit dem Teufel anlegt, der bekommt das Feuer der Hölle zu spüren." Er rieb sich unbewusst unter dem rechten Auge. "Keiner weiß das besser zu sagen als ich. Also, um es kurz zu machen, Der Lord of House Rouge wird nicht mehr lange unser Problem sein."

"So viele gute Nachrichten auf einen Schlag." Die Prinzessin trat wieder an den Admiral heran. Mit der Rechten strich sie über seine Stoppelhaare. "Wie lang willst du die eigentlich wachsen lassen? Militärisch, oder schulterlang? Irgendwas dazwischen, oder so richtig lang? Ich kenne da ein paar gute Friseurläden mit Haarwachstumsstimulatoren auf dem neuesten Stand der Technik."
"Wieso? Willst du mir bei langen Haaren Tipps geben? Du kennst dich da ja aus."
"Ein klein wenig. Lange Haare wie die meinen bedürfen einer Menge Pflege. Und ich denke, etwas länger als schulterlang könnte dir stehen. Allerdings, dann wirst du vielleicht zu hübsch, und ich werde nur unnötig eifersüchtig. Bleiben wir doch beim Kurzhaarschnitt."
"Und wenn ich hübsch für dich sein will?"
Die Prinzessin lächelte und senkte ihre Lippen auf die des ehemaligen rußigen Bruders. "Du weißt doch, ich bin dir bereits verfallen. Es ist unnötig, den Effekt verstärken zu wollen." Dann küsste sie ihn, und er erwiderte den Kuss. Es fühlte sich richtig an.




Epilog:
Amir Chan betrat das Allerheiligste, das Büro von Connor Bannis. Der sah auf, erkannte den Verbündeten der letzten Wochen und winkte ab. "Wenn du mich auch töten willst, stell dich hinten an. Ich fürchte, die Leute werden sich bald hier drängeln. Vielleicht solltest du Eintritt nehmen. Es wird sich lohnen."
"Vielleicht wird sich das, was ich dir zu sagen habe, auch lohnen."
Mit einem Hauch von Interesse tauchte Bannis aus seinem Selbstmitleid auf. "So? Was hast du denn zu sagen, Colonel?"
"Oh, eigentlich nicht ich, sondern mein Herr möchte ein paar Worte an dich richten." Der stämmige Soldat grinste und deutete auf eine Spange, die er um den Hals trug. "Dies ist eine Besessenenspange. Sie erlaubt es meinem Herrn, in meinen Körper zu fahren und Besitz von ihm zu ergreifen. Es wird so sein, als würdest du Auge in Auge mit ihm sprechen, so als wäre er tatsächlich hier."
"Besessenenspange? Was soll der Mist? Es gibt keine Technologie, die das bewerkstelligen kann. Ich..."
Chan aktivierte die Spange. Er verschwand. Nein, es war kein Verschwinden. Er wurde vielmehr überdeckt. Vom Abbild eines großen Mannes mit brandroten Haaren, die ihm lang und voluminös über die Schultern fielen.
"Andreas Teufel", ächzte Connor.
"Eben der. Du hast mich herausgefordert, und jetzt zahlst du den Preis." Ein diabolisches Grinsen ging über sein Gesicht. "Du hast es gewagt, meinen Bruder zu attackieren. Dafür musstest du tief in die Trickkiste greifen, viele Kontakte benutzen. Mein Mann vor Ort, Amir Chan, hat vieles davon mitbekommen. Das meiste wusste ich schon, der König hat mir eine Menge Daten zur Verfügung gestellt. Aber erst jetzt kenne ich das ganze Ausmaß deiner Intrige, Connor Bannis.
Ich habe mir erlaubt, alles offenzulegen, deine Gelder zu stehlen und die Beweise zur Verfügung zu stellen, die dich des Hochverrats und noch einiger anderer Verbrechen anklagen werden. Unter anderem Auslieferung ihrer Hoheit Gry-Joune von Marley an Piraten. Außerdem war es mir ein wahres Vergnügen, die Finanzen des House Rouge aufzudröseln und die ganzen illegal erworbenen Gelder dem Finanzamt zu melden. Rechne mit einem relativ tiefen Sturz deiner Anverwandten auf, sagen wir, Ramschniveau. Bevor du dir also Sorgen machst um deine Verbündeten, dass sie hier reingestürmt kommen könnten, um dich zu töten, erwarte mal lieber deine eigene Familie. Und was die mit dir macht, wage ich nicht zu denken. Das kommt halt davon, wenn man sich mit Ja-Sagern umgibt, die eigene Familie sortiert und nur die stumpfsinnigen Befehlsempfänger fördert. Du bist im Arsch, Connor. Du stehst bis zum Anschlag der Unterlippe in der Scheiße."
"Das ist es also? Du bist persönlich hergekommen, mit diesem merkwürdigen Kragen, um dabei zuzuschauen, wie ich untergehe? Dann nimm Platz, lehne dich zurück. Lange kann es nicht mehr dauern."
"Nicht ganz. Ich habe dich besiegt. Ich habe dich ruiniert. Ich habe deine Verbündeten und deine Familie gegen dich aufgebracht. Scheint so, als wären Hellig, ja, ganz Landau nicht länger ein guter Ort für dich."
"Wennschon. Es wird nicht für lange so sein."
"Allerdings hast du ein beeindruckendes Netzwerk aufgebaut und gut vorgearbeitet. Hättest du nicht ausgerechnet mich angepisst, hättest du Erfolg haben können. Und eine gut getane Arbeit nötigt selbst dem Teufel Respekt ab. Wie es der Zufall so will, kam mir der Gedanken, wenn du so ein Netzwerk errichten kannst und die Strategien entwickelt hast, es zu tarnen, wirst du doch sicher in der Lage sein, ähnliche Einrichtungen auf anderen Welten aufzuspüren, nicht wahr?"
"Oh, es käme auf einen Versuch an."

"Ich will ehrlich mit dir sein. Ich habe meinen besten Admiral verabschiedet. Er wird mir fehlen. Du allerdings bist kein Ersatz für ihn und kannst es auch niemals sein. Aber du kannst eine andere Lücke füllen, in meinem Geheimdienst. Um eben Analysen anzuführen, die auf anderen Welten, in anderen Reichen jene Strukturen erkennten, die denen ähneln, die du hier aufgebaut hast. Ich will noch mal ehrlich zu dir sein. Das ist ein Job auf Lebenszeit. Du wirst zur Hölle fahren und sie nie wieder verlassen. Aber du wirst einen relativ ruhigen Job haben. Sagen wir, ich biete dir an, Heizer in der Hölle zu sein, und nicht einer von denen, die in den Töpfen schmoren. Was du jetzt tun musst, Connor, ist zu entscheiden, ob du hier im Luxus sterben, oder in der Hölle im Heizraum leben willst, um die Kessel für die anderen kleinen Verbrecher wie dich anzuheizen."
"Normalerweise würde es mein Anstand gebieten, dass ich die Pistole in der Schublade meines Schreibtischs benutze und die Sache selbst kläre. Aber merkwürdigerweise reizt mich diese Aufgabe. Warum also nicht? Umbringen kann ich mich auch später noch."
Andreas machte eine einladende Geste zur Tür. "Dann geh voran und fahr mit dem Teufel in die Hölle."
Connor erhob sich, ließ alles zurück, was er hatte, alles, was er war. "Und das tust du warum?"
"Nun, ich habe die Wahrheit gesagt, als ich sagte, dass ich dich brauchen kann. Aber eigentlich geht es mir darum, dass du gesagt hast: "Lieber will ich zur Hölle fahren und dem Teufel dienen, als dass ich zulasse, was ich hier vor mir sehe." Jetzt hast du die Gelegenheit dazu."
"Du hast es mit Versprechen, oder, Andreas Teufel? Also gut, fahren wir zur Hölle." Bannis ging voran, und Andreas deaktivierte die Besessenenspange wieder. Amir Chan kannte seine Aufgabe und würde dabei helfen, dass Connor zur Hölle fuhr und niemals wiederkam, niemals wieder auf diese Welt losgelassen. Das war die eigentliche Strafe für ihn, und der Teufel hatte vor, ihn das erst sehr spät merken zu lassen. Nachdem dieser Sünder begonnen hatte, dem Teufel zu dienen.
Ende

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