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Zum Ende der Seite springen OT: Mein Gott, meine Göttin 2 Bewertungen - Durchschnitt: 10,002 Bewertungen - Durchschnitt: 10,002 Bewertungen - Durchschnitt: 10,002 Bewertungen - Durchschnitt: 10,002 Bewertungen - Durchschnitt: 10,00
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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Themenstarter Thema begonnen von Ace Kaiser
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Einige Zeit herrschte Schweigen zwischen den beiden.
Ausyl fragte schließlich: „Hast du noch Fragen, junger Gesegneter?“
„Ja, einige wären da noch. Was ist mit dieser Bisal-Gesegneten? Warum hat sie mich attackiert?“
Übergangslos verwandelten sich die Haare des Gottes in Flammen. Sie loderten einen Moment, dann hatte Ausyl sich wieder im Griff. „Die Antwort wird dir nicht gefallen.
Über die Hintergründe kann ich nur spekulieren, aber die Ergebnisse siehst du.
Es sieht ganz so aus, als hätte Kailin die Gelegenheit genutzt, um innerhalb des Feuerclans die Rangstruktur neu zu ordnen. Meine Verbündeten wurden angegriffen, und ich weiß nur von sieben, dass sie entkommen konnten. Das Schicksal meiner Frau und meines einzigen Sohnes ist ungewiss. Aber das ist immer noch besser als zu glauben, dass ihr Fluidum erloschen ist.
Der Schlag kam unvorbereitet, und nur weil ich mich heimlich auf der Unteren Ebene befinde, war er nicht völlig erfolgreich. Obwohl ich durch den Verlust von Inissars Auge in Ungnade gefallen war, stand es nie in Frage, dass ich dereinst durch die Heirat mit Kailins Tochter sein Nachfolger werden würde.
Es scheint so, als hätte der Herr des Feuerclans seine Meinung geändert.
Tja. Und deswegen bin ich jetzt in einem Krieg, junger Gesegneter. Und weil ich dich erwählt habe, ziehe ich dich mit hinein. Denn am Ende dieses Krieges kann nur einer an der Spitze des Feuerclans stehen. Und ich habe Angst, dass nicht ich es bin.“
Arnim grinste freudlos. „Wir Menschen haben ein Sprichwort, mein Gott. Mitgefangen, mitgehangen. Wir beide gehören jetzt zusammen, richtig? Also stehen wir es auch zusammen durch. Hey, das wäre ja einfach, wenn ich nur dein Gesegneter sein könnte, wenn die Zeiten leicht sind.“
Der Gott sah Arnim an. Dann nickte er. „Gut gesagt, junger Gesegneter. Na, dann wollen wir doch mal sehen, ob wir Kailin nicht eine oder zwei Überraschungen bereiten können.“
„Ich bin dabei“, sagte Arnim.

2.
Der Kampfwagen des Feuerclans schwebte nun schon über drei Stunden über Klingburg. Seine bedrohliche Präsenz, ja seine bloße Anwesenheit verdüsterte die Stadt – was nicht zuletzt am gigantischen Schatten lag. Doch noch immer war nichts weiter geschehen. Weder hatte der Herr des Feuerclans erklärt, warum der Kampfwagen auf die Untere Ebene geschafft worden war, noch konnte man die Kirche der Feuergötter zu irgendeiner Auskunft bewegen. Es war ein unheilvoller Schwebezustand, in dem alles möglich schien.
Das Militär jedenfalls reagierte schnell und ließ den Götterwagen und seine Umgebung von schnellen Jets und Kampfhubschraubern patrouillieren. Was diese von Menschen geschaffenen Waffen im Ernstfall gegen den Kampfwagen zu leisten vermochten konnte niemand sagen. Es wollte auch keiner wissen, am allerwenigsten die Piloten der Jets und Hubschrauber.
Zu Beginn der vierten Stunde kam endlich Bewegung ins Geschehen. Der Wagen wurde von Dutzenden Linien überzogen, die hell aufstrahlten. Die roten Linien bildeten komplexe Muster, unter ihnen auch die stilisierte Flamme, das Symbol für den Feuerclan.
Ganz vorne auf dem Bug des Kampfwagen traten vier Götter und sahen auf Klingburg herab.
„Höre mich an, Untere Ebene“, sagte der Älteste der vier. Es klang leise und unspektakulär, aber jene, die sich mit Akustik auskannten, bekamen bei dem Gedanken, den Gott deutlich zu verstehen, einen Riesenschreck. Denn immerhin stand er auf der Oberseite seines Kampfwagens und befand sich somit in gut sechshundert Meter Höhe. Trotzdem hörte man ihn, als stände er einem gegenüber.
„Höre mich an, Klingburg. Ich bin Kailin, der Herr des Feuerclans. In Zeiten der Not bin ich aus der Oberen Ebene herab gestiegen. Dies sind düstere Zeiten. Die Götterwelt ist bedroht. Die Götter selbst sind bedroht. Darum kündige ich hiermit den Vertrag von Hethit!“
Aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen derer, die wussten, wovon Kailin da sprach. Dies waren vor allem die Spezialpolizisten von HELIOS, welche seit dem Auftauchen des Kampfwagens auf strategische Punkte in der Stadt verteilt worden waren.
Den Vertrag von Hethit aufzuheben bedeutete alle Regeln zu verwerfen, welche Menschen und Götter miteinander vereinbart hatten.
Wirklich alle. Von der Struktur der Kirchen über Rechte und Pflichten der Götter bis hin zur Bedeutung der Menschen als gleichberechtigte Partner.
„In zwei Stunden werde ich in das Klingburger Rathaus kommen und meine Entscheidung begründen“, setzte Kailin seine Rede fort. „Die Gefahr, sie ist groß. Wir müssen ihr begegnen, um jeden Preis.“
Abrupt wandte sich der Gott ab, ebenso seine drei Begleiter. Gemeinsam verließen sie den Rand des Kampfwagen und verschwanden.

Marianne stand vor dem beliatienischen Restaurant, in dem Georgio kellnerte und starrte mit brennenden Augen in den Himmel. „Das darf doch nicht wahr sein? Was hat dieser Bastard vor?“
Wütend wandte sie sich ab und betrat das Restaurant. Eine Menge Arbeit kam nun auf sie zu. Sie musste das Rathaus absichern, die Arbeit mit der regulären Polizei koordinieren, das Militär in die Besprechungen mit einbeziehen und mögliche Verbündete suchen. Ob sie über ihren Schatten springen sollte, um mit Theresa Kontakt aufzunehmen? Der Erdclan erschien ihr immer noch der sinnvollste Verbündete.
Als Marianne eintrat, erstarrte sie. Ihr Instinkt warnte sie, und unwillkürlich spannte sie sich an. Gefahr? Langsam sah sie sich um. Und erschrak fürchterlich. Unendlich langsam und vorsichtig langte sie zu ihrer Sonnenbrille und schob sie etwas die Nase herunter, um genau betrachten zu können, was sie so in Aufregung versetzt hatte.
An einem großen Tisch weiter hinten im Restaurant saßen sechs junge Menschen, drei Männer und drei Frauen und unterhielten sich. Einen der Männer erkannte sie sofort. Ihre Lippen begannen zu zittern. „Ralf“, hauchte sie. Neben ihm saß ein Mädchen, dass ihn sichtlich mit Beschlag belegt hatte. Sie hatte blondes, kurzes Haar und warf einer anderen Frau am Tisch kampfbereite Blicke zu. Die schien sich nicht daran zu stören, weder an den Blicken, noch an der Tatsache, dass die Frau an Ralfs Seite eine Göttin war.
„Carine“, hauchte Marianne. „Carine.“
Sie hätte nichts lieber getan, als zu diesem Tisch zu gehen, sich die beiden aus der Nähe anzusehen. Mit ihnen vielleicht zu reden. Sie zu umarmen, an sich zu drücken und die letzten drei Jahrhunderte ungeschehen zu machen. Doch dann ließ sie den Kopf sinken. Dazu hatte sie kein Recht.
Sie war es gewesen, die einen eigenen Weg gesucht hatte. Sie war es gewesen, die Thomas die schwere Bürde auferlegt hatte, die beiden alleine groß zu ziehen. Sie war gegangen, um HELIOS aus den Trümmern der Vorgängerorganisation zu gründen.

Mit staksigen Schritten ging sie auf die kleine Bar zu, nahm Platz. Georgio begrüßte sie freundlich. „Was ist los mit dir, Marianne? Hat du ein Gespenst gesehen oder nimmt dich die Ankunft des Kampfwagens so mit?“
„Beides“, erwiderte sie leise. Sie schielte vorsichtig zu den lärmenden jungen Menschen herüber. „Sind die öfter hier, Georgio?“
Der ehemalige Polizist grinste schief. „Ralf und seine Bande? Ja, ab und an schauen sie hier mal rein. Aber das Mädchen rechts von ihm ist neu dabei. Seine kleine Schwester, wenn ich das richtig verstanden habe.“
„Ich weiß“, erwiderte Marianne.
Georgio sah zwischen der Gruppe und der HELIOS-Polizistin hin und her. „Soll ich dich mit ihnen bekannt machen?“
„NEIN!“, rief sie laut und sprang auf. Als ihr bewusst wurde, wie impulsiv sie reagiert hatte, setzte sie sich und sagte: „Nein, Georgio, aber danke für das Angebot. Ich habe im Moment einfach keine Zeit für so was.“
Der Afrikaner runzelte die Stirn. „Eine Frage, Marianne. Was ist für dich so was?“
Ein wehmütiger Blick huschte über ihr Gesicht. „ So was ist für mich alles, was mit einem normalen Leben zu tun hat, alter Freund.“
Georgio sah sie einige Zeit an, dann verschwand er in der Küche. Als er wieder kam, hielt er eine große Tasse in der Hand. „Hier, ein Kaffee aus meiner Spezialmischung.“
„Du bist ein Schatz, Georgio“, murmelte Marianne und nahm die Tasse entgegen.
„Also?“ „Was, also?“, fragte sie. Der Kellner deutete gen Himmel. „Also, was hältst du davon, dass der Hitzkopf Kailin seinen Superschlitten direkt über unseren Köpfen parkt? Ich glaube, das ist das erste Mal, dass er die Obere Ebene verlassen hat, seit die Götter in der Entscheidungsschlacht die Dämonen vernichtet haben.“
Marianne verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. „Ach, komm. Gerade du solltest nicht so einen Quatsch reden. Du weißt es doch besser.“
„Stimmt“, kommentierte der Kellner. „Oh, mein Typ wird verlangt. Trink in Ruhe deinen Kaffee, ich bediene schnell mal, dann reden wir weiter.“
„Ist gut“, murmelte sie in ihren Kaffee und sah Georgio nach, wie er ein Pärchen an einem Tisch am Fenster bediente.

Verstohlen ging ihr Blick wieder zu den sechs jungen Leuten. Sie war so nahe, und doch so fern. Eigentlich die günstigste Gelegenheit, um mit der Spezialbrille ein paar eigene Aufnahmen zu schießen. Marianne rückte die Brille zurecht und fuhr herum.
Und erschrak fürchterlich, als direkt vor ihr jemand stand. Unbewusst ging ihre Rechte zur Torchpistole, aber sie beherrschte sich gerade noch rechtzeitig.
Der junge Mann hob schuldbewusst die Hände. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ehrlich gesagt, ich wollte Sie gerade ansprechen.“
Marianne rang mit ihrer Fassung und gewann, wenn auch nur knapp. „Nun, junger Mann, was kann ich für Sie tun?“
„Mein Name ist Ralf“, erwiderte er mit einem freundlichen Lächeln. „Es ist so, wir konnten kaum übersehen, dass Sie zu HELIOS gehören. Genauer gesagt habe ich Sie wieder erkannt.“
Marianne spürte kaltes Entsetzen in sich aufsteigen, schaffte es aber, ihren Gesichtsausdruck neutral zu halten. „Wieder erkannt?“
Ralf gestikulierte mit den Armen. „Nun, Sie waren doch neulich auf unserem Campus, nach der Sache mit dem Resonator. Da habe ich Sie gesehen.“
Marianne trank einen Schluck Kaffee, um ihre zitternden Finger unter Kontrolle zu bringen. „Stimmt, junger Ma… Ralf. Ich bin tatsächlich von HELIOS. Was also kann ich für Sie tun?“
„Muss ich denn irgendetwas haben? Ist das Pflicht bei euch?“, fragte Ralf.
Amüsiert erwiderte Marianne: „Nun, die Erfahrung zeigt, dass die meisten Leute, die einen HELIOS-Polizisten irgend etwas wissen wollen, wenn sie ihn ansprechen. Sind Sie denn so anders?“
Ralf verzog das Gesicht ein wenig. „Vielleicht.“
„Diplomatische Antwort“, bemerkte Marianne amüsiert. Sie deutete auf die Gruppe am Tisch. „Vermissen die Sie nicht irgendwann?“
„Wollen Sie mich etwa loswerden?“, hakte Ralf nach.
„Was, wenn ich ja sage?“
Ralf grinste. „Dann werde ich ohne zu klagen sofort wieder zurückgehen.“
„Nein, ich will Sie nicht loswerden. Setzen Sie sich, Ralf.“
Gehorsam nahm der Student Platz. „Eine Sache gibt es doch, die mich beschäftigt“, gestand er.
„Aha, da haben wir es ja. Was ist es denn?“, fragte Marianne amüsiert.
Ralf deutete gen Himmel. „Was machen wir nur mit diesem Ding da oben?“
„Nun, solange der Kampfwagen nicht landet, kann ich ihm kein Ticket wegen Falschparkens geben, wenn Sie das meinen, junger Mann.“
„Gehört das zu den Aufgaben von HELIOS?“
Marianne lächelte. „Göttern Strafzettel verpassen? Ja. Ich warte nur darauf, dass der Kampfwagen irgend wo runterkommt. Dann kriegt Kailin ein Ticket von mir für Falschparken in fünfundachtzigtausend Fällen, plus minus ein paar hundert.“
Ralf prustete los. „Das wird ihm eine Lehre sein.“
„Und wenn das nichts nützt“, mischte sich Georgio ein, der gerade an den Tresen zurückkam, „dann tritt Marianne dem Gott mal tüchtig in seinen Allerwertesten. Nicht wahr, Marianne?“
„Aber selbstverständlich“, sagte die Polizistin. „Dafür ist HELIOS ja schließlich da.“
„Wo bleibst du, Ralf? Dein Essen wird kalt!“, rief eine Mädchenstimme hell zu ihnen herüber.
„Warum kaust du es ihm nicht gleich mal vor, damit er nicht soviel Mühe damit hat, Mako-chan?“ „Für Ralfs kleine Schwester bist du ganz schön kess. Vielleicht sollte ich dich mal in die Mangel nehmen.“
„Versuch es doch ruhig. Ich habe nichts dagegen, jemandem mal wieder etwas beizubringen.“
„Oh, oh… Ich gehe wohl besser zurück, bevor die Revierkämpfe der beiden noch das Restaurant zerlegen“, sagte Ralf und unterdrückte ein Grinsen.
„Gute Idee“, kommentierte der Kellner.
Ralf legte eine Hand auf Mariannes Schulter. „Ich lege dann mal vertrauensvoll das Schicksal dieser Stadt in Ihre Hände, Marianne.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich glaube, da ist es ganz gut aufgehoben.“
Ralf lächelte noch einmal, dann ging er zurück zu den anderen.

„Hast du mal ein Taschentuch?“, fragte die HELIOS-Agentin und wischte sich die Tränen von den Wangen.
„Hm. Das ausgerechnet dich der Enthusiasmus der Jugend noch derart rühren kann…“, bemerkte Georgio belustigt.
„Das tut er…. Das tut er…“

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27.09.2004 13:14 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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3.
Wie es der Herr des Feuerclans versprochen hatte, stieg er nach zwei Stunden, als es bereits dunkel wurde, von seinem Kampfwagen herab.
Drei Götter des Feuers sprangen vor ihm herab, zwei flankierten ihn und drei kamen hinterher.
Dennoch wagte eine unförmige Gestalt einen direkten Angriff auf den Herrn des Feuers.
Aber die Götter hatten längst damit gerechnet, dass ein Dämon die Gelegenheit nutzen würde. Zwei von ihnen widmeten sich dem einzelnen Dämon, und kurz darauf zerstieb dessen Asche über der Stadt.
Kailin verzog sein altes Gesicht zu einem Schmunzeln. Nun, diesen Angriff würde er zu seinem Vorteil interpretieren.
Als die neun Götter in einem roten Feuerschein vor dem Rathaus auf dem Boden aufsetzten, hatte sich bereits eine große Menge Schaulustiger eingefunden. Ein spontaner Sprechchor protestierte gegen die Aufhebung des Vertrages von Hethit.
Kailin rang das nicht mehr als ein dünnes Lächeln ab. Auch das würde er zu nutzen wissen. Mit selbstbewusstem Schritt erklomm der Gott die Stufen zum Rathaus, passierte dabei ein Spalier aus HELIOS-Agenten, eine Mahnung an ihn selbst, dass er keinesfalls unangreifbar und unbesiegbar war. Er verstand sehr gut. Es war aber ohnehin nicht sein Plan gewesen, es sich jetzt schon mit der menschlichen Organisation zu verscherzen.

Der Bürgermeister der Stadt Andreas Raderer empfing den Gott mit einer Verbeugung anstatt dem eigentlich in dieser Region üblichen Händeschütteln. Ein Zeichen der Distanz oder des Respekts? Kailin interpretierte die Geste als Mischung aus beidem. Und ließ sich dazu herab, den Menschen mit Namen anzusprechen.
Dies erfreute den Bürgermeister und Kailin wusste, er hatte einen ersten kleinen Sieg errungen, einen Verbündeten gemacht.
Von Raderer geführt betrat der Herr des Feuers das Rathaus und ließ sich von ihm zum Konferenzraum führen, wo bereits wichtige Politiker der Stadt und Mittlands, soweit sie es in der kurzen Frist geschafft hatten, Klingburg zu erreichen, erwarteten. Ebenso ein Pulk aus Reportern und Kameras.
Kailin und Bisal nahmen am Tisch selbst Platz, während sich die anderen Götter strategisch über den Raum verteilten. Bildlich gesprochen stellten sie sich neben die anwesenden HELIOS-Agenten, die bereits eine perfekte Aufteilung eingenommen hatten.
Kailin hob beide Hände, um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden einzufordern. Die Geste war nicht wirklich notwendig, die Anwesenden hingen ihm bereits jetzt an den Lippen. Sie galt eher den Menschen, die über die Liveschaltungen der Fernsehsender sahen, was hier geschah. Seinen perfekten Auftritt.
„Höre mich an, Untere Ebene. Ja, es ist war. Ich habe den Vertrag von Hethit gekündigt. Ja, ich habe alles zerstört, was Menschen und Götter jemals miteinander ausgehandelt haben. Aber ich tue dies nicht, um den Menschen zu schaden. Ich tue es, um sie zu schützen.
Vor nicht einmal einer Woche wurde auf dem Gelände der Staatlichen Klingburg-Universität ein Gerät in Betrieb genommen, welches Götter töten kann.“
Kailin ließ diese Information sacken, konnte sich beinahe vorstellen, wie ein ungläubiges Raunen durch die Menge ging. Er hatte lange mit seinen Beratern diskutiert, ob er diese offensichtliche Schwäche wirklich Preis geben sollte. Aber der Gewinn, der daraus entstehen konnte, war diesen Einsatz wert.
„Es waren Menschen, die dieses Gerät erschaffen haben.“
Auch diese Information musste erst einmal verdaut werden. Selbst im Konferenzsaal raunten die Menschen erschrocken auf. Sicher, sie mussten nun mit Konsequenzen seitens der Götter, der allmächtigen Wesen rechnen. Nun wurde es Zeit, sich als Wohltäter zu präsentieren.
„Aber, es war nicht die Idee der Menschen, dieses Gerät zu bauen. Nein, denn sie wurden manipuliert, belogen und betrogen. Von Dämonen!“
Diesmal ging ein Aufschrei durch die Menge. Dämonen. Seit ewigen Zeiten das verhasste Wort unter den Menschen. Der Inbegriff allen Übels. Dies wurde nun für Kailin zur Trumpfkarte.
„Deshalb sah ich mich gezwungen, die Götter vom Vertragswerk von Hethit zu befreien. Die Dämonen sind wieder unter uns und sie haben die Menschen unterwandert. Unterwandert, um ihnen zu schaden. Wir, die Götter, werden die Dämonen finden und zur Strecke bringen. Menschliche Einheiten wie die Polizei, die Armee, die Geheimdienste oder sogar HELIOS dürfen uns dabei nicht behindern, denn es geht um das gesamte Schicksal der Unteren Ebene. Doch es wird einen neuen Vertrag geben, wenn die heimliche Herrschaft der Dämonen wieder beendet ist.“
Seinen Worten folgte ein zaghafter Applaus. So als ahnten die meisten Menschen, dass der neue Vertrag nicht annähernd so vorteilhaft für die Niederen Wesen der Unteren Ebene sein würde wie es der Vertrag von Hethit tat.
Kailin hob beide Arme und tat eine Geste, als wolle er alle Anwesenden in seine Arme schließen. „Untere Ebene, Ihr Menschen. Meine Kinder! Fürchtet euch nicht, denn der Feuerclan ist herab gestiegen, um euch vom geheimen Joch der Dämonen zu befreien!“

In diesem Moment verschwand die Tür zum Konferenzsaal, als hätte es sie nie gegeben. Dennoch verlangte das knisternde Geräusch soviel Aufmerksamkeit, dass die Köpfe aller Anwesenden automatisch herumfuhren. Ein aufgeregtes Gemurmel ging durch die Menge.
Durch die verschwundene Tür trat ein Hochgewachsener Mann in einer khakifarbenen Fantasieuniform ein. Sein aschblondes Haar schien im Licht der Deckenbeleuchtung zusätzlich zu schimmern. Seine weichen, aber dennoch maskulinen Gesichtszüge brachte einige anwesende Frauen zum seufzen.
In Klingburg war dieser Mann – oder besser gesagt, dieser Gott sehr gut bekannt. Immerhin hatte man ihm eine eigene Kirche gebaut. Nrota vom Erdclan, der Gemahl Tremas und Oberster Waffenmeister.
Er lächelte den Anwesenden zu, erkannte zielsicher jeden einzelnen Anhänger des Erdclans unter ihnen und bedachte jeden mit seinem Namen und einem freudigen Nicken.
Dann trat er vor den Konferenztisch, streckte den rechten Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger theatralisch auf Kailin. „Nette Rede, alter Mann. Du hast in deiner grenzenlosen Güte, die Menschen vor den Dämonen zu retten, nur leider eine Kleinigkeit vergessen. Nur alle vier Clanoberhäupter zusammen können den Vertrag von Hethit kündigen. Und der Erdclan stellt sich gegen die Kündigung des Vertrages!“
Bisal schlug auf den Tisch ein. Ihr Feuer loderte auf und zerstieb einige Dokumente auf dem Tisch zu Asche. Sie beherrschte sich aber rechtzeitig, bevor sie einen Menschen verletzten konnte. „Wie kannst du es wagen, Waffenmeister des Erdclans? Sprichst du jetzt für deinen Stamm, oder wie sollen wir dich verstehen?“
Nrota legte lächelnd eine Hand an sein Kinn und rieb es bedächtig. „Natürlich spreche ich nicht für den Erdclan. Aber du kannst mir glauben, in diesem Fall vertrete ich seine Position.“
„Wie dem auch sei, Nrota, Waffenmeister der Erde. In diesem Fall hätte ich schon gerne direkt mit Trema gesprochen“, sagte Kailin amüsiert.
Nrota stützte sich auf dem Tisch ab und beugte sich vor. „Der Erdclan respektiert die Menschen als Partner und ist sich sicher, die Dämonengefahr auch ohne die Aufhebung des Vertrages von Hethit zu beenden. Dies sind Kailins Worte. Glaubst du ihrem Gefährten nicht?“
„Nein“, sagte Kailin geradeheraus. Machte der Erdclan es ihm etwa so leicht? Natürlich, er hatte alle überrascht. Und das musste die verzweifelte erste Reaktion von Trema gewesen sein. Wenn das alles war, hatte er schon so gut wie gewonnen.
Übergangslos begannen die Scheiben zu zittern. Ein leises Donnern, als würden in der Ferne Gewitter toben, ging durch die Straßen. Aufgeregte Rufe klangen von draußen herein. Und von einem Augenblick zum anderen erhellte Licht, hell wie der Tag die Dunkelheit.
„Dann frag sie doch selbst“, sagte Nrota gefährlich leise und sah dem Herrn des Feuerclans mit einem wölfischen Grinsen in die Augen.
„Ein Kampfwagen!“, rief ein aufgeregter Reporter, der in den Konferenzraum gelaufen kam. „Ein Kampfwagen steht über Klingburg!“
Einige Anwesenden lachten und nur wenige verstanden sofort, was der Mann meinte.
„Das wissen wir doch schon, guter Mann“, beschwichtigte der Bürgermeister.
Der Reporter schüttelte den Kopf und japste einen Moment nach Luft. „Quatsch, Quatsch. Noch einer! NOCH EINER! Da draußen ist noch ein Kampfwagen angekommen!“
Nrota stieß sich schwungvoll vom Tisch ab. „Na also. Trema ist da.“

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02.10.2004 21:39 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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„Wow“, kommentierte Ralf, als über ihm aus den Wolken ein weiterer Götterwagen herab stieg. Unübersehbar prangte das Symbol des Erdclans auf der Unterseite. Das gleiche Symbol, welches er als Kette um den Hals trug. „Scheint so, als wäre Trema mit der Anwesenheit des Feuerclans nicht ganz einverstanden.“
Der Fokus warf Mako-chan einen Blick zu. „Was meinst du?“
Die Göttin wurde rot. „Nun… Es war klar, dass die anderen Clans irgendwann darauf reagieren würden, wenn Kailin sich anmaßt, für alle Götter zu entscheiden. Ich hätte nur nicht gedacht, dass… Trema den alten Kampfwagen so schnell flott kriegt.“
Der Blick der Göttin ging über ihre fünf Begleiter. Da war der Mann, der so etwas wie ihr Bruder war, aber in Wirklichkeit ihre andere Hälfte. Mako-kun, der zum Menschen reduzierte Gott. Da war Ralf Schneider, der Fokus ihrer Gruppe von vier Gesegneten und ihr erster und einziger Gläubiger. Und Yoshi, der Nihon-jin, der zum Freund geworden war, seit er aus der Akai-Firma ausgebrochen war und Ralf Inissars Auge anvertraut hatte.
Und Freya Helensdottir war auch da. Die Wassergesegnete war Teil ihres Kreises und eine gute Freundin. Wenn sie nur endlich das Katz- und Mausspiel mit ihrem Bruder aufgegeben hätte.
Die dritte Frau in ihrer Runde war Carine, eine kleine, dürre und vorlaute Göre, die zufällig Ralfs kleine Schwester war und sich benahm, als müsse ihr der große Bruder jeden Wunsch sofort von den Augen ablesen. Okay, sie hatte Ralf gerettet, als er seiner Kraft beraubt worden war – wahrscheinlich von Makotos Mutter, was die Sache noch schlimmer machte. Und ja, eigentlich war sie recht nett. Aber musste sie so einnehmend sein? Konnte sie Ralf nicht mal einen Moment zum Atem schöpfen gönnen? Konnte sie ihm nicht mal einen Moment alleine mit seiner Freundin gönnen? Nein, natürlich nicht. Stattdessen beobachtete sie jeden Schritt und jede Geste der Göttin, als wäre es ein Versuch, ihren großen Bruder zu vergiften. Aber wie verhielt man sich gegenüber einer Bruderfixierten Teenagerin, die mit ihren Fähigkeiten an eine Gesegnete heran kam? Mako-chan hatte Carine in voller Fahrt gesehen und war beeindruckt gewesen. Die junge Frau hätte mit Arnim mithalten können, obwohl sie nicht einmal gesegnet war, geschweige denn überhaupt eine göttliche Aura trug.
Aber vielleicht war es ja auch anders herum. Vielleicht war es die Göttin selbst, die sich aufdringlich verhielt. Dieser Gedanke gefiel ihr nicht, aber sie war ehrlich genug, um ernsthaft darüber nachzudenken. Immerhin war es Carine, die ihren Bruder seit Monaten nicht gesehen hatte. Und es war Makoto, die die letzten Tage und Wochen fast rund um die Uhr mit Ralf verbracht hatte.
Bestürzt kam die Göttin zu der Erkenntnis, dass, wenn die Beziehung mit Ralf hielt und sich noch vertiefte, dieses Gör Teil ihrer Familie werden würde. Und zwar ein Teil, den sie gerade ernsthaft verärgerte. Nun, die Streiterei machte ihr sicherlich genauso viel Spaß wie der Göttin, aber da gab es bestimmt eine Grenze, ab der es ernst wurde. Und Makoto war sich nicht sicher, ob sie diese Grenze nicht schon überschritten hatte.
„…man soviel Odem braucht, um… Hörst du mir überhaupt zu, Mako-chan?“, beschwerte sich Ralf.
Die Göttin sah ihren Gläubigen erschrocken an. Und nahm dankbar zur Kenntnis, dass ihr Handy klingelte. Sie nahm an. „Ja?“ Mit jedem Wort, das sie hörte, erbleichte die Göttin ein wenig. Als sie auflegte, war sie froh über ihre langen Haare. Das war vielleicht der Grund dafür, dass sie ihm nicht zu Berge standen.
„Wer war das?“, fragte Mako-kun beiläufig.
„Nein, nein, nein“, mischte sich Ralf ein, „wichtiger ist die Frage, seit wann hast du ein Handy?“
„Was ist daran so ungewöhnlich?“, kommentierte die Eisländerin. „Ein Mädchen ohne Handy ist ein Krüppel.“
„Das brauchst du ihm gar nicht erst erklären“, bemerkte Carine leise. „In dem Punkt ist mein großer Bruder wie jeder andere Mann auch.“
Die beiden Frauen tauschten einen wissenden Blick aus. Gemeinsam begannen sie zu kichern.
„Hasst du es auch, wenn Frauen so was machen?“, fragte Ralf beiläufig den Nihon-jin.
Yoshi seufzte tief und schwer.
„Das genügt mir als Antwort. Also, warum weiß ich nicht, dass du ein Handy hast, meine Göttin?“
Mako-chan zuckte mit den Schultern. „Ich benutze es selten.“
„Und wer war dran?“, hakte Mako-kun nach.
„Nun lass einer Frau doch mal ihre Geheimnisse“, beschwerte sich Ralfs Schwester.
„Weibliche Solidarität“, brummte Ralf. „Da ist kein Durchkommen, mein Gott.“
Ralf senkte den Kopf und seufzte schwer. Der Gott und Yoshi fielen ein.
Die Frauen tauschten wieder wissende Blicke aus und lächelten amüsiert.
„Was auch immer“, meinte die Göttin lächelnd, „ich denke, ich sollte Ralf und seiner Schwester mal ein wenig Zeit gönnen. Außerdem habe ich noch was zu erledigen. Wir sehen uns in einer Stunde im Haus, ja?“
Die Göttin winkte zum Abschied und ging in eine Seitenstraße.

Carine sah ihr nach. „Habe ich was Falsches gesagt? Sie ist doch nicht böse auf mich, oder?“
Ralf schmunzelte. „Weißt du, kleine Schwester, manchmal ist die einfachste Lösung auch die Richtige. Und die einfachste Lösung in diesem Fall ist, dass sie uns beiden wirklich ein wenig Zeit geben will. Und das sie wirklich was zu tun hat.“
„Und das stört dich nicht, großer Bruder? Das sie etwas zu tun hat? Was wenn es ein anderer Mann ist, oder so?“, argwöhnte sie.
Ralf sah seine Schwester aus großen Augen an. Für eine Sekunde dachte er ernsthaft über ihren Einwand nach. Und verwarf ihn wieder. „Ich will ja jetzt mal nicht von mir selbst überzeugt klingen. Oder so, dass eine Art Vorsehung dafür sorgt, aber ich glaube daran, dass Mako-chan mich liebt.“
Carine bekam feuchte Augen. „Ohhhh, dieser niedliche Blick. Du bist echt vollkommen verknallt, großer Bruder. Hach, weiß diese Göttin überhaupt, was sie an dir hat? Du bist ja so süß.“
„Whoa! Mit diesem Blick hast du mich sonst immer angesehen, um dir Geld von meinem Taschengeld zu leihen, Schwesterherz! Was willst du diesmal von mir?“
Carine lächelte selig. „Das ist wahre Liebe. Das muß wahre Liebe sein. Herrlich.“
„Dann solltest du die beiden erst mal sehen, wenn sie glauben, dass sie keiner beobachtet. Da darfst du nichts süßen vorher essen, sonst kriegst du einen Zuckerschock“, brummte Freya amüsiert.
Ralf schüttelte den Kopf. Die Richtung, in die das Gespräch andriftete, gefiel ihm überhaupt nicht.
„Könnten wir dann mal weitermachen?“, beschwerte sich Mako-kun. „Also, um auf deine Frage zu antworten, Ralf: Klar, um einen Kampfwagen auf die Untere Ebene zu schaffen, bedarf es einer Menge Odem. Aber der Erdclan hat es auch ohne Gebetsmarathon geschafft. Wenn du mich fragst, hat der Feuerclan durch den Gebetsmarathon einige Reserven aufgebaut, die der Kampfwagen niemals verbrauchen konnte.“
„Hm“, machte Freya. „Vielleicht produzieren sie ein magisches Potentialfeld?“
„Vielleicht bereiten sie auch die Vernichtung der Menschheit bevor?“, bemerkte Yoshi leise. Es klang zu ernst, um als schlechter Witz durch zu gehen.
„Nun, die Vernichtung vielleicht nicht“, sagte Ralf, „aber vielleicht die Unterwerfung. Denkt doch mal nach. Erst wird Odem gesammelt, dann der Vertrag von Hethit gekündigt. Und am Ende machen sie mit dem aufgesparten Odem irgendetwas teuflisches und übernehmen die Untere Ebene.“
„Nun mach den Feuerclan mal nicht so schlecht, Ralf“, beschwerte sich Makoto. „Ich gebe zu, seine Mitglieder haben nicht umsonst den Ruf, Hitzköpfe zu sein. Erinnert euch nur an unsere erste Begegnung mit Ausyl.“
„Lieber nicht“, sagten Freya und Ralf aus einem Mund.
„Aber letztendlich sind sie weder gut noch böse. Es sind halt Götter. Was sie tun, ist niemals vollkommen selbstlos, und niemals vollkommen egoistisch. Sie können sich ebenso aufopfern wie egoistisch sein und jeder Gott ist anders. In dem Punkt unterscheiden sie sich nicht von den anderen Clans. Im Moment gibt Kailin einen ziemlich rigiden Kurs vor. Aber irgendwann werden die verschiedenen Interessen und Strömungen innerhalb des Feuerclans greifen. Und der rigide Kurs zerfällt in tausend Eigeninteressen. Früher oder später.“
„Dieses Später macht mir Sorgen“, sagte Ralf.
„Äh, Leute“, sagte Yoshi.
„Ach genau. Das habe ich dich ja noch gar nicht gefragt. Was ist das für eine Firma, in der dich Georgio untergebracht hat?“
„Ich glaube, das ist im Moment nicht so wichtig wie das da“, bemerkte der Nihon-jin und deutete an Ralf vorbei. Der Gläubige wirbelte herum.
„Hatte ich zuviel Pepperoni im Essen, oder steht da wirklich eine Flammenwand?“, fragte Ralf und wunderte sich über seine Gelassenheit.
„Mako-chan!“, rief der Gott und sprintete los.
Carine lief hinterher und überholte den zum Menschen reduzierten Gott, dicht gefolgt von Freya, die mühelos mithielt. Yoshi war plötzlich dicht hinter den Frauen.
Ralf bemühte sich zu Makoto aufzuholen. „Warum bin ich der letzte? Ich mache mir doch die meisten Sorgen um Mako-chan!“
„Red nicht“, rief Mako-kun von vorne, „lauf lieber.“
Ein guter Rat, fand Ralf.
**
Als die Göttin den Treffpunkt erreichte, eine stille Parkbank unter einem hohen Baum inmitten der Fußgängerzone, ging ihr Blick nach oben. Dort gesellte sich gerade ein dritter Kampfwagen zu den anderen beiden. Der des Wasserclans war angekommen. Für einen Moment fragte sie sich, ob Agrinal vielleicht ein Bündnis mit dem Feuer eingegangen war und für ein Aufheben des Vertrags von Hethit eintreten würde.
„Hallo, Makoto. Schön, dass du kommen konntest.“
Langsam wandte sich die Göttin um. Hinter ihr stand William Cogsworth. „Du hast mir ja kaum eine andere Wahl gelassen, wenn du Ralf bedrohst. Also. Ich gebe dir genau eine Minute, um mir zu erklären, was so wichtig ist. Das ist genau die Minute, bevor ich dich durch die Mangel drehe.“
Will hob abwehrend die Hände. „Ruhig, meine Göttin.“
Für einen Augenblick erschrak Makoto, bis sie erkannte, dass es nur eine Floskel gewesen war. Der Gäle hatte ihre wahre Natur nicht durchschaut.
„Ralf ist dich doch überhaupt nicht wert. Ich meine, er ist so schwach. So unscheinbar. Ein Idi… unsensibler Typ. Das kannst du ja nicht erkennen, wenn du dauernd mit ihm zusammen bist. Makoto, du solltest wirklich mehr unter Leute gehen und etwas Abstand von diesem Kerl gewinnen. So zwei, drei Kilometer sollten reichen.“
„So. War es das jetzt? Soll ich mich vor dir hinwerfen und rufen: Ach, William Cogsworth, mit diesen Worten hast du mein Herz gerührt. Nimm mich, hier und jetzt. Ich will für immer dein sein!?
Und was, wenn ich es nicht rufe? Gehen dann deine Idiotenfreunde auf Ralf los?“
„Aber er ist ein Idi… Ich meine, er ist nicht das, was du in ihm zu sehen glaubst. Sieh mal, er trägt ja sogar diesen dämlichen Schmuckstein mit sich rum. Ich habe ihm diesen Stein abgenommen, damit er mir verspricht, dass er dir nicht so auf die Pelle rücken soll. Aber…“
Makoto lächelte plötzlich. Endlich war es soweit. Nach dem Überfall auf Ralf hatte sie keine Gelegenheit gehabt, William abzupassen. Aber hier und jetzt spielte er ihr in die Hände.
Die Göttin legte beide Hände auf ihr Gesicht. „Ralf trägt Schmuck?“
„Ja. Und dazu vollkommen geschmacklosen. Hier, das trägt er sonst um den Hals…“
William zog das Band mit Inissars Auge aus seiner Hosentasche.
Makoto ließ das Potentialfeld für eine Sekunde auf sich wirken. Ja, verdammt, das war das Original. Das sie in zwei Personen zerrissen, zur Gesegneten degradiert und Mako-kun zum Menschen reduziert hatte. Eines der mächtigsten – vielleicht das mächtigste Artefakt des Feuerclans.
„Was denkst du darüber, mir dieses Schmuckstück freiwillig zu geben, bevor ich dich dazu zwinge?“, fragte die Göttin gedehnt und knetete mit der Linken ihre rechte Faust durch.
„Was denkt ihr beide darüber, mir den Stein im Austausch für euer Leben zu geben?“, erklang hinter ihnen eine Stimme.
Mako-chan drehte sich in der Hüfte. Sie reagierte sofort und warf sich auf William. Sie riss ihm um und zerrte ihn in die Deckung des Baumes.
Ein leiser Fluch erklang und links und rechts vom alten Stamm jagten Feuerwände an ihnen vorbei.
Makoto riskierte ein Auge und erkannte eine schlanke, große Frau. Sie trug nicht viel mehr als einen schwarzen Lederbikini, aber die auffallendsten Merkmale an ihr waren ihre Haare, die wie goldene Flammenspitzen auf ihrem Kopf zu lodern schienen. Und die Tatsache, dass sie drei Meter in der Luft schwebte. „Eine Feuergöttin, verdammt. Sie hat das Artefakt bestimmt erkannt“, knirschte Makoto und presste einen Fluch hinterher.
William, der halb unter der Göttin begraben war, seufzte nur vor Glückseligkeit.
Was war zu tun? Ob sie wollte oder nicht, sie konnte diesen Trottel der Feuergöttin nicht zum Fraß vorwerfen. Allerdings war dieses Pflichtgefühl für diesen Idioten erschreckend dünn.
Sie musste zusammen mit ihm entkommen. Oder ihm die Flucht ermöglichen und ihm später folgen. Wie es auch immer lief, sie würde kämpfen müssen.
Makoto ergriff William am Kragen. „Jetzt hör mir mal genau zu, mein Großer.“
„Großer. Sie hat mich Großer genannt.“
„Klappe und Lauscher auf. Das da hinten ist eine Feuergöttin. Und sie will Ralfs Schmuckstein. Wenn ich dir ein Zeichen gebe, rennst du los. Ich lenke die Feuergöttin ab. Und du rettest deinen fetten Arsch. Wenn du schlau bist, rennst du direkt zu meiner WG und gibst den Stein dort ab. Außer, du willst diese Göttin dort näher kennen lernen.“
Makoto atmete schwer. Die Aufregung griff nach ihr. War es nur eine verhängnisvolle Tendenz, dass sie sich auf den bevorstehenden Kampf freute? Das er ihr jetzt schon Spaß machte? Hastig überprüfte sie den Energiefluss, dem sie dem Baum mitgab, seit sie hinter ihm Schutz gesucht hatte. Solange sie das tat und die Aura des alten Riesen verstärkte, waren sie einigermaßen vor der Flammenkraft der Göttin geschützt. Bis sie auf die Idee kam, um den Baum herum zu kommen.
Aber soweit wollte es Makoto gar nicht erst kommen lassen.

„Habt Ihr Angst vor Irele, kleine Menschen? Das verstehe ich nur zu gut. Ihr wärt nicht die ersten Menschen auf meiner Liste. Und gewiss nicht die letzten.“
Makoto erhob sich. Sie gab William einen Klaps auf den Rücken und flüsterte: „Du bleibst hier, bis ich jetzt rufe. Dann läufst du so schnell du kannst hier weg!“
„Warte, warte, warte! Du kannst da doch nicht raus gehen. Das ist eine Göttin!“
„Oh. Deine Fürsorge rührt mich.“ Ein klein wenig stimmte das sogar. Makoto legte eine Hand auf die Parkbank. Der Stahl des Rahmens begann sich zu verformen und bildete zusammen mit dem Holz der Lehnen einen Kampfstab. Makoto ergriff den Stab und wob ihn prüfend in der Hand. „Aber sie ist unbegründet. Ich bin auch eine Göttin.“
Mit einem letzten Blick auf den vollkommen überraschten Gälen trat Makoto amüsiert hinter dem Baum hervor.
„Wer hat schon Angst vor einer kleinen Feuergöttin? Ich bin Makoto vom Erdclan. Und ich fürchte, ich muss dich verprügeln.“
Die Feuergöttin sank auf die Straße herab. Ihr Feuer ließ den Asphalt zu ihren Füßen aufkochen.
„Du willst mich verprügeln? Wie?“, höhnte Irele.
Makoto lächelte kalt. Der heiße Asphalt griff plötzlich nach der Feuergöttin und hielt sie fest. Die dichte Decke zu Makotos Füßen bäumte sich auf wie ein lebendiges Wesen, türmte sich auf und stürzte über der Feuergöttin zusammen.
„Du hast es geschafft!“, brüllte William begeistert auf. „Du hast sie besiegt!“
Wütend sah Makoto zurück. „Habe ich nicht! Bleib in der Deckung, Idiot!“
Es war ein Fehler gewesen, sich abzuwenden, das wusste Makoto in dem Moment, als sie aus den Augenwinkeln das erste Licht ausmachte. Kurz darauf zersprang der Sarkophag der Feuergöttin in alle Richtungen und versprühte dabei glutflüssigen Asphalt. Ein besonders großer Brocken traf die Göttin an der Stirn. Sie taumelte, sackte zu Boden.
„Ist das etwa alles, was du drauf hast?“, höhnte die Feuergöttin.
Mit ihrem Stab richtete sich die Erdgöttin auf. Sie fasste den Griff fester, um zu ihrer Konzentration zurück zu finden. „JETZT!“, rief sie William Cogsworth zu und lief los.

Ihre Fähigkeiten entsprachen nur der einer Gesegneten. Der Unterschied zu einer vollwertigen Göttin wurde Makoto bewusst, als ein Dreizack aus Flammen auf ihr Gesicht zuraste. Sie konnte ihn nur knapp mit ihrem Stab abwehren. Hinter ihr erklangen hektische, panische Atemzüge, als William in einer Seitenstraße verschwand.
Dass sie auf diesen Idioten aufpassen musste, machte ihre Position auch nicht gerade leichter.
Irele wusste das. Und nutzte es eiskalt aus. Sie tat, als wolle sie sich an Williams Verfolgung machen und Makoto musste reagieren, ihr den Weg verstellen. Dies war ihr Fehler. Sie wusste es. Sah es kommen. Dennoch tat es weh, als der Flammendolch, den Irele für sie erschuf, durch ihr Sternum fuhr.
Auf den Dolch aufgespießt betrachtete die Feuergöttin ihre Beute einen Augenblick und hob die freie Hand. Dort entstand erneut der Dreizack. „Wie erbärmlich ihr Erdgötter doch seid.“

Übergangslos versank die Fußgängerzone in dichtem Nebel. Irritiert sah die Feuergöttin auf. Und erkannte gerade noch einen schweren Absatz, der ihr direkt ins Gesicht flog. Den Tritt eines normalen Menschen hätte sie nicht einmal bemerkt. Aber dieser hier warf ihren Kopf nach hinten und löste den Griff um ihre Waffen.
„Guter Treffer, Carine“, rief Freya und fing die zu Boden stürzende Makoto auf.
„Danke für den Nebel, Schatz“, erwiderte Ralfs Schwester, ging zu Boden und nahm Kampfhaltung gegenüber der Feuergöttin ein. „Ist sie schwer verwundet?“
„Sorge dich nicht um die Erdgöttin!“, rief Irele wütend. „Dein eigenes Schicksal sollte dir jetzt wichtiger sein!“ Wieder raste der Feuerdreizack heran, aber er ereichte nie sein Ziel.
Ein unglaublich dichtes Feld aus komprimierter Luft ließ die Flammenwaffe zerstieben wie ein Windstoß Konfetti. Yoshi stand neben dem Baum und zielte mit seiner Pistole auf die Feuergöttin. „Kommt auf meine Höhe zurück. Ich gebe euch Deckung.“
Freya umfasste ihre Freundin fester und sprang auf die Höhe des Baumes zurück. Carine bewegte sich vorsichtig nach hinten. Dabei ließ sie die Göttin des Feuers nicht einen Augenblick aus den Augen. „Sag schon, wie geht es ihr?“
„Nichts, was ein wenig Odem nicht heilen könnte“, erwiderte die Eisländerin.
„Kein Odem der Unteren Ebene kann die Wunden heilen, die ich euch zufügen werde“, grollte Irele zornig. „Eine Torch und eine Wassergesegete halten mich nicht auf.“
Aus der nächsten Seitengasse kam Ralf hervor. Im Laufen zog er die Waffe, die Yoshi ihm geschenkt hatte und feuerte ebenfalls eine Torch ab. Sie entwickelte ein Feuerfeld, dass sogar Irele wanken ließ. Doch die Göttin stabilisierte sich wieder. „Auch zwei Torchwaffen bringen mich nicht um.“
Ralf grinste abfällig und trat langsam auf die Göttin zu. Kurz ging sein Blick zu seiner verletzten Göttin. Wütend ballte er die Hände.
„Geh nicht zu nahe ran, Ralf-sama!“, rief Yoshi. „Wir können sie von hier in Schach halten, bis die Frauen fort sind!“
„Vielleicht will ich sie gar nicht in Schach halten.“ Ralf trat einen weiteren Schritt vor und ergriff die Waffe mit der Linken am Lauf. „Wie sieht es aus, Göttin? Du bist doch gerade sicher wütend, oder? Willst du dich nicht ungestraft an jemandem abreagieren? Es muß doch keine Göttin sein, oder? Nimm doch einfach mich. Mach mich fertig, verbrenne mich, töte mich, wie es dir gefällt. Du wirst nicht mal bemerken, dass die anderen überhaupt da waren.“
Misstrauisch beäugte die Feuergöttin den Menschen. „Du opferst dich für sie?“
Ihr eigentlich hübsches Gesicht bekam einen sadistischen Zug. „Akzeptiert. Ich werde dich langsam sterben lassen.“
„Ralf!“, rief Freya aufgeregt. „Das kannst du nicht tun!“
„Ralf-sama! Denk doch an Mako-chan!“
„Das tue ich ja gerade! Zieht euch zurück, sofort! Yoshi-kun, du deckst ihren Rückzug.“
Ralf sah die Göttin an und nickte schwer. Er warf die Waffe hoch in die Luft. Hinter der Göttin ging sie zu Boden. „Bist du bereit?“
„Bereit für die Folter?“, fragte Irele und leckte sich die Lippen. Es hinterließ kleine Flammenzungen.
„Nein“, erklang es hinter ihr. „Für mich.“
Als Irele herum wirbelte, warf sich Ralf in Deckung, für den Fall der Fälle.
Hinter der Feuergöttin stand Mako-kun. Er hatte die Torchpistole aufgefangen, als Ralf sie geworfen hatte. Und bevor die Feuergöttin richtig nach hinten gesehen hatte, feuerte er eine Serie von vier Schuss auf sie ab. Von vorne fiel Yoshis neue Waffe mit ein. Freya ließ ein Wasserrohr platzen und traf Irele mit einem armdicken Strahl. In diesem Wust aus Feuer-, Luft-, Erd- und Wasserattacken ging die Feuergöttin zu Boden. „IHR!“, rief sie und sprang in die Luft. Ihre Schmerzensschreie klangen noch lange in der Straße nach, während sie schon lange auf dem Weg zum Kampfwagen des Feuers war.
Ralf sah ihr nach. „Machen wir, dass wir weg kommen, bevor noch mehr auftauchen.“
„Ich bin dafür“, sagte Mako-kun. „Freya, gib Mako-chan erst mal genügend Odem, damit sie den Weg übersteht. Heilen werden wir sie Zuhause.“
Der Gott sah Yoshi an. „Tolle Waffe. Wo, sagtest du, hat dich Georgio untergebracht?“
Der Nihon-jin zog eine schwarze Sonnenbrille hervor. „Frag lieber nicht.“
Ralf hatte derweil seine Göttin auf seine Arme genommen. „Was machst du auch immer für Sachen“, hauchte er mit ihrem Gewicht auf seinen Armen.
Die Göttin öffnete die Augen einen kleinen Spalt und sagte: „Nur für dich…“

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4.
Trema, die Herrin des Erdclans, kam nicht von Bord ihres Kampfwagens. Obwohl von dort Götter aufbrachen, um sie zu begleiten, erreichte die Herrin der Erde das Rathaus mit einer großen Limousine. Als sie ausstieg, ging ein Raunen durch die Menge. Das enge, hellbraune Kleid mit dem Symbol des Erdstamms als einzigen Schmuck bedeckte die Göttin vorzüglich. Allerdings so eng, dass die Vorzüge dieser überirdischen Schönheit mehr als zur Geltung kamen. Schmuck hätte an der großen, schlanken und schönen Frau deplatziert gewirkt. Lediglich ihr kunstvoll hochgestecktes Haar unterstrich ihre Göttlichkeit.
Die Erdgöttin erwartete am Fuß des Rathauses ihr Gefolge. Kailin war hingegen unter dem Schutz seiner Leibwache aufgebrochen.
Bewunderndes Raunen für die Herrin der Erde klang aus den Reihen der Zuschauer auf.
Als ihr Aufgebot vollständig war, lächelte Trema freundlich in die Runde und betrat das Rathaus.
Respektvoll machten ihr die Menschen Platz.
Schon nach wenigen Schritten aber applaudierte jemand Trema, der Legendären. Der Freundin der Menschen. Der Gütigen. Und löste damit einen wahren Begeisterungssturm aus, den Trema mit unbewegtem Lächeln aufnahm. Nur das Funkeln ihrer Augen verriet, wie sehr sie die Reaktion der Menschen freute.
Auch ihr Gefolge, bestehend aus den bedeutendsten Göttern des Clans der Erde zeigten offen ihre Freude über den Empfang ihrer Herrin.

Als Trema den Konferenzraum erreichte, dankte sie ihrem Gemahl mit einem Nicken für seine Arbeit und wandte sich direkt Kailin zu.
Ihre helle Haut wurde von zorniger Röte übertüncht, als die Erdgöttin den Feuergott mit einem harten Blick maß. „Kailin, Herr des Feuers. Dein Clan versteht es zu überraschen in letzter Zeit. Zuerst der Gebetsmarathon, dann die Reaktivierung des Kampfwagens, danach die Kündigung des Vertrages von Hethit… Und das alles nur, weil du Angst von den Menschen hast?“
Kailins Haare versanken in Flammen, die wütend wie geschlagene Peitschenenden von seinem Kopf fuhren. Die umstehenden Menschen traten hastig einige Schritte zurück, obwohl das Gefolge des Feuergotts ohnehin niemanden nahe hatte heran treten lassen, um von den Flammenhaaren getroffen zu werden. „Angst vor den Menschen? Hüte dich, Frau. Du sprichst mit dem Herrn des Feuers!“
Trema erwiderte den Blick kalt. „Und du, Trema, sprichst mit der Herrin der Erde!“
Eine Zeitlang starrten sich die Erdgöttin und die Feuergöttin an und maßen sich im stillen Wettstreit des Willens.
Als Kailin von einem seiner Untergebenen angesprochen wurde, unterbrach er den Blickkontakt automatisch, was ihn sichtlich wütend genug machte, dass seine Flammenhaare wuchsen und schwarze Striemen auf dem Tisch vor ihm hinterließen. Der Feuergott, der ihn gestört hatte, ließ sich davon aber nicht beeindrucken, sondern berichtete seinem Herrn flüsternd.
Kailin wurde bei jedem Wort ruhiger und seine Flammenhaare verwandelten sich wieder in seinen ehrwürdigen silbernen Haarschopf.
Er lächelte liebenswürdig, als er die Herrin der Erde wieder fixierte. „Trema, gute Freundin. In solch einem wichtigen Moment, am Scheideweg der Zeit, sollten wir uns nicht mit billigen Spielchen messen. Wie ich gerade erfahren habe, ist der Kampfwagen der Luft ebenfalls eingetroffen. Heress kommt soeben auf die Erde herab.“
Wenn Trema von der Nachricht überrascht war, zeigte sie es nicht. Die Luft war neutral, seit je her. Mal verbündet, mal Gegner der Erde. Ebenso verhielt es sich mit dem Clan des Wassers und seiner Herrin Agrinal. Trema wusste, dass auch die Wasserherrin ihren Kampfwagen ausmotten würde und auf die Untere Ebene herab kommen würde. Und das war eine Entwicklung, die der Erdgöttin nicht gefiel. Denn wenn alle vier Oberhäupter versammelt waren, konnten sie tatsächlich den Vertrag von Hethit einseitig widerrufen. Und dazu brauchte Kailin lediglich Luft und Wasser auf seine Seite zu bringen.
Und sollte das geschehen, dann würde nichts mehr so sein wie noch wenige Stunden zuvor.
Trema glaubte nicht daran, dass der alte Feuerkopf einen neuen Vertrag aushandeln wollte – er wollte einen diktieren. Einen Vertrag, der ihre Partner, die Menschen, sehr benachteiligen würde. Wenn er ihnen überhaupt irgendwelche Rechte im Vertrag zugestand.
Was folgen würde, konnte nur ein Krieg sein. Auf welcher Seite sich ihr Clan wieder finden würde, konnte selbst die Herrin der Erde noch nicht sagen.
War es das, was Kailin wollte? Krieg? Und was danach? Eine Obere Ebene, die vollkommen über die Untere Ebene herrschte?
Kailin war ein Rassist, der die Macht der Götter immer wieder betonte und die schwachen Menschen als minderwertig, als Beute hinstellte. Für ihn waren sie nur für eine Sache gut. Odem liefern. Und unter einem Obergott Kailin würden sie eine sehr lange Zeit auf diese Rolle beschränkt bleiben.

Der Eintritt von Herress, der Herrin der Luft, veranlasste Trema, kurz zur Seite zu sehen. Se tauschte mit der Luftgöttin einen kurzen Blick und ein Nicken aus. Und sie sah die Bescherung, bevor die greise Herrin ihres Clans überhaupt ein Wort gesagt hatte. Denn die Götter aus ihrem Gefolge taten einen Schulterschluss mit den Feuergöttern aus Kailins Gefolge.
„Ich will nicht sagen“, begann Herress mit einer Stimme, die klang, als wollte man alte Stahlseile dazu benutzen, um Holz zu sägen, „dass es sinnvoll ist, den Vertrag von Hethit zu kündigen. Damit hast du uns alle überrascht, Herr des Feuers. Aber wenn die Menschen wirklich in der Lage sein sollten, uns Götter zu töten, müssen wir unser Verhältnis zu Unteren Ebene von Grund auf überdenken.“
Trema seufzte ergeben. Das war nicht mehr und nicht weniger als ein Freibrief, um den Vertrag möglichst vorteilhaft für die Götter neu zu verhandeln.
Als auch noch Agrinal eintrat, hübsch wie eine Porzellanpuppe und mit einem Lächeln aus Wachs, glaubte Trema ihre Sache schon verloren. Doch ein kleines Wunder geschah, als die wächsernen Gesichtszüge für einen Moment aufbrachen, um sowohl Herress als auch Kailin mit je einem bösen Blick zu bedenken.
Ohne zu zögern trat die Herrin des Wassers neben die Herrin der Erde. Von dort sah sie in die Runde. „Ehrenwerte Menschen. Ihr Götter. Hohe Lords der Götter. Es ist richtig, was die Herrin der Luft gesagt hat. Wenn die Menschen eine Waffe entwickelt haben, die Götter töten kann, ist dies alleine schon ein Bruch des Vertrags von Hethit. Möge der Herr des Feuers seine Beweise vortragen, und uns dann entscheiden lassen.“
Mit anderen Worten, dachte Trema amüsiert, er sollte seine Beweise vortragen, so er denn welche hatte.

Aus den Augenwinkeln sah Trema, wie mehrere Agenten von HELIOS den Saal betraten. Angeführt wurden sie von einer großen, blonden Frau mit dem für sie so typischen engen Rock. Sie fixierte Trema einen Moment durch ihre Sonnenbrille hindurch, und für einen winzigen Moment meinte die Erdgöttin zu sehen, wie sich die Lachfältchen an den Augenwinkeln zusammen zogen.
Agrinal forderte mit einer sanften Berührung ihre Aufmerksamkeit ein. „Wir haben ein Problem, Trema“, flüsterte die Wassergöttin und sah in die Aufstellung. Kailin stand noch immer am Stirnende des Konferenztisches, umgeben von seiner Garde und einigen Menschen wie dem Bürgermeister und wichtigen Ratsherren. Dort hätte eigentlich mittlerweile der Ministerpräsident Mittlands stehen müssen. Mochten die Dämonen wissen, was ihn aufhielt.
Auf der linken Tischseite stand Herress und beanspruchte die Seite für sich und ihr Gefolge. Hinter ihr säumten Reporter und HELIOS-Agenten die Wand. Die Opposition zu Kailin beanspruchte Trema für sich; hinter ihr stand ihr Gefolge, ihr Gemahl und weitere Reporter sowie HELIOS-Agenten.
Die rechte Seite blieb leer, denn Agrinal teilte sich mit Trema eine Seite. Ein mehr als deutliches Zeichen, wo der Clan des Wassers in dieser Angelegenheit stand.
„Ich weiß“, hauchte Trema zurück. „Kailin wird noch einen Krieg heraufbeschwören. Einen Krieg, in dem ein Clan durchaus zwischen die Fronten geraten kann.“
„Das meine ich nicht“, erwiderte Agrinal und folgte lächelnd der Einladung Kailins, am Konferenztisch Platz zu nehmen.

Der Herr des Feuers wirkte konzentriert, als er begann. „Das Problem, vor das uns die Menschen stellen, ist um einiges schwieriger, als sich alle Anwesenden vorstellen können. Es ist der Lauf der Welt, dass selbst Götter irgendwann einmal sterben. Wir werden geboren, wir sterben. So ist es nun einmal.
Aber die Menschen haben etwas Ungeheuerliches erschaffen.“
Der Herr des Feuers stützte sich auf der Tischplatte ab und erhob sich wuchtig.
„Es ist der Odem, Erdgöttin. Die Feuergläubigen beten immer noch“, sagte Agrinal leise. „Und der Kampfwagen hat nur einen kleinen Teil der Vorräte an Odem aufgebraucht, die er für den Transfer durch den Korridor brauchte.“
Trema wollte antworten, aber ein wuchtiger Finger deutete direkt auf sie.
Kailin forderte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ein. „Fragt Trema doch selbst, was die Menschen erschaffen haben. Ihr eigenes Kind hat es spüren müssen!“
Aufgeregtes Raunen ging durch den Raum. Hatten Menschen wirklich einen Gott getötet?
„Das, was die Menschen ihrem Kind angetan haben, lässt es beinahe schon gnädig aussehen, wenn es getötet worden wäre!“, blaffte Kailin mit glutender Flammenmähne und wütender Stimme. „Die Waffe, den sie Götterresonator nennen, hat Tremas Kind nicht nur gefangen, nein, der Resonator hat ihm auch alles Göttliche ausgebrannt! Die Waffe der Menschen macht aus uns Göttern Ihresgleichen!“
Von einem Augenblick zum anderen schrieen alle Anwesenden wild durcheinander.
Trema war erschüttert. Woher wusste Kailin das? Und wie hatte er es gegen sie verwenden können?
In dem Tumult warf die Erdgöttin ihrem Gemahl einen kurzen Blick zu. Nrota trat näher und wartete auf ihre Worte. „Geh, beschütze Mako-chan und Mako-kun. Und bitte Thomas um Hilfe.“
Der Erdgott und Waffenmeister verzog bei den letzten Worten das Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen, aber er nickte schließlich und verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.
„Ruhe, bitte. Ruhe, bitte“, sagte Kailin, als der effektvolle Tumult lange genug angedauert hatte. „Herrin des Erdstamms. Bestätigst du meine Worte?“
Langsam erhob sich Trema und warf einen langen Blick in den Raum. „Es ist wahr“, sagte sie, obwohl sie jede einzelne Silbe zutiefst schmerzte. Wieder brach Tumult aus. Die Menschen schrieen durcheinander und erste Reporter verließen den Saal, um die ungeheuerliche Neuigkeit zu verbreiten.
Trema lächelte dämonisch. Sie hatte ihr Pulver noch lange nicht verschossen. „Aber“, begann sie und hatte sofort die gesamte Aufmerksamkeit der Anwesenden, „dies konnte nur geschehen, weil die Dämonen ein magisches Potentialfeld im Resonator integriert hatten – ohne das Wissen der Menschen. Ein Artefakt, welches der Feuerclan vor gut tausend Jahren nicht in der Lage war zu schützen. Ein Artefakt, von dem der Feuerclan bis heute nicht weiß, wo es sich befindet.“
Der Hieb saß. Beinahe erwartete Trema, Kailin bei diesem verbalen Angriff zu Boden gehen zu sehen. Doch der Feuerherr verhielt sich anders, als die Erdgöttin es erwartete. Er sah sie an und grinste wölfisch.
Trema wurde es plötzlich kalt. Er wusste, wo das Artefakt ist! Er wusste es!
Trema wollte springen, diesen Raum verlassen, reagieren! Der Feuerclan sammelte Odem und suchte ein Artefakt, welches Odem verstärkte! Die Gefahr musste jedem mit ein wenig Verstand ja geradezu ins Gesicht springen.
Trema fühlte ihren Körper übergangslos schwer werden. Neben ihr stieß Agrinal einen Ruf der Überraschung aus, während eine unsichtbare Kraft sie aus ihrem Sessel drückte und zu Boden warf. Rings um Trema herum sanken die Menschen ohnmächtig zu Boden. Auch sie wurde aus ihrem Sessel geworfen und zu Boden gedrückt. Sie verstand. Kailin hatte weit mehr getan, als den Vertrag von Hethit aufzukündigen und seinen Kampfwagen auszumotten. Er hatte den Göttern, die auf der Seite der Menschen standen, eine Falle gestellt.
Der Odem, den er hatte sammeln lassen, bildete ein neues Potentialfeld – ein Feld, dass sich über den Raum senkte, und Mensch und Gott zu Boden zwang.
Gegen ihren Willen Wurde der Kopf der Göttin herunter gedrückt. Aus ihrer neuen Position suchte Trema die Wand ab. Auch die HELIOS-Polizisten waren zu Boden gegangen. Nur ihre Anführerin konnte die Erdgöttin nirgends sehen.

„War es das wert, Kailin?“, fragte Herress mit ihrer alten Stimme, während sie sich erhob.
„Das war es und das wird es sein. Die Anführer und wichtigsten Götter von Erde und Wasser sind in diesem Raum gefangen. Nun hindert uns nichts mehr daran, Inissars Auge an uns zu nehmen und die Untere Ebene zu erobern, Herrin der Luft.“
Mühsam wandte Trema den Kopf und sah, wie die Luftgötter und die Eskorte des Herrn des Feuers den Raum verließen.
Und mit erschreckender Sicherheit wusste Trema plötzlich, wo sich Inissars Auge befand.

5.
„Kommt her! Das müsst Ihr gesehen haben!“, rief Anselm Stein von der Haustür in die alte Villa hinein.
Der Erste war Klaus Fischer. Er sah nach oben und brummte: „Heilige Scheiße. Die Kampfwagen beschießen sich!“
„Was, bitte?“, rief Arnim Kleyn aufgeregt.
„Die Kampfwagen beschießen sich gegenseitig. Es sieht so aus, als würde der Wagen des Feuers zusammen mit dem der Luft den Erdwagen in die Zange nehmen.“
„Heilige Scheiße“, brummte Arnim beim Anblick der Gewalten, die ein Kampfwagen verursachte, wenn er seine Odemgespeisten Waffen abfeuerte.
„Hey, Leute, ich weiß ja, dass sich Mako-chan wieder auf den Weg der Besserung befindet“, sagte Ralf, als er zu den anderen hinaus trat, „aber sind fünf Minuten Ruhe wirklich so viel ver… Bei sämtlichen Dämonen und allem, was meiner Mami heilig ist, was machen die Idioten da?“
Arnim zuckte die Achseln, während der Kampfwagen Agrinals zugunsten der Erde in das Gefecht eingriff. „Krieg führen?“
„Aber… Aber… Götter führen doch nicht gegeneinander Krieg! Das kann doch gar nicht sein!“, rief Ralf zweifelnd.
Mako-kun kam zu ihnen heraus. Er besah sich die Szene und seufzte schwer. „Verschiedene Fraktionen innerhalb der Clans, Ralf. Hast du schon vergessen, was ich dir erklärt habe? Kailin war schon immer etwas extrem. Aber das er wirklich mal so etwas wagen würde… Er bräuchte schon eine wirklich große Unterstützung, um seine Pläne durch zu führen.“
„Du meinst so etwas wie…“, hauchte Freya mit Grabesstimme, „ein magisches Potentialfeld wie Inissars Auge?“
Zwischen Mako-kun und Freya drückte sie eine schlanke, blonde Gestalt durch, zog im Laufen ihre Jacke an und war schon fast an der Straße.
„Dafür, dass es Mako-chan eben noch so schlecht ging, hat sie aber am schnellsten von uns allen geschaltet!“, blaffte Arnim und hetzte der Erdgöttin hinterher.
„Ich weiß, wo Inissars Auge ist!“, rief Mako-chan vom Bürgersteig herüber. „Kommt!“
Ralf reagierte sofort und hetzte der Göttin – seiner Freundin hinterher.
Mako-chan sah zufrieden, wie auch Freya und Arnim los liefen und spurtete ihrerseits davon. Dabei rannte sie einen jungen Mann um.
„Tut mir leid!“, rief sie und kam taumelnd auf die Beine. „Ich habe es leider eilig. Ein Idiot ist in Gefahr!“
„Göttin!“, rief ihr der gestürzte Mann hinterher.
Makoto blieb stehen und wandte sich um. Tatsächlich, sie hatte William Cogsworth umgerannt! Sofort eilte sie zurück und zerrte ihren Verehrer auf die Beine. „Trottel! Warum bist du nicht sofort her gekommen?“
Doch ihre Worte taten ihr sofort leid.
Will war in einem wirklich schlechten Zustand. Seine Haut war stark gerötet, seine Haare teilweise angesengt. In der Rechten hielt er Inissars Auge fest umklammert. „Wäre ich ja. Aber die da hat mich nicht gelassen!“

Er deutete in den Himmel, wo in diesem Moment eine drahtige Frau mit pechschwarzem Haar herab fiel und wenige Meter vor den beiden landete. Als Waffe trug sie eine Art Muskete bei sich. „Tochter von Trema“, sagte sie höflich. „Mein Name ist Bisal. Mir liegt nichts an deinem Leben. Also übergib mir Inissars Auge, und wir gehen alle wieder unserer Wege.“ Fordernd hielt die Waffenmeisterin ihre Hand auf.
Mako-chan betrachtete die geöffnete Hand.
Aus der Erde wuchsen plötzlich Wände, die Bisal umschlossen und dann bedeckten. „Fass das als nein auf, Zicke!“, blaffte Makoto und zerrte William mit sich zurück zum Haus.
Hinter ihr gab es eine Detonation, als Bisals heißes Feuer das Gestein ihres Käfigs sprengte.
„Das hält mich nicht lange auf.“
Eine Serie von Torches schlug in der Seite der Waffenmeisterin ein. Sie wankte für einen Moment und sah dann zur Seite. Ihr Blick fixierte den von Ralf Schneider. „Auch das hält mich nicht auf.“
Sie hob eine Hand, und von ihrem Handgelenk löste sich eine Kette als Flammen, die nach Ralf griff.
„Steh da nicht so dumm rum“, brummte Shawn Ironheart, erschien direkt neben Ralf, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sprang mit ihm zurück zum Haus, bevor die Kette ihn erreichen konnte.
Nun griff Freya an. Sie formte an ihren Händen Wasserpeitschen und schlug damit nach der Feuergöttin. Doch Bisal war zu alt, zu erfahren. Sie benutzte den Lauf ihrer Muskete, um die Wasserstränge abzuwehren.
Arnim und Shawn versuchten es zusammen, von zwei Seiten.
Bisal lächelte amüsiert, als sie Arnims Aura erkannte. „Sieh an, du musst Ausyls Favorit sein. Zu Schade, dass er nicht hier ist, um zu sehen, wie seine große Hoffnung versagt.“
Während sie das sagte, wehrte sie die Flammenklinge Arnims ab und erzeugte mit der anderen einen Flammenball, den sie auf Shawn abfeuerte, sodass dieser ausweichen und seinen Angriff abbrechen musste.
Mako-kun rief: „Freya! Nebel!“
Von einem Moment zum anderen war die Straße in eine derart dicke Suppe getaucht, dass man die eigenen Füße nicht mehr sah.
Shawn sprang zwischen ihnen umher und versammelte sie alle am Hauseingang. Eilig betraten sie die alte Villa und verließen sie genauso schnell wieder durch den Hinterausgang. Sie liefen durch den großen Garten und kamen auf einer unbefestigten Straße heraus. Von dort wandte sich Mako-kun nach rechts und die anderen folgten ihnen automatisch.
„Warum springen wir nicht einfach?“, fragte Arnim ärgerlich.
„Weil sie uns dabei auf der Odemebene sehen könnte, so nahe wie sie uns noch ist. Und dann kann sie uns folgen“, keuchte Mako-chan, die nicht nur selbst lief, sondern auch noch William Cogsworth hinter sich her zog. „Wo willst du eigentlich hin, Mako-kun?“
Der zum Menschen reduzierte Gott blieb übergangslos stehen. „Ich wollte uns nur etwas Zeit kaufen. Das hier ist weit genug. Es wird einige Zeit dauern, bis Bisal uns wieder gefunden hat.“ Über der Straße lag noch immer dichter Nebel. Aber aus dieser dicken Suppe zuckte eine gewaltige Flammensäule in den Nachthimmel.
„Wehe, sie macht das im Haus“, brummte Anselm wütend, „ich räume dann nämlich nicht auf.“
„Scherzkeks“, erwiderte Ralf. „Sind überhaupt alle da?“ Er sah in die Runde und erkannte die anderen fünf Mitglieder seines Kreises sowie William, dazu Yoshi, Klaus und Anselm. Wo die beiden Duvalles waren, Jean und Katy, wusste er nicht. Sie waren zum Glück nicht da gewesen, als William angegriffen worden war.
Ja, damit waren sie wohl vollzählig.

Eine schwere Hand legte sich auf Ralfs Schulter. Müde und abgespannt sah ihn Will Cogsworth an. „Es tut mir leid, Ralf. Ich hatte ja keine Ahnung, welche Last du tragen musst. Es tut mir wirklich, wirklich leid. Und um es wieder gut zu machen, will ich dir einen Teil der Last abnehmen und den Schmuckstein für dich tragen.“
Ralfs Blick ging zu Inissars Auge, dessen Band sich um Williams Hand verheddert hatte. Ahnte der Gäle überhaupt, was er da in der Hand hielt? Ralf bezweifelte es.
„Das braucht es nicht, Will“, sagte Ralf leise. „Gib es mir einfach zurück. Ich kümmere mich darum.“
„Den Wassergöttern sei gedankt“, stöhnte der Gäle erleichtert und fummelte die Schnur von seiner Hand herunter. Wortlos überreichte er das Artefakt an Ralf, der es sich wieder um den Hals hängte. Noch vor wenigen Stunden war dies der sicherste Platz auf der Unteren Ebene gewesen.

Er sah in die Runde. „Inissars Auge ist wieder in unserer Hand. Und ein Gott verfolgt uns. Was also machen wir?“
„Ausweichen!“, blaffte Mako-kun und sprang Ralf an. Der Schwung des Gottes trieb sie beide über einen Zaun. Neben und hinter ihnen spritzten die anderen auseinander. Yoshi zog im fallen seine Waffe und feuerte eine Serie ab.
Drei Meter weiter hinten schoss nun auch Klaus Fischer mit einer torchfähigen Pistole.
Ihr Ziel, die schwebende Bisal, wurde unter drei verschiedenen Odemfeldern verborgen, die auf die Göttin einprügelten.
Bisal taumelte und fiel den Weg bis zum Boden herab wie ein Stein. Erst kurz vor dem Boden fing sie sich ab. Mit einem triumphierenden Blick sah sie, dass die Läufe der beiden Torchpistolen rot glühten und sobald nicht wieder schießen würden.
Flammenbälle schossen von ihren Händen auf die beiden Schützen zu und zwangen sie, über den nächsten Zaun zu hechten.
„Seit wann hast du eigentlich ne Torchpistole?“, rief Yoshi, während er sich neben Klaus in einem Garten abrollte. Hinter ihnen wurde ein Baum getroffen. Die Hitze brachte das Wasser in ihm zum kochen und ließ ihn explodieren.
Klaus zog eine schwarze Sonnenbrille hervor und setzte sie auf, während er herum wirbelte und nach der Feuergöttin suchte. „Frag nicht.“
Yoshis Miene verzog sich zu einem düsteren Grinsen. „Okay.“

„Ihr könnt nicht gewinnen!“, blaffte Bisal und ließ in ihren Händen die Muskete entstehen. Sie richtete den Lauf in die Richtung, in der die anderen geflohen waren. „Ergebt euch und übergebt mir das Auge. Meinetwegen kann ich es auch euren verbrannten Leichen abnehmen!“
Sie schoss und beobachtete fasziniert, wie eine Flammenkugel aus konzentriertem Odem den Lauf ultraschnell verließ und in den Himmel schoss. In den Himmel?
Sie sah herab und erkannte einen kleinen, schwarzhaarigen jungen Mann, der sich mit all seine Kraft gegen den Lauf gestemmt hatte. Zornig sah er die Göttin an. „Ich bin vielleicht nur ein Mensch, aber ich lasse nicht zu, dass du meine Freunde tötest!“
Über ihnen explodierte die Flammengranate und tauchte die Stadt in taghelles Licht.
Ralf wurde übel bei dem Gedanken, dieses Ding wäre ein oder zwei Meter neben ihm eingeschlagen.
„Jean!“, rief Katy, warf sich auf ihren Bruder und zog im Fallen eine elegante kleine Pistole, aus der sie zwei schnelle Schüsse abfeuerte, bevor sie nach einer Rolle wieder auf die Beine kam. Zwei Luftdruckfelder entstanden auf Bisals Körper und drückten die Göttin zu Boden.
Aus ihrer neuen Haltung, den Bruder fest an sich gedrückt, wollte Katy über den nächsten Zaun hechten, aber die Flammenkette schlang sich um ihren linken Knöchel.
Als sie ihre missliche Lage erkannte, stieß Katy ihren Bruder von sich und rief: „Lauf!“
Jean starrte auf seine Schwester, die von der Flammenkette in die Luft geschleudert wurde.
Bisal schien nun wirklich sauer zu werden, denn die Kette rauschte mit Katy am Ende direkt in ein Gartenhaus. „KATY!“, rief Jean und wollte zu ihr laufen, als Arnim direkt neben ihm auftauchte und in trügerische Sicherheit zerrte.
„Meine Schwester! Wir können sie doch nicht…“
„Wieso hat deine Schwester überhaupt eine Torchpistole?“, fragte Yoshi übergangslos.
Der junge Mann aus Terre de France sah zu Boden. „Um mich zu beschützen. Sie ist meine Schwester und mein Bodyguard.“ Er sah Ralf aus traurigen Augen an. „Du hilfst ihr, oder?“
„Ich würde gerne“, erwiderte der Mittländer verzweifelt. „Wenn ich nur wüsste, wie!“
„Jetzt habt Ihr Pack es geschafft!“, blaffte Bisal wütend. „Jetzt bin ich sauer! Sagt Tschüss nur Nachbarschaft!“
Mako-kun riskierte einen Blick und schluckte hart. „Der Boden zu ihren Füßen ist bereits geschmolzen. Sie konzentriert eine Menge Odem. Oh Gott, sie will ihre Waffe erneut abfeuern und lädt sie mit zusätzlichem Odem!“

Ralf sah in die Runde. Dies war der Moment. Der einzige Moment der zählte. War er nur als superstarker Mensch etwas wert? Wurde er nur durch seine Kraft definiert?
Jean, ein hochintelligenter, aber körperlich eher schwacher Bengel, hatte sein Leben riskiert, ohne diese Kraft zu haben. Für ihn. Für die anderen.
Ralfs Blick huschte zur zerstörten Hütte. Die Kette schleifte über den Dachstuhl und zog die bewusstlose Katy mit hinaus.
Dies war der Moment.
Der Gläubige seines Erdgottes erhob sich und zog seine Torchpistole.
„Ralf, nein. Du hast deine Kraft nicht mehr“, wandte Freya ein.
„Erinnert Ihr euch an die Halle? Wie Ihr mir Odem für den letzten Schuss gegeben habt? Vielleicht bin ich nicht mehr so schnell wie früher, nicht mehr so stark. Aber vielleicht bin ich immer noch euer Fokus!“ Ohne lange zu überlegen sprang Ralf über den Zaun. „Yoshi! Bisal wird Katy wahrscheinlich gleich los lassen. Du und Klaus bringt sie und die anderen, die nicht zum Zirkel gehören, dann in Sicherheit.“
„Aber Ralf!“, begehrte Mako-chan auf.
Ihr Bruder legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Er hat Recht. Es muß sein.“ Er nickte Freya und Shawn zu, die über den Zaun und über den Weg hinweg sprangen. Dann sah er Arnim und Mako-chan an. „Nehmt eure Plätze ein.“

Ralf stand auf dem unbefestigten Weg und zitterte. Verzweifelt versuchte er es zu unterbinden. Aber er hatte eben Angst. Vor allem vor dem dicken Lauf, dessen Mündung direkt auf ihn deutete. Wenn die Waffenmeisterin des Feuers abdrückte, würde er nicht einmal mehr Schmerz spüren, so gewaltig würde der Treffer sein.
Und an diesem Punkt überkam Ralf eine eigentümliche Ruhe. Sein Griff wurde fest. Er legte sicher auf Bisal an.
Die Feuergöttin sah es. „Wie nett. Du willst mir also in die Augen sehen, wenn du stirbst. Und das Artefakt hast du mir auch mitgebracht. Sehr freundlich von dir.“
Sie ließ Katy fallen und zog die Kette wieder ein. Zwei schnelle schwarze Schemen links von Ralf sagten ihm, dass Yoshi und Klaus nun die Frau aus Terre de France bargen. Wenn es nicht zu spät war, konnte Odem von einem der Gesegneten ihr Leben retten.
Der Fleck geschmolzener Erde breitete sich weiter um die Feuergöttin aus. Über ihren Körper und die Waffe zuckten Überladungsblitze. In ihre Augen, die bisher nüchtern drein gesehen hatten, trat ein irrer Zug, so als genieße sie das, was sie nun tun würde.
Ralf sah zu Mako-kun herüber und nickte. Der Gott erwiderte das Nicken und verschwand.
„Gebt mir eure Kraft!“, rief Ralf. Zuerst schoss ein Strom blauen Odems heran.
Bisal schoss ihre Waffe ab, und die Granate konzentrierter Odemenergie flog auf Ralf zu. Aber der blaue Odem Mako-chans reduzierte wie eine Wand aus dickem Pudding die Geschwindigkeit der Waffe. Der rote Odem von Arnim kam hinzu, fügte sich fast nahtlos in die Wand ein, reduzierte erneut etwas Geschwindigkeit.
Nun ging es Schlag auf Schlag. Weißer Odem von Freya, gelber von Shawn kamen dazu und stoppten die Waffe fast in der Luft. Von einem Augenblick zum anderen sah es fast so aus, als wäre die Kugel in der Luft gestoppt worden.
Ralf feuerte seine Torch ab. Sie traf die Flammenkugel mittig und stülpte sie teilweise auf. Dennoch flog sie weiter auf ihn zu.
Als der Gläubige zu Bisal herüber sah, wusste er auch wieso. Die Feuergöttin stemmte sich regelrecht in ihren Schuss hinein.
Ralf versuchte dies auch. Er spürte wie sein ganzer Körper zu schmerzen begann. Es war, als würde eine Horde Ratten über ihn herfallen und Fleischstücke aus seinem Leib heraus reißen.
Doch die Granate flog immer noch, und wenn sie ihn traf, war das nicht nur das Ende für ihn.
Also stemmte er sich mehr hinein und schrie überrascht auf, als das Reißen stärker wurde. Aus dem Schmerzensschrei wurde ein Wutschrei, als plötzlich ein Stück von seiner linken Hand verschwand und stattdessen ein paar glitzernde Funken nach oben stieben!
Egal! Hier ging es um das Leben seiner Göttin und seines Gottes, um seine Freunde! Um die gesamte Untere Ebene!
Erneut stemmte sich Ralf in seinen Schuss hinein und stoppte die Granate der Feuergöttin. Langsam, unendlich langsam, während sich seine Beine auflösten, schob sich die Granate zurück.
Ralf spürte Schmerzen in seinem Magen. Er sah heran und erkannte, dass es Phantomschmerzen sein mussten. Er hatte keinen Bauch mehr.
Die Granate wurde von seiner Torch durchbohrt und verpuffte wie eine Flamme, die man ausgeblasen hatte. Sie nahm wieder Geschwindigkeit auf und raste auf Bisal zu.
Die Feuergöttin und Waffenmeisterin starrte die Torch an. „Das ist doch nicht möglich!“
Die Pistole fiel Ralf herab, als sich seine Hände auflösten. Er spürte keinen Schmerz mehr, von einem Augenblick zum anderen. Stattdessen fühlte er sich leicht, so leicht. Er wollte sich Mako-chan zuwenden, sich dafür entschuldigen, dass er… Und dann war nichts mehr.
Bisal schrie erschrocken auf, als die Torch sie traf. Sie wurde durchbohrt. Ihr Leib wurde von Rissen durchzogen. Kurz darauf zersprang sie wie eine Porzellanpuppe. Ihr Fluidum löste sich vom Körper und verschwand mit einem übermenschlichen Schmerzensschrei.

Mako-chan sprang über den Zaun auf die Straße und sah noch, wie sich das Gesicht ihres Gläubigen auflöste. „RALF!“, rief sie und lief auf ihn zu. Sie versuchte, die Funken zu umarmen, ihren Geliebten im Hier zu halten, wie er es für sie getan hatte. Aber es nützte nichts. Auch der Rest von ihm verschwand als goldener Glitter.
„Ralf“, hauchte sie und sank zu Boden. Sie umklammerte ihren Oberkörper und begann leise zu schluchzen.

Aus der Krone eines nahen Baumes sah Carine, was passierte. Als sich Ralf auflöste, schluckte sie schwer. Sie hätte ihrem Bruder helfen können, wenn sie bei ihm und den anderen geblieben wäre. Aber dieser Moment war vorbei.
Ihr blieb nur noch, zurückzukehren, zu hoffen, dass die anderen ihre Ausrede schluckten und den Platz von Ralf einzunehmen. Tränen füllten ihre Augen. „Verflucht, Theresa. Verflucht, Vater!“

Epilog:
Trema wurde noch immer zu Boden gedrückt. Sie als Göttin konnte das einige Zeit aushalten. Ihre Sorge galt den Menschen, die ebenfalls brutal zu Boden gedrückt wurden. Wie lange konnten sie der Potentialfeldfalle standhalten?
Und was geschah, während sie im Kreis um ihren Fokus Thomas fehlte? Hatte Nrota Mako-chan und Mako-kun gefunden? Was hoffte Kailin wirklich zu erreichen?
Himmel, sie wollte hier raus!
Und dann hörte sie es. Leise gemurmelt, schwach, mit wenig Kraft vorgetragen: „Trema, Herrin des Erdclans. Ich glaube an dich. Ich spende dir, du Gütige, Freundin der Menschen, meinen Odem.“
„Agrinal“, fiel eine Frauenstimme ein, „du Hüterin des Lebens. Ich gebe dir meinen Odem.“
Weitere Stimme fielen ein, und Trema wurde bewusst, dass nicht nur die gefangenen Menschen hier im Konferenzsaal beteten, sondern viele tausend weitere Menschen in Klingburg – und hunderttausende darüber hinaus in ganz Mittland!
„Hoffnung“, hauchte sie leise. Es gab Hoffnung.

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Mein Gott, meine Göttin
Zehnter Chapter

Prolog:
Gesegnet zu sein, was bedeutet das? Was ist ein Gesegneter überhaupt?
Es ist allgemein bekannt, dass Menschen den so genannten Odem produzieren, eine Art körpereigener Energie, die wir sinnlos an unsere Umgebung abgeben. Wenn wir uns einem Gott verpflichten, können wir aber diesen Odem an unseren Gott richten, ihn fokussieren, ihn bündeln.
Der Gott empfängt diesen Odem, reinigt ihn, konzentriert ihn und verstärkt damit sein natürlichen Fähigkeiten. Je mehr Odem ein Gott bekommt, desto mächtiger ist er.
Aber ein Gott kann nicht überall sein. Deshalb ernennt er im Laufe seines Lebens Gesegnete, Menschen, die ihm fähig erscheinen, nach seinem Auftrag zu handeln und zu wirken.
Der Gesegnete erhält für diese Arbeit einen permanenten Anteil am Odem seines Gottes und verfügt damit in einem gewissen Maß über die gleichen Fähigkeiten wie sein Gott.
Erdgesegnete verformen Materie, Luftgesegnete beherrschen den Wind.
Wassergesegnete verformen Wasser nach ihrem Willen und Gesegnete des Feuers herrschen über die Flammen.
Doch da ist mehr, weit mehr.
Gesegnet zu sein heißt nicht, Odem von seinem Gott zu bekommen und fortan Aufträge für ihn zu übernehmen. Gesegnet zu sein bedeutet ein großes Geschenk zu erhalten.
Denn dadurch, dass sie über Odem in konzentrierter Form verfügen, sind sie zu weit mehr in der Lage, als das ihnen zugewiesene Element zu beherrschen.
Eine der bemerkenswertesten, aber gewiss nicht wichtigsten Fähigkeiten, die Gesegnete entwickeln, ist die Fähigkeit, mit ihrem Odem zu heilen. Mit geradezu phantastischer Sicherheit erstellen sie exakte Diagnosen, empfehlen komplette Therapien oder beseitigen Krankheitsherde mit der Kraft ihres Odems selbst.
Viele Götter halten ihre Gesegneten dazu an, ihre Mitmenschen zu heilen. Tatsächlich ist jeder zwanzigster Gesegneter in irgendeiner Weise in Krankhäusern und ähnlichen Einrichtungen involviert.
Diesen Gesegneten ist es zu verdanken, dass unser Durchschnittsalter nun bei neunzigeinhalb Jahren liegt.
Doch die Gesegneten selbst, so sie nicht in einem der Kriege fallen, die von ihren Göttern geführt werden, erhalten das größte Geschenk: Ein beinahe dreihundert Jahre langes, gesundes Leben.
(Aus der Doktorarbeit von Jaques Vaillard)

1.
Thomas Schneider saß in seinem Büro und starrte in dem abgedunkelten Raum auf die Wand aus Fernsehern. Acht Geräte. Acht Kanäle. Und alle zeigten das gleiche. Luft-Götter und Feuer-Götter, die sich mit ihren Kontrahenten von Wasser und Erde heftige Kämpfe lieferten. Nebenbei machten ihre Gesegneten Jagd auf die Gesegneten der anderen Clans.
Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, um die öffentliche Ordnung wenigstens ansatzweise aufrecht zu erhalten. Und HELIOS, die Organisation, die in so einem Fall eingreifen sollte, verhielt sich passiv.
Was war in der Ratskammer passiert? Seit einigen Minuten kämpften auch die Kampfwagen miteinander und machten das Chaos komplett. Es war zum verrückt werden. Ein Moment mit vielen Chancen und genau so vielen Wegen direkt ins Verderben.
Thomas sah nicht einmal auf, als hinter ihm ein Geräusch entstand. Aber er legte die Hand auf seinen eingefalteten Kampfstab, der griffbereit neben ihm auf dem Schreibtisch lag.
„Friede, Mensch“, erklang eine bekannte Stimme hinter ihm.
Thomas wippte mit seinem Sessel nach hinten und neigte den Kopf zurück, bis er den Ankömmling sehen konnte. „Nicht so dramatisch, ja, Nrota?“ Er streckte eine Hand aus. „Gib mir fünf und lass sie gerade sein.“
Der Erdgott und Waffenmeister grinste schief und schlug mit der Rechten auf die dargebotene Handfläche. „Schön, dich zu sehen. Leider habe ich keine Zeit zum plaudern über alte Zeiten. Und du auch nicht.“
„Sieht ganz so aus. Das da hast du mit bekommen?“, fragte Thomas und deutete auf einen Fernseher, der zeigte, wie sich der Kampfwagen der Erde im Kreuzfeuer von Luft und Feuer wieder fand.
„Etwas. Ich werde gleich auf den Kampfwagen gehen und versuche zu retten, was zu retten ist. Aber Trema hat mir einen Auftrag mitgegeben und gebeten, dich aufzusuchen. Eigentlich sollten wir das zusammen machen. Aber jetzt muß ich dich bitten, es alleine zu machen. Ich… Ich werde woanders genauso dringend gebraucht.“
„Was für ein Auftrag ist das, Nrota?“
„Trema hat eine Ahnung, wo sich Inissar befindet.“
„Inissars Auge“, korrigierte Thomas. Er drehte den Sessel herum, stand auf und griff nach seinem Kampfstab. „Eines unserer Kinder hat es, richtig? Sie waren die einzigen, die nahe genug mit ihm in Berührung gekommen sind. Es war klar, dass so etwas passieren würde.“
Nrota nickte. „Ihr beide hättet daran denken sollen. Mein Kind wäre vom Auge fast vernichtet worden. Irgendwann musste es ja wieder auf das Potentialfeld treffen. Ich überlasse alles weitere dir, Thomas. Beeil dich, denn Trema hat den Verdacht, dass Kailin auch weiß, wo das Auge ist.“
Der große Mann ließ den Kampfstab auseinander fahren. „Ist gut, Nrota. Ich wünsche dir viel Glück, mein Freund.“
Der Gott reichte dem Menschen die Hand. Aber auf halbem Wege erstarrte die Bewegung und er fixierte einen leeren Punkt in dem Büro. „Du bekommst Besuch. Jemand springt.“
Alarmiert fuhr Thomas herum.
Kurz darauf entstand ein menschlicher Körper vor dem Mann und dem Gott, wurde unscharf, löste sich beinahe wieder auf und materialisierte dann doch.
„Marianne!“, rief Thomas aufgeregt und fing die stürzende Frau auf.
Nrota kam von der anderen Seite. „Sie ist sehr geschwächt, dem Tode nahe. Von wo immer sie gesprungen ist, es hat fast all ihre Kraft gekostet. Äh, du hast doch nichts dagegen, wenn ich…“
Erstaunt sah Thomas den Gott an. „Äh, nein, du kannst ruhig… Ich meine, tja, es rettet ihr Leben, oder?“ Er lachte verlegen. Der Erdgott lachte nicht minder verlegen. „Also, ich mach dann mal.“ Übervorsichtig senkte er seine Lippen auf die der HELIOS-Agentin und blies ihr Odem in den Mund. Der Strom an Energie belebte die Frau sichtlich, und bevor es sich die beiden versahen wurde aus der Odemgabe ein Kuss.

Marianne riss die Augen auf und unterbrach den Kuss barsch. „DU! Was denkst du dir eigentlich, Nrota?“ Wütend wand sich die HELIOS-Agentin aus den Armen der beiden Männer.
„Entschuldige bitte, dass du im Sterben lagst und ich dir Odem gegeben habe, um dich zu retten“, rief Nrota beleidigt. „Musst du immer so empfindlich sein, Marianne?“
„Im Sterben?“, fragte sie erschrocken.
„Zumindest warst du sehr geschwächt“, räumte der Waffenmeister etwas verlegen ein.
„Na, deine Belohnung hast du dir ja schon geholt, was?“, erwiderte sie schnippisch.
Die Augen des Gottes blitzten beleidigt auf. „Du hast mich geküsst, das möchte ich nur mal feststellen. Schon wieder. Bald muß ich deswegen eine Strichliste führen, um beim zählen nicht durcheinander zu kommen.“
„Hey, Hey, Hey!“, fuhr Thomas dazwischen. „Ist ja nett zu sehen, dass ihr euch auch nach hundert Jahren immer noch gut versteht. Aber ich würde doch gerne mal ins Detail gehen. Wo kommst du her, Marianne? Und warum hat dich der Sprung fast umgebracht?“
„Kailin hat Theresa verraten!“, rief die Frau im Tonfall eines Menschen, der beinahe etwas Wichtiges vergessen hätte und nun mit Lautstärke die Geschwindigkeit ausgleichen wollte. „Sie, ihr Gefolge und Agrinal mit ihren Leuten sind im Rathaus in eine Falle gegangen! Kailin und seine Götter haben den Odem-Marathon dazu genutzt, ein temporäres magisches Potentialfeld zu erschaffen, dass alles was nicht zum Feuer und zu der Luft gehört, gefangen hält und zu Boden drückt!“
„Das ganze Gefolge?“, rief Nrota aufgeregt. „Warte mal, dann fehlen uns fast zwanzig Kämpfer, Trema eingeschlossen! Wir müssen etwas für ihre Rettung unternehmen, auch wenn es sie nicht umbringen wird.“
„Du vergisst eines. Inissars Auge verstärkt Odem, richtig? Was wenn sie das Auge mit dem Feld kombinieren? Wie sieht es dann mit Theresa und den anderen aus?“, fragte Thomas.
„Sie werden verletzt.“ „Und die Menschen getötet. Und Agrinal und Theresa bleiben gefangen, so lange Kailin und Heress dies wünschen“, fügte Marianne hinzu. Langsam stand sie auf. Die beiden Männer kamen ebenfalls auf die Beine. „Was also nun?“
„Wir wissen vielleicht, wo das Auge ist. Nrota, deine Aufgabe ist nun wichtiger als jemals zuvor. Bring die beiden Kampfwagen hier raus. Wir werden sie noch bitter benötigen.“
Der Erdgott nickte schwer. „Was musste das verdammte Auge auch wieder auftauchen?“
Er klopfte Thomas zum Abschied auf die Schulter. „Beschütze mein Kind, Mensch.“
„Natürlich, mein Gott.“
Marianne zog den Waffenmeister am Kragen des Ravirs zu sich heran und gab ihm einen Kuss. „So, den kannst du wirklich auf deine Liste setzen, Nrota. Jetzt geh und untersteh dich, dich töten zu lassen.“
„Keine Einwände“, erwiderte der Gemahl von der Herrin des Erdclans und sprang.

Marianne sah zu Thomas herüber, der sie wütend musterte. „Was?“
„Ich wusste immer, dass ihr mehr füreinander empfindet als Freundschaft. Fing es so an damals? Erst heimliche Küsse und dann HELIOS?“
Marianne wandte sich abrupt ab. „Ich muß die restlichen Einheiten von HELIOS koordinieren. Im Ratshaus sind dreißig meiner besten Agenten gefangen. Wenn ich den Rest nicht koordiniere, stehen wir auf verlorenem Posten. Sieh du zu, dass Kailin das Auge nicht kriegt.“
„War es so? Sei ehrlich zu mir, Marianne.“
„Was war so? Habe ich dich gebeten, unsterblich zu werden? Habe ich dich gebeten, meine Kinder an die Götter abzugeben? Wollte ich wirklich jemals mehr sein als Mutter und Ehefrau?“
„Du bist ungerecht. Du weißt, wir hatten bei Ralf und Carine keine andere Wahl.“
„Und du bist nicht weniger ungerecht. Du weißt genau, dass ich HELIOS gründen musste. Nicht nur, weil mein Leben ohne meine Kinder so… So leer war. Meine Eltern hatten ihr Leben gewidmet, um die GUARDS zu schaffen, eine neutrale Einrichtung, die als Schild zwischen Dämonen, Menschen und Götter treten sollte. Ihre Vernichtung ließ mir keine andere Möglichkeit, als an ihren Gräbern zu versprechen, ihren Traum nicht sterben zu lassen. Mir blieb gar nichts anderes übrig, Thomas.“
In Thomas´ Augen standen Tränen. „Ich weiß ja ich weiß. Aber es ist so leicht, so verlockend, einfach alles auf einen Gott schieben zu können. Auch wenn er ein Freund ist. Oder gerade deswegen. Vielleicht hätten wir nie zueinander finden sollen.“
Die HELIOS-Agentin hob eine Hand und wischte Thomas Schneider die Tränen von den Wangen. „Ich hatte nie etwas mit Nrota, auch nicht, nachdem wir getrennte Wege gegangen sind, Thomas. HELIOS hat mich viel zu sehr eingenommen. So sehr, dass ich nicht einmal Zeit für dich hatte, als du die Kinder zurück erhalten hast. Ich gebe zu, es war eine Flucht. Nicht noch mehr Verantwortung. Nicht den alten Schmerz aufreißen. Lieber den sicheren Status Quo aufrechterhalten. Aber so ist Leben nicht. Leben ist dynamisch und verändert sich.
Ich kann dir nicht versprechen, dass ich nicht irgendwann doch auf Nrotas Spitzbubenaugen herein falle. Vielleicht will ich das auch gar nicht. Aber ich verspreche dir, dass ich nichts dagegen habe, wenn du einen Teil deines Lebens mit der Erdgöttin teilen willst. Ich mag sie. Und sie hat für meine, für unsere Kinder gesorgt, als nichts so aussah, dass es irgendwie noch gut ausgehen konnte.
Es tut mir nur leid, dass ich mir selbst nie die Gelegenheit gegeben habe, Ralf und Carine auf ihrem Weg ins Erwachsensein zu begleiten. Nun ist es vielleicht zu spät, diesen Fehler wieder gut zu machen.“
Marianne legte ihre Hand in den Nacken des schwarzhaarigen Mannes, zog ihn zu sich herüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich muss wieder einmal alles in deine Hände legen, Thomas. Ich schäme mich dafür, aber wir haben beide unsere Aufgabe in dieser Welt. Du als Teil des Zirkels, ich als Verteidiger der Menschheit. Bitte beschütze Ralf und Carine für mich. Und vielleicht, wenn die Zeiten besser sind, stellst du sie mir vor.“
Thomas ergriff ihre Hand und drückte sie. „Das werde ich. Theresa glaubt, dass Inissars Auge bei unseren Kindern ist. Das macht es vielleicht leichter, diesen Konflikt zu überstehen.“
„Dann geh jetzt. Geh.“ Marianne löste sich von ihm und verschwand.

Thomas zwinkerte ein paar Mal. Dann zog er eine schwarze Sonnenbrille aus seinem Anzug hervor und verließ sein Büro. Seine Sekretärin erwartete ihn bereits. Sie sah nicht danach aus, aber durch ihre Hände gingen die Geschicke einer als mittelständischer Betrieb getarnten Holding, die Mehrheiten bei fünf Konzernen hielt.
„War der Besuch von Frau Schneider und dem Waffenmeister des Erdclans positiv, Sir?“, fragte sie sanft.
Thomas nickte. „Das war er, Marta. Wie sieht es aus auf den Straßen? Ist es noch ruhig oder geht es bereits los?“
„Die Feuergötter beginnen bereits damit, kleinere Kapellen von Erdclan und Wasserclan zu beschädigen, um die Betenden davon abzuhalten, ihren Göttern Odem zu spenden. Es sieht ganz danach aus, als wollten sie länger hier bleiben.
Thomas grinste schief. „Soll mir Recht sein. Marta, rufen Sie den Werksschutz zusammen. Der Schutz unserer Anlagen hat höchste Priorität. Lassen Sie Pistolen und Torches austeilen.
Ich brauche an Absolventen der Ersten und Zweiten Stufe, was immer wir entbehren können. Sind auch welche der Dritten in Klingburg?“
„Wir konnten diese Entwicklung nicht vorher sehen, Sir. Deshalb sind bis auf Ihre Tochter alle anderen fünf über die Welt verstreut. Ich habe sie aber bereits zurück beordert. Ich denke nicht, dass diese Schlacht Morgen schon vorbei ist.“
„Hoffentlich nicht“, erwiderte Thomas und legte seinen Kampfstab auf seine Schulter. „Denn das würde bedeuten, dass wir verloren haben.“
„Natürlich nicht“, erwiderte die Sekretärin. „Zwanzig Mitglieder des Werksschutzes erwarten Sie in der Lobby. Es sind fünf Dämonen darunter, Sir.“
„Gut. Ich muß meine Kinder beschützen.“
„Natürlich, Sir. Viel Erfolg.“ Die Sekretärin trat zur Seite und gab den Weg frei. „Und gnade ihren Gegnern.“
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Nach dem geheimnisvollen Verschwinden von Ralf – an seinen Tod wollte niemand aus der WG glauben – waren sie wieder ins Haus zurückgekehrt. Während Shawn seine Sinne als Wind-Gesegneter ausspannte, um die nähere Umgebung zu überwachen, diskutierten die anderen eifrig miteinander. Nur Mako-chan, die Erdgöttin, saß in einer Ecke, hatte das Gesicht auf den Knien vergraben und ihre Beine umklammert.
Niemand wagte es, in ihre Richtung zu sehen.
Verlegen legte Katy eine Hand hinter ihren Kopf und lächelte. Sie war noch nicht dazu gekommen, ihre zerrissene Kleidung zu tauschen. Und ihr war sicher nicht bewusst, dass die Risse in ihrem Oberteil durch diese Bewegung weit mehr Haut zeigten, als sie es für gewöhnlich schon tat. „Tut mir leid, Leute“, begann sie leise. Vor ihr lag die schmale belitalienische Beretta A4 Torchthrower, die sie im Kampf gegen Bisal benutzt hatte. „Vor allem, dass es auf diese dumme Art rauskommen musste. Wisst ihr, ich bin eigentlich keine Studentin. Keine richtige zumindest.“
„Nicht, dass uns das jetzt noch wundern würde“, kommentierte Arnim leise und mit einem schmalen Grinsen.
„Nicht wirklich“, fügte Shawn auf seine wortkarge Art hinzu.
„Also, was bist du? Gehörst du auch zu einem der Clubs da draußen?“, hakte Anselm Stein interessiert nach. „Götter, Dämonen? HELIOS?“
Klaus Fischer zuckte bei der Erwähnung der Polizeiorganisation leicht zusammen, sagte aber nichts.
Katy seufzte tief und schwer. „Tut mir leid, Jean“, murmelte sie und legte beide Hände in ihren Schoß.
Als sie wieder aufsah, lag ein großer Ernst in ihrem Blick. „Es… Es ist nicht so wichtig wie eure Angelegenheiten. Ich kämpfe nicht mit Göttern oder Dämonen, muss mich nicht gegen irgendwelche Großkonzerne verteidigen oder werde von Verrückten in schwarzen Bodysuits und Wurfsternen gejagt. Beinahe kommt es mir banal vor, was ich hier tue.“
Sie atmete tief ein und wieder aus. „Ich gehöre zum Auslandsgeheimdienst von Terre de France.“
Arnim grinste schief. „Na endlich mal was Neues. Und, welche Interessen hat dein Geheimdienst hier in Klingburg? Wollt Ihr auch beim Götterreigen mitspielen?“
„Nein“, sagte Jean und erhob sich. „Ich bin ihr Interesse in Klingburg.“
„Jean“, flüsterte Katy und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Der junge Mann lächelte ihr beruhigend zu. „Wir sind unter Freunden, das weißt du doch.
Mir kommt es auch reichlich banal vor. Ich meine, nach allem, was ich in diesem Haus erlebt habe, nachdem ich Götter gesehen habe, ist alles andere so… Klein.
Mein Name ist nicht wirklich Jean Duvalle. Ich heiße eigentlich Christian Vaillard. Das ist meine Schwester Kathrine. Ja, wir sind wirklich Geschwister.“
Arnims Augen begannen zu leuchten. „Du bist doch nicht etwa…“
„Er ist einer von Terre de France´ Topstudenten“, bemerkte Carine, als sie den Raum betrat.
„Wo kommst du denn plötzlich her?“, fragte Mako-kun überrascht, aber die Schwester von Ralf ging nicht darauf ein.
„Genauer gesagt ist er eines ihrer Wunderkinder. Sein derzeitiger IQ liegt bei hundertdreiundachtzig, und er hat bereits im zarten Alter von drei Jahren sein erstes Computerprogramm geschrieben. Der Staat fördert ihn seither mit allen Mitteln, und die Medien treten sein Leben breit. Insoweit alles korrekt?“, fragte Carine in Richtung Katys.
Die nickte schwer. „Ja. Jean, ich meine Chris hatte nie das, was man als Privatleben ansehen konnte. Zuhause ist er sehr bekannt – zu bekannt. Ein Spielzeug der Medien und der Gesellschaft. Das haben sogar die Leute eingesehen, die ihn ursprünglich gefördert haben.
Vor einem Jahr, als ich in den Geheimdienst eingetreten bin, haben sie die Gelegenheit genutzt und ihn nach Klingburg geschickt, abseits des Trubels, um hier wenigstens ein oder zwei Jahre lang als normaler junger Mann leben zu können. Da die Staatliche Klingburg Universität eine der besten in Mittland und Europa ist, fiel seine außergewöhnliche Begabung nicht in dem Maße auf. Ich wurde als Bodyguard mitgeschickt, was mir persönlich sehr recht war. Einer muß sich ja darum kümmern, dass er sich regelmäßig die Haare färbt und seinen Tarnnamen nicht vergisst. Denn ich gönne meinem kleinen Bruder die freie Zeit. Zuhause wird er das nicht mehr haben. Dann ist er zu wertvoll für das Land und muß der Allgemeinheit dienen.“
„Aber alles in allem ist es im Gegensatz zu euren Problemen banal“, fügte Christian hinzu. „Tut mir leid, dass ich euch das nicht früher erzählt habe. Und tut mir leid, dass ich euch damit belästige.“
Freya erhob sich von ihrem Platz und ging zu dem jungen Mann aus Terre de France herüber. Sie klopfte ihm auf die Schulter. „In einem wichtigen Punkt hast du Recht. Wir sind Freunde. Und egal, wie wichtig oder banal deine Probleme sind, wir teilen sie mit dir.“
„Mir wird so einiges klar“, brummte Klaus leise. „Warum er gegen einen Gott auf fünf Schachbrettern zugleich gespielt hat.“
Verlegen senkte Christian den Kopf. „Äh… Die Herausforderung war einfach zu verlockend.“

Mako-kun schmunzelte. „Hat vielleicht noch jemand etwas, was er uns gerne beichten möchte? Klaus? Yoshi? Anselm? Carine?“
„Dafür ist jetzt keine Zeit“, erwiderte Carine ernst, und aus dem fröhlichen frechen Mädchen, dass so vehement mit Mako-chan um ihren Bruder gekämpft hatte, wurde eine gezielt agierende, entschlossene Frau. „In der ganzen Stadt bricht das Chaos aus, und wir müssen ab jetzt das Auge beschützen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Bisals Fluidum die Obere Ebene erreicht und dort berichtet, was sie über Inissars Auge weiß. Wenn sie nicht bereits einem anderen Gott oder einem ihrer Gesegneten ihr Wissen vor dem Angriff mitgeteilt hat.“
„Du bist erstaunlich gut informiert“, bemerkte Arnim leise.
„Besser als du glaubst, Feuergesegneter“, erwiderte sie. „Inissars Auge ist ein Potentialfeld, welches Odem verstärkt. In diesem Moment sammelt der Feuerclan so viel Odem wie noch nie zuvor seit dem Großen Krieg gegen die Dämonen. Kriegen sie das Auge in die Hände und multiplizieren sie somit die Kraft ihres Odems, wird die Untere Ebene bald vom Feuerclan regiert werden.“
Mako-chan sah von ihrem Platz auf. „Du warst da. Du hast es gesehen. Du hast Ralf sterben gesehen“, klagte sie an.
Carine wollte antworten, senkte aber betreten den Kopf. „Ja, ich war da. Ja, ich habe es gesehen.“
Ein erschrockenes Raunen ging durch den Raum.
„Und du hast ihm nicht geholfen“, schluchzte Mako-chan. „Was bist du nur für eine Schwester?“
„Auch dafür ist später noch Zeit“, erwiderte Carine und hielt der Göttin auffordernd die Hand hin. „Nun aber müssen wir uns um das Auge kümmern. Gib es mir, bitte. In meinen Händen ist es am sichersten Ort auf dieser Welt.“
Mako-chan ließ ihre Beine leicht zur Seite knicken. Dabei wurde das magische Potentialfeld sichtbar, das als glimmendes Juwel auf ihrem Schoß ruhte. „Das ist es also? Du wolltest die ganze Zeit nur das Auge haben? Deshalb hast du Ralf sterben lassen?“ Neue Tränen füllten Makotos Augen. „Und du glaubst, ich gebe es dir so einfach?“
„Ja. Weil ich es besser beschützen kann als du, Göttin.“
„Beschützen oder für deine eigenen Zwecke missbrauchen?“, schrie sie wütend. Mako-chan sprang auf und raste auf Carine zu. Die wich aus, tauchte unter den Armen der Göttin hinweg und stellte sich hinter sie. „Ich will dir nicht wehtun müssen, Makoto.“
„Das hast du schon, als du Ralf hast sterben lassen!“, erwiderte die Göttin zornig und setzte zu einem Drehkick an, der aber statt Carine nur die Wand traf. Ihr Bein zog eine Schneise durch das Mauerwerk. Doch Ralfs Schwester stand bereits woanders.
„Wie kommst du nur auf den Gedanken, dass Ralf tot ist?“, fragte sie amüsiert. In ihren Händen hielt sie Inissars Auge. Mit einer geübten Bewegung hängte sie sich die Schnur um den Hals. Kurz ging ihr Blick durch den Raum, aber keiner der Anwesenden macht Anstalten einzugreifen.
„Was sollte er sonst sein?“, blaffte Makoto und griff frontal an. Sie landete einen schweren Hieb auf Carines Magen. Doch diesmal erwartete sie den Schlag, blockte ihn nicht einmal ab. Blitze aus Odem zischten von der getroffenen Stelle auf und irrlichterten durch den Raum.
„Mako-chan, ich will dir doch nichts böses. Weißt du nicht mehr, wir sind Freunde.“
Carine nahm den Kopf der Göttin in ihre Hände und legte die Stirn auf ihre.
Die Angriffsbewegung der Göttin erlahmte. So etwas wie Erkenntnis huschte über ihre Augen. „Ca… Carine.“
Mako-kun trat neben sie und legte je eine Hand auf Carines und Mako-chans Schulter. Er lächelte leicht. „Ich erinnere mich jetzt, Carine.“
Zögernd nur nickte Mako-chan. „Die Odempuppe, nein, die Puppen – das wart du und Ralf? Aber warum? Was… Warum?“
Carines kurzes Lächeln über den Moment der Erkenntnis bei der Göttin wich wieder einer ernsten Miene. „Um unsere Leben zu retten. Aber dazu später mehr. Bitte, Mako-chan. Mako-kun. Arnim, Shawn, Freya. Ihr alle. Vertraut mir. Das Wichtigste ist es jetzt, Inissars Auge zu beschützen. Helft mir dabei.“
„I-ich etwa auch?“, fragte William Cogsworth ängstlich.
„Nein, du nicht speziell. Du solltest aber trotzdem hier bleiben, für den Fall, dass die Feuergötter glauben, du hättest das Auge noch.“
Resignierend nickte der Mann von den Gälischen Inseln.
„Also, seid Ihr dabei?“
Nacheinander nickten die Anwesenden. „Wenn es schon um das Schicksal der Welt geht“, bemerkte Freya amüsiert. „Abgesehen davon, dass sowieso einer auf Mako-kun aufpassen muß, oder?“
„Ich weiß nicht, was ich dazu beitragen kann“, meldete sich Anselm zu Wort, „aber ich lasse euch nicht im Stich.“
Die anderen erhoben sich von ihren Plätzen und nickten.
„Gut. Shawn, ich habe die Odemspuren des Auges so gut es geht verschleiert. Halte du die Tarnung auf der Odemebene aufrecht.
Katy, Klaus, Yoshi. Nehmt eure Pistolen und haltet Wache. Sie werden uns wertvolle Zeit erkaufen, wenn der Feuerclan uns findet.
Anselm, Christian, Will, wir werden nicht dazu kommen, wenn der Kampf losgeht. Und er wird losgehen, verlasst euch da drauf. Also geht bitte in die Küche und macht belegte Brote für alle. Der Rest bleibt bitte hier zum Kriegsrat.“
„Carine“, sagte die Göttin nachdrücklich. „Was ist mit Ralf? Ich habe ihn sterben sehen! Ich habe die Funken berührt, in die er sich aufgelöst hat. Wie kann er noch leben? Wo ist er?“
„Ich habe nicht gesagt, dass er noch lebt. Ich habe nur gesagt, er ist nicht tot. Und wo er ist? Er ist dort wo alle Dämonen sind, wenn sie vergehen.“
Alarmiert riss Mako-kun die Augen auf. „Dämon? Ralf?“
„Was? Das kann nicht sein. Ralf ist doch kein…“
Carine schüttelte energisch den Kopf. „Später, dafür ist jetzt keine Zeit. Draußen in der Stadt überschlagen sich die Ereignisse. Und so oder so werden sie uns erfassen. Ich erkläre alles, wenn wir uns organisiert haben. Also, einen Zirkel können wir leider nicht aufbauen, dazu fehlt mir die Fähigkeit. Aber Ihr habt zusammen gekämpft und seid aufeinander eingespielt. Wir…“
Die Göttin wechselte einen langen Blick mit ihrem männlichen Gegenpart. Der strich ihr über die Wange. „Vertraust du ihm nicht?“
Mako-chan senkte den Blick und lächelte. „Doch.“
„Na also. Warten wir auf ihn.“ Gemeinsam setzten sie sich zu den anderen.

2.
„Wie der Internationale Pressedienst verlautete, reagiert die Gemeinschaft Afrikanischer Staaten sowie die Sahara-Koalition auf die unrechtmäßige Festsetzung ihrer obersten Gottheit Trema und ihrer Gefolgsleute. Die Sahara-Koalition hat den Verteidigungsfall ausgerufen, während von den Marine-Stützpunkten Kapstadt, Dar-el-Salam und Djibouti die Neunte, die Vierte und die Erste Flotte ausgelaufen sind. Ziel der drei Flugzeugträgerverbände ist ein massiver Angriffsschlag gegen die Länder des Feuerclans in Südamerika.
In einer Stellungnahme sagte Admiral Kuyper, Oberkommandierender der GAS-Marine: Wir können unseren Göttern nicht zu Hilfe kommen. Aber wir können sie entlasten, indem wir ihr Gefolge beschäftigen. Dies ist der Dank für tausend Jahre Wohlstand, Gesundheit und Frieden, den wir nun unseren Göttern entrichten.
Gerüchte zufolge reagierten bereits zwei der südamerikanischen Staaten und bereiten nun ihre Küsten gegen eine Invasion vor.“
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Als Ralf die Augen aufschlug, erwartete ihn ein Anblick, wie er phantastischer kaum sein konnte. Es war, als würde er in purem Licht baden. Licht in allen Facetten, ohne grell zu wirken, umspülte ihn, umschmeichelte ihn und trug ihn träge dahin.
Es war ein schönes Gefühl. War er tot? War dies die Welt nach dem Tod? War dies das Ende? Kurz erinnerte er sich daran, wie er die Torch auf Bisal abgefeuert hatte und sein Körper sich unter diesen gewaltigen Schmerzen aufgelöst hatte. Doch es erschien ihm so fern, so unendlich weit zurück in der Vergangenheit. Hie fühlte er sich so frei, so gelöst.
„Es ist schön hier, nicht?“, erklang eine Stimme neben ihm.
Schlagartig erwachte Ralf aus dem schönen Dahindämmern. Er wurde sich bewusst, dass er einen Körper hatte. Und das er… Das er… „MAKOTO!“
Suchend ging sein Blick umher. Ob tot oder nicht, er musste zurück! Hatte er Inissars Auge noch? Wenn nicht, war es umso schlimmer. Wie fand er nur den Rückweg?
Ralf merkte kaum, dass ihn seine Bewegungen um alle drei Achsen rotieren liess. Bei einer dieser Bewegungen kam ein grinsender Rotschopf in seine Sicht der zum Gruß die Hand erhoben hatte. Die Gestalt war merkwürdig durchscheinend, aber Ralf erkannte ihn sofort.
„DU!“, rief er wütend und versuchte, sich wieder in seine Richtung zu drehen. „DU BIST DAS! IBRAN!“
Der Dämon trieb näher und half, Ralfs sinnloses herumtaumeln zu stoppen. „Du musst denken, wie du dich bewegen willst, Ralf. Kraft nützt dir hier überhaupt nichts. Nur Macht zählt.“
Der junge Schneider ließ sich stabilisieren, schüttelte dann aber die merkwürdig durchsichtigen Hände seines Gegenübers ab.
„Mürrisch, eh?“, kommentierte Ibran. „Schweren Tag gehabt?“
„Was interessiert dich das eigentlich? Du hast versucht, mich zu töten. Meinen Gott zu töten. Meine Freunde zu töten! Wenn ich könnte wie ich wollte, dann…“
„Gut, gut“, erwiderte der Dämon und hob abwehrend die Hände. „Vielleicht habe ich hier und da etwas übertrieben.“
„Einen Gott zu töten nennst du etwas übertrieben?“, blaffte Ralf gereizt und versuchte, Ibrans Kehle zu erreichen – was ihn erneut taumeln ließ. Doch diesmal nahm er den Rat des Dämons an und konzentrierte sich auf seine Bewegungen und stabilisierte sich mit der Kraft seines Geistes.
„Im Nachhinein finde ich es auch etwas… Gemein. Aber Hey, ich musste die Gelegenheit nutzen. Ich habe immerhin über tausend Jahre darauf gewartet, das Auge benutzen zu können.“
„Muss es dann gleich für einen Mord an einem Gott sein?“
„Was denkst du, wofür Kailin es mir gegeben hat, hä? Damit ich meine Post mit dem Artefakt beschwere?“
Ralf stockte. „Äh… Der Herr des Feuerclans hat…“
„Was denkst du denn, wie ein Dämon sonst in den Besitz von Inissars Auge gekommen sein sollte?“
Ralf fühlte, wie sich ein gewaltiger Kopfschmerz hinter seiner Stirn zusammen braute. „Moment, Moment, das muß ich erst einmal verdauen. Das will mir nicht in den Kopf. Ein Gott gibt dir die Möglichkeit, einen Gott zu töten? Dir, einem Dämonen?“
„Es… Es ist etwas komplexer als du es jetzt aussehen lässt, aber… Ja. In etwa stimmt das.“
„Aber warum?“
„Warum nicht? Für Kailin ist es ein Spiel um die Macht, und für mich ist es nicht viel anders. Selbstverständlich hätte ich Kailin irgendwann betrogen und das Artefakt ausschließlich für unsere Sache benutzt.“
„Dräng mich da bitte nicht mit rein. Ich habe mit deinem Dämonenscheiß nichts zu schaffen“, erwiderte Ralf barsch.
Ein grausames Lächeln umspielte die Lippen Ibrans. „Das brauche ich gar nicht. Denn du bist ja einer von uns.“
„Einer von euch?“, fragte Ralf verunsichert.
„Ein Dämon. Dein Name ist Reder, nicht wahr?“
Ein eiskalter Schauer ging durch Ralfs Körper, der ihm bewusst machte, dass er noch einen besaß. „Was?“, brachte er mühsam und stockend hervor. „Was?“
„Ja, Junge, wo glaubst du eigentlich, sind wir hier? Dies ist das Dämonenfeld. Hierhin kommen alle Dämonen, die getötet oder zu sehr geschwächt werden. Also auch du, Reder.“
Die Kälte ballte sich in Ralfs Magen zusammen und wollte nicht mehr weichen. Mühsam ächzte er nach Luft. „Aber… Vater… Ich meine, er hat versprochen, dass ich ein Mensch bin.“
„Das bist du ja auch. Na, du warst es zumindest“, sagte Ibran süffisant und genoss sichtlich seinen Informationsvorsprung.
„Erkläre mir das!“, rief Ralf aufgebracht.
Ein zynisches Lächeln umspielte die Lippen des Dämons. „Okay. Ich sage dir alles, was du wissen willst. Und auch Dinge, die du nicht wissen willst, aber gebrauchen kannst. Im Gegenzug tust du mir einen Gefallen.“
„Welchen Gefallen?“, fragte Ralf argwöhnisch.
„Es ist offensichtlich, dass du nicht hier bist, weil du verloschen bist. Dir wurde eine Aufgabe mitgegeben, die du hier erfüllen sollst. Vielleicht kehrst du danach auf eine der drei Ebenen zurück.“ Die Züge Ibrans entstellten sich vor Erwartung. „Damals, in der Halle mit dem Auraspürer, hast du mich fast vernichtet, Reder. Mich, einen der ältesten und mächtigsten Dämonen der Weltgeschichte. Älter und mächtiger als selbst Javala oder Maho. Oder dieser selbstverliebte und sich maßlos überschätzende Hoa. Du hättest fast geschafft, was nicht einmal der Zirkel der Götter damals in der Alten Schlacht geschafft hat. Du hättest tatsächlich einen Dämon ausradiert.
Dein Angriff hat mich so viel Kraft gekostet, dass ich auf Jahrtausende hierher verbannt bin, um wenigstens annähernd genügend Kraft zu sammeln, um auf die Untere Ebene zurückkehren zu können.
Wenn du also das Dämonenland verlässt, nimm mich mit.“
„Warum sollte ich das tun? Du wärst nur ein weiterer Gegner für mich“, blockte Ralf ab.
Ibrans Blick verdüsterte sich. „Ich lese deine Gedanken. Ich sehe, was in Klingburg passiert ist. Es wird zum Kampf kommen. Zum Kampf um das Auge. Du wirst jeden gebrauchen können, der gegen die Götter ist. Jeden, Reder.“
„Du bist ein Verbündeter Kailins, oder?“
Ibran winkte ab. „Wir haben einander benutzt. Er weiß nicht, wie alt und mächtig ich bin und sieht mich längst als nutzlos an. Und wenn ich ihm nicht nütze, kann er mich genauso gut töten. So denkt und handelt der Herr des Feuers.“
„Du wirst mich betrügen“, unterstellte Ralf dem Dämonen.
„Nein, das werde ich nicht. Denn auch wenn meine Methode umstritten ist, so habe ich immer nur das Beste für mein Volk gewollt.“
„Nett, dass du dich um die Dämonen sorgst“, spottete Ralf, spürte aber, wie sich die Kälte in seinem Magen auf den ganzen Körper ausdehnte.
„Ich rede nicht von den Dämonen“, sagte Ibran leise, fast drohend und bestätigte damit Ralfs düstere Vorahnung. „Ich rede von unserem Volk, Reder. Von der Menschheit.“
Ralf gestand sich ein, dass er nun wirklich Informationen brauchte. Nötiger denn je. Und Ibran war seine beste Quelle. „Gut, Dämon, ich werde im Austausch für Informationen versuchen, dich mitzunehmen, wenn ich… Falls ich diese Ebene wieder verlassen kann. Aber versprich mir eines: Greif nie wieder Makoto an! Keinen von beiden.“
Wieder senkte der Dämon den Blick. „Reder, ich… Ich lebe schon so lange und führe meinen Krieg gegen die Götter ununterbrochen. Die lange Zeit, die große Macht haben mich oft genug abstumpfen lassen, mich verführt, einen leichteren, schnelleren Weg zu finden. Dies wird wieder über mich herein brechen. Heute, Morgen, in einem Jahrzehnt. Ich kann dir nur eines versprechen. Ich werde Makoto nicht sofort angreifen, wenn wir auf die Untere Ebene zurückkehren. Mehr kannst du nicht verlangen, wenn du wirklich deine Informationen willst. Und die wirst du brauchen, wenn du diesen Ort verlassen willst.“
Wütend knirschte Ralf mit den Zähnen. „Einverstanden, auch wenn es mir nicht gefällt.“
„Gut. Dann folge mir.“ Ibran setzte sich in Bewegung. Ralf holte schnell auf und bewegte sich neben ihm durch das strahlende Licht. „Wohin fliegen wir?“
„Zu den Antworten, junger Gläubiger. Zu den Antworten. Und sie werden dir nicht gefallen.“
„Was anderes hätte mich jetzt auch sehr gewundert“, erwiderte Ralf in einem Anflug von Galgenhumor.
**
„Mehr Kraft auf die hinteren Schubfelder!“, rief Nrota den fünf Göttern zu, welche den Kampfwagen manövrierten. Das Manöver war riskant, aber der Waffenmeister sah keine andere Möglichkeit, wenn er der Vernichtung entgehen wollte. Der Kampfwagen war zu wertvoll, um ihn hier zu verlieren. Und er war zu schwer beschädigt, um noch länger hier zu bleiben. Nachdem sie den Abflug des Wagens des Wassers gedeckt hatten, blieb Nrota nur noch eine Option. Durch die Mitte.
Flüchtig sah der Waffenmeister zurück auf die Darstellung des Ratshauses, auf dem für alle Götter deutlich sichtbar das magische Feld lastete. Er musste fliehen, jetzt, für den Moment, und seine Herrin schutzlos zurück lassen. Seine Herrin und so viele seiner Kameraden. Aber er würde wieder kehren. Wenn sie es nur bis zu diesem Punkt schafften, zu diesem einen Punkt!
„Wir schieben uns nun direkt zwischen die Kampfwagen von Feuer und Luft“, meldete Geret, der Wagenlenker.
Heftige Erschütterungen bewiesen, dass beide Wagen die Gelegenheit nutzten, um den Wagen der Erde ordentlich in die Mangel zu nehmen.
„Feuer erwidern. Mit allem was wir haben. Beide Seiten volle Salve!“, befahl Nrota und betrachtete mit grimmiger Zufriedenheit, wie die Energieblitze aus Odemenergie nicht minder hart bei den Gegnern einschlugen als bei seinem Kampfwagen.
Dann war für einen Moment Ruhe. Alle drei Kampfwagen luden ihre Waffen wieder auf. Dazu war es nötig, dass die Götter an den Waffenkontrollen neuen Odem raffinierten, zielrichteten und dann auf Gedankenbefehl abfeuerten. Dies kostete ein paar Sekunden, die Nrota zu nutzen gedachte.
„Soll ich?“, rief Geret herüber. „Noch nicht. Halte den Kurs.“
Langsam aber sicher schob sich der Kampfwagen der Erde direkt zwischen die beiden gegnerischen Wagen. Auf beiden Seiten sah man deutlich die Vorbereitungen der Besatzungen, den Erdwagen zwischen ihren Breitseiten zu zermalmen. Beide Wagen luden ihre Waffen nach und richteten sie auf seinen Wagen.
Nrota zögerte noch immer. Wenn er den entscheidenden Moment verpasste, war alles verloren.
„JETZT!“, blaffte er, und Geret ließ den riesigen Kampfwagen hart absacken. Sie fielen über hundert Meter wie ein Stein und Nrota befürchtete schon, sie würden den Rest bis zur Innenstadt Klingburgs auf die gleiche Weise zurücklegen. Aber da stabilisierte Geret den Wagen unter großer Anstrengung. Über ihnen tauschten Luft- und Feuerwagen die Breitseiten aus, die eigentlich für Nrota und den Erdclan gedacht waren. Durch das waghalsige Manöver beschossen sich die Verbündeten nun gegenseitig.
Ein eisiges Lächeln glitt über das Gesicht des Waffenmeisters. „Leg uns auf die Seite und gib dem Feuerwagen Saures“, sagte er zufrieden.
Geret nickte und neigte den Kampfwagen soweit, bis die Steuerbordgeschütze den Kampfwagen des Feuers unter Beschuss nehmen konnten. Die volle Breitseite feuerte und trug ihren Teil zur Verwüstung der gewaltigen Apparatur bei.
„Das wird sie hoffentlich etwas aufhalten“, murmelte Nrota. „Geret, wie weit noch bis zu Tremas Kirche?“
„Der Dom des Erdclans ist noch fünf Minuten entfernt. Kampfwagen der Luft und des Feuers haben das Feuer aufeinander eingestellt. Der Wagen der Luft beginnt die Verfolgung.“
Hatten sie seinen Plan erahnt? Durchaus möglich, wenn auch nicht willkommen.
„Auf Kurs bleiben. Überlastet die Triebwerke, bringt uns hier weg. Nehmt dazu jedes Jota Odem, das Ihr kriegen könnt. Und wenn der Wagen auseinander bricht: Wenn wir es nicht bis zur Kirche schaffen, sind wir verloren.“
Ein harter Ruck ging durch den Kampfwagen der Erde, als er abrupt beschleunigt wurde.
„Vier Minuten, Geschwindigkeit steigt“, meldete Geret. „Wir schaffen es, Waffenmeister!“
Nrota lächelte schwach. „Gebt dem Kampfwagen des Wassers Bescheid. Wir sind noch im Rennen. Hat er sein Ziel bereits erreicht?“
Suchend ging Nrotas Blick über Klingburg. Tatsächlich, er erkannte den Kampfwagen des Wassers in einige Kilometern Entfernung, wie er direkt über der Hauptkirche Agrinals zum Halt kam. Von der Spitze der Türme sprangen weiße Blitze aus purem Odem herauf und umhüllten dem Wagen wie eine zweite Aura. Das war die große Chance des Kampfwagens des Wassers. Und es würde auch die große Chance seines Wagens sein. Die direkte Unterstützung durch die eigenen Gläubigen.
Dies war der einzige Vorteil, den sie in dieser unfairen und verratenen Schlacht hatten. Erde und Wasser besaßen ein riesiges Kontingent an Gläubigen in der Stadt.
Gewiss, auch die Luft war hier sehr gut vertreten. Aber die Gläubigen des Feuers waren doch eher spärlich gesät, und wenn waren sie Ausyl zugetan. Und der stand nach dem Verrat Kailins an ihm bestimmt nicht auf dessen Seite. Nicht mehr.
„Eine Minute“, sagte Geret ruhig. Schon begannen die ersten Strahlen blauen Odems nach ihnen zu tasten. Mehrere umstehenden Kapellen entließen ebenfalls puren Odem. Auf dem Platz vor der Kirche konnte Nrota selbst von hier Tausende betende Menschen erkennen.
Dankbarkeit durchflutete ihn. Dankbarkeit und der Wille, diese Menschen zu schützen. Wie er es immer getan hatte.
**
Mako-chan wirkte nun um einiges energischer, jetzt wo sie hoffen konnte, dass Ralf doch nicht tot war. Oder vielmehr noch nicht. Aber Mako-kun konnte sie damit nicht täuschen. In einer ruhigen Minute nach der Aufgabenverteilung durch Carine nahm er sie beiseite und ging mit ihr auf sein Zimmer.
„Hältst du es für klug, wenn wir uns von den anderen trennen?“, fragte die Göttin und ließ sich auf das Bett fallen. „Hm, wenn ich daran denke, dass ich dieses Zimmer freiwillig aufgegeben habe… Und das nur, um auf die prüden Gefühle der Menschen Rücksicht zu nehmen.“
Mako-kun sah sie an und nahm neben dem kleinen Tisch Platz. „Was macht dir Sorgen, Mako-chan?“
„Sorgen? Na alles macht mir Sorgen. Der Feuerclan. Die Dämonen. Wo Ralf geblieben ist. Ich komme gar nicht mehr von meinen vielen Sorgen los.“
Der Gott schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht.“
Mako-chan sah ihre andere Hälfte erstaunt an. „Mehr Sorgen habe ich nicht.“
Der Gott lachte leise auf. „Das kannst du den anderen erzählen. Denen kannst du vorspielen, dass die lebenslustige und etwas naive Göttin wieder voll da ist. Aber nicht mir.“
„Bruder…“ „Ich bin mehr als dein Bruder, genauso wie du mehr als meine Schwester bist. Wir waren mal eins, und wir können irgendwann wieder eins werden. Ich kenne alle deine Gefühle und alle deine Sorgen. Ich war du. Also sprich es aus. Behalte es nicht für dich, sonst frisst es dich auf.“
Mako-chans Augen versanken in Tränen. Sie setzte sich auf und sah auf den Fußboden hinab. „Ich… Ich habe solche Angst. Ich weiß nicht, was Carine damit gemeint hat. Ist Ralf jetzt ein Dämon, oder was? Dämonen sind unsere Feinde. Ist er jetzt auch unser Feind? Ich habe Angst vor dieser Antwort, unglaubliche Angst.“
Mako-kun erhob sich, setzte sich neben die Göttin und nahm sie in den Arm.
Sie sank gegen seine Schulter, und beinahe fühlte es sich so an wie vorher, bevor der Resonator mit Hilfe von Inissars Auge ihnen die Spaltung angetan hatte. „Es ist, als wäre ein Schleier vor meinen Augen fort gezogen worden. Jetzt wird mir so vieles klar. Alles bekommt einen Sinn. Alles… ist, als wäre es lange geplant gewesen und fällt nun nach und nach an den richtigen Platz.
Ich… Wir haben Ralf schon immer gekannt. Er war bei uns, als wir noch eins waren, auf der Oberen Ebene, er und seine Schwester. Die meiste Zeit haben sie geschlafen, aber ab und zu waren sie auch mit uns zusammen. Wir sollten auf ihn treffen, und ich weiß nicht, ob wir nicht auch Carine wieder sehen sollten. Es war so bestimmt worden, und wenn es unsere Eltern getan haben, habe ich überhaupt nichts dagegen.“
Mako-kun lachte leise. „Ich ebenso wenig, Mako-chan.“
„Es ist so viel durcheinander gegangen. Der Resonator, die anderen. Das Artefakt. Alles haben wir immer irgendwie wieder gerade gerückt. Aber wenn Ralf nun ein Dämon geworden ist, wenn er unser Feind geworden ist, müssen wir ihn dann bekämpfen? Wir sind Götter!“
„Es wird sich zeigen. Ruhig, es wird sich zeigen“, beschwichtigte er die Göttin leise.
„Ich will nicht gegen ihn kämpfen, Mako-kun. Ich will nicht. Und wenn es mich das Leben kostet. Ich will ihm beistehen, ihn beschützen. Egal, was er ist. Ich will für ihn da sein.“
„Das wirst du. Wir werden das.“ Mako-kun sah ihr in die Augen. „Fühlst du dich jetzt besser?“
„Ja“, erwiderte Mako-chan und rieb sich die Nase. „Besser. Und du? Alles in Ordnung?“
Der Gott lächelte sanft. „Wir haben vor kurzen alle Erinnerungen und alle Gefühle geteilt. Und einen Körper. Ich empfinde für Ralf nicht weniger stark als du, vielleicht auf eine etwas andere Art. Aber ich habe auch die gleichen Sorgen wie du. Als ich deine Sorgen zerstreut habe, da habe ich auch meine zerstreut, Schwester.“
„Das ist gut“, sagte die Göttin und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich weiß nicht wieso, aber du bist stärker als ich. Trotzdem will ich nicht nur alles bei dir abladen. Ich will auch für dich da sein.“
Der Gott sah seine andere Hälfte an. „Wenn du für mich da sein willst, wollen wir dann wieder verschmelzen? Unsere Macht zurück erlangen? Ein vollwertiger Gott werden?“
Für einen Augenblick dachte Mako-chan darüber nach. „Es gibt nur einen Grund für mich, mir selbst diese Frage zu stellen“, sagte sie nachdenklich. „Und das ist, ein Noch nicht zu hören.“ Mako-kun nickte lächelnd. „Aber ich muss es dir anbieten. Immerhin sind wir eins.“
Mako-chan nickte ebenfalls. „Noch nicht, mein Bruder. Noch nicht. Im Moment nützen wir so am meisten. Ich als Teil des Kreises und du als unser Koordinator. Wenn sich diese Zeiten ändern, können auch wir uns noch ändern.“
„Gut gesprochen“, erwiderte der Gott.

Die beiden erhoben sich wieder und verließen den Raum. „Ach, Mako-chan, weißt du eigentlich, warum Carine und Ralf bei uns auf der Oberen Ebene waren?“
„Keine Ahnung. Wenn du es auch nicht weißt, wie soll ich es dann wissen?“, erwiderte die Göttin.
„Wenn Ihr es nicht mehr wisst“, klang Carines Stimme auf, die draußen neben der Tür auf die beiden gewartet hatte, „Ralf und ich lagen im sterben. Deshalb haben Thomas und Mutter uns auf die Obere Ebene gebracht. Vielleicht erzähle ich euch später mehr dazu. Aber jetzt kommt runter. Es gibt gleich eine Sondersendung zu der Entwicklung mit den Kampfwagen.“
„Wieso im sterben?“, hakte Mako-chan nach.
Carine, die schon die Treppe erreicht hatte, sah indigniert zurück. „Himmel, Mako-chan, was an später hast du nicht kapiert? Aber meinetwegen. Ralf und ich waren zu mächtig. Unsere eigene Kraft drohte uns zu zerreißen, versteht Ihr? Nein? Dachte ich mir. Also wartet, bis ich Zeit habe, um es euch ordentlich zu erklären.“
„Die Sendung fängt an!“, rief Arnim von unten. „Hey, der Kampfwagen des Erdclans hat sich gerettet!“
„Wir kommen!“, erwiderte Carine und stand plötzlich nicht mehr oben an der Treppe, sondern unten im Türrahmen zum ehemaligen Speisezimmer.
Mako-kun stürzte ans Geländer und sagte: „Mann, die hat es wirklich drauf.“
Mako-chan verzog verächtlich die Lippen. „Ja, ja, so seid Ihr Männer. Mit großen Brüsten und den Fähigkeiten eines Supergesegneten seid Ihr ja so leicht zu beeindrucken. Wirst du Freya jetzt untreu?“
Abwehrend hob der Gott die Hände. „Nun mach mal halblang, Mako-chan. So was habe ich nie gesagt und nie gedacht.“
Die Göttin sah ihre andere Hälfte an und zog das linke Augenlied herunter. „War nur Spaß.“
„Oh. Na warte, du“, rief Mako-kun und versuchte seine Schwester einzuholen.

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3.
Als es an seiner Bürotür klopfte, griff Norton Andrew Myers automatisch zu dem Schulterholster unter seinem Jackett. Doch die Waffe war nicht da. Er hatte sie der Frau gegeben, in die er sich verliebt hatte. Machten ihn die Nachrichten derart nervös, dass er bereits glaubte, hier in der Universität attackiert zu werden? „Herein“, sagte er.
Als Antwort erfolgte ein weiteres Klopfen. Norton sah auf. Was würde das werden? Ein Anschlag oder ein Studentenulk?
Vorsichtig erhob er sich von seinem Schreibtisch und ging zur Wand. „Herein.“
Als Antwort klopfte es wieder. Es war weit nach zehn Uhr Abends. In den Straßen Klingburgs herrschte beinahe Ausnahmezustand. Gesegnete und Götter lieferten sich Gefechte, während Dämonen aus ihren Löchern krochen, um sich ihren Teil an Göttern und Gläubigen zu holen. In welche Kategorie gehörte sein Besucher? „Herein“, sagte Norton zum dritten Mal.
Wieder erklang das Klopfen. Er pirschte sich an den Türgriff heran, duckte sich und riss die Tür auf. Doch nichts geschah. Niemand schoss. Keiner stürmte herein. Es gab keine wütenden Schreie und keinen Tumult.
Langsam erhob sich Norton und lugte um die Tür.
Hätte er das besser nicht getan! Vor seiner Bürotür stand der größte Dämon, den er jemals zuvor gesehen hatte! Bleich und erschrocken schluckte er hart.
„Entschuldigen Sie, dass ich nicht eingetreten bin“, sagte der Riese mit einer Stimme, die mild und sanft war, was seiner gehörnten und schuppigen Erscheinung vollkommen widersprach, „aber ich wollte Ihre Wände nicht beschädigen, Norton.“
Der Mann aus den Coast States erholte sich nur langsam von dem Schreck und richtete sich auf. Dann stellte er sich direkt vor die Tür. Er verbeugte sich formvollendet. „Mein Name ist Norton Andrew Myers. Ich bin Doktor für…“
„Ihr Name, Norton, ist Nam, und Sie sind ein Dämon des Ostküstenzirkels. Soviel weiß ich schon über Sie. Was ich aber gerne wissen möchte ist: Warum sind Sie hier in Mittland?“
Norton überdachte seine Optionen. Der Dämon vor ihm musste alt sein, uralt.
„Verzeihung, Herr, aber darf ich Ihren Namen erfahren?“
Der Riese nickte leicht. „Mein Name ist Javala.“
Norton erschrak. Javala. Einer der großen Namen in den Reihen derer, die den Status Quo mit den Göttern aufrechterhalten wollten.
Er entschloss sich zur Wahrheit. „Ich bin als Beobachter hier, Meister Javala. Seit einigen Jahren beobachtet der Ostküstenzirkel einen unerklärlichen Transfer von Personal und Material des Luftclans nach Klingburg. Verantwortlich dafür ist eine ultrakonservative Bewegung innerhalb des Luftclans, die für die vollkommene Ausrottung der Dämonen und die absolute Versklavung der Menschheit steht.“
„Und?“ „Was, und?“ „Und was haben Sie heraus gefunden, Norton?“
Norton senkte den Kopf. „Teile des Personals und der Materialien gingen tatsächlich in den Bau des Auraresonators, weshalb ich auf ihn aufmerksam wurde. Lange Zeit hielt ich Doktor Prokovniewa für eine Luft-Gesegnete oder eine maskierte Göttin dieses Clans.
Das andere Material ging aber an die hiesigen Kirchen von Herress. Dort wurde es verwendet, um vermehrt Gläubige zu gewinnen und jene, die bereits gläubig sind, stärker an ihre Kirche zu binden.“
Der riesige Dämon legte den Kopf schräg. „Das deckt sich auch mit unseren Beobachtungen.“ Der Riese atmete aus und schien dabei etwas zu schrumpfen. „Aber obwohl wir es gesehen haben, obwohl es direkt vor unseren Augen geschah, konnten wir es nicht verhindern.“
„Wie steht der Europarat zu den Vorgängen, Professor Vaillard?“, fragte Norton geradeheraus.
Der Dämon sah ihn erstaunt an und schrumpfte dann zu dem kleinen, älteren Herrn, der diesen Namen trug. „Gut, Sie haben es herausgefunden, Norton. Wann? Beim essen, als ich Hoa zerstreut habe?“
„Früher“, entgegnete Norton mit dem Anflug eines Lächelns. „In der Halle, als wir beide Natalia beschützt haben. Klar, als die Torches mich getroffen haben, konnte ich mich dank meiner Kräfte selbst heilen. Aber Sie wurden auch getroffen, und das mehr als einmal. Das Sie unverwundet waren, war doch ein sehr deutlicher Hinweis, Professor.“
Der grauhaarige Mann lachte laut. „Tatsächlich? Ich glaube, ich werde langsam alt. Hüten Sie sich davor, älter als dreitausend zu werden, Norton. Das Interesse an Details lässt dann sprunghaft nach.“ Der Ältere nickte und trat in das Büro ein.
„Ich schulde Ihnen noch eine Antwort, Norton“, stellte er fest.
„Richtig. Wie stehen Sie zu den Vorgängen, Professor Vaillard?“
Der alte Mann ließ sich in den Sessel vor dem Bürotisch sinken und atmete leise aus.
„Normalerweise würde ich in so einem Fall nichts tun. Ich würde die Götter einander die Köpfe einschlagen lassen. Denn unser Handlungsgrund war das Überleben der Menschheit, nicht mehr und nicht weniger. Aber an diesen Zeiten ist nichts normal, junger Mann.“
Jaques Vaillard fixierte den Doktor, während dieser sich in seinen eigenen Sessel fallen ließ. „Nicht, wenn der Feuerclan den Menschen einreden wird, dass Dämonen Götter töten können und uns damit aus dem Verborgenen reißen. Nicht wenn der Feuerclan das Gleichgewicht der Clans zerstört und alleiniger Herrscher über die Untere Ebene wird. Nicht wenn für die Menschen eine ewige Nacht anbricht. Nicht wenn das alles ermöglicht wird, weil es plötzlich genügend Menschen im Gebiet des Feuerclans gibt, die genügend Odem produzieren können, um ihn, fokussiert durch Inissars Auge, zum mächtigsten magischen Potentialfeld aller Zeiten entstehen zu lassen. Welches dann Kailin wahre Unsterblichkeit und die uneingeschränkte Gewalt über die Erde verspricht.
Nicht wenn alles so schlecht steht für uns, für die Menschen und für meine Freunde unter den Göttern. Nicht, wenn Trema unter dem Potentialfeld, von dem ich spreche, bereits gefangen ist.“ Vaillard hatte die Augen geschlossen und sah nun aus, als würde er jeden Moment einschlafen. „Es ist so ein schönes Leben, das ich führe. Die Ewigkeit ist so faszinierend und jeder Tag bringt etwas völlig neues. Ich liebe es, am Leben zu sein.“
Nach einiger Zeit der Stille fragte Norton: „Dann sind wir auf der gleichen Seite, Jaques?“
„Wir sind auf der gleichen Seite. Diesmal“, bestätigte der Professor. „Aber im Kampf, der bald folgt, werden wir an verschiedenen Fronten stehen.“
Der Dämon riss die Augen auf und strahlte Myers an. „So, ich muß los. Sie gehen zur WG von unserem aufgespalteten Gott. Inissars Auge ist im Besitz der Gruppe. Es muß dort unbedingt bleiben und darf auf keinen Fall Kailin in die Hände fallen. Alle unsere Anstrengungen wären sinnlos, wenn dies geschieht.“
Norton nickte zum Zeichen, dass er verstanden und akzeptiert hatte. „Und was werden Sie tun, Jaques?“
Mit auf einmal jung wirkenden Augen sah der alte Dämon zu ihm herüber. „Ich gehe einer alten Freundin helfen. Einer sehr alten und sehr guten Freundin.“
Kurz darauf sprang der alte Mann, den man respektvoll Dämonenkönig nannte.
Norton starrte einige Zeit auf den leeren Sessel, dann erhob er sich. „Ich werde meinen Auftrag erfüllen, das verspreche ich Ihnen, Jaques.“
Mit einer wütenden Geste warf er den schweren, schwarzen Haarzopf auf den Rücken und verließ sein Büro.

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Fünf Kilometer entfernt, genauer gesagt, Viereinhalb Kilometer Luftlinie und dann fünfhundert Meter gerade nach oben, saß Kailin in seinem Thron in seinem Kampfwagen und haderte mit seinen Untergebenen. Gerade erst hatte ihn die Nachricht erreicht, dass Bisal besiegt worden und in Schande auf die Obere Ebene zurückgeschickt worden war. Sie konnte noch nicht befragt werden, sie war einfach noch zu geschwächt. Das war es, was Kailin wirklich in Rage brachte. Ihre letzte Nachricht hatte gelautet, sie würde wissen, wo das Auge Inissars sei und dass sie es bald vor die Füße ihres Herren legen würde.
Was defacto bedeutet hätte, dass der Feuerclan endlich, endlich in der Lage gewesen wäre, die Oberhäupter von zwei Götterclans zu versiegeln und den ihm zustehenden Platz als oberster Clan aller Götter einzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt hätte Kailin auch keine Verbündeten mehr gebraucht und Herress hätte es sich aussuchen können, ob sie sich und ihren Clan unterwarf, oder lieber stolz unterging…
Nun, es war nicht gerade vorbei. Aber mit jeder Minute die verstrich, ohne, dass das Auge in seiner Hand war, sammelten Wasserclan und Feuerclan ihre Kräfte.
Schon jetzt waren die schnellen Erfolge gegen diverse kleinere Kapellen der gegnerischen Clans nur noch Makulatur. Die Gläubigen versammelten sich einfach vor den großen Kirchen, über denen zudem noch die Kampfwagen parkten.
Sie brauchten das Auge, und sie brauchten es schnell, um vollendete Tatsachen zu schaffen.
Es hatte in der Hand dieses Dämons seinen Sinn erfüllt, um ihm einen Vorwand für die Kündigung des Vertrages von Hethit zu liefern. Und Trema und Agrinal in eine gut durchdachte Falle tappen zu lassen, in die sie nur allzu bereit getreten waren, nachdem ihre ach so kostbare Menschheit in Gefahr gewesen war.
Aber nun war es an der Zeit, den Odem aus den endlosen Gebeten mit dem Auge zu verstärken, um das Feld zu errichten. Das Feld, eine Zone Odems, würde die ganze Welt umgeben, und überall und jederzeit jeden Gott, jeden Dämonen und jeden Menschen auf die gleiche Weise bekämpfen, wie es gerade im Rathaus mit Trema, Agrinal und deren Gefolge geschah. Alles, was es dann noch brauchte, war ein Gott oder Gesegneter des Feuerclans, um das Feld entsprechend zu steuern.
Das war absolute Macht. Das war der Gipfel.
Und das war der Punkt, an dem die Menschen das sein würden, was sie nach ihrer Natur auch nur waren. Nicht Vertragspartner, sondern Nutzvieh, dass Odem für die Götter lieferte. Odem für ihn!
Und all das sollte nun auf der Kippe stehen, weil Bisal zu dumm gewesen war, um auch nur einem einzigen Gott zu sagen, wessen Spur sie aufgenommen hatte und wohin sie gegangen war?
Nur langsam regte sich der Herr des Feuers ab. Die Kampfwagen befanden sich in einem Patt. Hier war nichts mehr zu gewinnen. In den Straßen lieferten sich Götter und Gesegnete aller Clans harte Gefechte. Und dazwischen waren die Menschen. Es war ein wankelmütiges Gleichgewicht. Wenn dann auch noch der geheimnisvolle Zirkel hervor trat, und mit Hilfe seines Fokus agierte, konnte dies das Kräfteverhältnis kippen – zu seinen Ungunsten.
Kailin knurrte böse.

„Sucht. Sucht nach Orten in der Stadt, wo Bisal gezwungen gewesen sein könnte, ihren Körper aufzugeben und als reines Fluidum zurück zu kehren! Und wenn Ihr diesen Ort gefunden habt, dann findet mir den, der das Auge Inissars trägt. Ich will es haben! Ich will!“
Die Götter vor ihm verbeugten sich und sprangen, in verschiedene Richtungen, verteilten sich über die Stadt.
Kailin nickte zufrieden. Zufrieden für den Moment.
Er sah zur Seite. „Bringt mir Uafin.“
Es dauerte nur wenige Augenblicke, und ein schlanker junger Mann mit brandroten Haaren erschien vor Kailin. Seine Augen funkelten so zornig, dass es aussah, als würden in ihren Inneren besonders heiße Flammen lodern.
„Du hast mich rufen lassen, Großvater?“, rief der junge Gott und verzog sein Gesicht, als wolle er am letzten Wort ersticken.
„In der Tat, störrisches Blut von meinem Blut. Ich habe einen Auftrag für dich.“
Die Haare des jungen Gottes gingen in Flammen auf, die wild wuchsen und wütend über den Boden peitschten. „Ich werde eher sterben, als dir etwas Gutes zu tun!“
„Dieser Enthusiasmus. Ich sehe viel von Ausyls Feuer in dir.“
„Es ist weit mehr von Vater in mir als du glauben willst, Großvater!“
Kailin lächelte sanft. „Na, dann wird ja etwas von ihm übrig bleiben.“ Seine Miene wurde dunkel. „Nachdem du ihn getötet hast.“ Eigentlich ein genialer Schachzug. Ausyl war das einzige Mitglied des geheimen Kreises, den Kailin kannte. Nahm er ihn aus dem Spiel, brauchte er den Fokus nicht mehr zu fürchten.
Uafin wandte sich ab. „Du hattest deine Chance, mich zu töten. Und du hast sie immer noch. Aber ich rühre keinen Finger für dich.“
„Auch nicht dafür?“, fragte Kailin. Hinter ihm flammte ein Bildschirm auf. Er zeigte Nande, Uafins Mutter und Kailins Tochter. Sie war an die Wand gebunden worden. Drei Feuergötter bedrängten ihre Elementarabwehr. Man konnte beinahe zusehen, wie die Göttin mehr und mehr von ihrem Odem und zunehmend von ihrem Fluidum selbst aufbrauchte, um am Leben zu bleiben.
„Mutter“, hauchte Uafin leise. Dann wandte er sich brüsk ab. Auch um Kailin nicht die Tränen zu zeigen, die in seinen Augen standen. „Sie kennt das Risiko. Und sie steht zu ihrem Mann Ausyl. Sie wird tapfer sterben, und dein Verrat wird auf dich zurückfallen und dich auf ewig peinigen, Großvater.“
„Du denkst, ich will dir meine ungezogene Tochter zeigen?“, bemerkte Kailin amüsiert. „Aber nein. Deine kleine Schwester solltest du sehen.“
Uafin fuhr herum. „Ich habe keine Schwester!“
Das Antwortlächeln Kailins auf diese Feststellung war ein eiskaltes Lächeln.
Uafin wurde bleich und sackte in den Knien ein. Konnte das sein? Erwartete seine Mutter ein zweites Kind?
„Du wirst Ausyl suchen. Du wirst ihn töten. Wenn du es nicht tust, werde ich Nande und das ungeborene Kind auslöschen lassen.“
Uafin zitterte. Er hätte sich übergeben, wenn ihm diese menschliche Reaktion vertraut gewesen wäre. Wütend stierte er seinen Großvater an.
„Ich gehe und finde meinen Vater. Ich töte ihn. Und dann kehre ich zurück und töte dich!“
„Ich warte darauf, Uafin“, erwiderte Kailin und lächelte freundlich. „Du bekommst deinen Versuch. Mir drohte sowieso gerade etwas langweilig zu werden.“
„Gut. Kann ich alleine gehen oder schickst du mir einen Wachhund mit?“
„Töte Ausyl. Mehr will ich nicht von dir. Tötest du ihn nicht…“
Die Miene des jungen Gottes wurde kalt und entschlossen. Er schenkte Kailin einen letzten, zornigen Blick und verschwand.
Kailin wandte sich nach hinten. „Verfolgt ihn. Bleibt in seiner Nähe. Seht, wen er trifft. Ich will alles wissen.“
Die angesprochenen Götter nickten und verschwanden ebenfalls.
„Das Spiel ist eröffnet, Uafin. Enttäusche mich nicht“, murmelte Kailin leise und lächelte sardonisch.
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„Wohin bringst du mich?“, rief Ralf.
Ibran sah zurück. „Hast du etwa Angst, Reder?“
„Nenn mich nicht so. Mein Name ist Schneider, Ralf Schneider!“
„Du kannst deine Natur nicht verleugnen, egal wie oft du degenerierst.“ Der spöttische Gesichtsausdruck des rothaarigen Dämonen wich einer bedrückten Miene. „Egal, wie oft du es aufgibst, ein Dämon zu sein.“
Für einen Moment hielt der junge Gläubige inne. Er hielt nicht besonders viel von Dämonen im Allgemeinen und von einem Dämon, der versucht hatte, seinen persönlichen Gott zu töten, eigentlich gar nichts. Aber dieser eine Gesichtsausdruck, dieser Moment bewegte ihn.
„Es ist nicht mehr weit“, rief Ibran und setzte wieder seine übliche, spöttische Miene auf.
„Wohin ist es nicht mehr weit? Nun rede endlich, Dämon!“
Ibran hielt abrupt an. Ralf stoppte ebenfalls.
Der Dämon sah durch das Meer der Lichter und Farben und deutete auf einen gewaltigen dunklen Schatten, der bis zu ihnen hindurch schimmerte. „Zu den Toren, Reder. Zu den Toren. Du willst doch Antworten, oder? Dazu musst du erst einmal lernen, Fragen zu stellen.“
Wieder setzte sich Ibran in Bewegung und Ralf folgte ihm. Nach und nach bekam der Schatten mehr Kontur, Farbe und Form.
Als er erkannte, was dieses Gebilde eigentlich darstellte, hielt der junge Gläubige erschrocken an. „Das ist das Tor! Das Tor, durch das ich geschritten bin, als…“
„So, du siehst es als Tor? Manche sehen einen Abgrund oder eine Höhle, wieder andere eine kleine Pforte.“ Ibran bemerkte Ralfs verwirrten Gesichtsausdruck und schweifte etwas weiter aus. „Dies ist das Protofeld. Dies ist die Summe aller Tore in allen Herzen aller Menschen. Du siehst es deswegen in der Form deines Tores, weil auch dein Tor hierin vertreten ist. Und so erzeugt dein Verstand ein vertrautes Bild, an dem du dich orientieren kannst. Verstanden?“
Ralf nickte. „Damit ich dich richtig verstehe: Dies ist das Tor der Kraft aller Menschen?“
Ibran nickte. „Aller Menschen.“
„Haben die Götter auch dieses Tor in sich?“, hakte er nach.
Der Dämon schüttelte amüsiert den Kopf. „Warum sollten sie? Es sind Götter, keine Menschen. Komm, wir wollen näher heran.“

Das Tor wuchs und wuchs, und noch immer schienen sie ihm nicht näher gekommen zu sein. „Das Tor der Kraft“, murmelte Ralf leise. Es war beeindruckend. Sehr beeindruckend.
„Was bewirkt das Tor eigentlich?“, fragte er nachdenklich.
Über Ibrans Gesicht huschte ein Schmunzeln. „Du scheinst doch zu lernen, die richtigen Fragen zu stellen, Reder. Das Tor der Macht hängt eng mit der Gabe eines Gesegneten zusammen. Man hat dir erzählt, ein Gesegneter eines Gottes würde von seinem Gott eine gewisse Menge Odem erhalten, die er dann im Sinne seines Gottes verwenden soll, richtig?“
„Ja. So habe ich es verstanden.“ „Leuteverdummung ist das!“, blaffte Ibran aufgeregt.
Etwas ruhiger setzte er hinterher: „Gut. Es kann vorkommen, dass der Gott seinem Gesegneten in besonderen Zeiten eigenen Odem zur Verfügung stellt. Aber meistens…
Nein, das muß ich anders erklären. Was denkst du, passiert, wenn man dieses Portal durchschreitet?“
„Nun“, erwiderte Ralf vorsichtig, „ich habe einen Geschwindigkeitsvorteil, Selbstheilung und mehr Kraft erlangt.“
„Sind das nicht merkwürdigerweise genau die Fähigkeiten, die auch die Gesegneten erlangen?“, stichelte Ibran.
„Abgesehen von der Kontrolle der Elemente“, schränkte Ralf ein.
„Gut. Ein Punkt für dich, Reder. Aber ansonsten? Fällt das nicht auf?“ Eindringlich sah der Dämon zu Ralf herüber.
„Zugegeben“, knurrte Ralf und fühlte sich, als wäre er in eine Ecke gedrängt worden.
„Wusstest du, dass ein Gott dieses Tor zusammen mit seinem zukünftigen Gesegneten niederreißt und ihn in den Segen der Macht bringt?“, setzte Ibran fort und leckte sich grinsend über die Lippen. „Aber warum sollte er das tun, wenn sein Gesegneter doch lediglich seinen Odem braucht?“
„Ich… ich weiß es nicht.“
„Dann will ich es dir sagen. Menschen verschwenden ihren Odem ziellos an die Umgebung. Er entfleucht, vergeht, ohne einen Nutzen für irgendjemanden. Wer aber das Erste Portal, das Portal der Kraft durchschreitet, erlangt Kontrolle über seinen eigenen Odem. Er wird schneller, stärker, kann sich selbst heilen.“
Überrascht schnaufte Ralf aus. „Sie… betrügen uns?“
„Nun“, erwiderte Ibran amüsiert, „so weit würde ich nicht gehen. Kaum ein Gott weiß überhaupt, was es mit diesem Tor auf sich hat. Sie wissen lediglich, was sie tun müssen, um einen weiteren Gesegneten zu bekommen. Alles, was der Gesegnete danach leistet, sehen sie als eigene Leistung an. Was sie nicht verstehen ist, dass die Menschen dieses Tor alleine durchschreiten können.“
Das riesige Portal öffnete sich und ließ die beiden passieren.

Nur zögernd trat Ralf ein, aber Ibran war bereits vorweg geeilt. „Komm schon, Reder, keine Angst. Auf zum Tor der Macht.“
Ralf konnte es nicht fassen. Der Status eines Gesegneten – war dies zu großen Teilen lediglich eine Art Selbstkontrolle, optimierte Ressourcenverwaltung? Die paar Gelegenheiten, wenn ein Gesegneter seine Gabe der Elementebeeinflussung benutzte, waren dies die einzigen Zeiten, in denen er göttlichen Odem benutzte?
Er war schon mehrere Meter weit hinter dem Tor der Kraft, als er sich erschrocken fragte, ob auch an diesem Ort Theresa auftauchen würde, um ihn zurück zu schicken.
Doch nichts geschah. Ralf dachte an die Fähigkeiten, die er dabei verloren hatte und fragte sich, ob er sie mit dem durchschreiten des Megators der Kraft wieder erlangt hatte.
„Komm, Reder, komm. Das Dämonentor erwartet dich.“
„Ich dachte, das nächste Tor heißt Tor der Macht?“, fragte Ralf, als er den Dämonen eingeholt hatte.
Ibran grinste ihn auf eine erwartungsvolle Weise an. „Du stellst nicht die richtige Frage, aber ich werde darauf antworten. Das Tor der Macht heißt auch Dämonentor. Du wirst sicher schnell herausfinden, warum das so ist, Reder.“
Ein eiskalter Schrecken zog sich durch seinen Körper. „Es trägt beide Namen.“
Ibran nickte zufrieden. „Richtig. Kaum ein Gott weiß von der Existenz dieses Tores. Wozu auch? Für ihn und seines Gesegneten ist nur das Tor der Kraft interessant.“
Sie erreichten das riesige Portal. Ibran legte eine Hand auf das wie Metall schimmernde Material. „Hinter dem ersten Tor lag die Kraft. Selbstheilung, Stärke, Geschwindigkeit. Hinter diesem Tor liegt die Macht. Hier erlangst du Kontrolle über deinen Körper.“
Der Dämon verformte seinen humanoiden Körper, bis er mehr dem glich, was man sich im Allgemeinen unter einem Dämon vorstellte. „Du wirst noch stärker, noch schneller. Noch mächtiger. Du verformst deine Knochen, bis sie hart wie Stahl sind. Du machst deine Muskeln größer, bis sie dreimal soviel Kraft haben. Du machst aus deinen Fingernägeln Dornen, nein, Dolche. Du wirst eine Waffe. Eine schreckliche Waffe, die selbst Göttern die Stirn bieten kann!“
Eine Krallenbewehrte Pranke griff nach Ralfs Kinn. „Jetzt verstehst du sicherlich, warum den Göttern dieses Portal nicht bekannt ist. Denn würden sie es kennen, dann würden sie wissen, woher wir Dämonen kommen und uns allesamt auslöschen.“
Ralf schauderte. „Kann… Kann jeder Mensch zum Dämon werden?“
Ibran lachte laut auf. „Du bist hindurch gegangen, oder? Du bist ein Dämon geworden. Erinnere dich, wie du gewachsen bist. Wie deine Macht mit dir wuchs. Wie du fühltest, wie nichts und niemand dir standhalten konnte.“
„Außer Theresa“, brummte Ralf und musste grinsen.
Ibran wurde leise. Die Begeisterung seiner Worte verebbte. „Allerdings verführt das Tor dich allzu oft. Alle deine Wünsche werden offen gelegt, deine Begierden, deine Hoffnungen. Es gibt nicht wenige, die diesen Dingen erliegen. Die zu wirklichen Dämonen werden, die wüten und toben und an sich raffen, was sie nur können. Einige meiner Leben waren so. Andere waren besser, bescheidener, auf den Kampf mit den Göttern fixiert.“
Ralf sah auf. „Einige deiner Leben?“
Ibran nickte. Für einen Moment glaubte der junge Gläubige, in den Augen des Monsters vor sich tatsächlich den jungenhaften Ian O´Brien wieder zuerkennen.
„Habe ich das noch nicht erwähnt? Dämonen können nicht sterben. Dämonen dürfen nicht sterben. Mit der Zeit und mit den Jahren degenerieren sie und werden wieder zu Menschen.
Die wenigsten steigen danach erneut zu einem Dämon auf, aber jene, die es tun, erhöhen ihre Chance auf eine weitere Option.
Ich bin schon so oft aufgestiegen und wieder herab geklettert, habe soviel gelernt und wieder vergessen, ich habe Hoffnung gesehen und Erniedrigung erfahren. So viele Leben – als Mensch und als Dämon – liegen hinter mir. An so vieles erinnere ich mich nicht mehr.“
Resignierend verwandelte sich der Dämon zurück in den Menschen. „Mit jeder Degeneration vergesse ich einen Teil meines vorherigen Lebens. Vergesse die Lehren, die ich daraus zog. Manchmal wollte ich tatsächlich einfach nur, dass ich sterbe und dieses ewige Hin und her ein Ende hat. Manchmal dachte ich, sollen sich doch andere um die Götter kümmern. Sie hinhalten, beschäftigen, vernichten. Ich habe es wahrlich lange genug getan.
Und auch in diesem Leben habe ich mich verführen lassen, einen schnellen Weg gesucht.“
Der Dämon warf den Kopf in den Nacken und seufzte tief. „Aber dies ist mein letztes Leben. Mehr ertrage ich nicht. Ich will hier noch einmal alles geben. Um meiner Menschheit willen.“

Das Portal öffnete sich vor den beiden.
Ibran durchquerte es. „Willst du mir nicht folgen, Reder?“
„Hör auf mich so zu nennen!“, fauchte Ralf wütend. Leiser fügte er hinzu: „Ich… Als ich das erste Mal hindurch trat, da… Ich spürte, wie ich berauscht wurde von dem Gefühl der Macht. Wie ich meine Ziele aus den Augen verlor. Ich war nicht mehr ich selbst. Das will ich nicht.“
Ibran lächelte spöttisch. „Dummkopf. Du bist doch jetzt bereits nicht mehr der, der du vor wenigen Minuten warst, oder? Und du weißt, was dich erwartet, nicht?
Abgesehen davon führt der einzige Weg zurück durch dieses Tor. Also tritt hindurch oder sage Lebewohl zu deinem Gott auf der Unteren Ebene.“
Das gab den Ausschlag. Ralf trat durch das Tor und spürte im gleichen Moment, wie eine Woge aus Emotionen und Gefühlen über ihn hinweg zu rauschen drohte. Sein Ich wurde reduziert auf einen kleinen Felsen, der mitten in einer Brandung lag, die an ihm riss und schlug. Doch das Gefühl währte nur ein paar Sekunden, dann hatte Ralf es zurück gedrängt.
Ibran bemerkte die Veränderung im Blick des jungen Gläubigen und nickte anerkennend. „Wie ich sagte, du bist jetzt vorbereitet. Aber das du es so gut weg steckst, ist erstaunlich. Vielleicht bist du es.“
„Bin was?“ Ibran lächelte. „Schon gut. Kommen wir zur wichtigsten Aufgabe. Unserem Ticket nach Hause.“
Ralf kämpfte noch immer mit der Woge aus Emotionen, mit den Gedanken, diese unglaubliche Macht auszunutzen und zu missbrauchen. Aber vor seinem geistigen Auge zogen Bilder der Menschen ab, die ihm etwas bedeuteten. Und mit dem Bild seiner Göttin vor Augen fiel es ihm leicht, zu widerstehen.
Er sah auf, sah in die Ferne und erstarrte. Das ferne Tor kannte er nur zu gut.
„Das Portal des Stamina“, hauchte er ergriffen.
„Unser Ticket nach Hause auf die Untere Ebene“, fügte Ibran hinzu und lachte.

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11.11.2004 22:12 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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4.
Marianne sprang direkt ins Hauptquartier von HELIOS.
Dort war die Hölle los. Ihre Substituten taten ihr Bestes, um die aufgebrachten Agenten zu beruhigen und zu koordinieren, aber da der eine darin besser und der eine oder andere schlechter war, klang das Chaos nur langsam ab.
„Chefin!“ Oberinspektor Berger trat erleichtert an sie heran. „Es hieß doch, Sie seien unter dem Pressurfeld ebenfalls gefangen worden.“
Marianne Schneider betrachtete den Rotschopf mit dem Hang zu sehr legerer Bekleidung einen Moment nachdenklich. „Wie du siehst, konnte ich fliehen. Gib mir einen Überblick, Michael.“
„Wir erwarten noch diese Stunde zwei weitere HELIOS-Teams aus Hafenburg und dem Harz-Depot. Alles in allem sind dreiundachtzig Agenten in Klingburg im Einsatz, von denen aber zweiundzwanzig im Ratshaus gefangen sind.“ Der Rotschopf sah kurz von seinen Notizen auf. „Einundzwanzig. Die eingehenden Nachrichten zeichnen kein gutes Bild der Lage. Gläubige versammeln sich an ihren Kirchen und beten. Die Kampfwagen von Wasser und Erde haben sich bis über ihre Hauptkirchen zurückgezogen und werden für den Moment von den Odemspenden ihrer Gläubigen geschützt. Ebenso hat der Luftclan seinen Wagen über seine Hauptkirche verlegt. Nur der Wagen des Feuers ist über das Rathaus zurückgekehrt. Die reguläre Polizei meldet erste Plünderungen, Mobbildung und dergleichen. Wir stehen am Rande eines Krieges. Außerdem versuchen Götter von Feuer und Luft, die Kapellen und Kirchen der anderen beiden Clans zu vernichten. Götter und Gesegnete der Gegenseite versuchen das zu verhindern. Die Kollateralschäden sind entsprechend hoch.“
Marianne atmete für einen Moment auf. Nrota hatte es tatsächlich geschafft. Nicht, dass sie etwas anderes erwartet hatte. Nicht wirklich.
„Außerdem hat die Schneider Unlimited ihren Werksschutz alarmiert. Wir haben dabei einige Firmen registriert, die vom Werksschutz geschützt werden, obwohl wir noch gar nicht wussten, dass die Unlimited Geschäftsbeziehungen zu ihnen unterhält. Das gibt einen netten Bericht. Falls wir dazu kommen, Berichte zu schreiben.“
Marianne eilte in ihr Büro. Die anwesenden Agenten atmeten erleichtert auf und bestürmten ihre Chefin mit Fragen. Doch die Gründerin von HELIOS winkte ab. „Teamleiter, soweit verfügbar sofort in mein Büro. Ansonsten gilt Notfallplan eins. Alle Agenten halten ihre Positionen und verteidigen sich bei Angriffen. Weiter, Michael.“
„Es heißt, Schneider ist mit einem Teil seines Werksschutz mit unbekanntem Ziel aufgebrochen. Ich lasse ihn verfolgen.“
„Brich die Verfolgung ab. Ich habe bereits mit meinem Exmann gesprochen. Für den Moment haben wir das gleiche Ziel.“
„Das setzt vier Agenten frei. Okay. Übrigens ist der Polizeichef in Ihrem Büro.“
Marianne trat ein und erkannte Norman Schmidt. Der alte Mann erhob sich respektvoll. „Direktorin Schneider. Ich bin hier, um unsere Anstrengungen zu koordinieren.“
Marianne schüttelte dem Mann kurz die Hand und nahm Platz.
Nach und nach füllte sich der Raum mit Teamchefs.
„So wie ich das sehe, laufen Götter und Gesegnete in unserer Stadt Amok, während langsam aber sicher eine Panik unter der Zivilbevölkerung umgreift.“
Die Anwesenden nickten bestätigend.
„Hm. Viele Möglichkeiten haben wir nicht. Polizeichef Schmidt, bitte riegeln Sie die Innenstadt und potentielle Kampfgebiete total ab. Notfalls evakuieren Sie die entsprechenden Regionen.“
Schmidt nickte.
„Wir kümmern uns um die Götter. Da der Vertrag von Hethit noch nicht gekippt wurde, sind unsere Handlungsmöglichkeiten beschränkt.“
Lauter Protest der Agenten erfolgte. Auch der Polizeichef hielt die Situation für eindeutig genug, um mit aller Härte zu zuschlagen.
Marianne hob eine Hand und der Protest ebbte ab. „Um den Vertrag zu kippen, bedarf es einer Mehrheitsentscheidung aller vier Oberhäupter. Diese ist aber nicht erfolgt, weil Trema und Agrinal dagegen gestimmt haben. Also sind wir immer noch an den Vertrag von Hethit gebunden. Und ich werde nicht die Erste sein, die gegen den Vertrag verstößt und ihn in dieser Zeit ungültig macht, verstanden?“
Erschrockene Bestätigungen raunten ihr entgegen.
„Gut. Also beschränken wir uns darauf, Privateigentum zu schützen und Übergriffe auf die Kirchen zu verhindern – egal welche Kirchen betroffen sind.“
Wieder wurde bestätigend gemurmelt.
„Aber das ist ja noch nicht alles. Laut dem Vertrag von Hethit unterliegen Götter auf der Unteren Ebene der Gerichtsbarkeit der Menschen. Was bedeutet, wir kriegen Kailin dran, wegen mehrfacher Freiheitsberaubung und mutwilligen Zerstörungen sowie Anstiftung zum Aufruhr.
Polizeichef Schmidt, besorgen Sie mir einen Haftbefehl. Danach brechen vier Teams zum Rathaus auf und sichern das Gebiet, soweit es das magische Potentialfeld zulässt.
Es wäre auch nicht schlecht, wenn Ihr herausfindet, wie dieses Feld erzeugt wird und wie wir es vernichten können.“ Marianne sah in die Runde. Alle Agenten und Schmidt hatten entschlossene Mienen aufgesetzt.
Sie klatschte in die Hände. „Los jetzt!“
Die Leute bestätigten und klopften einander auf die Schultern. Dies würde ihre ultimative Prüfung werden. Ihre Vorgängerorganisation war bei einer solchen Gelegenheit zerbrochen, Dutzende Agenten gestorben.
Aus den Überresten hatte Marianne HELIOS geformt. Sie hatte immer gehofft, dass sie ihre Leute besser vorbereitet hatte als ihre Eltern die GUARDS.
Nun würde es sich zeigen.
Der Letzte, der den Raum verließ, war Berger. „Ich habe noch eine Überraschung für Sie, Chefin.“ Er trat hinaus und winkte jemanden grinsend hinein.
Marianne sah auf und erkannten einen schwarzhaarigen, braungebrannten Mann von hagerer Statur. Er trug einen schwarzen Anzug und die obligatorische Sonnenbrille aus den Depots von HELIOS.
Erfreut kam sie um ihren Schreibtisch herum. „Georgio!“
Ein dünnes Lächeln zierte die Miene des Kellners. „Marianne. Ich dachte mir, du könntest etwas Hilfe gebrauchen, jetzt wo deine Topagenten im Ratshaus gefangen sind.“
Sie schüttelte mit beiden Händen die Rechte des Mannes. „Natürlich kann ich dich gebrauchen. Du hast mir geholfen, die Einheit aufzubauen. Ich freue mich, dass du dabei bist, wenn es darum geht, sie zu retten.“
Georgios Miene verzog sich zu einem wehmütigen Lächeln. „Wie hast du doch gleich gesagt: Einmal HELIOS, immer HELIOS. Du hattest Recht. Meine Aufgabe?“
„Du wirst wieder mein Stellvertreter. Bleib an meiner Seite. Ich erwarte einen Haftbefehl für Kailin, dann brechen wir auf.“
Georgio runzelte die Stirn. „Junge, Junge. Mit halben Sachen gibst du dich wohl nie zufrieden, was?“
Berger grinste breit. „Hat sie das jemals, Vize-Direktor Casoli?“
Georgio folgte den anderen hinaus. „Nein, natürlich nicht. Das wäre ja auch nicht unsere Marianne, oder?“
Die drei lachten. Es war ein heiteres, trotziges Lachen. Und irgendwie machte es den Agenten Mut. Mut, den sie dringend brauchen würden.
**
Professor Vaillard traf die drei Götter Ausyl, Sarenn und Naiel in einem abgeschlossenen Geschäft in der Innenstadt. Alle drei Götter hatten ihre Auren gelöscht.
„Die Lage ist ernst“, informierte Naiel den Gast. „Ich weiß nicht, welcher Dämon Herress geritten hat, dass sie mit Kailin paktiert, aber der größte Teil des Luft-Clans ist ihr auf jeden Fall ergeben. Es geht sogar so weit, dass ich und meine Gesegneten Persona non grata sind.
Wir sind in der Nähe der Hauptkirche nicht erwünscht. Davon bis zu einen Angriff auf uns ist es nur ein kleiner Schritt.“
„Bei mir sieht es nicht viel besser aus“, brummte Ausyl. „Ich konnte einen Teil meiner Verbündeten im Feuerclan retten, aber mein Sohn und meine Frau wurden gefangen genommen. Du kannst dir an fünf Fingern abzählen, wann Kailin sie gegen mich benutzen wird, Javala.“
Der alte Dämon nickte lächelnd. „Ich kenne den jungen Kailin nur zu gut. Er hat den Egoismus erfunden.“
„Das glaube ich unbesehen“, murmelte Sarenn leise.
In einem Anflug von Zorn hieb sie auf das nächst beste Möbelstück. Es zerbrach in einer Wolke aus Splittern. „Verdammt, wenn Theresa sich nur nicht hätte fangen lassen. Dann könnten wir Thomas abholen, einen Zirkel bilden und den Kampfwagen des Feuers vom Himmel putzen.“
„Nicht gerade die beste Option“, brummte Naiel leise. „Nicht solange er über der Innenstadt steht. Wenn wir ihn runterholen, dann dürfte er nicht nur sämtliche Parkplätze mit Beschlag belegen, er dürfte auch ein paar Millionen neue erschaffen.“
„Vergiss es“, erwiderte Sarenn und winkte müde. „Ich bin nur in Sorge um meine Schwester. Agrinal hat ausnahmsweise richtig entschieden. Nur um in eine Falle zu geraten, die den halben Clan zerschlagen kann. Bereits jetzt versuchen die verschiedensten Strömungen im Wasser einen neuen Anführer zu bestimmen. Ohne Agrinal sind wir kein Clan, sondern nur ein Haufen Götter. Lediglich unser Kampfwagen steht eindeutig auf der Seite der Erde.“
Javala legte eine Hand auf die Schulter der Wassergöttin. „Also sollten wir etwas tun, damit Agrinal ihrem Clan die Leviten lesen kann. Bis dahin aber solltest du als ihre Stellvertreterin einspringen.“
„Ich? Wieso das denn? Dafür gibt es doch Agrinal, damit ich diesen Quatsch nicht machen muß!“ Sarenn atmete frustriert aus. „Ja, okay, du hast ja Recht, Javala. Ich habe noch nie gerne Verantwortung für andere getragen. Sie neigen dazu zu sterben, und egal ob man Schuld trägt oder nicht, man macht sich Jahrtausende lang Vorwürfe. Nachdem mein erster Gesegneter gestorben ist, habe ich Jahrzehnte in Agonie verbracht. Er ist friedlich mit vierhundertelf Jahren im Bett gestorben, mit einem Dank an mich auf den Lippen. Aber ich… Ich habe es nicht gut verkraftet. Auch jetzt stehe ich um jeden meiner Gesegneten Todesängste aus. Besonders um Freya. Sie stammt aus der Familie meines ersten Gesegneten, wusstet Ihr das? Seit tausend Jahren ist sie die erste Nachfahrin mit diesem Potential. Sie ist zur Zeit meine stärkste Hand auf der Unteren Ebene.“

Ausyl nickte. „Das gleiche hoffe ich für Arnim. Ich schulde seiner Familie sehr viel. Wenn er stark wird und ein ehrenvoller Mann, habe ich keine Wünsche mehr.“
Naiel sah die beiden Götter an. „Wenn Ihr glaubt, ich lasse jetzt eine ähnliche Litanei über Shawn vom Stapel, habt Ihr euch geschnitten. Er weiß auch so, was er mir bedeutet. Da brauche ich nicht erst Süßholz zu raspeln.“
Die anderen beiden Götter sahen den Luftgott an und begannen leise zu lachen. Der Dämonenkönig fiel ein und kurz darauf Naiel selbst.
„Das hat gut getan. Es befreit irgendwie“, murmelte der Luftgott leise.
Plötzlich spitzte er die Ohren. „Ausyl. Besuch für dich.“
Ausyls Augen verengten sich. Naiels göttliche Begabung der Kontrolle der Luft erlaubte es dem Gott, dem Wind nachzuspüren, der durch die Straßen der Hauptstadt wehte. Damit hatte er eine Art Vorwarnsystem aufgebaut, dass auf die kleinste Bewegung reagierte.
Kurz darauf entstand ein Blitz am Himmel, der menschliche Augen geblendet hätte.
„Ich kenne dieses Feuer“, murmelte Ausyl, gefangen zwischen Hoffen und Bangen.
„VATER!“
„Uafin! Er ist frei! Ich…“
Javala legte dem Feuergott eine Hand auf die Schulter. „Warte, Hitzkopf. Findest du es nicht merkwürdig, dass dein Sohn so offen auftritt? Er wird also kaum geflohen sein.“
„Das ist mir egal! Er ist mein Sohn.“
Javalas Griff um die Schulter des Feuergott verstärkte sich. „Ausyl. Handle wenigstens einmal in deinem Leben überlegt.“
„VATER! KOMM HERAUS!“
Ausyls Anspannung verschwand.
**
Marianne verkniff sich ein Grinsen. Sie hielt ein Dokument in der Hand, wie es kein zweites auf der gesamten Erde gab. Es war ein bislang einmaliges Dokument. Einen Haftbefehl gegen den Führer eines Götterclans. Egal, wie die Kämpfe ausgehen würden, dies war ein legendärer Tag. Und dieses Schriftstück bewies mehr als genug, was der Vertrag von Hethit war. Alles andere als ein Stück Papier. Und sie würde es beweisen.

„VATER!“, rief eine schwere, traurige Stimme in der Ferne. Marianne war irritiert. Sie kannte diese Stimme nur zu gut. In alten, besseren Zeiten hatte sie dem Besitzer dieser Stimme die Haare gebürstet, ihm Geschichten erzählt. Ihn getröstet.
Ein Lichtblitz entstand und umgab das Ratshaus mit einer feurigen Korona. Nun hatte Marianne keine Zweifel mehr. Sie sprang.
Auf der anderen Seite des Ratshauses kam sie wieder hervor, Georgio an ihrer Seite. Nur wenige Schritte hinter ihr begann das Feld, welches ihr fast zum Verhängnis geworden wäre.
„VATER! KOMM HERAUS!“, rief eine einsame Gestalt, die gut zweihundert Meter über den Dächern der Altstadt schwebte. Sie hatte die Gestalt eines Heranwachsenden, aber das Potential für sehr breite Schultern und hohen schlanken Wuchs war bereits zu erkennen.
„Uafin“, hauchte Marianne erschrocken. „UAFIN!“
Seine Haare hatten sich in lodernde Flammen verwandelt, die hinter ihm und um ihn herum wie lose Peitschenenden herum zuckten. Es lag kein Zorn in diesen Flammen. Nur eine düstere Schwermut und wilde Entschlossenheit.
„Es hieß doch, Kailin hätte ihn gefangen genommen“, murmelte Georgio leise. „Was wird hier gespielt?“
Marianne erkannte es, und es zerriss ihr fast das Herz. „Kailin spielt den Sohn gegen den Vater aus. Dieser elende…“

Eine weitere Gestalt stieg in den Nachthimmel auf. Ausyls breitschultrige, bullige Gestalt war leicht zu erkennen. Doch seine Haare hatten sich nicht in Flammen verwandelt. Der Gott war ruhig und beherrscht.
„Hier bin ich, mein Sohn.“
Uafin wirbelte herum und trieb näher an seinen Vater heran. „Vater.“
Damit kamen sie auch den beiden HELIOS-Agenten näher. Doch Marianne erkannte etwas. „An alle Einheiten. Nicht eingreifen. Ich wiederhole, nicht eingreifen.“
„Du bist sicher nicht geflohen, stimmt es, Sohn?“
„Kailin hat mich geschickt“, bestätigte Uafin im Plauderton. „Er droht damit, Mutter zu töten. Und dein ungeborenes Kind, Vater.“
Ausyl ballte die Hände zu Fäusten. Das Knirschen der Haut war bis zu Marianne zu hören.
„Dieser elende Sohn der Flamme einer Toilettenkerze!“, knurrte der Feuergott aufgebracht. „Was verlangt er von dir, damit sie am Leben bleiben?“
Uafin senkte den Blick. „Deinen Tod, Vater.“
Eine atemlose Spannung erfasste die Straßen unter den beiden Feuergöttern, den Bereich um das Ratshaus, eigentlich die ganze Stadt.
„Er… verlangt von dir, dass du deinen Vater tötest?“
Uafin nickte. „Und ich werde es tun. Ich will, dass meine Schwester geboren wird und aufwachsen darf. Ich töte dich, und dann kehre ich zurück und töte Großvater mit meinem Zorn!“
Wieder loderten die Haare des jungen Gottes auf. Sein Zorn brach sich Bahn und die Sonnenbrillen der HELIOS-Agenten verdunkelten die Filter.
„Also kämpfe mit all deiner Kraft, Vater. Ich werde alles geben. Einfach alles.“

Ein Ruck ging durch Ausyl. Er seufzte schwer und wehmütig. Als er seinen Sohn wieder ansah, lag ein schiefes Grinsen auf seiner Miene. „Ja, ja. Da kann man wohl nicht helfen. Wenn das alte Klofeuer das von dir verlangt hat, dann muß es wohl sein. Ich werde keinen Widerstand leisten. Mach es schnell und sauber.“
Irritiert sah der junge Gott Ausyl an. „Vater. Ich will dich töten.“
„Und ich will dich nicht töten oder meine Frau und meine Tochter sterben lassen!“, blaffte der Gott wütend zurück.
Er entspannte sich, schloss die Augen und legte die Arme eng an den Leib. „Mach es schnell, ja?“
Das Gesicht Uafins wurde von einem dunklen Schatten verhüllt. Tränen flossen sein Gesicht hinab und wurden zu Flammenkugeln, die unter ihm in die Stadt fielen und dort kleine Brände auslösten.
Seine Hände zitterten, als er einen Großteil seines Odems dort konzentrierte. Rote Flammen züngelten über seinen Körper und seine rote Aura war klar und deutlich zu erkennen.
Mit einem wütenden Aufschrei, der alles beinhaltete, Wut, Verzweiflung, Zorn, Angst, Hass und Higabe, schlug Uafin mit seiner Rechten nach Ausyls Leibesmitte. Wie er versprochen hatte, wehrte sich der Gott nicht. Er nahm den Hieb hin.
Eine rote Aura hüllte beide ein. Die Aura expandierte und flutete wie eine Schockwelle über die Dächer der Stadt.

Als sich die Lichtverhältnisse wieder normalisiert hatten, erkannte Marianne einen leblosen Körper, der auf die Dächer zufiel.
Bevor er aufschlagen konnte, hatte Uafin ihn aber aufgefangen.
„Vater“, hauchte er und strich sanft über das Gesicht des toten Gottes. „VAAATEEER!“
Wieder brodelte sein Zorn auf, seine Haare wuchsen um das Dreifache und schlugen wilder denn je um sich. Bei vier Häusern wurden die Dächer durch die umher schlagenden Flammen in Brand gesetzt.
Marianne spürte, wie sie lautlos zu weinen begann.
„Damit ist der Zirkel um Thomas wertlos. Wir haben eine sehr wichtige Hoffnung verloren“, sagte Georgio leise.
„Nein“, widersprach Marianne leise. „Hoffnung gibt es immer.“
Uafin sah sich um. Er erkannte Marianne und seine Miene aus düsterem Hass wich der stummen Bitte um Verständnis.
Die HELIOS-Agentin nickte. „Hol ihn dir.“
Uafin nickte. Sein Blick ruckte hoch zum Kampfwagen. „Großvater. Großvater! KAILIIIIIIIN!“
Mit dem toten Leib seines Vaters auf den Armen stieg Uafin zum Kampfwagen empor.
„Hoffnung gibt es immer“, hauchte Marianne.

Epilog:
Ralf stand vor dem Tor des Stamina. „Muss ich irgendetwas tun, um mich hierfür zu qualifizieren?“, fragte er den Dämon an seiner Seite.
Ibran lächelte grausam. „Du musst nur bereit sein, die Wahrheit ertragen zu können.“
„Das bin ich“, erwiderte Ralf fest. „Das bin ich. Was könnte schlimmer sein als die Erkenntnis, dass wir Menschen die Dämonen sind?“
Ibran lachte laut. „Das Stamina-Tor liefert keine Macht, keine zusätzliche Kraft. Es liefert Erkenntnis. Reinheit. Wahre Sicht. Du erfährst wer du wirklich bist. Davor schrecken viele Dämonen zurück. Und auch ich wollte dieses Tor niemals durchschreiten. Doch nun gibt es kein Zurück mehr. Stellen wir uns der schlimmsten Erkenntins, Reder.“
„Du sollst mich doch nicht dauernd Reder…“, begann Ralf wütend, als das Tor aufschwang. Bevor er sich versah, wurde er Seite an Seite mit dem Dämon hindurch gesogen.
Die andere Seite des Tores war eine weite, grüne Ebene. Unter ihnen lieferten sich Kohorten an Menschengestalten eine wilde Schlacht mit grotesk geformten Soldaten.
Mit einem Schlag wusste Ralf, wo er war. Dies war die Mittlere Ebene. Und was er hier sah, das war die Entscheidungsschlacht zwischen Dämonen und Göttern.
Er sah hoch und erkannte die vier Kampfwagen, die langsam näher kamen und dabei Tod und Verderben zwischen die Dämonen schleuderten.
„Bist du bereit für Antworten, Ralf?“, fragte Ian O´Brian ernst.
„Nanu? Nicht mehr Reder?“, erkundigte sich Ralf erstaunt.
„Wir sind keine Dämonen mehr, Ralf“, erwiderte der Eirelander. „Falls wir die Erkenntnis überleben…“

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Mein Gott, meine Göttin
Chapter elf

Prolog:
Man sagt, wenn ein Gott auf der Unteren Ebene stirbt, dann entweicht sein Fluidum. Das Fluidum aber ist seine Essenz, sein eigentliches Ich. Es kehrt auf die Obere Ebene zurück und hat dort die Gelegenheit, sich zu regenerieren.
Dies kann Stunden oder Jahre dauern.
Aber in manchen Fällen, wenn der Angriff, der den Gott auf der Unteren Ebene tötet, stark genug ist, wird auch das Fluidum vernichtet.
Der Gott erlischt. Er bekommt einen Einblick in das zweitälteste Prinzip der Welt: Den banalen und allgegenwärtigen Tod.
Und wenn von einem Gott nichts mehr übrig ist, dann lebt nur noch die Erinnerung an ihn. Und wenn die vergangen ist, gibt es nichts mehr, was noch von seiner Existenz berichtet. Dann ist er wirklich tot…

1.
Mit Tränengefüllten Augen starrte Marianne dem jungen Feuergott hinterher, wie er den leblosen Leib seines Vaters auf den Armen trug und in seinem rasenden Zorn zum Kampfwagen des Feuerclans empor schoss.
Uafin, Sohn von Nande und Ausyl, hatte seinen Vater getötet, im Auftrage seines Großvaters Kailin, der Herr des Feuerclans war.
Mit dieser Tat wollte Uafin verhindern, dass Kailin seine eigene Tochter und Uafins Mutter Nande und das ungeborene göttliche Kind, welches sie trug, zu Tode folterte.
Nach der ersten wahnsinnigen Tat beging er nun die zweite, als er davon schoss, um sich direkt in die Hand seines Peinigers zu geben.
Zwischen den Häusern stiegen ein paar Feuergötter auf, um Uafin zu folgen. Zweifellos waren sie die ganze Zeit dort gewesen und hatten den Kamp verfolgt und würden ihrem Herrn nun sehr wohlwollend über Uafin berichten.
Was nun mit dem jungen Gott geschah, wusste Marianne nicht. Er brannte darauf, Rache zu nehmen.
Die Frage war, ob Kailin ihm diese Rache zugestand, auch wenn Uafin gegen den alten, erfahrenen Gott sicher keine Chance hatte. Oder ob er nun, nachdem der unbequeme Thronerbe tot war, auf Nummer sicher ging, und gleich noch die Nummer drei der Liste, seinen Enkelsohn beseitigen ließ.

Marianne sah zum Kampfwagen des Feuers zurück. Nach dem Kampf mit dem Erdwagen war er wieder hierher zurückgekehrt, anstatt wie die anderen Kampfwagen zu ihren Kirchen zu fliehen. Sie war sich sicher, dass dies eine tiefere Motivation hatte.
Hinter ihr jaulte einer der Agenten erschrocken auf, als er aus Versehen in das magische Potentialfeld geriet, welches Theresa, Agrinal, deren Gefolge, den Stadtrat, diverse Reporter und einige der besten Agenten von HELIOS im Ratshaus gefangen gesetzt hatte.
Einer seiner Kameraden griff zu und zog ihn heraus, bevor er ganz zu Boden gedrückt worden war.
Verdammt, der Mann war ein Agent. Wenn er bereits von dem Feld betroffen war, was musste dann erst mit normalen Menschen geschehen?
Oberinspektor Berger schien direkt neben ihr und Georgio aus dem Boden zu wachsen. „Die Verstärkungen treffen in vierzig Minuten ein. Ich habe den Flughafen weiträumig absperren lassen. Die beiden Maschinen, die unsere Spezialisten bringen, werden weitab vom Geschehen landen, um zu verhindern, dass die Götter Ärger machen. Danach kommen sie so schnell es geht in die Innenstadt.
Außerdem habe ich eine Bestätigung über jeden Agenten und Spezialagenten der HELIOS-Polizei im Einsatz.“
„Gut. Ist Agent Fischer immer noch auf seinem Posten?“
„Ja, Chefin. Bei ihm ist der Neue, der von Vize-Direktor Casoli empfohlen wurde.“
Marianne dachte einen Augenblick nach. „Ach, der Nihon-jin, der von Akai zu uns gekommen ist. Lassen Sie ihn, wo er ist. Wie weit ist er schon?“
„Ich habe etwas mit ihm trainiert. Er hat das Tor der Kraft vor einigen Tagen überwunden“, sagte Georgio leise. „Er ist ein guter Junge. Und er wird es weit bringen, wenn er die Chance dazu erhält.“
„Du strengst dich sehr für diesen jungen Mann an“, stellte Marianne fest.
„Sein Sempai… Sein väterlicher Freund bei Akai… Er war ein guter Freund von mir. Ich schuldete ihm einen großen Gefallen. Deshalb vertraue ich Yoshi-kun. Ich weiß, dass er mich ebenso wenig enttäuschen wird wie seinen Sempai.“ Nachdenklich legte Georgio seine gefalteten Hände vor Nase und Mund. „Und deshalb darf ich nicht versagen und muß ihm ermöglichen, eine Zukunft zu erleben.“

„Na, dann wollen wir doch was dafür tun“, sagte Marianne fest. Sie fixierte den Kampfwagen über ihnen. „Wir werden wohl kaum dort hinauf kommen und den Haftbefehl exekutieren können. Also tun wir das, was uns möglich ist. Wir nehmen jeden Feuergott im Radius von einem halben Kilometer vorläufig fest aufgrund des Verdachts der Mittäterschaft.“
„Sie werden sich wehren, Chefin“, gab Berger zu bedenken.
Die HELIOS-Gründerin lächelte wölfisch. „Das will ich doch hoffen. Geben Sie meine Anordnung weiter, Oberinspektor.“
Ein schnelles, breites Grinsen huschte über das Gesicht des Rotschopfs. „Sofort, Direktorin.“
„Und damit“, murmelte Marianne und zog ihre Smith& Wesson A4 Torchthrower, „beginnt es.“
„Falsch!“, erwiderte Georgio, als er eine baugleiche Waffe aus seinem Anzug zog. „Begonnen hat es schon vor langer Zeit. Aber wir werden es Zuende bringen. Für dieses Mal.“
**
Nervös kaute Carine Schneider auf ihrer Unterlippe. Die ganze Warterei ging ihr auf die Nerven. In ihren Händen hielt sie das Artefakt des Feuerclans, das Auge Inissars. Früher einmal war es Teil eines wesentlich größeren Artefakts gewesen, das man Inissars Stab genannt hatte. Während der letzten Schlacht aber war es zerbrochen und einzig das Auge war übrig geblieben. Heutzutage diente es als Odemverstärker.
Zum wiederholten Male fragte sich Carine, was der beinahe vergessene Feuergott Inissar wohl mit dem Stab vorgehabt hatte. Wäre es zum Wohl des Feuerclans gewesen hätte man ihn auch heute noch glorifiziert, anstatt ihn zu ignorieren. War sein Versagen derart schlimm gewesen, sein Fehlen eine solche Katastrophe?
Kurz glitt ihr Blick über die Runde der Anwesenden. Freya und Shawn hatten die Wache übernommen, während sich Yoshi, Katy und Klaus von ihrer Wache erholten, Kaffee tranken und die geschmierten Stullen aßen.
Jeder von ihnen hatte ein Leben. Eine Geschichte. Und jedes Leben, jedes Geschichte drohte heute und hier zu enden, weil dieses Ding in ihrer Hand aufgetaucht war, ihr ihren Bruder genommen hatte und nun unendlich wertvoll für den Feuerclan war.
William Cogsworth kam aus der Küche, in der Hand einen neuen Teller. Es waren sogar hartgekochte, halbierte Eier bei den Schnitten. Der Gäle tat sein Möglichstes, um in dieser Situation überhaupt etwas zu tun. Ralf war vor seinen Augen vergangen, und seither quälte er sich damit, dass er daran schuld war. Hätte er ihm das Auge Inissars nicht fortgenommen, wäre all das nicht passiert. Carine brauchte keine Gedanken lesen zu können, um zu wissen, wie es in ihm aussah.

Es war auf jeden Fall eine völlig neue Seite an dem arroganten Wassergeweihten. Er gestand sich ein, Schuld an etwas zu haben. Das dem nicht so war, konnte oder wollte er nicht wahrhaben. Aber es bedeutete, dass er Verantwortung übernahm. Und das war ein wichtiger Schritt in der Bildung des Charakters. Vielleicht war doch noch nicht Hopfen und Malz verloren.
William hielt ihr den Teller hin. „Du solltest etwas essen, Carine. Es ist fast nach Mitternacht und die Götter beginnen mit ihrer Schlacht erst. Bleib bei Kräften. Du wirst es brauchen können.“
Auch diese sensible, beinahe selbstlose Art war vollkommen neu an dem hübschen, aber an sich vollkommen egoistischen Gälen. Er entwickelte sich in der Zeit der Gefahr. Manche wurden unter Belastung zu Feiglingen, Verrätern und Duckmäusern. Aber Cogsworth mauserte sich zu einem anpassungsfähigen, verantwortungsbewussten… Mann.
Carine nahm das irritiert zur Kenntnis, während sie sich ein halbes Ei in den Mund schob, und noch schnell zwei Stullen in die Hand nahm.
„Soll ich dir etwas Kaffee bringen?“, fragte William nach.
Carine lächelte. „Nein, danke. Ich nehme mir schon welchen, wenn ich denke, ich kann einen Wachmacher gebrauchen, Will.“
Das Lächeln irritierte den großen Mann. Und es schien ihn zu schmerzen. „Du bist viel zu nett zu mir“, flüsterte er. Seine Augen bekamen etwas Trauriges, Gebrochenes. „Immerhin bin ich Schuld daran, dass…“ Er schluckte hart.
Da waren sie wieder, seine Selbstvorwürfe, seine Zweifel. Seine Ängste. Für einen Moment war Carine versucht, diesen traurigen Blick aufzuhellen. Ihm die Wahrheit zu sagen. Ihn aufzuheitern. Stattdessen stand sie auf und drückte dem überraschten Mann einen Kuss auf die linke Wange. „Du bist überhaupt nicht Schuld. Ralf ging seinen Weg, und das nicht zuletzt dank dir. Sei stolz auf dich, dass du geholfen hast, das Beste aus Ralf heraus zu holen.“
Der Gäle bekam feuchte Augen. „Das meinst du nicht ernst“, erwiderte er mit gebrochener Stimme.
Als Carine ernst nickte, hauchte er: „Entschuldige mich.“
Sie sah ihm nach, wie er das Esszimmer verließ. Er würde sich fangen. Und wenn er auf diesem Weg blieb, dann… Dann wusste sie nicht, was aus ihm werden konnte. Doch irgendwie war sie froh, dass sie es miterleben konnte.
Für einen kurzen Moment fragte sich Carine, ob sie wirklich Interesse an Will hatte, oder ob sie nur versuchte, sich abzulenken, bis die Ungewissheit von Ralfs Schicksal geklärt war.

Markus Holts Ankunft lenkte sie ab und gnädig ließ sie den Gedanken entfleuchen.
Der Student und Chefredakteur des Cyanid hatte sich leicht verändert. Er war ernst und seine Augen zeigten seine tödliche Entschlossenheit.
„Es dauert nun nicht mehr lange. Uafin hat Ausyl getötet. Danach wird Kailin die letzte Bedrohung für seinen Thron auslöschen. Und dann kommt Inissars Auge dran. Sobald Bisals Restfluidum die Obere Ebene erreicht hat, wird er wissen, wo er suchen muß.“
Kurz huschte ein merkwürdiges, entschlossenes Grinsen über Arnim Kleyns Gesicht. Ansonsten tat er nichts, was darauf hinwies, dass er die unerhörte Eröffnung über den Tod seines Gottes gehört hatte.
„Wenn es soweit ist“, sagte Carine, „halte dich möglichst weit hinten.“
„Warum? Traust du mir nicht zu, dass ich so gut kämpfen werde, wie Katy oder Klaus?“
„Du weißt warum“, erwiderte Carine ernst. „Du bist mein Trumpf. Ich werde dich im Notfall ziehen.“
In den Augen von Markus Holt glomm Erkennen. „Du weißt es?“
Carine lächelte sanft. Ein merkwürdiger Glanz huschte über ihre linke Hand. Für einen Moment schienen sich dort Schuppen zu bilden, wuchsen scheinbar ihre Fingernägel zu dicken, spitzen Krallen. „Ich weiß es“, stellte sie nachdrücklich fest.
Markus Holt nickte. „Du hast das Stamina-Tor durchschritten“, stellte er fest. „Beachtlich.“
„Stamina-Tor? Davon habe ich nie gehört“, warf Mako-kun ein. Der junge zum Menschen reduzierte Gott kam gerade in das Fernsehzimmer und hielt direkt auf Carine zu. „Was ist das Stamina-Tor?“
Carines Lächeln wich einer ernsten Miene. „Das Stamina-Tor macht den Unterschied zwischen einem Menschen und einem Dämonen aus.“
„Das verstehe ich nicht. Erkläre es mir bitte genauer.“
„Und wenn du schon dabei bist, erkläre uns doch gleich mal, was du noch mal auf der Oberen Ebene gemacht hast“, fügte Mako-chan hinzu, die plötzlich hinter Carine aufgetaucht war.
Übergangslos verwandelte sich Markus Holt. Er wuchs um das Dreifache, sprengte seine Bekleidung. Seine Haut wurde grün und die Augen bekamen einen dunklen Schimmer. Aus Fingernägeln wurden Krallen und aus Händen Pranken. „Vielleicht kann ich eine Erklärung übernehmen“, bot er mit tiefer, grollender Stimme an.
Mako-chan wich entsetzt zurück. „Er ist ein Dämon!“
Mako-kun erschrak so sehr, dass ihm die Beine unter dem Leib nachgaben. Er stürzte und wurde von der nächsten Wand gebremst. „Wow.“
In diesem Moment kam Anselm herein. Er brachte einen weiteren Teller. Kurz musterte er den verwandelten Markus Holt und murmelte: „Grün steht dir nicht, Markus.“
Irritiert musterte er die Abwehrhaltung der Anwesenden, einschließlich der Gesegneten.
„Was ist denn mit euch los? Das hier ist Markus.“
„Markus ist ein Dämon“, erwiderte Freya, die eher überrascht als kampfbereit war.
„Und?“, fragte Anselm treu.
„Was, und?“, rief Arnim laut. „Der letzte Dämon, mit dem wir es zu tun hatten, hat versucht, Makoto umzubringen, uns auszulöschen und die Menschen in einen Krieg gegen die Götter zu stoßen. Entschuldige bitte, aber Dämonen stehen in unserer Hitliste nicht gerade auf Rang eins.“
„Markus ist nicht Ian. Er hätte sich nicht vor uns demaskieren brauchen. Das er es doch getan hat, beweist ja wohl, dass er es gut mit uns meint“, erwiderte Anselm fest. Er klopfte dem Riesen gegen den Bauch. Höher kam er nicht. „Ich jedenfalls vertraue ihm.“
„Hätte er einen von euch – von uns – jemals töten wollen, hätte er tausende Gelegenheiten gehabt“, sagte Katy vom Eingang her. „Er hat es nie getan. Sonst wären wir alle nicht hier. Und nun enttarnt er sich vor uns, gibt sich in unsere Hand.“
„Danke, Katy. Danke, Anselm“, brummte der Riese.
Die anderen Anwesenden sagten nichts.
„Ihr wolltet etwas über das Stamina-Tor wissen. Gut. Ihr Gesegneten kennt das Erste Portal, das Portal der Kraft. Was Ihr nicht wisst, ist, dass jeder Mensch dieses Portal in sich trägt. Und das er es durchschreiten kann, ohne von einem Gott geleitet zu werden.“
Aufgeregtes Raunen antwortete ihm.
Markus hob die Hand. „Das ist noch nicht alles. Es mit einem Gott zusammen zu durchschreiten macht die Sache übrigens sehr viel leichter, habe ich mir sagen lassen.
Es gibt ein weiteres Portal, das Portal der Macht. Ihr Gesegneten könnt es nicht durchschreiten, ohne den Vertrag mit eurem Gott zu brechen. Wenn Ihr hindurch schreitet, bekommt Ihr Kraft und Fähigkeiten wie ich. Denn das Tor der Macht weckt das Potential, um ein Dämon zu werden.“
Wieder ging erschrockenes Raunen durch den Raum.
„Er sagt die Wahrheit“, meldete sich Yoshi zu Wort. „Vor wenigen Tagen habe ich das Tor der Kraft durchschritten und stand vor dem Tor der Macht. Doch ich wich davor zurück, weil ich noch nicht bereit bin, es zu durchqueren.“
Klaus Fischer nickte. „Auch ich stand kurz davor. Aber ich darf es noch nicht durchqueren. Das Tor neigt dazu, den Menschen mit Macht zu verführen, und meine Vorgesetzten bei HELIOS sagten, ich wäre noch nicht gefestigt genug, um den Weg hindurch zu riskieren.“
Entgeistert starrte Mako-kun, der sich wieder aufgerichtet hatte, den großen Pädagogik-Studenten an. „Du bist HELIOS-Mitglied?“
„Wundert das jemand hier wirklich noch?“, konterte Klaus Fischer.
Freya zuckte mit den Schultern. „War doch klar. Spätestens als ich die Sonnenbrillen gesehen habe. Und Yoshi ist auch bei dem Verein, richtig?“

Verwirrt schüttelte Mako-kun den Kopf.
Arnim räusperte sich vernehmlich. „Okay, man wird also ein Dämon, wenn man dieses Tor durchschreitet. Und man kann dabei ein richtiges Arschloch werden, so wie Ian, richtig? Wenn man es aber nicht wird, was dann? Was, wenn man das Stamina-Portal durchschreitet?“
Markus deutete auf Carine. „Frag sie. Sie hat es getan.“
Alle Augen richteten sich auf das blasse Mädchen mit den dunkelblonden Haaren.
„Und genau das ist das Problem, weshalb ich auf die Obere Ebene geschickt wurde“, antwortete sie.

2.
Norton Myers hetzte durch das nächtliche Klingburg. Bis zum Haus, in dem Makotos WG wohnte, waren es mit dem Auto nur ein paar Minuten. Zu Fuß bestenfalls zehn oder zwölf. Wenn man rannte, fünf. Der Dämon von der amerikanischen Ostküste hatte sich gegen ein Auto entschieden. Es war zu auffällig. Ausgebrannte Wracks auf der Straße verdeutlichten recht genau, was er damit meinte.
Dennoch. Er hatte eine Pflicht angenommen. Er spürte Zuneigung und Verantwortung für die Gruppe um den gespalteten Gott. Und er würde beides annehmen.

Vor dem Dämon zuckte ein Blitz in den Boden. Sein Körper reagierte, bevor er überhaupt einen Gedanken gefasst hatte. Norton wirbelte um die eigene Achse, benutzte den frischen Schwung, um seinen Kurs mitten in den Blitz hinein zu verlassen, passierte ihn knapp und bremste ein paar Meter hinter der Einschlagstelle mit einer Hand und den Füßen ab.
„Was habe ich dir gesagt? Nur ein Verrückter, ein Gesegneter oder ein Dämon wagen sich in ein Viertel, das wir übernommen haben“, meldete sich eine Stimme von oben.
Noch halb geblendet vom Blitz sah Norton hoch und erkannte drei Silhouetten gegen den Sternenhimmel. Eine von ihnen rauchte.
„Du hattest Recht, Kurt. Nun müssen wir nur noch herausfinden, was er ist.“ In der Dunkelheit leuchtete ein dämonisches Grinsen aus weißen Zähnen auf. „Das wird ein Spaß.“
Die beiden Silhouetten links und rechts von ihm sprangen in die Tiefe.
Norton griff instinktiv unter seine Jacke, nach seiner Waffe. Doch die hatte immer noch Natalia. Und dort, so entschied er, hatte es mehr Sinn. Dort beschützte sie die Frau, die er so schmerzlich lieben gelernt hatte.
Der linke Angreifer hielt einen Flammenstab in den Händen. Der Rechte entwickelte mit seinem Odem zwei lange Dolche.
Die Augen des Doktors huschten schnell vom einen zum anderen, um beide im Blick zu behalten. Doch die kompensierten, indem sie so weit gingen, dass sie den Dämon direkt zwischen sich hatten. Und da war immer noch der dritte Mann auf dem Dach.
„Gesegnete des Feuerclans?“, fragte Norton, um Zeit zu gewinnen.
„Gesegnete von Kailin“, antwortete der Linke, der Kurt genannt worden war. „Der beste Job, den du haben kannst. Wenn die Welt neu aufgeteilt wird, werden wir die ersten sein, die ein Stück vom Kuchen kriegen.“
„Falls Ihr die Welt überhaupt aufteilen könnt“, konterte Norton leise.
„So oder so, du wirst es nicht mehr erleben!“, rief der Rechte und lief, seine Dolche zum Stoß erhoben, auf Norton zu.
Auch der Linke griff an, wirbelte seinen Flammenstab herum. Norton reagierte und trat aus dem Angriffswinkel der beiden heraus. Doch er erkannte, dass der dritte auf dem Dach nur auf diesen Zug gewartet hatte. Er hielt ein Netz aus purem Feuer in Händen und sprang auf den Doktor herab.
Das Netz würde alleine bei Berührungen schwere Schäden an seinem Körper verursachen.
Norton widerstand dem Impuls, die Arme hoch zu reißen und das Gesicht zu schützen, damit hätte er seinen beiden anderen Angreifern nur Gelegenheit für eine Eröffnung geboten.
So oder so, seine Lage war schlimm.

Zwei harte Rucke gingen plötzlich durch den dritten Angreifer. Vor Nortons Augen verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerz und Panik.
Feines Wasser rieselte auf den Dämon und die übrigen beiden Angreifer herab. Der Leib zerstob, noch immer diesen Unglauben in den mumifizierten Zügen, zu Staub.
„Torches!“, stellte Norton fachmännisch fest. Torches des Wasserclans, um genau zu sein.
Eine weitere Torch flog heran, und seine Angreifer hatten Mühe, ihr auszuweichen. Dies brachte nun den Dämon in Vorteil. Er wechselte in seine Dämonengestalt und erwischte den linken Angreifer im Genick. Es brach, als er all seine Kraft aufbrachte. Der letzte Angreifer sah erstaunt zu dem Haufen Staub und zu seinem Kameraden, dessen Kopf in einem unmöglichen Winkel abstand.
In seinen Augen glänzte Panik. Er sprang auf das Hausdach und verschwand in der Dunkelheit. Eine Torch, diesmal vom Feuerclan, entfaltete sich knapp neben ihm und steigerte seinen Gedanken zur Flucht nur noch.

„Das war knapp“, murmelte Norton und merkte erst jetzt, wie sein Herz gerast hatte.
Eine Atemlose Natalija Prokovniewa kam die Straße herunter gerannt. Sie hielt in der Rechten Nortons Torchpistole. Der Lauf glühte rot.
„Zuhause in Rus habe ich mal einen Preis als beste Kleinkaliberschützin gewonnen. Ist aber lange her, sonst hätte ich den dritten auch noch erwischt. Gesegnete Kailins, bäh. Geschieht ihnen Recht.“ Sie sah zu dem Doktor hoch. „Alles in Ordnung, Norton?“
Der Dämon sah sie an, ergriffen und froh. „Natalia. Du hast mich gerettet. Danke.“
Ihre Rechte kam vollkommen unerwartet für ihn. Der harte Schlag ihrer flachen Hand war sogar in seiner Gestalt als Dämon nur zu deutlich zu spüren.
„Du Idiot. Du verdammter Idiot. Wagst dich alleine und ohne deine Waffe in eine Stadt, in der der Feuerclan Amok läuft. Und das auch noch, ohne meine Antwort zu haben. Was, wenn ich dir nicht nachgegangen wäre?“
„Dann wäre ich jetzt vermutlich tot“, antwortete Norton Andrew Myers leise und rieb sich die schmerzende Wange.
„Und du hättest es auch noch verdient, du Kerl. Ihr Männer. Ob Ihr nun Dämonen oder Menschen seid, Ihr seid doch alle gleich. Wenn Ihr nicht gerade wegen einem kleinen Schnitt in der Hand rumjammert, als würde euch jemand den Kopf abtrennen, benehmt ihr euch als unsterbliche oder tragische Einzelkämpfer, die alles, aber auch wirklich alles alleine machen müssen.“ Sie sah den Dämon vorwurfsvoll an. „Du hast mich überhaupt nicht verdient, weißt du das eigentlich?“
Norton wollte seine dämonische Gestalt aufgeben, doch Natalia winkte ab. „Nein, bleib so. Es fällt mir dann leichter.“

Unschlüssig behielt er seine derzeitige Gestalt während Natalia vor ihm auf und ab ging. „So, so. Du wolltest also Ralf und den anderen helfen. Alleine, obwohl du weißt, dass ich knietief in ihrer Schuld stehe. Nun gut, da bricht wohl der Einzelkämpfer durch. Das sei dir vergeben.
Aber deine Dummheit nicht. Bei der Oberen Ebene, du bist ein Dämon. Wärst du gleich in dieser Gestalt unterwegs gewesen, hätten dich die drei Trottel gar nicht erst überrascht.“
„Heißt das“, hauchte Norton ergriffen, „du akzeptierst es, dass ich ein Dämon bin?“
„Weißt du eigentlich, wie viele Tabus ich brechen musste, wie viele Geschichten und Lehren meiner Eltern und Großeltern ich vergessen musste, mit wie vielen Traditionen ich gebrochen habe, um das zu akzeptieren?
Weißt du, wie lange ich damit gehadert habe, dass… Dass ich einen Dämon liebe? Und dazu stehen will?“
Sie blieb stehen. Ihre Rechte strich sanft über das Gesicht des Dämons. „Es ist egal, wie du erscheinst. Ich liebe dich für das, was du bist, Norton Andrew Myers.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte verzweifelt, den Mund des Mannes zu erreichen.
„Probleme mit dem Größenunterschied?“, bemerkte er amüsiert.
Sie sah hoch und erwiderte: „Sei nicht so schadenfroh und küss mich endlich.“
Norton beugte sich herab, umarmte die Frau und küsste sie so sanft und herzlich, wie er es vermochte.
„So. Und jetzt machen wir uns daran und passen auf Ralf und seine Truppe auf.“
Norton nickte und gemeinsam liefen sie die Straße weiter hinab.

Hinter ihnen, in der Dunkelheit erschien der letzte der drei Gesegneten Kailins in dieser Region. Er knirschte mit den Zähnen. Vor Wut, vor Angst. Dann folgte er dem Dämon und der jungen Menschenfrau.

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3.
„Ihr wollt unsere Geschichte hören?“, fragte Carine leise. „Ihr wollt wirklich meine und Ralfs Geschichte hören?“
Klaus Fischer zuckte mit den Achseln. „Ich denke nicht, dass du etwas erzählen kannst, was mich jetzt noch erschüttern würde. Mittlerweile bin ich die Superlative von euch Göttern und Gesegneten gewohnt.“
Anselm hatte glänzende Augen. „Erzähl schon, ich halte es vor Neugier kaum noch aus.“
Mako-chan und ihr Bruder nickten bestätigend. „Nun aber los“, bemerkte der Gott, „immerhin ist es auch unsere eigene Geschichte, die wir zu hören kriegen.“
Markus Holt, der mittlerweile wieder zum Menschen geworden und neue Kleidung angelegt hatte, sah interessiert aus seinem Sessel herüber. „Leg los, Mädchen. Ich mache auch keinen Artikel daraus.“
Carine lächelte flüchtig. Dann endlich nickte sie.
„Um meine Geschichte und die meines Bruders zu verstehen, müsst Ihr erst einmal etwas über Vater erfahren. Thomas Schneider ist… Nun, er ist fast zweitausend Jahre alt!“
„Erstaunt mich jetzt nicht wirklich“, kommentierte Freya leise.
„So was war zu erwarten gewesen“, bemerkte Arnim Kleyn amüsiert.
„Ich erwähne sein Alter nicht von ungefähr. Vater steht in einer uralten Familientradition, die es von uns verlangt, dass einer sich keinen Gott sucht und ohne Aura bleibt. Wie seine Großmutter vor ihm war es Thomas auferlegt worden, für einen Zirkel aus den vier mächtigsten Göttern der vier Clans den Fokus zu bilden. Er nahm dieses Amt an und durchbrach in Rekordzeit alle drei Portale. Manche durchschreiten sie. Aber Thomas riss sie regelrecht ein. Nur einmal danach ist es einem Menschen gelungen, eine ähnlich rasante Entwicklung durchzuleben. Doch dazu später mehr.
Sag mal, Arnim, wo hast du das Popcorn her?“
Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Hat Shawn besorgt. Ich meine ja, zu so einer spannenden Geschichte passt Knabberkram am besten.“
„Ach so.“ Wieder musste Carine lächeln, obwohl ihr eigentlich gar nicht danach war.
„Jedenfalls erreichte Vater mit dem durchschreiten des Stamina-Portals relative Unsterblichkeit. Er hatte nun absolute Kontrolle über seinen Körper, seinen Geist und sein Stamina. Außerdem entwickelte er etwas, was nur sehr wenige erreichen, wenn sie das Stamina-Tor passieren. Er entwickelte, während er das Tor durchschritt, eigenes Fluidum.“
„Was? Aber das Fluidum ist eine Eigenschaft der Götter! Ich muß es wissen! Ich bin einer!“, rief Mako-kun erstaunt.
„Daran gibt es nichts zu rütteln und nichts zu deuteln. Thomas entwickelte Fluidum. Nicht soviel, wie Ihr Götter, aber doch eine beträchtliche Menge, die es ihm erlaubte, auf der Oberen Ebene zu existieren.“
Mako-chan bekam große Augen. „Thomas war auf der Oberen Ebene?“
„Okay“, korrigierte sich Klaus leise. „Ab jetzt kann mich keine Superlative von euch mehr überraschen.“

„Gut tausendsechshundert Jahre ging alles gut. Thomas und der Zirkel bildeten die Garantie dafür, dass die Dämonen die Menschheit nicht erneut in einen Krieg stürzten, und die Götter die Menschheit nicht übervorteilten, oder das größte Geheimnis unserer Rasse erfuhren.
Äh, die vier Götter waren natürlich eingeweiht und wussten von Anfang an, woher die Dämonen kommen. Diese Götter waren eure Mutter Trema, dein Feuergott Ausyl, dein Windgott Naiel und deine Wassergöttin Sarenn.
Aber damals entstand eine große Krise zwischen Göttern und Menschen. Das für und wider, das auf und ab will ich euch gar nicht erzählen. Es gab zu viele Konflikte und zu viele Parteien. Der Vertrag von Hethit wurde in Frage gestellt. Und das nicht nur von den Göttern. Zudem traten die Dämonen eine Zeitlang vollkommen offen auf. Hauptsächlich von der Macht Verführte, die auf den eigenen Vorteil aus waren.
Also gründete ein Ehepaar, welches ebenfalls vor einigen Jahrhunderten alle drei Portale durchschritten hatten, die Organisation der GUARDS.
Die GUARDS sollten das Gleichgewicht wiederherstellen, als neutrale Fraktion zwischen den Stühlen. Sie wurden ausgerechnet zu der Zeit vollkommen vernichtet, als es schien, dass ihre Arbeit endlich Früchte trug.
Am Ende einer langen Friedensperiode, in der die Arbeit dieser neutralen Partei wirksam wurde, zeugte dieses Ehepaar eine Tochter. Sie waren meine Großeltern.
Zwanzig Jahre später heiratete sie, um die Sache mal abzukürzen, meinen Vater. Das war vor ziemlich genau dreihundert Jahren.“

Carine machte eine lange Pause und trank ein wenig Kaffee. „Das Problem aber war, dass meine Mutter nicht einfach irgendjemand war. Sie durchschritt alle drei Portale fast so schnell wie Thomas und wurde somit eine der mächtigsten Menschen auf dieser Welt. Meine Großeltern hatten ihr sehr viel natürliches Talent mitgegeben, und instinktiv nutzte sie es.
Als ich gezeugt wurde, taten dies zwei Menschen, die beide das Stamina-Portal durchschritten hatten. Niemand konnte die Folgen ahnen, wenn sich derart absolute Kontrolle über Kraft, macht und Stamina fortpflanzte. Doch es schien alles gut zu gehen. Ich wurde geboren und wuchs als ganz normales Mädchen auf. Und als ich drei Jahre alt war, wurde mein kleiner Bruder geboren.“
„Moment Mal, du bist die Ältere? Aber ich dachte, Ralf… Schon gut, erzähl weiter. Immerhin sind das hier göttliche Angelegenheiten, da sollte man keine menschlichen Maßstäbe anlegen“, sagte Katy.
„Allerdings. Denn ich wurde bereits mit einer immensen Macht geboren. Bevor ich mein achtes Lebensjahr erreichte, durchstieß ich alle drei Tore, ohne es zu wollen. Mir offenbarte sich eine Machtfülle, die ein Kind nicht haben durfte, sollte und konnte. Ich frage mich seitdem oftmals, ob ich vielleicht Schuld daran bin, dass die Kämpfe unvermittelt wieder zwischen Göttern und Dämonen aufflammten, als ich auf der Odemebene wie ein Leuchtfeuer zu strahlen begann. Was wiederum dazu führte, dass die GUARDS fast ausgelöscht wurden.
Ich erinnere mich noch daran, wie die Macht in mir brannte, wie ich mit Gedanken überflutet wurde, die nicht die meinen waren. Ich war unsterblich, ich, ein Kind. Und ich konnte nichts damit anfangen.
Dies war der Punkt, an dem Trema und Nrota mich zu sich auf die Obere Ebene nahmen.
Dort bändigten sie den Hauch Fluidum, den ich von meinen Eltern bei meiner Geburt mitbekommen hatte und versetzten mich nacheinander für viele Jahrzehnte in Tiefschlaf.
Deshalb habt Ihr kaum Erinnerungen an mich, Mako-chan, Mako-kun. Ich habe geschlafen, um meine Kraft bändigen zu können.
An diesem Punkt entschieden meine Eltern, dass Ralf nicht dasselbe durchmachen sollte. Er zeigte keinerlei Veranlagung dafür, die Tore einzureißen, doch bei mir war es ähnlich gewesen.
Mutter entschied sich dafür, die Familie zu verlassen, um für den Schutz alle Menschen die GUARDS wieder aufzubauen. Und Vater bat erneut Trema, eines seiner Kinder zu sich zu nehmen.
Im Alter von sieben Jahren erreichte Ralf die Obere Ebene, wo ich schon vier Jahre als Achtjährige schlief. Dort traf er auf den gerade erst geborenen Gott, entstanden aus Trema und Nrota und wurde sein Spielgefährte, bis ihn sein Fluidum zu verzehren drohte.
Bevor auch er sämtliche Tore einreißen konnte, versetzte ihn Trema ebenfalls in den Tiefschlaf, wo er die Jahrhunderte überdauerte.“

Die anderen schwiegen beeindruckt. Mako-chan nickte bekräftigend. Ihr wurde nun einiges klar. Und vieles verstand sie weit besser.
Markus schlug sich frustriert auf die Schenkel. „Und ich Idiot habe versprochen, keinen Artikel darüber zu schreiben. Mist.“
Carine unterdrückte ein Kichern. „Jedenfalls, vor fünfzehn Jahren erkannte Trema, dass Ralf sein Fluidum im Griff hatte und keinerlei Anstalten machte, die Portale von sich aus zu öffnen. Er konnte an diesem Punkt sein Leben als Siebenjähriger fortsetzen. Vier Jahre später folgte ich. Doch ich hatte die Portale bereits durchbrochen und niemand wusste, wie sich das auf mich auswirken würde. Immerhin war ich noch ein Kind.
Nun, es ging alles gut. Und eine Zeitlang wurde ich sogar als Nachfolgerin in der Familientradition gehandelt, weil ich bereits in so jungen Jahren eine derart große Macht errungen und letztendlich beherrscht hatte. Ich entschied mich dagegen. Ehrlich gesagt, wollte ich irgendwann zu HELIOS gehen und Mutter helfen.“ Sie lächelte schüchtern. „Falls es jemand noch nicht kapiert hat, die derzeitige Anführerin von HELIOS ist meine und Ralfs leibliche Mutter.“
„Schon klar, schon klar“, sagte Jean hastig. „Marianne. Die vom Campus. Erzähl weiter.“

„Ralf rutschte also auf Rang eins in der Rangfolge. Nicht, dass Vater jemals zurücktreten wollte. Oder dass die vier Götter seiner Runde ihr Amt abgeben wollten.
Aber zu dieser Zeit machten sie sich Gedanken darüber, einen zweiten Kreis aufzubauen. Und diesmal sollte nicht ein Mensch, sondern ein Gott im Zentrum stehen, umgeben von Gesegneten. Ja, meine lieben Götter, Ralf war von Anfang an dazu ausersehen, euer Gesegneter zu werden. Da haben unsere Eltern etwas weit geplant und es auch durchgeführt.“
„Wundert mich jetzt nicht wirklich“, erwiderte Mako-kun. „Denn soweit haben wir auch schon gedacht.“
Carine grinste plötzlich. Ihre Augen schienen zu leuchten.
„Stattdessen entstand ein Kreis mit Ralf in der Mitte und einer reduzierten Göttin neben drei Gesegneten, mit einem zum Menschen degenerierten Gott als Strategen an der Seite.
Es war klar, dass diese Macht, die der Fokus Ralf dadurch erlangen würde, sein verschüttetes Fluidum wecken würde. Es war klar, dass die neu entdeckte Macht sich melden würde.
Als er zum zweiten Mal euer Fokus war, erinnerte sich sein Körper daran, für kurze Zeit dämonische Macht besessen zu haben. Und als der Odem durch seine Adern rann und fast eine Göttin vernichtet hätte, da zog es ihn zurück. Ralf löste sich auf. Nicht um zu sterben. Er ging auf eine Zwischenebene, in der sich Dämonen aufhalten, wenn ihre Körper vernichtet wurden. Dort erholen sie sich und steigen wieder auf die Untere Ebene herab – oft erst nach Jahrhunderten.
Ich hoffe, Ralf ist etwas schneller, da er sich eigentlich nicht regenerieren muß.“
„Aber wenn er das nicht muß, warum ist er noch nicht wieder hier?“
Das Gesicht von Ralfs Schwester schien hinter einem dunklen Schatten zu verschwinden. „Vielleicht durchschreitet er gerade das Stamina-Portal. Und wenn er das tut, auf der Zwischenebene, dann ist sein Herz in allergrößter Gefahr. Dann wird er vor eine Entscheidung gestellt, die ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche. Na, Kailin vielleicht.“
„Was ist das für eine Entscheidung?“, fragte William ängstlich. In ihm drängten schon wieder Schuldgefühle nach außen.
„Wissen“, hauchte Carine. „Die Entscheidung ist, ob er das ultimative Wissen um den Konflikt zwischen Göttern und Menschen erlangen will. Ich stand nie vor dieser Frage. Aber wenn er jetzt noch nicht zurück ist, dann…“
„Na, Hauptsache, er lebt!“, kommentierte Mako-chan in die allgemein düstere Stimmung hinein. „Mehr will ich doch gar nicht.“
Die anderen tauschten Blicke aus. Kurz darauf erhob sich bestätigendes Gemurmel.

Shawn versteifte sich. Er warf einen Blick zur nächsten Außenwand. „Es ist soweit. Sie sind da.“
Carine umklammerte das Auge Inissars in ihrer Hand. „Wir haben lange genug gewartet. Beeil dich, Bruder.“

4.
Uafin betrat den Kampfwagen, den toten Leib Ausyls auf den Armen. Ehrfürchtig wichen die anderen Götter des Feuers vor ihm zurück und gaben den Weg frei.
Ungehindert gelangte der junge Gott in den Saal mit Kailins Thron.
„Großvater“, sagte er leise, seinen Zorn mühsam beherrschend, „ich bringe dir den toten Leib deines Nachfolgers.“
Kailin winkte einem seiner Untergebenen zu. Der trat an Uafin heran. „Herr, ich sehe kein Leben und kein Fluidum mehr in Ausyls Leib. Er ist definitiv nicht nur tot, er ist erloschen.“
„Das ist gut. Das ist sehr gut.“ Kailin stand von seinem Thron auf und lachte. „Oh, was für ein schöner Tag.“
„Großvater“, presste Ausyl zwischen zusammengepressten Lippen hervor und legte den toten Leib behutsam im Saal ab, „ich habe getan, was du wolltest. Nun erfülle deinen Teil des Versprechens und gib Mutter frei.“

Kailin sah Ausyls Sohn lange an. Hinter ihm flammte der Bildschirm auf, der Uafins Mutter zeigte. Noch immer schrumpfte ihr Fluidum, noch immer bedrängten sie drei Feuergötter.
„Du willst immer noch, dass meine unnütze Tochter freigelassen wird? Das ihr Kind geboren werden kann? Du denkst, ich halte mein Wort?“ Resignierend sank Kailin wieder auf den Thron und legte eine Hand an die Stirn. „Und so was ist von meinem Blut? Ich kann es einfach nicht glauben. Wie naiv bist du eigentlich, Uafin? Hat Ausyls Erbe dein Blut verwässert? Ich kann und werde Nande nicht frei lassen.“
Erkennen glomm in den Augen Uafins auf. „Ich denke, ich verstehe. Sie steht nicht nur da, um mich zu erpressen. Sie steht dort, um Odem zu konvertieren! Du alter Halunke! Du Sohn einer Flamme einer Klokerze! Du benutzt deine eigene Tochter, um das magische Feld zu erzeugen, welches Agrinal und Trema gefangen hält!“
„Flamme… Klokerze?“ Kailin erhob sich. Seine weißen Haare gingen in einem Flammenkranz auf. „Du wagst es?“
„Ja. Komm, Großvater. Lass es uns austragen“, lockte Uafin. Seine Haare verwandelten sich übergangslos in Flammen.
Kailin umklammerte die Lehnen seines Throns, bis das Material unter der Hitze nachzugeben begann. Dann fasste er sich wieder und setzte sich. „Nein. Warum sollte ich auch nur eines meiner Versprechen halten? Du bist ein Narr, und als dieser sollst du sterben.
Ach ja, bevor ich es vergesse. Wenn ich meine Tochter noch länger zwinge, den Odem für das Feld aufzubereiten, wird ihr Kind natürlich bald aufgezehrt sein. Regelrecht ausgebrannt. Was für ein angemessenes Ende für eine werdende Feuergöttin, nicht wahr?“
Uafin machte einen zornigen Schritt nach vorne, doch sofort waren zwei Feuergötter neben ihm und hielten ihn fest.

Kailin lachte laut. „Und wenn ich erst das Auge Inissars wieder in Händen halte, werde ich es zwischen meine Tochter und den Odem legen. Ein paar Sekunden wird sie dieser geballten Macht standhalten und ein Potentialfeld erschaffen, das die ganze Welt umspannen wird. Dies wird die Herrschaft des Feuers endgültig machen. Und dann kann Afrika so viele Flotten aussenden, wie es will. Und es können so viele Götter herab steigen, wie es gerne möchten.
Der Tod meiner Tochter wird das Feld ewig machen. Und fortan gibt es nur noch einen Clan, der Odem erhalten wird. Der Götterclan des Feuers! ICH!“
Flammen traten aus seinen Augen, leckten gierig über sein Gesicht.
In diesem Moment trat ein bediensteter Gott neben ihn. „Herr. Bisal ist auf der Oberen Ebene angekommen. Viel ist von ihr nicht mehr übrig. Aber wir wissen nun, von welchem Ort der Unteren Ebene sie gekommen ist.“
„Das Auge“, hauchte Kailin. „Es ist zum greifen nahe… Setzt den Wagen in Bewegung. Schickt Kommandos aus. Der, der mir das Auge bringt, soll mein neuer Nachfolger werden!“
„Herr!“

Kailin lächelte kalt. Was für einen Feuergott wirklich eine Leistung war. „Ich denke, ich lasse dich noch etwas leben, Uafin. Zumindest, bis Inissars Auge mein ist. Als kleinen Dank dafür, dass du Ausyl getötet…“
Der Herr des Feuerclans wurde bleich. Seine Hände begannen zu zittern. Sein Blick huschte suchend durch den Thronsaal, aber er fand nicht, was Kailin suchte.
Schließlich fixierte er Uafin. „DU!“
Der junge Gott grinste schief. Übergangslos wuchsen seine Flammenhaare und wirbelten die beiden Götter, die ihn hielten beiseite. „Wollen wir es nun doch austragen, Großvater?“
„DU! WIE KONNTEST DU ES WAGEN?“
„Vielleicht steckt doch mehr von dir in mir, als du dachtest, Großvater…“

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5.
„Das ist… Das ist…“
„Beeindruckend?“, half Ian aus. Ralf nickte schwer. „Ja. Beeindruckend. Diese Schlacht, so verheerend sie auch ist, sie… Sie birst geradezu vor Macht. Ich…“
Ian grinste schief. „Die Schlacht ist nur unser Einstieg. Nur ein Bild, welches dein Unterbewusstsein projiziert. Komm, es gibt etwas viel wichtigeres zu erfahren. Wir kehren später wieder.“
Misstrauisch hob Ralf eine Augenbraue. „Du weißt doch was. Ich meine, du weißt auf jeden Fall weit mehr als ich, richtig?“
Ian grinste breit. „Ich bin schon etwas länger im Geschäft als du. Natürlich ahne ich schon etwas. Und ich höre die Zwischentöne in deinen Gedanken. Damit wir uns der ultimativen Wahrheit stellen können, wechseln wir erst mal auf die Untere Ebene, wo alles begann.“

Die Szenerie wechselte. Übergangslos standen der Gläubige und der ehemalige Dämon in einem feuchten, nebligen Wald. Die Sonne schien schwach, und eine leichte Brise ging durch die Zweige der Bäume.
Übergangslos brachen Männer in schweren Rüstungen durch das Geäst, lange Speere in den Händen. Sie hielten eine geordnete Reihe ein, aber das dichte Unterholz behinderte sie sichtlich.
Dies eröffnete einer Horde, in grobes Leinen gehüllter Männer mit Schilden und Äxten, den organisierten Gegner anzugreifen und in Einzelkämpfe zu verwickeln.
„Aha“, brummte Ian und stieß sich ein paar Meter vom Boden ab, „an dem Punkt sind wir.“
Ungläubig starrte Ralf auf die Schlacht. Als ein Krieger in Rüstung durch seine Brust hindurch versuchte, einen Leinenträger mit seinem Speer aufzuspießen, stieß er sich ebenfalls ab und schwebte zu Ian hoch. „Was für ein Punkt? Abgesehen davon, dass dies hier nicht real ist.“
Der ehemalige Dämon lächelte schwach. „Der Punkt der Geschichte. Dies ist nur ein Konflikt von Dutzenden, Hunderten. Die einen suchen Gold, die anderen Nahrung. Die letzte Eiszeit ist seit Jahrtausenden vorbei, aber die Ressourcen sind noch immer hart limitiert. Ein fremdes Gesicht ist meistens auch ein Rivale. Um Nahrung. Um Gold und andere Ressourcen.“

Die Szenerie wechselte. Übergangslos wurde es Nacht. Es nieselte leicht und der Wind ging schwach. Auf einem großen Erdhügel brannte ein riesiges Feuer. Ein Mann in Leinen kniete davor und hatte beide Arme gen Himmel erhoben, während er in einer ungeschlachten Sprache monotone Mantras aufsagte. Weitere Männer in der Leinenkleidung warfen tote Kameraden und Gegner ins Feuer.
Ralf blinzelte. „Was ist, junger Schneider?“
„Ich glaubte, ich… Für einen Moment dachte ich, dass… Da war ein Gesicht im Feuer. Es starrte auf den Betenden herab. Irgendwie.“
Ian nickte. „Das war ein Daimon. Ein Naturgeist. Dieses Exemplar hier wurde durch das Feuer angelockt. Es ist also ein Feuerdaimon.“
„Hä? Hast du nicht gesagt, dass wir Menschen die Dämonen sind? Wie passen da die Naturgeister rein?“
Ian lachte freudlos. „Verstehst du es denn nicht?“
Vor ihnen in der Erde bildete sich ein weiteres Gesicht und starrte sie aus leeren Augenhöhlen an. Der Regen bildete eine Gestalt, die ihnen zu zuwinken schien und der Wind erzeugte einen Wirbel, nur wenige Schritte von ihnen entfernt, aus denen ein zorniges Paar Augen zu ihnen herüber sah. „Naturgeister. Sie repräsentieren die Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft. Genauer gesagt, sie verkörpern sie.“
Ian sah ernst zu Ralf herüber. „Dies sind die ursprünglichen Formen der Götter.“
Ralf erschrak. Er erinnerte sich sehr gut daran, wie es war, Makoto zu berühren, zu küssen. Den Körper zu fühlen. Wie passte dies mit diesen gestaltlosen Erscheinungen zusammen?

„Wir wissen heute leider nicht mehr wann und wo“, sagte Ian leise und deutete auf das Feuer, „oder warum, aber irgendwann geschah das.“
Ralf sah auf und erkannte, wie aus dem Gesicht in den Flammen eine Gestalt wurde. Eine Gestalt, die wütend aufbrüllte, den betenden Mann ergriff und verschlang.
Der Wind frischt auf, verstärkte die Flammen und trieb einen weiteren Mann ins Feuer.
Der Regen wurde stärker, ließ die Männer umher schliddern, und die Erde tat sich zu einer tiefen Grube auf, um sie alle zu verschlingen.
„Das ist… Das ist… Die Daimons haben Menschen getötet? Aber warum? Warum?“
Ian sah zu Boden. „Wahrscheinlich, weil sie es konnten…“
Bestürzt verfolgte Ralf das Ende aller Menschen rund um das Feuer. Niemand wurde geschont oder entkam. Wenn das wirklich die Vorfahren der Götter waren, wie passte das alles zusammen?

Der Eireländer sah zu Ralf herüber. „Interessant, nicht? Da erscheinen die Götter doch gleich in einem anderen Licht. Die Naturgeister begannen auf der ganzen Erde, Jagd auf die Menschen zu machen. Aber die Menschen nahmen das nicht so einfach hin.“
Wieder wechselte die Szenerie und zeigte einen Flammendaimon, der mit einem Menschen kämpfte. Übergangslos wuchsen dem Mann gewaltige Hörner, die er tief in die Flammen hinein stieß. Der Daimon heulte gequält auf und verging.
„Ein Dämon gegen einen Daimon“, hauchte Ralf ergriffen.
„Ja, dies ist der Grund, warum wir die Tore der Stärke und der Kraft entdeckt haben. Oder erschaffen haben. Das alles geschah weit vor meiner Geburt, junger Schneider. Ich kann mich nicht selbst daran erinnern. Vielleicht gab es damals sogar schon das Tor des Stamina.“
Weitere Kämpfe spielten sich unter ihnen ab. Mal gewannen die Dämonen, mal die Daimons.
„Jedenfalls konnte es nicht ewig so weiter gehen. Irgendwann lernten die Daimons dazu. Irgendwann wurde DAS aus ihnen.“
Wieder erschien eine Szene, doch diesmal keine Kampfszene. Ein paar Menschen saßen um ein kleines Feuer herum und teilten Wasser aus einem großen Krug miteinander.
Doch einer von ihnen war so groß, so kräftig, so übernatürlich schön, dass er unmöglich ein normaler Mann sein konnte. „Das… Das ist…“
„Ja. Das ist ein Gott. Ob sie damals schon die Obere Ebene in Beschlag genommen haben und ob die Mittlere Ebene überhaupt schon existierte, weiß ich nicht. Aber die Daimons hatten von ihren Feinden gelernt und begannen sich anzupassen. Sie erschufen sich Menschenkörper, in denen ihr Fluidum weit weniger verwundbar war.
Vielleicht entdeckten sie so die Obere Ebene, als einige von ihnen so schwer verwundet wurden, dass sie ihre Körper aufgaben. Und somit auf die Obere Ebene gelangten.
In dieser Zeit, in der die Götter entstanden und die Daimons damit nach und nach vergingen, begannen sie sich zu organisieren. Sie bildeten die vier Clans und eine eigene Struktur. Sie entwickelten Sprache und Kultur, was sie von den Menschen abgeschaut hatten. Und sie entwickelten mehr als das übliche Bewusstsein von beseelter Natur. Sie wurden ihrer selbst bewusst.“

Der überirdisch schöne Gott lachte laut nach einem Scherz eines Menschen. Das war eine Sekunde, bevor ein Dämon angriff und versuchte, den Gott zu töten. Aber einer der Gastgeber stellte sich dazwischen und wurde schwer verwundet.
Der Gott reagierte, stellte den Dämon und lieferte ihm einen blutigen Kampf, den er nur knapp gewann. Aber er selbst war mehr als schwer verwundet worden.
Und obwohl er schon dabei war, sich zu verflüchtigen, kehrte er zu dem Mann zurück, der ihn hatte beschützen wollen. Er sah auf ihn herab, beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss.
Dabei löste er sich in einen bunten Funkenregen auf.
„Ja, sieh es dir nur an. Die Götter übernahmen menschliche Züge. Und sie übernahmen das Prinzip der Gefolgschaft und Freundschaft. Was du hier siehst, ist der erste Gläubige.“
Der Mann schlug seine Augen wieder auf. Seine Wunden heilten mit erschreckender Geschwindigkeit. Er betrachtete verwundert seinen Körper. Dann warf er sich auf die Knie und hob beide Arme gen Himmel.
„Und das ist sein Gebet.“
Ralf kniff die Augen zusammen. Durch den schmalen Spalt konnte er deutlich erkennen, wie blauer Odem einem Wasserschwall gleich gen Himmel zog.

Die Szenerie wechselte erneut. Sie waren wieder auf der Mittleren Ebene und noch immer tobte die Schlacht unter ihnen. Ein besonders großer und mächtiger Dämon brüllte den Kampfwagen des Wassers an. Die riesige Plattform erbebte und begann zu schlingern.
„Wie aber kam es dann zu dieser Schlacht?“, fragte Ralf. „Wie, wenn sich zwischen Menschen und Göttern Freundschaft entwickelte?“
„Sie übernahmen zu viele menschliche Eigenschaften. Eine davon war Gier. Als die ersten von ihnen Odem geschmeckt hatten, wollten einige mehr. Und wieder starben hunderte, ja, tausende Menschen, weil die Götter kein Maß kannten.
Wieder standen die Menschen kurz davor, von den Daimon ausgelöscht zu werden.“
Ian senkte den Kopf. „Dieses Wissen.. Ich wollte es nie haben. Aber jetzt erkenne ich, dass es schon immer in mir war. Und ich verstehe endlich den tieferen Sinn der Geschichte.
Damit die Götter die Menschen nicht auslöschten, mussten die Götter sie brauchen. Sie mussten auf die Menschen angewiesen sein. Sie mussten bedroht werden. Und nur der Odem durfte sie retten können.“
Unter ihnen geriet nun auch der Kampfwagen der Erde in Bedrängnis, während die Dämonen wie ein riesiger Pflug eine Schneise durch die Götter schlugen. Und am Horizont schob sich eine gigantische Plattform über eine Bergkette. Sie war deutlich größer als alles, was die Götter aufzubieten hatten.
„Die Götter wurden überrascht, als tausende Dämonen in die Mittlere Ebene einfielen und sie im Handstreich nahmen. Damit hatten die Dämonen einen Fuß auf der Türschwelle zur Oberen Ebene, der Heimstatt der Götter. Ihre Existenz war bedroht. Und bei den Dämonen gab es plötzlich zwei Fraktionen. Eine, die ein für allemal die Gefahr durch die Götter beseitigen wollte. Und eine andere, die nicht in Kauf nehmen wollte, dass die Untere Ebene auf ihre Daimons verzichten musste.
Natürlich reagierten auch die Götter auf die Bedrohung und schickten hunderte, tausende von ihnen in die Schlacht um die Mittlere Ebene. Dennoch verloren sie jeden einzelnen Feldzug und tausende von ihnen starben.
Als die letzte Schlacht näher rückte, da waren es die Menschen, die den Göttern ein letztes Mal Hoffung gaben. Sie spendeten Odem, und die übrig gebliebenen Götter erstarkten wieder. Diesmal hielten sie den Dämonen stand. Der Odem der Menschen wurde für sie zur Rettung. Für den Moment.“

Unter ihnen hielten sich nun Dämonen und Götter die Waage, während die Kampfwagen sich mit der neuen Plattform ein verbissenes Gefecht lieferten.
Da schritt ein einzelner Gott durch die eigenen Reihen, die sich bereitwillig vor ihm teilten. Er hielt einen Stab in der Hand, der ein unwirkliches Licht ausstrahlte. Auch die Dämonen öffneten ihm eine Gasse, bis der Gott mitten unter ihnen stand. Er hob den Arm mit dem Stab und schien etwas zu verkünden. Da traf ihn aber eine volle Salve aus dem Kampfwagen des Feuers und er verging. Der Stab folgte in einer Eruption puren Odems.
„Das, was du da gesehen hast, Ralf, war das Ende von Inissar, Waffenmeister des Feuers. Hingerichtet von seinem eigenen Herrn. Bevor er tun konnte, wozu er den Stab erschaffen hatte.“
„Aber was wollte er mit dem Stab tun? Was war ihm so wichtig, dass er sich mitten unter die Dämonen wagte?“, rief Ralf.
„Wer weiß, wer weiß. Aber mit seinem Tod ging auch eine große Hoffnung verloren, und die Dämonen, erzürnt über den Angriff des Feuerwagens und der Odemeruption, gingen wieder zum Angriff über.“
Einer der Kampfwagen wurde von schweren Explosionen erschüttert und ging langsam zu Boden. Ein zweite folgte, und die riesige Plattform der Dämonen setzte ihren Weg unbeirrt fort.

„Damit hatten die Götter ihr eigenes Ende besiegelt. Bis auf…“ Ian deutete grinsend hinab und interessiert schwebte Ralf näher. Tief unter ihnen, mitten in den Linien der zurück flutenden Götter hatten sich fünf Personen aufgestellt. Außen standen vier Götter, innen ein einzelner Mensch.
Die Götter entluden roten, blauen, weißen und gelben Odem auf dem Menschen, der den Odem sammelte und fokussierte.
Über das weite Land zuckten Überschlagsblitze aus purem Odem. Die Haare der Frau richteten sich auf und leuchteten wie aus einem inneren Feuer auf.
Dann entließ sie den geballten Odem mit einem einzigen Schlag auf die Front der Dämonen und deren Plattform.
Das ganze Land wurde in grellweißes Licht getaucht, dass einfach alles überdeckte.
„Dies war die Rettung für die Götterwelt. Und der Beginn einer wackligen Zusammenarbeit.“

Wieder wechselte die Szenerie und zeigte die vier Götter aus dem Kreis. Sie saßen mit mehreren Menschen zusammen und unterschrieben nacheinander mehrere Papyrus-Dokumente.
„Der Vertrag von Hethit“, stellte Ralf fest. „Der Vertrag, der die Rechte und Pflichten der Menschen und Götter regelt.“
Ian winkte ab. „Bah. Nur Papier. Eine lose Übereinkunft, die nur grob eingehalten wurde. Oder glaubst du, es gäbe heutzutage noch eine Gruppe Götter mit einem Fokus oder uns Dämonen, wenn alles von da ab Friede und Kuchenbacken gewesen wäre?“
Beteten senkte Ralf den Kopf. „Nein, sicherlich nicht.“
„Jedenfalls“, begann Ian wieder, „war der Plan der Dämonen erfolgreich. Die Götter wurden sehr in ihrer Zahl geschwächt und profitierten vom Odem ihrer Gläubigen. Eine gegenseitige Abhängigkeit wurde etabliert. Einer brauchte den anderen. Mit den Ausnahmen, die du schon kennst.
Natürlich kam es immer wieder zu Querelen. Mal versuchte ein Clan, die gesamte Macht über die Untere Ebene an sich zu reißen. Mal versuchten Horden wütender Dämonen, erneut in die Mittlere Ebene einzufallen. Etwas in der Art.
Vergiss nicht, die ehemaligen Daimons hatten sehr viel von uns Menschen übernommen. Vielleicht zu viel. Verrat ist ihnen ein ebenso geläufiges Prinzip wie Liebe.
Wir haben versucht, aus ihnen Menschen zu machen, um uns selbst zu retten. Wir haben es fast geschafft.
Aber das Problem mit Menschen und Göttern ist, sie sind nicht berechenbar.
Die Dämonen waren und sind es nicht, die Menschen sind es nicht und waren es nie, und die Götter stehen ihnen da in Nichts nach…

Wir tanzen seit dreitausend Jahren auf rohen Eiern, und ich war einer von denen, die immer wieder versucht haben, aufzustampfen, um die Eier zu zerbrechen.
Es ist ein gefährlicher Status Quo, der jederzeit in sich zusammenbrechen kann.
Das Wissen um die Herkunft der Götter und der Herkunft der Dämonen ist so brandgefährlich, dass es die drei Ebenen vernichten kann. Nur wenige Götter und wenige Menschen kennen die ganze Wahrheit. Und können auch damit leben. Für die Götter ist es nicht leicht zu begreifen, woher sie gekommen sind.
Und die Menschen können nur sehr schwer akzeptieren, dass sie potentielle Dämonen sind.
Würde dies alles bekannt werden, würde das absolute Chaos ausbrechen. Vielleicht würden sich Götter und Menschen letztendlich gegenseitig auslöschen, obwohl wir einander längst mehr brauchen als uns lieb ist.“
Der ehemalige Dämon sah betreten zu Boden.
„Der Kreis um deinen Vater, HELIOS, die verschiedenen Dämonenbündnisse zum Schutze der Menschen, das sind alles nur Symptome. Symptome einer Krankheit namens Menschlichkeit. Die Dämonen sehen, dass die Götter immer noch geschwächt von der Entscheidungsschlacht sind, dass ihre Zahl stark reduziert wurde.
Und die Götter spüren den Odem der Menschen und wollen nur noch mehr Odem.
Und damit handeln sie vollkommen nach der menschlichen Natur.
In der vollen Tragweite, angefangen bei Mitgefühl bis zu blankem Zorn.“
Ian schlug beide Hände vor sein Gesicht. „Und ich war genauso wie sie. Ich war nicht einen Deut anders. Die Götter sind schwach und ich kann sie ausradieren. Den Resonator habe ich manipuliert, um einen Gott wirklich zu töten, und nicht die Hoffnung übrig zu lassen, dass sein Fluidum aufsteigen und sich regenerieren kann. Ich war besessen vom Hass, so wie Kailin besessen ist von seiner Gier nach Macht und Odem.
Kann es einen besseren Beweis dafür geben, dass wir beide menschlich sind?“

Ralf atmete schwer und tief aus. „Ich verstehe langsam. Ich verstehe. Wir leben in einem unglücklichen Gleichgewicht, dass ständig in die eine oder andere Richtung kippt. Und die ganzen Organisationen, die Götter, die Dämonen, sie tun nichts weiter, als sich dann gegen die Schale der Waage zu stemmen, um für dieses mal das Gleichgewicht wieder herzustellen. Es ist alles Flickwerk. Aber es ist das Beste, was wir haben.“
„Nein, nicht ganz“, sagte Ian und sah Ralf mit festem Blick an. „Es gibt eine Sache, die aus deinem Flickwerk ein permanentes Gleichgewicht macht. Und du bist es, der diese Sache herbeiführen muß.“
„Ich?“, rief Ralf erstaunt.
„Ja. Du. Geh auf die Mittlere Ebene. Suche den Ort der Letzten Schlacht. Und erkenne dort dich selbst. Das ist deine Mission. Scheiterst du, wird das Spiel mit der Waage bis in alle Ewigkeiten weitergehen.“
„Und was ist, wenn ich Erfolg habe?“
Ian grinste wölfisch. „Die Chance, dass du Erfolg hast, ist so unendlich klein, dass ich daran keinen Gedanken verschwenden würde, wenn ich du wäre. Frühestens, wenn du Ar Ashir erreicht hast und noch genügend Leben in dir ist.“
„Ar Ashir? Was ist das?“
„Ar Ashir ist die größte freie Stadt der Mittleren Ebene. Dort wird es beginnen. Dort nimmt deine Aufgabe ihren Anfang. Bist du bereit, es wenigstens zu versuchen?“
Ralf dachte an seine kleine Schwester. An seine Göttin und seinen Gott. An seine Freunde, die Gesegneten und die normalen Menschen. Ihm ging so viel durch den Kopf, dass er wütend blinzelte, bis sein Geist wieder einigermaßen klar war. „Ich habe keine andere Wahl, als es zu versuchen.“
„Gut. Dann bist du es vielleicht wirklich.“
Ian nickte zufrieden. Kurz darauf entstand ein tief schwarzer Abgrund unter ihnen.
Bevor Ralf es richtig bemerkte, fielen sie bereits hinein. „Was meinst du eigentlich andauernd mit vielleicht bist du eeeeeeeeees…?“

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6.
„AUSYL WAR TOT!“, rief Kailin aufgebracht. „TOT! TOT! TOT! WIE KONNTE ER FLIEHEN?“
Uafin grinste wölfisch, während seine Haare erneut wuchsen und bereits die Seitenwände berührten. „Vielleicht war es gar nicht Ausyl, Großvater. Vielleicht war es jemand, der nur seine Gestalt angenommen hat?“
Kailin erstarrte in seiner Litanei. Er wurde aschgrau. Wie kraftlos sank er in seinen Sessel zurück. „Du… Du hast einen Dämon an Bord des Kampfwagen gebracht?“
„Nicht irgend einen Dämonen, Großvater. Den Dämonenkönig Javala. Er war so nett und hat eine wirklich beeindruckende Sterbeszene für dich gespielt. Jetzt in diesem Moment sollte er… Aber sieh selbst.“ Uafin deutete auf die Darstellung seiner Mutter.
Wie aus dem Nichts tauchte ein riesiger, Hornbewehrter Dämon auf und zerfetzte den ersten der drei Nande bedrängenden Götter mit einem Hieb seiner Klaue.
Der zweite wehrte sich mit einem Plasmaschuss puren Feuers, aber Javala konnte er damit nicht stoppen. Bevor er sich versah, ragten die Hörner des Dämonen aus seinem Rücken. Die Reste zerriss Javala einfach und warf sie achtlos zu Boden.
Kailin sah erschrocken zu. „Gebt… Gebt Alarm! So tut doch was! Jagt diesen Dämon! Tötet ihn! TÖTET IHN!“

Der dritte Gott stellte seine Anstrengungen ein und floh vor dem Dämonen. Der grunzte zufrieden und machte sich an Nandes Fesseln zu schaffen. Die Göttin fiel erleichtert und kraftlos in die Arme des Dämons, als wäre er ein lieb gewonnener, alter Freund.
Kailin wirbelte zornig herum. „Damit hast du es getan, Uafin! TÖTET IHN!“
Erstaunt starrte der alte Intrigant in den Saal. Zwei seiner Götter lagen an den Wänden, die Gliedmaßen in unmöglichen Winkeln von sich gestreckt. Doch von Uafin war keine Spur mehr zu sehen.
Kurz darauf ging der Alarm durch den Kampfwagen und mobilisierte jeden einzelnen Gott an Bord.
**
„Dein verrückter Plan hat funktioniert, Onkel“, rief Uafin, während er neben Javala herlief.
„Er musste funktionieren. Kailin ist ein begnadeter Intrigant. Aber wenn er glaubt, seine Ziele erreicht zu haben, dann wird er nachlässig. So war er schon immer.
Und als du ihm deinen toten Vater präsentiert hast, hatte er so einen Spaß, dass er kaum noch etwas anderes wahrnahm.“ Der riesige Dämon wirbelte um die nächste Ecke und warf mit einer beiläufigen Bewegung der linken Hand einen heranstürzenden Gott meterweit den Gang zurück. Uafin schickte dem anderen noch schnell einen Ball puren Feuerplasmas hinterher.
Als sie den Nebengang passiert hatten, erklang eine gewaltige Explosion und Feuerzungen leckten aus dem Gang.
„Musst du immer so übertreiben?“, warf ihm der Dämon vor.
„Vater sagt immer, wenn du etwas tust, dann tu es richtig.
Geht es noch, oder soll ich Mutter übernehmen.“
Der Dämon winkte ab. „Lass nur. Ich hatte selten eine bessere Last. Welchen Weg jetzt?“
„Geradeaus durch die Wand. Es ist eine Außenwand.“
„Wir sollen durch die Außenwand eines Kampfwagens brechen? Entschuldige bitte, aber du bist verrückt.“
„Nein“, kam die schwache Stimme der Göttin aus Javalas Armbeuge. Sie griff kraftlos nach ihrem Sohn, bis sie seine Hand zu fassen bekam. „Uafin kann das. Lass das Metall dunkelrot aufleuchten vor Hitze, mein Sohn. Und du, Javala, brich dann durch. Das Feuer wird dir nichts tun, solange ich dich beschütze.“
„Versuchen wir es“, erwiderte der Dämonenkönig ernst. „Ich habe nicht das Gefühl, als könnten wir einen der regulären Ausgänge benutzen.“

Uafin schleuderte einen weiteren Plasmaball in den Gang, aus denen sie gekommen waren. „Vor allem sollten wir schnell sein“, sagte er atemlos.
„Mach du die Wand. Ich decke dir den Rücken!“, rief Javala und entließ einen Stoß reinen Odems den Gang zurück. Drei angreifende Götter wurden davon erfasst und zurück getrieben.
Uafin berührte die Wand mit beiden Händen. Schon kurz darauf begann sie sich zu verfärben, und bevor Javala einen zweiten Stoß abgeben konnte, glühte sie dunkelrot auf.
„Los jetzt!“, rief der junge Gott.
Javala nickte, drückte Nande schützend an sich und rammte die Wand. In einer Fontäne aus flüssigem Metall durchbrach er die Außenhülle und fiel mit seiner Last in die Tiefe.
Neben ihm stürzte Uafin zu Boden, das Gesicht nach oben gerichtet. „Sie wissen, wo Inissars Auge ist. Wir müssen sofort dort hin. Ob wir die da im Schlepp haben oder nicht“, murmelte Uafin und sah nach oben. Dort folgte ihnen bereits ein Kommando aus mehreren Göttern.
„Dann folge mir. Ich weiß auch, wo das Auge ist“, sagte der Dämon.

Die Verfolger kamen schnell näher. Javala war mit seiner Last zu langsam, und Uafin wollte seine Seite nicht verlassen.
Schon glaubte der junge Gott, das Weiße im Auge seiner Gegner zu sehen, als eine Flammenfontäne die fünf Verfolger einhüllte und hunderte Meter weit in die Luft schleuderte.
Hinter ihnen stieg Ausyl auf, gefolgt von den sieben Feuergöttern, die ihm Treue geschworen hatten. „Ich nehme an, Ihr wollt zu Inissars Auge? Dürfen wir euch Gesellschaft leisten?“
„Vater!“, rief Uafin freudig.
Der Feuergott glitt neben seinen Sohn und fuhr ihm durch die Haare. „Was bist du nur für ein Teufelskerl. Was bist du nur für ein Mann. Ich bin stolz auf dich.“
„Ich auch, Ausyl“, hauchte Nande schwach, bevor sie an der Brust Javalas einschlief.
Uafin spürte, wie er rot wurde. „Ich tue nur meine Pflicht, Vater.“
„Das macht mich ja so stolz“, erwidert der Gott.
Er sah zurück und erkannte, in welche Richtung der Kampfwagen des Feuers fuhr. „Wir sollten uns beeilen. Sonst kommen wir womöglich zu spät.“
**
„Das Feld ist erloschen!“, rief Michael Berger aufgeregt. Über ihnen gab es eine Explosion, und ein Teil der Hülle des Kampfwagens des Feuers wurde weg gesprengt. Zwei Gestalten fielen heraus und tauchten schnell im Gewimmel der Altstadt unter. Marianne hoffte, dass es Javala und Uafin gelungen war, Nande zu retten. Dass das Feld zusammen gebrochen war, bewies, dass sie zumindest in einem Punkt Erfolg gehabt hatten.
Sie zögerte nun nicht länger, warf einen schnellen Blick auf ihre Teams, die gerade mehrere Götter und Gesegnete des Feuerclans gestellt hatten, und rief: „Vize-Direktor übernimmt!“

Kurz darauf sprang sie in das Ratshaus. Die Menschen waren ohnmächtig, aber Theresa kam bereits schwankend auf die Beine.
Marianne machte nicht viele Worte. Sie winkte Agrinal zu. „Hi, Wassergöttin. Wir müssen mal wieder einen Kaffee trinken gehen, wenn das alles vorbei ist. Aber jetzt entschuldige mich und Trema einen Moment, ja?“
Kurz darauf war sie auch schon mit der Göttin gesprungen.
„Hast du zugenommen? Der Sprung ist mir reichlich schwer gefallen“, ächzte die Direktorin von HELIOS.
Theresa schüttelte die Benommenheit langsam ab. „Zugenommen? Du sprichst mit einer Göttin, Schatz.“
„Götter können auch fett werden“, stichelte Marianne.
Die beiden Frauen sahen sich an und brachen in lautes Gelächter aus.

„Schaffst du es, mich bis zu meinem Kind zu bringen?“
„Es ist schwer, ich wäre kürzlich beinahe gestorben. Meine Kraft ist noch nicht wieder da. Aber ich versuche es.“
Theresa zwinkerte. „Warte mal, sehe ich da Spuren von Nrotas Odem an dir?“
„Okay, ja, er hat mich mit seinem Odem gerettet. Und? Ist das ein Problem für dich?“
„Gleiches Recht für alle“, sagte Theresa und gab der überraschten Marianne einen Kuss, bei dem sie ihr Odem einhauchte.
Die HELIOS-Agentin war viel zu überrascht, um darauf zu reagieren.
„Und? Schaffst du es jetzt, Schatz?“
„Darüber reden wir noch mal“, drohte Marianne, mehr erschrocken als böse. Sie griff nach Theresas Hand und sprang erneut.
**
Naiel und Sarenn verfolgten die unglaubliche Entwicklung aus ihrem Versteck heraus.
„Zeit für uns, ebenfalls zu reagieren“, stellte Sarenn fest. Der Luftgott nickte.
Kurz darauf sprangen beide. Ihr Ziel war Thomas.
**
Herress saß auf ihrem Thron im Kampfwagen der Luft und betrachtete interessiert das weitere Geschehen.
„Sollen wir eingreifen, Herrin?“, fragte Culan, ihr Waffenmeister.
„Nein. Kailin hat die Geschichte begonnen. Lassen wir sie ihn Zuende bringen. Wenn er mehr von meiner Hilfe will, muß er einen höheren Preis bezahlen. Wir bilden weiterhin ein Patt zum Kampfwagen des Wassers. Unsere Gesegneten und Götter sollen ihre Aktionen fortsetzen, aber mehr nicht. Wir sind immer noch der Juniorpartner dieser Aktion. Notfalls können wir uns immer noch herausreden.“
Culan schlug mit der Rechten auf seinen Brustpanzer. „Ja, Herrin.“
**
Der Feuergesegnete Kailins verfolgte den Dämon und die Menschenfrau bis in ein Wohnviertel vor eine große Villa im Stil der Jahrhundertwende.
Er grinste, als er sein Ziel eindeutig identifiziert hatte. Dann sah er sich um und erkannte, dass die Gesegneten, die er gerufen hatte, bereits auf dem Weg zu ihm waren. Sogar der Feuerwagen hatte sich in Bewegung gesetzt. Doch so vermessen zu glauben, dass Kailin das auf seinen Wunsch hin tat, war der Gesegnete nicht. Hatte er hier etwa den Jackpot getroffen? Sein Atem ging hastiger. Hatten sie hier Inissars Auge versteckt?
Mehrere Gesegnete des Feuerclans landeten neben ihm auf den Dächern. „Befehle?“, fragte einer von ihnen ernst.
Der Gesegnete Kailins grinste wölfisch. „Angreifen.“
Sofort sprang er inmitten von elf Gesegneten auf die Straße und raste dem Pärchen hinterher. Diesmal würde ihnen weder die Dämonengestalt noch die Pistole mit den Torches helfen. Der Kailingesegnete ließ seine Flammendolche entstehen. Diesmal gab es kein Entkommen!

Plötzlich traf ihn etwas Hartes in der Seite. Er wurde aus dem Kurs geschlagen. Ohne etwas dagegen tun zu können, schlug er erst gegen einen anderen Gesegneten und dann auf dem Boden auf.
Ungläubig starrte das Pärchen zu ihnen herüber. Und zwischen ihnen stand ein Mann in einem weiten, schwarzen Mantel mit einer nachtschwarzen Sonnenbrille.
Er hielt einen langen Kampfstab in den Händen, mit dem der Kailingesegnete gerade Bekanntschaft gemacht hatte – er und die anderen Gesegneten auch.
Der Mann grinste. „Wehrt euch doch mal, sonst macht das keinen Spaß.“
Er sah kurz zurück und rief: „Alles in Ordnung, Frau Prokovniewa, Doktor Myers?“
Vollkommen überrascht nickten die beiden.
Zufrieden wandte sich der Mann in schwarz wieder den Gesegneten zu. „Mein Name ist Thomas Schneider. Ihr habt gerade Freunde von mir angegriffen. Und das mag ich überhaupt nicht!“
Hinter und neben ihm standen plötzlich weitere in schwarz gekleidete Gestalten, drei von ihnen Dämonen.
Einer richtete eine Torchpistole auf den Kailingesegneten und drückte ab.
„AH!“

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7.
Nach einem kurzen und heftigen Kampf wischte sich Thomas Schneider den Schweiß von der Stirn. „Junge, Junge, gegen Feuergesegnete zu kämpfen ist immer eine heiße Sache“, scherzte er, aber keiner seiner Gefolgsleute lachte.
Doktor Myers hatte wieder seine Menschengestalt angenommen und aus dem Haus kamen die Bewohner herüber.
„Sie haben es gewusst, Herr Schneider?“, fragte Norton erschüttert.
Thomas drückte seine Sonnenbrille die Nase wieder hinauf und winkte mit der anderen Hand ab. „Bah. Ich hätte vielleicht was ahnen sollen. Bei dem ganzen Gerede um eine modifizierte Torch-Pistole, dem Kampf gegen einen Dämonen, dem Resonator und Ihrem Interesse daran, und Ihrer Fürsorge für Makoto und meinen Sohn.
Aber ich habe es nicht. Ich bin halt auch nur ein Mensch. Und manchmal übersehe ich eben das Offensichtliche.“
„Das soll wohl heißen, du bist nur ein Mann. So etwas zu übersehen ist nämlich eine männliche Eigenschaft, Vater“, tadelte Carine. Sie trat an Thomas Schneider heran.
Der nahm seine Tochter in die Arme. „Alles okay mit dir, Schatz?“
Die junge Schneider nickte. „Alles okay. Ich habe das Auge bei mir und die anderen wissen nun Bescheid. Ich habe ihnen alles erzählt. Sie stehen hinter Ralf.“
Nach und nach kamen die Gesegneten und normalen Bewohner heran.
Kurz glitt der Blick des Unsterblichen über die Gesichter. Bei Anselms Anblick schien Thomas kurz zu erschrecken, aber er sagte nichts weiter.

„Danke. Danke euch allen. Es geht hier um das Schicksal der Unteren Ebene. Es freut mich zu sehen, dass die junge Generation bereit ist, ihre Freiheit zu verteidigen.“
Die ernsten Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
„Was wir tun können, wollen wir tun“, verkündete Katy leise, kreuzte die Arme vor ihrer Brust und legte ihre Beretta auf der linken Armbeuge ab.
Die anderen brummten zustimmend.
„Gut. Denn das hier war nur ein Vorgeschmack.“ Thomas Schneider deutete in Richtung Universität. Dort schob sich langsam aber sicher der Kampfwagen des Feuers heran. Im Hintergrund standen die anderen drei Kampfwagen über ihren Kirchen und wurden von freiem Odem umlodert. „Kailin kommt. Und er kommt, um das Auge an sich zu nehmen. Und wenn er das Auge in seine gierigen Gichtkrallen kriegt, sind wir alle verloren.“
„Nun mal nicht gleich so ein düsteres Bild, Thomas“, kommentierte eine Frauenstimme hinter ihm. Der Firmenchef wirbelte herum und erkannte seine Exfrau und seine Lieblingsgöttin. Sofort eilte er auf die beiden zu und drückte sie an sich. „Den Göttern sei dank, euch beiden geht es gut.“
„Werde nicht gleich hysterisch, Thomas“, tadelte Theresa, löste sich von ihm und zeigte ihm die gespreizten Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. „Hey, ich bin eine Göttin.“
„Eine Göttin, die eben gerade noch wie eine hilflose Schildkröte auf dem Rücken vom Feuerclan als Geisel gehalten wurde“, kommentierte Marianne amüsiert.
Theresas Lächeln erstarb. „Könntest du das Detail in Zukunft aussparen, Schatz?“
„Detail? Das ist die Handlung des halben Abends, oder?“, erwiderte die Chefin von HELIOS mit einem breiten Grinsen.
Die Erdgöttin senkte den Kopf, als hätte man ihr einen schweren Schlag versetzt. „Du bist so gemein zu mir.“
Mako-kun senkte den Blick und legte die Rechte an die Stirn. „Und so was ist Herrin über einen ganzen Götterclan. Ich glaube es nicht. Nicht mal meine weibliche Hälfte benimmt sich so kindisch.“
Mako-chan sah böse zu ihm herüber und trat ihm ärgerlich auf den Fuß. „Vergiss nicht, wenn du mich beleidigst, beleidigst du dich im Grunde nur selbst.“
„Autsch. Verstehe es einfach als Selbstkritik“, konterte der Gott mit einem schiefen Lächeln.

Übergangslos wurde der zum Menschen reduzierte Gott ernst. „Es geht los. Sie kommen.“
Über den Dächern der Altstadt glomm roter Odem auf. Zehn einzelne Punkte wurden schnell größer.
Thomas fixierte die Neuankömmlinge und nickte ernst. „Ausyl und seine Gefolgsleute. Dahinter nahen die ersten Feuergötter, die Kailin die Treue halten.“
Shawn Ironheart trat nahezu lautlos an den Unsterblichen heran. „In den Seitenstraßen sammeln sich weitere Gesegnete und einige Götter. Bisher sind es schon fast fünfzig.“
„Fünfundfünfzig!“, rief Naiel mit seiner rauen Stimme herüber. „Und es kommen noch weit mehr. Alle sind voll gepumpt mit dem Odem aus dem Spendenmarathon in Südafrika.“
Theresa trat auf den Luftgott und die sie begleitende Wassergöttin zu. „Da seid Ihr ja endlich. Wenn Ausyl da ist, können wir einen Zirkel bilden.“
„Falls er es schafft“, kommentierte Freya ernst und deutete in die Richtung aus der der Feuergott näher kam. Flammen loderten aus den Straßen zu ihm und seinem Gefolge herauf und verschlangen sie allesamt.
Kurz darauf brachen sie nahezu unversehrt aus der Wand aus Feuer hervor, aber Verfolger setzten sich hartnäckig auf ihre Fersen.

„Bereitmachen“, sagte Thomas zu seinen Leuten. Die Menschen und Dämonen bestätigten.
„Ich übernehme die Truppe, Vater“, bot Carine an. „Lange genug trainiert habe ich ja mit ihnen. Dann bist du frei, um jederzeit als Fokus zu agieren.“
„Nein, Carine, das ist ein Fehler. Du trägst das Artefakt. Du darfst dich nicht binden, musst beweglich bleiben. Wir müssen dich verteidigen, nicht umgekehrt.“
Die junge Schneider nickte nachdenklich. „Dann soll Mutter das machen. Sie hat Jahrhunderte Erfahrung darin, Teams zu führen.“
Marianne erstarrte entsetzt. „Thomas, du…“
Abwehrend hob der Firmenchef beide Arme. „Nein, nein, ist nicht so wie du denkst, Engelchen, sie hat es alles ganz alleine raus gefunden.“

Verwirrt sah Marianne zu ihrer Tochter herüber. „Ich…“
„Mein Fehler, Mutter“, entschuldigte sich Carine. „Ich wusste immer, wie wichtig HELIOS für dich ist. Bei dieser Aufgabe wollte ich dich nicht stören.“
Kleinlaut fügte sie hinzu: „Und ich wusste gar nicht, ob du nach dreihundert Jahren überhaupt noch etwas für mich oder Ralf empfindest.“
Marianne fühlte ihre Augen feucht werden. Sie trat an ihre Tochter heran und nahm sie in die Arme. Carine brach in Tränen aus. „Mutter.“
„Psst. Natürlich empfinde ich sehr viel für dich. Und für Ralf. Ihr seid meine Kinder. Aber ich dachte all die Jahre, nachdem Ihr von der Oberen Ebene zurückgekommen seid, dass Ihr eher mit einer toten Mutter als mit einer überbeschäftigten zurecht kommt. Vielleicht war dieser Gedanke falsch.“
Carine sah auf, ihre Wangen waren von Tränen überströmt. Aber sie lächelte. „Das ist doch vollkommen egal. Endlich sind wir zusammen.“
Die junge Frau vergrub ihr Gesicht auf der Schulter ihrer Mutter und weinte. Marianne ließ ihr die Zeit, die sie brauchte. Nur mühsam hielt sie ihre eigenen Tränen zurück. Wie oft hatte sie von solch einem Moment geträumt. Oder sich gefragt, wie er wohl aussehen würde. Dieses Glück, dieses überschwängliche Glück, dass sie empfand, hatte sie nie erwartet.
Entschlossen sah sie zu Thomas herüber. „Ich übernehme dein Team. Außerdem beordere ich meine Verstärkungen hier her. Sie sind vor fünf Minuten gelandet. Wir werden hier eine Abwehr aufbauen, die man seit der Großen Schlacht nicht mehr gesehen hat.“

„Natürlich werden wir das!“, rief Ausyl und landete neben den anderen Göttern und Menschen. Javala ging mit federnden Knien zu Boden und legte Nande behutsam auf das Gras des Vorgartens ab.
Die besorgten Blicke der anderen tat er mit einem Schmunzeln ab, während aus ihm wieder der ältere, kleine Mann wurde. „Sie regeneriert sich nur. Kailin hat sie furchtbar misshandelt und wir waren sehr spät dran. Aber sie schafft es. Ein, zwei Jahrzehnte Schlaf, und sie ist wieder wie neu.“
Der Dämon sah in entsetzt aufgerissene Augen. „Ach, Ihr Menschen. Ihr denkt in so kleinlichen Zeiträumen.“
„Das ist es nicht!“, rief Arnim aufgeregt. „Professor, Sie sind ein Dämon!“
Der alte Mann schmunzelte. „Das ist mir auch schon aufgefallen.“
Nervös fingerte der Feuergesegnete nach einer Zigarette, fand sie, entzündete sie erneut ohne Feuerzeug und zog gierig daran. „Und ich dachte, mich kann nichts mehr überraschen.“
„Hör mit dem rauchen auf. Das ist ungesund“, kommentierte Uafin leise und klopfte dem Menschen auf die Schulter.
„Und so was sagt mir ein Gott. Ich bin Arnim.“
„Uafin, Sohn von Nande und Ausyl.“
„Freut mich, dich kennen zu lernen. Soll ich dir die Gang vorstellen?“

Ausyl beobachtete, wie Arnim dem jungen Feuergott nach und nach jedes einzelne Mitglied der WG vorstellte. „Früher gab es ein Ritual unter den Menschen. Wenn sich zwei fremde Stämme begegneten, dann schickten sie ihre Kinder vor. Die Kinder begannen in den meisten Fällen friedlich miteinander zu spielen, und so überwanden beide Stämme die Sprachbarriere, bevor sie überhaupt entstand. Ich glaube, Uafin ist bereits fest bei ihnen aufgenommen.“
Er klopfte Thomas auf die Schulter. „Also, wollen wir dann mal einen Kreis bilden und dieses hässliche Ding da vom Himmel putzen?“
„Du spinnst doch, Ausyl. Der Kampfwagen wird zerplatzen, und seine Trümmer regnen dann über die ganze Stadt ab“, beschwerte sich Sarenn wütend. „Oder im ungünstigsten Fall kommt das Teil in nahezu einem Stück runter und macht erst ein ganzes Viertel platt, bevor der gespeicherte Odem kollabiert und gleich ganz Klingburg ausradiert.“
„Das wäre aber ein wirklich kleines Opfer, wo es doch um die ganze Welt geht“, erwiderte Ausyl wütend.
„Ach ja? Dann frag doch mal die Klingburger, ob sie bereit sind, dieses Opfer zu bringen, Herr Oberschlau.“
„Ruhig, ruhig.“ Thomas hielt seinen Kampfstab genau zwischen die beiden. „Wir erwarten Kailin genau hier. Und dann wird sich schon eine Lösung finden lassen.“
Die beiden Götter entspannten sich wieder. „Okay“, murrte Sarenn. „Hast ja Recht, Thomas.“
„Da bleibt nur noch eine Frage“, sagte Mako-chan nachdenklich. „Wo bleibt Ralf?“
**
„Hinter dir!“, rief Mako-chan und ließ zwischen Arnims Rücken und einem Feuergesegneten eine Erdsäule auffahren. Der Kendoka fuhr herum und durchtrennte sowohl die Erdsäule als auch den Angreifer mit einem Hieb seiner Flammenklinge. „Danke dir.“
„Achte mehr auf deine eigene Deckung!“, rief Norton Myers und riss in seiner Dämonengestalt einen Gott um, der sich Mako-chan von hinten genähert hatte.
„Da-danke“, murmelte sie bestürzt.
Hinter, vor, über und neben ihr brodelte das Chaos. Überall wurde gekämpft. Ihre Mutter nahm es gerade mit zwei Feuergöttern zugleich auf, Ausyl geriet mit einem sehr bulligen Gegner aneinander. Jeder war beschäftigt. Nur Mako-kun, Carine, William und Markus standen im Hintergrund vor dem Haus. In den Händen von Ralfs Schwester lag das Juwel, um das der ganze Konflikt überhaupt ging.
Neben ihnen verging ein Dämon aus Thomas´ Werkssschutz unter dem Angriff eines Feuergottes. Danach stürzte sich der Sieger begierig auf die junge Frau.
Doch Anselm schien wie aus dem Nichts aufzutauchen und fuhr dem Feuergott in die Seite. Überrascht und überrumpelt verlor er die Balance und stürzte zu Boden, wo er sich mehrfach überschlug.
Mako-kun gab Markus ein Zeichen, und der Dämon nahm seine Kampfgestalt an und vernichtete den überraschten Gott mit einem einzigen Angriff.

Mako-kun hatte den Überblick und koordinierte die Verteidigung Carines. Seine Miene war ernst und sie konnte den Frust in seinen Augen erkennen, weil er in eine beratende Rolle gedrängt worden war und nicht mitkämpfen konnte. „Hör auf zu träumen, Schätzchen“, rief Freya, packte die Erdgöttin und riss sie zu Boden. Wo Mako-chan eben noch gestanden hatte, ging ein Blitz nieder, der vom Erdwagen gekommen war.
„Danke“, murmelte Mako-chan erneut. Sie richtete sich wieder auf. Die Lage wurde langsam aber sicher undurchsichtig. Die Reihen der Kämpfenden durchmischte sich und es war schwer zu erkennen, wer gerade im Vorteil war.
Gewiss, jeder tat sein Bestes, so wie Katy, die gerade erst mit ihrer torchfähigen Pistole einen unvorsichtigen Feuergesegneten besiegt hatte.
Oder Jean, dessen kleine Gestalt darüber hinweg täuschte, dass er in seiner Kindheit einen Kampfsport gemacht hatte, der ihm nun durchaus gegen Gesegnete half.
Alle kämpften. Aber würde das reichen? Schon fielen aus dem Kampfwagen des Feuers weitere Götter und Gesegnete herab.

Marianne sah zu ihnen hoch, dann die Straße herab. Sie warf einen Feuergott mit einer nebensächlichen Bewegung gegen die nächste Wand, die sein Körper durchbrach.
Die HELIOS-Chefin atmete erleichtert auf. Ihre Verstärkungen kamen die Straße herab gelaufen.
Hinter und neben Mako-chan materialisierten Erdgötter, unter ihnen auch Nrota, ihr Vater. Sofort griffen die Agenten und die Götter in den Kampf ein. Doch noch immer hielt der Zustrom aus dem Kampfwagen nicht inne. Es schien, als hätte Kailin ein paar hundert Menschen vor dieser Schlacht zu Gesegneten machen lassen und dann mit dem aufgesparten Odem präpariert, um eine angemessene Armee in den Kampf um die Welt führen zu können.
Und da kam Kailin auch schon selbst, wie am frühen Abend bereits umgeben von seiner Leibgarde.

Mako-chan merkte kaum, wie ihr Vater ihr kurz über den Kopf streichelte und sich dann in den Kampf warf. Sie sah auf das Schlachtfeld und erkannte leblose Körper, brennende Häuser und hilflose Menschen, die eilig aus der Straße flohen. Wo würden sie Schutz finden? Würde es irgendwo Schutz geben in einer Welt, in der Götter kämpften?
Sie sah hinauf in den Sternenhimmel. Es schien, als würde die Luft brennen. Sie flimmerte, waberte, riss auf und… Riss auf?
Mako-chan sprintete los, warf zwei Feuergesegnete aus der Bahn, stieß gegen einen Feuergott und einen Erdgott, die gerade mit einem tödlichen Ringkampf beschäftigt waren und riss die Arme hoch.
Einen Augenblick darauf fiel etwas Dunkles aus dem Himmel herab. Als es schwer auf ihren fast zu kleinen Armen lastete, spürte die Erdgöttin, wie die Tränen zu fließen begannen. „Ralf. Willkommen zurück.“
Der junge Gläubige sah sie erstaunt an. „Mako-chan?“
„Ich bin es, Ralf. Und du bist endlich in Sicherheit.“
Irritiert musterte Ralf seine Umgebung. Überall wurde getötet und gestorben. „In Sicherheit? Ist das dein Ernst?“
Ein lauter Schrei ließ ihn zusammen fahren. Er sah hoch und erkannte Ian, wie er Markus in seiner Dämonengestalt beiseite fegte und nun direkt auf Carine zuhielt.
„Mist! Dieser verlogene Bastard!“ Ralf sprang von Makotos Armen herab, fixierte den Mann, der ihn zurück auf die Untere Ebene gebracht hatte und sprintete los.
Carine hielt in der Linken Inissars Auge und wehrte den ehemaligen Dämon mit der Rechten ab. Dennoch stapfte Ian immer näher an sie heran. „Du kannst es nicht benutzen, richtig? Du weißt nicht, wie es geht. Überlass es mir, ja? Ich rotte die Götterbrut für dich aus“, lockte der uralte Mann.
„Carine“, rief Ralf. „Zu mir damit!“
Seine Schwester sah ihn erstaunt an. Dann nickte sie und warf das unersetzliche Artefakt.
Es gewann schnell an Höhe, überschlug sich mehrfach. Dutzende erkannten, was die Stunde geschlagen hatte und sprangen hinterher, um das Auge zu fangen. Menschenhände, Dämonenpranken und göttliche Finger versuchten vergebens, sich um das magische Potentialfeld zu schließen.
Endlich aber griff eine menschliche Hand danach und hielt es fest.

Ralf starrte auf das Artefakt in seiner Hand. Und bemerkte, dass seine Schwester regelrecht erleichtert war, es los zu sein. Ian O´Brian schien das nicht weiter zu stören. Er wirbelte herum und stürzte auf Ralf zu. Das er dabei in direkter Konkurrenz zu diversen Göttern und Gesegneten stand, die das gleiche Ziel hatten, schien ihn nicht zu stören. Wer ihm im Weg war, wurde beiseite gestoßen. „Gib mir das Auge, Ralf! Ich weiß, wie man es anwendet!“
„Verlogener Bastard!“, rief der Gläubige entrüstet. „Für einen Sekundenbruchteil habe ich dir wirklich vertraut!“
„Was denn, was denn? Mako-chan oder Mako-kun habe ich ja bisher auch nicht angegriffen, oder?“
Der erste Gesegnete ereichte Ralf, wollte nach dem Auge greifen. Aber der junge Schneider tauchte unter dem Arm hindurch und pflanzte einen harten Schlag in die Nieren seines Gegners. Der Mann taumelte weiter und fiel dann kraftlos zu Boden.
Ein angreifender Gott starrte für einen Moment auf Ralfs linke Handfläche, bevor ihn ein Blitz aus purem Odem meterweit durch die Luft warf.
„Du willst das Auge?“, fragte Ralf mit einem wölfischen Grinsen. „Hol es dir.“
Mit einem wütenden Aufschrei beschleunigte sein Gegner.
Bis direkt vor ihm ein riesiger Blitz in die Erde fuhr und ihn stoppen ließ.

„Halt! Ich befehle es!“
Die Köpfe aller Kämpfenden fuhren herum. Kailin schwebte herab und berührte festen Boden. „Das Auge Inissars gehört rechtmäßig dem Clan des Feuers. Also gib es mir, Erdgeweihter.“
Fordernd hielt der Herr des Feuers die Hand auf.
„Willst du das Auge Inissars so dringend haben?“, fragte Ralf leise.
„Es ist das Schicksal des Auges, die Welt zu verändern“, flüsterte der alte Gott. Ein gieriges Funkeln huschte über seine Augen. „Hier, in diesem Augenblick bedeutet es alles für mich. Für das Auge riskiere ich alles. Dich, mich, meinen Clan, die Stadt, dieses Land, alles!“
Um seine Worte zu bestätigen öffnete sich auf der Unterseite des Kampfwagens eine riesige Luke. Hinter der Luke leuchtete es grellweiß hervor. Überschlagsblitze aus Feuerodem zuckten über den Boden des Feuerwagens. „Gib es mir, oder ich vernichte die Stadt mit allem, was in ihr lebt.“

Nachdenklich betrachtete Ralf das Artefakt in seiner Hand. Für einen Augenblick schien die ganze Situation unwirklich zu sein, weit entfernt wie eine fast erloschene Erinnerung. Das magische Potentialfeld in seiner Hand schien sanft zu pulsieren. Es fühlte sich warm an, herrlich warm und beruhigend. So als wolle es flüstern: Es wird alles wieder gut.
Ralf umschloss das Artefakt fester. Er sah auf und kehrte in die Realität zurück.
„Du willst das Auge? Und wenn du es nicht kriegst, zerstörst du die Stadt? Nun gut.“
Er drehte sich halb um. Mako-chan lächelte ihm zu und nahm links hinter ihm Aufstellung.
Arnim Kleyn drückte die bis zum Filter abgebrannte Zigarette aus und trat rechts hinter ihn.
Freya schüttelte den Kopf, schmunzelte und trat links vor Ralf.
Shawn ließ von seinem Gegner ab und nahm die letzte Position ein.
Außerhalb des Kreises nahm Mako-kun Aufstellung. Aufmunternd nickte er Ralf zu.

Von einem Moment zum anderen hüllte ein silberner Glanz den jungen Schneider ein. Eine Woge, nein, eine Fontäne aus diesem Glänzen schien direkt aus ihm heraus zu sprudeln. Seine Erdaura wurde deutlich sichtbar und umgab ihn mit einem bläulichen Halo.
Plötzlich schlug ein silberner Blitz von Ralf auf Mako-chan über, ein weiterer traf Shawn. Ein Dritter erfasste Freya und der vierte erwischte Arnim.
Von allen vier Gesegneten ging nun ein Strom aufbereiteten Odems zu Ralf zurück, blau für die Erde, rot für das Feuer, gelb für die Luft und weiß für das Wasser.
Die Aura um den Fokus erweiterte sich, schillerte in allen Farben des Regenbogens.
Kurz wechselte Ralf einen stummen Blick mit Mako-kun. Der nickte und sah zu Carine.
Die schüttelte den Kopf, ergriff Williams Hand und verließ den Rasen.
Weiter sah Mako-chan zu Doktor Myers und Frau Prokovniewa. Beide nickten und traten näher heran.
„Was tust du?“, rief Kailin zornig. „Wenn du als Fokus den Wagen des Feuers zerstörst, werden seine Trümmer die ganze Stadt vernichten. Und sein freiwerdender Odem wird darüber hinaus das ganze Umland verwüsten!“
Mako-kun ließ sich nicht beirren. Er sah zu Thomas herüber, der nur den Kopf schüttelte und die Überlebenden seines Werksschutz zu sich heran winkte. Theresa und die anderen Erdgötter traten ebenso zu ihm wie Marianne mit ihren HELIOS-Agenten. Die Situation bot eine wunderbare Gelegenheit, um die Reihen zu bereinigen.
Ausyl, Sarenn und Naiel schüttelten ebenfalls leicht den Kopf und traten zu den anderen.
Klaus und Yoshi warfen einen fragenden Blick in Richtung Marianne, die mehr als erleichtert nickte. Die beiden HELIOS-Agenten blieben, wo sie gerade waren.
Anselm, Katy und Jean nickten ebenfalls.
Uafin trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf seine Schulter, bevor er sich zu seinem Vater stellte.
Mako-kun nickte Ralf erneut zu.

„Du willst das Artefakt?“, rief der junge Schneider. Das magische Potentialfeld begann in seiner Hand zu leuchten. Die Ströme aus Odem wurden zu wahren Wellen und umfassten die Umgebung. Teile der Straße, des Rasens und das Haus selbst wurden von Überschlagsblitzen verschiedenfarbigen Odems überzogen.
„Du wirst es niemals kriegen“, hauchte Ralf und starrte Kailin aus weiß glühenden Augen an.
„Er nutzt Inissars Auge“, raunte Kailin angsterfüllt. „Das ist unmöglich!“
Von einer Sekunde zur anderen erfüllte ein grelles Gleißen die Szene und blendete die Anwesenden für mehrere Sekunden. Lautes Krachen und Poltern erklang, Bäume wurden entwurzelt und Hausdächer abgedeckt. Dutzende Götter und Menschen wurden meterweit davon gewirbelt.
Dann wurde es still.
**
Entsetzt starrte Kailin in das riesige Loch, wo einstmals eine große Villa im Stil der Jahrhundertwende gestanden hatte. „Das… Das kann nicht wahr sein“, hauchte er. „Das kann nicht wahr sein. Wo ist das Auge?“
„Fort!“, rief Thomas und richtete seinen Kampfstab auf den obersten Feuergott. „Und das wirst du auch bald sein. Jetzt, wo wir uns nicht mehr um das Auge zu sorgen brauchen…“
Kailin sah herüber. „Der Kampf ist vorbei. Für heute. Ich habe in Klingburg nichts mehr zu schaffen. Aber ab heute herrscht Krieg zwischen uns!“
Der Herr des Feuers wirbelte herum. „Wir ziehen uns zurück. Aber die Hauptwaffe des Kampfwagens soll einsatzbereit bleiben, bis alle an Bord sind. Als kleine Warnung an unsere lieben Freunde, damit sie nicht auf die Idee kommen, uns anzugreifen oder einen Kreis um ihren Fokus zu bilden.“
Die Feuergötter bestätigten. Sie lösten sich von ihren Gegnern und einer nach dem anderen flog auf den Kampfwagen des Feuers zu.

Theresa nickte. „Gut. Für den Moment können wir mit dem Patt leben. Aber sobald Kailin erfährt, was mit dem Auge passiert ist…“
„Wird er es sich holen wollen. Aber das ist egal. Ich vertraue meinem Sohn. Außerdem werden wir die nächsten Tage und Wochen auf der Unteren Ebene mehr als genug eigene Sorgen haben. Kailin hat uns den Krieg erklärt, und wir wissen nicht, ob das Wasser ewig auf unserer Seite stehen wird.“
„Aber wir wissen auch nicht, ob die Luft zu ihrem Bündnis mit dem Feuer steht“, meldete sich Ausyl zu Wort. „Wie auch immer, uns stehen sehr interessante Zeiten bevor.“
„HELIOS wird euch helfen, wo es nur kann. Solange ich nicht gezwungen bin, die Neutralität zu verletzen“, sagte Marianne leise. „Es ist alles so kompliziert.“
„Sag ich doch. Interessant“, bemerkte Ausyl süffisant. Zumindest er schien sich auf das zu freuen, was der Unteren Ebene noch bevor stand.
**
„Wir ziehen ab“, befahl Herress. „Zurück auf die Obere Ebene.“
„Herrin!“ Culan schlug ehrerbietig eine Faust auf seine Brust.
„Kailin, wenn du in diesem Krieg weiterhin meine Hilfe willst, dann musst du sehr teuer dafür bezahlen“, versprach sie und sah dabei zu, wie die Kirche des Luftclans in Klingburg unter ihr zu schrumpfen begann.

Epilog:
„Ah. Das tut so gut“, sagte Mako-chan zufrieden und ließ ihre Arme über den Rand des Beckens baumeln.
„Wo du Recht hast, hast du Recht“, murmelte Ralf neben ihr und ließ sich noch etwas mehr ins Wasser sinken.
„Es war ja auch eine geniale Idee“, meldete sich Freya zu Wort und zog den linken Träger ihres Badeanzugs zurück auf die Schulter. Ihr Blick ging über den Hintergarten der alten Villa. „Mako-chan formt den Pool, groß genug für uns alle, Freya füllt ihn mit Wasser, Arnim heizt es auf die optimale Badetemperatur auf und Shawn sorgt dafür, dass die warme Luft über dem Haus und dem Garten bleibt.“
„Eine sehr glückliche Kombination, mit allen Gesegneten zu reisen“, stellte Mako-kun fest. Mist, die Badehose von Jean war mindestens eine Nummer zu klein und kniff fürchterlich. Ob Mako-chan sie für ihn umformen würde? „Damit stellen wir auch gleich sicher, dass es im Haus Heizung, fließendes Wasser und Strom gibt, obwohl wir hier draußen nichts davon haben dürften.“
Arnim starrte nach oben. In mehr als zwanzig Metern Höhe zog ein Schneesturm hinweg. „Ja, verdammtes Glück. Wenn man in unserer Lage von Glück sprechen kann.“
„Jippie!“, rief Jean und sprang ins Becken. Heißes Wasser spritzte zu allen Seiten davon, bis Freya ihre Kontrolle benutzte, um es wieder ins Becken zurück zu führen.
„Mann, Mann, Mann, das ist cool. Warum hat Mako-chan nicht gleich ein richtig großes Becken gemacht, damit wir richtig drin schwimmen können?“, fragte der junge Mann aufgeregt.
„Nun übertreib mal nicht gleich so.“ Katy kam heran, legte ihr Handtuch ab und ließ sich in ihrem knappen Bikini ins Wasser gleiten. „Ah. Das Becken soll der Entspannung dienen. Wenn du herum tollen willst, dann klettere auf die Kirschbäume.“
Klaus kam ebenfalls ins Becken und ließ sich langsam hinein gleiten. Im Wasser setzte er seine schwarze Sonnenbrille auf. „Ja, so könnte ich mir das gefallen lassen, keine Berichte, keine Observationen mehr…“
„Kein Nachschub an Torches für unsere Waffen“, warf Yoshi leise ein.
„Musst du mir den ganzen Spaß verderben?“, tadelte Klaus den Nihon-jin.
„Gomenazai, Sempai. Ich denke nur praktisch.“
„Und genau das ist dein Problem. Nutze mal die Gelegenheit und entspann ein wenig. So wie ich“, sagte der HELIOS-Agent und angelte vom Beckenrand nach einem offenen Bier.

„Yeah!“ Ein schwerer Körper schlug im Becken ein und löste eine Welle aus, die alle Anwesenden mit heißem Wasser bespritzte.
„Verdammt, Markus“, beschwerte sich Arnim. „Von Jean war das ja nicht anders zu erwarten, aber musst du Kindskopf ihm alles nachmachen? Zudem auch noch in deiner Dämonengestalt?“
Der Riese grinste ihn an. „Warum nicht? Immerhin hat Mako-chan das Becken wirklich groß genug gemacht.“ Übergangslos wurde der Riese wieder zum Menschen. „Wo sind eigentlich Norton und Natalia?“
Müde deutete Ralf hinter sich. „Irgendwo hinter den Bäumen. Sie starren über den Rand und sehen sich die Hinterbeine an. Und wo ist Anselm?“
„Immer noch vorne beim Kopf. Dort hockt er nun schon, seit wir angekommen sind. Die Mittlere Ebene ist eine ziemlich verrückte Sache.“

„Ja, das stimmt wohl“, seufzte Mako-chan. „Du, Ralf. Wohin bringt sie uns überhaupt?“
Der Gläubige grinste breit und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Sag ich nicht.“
„Und wenn ich ganz lieb bitte sage?“, fragte die Göttin, rutschte vom Rand herunter und legte ihr Kinn auf Ralfs Brust. Aus treuen großen Augen sah sie ihn an.
„Auch dann sage ich nichts. Überraschung.“
„Und wenn ich dich so richtig durchkitzle?“, rief die Göttin und fasste Ralf in die Seiten.
„Uah, lass das, Mako-chan. Ich bin kitzlig, das weißt du doch.“
„Deshalb mache ich es ja“, erwiderte sie lachend.
„Ich helfe dir, Ralf“, bot Mako-kun an, stand auf und flog der Länge nach ins Becken.
Freya lächelte ihn an und ließ sein Bein los. „Du hast eigene Probleme, Erdgott.“
Wenige Augenblicke darauf glich das Becken einem Tollhaus, in dem nur Markus ruhig im Wasser lag und die Hitze genoss.

Das Becken lag hinter der alten Villa im Garten. Der Garten wurde von Büschen und Kirschbäumen umgrenzt. Am Rande dieser Bäume standen Norton und Natalia und küssten sich.
Hinter den Büschen ging es dreißig Meter steil in die Tiefe, mitten hinein in einen schlimmen Sandsturm.
Das Haus und der Garten standen auf einer Erdscholle, die vierzig Meter durchmaß.
Vor dem Haus aber, am vorderen Rand der Erdscholle hockte eine einsame Gestalt und sah hinab. In den Händen hielt die Gestalt einen langen Stab aus Holz. Anselm Stein hatte sich nun schon seit Stunden nicht mehr bewegt.
Unter ihm drehte sich ein riesiger Kopf und sah zu ihm hoch. Im Blick des riesigen Tieres schien Besorgnis zu liegen.
Doch der Student erwachte aus seiner Starre und winkte beschwichtigend ab.

Das Tier ähnelte einer gigantischen Schildkröte, denn es trug einen schweren, flachen Panzer auf dem Rücken, aus dem vier gigantische Beine heraus ragten und das Wesen mit jedem Schritt über zehn Meter voran brachte. Auf seinem Rücken aber ruhte die Erdscholle mit dem Haus.
Das Wesen spürte die Last kaum. Aber es spürte die Freude und Sorglosigkeit der Hausbewohner. Eine gute Last. Bis Ar Ashir… Und darüber hinaus.

Ende Erste Staffel.

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

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