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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Dabei seit: 01.05.2002
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Themenstarter Thema begonnen von Ace Kaiser
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Meine schärfste Erinnerung ist über drei Jahre alt. Warum es ausgerechnet diese ist, weiß ich nicht genau. Aber ich erinnere mich an die Emotionen, die sie begleiten, das warme Gefühl der Geborgenheit, vermischt mit Trauer und Entsetzen.
Ich sah wie der Himmel über der Bucht von Tokio von einer Schlacht erfüllt war, wie sie grauenhafter nicht sein konnte. Jagdflieger der Menschen lieferten sich ein erbittertes Gefecht mit den gegnerischen Daishis, die so urplötzlich über der Erde aufgetaucht waren… Und starben dafür.
In einem Moment, einem winzigen Moment, als ich einen Jäger brennend in die Bucht stürzen sah, wusste ich, dass es meinen Vater erwischt hatte.
Ich wollte weinen, verzweifelt auf die Knie sinken, irgendetwas. Aber da war nur starres Entsetzen.
Rund um mich rannten Soldaten umher, einige mit mobilen Boden/Luft-Raketen bewaffnet, die sie auf drei anfliegende Daishi Beta abschossen. Aber es nützte nichts, die drei Angreifer tanzten die Raketen aus und feuerten ihrerseits volle Salven ab. Vor mir, neben und hinter mir explodierten sie und vernichteten den Bunker, in dem meine Mutter als Stabsoffizierin arbeitete. Und mein einziger Gedanke in diesem Moment war die Hoffnung, dass der Druck der Explosion mir nicht den Rock hoch wehte.
Wieder feuerten die Soldaten ihre mobilen Raketen ab und erwischten tatsächlich einen Daishi. Er stürzte nur wenige Meter neben mir zu Boden und brachte die Erde zum erzittern.
Wieder war mein einziger Gedanke, meinen Rock davor zu bewahren, hochgeweht zu werden.
Was tat ich hier? Warum war ich nicht in Sicherheit? Und warum konnte ich nicht weinen? Nicht trauern um meine Eltern? Um die anderen Piloten, die da oben starben?
Die Soldaten vor mir wurden durch die Luft gewirbelt, als ein anderer Daishi eine Raketensalve mitten unter sie abfeuerte.
Der gigantische Mecha landete direkt vor mir, nahe genug um mich mit einem einzigen Schritt zu zertreten. Ich sah hinauf und fühlte nichts, absolut nichts. Nur die reine Verzweiflung. Ich wusste plötzlich, dass ich sterben würde. Und dieses Gefühl machte mir Angst. Ich wollte noch nicht gehen! Ich durfte es noch nicht!
„A… Akira“, hauchte ich ängstlich. Ich schämte mich dafür, dass ich ihn um Hilfe rief. Ich schämte mich dafür, dass ich nicht aufrechter sterben konnte. „Akira…“
Der Daishi hob den rechten Arm und deutete auf mich. „Pech. Am falschen Ort zur falschen Zeit, Mädchen.“
In diesem Moment gellte ein wütender Schrei auf und ein weißer Schemen stürzte auf den Daishi nieder. Ich erkannte einen weiteren Daishi. Nein, dies war ein besonderer Daishi. Dieser gehörte Akira. AKIRA!
Primus, so hieß der weiße Angreifer, packte den gegnerischen Mecha mit beiden Händen und verkrallte sich in dessen Panzerung.
Mit einem wütenden Brüllen zerriss er den feindlichen Mech in zwei Hälften.
Die Überreste schleuderte er auf den zweiten gelandeten Daishi, der Jagd auf überlebende Infanteristen gemacht hatte.
Ein Bein traf den Feind, brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Da war Primus aber schon heran, feuerte eine Salve Raketen, von denen alle trafen. Und in die Bresche der Panzerung schlug die Faust von Primus, brach durch und zerschmetterte das Cockpit.
Akira ließ den Mecha herum wirbeln, sprang und landete an der gleichen Stelle, an der dieser Daishi gestanden hatte, der mich beinahe getötet hätte.
Primus ging in die Hocke, das Cockpit öffnete sich und Akira sprang hervor. Er lief auf mich zu. „Megumi!“
Als er mich in die Arme nahm, brach alles aus mir hervor. Die Trauer, die Angst, der Hass auf die Mechas, die so über uns hergefallen waren. Und das Gefühl der Geborgenheit. Der absoluten Geborgenheit in seinen Armen.
Dies war der Moment, wo ich zum ersten Mal spürte, dass ich ihn liebte…


Anime Evolution präsentiert: Megumi Uno, das Aß der United Earth Mecha Force.

Seit drei Jahren bin ich die unumstrittene beste Pilotin der UEMF. Die allerbeste mit den meisten Abschüssen, der eloquentesten Mecha-Führung und dem kleinsten Ruhepuls.
Ich bin perfekt in dem, was ich tue. Ich bin so gut, dass ich sogar Zeit habe, ganz normal zur Schule zu gehen.
Eigentlich hasse ich die Schule. Ich meine, ich lerne schon ganz gerne, aber er ist ein Ort, der mich mit Schmerz erfüllt.
Akira ist hier, aber es ist nicht der Akira, den ich einst gekannt habe. Der mit mir zum Mars flog. Der mit mir Yohko verloren hat.
Nein, es ist ein anderer, stärkerer Akira. Einer, der entführt, dessen Gedächtnis teilweise gelöscht und beinahe getötet wurde.
Ich dachte all die Zeit mit Verzweiflung, dass er mich in dieser Welt allein lassen könnte. Wieder zurück lassen wie damals, als er die UEMF verließ, um über Yohkos Tod hinweg zu kommen. Oder später, als er entführt wurde und so lange unauffindbar war.
Kurz spürte ich erneut die Angst, die ich gespürt hatte, als Akira nach seiner langen Genesung aus dem Biotank befreit wurde, die Angst, dass er sich an mich nicht mehr erinnern würde.
Und die grenzenlose Erleichterung, als er mich anlächelte.
Das war, bevor ich erkannte, dass er sich nicht an alles erinnerte, was uns verband. Er war gewachsen, größer, mächtiger geworden. Aber auch so unendlich leer. In vielen Dingen fing er bei null wieder an und beharrlich arbeitete er an sich. Er wurde wieder der Alte und noch besser. Aber ihm fehlten noch so viele Erinnerungen, so viel wichtige Dinge.
Ich wollte ihm soviel sagen, ihn an so viele Dinge erinnern. Ich wollte hoffen, das es zwischen uns wieder so sein würde wie damals.
Aber es ging nicht. Er war leer. Noch immer.
Und ich war nichts weiter als eine Freundin aus Kindertagen, mit der er sich gut verstand.
Aber dennoch. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben.
Das er wieder neben mir fliegt, wenn die Kronosier angreifen. Das er sich erinnert an das, was wir waren. An das, was wir sind. Das er sich an mich erinnert. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich dränge ihn nicht. Das Erlebnis im Tank war zu grausam, seine Erholungszeit so unendlich lange.
Aber ich gebe nicht auf. Ich bin um ihn, aber ich dränge ihn nicht. Ich lache mit ihn, aber ich dränge ihn nicht. Ich liebe ihn, aber ich dränge ihn nicht.
Irgendwann wird er kommen, der Tag, an dem ich weiß: Heute macht er den ersten Schritt, um sich zu erinnern. Mir wieder zu sagen, dass er mich liebt. Nein, das er unsere Verbundenheit nicht vergessen hat. Das ich nicht umsonst gewartet habe.,,
**
Als ich diesen Morgen zur Schule gehe, ist die Welt eigentlich wie immer. Die Hekatoncheiren, das Bataillon, das ich kommandiere, haben mal wieder Dutzende Übungen zu erfüllen und ich muß natürlich dabei sein. Wenigstens waren die Planer so schlau, die Übungen in den Nachmittag zu versetzen, damit ich so wenig Zeit wie irgend möglich an der Schule verliere.
Aber was soll´s, solange der eigentliche Kommandeur der fünfzigarmigen, hunderthändigen Riesen nicht antritt, habe ich die Arbeit eben am Hals.
Nachdenklich schlendere ich den Schulweg entlang. Von meinem kleinen Appartement ist es nicht sehr weit, was ich für einen Vorteil halte.
Und das Beste ist, einen Großteil kann ich mit Akira gehen. Dies ist für mich der schönste Moment am Tag. Sofern ich ihn nicht verpasse oder er die Zeit vertrödelt.
Heute scheint ein solcher Tag zu sein. Ich seufze leise. Dann wird er wieder einen langen Disput mit Akane-sempai haben. Ihm ist manchmal wirklich nicht zu helfen.

Ich erreiche die Schule natürlich rechtzeitig. Höflich begrüße ich Akane, aber die Stellvertretende Schülersprecherin ist merkwürdig geistesabwesend. Normalerweise ist sie mir gegenüber besonders freundlich, um zu verbergen, dass sie eigentlich Angst vor mir hat. Aber heute scheint sie für mich und die anderen Schüler kaum mehr als einen Blick zu haben.
Wahrscheinlich wartet sie auf Akira, geht es mir durch den Kopf, und dieser Gedanke gefällt mir gar nicht.

Kurz vor Beginn der Klasse hat es mein kleiner Streuner tatsächlich geschafft. Ich unterdrücke den Impuls, ihm zu zuwinken, ihn zu rufen. Stattdessen warte ich, bis er an mir vorbei geht. Wie immer hat er schlampig den Kragen geöffnet und die Hände so tief in die Hose seiner Schuluniform gestopft, dass man sich fragt, ob wirklich Taschen eingenäht sind.
„Hey, Megumi“, sagt er und sieht mich an. „Megumi Uno.“
„Schön, das du dich an meinen Namen erinnerst, Akira-chan“, erwidere ich eine Spur zu kalt.
„Was ist denn mit dir los? Liebst du mich nicht mehr?“, neckt er mich und ich spüre, wie ich rot werde.
„Blödmann. Sieh zu, dass du rechtzeitig in deine Klasse kommst“, erwidere ich erschrocken.
Doch er geht nicht weiter. Stattdessen nimmt er eine Hand aus der Tasche und streichelt mir über die Wange. Was für ein Gefühl. Ich muß meinen ganzen Willen aufbieten, um mein Gesicht nicht in die Berührung hinein zu legen.
„Megumi-chan. Du musst eindeutig mehr Zeit unter Menschen verbringen. Wenn du immer so eisig bist und das was du wirklich denkst verbirgst, verpasst du vielleicht ein paar tolle Freunde. Wollen wir zwei nicht mal wieder was zusammen unternehmen?“
Ich erwache wie aus einem Traum, als er die Hand fort nimmt. „Ja. Warum nicht?“, sage ich schnell, da ist er aber schon weiter gegangen. Verpasst. Verpasst!
Er winkt nach hinten ohne sich umzudrehen. „Abgemacht. Wir reden mal drüber, ja?“
Nun muß ich doch schmunzeln. Akira. Mein Akira.
**
Ich muß einige Leute in meiner Klasse mit meinem Lächeln entsetzt haben. Mehr als gewöhnlich sehen zu mir herüber und tuscheln. Oh, ich höre nicht, was sie sagen. Aber ich kann es mir denken. Seht, die Killerin. Guckt mal, da ist diese Mecha-Verrückte, die den Profis ihren Job wegnimmt. Warum kann sie nicht ein normales Mädchen sein, macht töten ihr so viel Spaß?
Ärgerlich schiebe ich diese Gedanken beiseite. Ich weiß sehr genau, was ich tue und warum ich es tue. Solange Akira nicht wieder fliegt, bin ich die beste Pilotin der UEMF. Ich habe die meiste Erfahrung, die meisten Abschüsse. Das größte Potential. Und ich kommandiere die Hekatoncheiren. Die absolute Elite.
Als mein Pieper geht, erhebe ich mich automatisch. Es ist große Pause. Wenigstens werde ich nicht mitten aus dem Unterricht gerissen wie sonst üblich. Ich nehme mein Handy und wähle die Wahltaste eins. So oft rufe ich dort an. „Captain Uno hier… Schwere Attacke? Wie viele? Hm… Nein, ich komme hoch. Machen Sie Lady Death bereit und sorgen Sie dafür, dass mich ein Helikopter vom Schuldach abholt.“
Ich sehe in die Runde. Ich weiß, sie starren mich an. Doch sie meiden meinen Blick. Sie haben Angst vor mir.
Kurz stoppe ich bei der Klassensprecherin. „Hitomi-kun. Ich habe einen Einsatz. Melde mich bitte ab.“
„Ist gut“, sagt die große Frau mit den langen schwarzen Haaren. „Komm gesund wieder.“
Ihr Ton klingt geschäftsmäßig und etwas desinteressiert. Aber sie ist eigentlich eine der wenigen Menschen in meiner Klasse, bei der es mich ärgert, dass es mir so schwer fällt, mich ihr gegenüber zu öffnen. „Danke“, hauche ich.

Auf dem Gang beginne ich zu laufen. Und renne dabei jemanden um. „Verzeihung, ich habe nicht aufgepasst.“
„Was läufst du auch im Gang? Was gibt es in der Welt, was solche Eile erfordert?“, blafft der Schüler, den ich mehr oder weniger unter mir begraben habe.
„Ein Alarmruf der UEMF“, antworte ich trocken.
Seine Augen blitzen, als er diese Abkürzung hört. Er sieht mich an und Erkennen glimmt in seinen Augen. „Captain Uno. Ich habe Sie gar nicht erkannt.“
Ich rappele mich wieder auf und biete ihm eine Hand an, um ihm ebenfalls aufzuhelfen.
„In den UEMF bin ich Captain. Hier bin ich nur Uno-kun.“
„Uno-kun“, wiederholt der groß gewachsene Bursche vor mir. „Was dagegen, wenn ich bei Captain bleibe?“
„Das ist mir eigentlich egal. Aber ich muß weiter. Ich werde gleich abgeholt“, erwidere ich und beginne schon wieder zu laufen.
„Schießen Sie einen für mich mit ab, Captain Uno“, ruft er mir hinterher.
Kurz stoppe ich. „Soll ich auch noch deinen Namen in seine Panzerung eingravieren?“
„Warum nicht?“, erwidert er grinsend. „Mamoru mit zwei M, bitte.“
Ich lächle kurz und eile weiter.

Auf dem Dach angelangt, kommen mir plötzlich die Freunde von Akira entgegen. Genauer gesagt seine Schlägertruppe, die sich hochtrabend Akiras Zorn nennt. Was wissen sie schon über seinen Zorn? Ich hatte ihn erlebt, oft genug. Auf dem Mars, im Orbit, über den großen Städten dieser Welt. Das war sein wahrer Zorn. Nicht diese Schulschlägertruppe.
Ich höre bereits den Bell näher kommen, lange bevor ich ihn sehe.
Und ich erkenne Akira.
Langsam trete ich neben ihn, sehe ihn an. Ist es soweit? Endlich?
„Du hast dich also entschieden?“, frage ich hoffnungsvoll.
Ich sehe Überraschung in seinen Augen. Es ist wohl doch zu früh.
„Viel Glück, Megumi-chan“, sagt er laut.
In diesem Moment platzt mir der Kragen. Wenn er nicht von sich aus bereit ist, dann werde ich nachhelfen! Ich packe zu und erwische seinen Kragen. „Für den Schutzraum ist es jetzt zu spät. Du fliegst besser mit, Akira.“
Ich ziehe ihn zu Strickleiter mit und beginne den Aufstieg als Erste. Ein Fehler, denn nun kann er mir unter den Rock sehen. Aber das irritiert mich nicht so sehr wie die Frage, ob er es überhaupt tut.

In der Kabine angekommen beginne ich mich auszuziehen. Akira starrt mich sprachlos an.
Ich lächle leicht, öffne ein Staufach und hole einen blauen Druckanzug hervor. „Anziehen“, sage ich zu Akira und werfe ihn herübe. Für mich ziehe ich meinen roten hervor.
Akira starrt mich noch immer an, als ich bereits am Rock nestle. Kurz sehe ich ihn an und merke wie er rot wird. Er wendet sich um und beginnt ebenfalls, sich auszuziehen.
Die letzten drei Jahre haben ihm nicht geschadet, geht es mir durch den Kopf. Er hat an Muskeln und Größe zugelegt und macht auf mich den Eindruck, vollkommen gesund zu sein.
Nun starre ich ihn an. Ich spüre, wie ich rot werde und widme mich wieder meinem Druckanzug.
Als Akira leise flucht, sehe ich wieder herüber. Natürlich. Wie immer. Er hat Probleme mit den Verschlüssen. Also richte ich sie für ihn.
„Das kommt alles mit mehr Übung“, erkläre ich und drehe ihn um, damit ich den Kragenwulst versiegeln kann.
Akira sieht von mir fort, ganz rot im Gesicht. Hat er etwa…? Der Gedanke amüsiert mich.
„Nun tu nicht so, als hättest du noch nie ein halbnacktes Mädchen gesehen“, tadele ich ihn mit einem Lächeln.
„Ein halbnacktes Mädchen oder eine halbnackte Megumi, das ist ein himmelweiter Unterschied, Megumi-chan“, sagt er leise.
Ich spüre, wie ich erröte. Verlegen schließe ich meinen eigenen Druckanzug.
„Wohin fliegen wir überhaupt?“, fragt er.
„Wir fliegen zu unseren Mechas, Akira.“
„Unseren Mechas?“, fragt er. „Unseren?“
„Unseren“, bestätige ich.
„Oh-oh…“
Ich lächle ihn erneut an. Vielleicht ist dies doch der Tag. Der Tag, den ich so sehr herbei gesehnt habe wie nichts anderes auf dieser Welt.
**
Bald schon kommt die Titanen-Plattform in Sicht. Ich fühle mich genötigt, etwas zu sagen. Immerhin hat Akira noch längst nicht alle Erinnerungen zurück.
„Das ist die untere Plattform, die Titanen-Basis“, sage ich leise. „Sie ist mit OLYMP verbunden, ihrer…“
„Ihrer Schwesterplattform in einer stationären Höhe von einhundert Kilometern. Damit befindet sich OLYMP nominell in der Exosphäre, der äußersten Schicht unserer planetaren Atmosphäre, in einer Dichte, die man aber schon als Teil des Weltraums ansieht. Fünf so genannte Orbitallifts sorgen für einen Materialverkehr zwischen der Titanen-Basis und OLYMP. Jeder einzelne hat eine Kapazität von einhundert Tonnen. Dazu kommen zwei kleinere Lifte, die für den Personenverkehr ausgelegt sind. Jeder von ihnen kann zugleich zwanzig Menschen transportieren. Sowohl die Titanen-Basis als auch OLYMP unterhalten Wartungs- und Startmöglichkeiten für die Mechas der United Earth Mecha Force, die Hawks, die Eagles und die Sparrows. Die meisten Mecha-Operationen finden aber im Weltraum statt, alleine um die Materiallieferungen vom Mond zu eskortieren.
Auf der Titanen-Plattform sind permanent achttausend Soldaten aus neunzehn Nationen sowie zwanzig Mechas verschiedener Klassen stationiert.
Auf OLYMP hingegen arbeiten fünfzigtausend Soldaten und Zivilpersonen aus über vierzig Nationen unter Aufsicht der United Nations. OLYMP ist nicht nur in der Lage, über hundert Mechas aller Klassen zu warten und zu versorgen, die Plattform verfügt auch über die Kapazitäten zur Wartung der Fregatten und Zerstörer der YAMATO- und MIDWAY-Klasse, die im Raumgebiet um Erde, Mond und Mars operieren. Eine weitere Basis dieser Art, die ARTEMIS, die mit der erdnahen Plattform APOLLO verbunden sein wird, ist im Bau und soll über die doppelte Kapazität verfügen und den Bau neuer Schiffe ermöglichen, die im Vergleich zur MIDWAY-Klasse die Größe von Kreuzern haben sollen. Planungen zum Bau der neuen Klasse sind schon fertig. Habe ich etwas vergessen?“

Ich unterdrücke den Impuls, anerkennend zu pfeifen. Bis auf die Exosphäre ist alles korrekt. „Du solltest vielleicht auch noch erwähnen, dass die Titanen-Plattform über zwei Staffeln Atmosphäregebundener Jagdflieger vom Typ HAWKEYE verfügt. Du bist immer noch gut informiert. Respekt.“

Nur wenige Minuten später schleusen wir auf der Plattform ein.
Wir verlassen den Helikopter, und bevor ich mich versehe drückt jemand Akira einen Helm in die Hand. Es ist Karl, eigentlich Cheftechniker auf OLYMP. Ich blinzle, und Entsetzen erfüllt mich. Es ist sein Helm. Der Helm, den er als Blue Lightning so lange getragen hat.
Die Anwesenden brechen plötzlich in Applaus aus.
„Du bist ganz schön beliebt, Captain“, murmelt Akira.
„Natürlich bin ich das. Ich bin der derzeit beste aktive Elitepilot“, erwidere ich. Zumindest in den Streitkräften stimmt das ja auch.
„Aber dieser Applaus galt nicht mir“, ergänze ich, während wir den Expressaufzug betreten.
Wir verlassen den Aufzug knapp unter der Oberfläche der Plattform.
Dann ziehe ich Akira hinter mir her über die Laufbände. Plötzlich kann es mir gar nicht schnell genug gehen. Ich will auf den OLYMP. Akira seinen Mecha zeigen. Ich will ihn aufwecken.
Wir erreichen einen Orbitallift und ich sage noch: „Halt dich fest, Akira.“
Da beschleunigt der Orbitallift aber schon und wirft ihn fast zu Boden.
In Gedanken seufze ich. Okay, das gehört nicht mehr zu seinen Erinnerungen.
„Der Orbitallift fährt in einer Röhre in einem künstlichen Vakuum“, erkläre ich sachlich.
„Verstehe. Dadurch gibt es keine Reibung. Ohne Reibung keinen Widerstand und wir können sehr schnell aufsteigen. Wie lange werden wir brauchen?“, hakt er nach.
„Für fünfundneunzig Kilometer? Etwa acht Minuten, inklusive Abbremsmanöver.“
Er pfeift anerkennend. Er pfeift für diesen dämlichen Aufzug. Mühsam kämpfe ich die Wut zurück. Es bringt überhaupt nichts auf einen Aufzug eifersüchtig zu sein.
Aber Akira ist mir so nahe, so verdammt nahe.

Der Orbitallift öffnet sich viel zu früh, und wir platzen mitten in das organisierte Chaos, wie es auf dem OLYMP nur während eines Angriffs herrschen kann. Doch ich führe Akira sicher hindurch. Hier kenne ich jeden Fleck wie das Cockpit von Lady Death.
Im Eilschritt führe ich ihn über die Laufbänder in Richtung Mecha-Hangar.
Ein Techniker nimmt uns in Empfang. „Ich habe Ihren Mecha bereit machen lassen, Captain Uno. Und Blue Lightning steht Ihnen selbstverständlich zur Verfügung, Sir.“
Sir, nennt der Techniker Akira, und für einen Moment hoffe ich, dass da nicht dieser Ausdruck von Entsetzen in seiner Miene wäre. Mir ist seine wilde Entschlossenheit lieber. Viel lieber.

„So kommt er also wieder nach Hause“, höre ich Eikichi von der oberen Beobachtungsplattform rufen. Wie hat er nur so schnell davon erfahren können, dass Akira in meiner Begleitung war?
„Vater!“ Unschlüssig sieht Akira erst zu Eikichi hinauf, dann zu mir. Ein Schatten legt sich für einen Moment auf seine Augen.
„Denk dir nichts dabei, alter Mann“, fügt er nonchalant hinzu.
Seine nächsten Worte versetzen mir einen Stich ins Herz, in mehrerlei Hinsicht. „Das wird keine permanente Einrichtung. Ich wollte nur neben der Schule ein wenig Zeit mit Megumi verbringen.“
Eikichi lacht „Du kannst nicht ewig vor deinem Schicksal fliehen, Akira.“
„Aber ich kann es versuchen, alter Mann, nicht?“, erwidert Akira mit einem Lächeln.
Dieser Gedanke gefällt mir nicht, deshalb lenke ich ihn ab. „Du verspätest dich, Akira.“

„Es… Es ist mir eine Ehre, heute für Sie da sein zu dürfen, Colonel“, sagt der gleiche Techniker, der mir die Anschlüsse gelegt hat.
Aufgeregt frage ich mich für eine Sekunde, ob die Anrede eine Erinnerung in Akira weckt.
„Schon gut“, sagt er sachlich, „machen Sie einfach einen ordentlichen Job.“
„Da kommt Lady Death“, kommentiere ich leise, um von dieser Szene abzulenken. Mein Hawk wird herangefahren.
Dahinter verlässt Blue Lightning, Akiras Mecha seit langer Zeit seine Bay und fährt in den Boarding-Bereich vor.
„Weißt du noch, wie es geht?“, frage ich ihn beiläufig. Eine idiotische Frage. Er ist Blue Lightning und bleibt Blue Lightning.
„Das ist wie Fahrrad fahren. Man verlernt es einfach nie. Sobald ich mit dem Computer meines Mechas verbunden bin, übernimmt er die grobe Steuerung. Aber meine Instinkte, Reflexe und Gedanken bestimmen die Richtung und das Kampfverhalten. Der Hawk wird zu einer Verlängerung meiner selbst“, erklärt er mir grinsend.
„Gut. Dann lass uns fliegen. Wir sind spät dran“, erwidere ich und gehe auf meinen Hawk zu.

Ich betrete Lady Death und lasse mir von einem weiteren Techniker mit den Gurten und Anschlüssen helfen. „Hallo, Lady. Alle Systeme funktional?“
„Mir geht es gut, danke der Nachfrage, Schätzchen“, erwidert der Bordcomputer. „Du wirst dringend draußen gebraucht. Wir sollten uns sputen.“
„Na, dann öffne mal ne Leitung zu allen Hekatoncheiren und sage ihnen, dass ich heute jemanden zum spielen mit raus bringe. Colonel Akira Otomo übernimmt hiermit sein Kommando.“
Ich starte Lady Death. Mich erfüllt ein seltenes Hochgefühl. Was kann jetzt noch passieren? Wenn Akira nur einen Bruchteil dessen beherrscht, was ihn zur Legende werden ließ, dann ist die Schlacht schon entschieden. „Wo bleibst du, Akira?“
„Ich komme ja schon“, erwidert er. Tatsächlich setzt sich Blue Lightning in Bewegung. Er wirkt unsicher, eckt aber nirgends an und wird mit jeder Sekunde flüssiger.

Ich bringe meinen Mecha raus, überlasse es dem Autopiloten, mich zur Schlacht zu tragen.
„Hekatoncheiren, hergehört. Ich übernehme Briareos. Colonel Otomo wird Gyes nehmen, wie ich ihn kenne. Außerdem übernimmt er den Oberbefehl. Es warten sechshundert FeindMechas da draußen auf uns. Da können wir uns keine Unsicherheit leisten.“
„Ma´am“, ruft Hawkeye, „wäre es dann nicht besser, das Kommando nicht an einen total unerfahrenen Neuling zu übergeben?“
„Unerfahren?“, blaffe ich wütend. Sehr wütend. „Das ist Blue Lightning! Er hat schon für die Erde gekämpft, als ich noch nicht einmal tauglich für einen Mecha war! Ihm das Kommando zu geben ist die beste Entscheidung, die man treffen kann!“
Leise und nur für mich füge ich hinzu: „Hoffentlich.“

„Okay, Hekatoncheiren, hergehört. Gyes bleibt bei mir und hält die Mitte. Kottos übernimmt die linke Flanke und Briareos die rechte Seite. Der Feind wartet mit einem neuartigen Mecha auf, und wir wissen nicht, was er leisten kann. Deshalb seid vorsichtig, wenn Ihr den Delta zum Kampf stellt. Wenn möglich, überlasst ihn mir.
Wir fliegen ihnen entgegen und halten sie somit so gut es geht von der Station fern.
Das Titanen-Bataillon hält hier Wache und vernichtet alles, was an uns vorbei kommen kann.
Ich verlasse mich darauf, dass diese Zahl hart gegen null gehen wird.“
Oh, es ist herrlich, seine Stimme im geschäftsmäßigen Ton zu hören.
„Roger“, hallt es zurück und ich rufe nur zu gerne mit.
„Na dann los!“

Fünfzig Kilometer vor dem OLYMP bekommt meine Kompanie Feindkontakt. Ich schwinge die Artemis-Lanze, meine bevorzugte Waffe und zerteile meinen ersten Feind.

Auch Akira leistet gute Arbeit, er wirft sich in die Reihen des Gegners wie zu seinen besten Zeiten, fährt unter sie und säht Angst in ihre Herzen. Er ist ein überragender Pilot.
Schnell schließen meine Briareos die Reihe zu seinen Gyes. Wir nutzen die Gelegenheit, um wieder einmal zusammen zu arbeiten. Ich attackiere einen Gamma, spiele ihn auf und schieße auf den Alpha dahinter.
Akira nimmt die Einladung an, taucht hinter mir weg, kommt über mir wieder hoch und rast direkt in einen Pulk Alphas hinein, die kaum merken, wie ihnen geschieht.
Vier von ihnen explodieren, bevor sie begreifen, dass sie plötzlich mehr Gegner haben als die drei Hawks der Kottos-Kompanie.
„Beeindruckend. Du hast nichts verlernt, Blue Lightning“, sage ich zufrieden.
„Du aber auch nicht“, erwidert er und ich freue mich über das Lob.
„Ich bin aber im Gegensatz zu dir immer in Übung“, mildere ich sein Urteil ab.
„Ich sagte doch“, erwidert er mit einem grimmigen Lachen, „das ist wie Fahrrad fahren. Man vergisst es nie, wie so ein Ding zu steuern ist.“

„Kottos meldet einen Totalverlust. Noch ein Totalverlust!“, meldet die Kommandostelle auf OLYMP.
„Kottos auf meine Linie zurückziehen!“, blafft er barsch. Die Hekatoncheiren von Kottos zögern.
„Holen wir uns ein paar gute Scans von dem Knaben und sehen wir zu, dass genügend von ihm übrig bleibt, damit die Eierköpfe nachschauen können, wie er aufgebaut ist. Nicht, Lady Death?“, funkt er zu mir herüber.
„Verstanden. Ich werde ihn also nur kastrieren und nicht zerstören“, erwidere ich konzentriert. Warum setzt sich Kottos nicht endlich ab?
„Kastrieren. Was du für Wörter kennst“, tadelt er mich. „Sieh einfach zu, dass etwas von dem Ding übrig bleibt. Das reicht mir schon.“
„Dritter Totalverlust für Kottos“, meldet die Leitstelle.
„Jetzt reicht mir das aber: Kompanie Kottos, absetzen, ich wiederhole, absetzen!“, brüllt er und für einen Moment bin ich versucht, die Lautstärke herab zu drehen. Auch beim brüllen hat er nichts verlernt.

Endlich reagiert Kottos, gibt nach. Dann sehe ich den SuperMech der Kronosier. Der Delta lässt sich nicht lange bitten und bricht durch die Bresche, einen ganzen Rattenschwanz Alphas und drei Gamma im Schlepp.
„Kottos, bei Gyes sammeln und neu formieren. Briareos setzt Flankenangriff fort. Dandy, du übernimmst den Befehl. Vernichtet den Feind oder schlagt ihn in die Flucht.
Lady Death, folge mir“, kommandiert Akira laut und sachlich.
Ich brauche nicht zu bestätigen. Er weiß auch so, dass ich ihm blind vertraue.

„OLYMP Feuerleitkontrolle, Blue Lightning hier. Unbekannter Mecha ist durchgebrochen. Ich wiederhole, unbekannter Mecha ist durchgebrochen. Erbitte Feuerunterstützung durch Eagles“, meldet er und ich bin erneut beeindruckt Wie immer handelt er folgerichtig und im erforderlichen Rahmen. Stolz keimt in mir auf. Stolz auf Akira.
„OLYMP Feuerleitkontrolle hier. Feuerunterstützung bestätigt. Verlinken Sie uns mit Ihrem Computer und geben Sie uns Ziele.“
„Roger. Datenstrom verlinkt. Feuert wenn bereit“, meldet er und ich klinke Lady Death in den Datenstrom mit ein, um weitere Ziele erfassen zu lassen.
Dem ersten Feuersturm der Eagles fallen gleich drei Alphas zum Opfer, woraufhin die übrigen Daishis auseinander spritzen.

Dann beginnen die riesigen Impulsgeschütze von OLYMP zu feuern. Zwei Alphas werden vernichtet, obwohl der riesige Waffenstrahl sie nur gestreift hat.
„Vorsicht, wir sind auch noch hier!“, beschwert Akira sich, während die Eagles erneut feuern und ein gewaltiges Chaos an explodierenden Granaten und Mechas verursachen.
Plötzlich drückt Akira Blue Lightning Richtung Erde herab.
„Mir nach, Megumi“, höre ich ihn rufen, aber da hänge ich bereits wieder hinter ihm.
„OLYMP Feuerleitkontrolle hier. Wir bekommen keine Daten mehr von Ihnen, Sir.“
„Der unbekannte Mecha ist ausgebrochen und geht auf Kurs auf die Titanen-Plattform. Ich nehme mit Lady Death die Verfolgung auf. Mit dem Rest werdet Ihr schon alleine fertig. Ach, und warnt unsere Kollegen da unten“, höre ich Akira antworten. Und tatsächlich, der Delta steigt tiefer in die Atmosphäre hinab. Ich hatte es nicht mitbekommen.
„Roger, Colonel.“

Als wir auf fünf Kilometer heran sind, beginnt die Titanen-Station, Sperrfeuer zu schießen.
Wir rochieren, um nicht in das eigene Feuer zu geraten und fünf Hawks steigen von der Plattform auf, um uns zu helfen.
„Ist dir aufgefallen, dass der Delta gar keine Waffe trägt? Er hat die Kottos-Kompanie im Nahkampf angegriffen und drei Hawks mit bloßen Händen erledigt. Dabei hat er doch diesen hübschen Kampfstab auf dem Rücken“, murmele ich, einer Eingebung folgend.
„Etwas kurz und etwas dick für einen Kampfstab“, erwidert Akira und schaltet sofort. Er hat verstanden, was ich ihm sagen will.
Mit einem wüsten Fluch jagt er Blue so schnell es irgend geht hinab, macht den Mecha schmal und legt die Arme an, um möglichst wenig Luftwiderstand zu bieten.
Der Delta reduziert nun ebenfalls, um dem immer genauer sitzenden Beschuss auszuweichen. Ich reduziere meine Geschwindigkeit etwas, um mehr Höhe zu halten. Ich werde sie noch brauchen.

Es folgt ein wüstes Gerangel um die Bombe, die der Delta auf dem Rücken trug. Akira bekommt die Oberhand, wird aber in Richtung Erdoberfläche gedrängt.
„Megumi!“, ruft er und wirft mir die Bombe zu. „Du weißt, was du zu tun hast.“
„Roger!“, erwidere ich und beginne zu steigen.
Ich vertraue ihm total, so wie er mir vertraut. Ich kann mich vollkommen auf den Aufstieg konzentrieren. Er wird mir den Delta vom Hals halten.
„Lady, was sagen deine Sensoren? Wann wird die Bombe hoch gehen?“
„Tja, Captain, wenn die Lichter was zu sagen haben, dann haben wir weniger als eine Minute“, meldet mein Bordcomputer.
„Das sollte reichen, um noch etwas höher zu kommen“, hauche ich und treibe Lady Death schräg nach oben, um vom OLYMP fort zu kommen. Die Bombe soll ja meinetwegen explodieren. Aber bitte nicht in der Nähe der Hoffnung der Menschheit.
„Zehn“, zählt Lady herab. „Neun, acht, sieben…“
Ich spanne die künstlichen Muskeln des Mechas an. Neunzig Kilometer Höhe. Mehr habe ich nicht geschafft. Dann werfe ich die Bombe. Hier oben gibt es kaum Luftwiderstand, also sollte ich in der Lage sein, noch ein paar Kilometer heraus zu holen.
„Drei, zwei, eins…“
Ich werfe Lady Death wieder herum, lasse sie fallen wie Akira mit Blue durch die dichte Atmosphäre gefallen war, mit Armen und Beinen angelegt und die Düsen auf vollem Schub.
Über mir vergeht die Bombe. Wir werden durchgeschüttelt, aber es ist alles in Ordnung.
„Lady, wo ist Blue Lightning?“, frage ich mit Erleichterung in der Stimme.
„Blue Lightning ist über Tokio abgestürzt, Captain.“
Ich spüre wie eine eiskalte Hand mein Herz umschließt. Nein, nein, nein, das darf nicht wahr sein! „AKIRA!“
**
Als ich den Fallschirm davon flattern sehe, fühle ich mich für einen Moment erleichtert. Dann erkenne ich Blue Lightning am Boden. Eines der Schulterschilder hat sich in ein Wohnhaus gebohrt. Verdammt, Akira. Schlimm genug, dass du ausgerechnet mein Appartmenthaus erwischt hast. Aber musste es auch noch als einziges meine Wohnung sein, die du demolierst?
Ich schalte mich in seinen Funk ein und die Erleichterung, seine Stimme zu hören, fegt alle anderen Gedanken fort.

„Blue, bist du noch da?“ „Ja, Colonel, ich bin noch da. Die Schäden an mir sind groß, aber reparabel.“
„Ist der Delta noch in unserem Griff?“ „Ja, Colonel, der Delta ist noch in unserem Griff. Sein Reaktor fährt gerade runter. Der Mecha schaltet ab.“
„Gut. Und wo sind wir gelandet?“

In diesem Punkt schalte ich mich in die Konversation ein. Ich setze Lady Death auf. „In meinem Appartementhaus, und wenn ich das richtig sehe, hast du gerade mein Appartement mit einem Schulterschild zerstört.“
„Oh“, erwidert er. „Tut mir leid. Ist aber immer noch besser, als wenn Trümmer von der Titanen-Plattform hier abgestürzt wären, oder? Blue, mach bitte die Luke auf. Sind hier Waffen im Cockpit?“
„Eine Pistole unter dem Sitz, Colonel.“
„Das hilft mir jetzt auch nicht weiter, Akira“, erwidere ich, noch immer mit meiner Erleichterung kämpfend. „Ich wollte eigentlich nicht in eine Kaserne umziehen müssen.“
Kaserne, was redet ich da für einen Quatsch? Warum steige ich nicht aus, falle ihm in die Arme und weine vor Freude, dass er gesund und munter ist?
„Das brauchst du auch nicht. Du kannst zu mir ziehen. Es stehen viele Zimmer leer und Vater kommt sowieso nie von seinem Olymp herunter. Ist immer noch besser als eine Kaserne, oder?“
„Hm“, murmele ich, ergreife die Bordwaffe von Lady Death und entsiegele das Cockpit. Für einen Moment schlagen meine Gedanken Kapriolen. Alleine mit Akira in dem großen Haus. Für Tage. Für Wochen. Vielleicht für immer. Mein Herz beginnt bei diesem Gedanken zu rasen. Nur wir beide. Und dieser Dummkopf bedroht das alles, weil er versucht, alleine einen feindlichen Piloten gefangen zu nehmen.
„Ich nehme dein Angebot an, Akira“, sage ich schnell, bevor er einen Rückzieher machen kann.

Ich haste herüber, um ihm Deckung zu geben.
„Und? Wie kriegen wir das Ding auf?“, fragt er nachdenklich, als wir vor dem Rumpf mit dem Cockpit stehen.
„Vielleicht sagst du so was wie Sesam öffne dich?“, sage ich im Scherz. Und schlucke hart, als sich die Luke tatsächlich öffnet.
Angespannt nehme ich die Schrotflinte hoch. Akira geht voran, ich gebe Deckung.
„Können Sie mich hören? Sie sind hiermit offiziell Gefangener der United Earth Mecha Force. Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie sich ergeben“, ruft Akira und geht langsam vor. Ich passe auf, dass ich ein freies Schussfeld behalte.
Akira klettert tiefer in den Mecha, sieht sich suchend um. „Sind Sie der Pilot?“, fragt er plötzlich barsch.
Seine Worte scheinen ihm Leid zu tun, denn freundlicher fügt er hinzu: „Verstehen Sie mich? Sie sind jetzt meine Gefangene.“
„Gefangene?“, höre ich eine Mädchenstimme antworten.
„Ja, Gefangene. Das bedeutet, niemand darf Ihnen etwas tun. Ich werde das verhindern.“
„Wirklich?“, höre ich die Frau fragen.
„Wirklich.“
Ich riss meine Waffe hoch, als die Gegnerin, die ich spontan als Kronosierin klassifizierte aufsprang und auf Akira zuhechtete. Aber was ich für einen Angriff gehalten hatte, wurde nur die klammernde Umarmung eines verängstigten kleinen Mädchens.
„Lonne hat Angst“, heult sie. „Du beschützt Lonne, nicht wahr?“
„Ja, natürlich. Akira beschützt Lonne, versprochen.“
„Na Klasse“, kommentiere ich und sicher dieWaffe, bevor ich sie wieder umschnalle. „Eben gerade wollte sie noch die Titanen-Plattform sprengen und jetzt versprichst du ihr, sie zu beschützen. Weißt du eigentlich, wie knapp ich der Explosion entkommen bin?“
Muss sie ihm so lange um den Hals hängen, verdammt?
„Sprengen? Explosion?“, murmelt die Außerirdische verwirrt. Sie löst sich von Akira und hebt dozierend einen Zeigefinger. „Aber nein. Was Lonne da mitgebracht hat, war ein spezieller Scanner, der den Aufbau von Titanen-Station aufzeichnen und dann mit dem eingebauten Funk direkt zum Mars senden sollte.“
„Dann ist dein Scanner mit eingebautem Funk gerade mit der Kraft von einer Megatonne TNT in der Exosphäre unseres Planeten explodiert“, bemerke ich zynisch. Na wenigstens hört sie auf, Akira zu umarmen.
Die weißhaarige Außerirdische schluckt hart. „Wie viel? Eine Megatonne? Lonne hat… So eine riesige Bombe auf dem Rücken gehabt?“ Übergangslos fällt sie in Ohnmacht und sinkt in Akiras Arme. So ein gerissenes Biest.
„Also, entweder ist sie eine verdammt gute Schauspielerin oder sie hat nichts von der Bombe gewusst“, murmelt Akira und bettet Lonne sanft auf den Boden.
„Bei ihrem IQ glaube ich das sofort“, murmele ich und schäme mich gleich für meine Worte. „Und, was machen wir jetzt mit ihr?“
„Etwas richtig dummes, Megumi. Etwas wirklich Dummes“, sagt er leise
„Ich bin dabei, Akira“, sage ich mit einem schiefen Grinsen. Solange ich mit Akira zusammen sein kann, würde ich alles machen…

4.
„Denkst du immer noch, das war eine gute Idee?“, frage ich Akira leise.
„Guten Morgen!“, ruft Lonne und verbeugt sich freudestrahlend vor Yoshi und den anderen aus unserer Gruppe. „Mein Name ist Lilian Jones. Ich bin ab heute hier an dieser Schule als Austauschschülerin. Akira-sama ist mein Gastgeber.“
„Was denn? Die Schuluniform steht ihr doch gut?“, erwidert Akira mit einem Grinsen. Hey, empfindet er etwas für die - zugegeben – niedliche Außerirdische?
Yoshi erwidert die Verbeugung, während Doitsu, Kei und Kenji die Kinnladen herab fallen.
„Guten Morgen, Lilian-chan“, erwidert Yoshi. „So, so. Akira ist dein Gastgeber. Heißt das, du wohnst bei ihm?“
Lonne strahlt ihn an. Unter Umständen hätten die beiden ein niedliches Paar abgegeben, geht es mir durch den Kopf.
„Ja. Ich wohne bei Akira-sama.“
Yoshi sieht erst wütend zu Akira, und dann zu Lonne zurück. „Entschuldige mich bitte. Kei, wärst du vielleicht so freundlich und würdest du Lilian-chan ein wenig herum führen?“
„Nicht doch, nicht doch“, lässt sich Doitsu vernehmen. Er schiebt seine Brille die Nase hoch, was einen schimmernden Reflex auf den Gläsern auslöst. „Selbstverständlich übernehme ich das.“
„Vielleicht sollten wir uns alle um sie kümmern“, brummt Kenji.
„Alles klar, alles klar, Lilian-chan, folge uns einfach“, ruft der kleine Kei fröhlich, ergreift die Hand des weißhaarigen Mädchens und zieht sie mit sich. Die anderen beiden folgen ihm ohne zu zögern.

Kurz sehe ich zu Akira und Yoshi herüber. Und sehe noch, wie Akira in einem liebevollen, aber knallharten Schwitzkasten landet.
Ich seufze viel sagend. Was ist aus meiner wunderschönen Gelegenheit geworden, Zeit mit Akira zu verbringen? Was aus unserer trauten Zweisamkeit? Nur er und ich?
Erst hat er Lonne einziehen lassen. Als Austauschstudentin getarnt, die bei mir übernachtet hatte und mit mir zusammen wohnungslos geworden war.
Und so wie es aussieht, steht auch schon der nächste Kandidat fest.
Wieder seufze ich. Akira und ich, alleine in dem großen Haus… Tag und Nacht mit nichts als unserer Gesellschaft. Sein herrliches Lachen hören …
Das musste ich wohl alles opfern. Oder zumindest auf ein realistisches Maß zurück schrauben.
Vielleicht ergab sich ja mal hier und da die Gelegenheit zu ein paar Küssen. Oder zu…
Ich huste erschrocken. Langsam, Mädchen, du wohnst doch erst einen Tag bei ihm. Fall nicht gleich mit der Tür ins Haus. Ihr habt beide Zeit, vor allem jetzt, wo Ihr zusammen wohnt.

Der Gedanke entlockt mir ein Lächeln. Oh ja, ich habe Zeit. Ich habe meine Gelegenheiten und ich gebe nicht auf. Ich hole ihn mir, meinen strahlenden Helden. Meinen Blue Lightning.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

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Clan Blood Spirit

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Anime Evolution
Finale Episode

1.
Als ich den Trainingsraum betrat, hallten mir Kampflärm und hektische Befehle entgegen. Einer der Infanteristen wurde in die Luft geschleudert und fiel vor mir zu Boden.
Irritiert betrachtete ich den Mann, der den Kopf schüttelte und wieder aufspringen wollte, um sich erneut ins Getümmel zu stürzen.
„ACHTUNG!“
Die Kampfszene erstarb. Dai-Okame, der gerade in einer mächtigen Wolfsgestalt auf der Trainingsmatte stand, eine Pfote auf einem am Boden liegenden Infanteristen gestützt, einen anderen mit der Rute fort gewischt und Joan um den Hals, die ihr Bestes tat, um ihn in den Schwitzkasten zu nehmen, sahen zu mir herüber.
Übergangslos lösten sich die Kämpfenden voneinander und salutierten.
„Rühren“, sagte ich anstelle von weitermachen.
„Sir“, kam es von Captain Hatake.
„Sag mir bitte eines, Mamoru. Was macht Ihr hier?“
„Nun“, begann der junge Geheimdienstoffizier verlegen, „Joan-chan meinte, wir würden auf dem Mars auch gegen Youmas kämpfen müssen und es könnte nichts schaden, wenn wir den Kampf gegen sie üben würden, ohne Unterstützung durch die Slayer zu haben.“
„Hm. Anscheinend nicht sehr erfolgreich“, stellte ich fest.
„Es ist ja auch erst die fünfte Übungseinheit“, sagte Okame-kun mit einer Stimme, die klang, als würde man zwei große Steine übereinander ziehen. „Aber sie machen sich. Wenn sie jetzt noch lernen, sich aus der Reichweite meiner Läufe zu halten und ein Auge für meine verletzlichen Punkte entwickeln wie Reilley-tono, dann ist es für sie nicht unmöglich, einen Youma zu stoppen.“
„Kannst… Kannst du das bitte sein lassen, Okame-kun?“, fragte ich.
„Was?“, fragte der Wolf irritiert zurück. „Oh, das.“ Übergangslos nahm er menschliche Gestalt an.
„Joan, wenn du mal ne Minute hast, ich…“
„Schon in Ordnung. Dai-Okame-sama, wenn Sie möchten, setzen Sie doch die Übungen mit Captain Hatake fort. Mamoru, ich verlasse mich auf dich, dass du mich nicht blamierst.“
Sie zwinkerte ihm zu und der Japaner lächelte dünn. „Ich werde es ihm nicht leicht machen. Zweite Squad. Ausgangsstellung.“

Wir gingen auf den Gang und von dort in eine leere Umkleidekabine. Ich schloss die Tür.
„Hör mal, Akira, irgendwann hätten sie es eh raus gefunden und Okame-kun ist sehr umgänglich und die Leute waren kaum entsetzt. Ich meine, wer dich kennt, der weiß natürlich, dass in deiner Nähe immer Wahnsinn grassiert. Ach, was rede ich da?“
„Ich habe keine Ahnung. Du hast nur das Geheimnis von Dai-Okame enthüllt.“
„Ach, komm, Akira, nachdem er sechzig Stunden am Stück in der Zentrale auf OLYMP Dienst getan hat, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen, hatte er seinen Spitznamen Mamono doch sowieso weg. Die meisten haben so was eh geahnt. Ich habe eigentlich nur etwas Offensichtliches ausgesprochen.“
„Deswegen bin ich nicht hier, Joan“, sagte ich leise.
„Oh. Dann ist ja gut. Womit könnte ich dich sonst verärgert haben?“, scherzte sie.
„Das frage ich mich auch. Ansonsten lobt er dich immer in den höchsten Tönen“, murmelte Kitsune neben mir.
Ich zuckte zusammen. „Kitsune-chan! Wo kommst du denn her?“
„Habe ich dir doch erzählt! Wenn ein Fuchsdämon und eine bmmmmm!“
Hastig hielt ich ihr den Mund zu. „Du weißt was ich meine. Außerdem sollst du dich nicht immer anschleichen. Okay?“
Die Dämonin nickte und ich nahm meine Hand wieder weg.
„Und überhaupt, was soll denn dieser Aufzug? Minirock ist nicht Teil der Dienstbekleidung.“
„Ach“, meinte sie und drehte sich einmal im Kreis, „er steht mir doch, oder? Außerdem, so viele Frauen an Bord kommen in feste Hände, da ist doch jedes wunderschöne weibliche Wesen, das noch zu flirten bereit ist und mal ein wenig Bein zeigt, eine wahre Augenweide für die Jungs.“ Sie zwinkerte Joan zu. „Und für die Mädchen.“
„Womit habe ich das verdient?“, seufzte ich leise.
„Findest du, es steht mir nicht?“, fragte sie enttäuscht.
„Nein, Kitsune-chan. Es sieht sehr gut an dir aus. Und du kannst deine Beine zeigen. Nur, ich habe hier was Privates mit Joan zu besprechen. Kannst du nicht solange mit Mamoru flirten?“
Kitsune legte den Kopf schräg. „Geht nicht.“
„Wie, geht nicht?“ „Geht nicht. Er hat was mit deinem Sempai.“
„Mit meinem… Takashi?“, rief ich entsetzt.
„Nein, mit deinem anderen. Akane.“
„WAS?“ Ich war sicher, meinen Ruf konnte man einmal quer durch das Schiff und wieder zurück hallen hören. Für einen Augenblick erwartete ich ein Echo.

Kitsune stocherte sich in den Ohren. „Ich wünschte du würdest das lassen, Akira-chan. Ich habe sehr gute Ohren, weißt du? Tja, was dachtest du denn? Das sie ewig auf dich wartet? Ich meine, sie hat schon mitgekriegt, dass du sie nicht richtig liebst. Und sie war ja auch eher unentschlossen und so. Und irgendwie sind die beiden dann aneinander geraten. Ich glaube auf deiner Geburtstagsparty als du mit…“ Kitsune sah kurz von mir zu Joan und dann wieder zu mir. „Schon gut.“
„Schon gut, was? Geburtstagsparty als er mit?“, hakte Joan nach.
„Ich denke“, meinte die Füchsin gedehnt, „ich sollte vielleicht doch besser gehen. Ich kann ja mit Takashi flirten. Oder mit Kazama. Also, ne?“
Joan trat einen schnellen Schritt vor und ergriff die Dämonin am Kragen. „Geburtstagsparty als er mit?“, fragte sie erneut.
Kitsune begann zu winseln. Also, das hatte sie gut drauf. „Du tust mir nichts?“, fragte sie.
„Du bist eine Dai. Wie soll ich dir was tun können?“
„Och, da gibt es viele Möglichkeiten. Du könntest nicht mehr mit mir reden. Ich meine, jetzt wo sich hier alle an Bord so finden und kaum noch Zeit für einen kleinen Fuchs wie mich haben ist das eine große Strafe. Hina schläft mit Doitsu, Akane mit Mamoru, Yoshi mit Yohko… ein ganz schöner Liebesdampfer ist das hier.“
„Also?“, fragte Joan und begann den Fuchsdämon zu schütteln.
„I-ist j-ja sch-schon g-guuuut. Danke. Ich meine es war doch offensichtlich. Warum sollte Akira-kun auch nicht mit Megumi-chan gehen?“
Entsetzt sah mich Joan an. Unter ihrem Blick fühlte ich mich plötzlich klein. Ich spürte, wie meine Wangen ein kräftiges Rot bekamen.
„Immerhin hast du ja den niedlichen kleinen Makoto in den Bett gezerrt, Joan-chan. Ich sag es ja, ein richtiger Liebesdampfer ist das hier. Sakura lädt Thomas zum Kapitäns-Dinner in die Kapitäns-Kajüte ein und bekommt ihren Nachtisch im Kapitäns-Bett serviert, Sarah und Daisuke gehen sowieso schon regelmäßig in den Nahkampf und ich bin mir ziemlich sicher, dass Emi und Kei sich auch schon Blicke zugeworfen haben. Oder wollte er was von Ami Shirai und Kenji was von der zarten Emi? Da bin ich mir noch nicht so sicher.
Diese Pärchenbildung, tsss.“
„Du hast mit Mako geschlafen?“, fragte ich leise.
„E-es ist nur einmal passiert. Ich meine, er ist so süß und doch so energisch und wir haben beide auf deinem Geburtstag diesen Sake getrunken und so… Warum entschuldige ich mich hier eigentlich? Du hast mit Megumi geschlafen!“
„Ja“, erwiderte ich, setzte mich auf eine Bank und stützte meine Stirn auf den Händen ab. „So sieht es wohl aus.“
„Akira. Alles in Ordnung?“, fragte Joan und ließ Kitsune los.
Die beiden nahmen Platz neben mir, Joan links und die Füchsin rechts.
„Genau, alles klar, Akira-kun?“, fragte die Füchsin leise. Sie stupste mich mit ihrer Nase an.
„Kitsune-chan. Du bist gerade in deinem Menschenkörper“, murmelte ich.
„Ich weiß“, erwiderte und zwinkerte mir zu. Mann. Sie war wirklich unglaublich.
„Also, was ist los, Aki-chan?“, fragte Joan.
Ich sah auf. „Du hast mich Aki-chan genannt. Das höre ich seit Tagen das erste Mal.“
Joan legte eine Hand um meine Schulter. „Denkst du wirklich, du wirst jemals etwas anderes für mich sein? Ich meine, okay, so wie es aussieht, habe ich das Rennen verloren. Aber deswegen bereue ich nicht, dich kennen gelernt zu haben. Du wirst immer eine besondere Erfahrung für mich bleiben, Aki-chan. Und immer weit mehr als ein Freund.“
„Sei dir mal nicht so sicher mit dem Rennen“, hauchte ich leise. „Seit dieser Nacht haben Megumi und ich nicht noch einmal zusammen geschlafen. Wir pflegen seitdem ein… professionelles Verhältnis.“
„Ach, grassiert diese Krankheit auch bei euch? Etwas Ähnliches hat mir Mako-chan um die Ohren gehauen. Wir haben seitdem kein Wort mehr gewechselt. Kann es sein, dass wir zwei auf diesem Liebesdampfer die einzigen Trottel sind, die keinen richtigen Partner haben?“
Ich lachte leise. „Bei mir kann ich das ja verstehen. Ich muß so eine wichtige Sache ja in den Sand setzen. Aber du, die erfolgreiche, wunderschöne und liebliche Joan Reilley…“
„Mehr, mehr, mehr. Komplimente kann ich immer gebrauchen“, sagte sie in einem leidenschaftlichen Tonfall. Auch sie begann zu lachen. „So sieht das wohl aus. Da kam plötzlich ein niedlicher kleiner Mann in mein Leben, der glatte drei Zentimeter kleiner ist als ich, und bevor ich mich versehe, serviert er mich wieder ab.“

Wir sahen uns in die Augen und seufzten leise.
„Hey“, meinte Kitsune da. „Ich habe die Lösung. Warum verkuppelt Ihr dann Mako und Megumi nicht und dann schlaft Ihr beide miteinander?“
„Äh“, meinte ich leise, „es geht zwar vordergründig um Sex, Kitsune-chan. Aber es hängt doch mit etwas mehr zusammen.“
„Ja“, murmelte Joan leise. „Leider hängt da noch was dran.“
Wieder sahen wir uns an und seufzten gemeinsam.
„Ihr Menschen seid aber komisch. Und wenn es sagen wir mal nur um Sex geht, ohne das was da noch dran hängen soll? Schlaft Ihr dann zusammen?“
„Ihr Dämonen seid komisch. Warum reduzierst du alles auf den Akt?“
„Weil er Spaß macht. Ich weiß das. Ich habe fast zweitausend Jahre Erfahrung. Also, wenn du nicht mit Akira-chan schlafen willst, darf ich dann, Joan-chan?“
Erschrocken rutschte ich ein Stück die Bank hinab.
„Meinetwegen nehme ich auch Joan-chan.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Zweitausend Jahre Erfahrung, Akira-chan.“
„Das sind ja Zustände bei euch“, sagte ich leise und lachte. Ich drückte der Füchsin einen Kuss auf die Wange. „Vielleicht komme ich drauf zurück.“
„Och, nur vielleicht?“, maulte sie.
Dann drückte ich Joan einen Kuss auf. „Und wenn alles wirklich weiter so beschissen für uns beide läuft, dann sollten wir wohl mal vernünftig sein, was?“
Sie lächelte mich an. „Vielleicht sollten wir das dann, Aki-chan.“
Sie griff mir in den Nacken und zog mich sanft zu sich herab. Ebenso sanft streichelte ihre Zunge über meine.
Als sie sich wieder von mir löste, leckte ich über meine erschreckend trockenen Lippen. „Also, mehr wollte ich eigentlich nicht. Ist viel besser gelaufen als ich dache. Wenn du mich brauchst, dienstlich, ich bin wieder bei der Mecha-Ausbildung.“
„Ja, klar, und wenn du noch etwas trainieren willst, ich meine Nahkampf trainieren willst, du weißt, wo du ich findest.“
Wir schmunzelten uns zu und ich trat auf den Gang hinaus.
„Also, für mich klang das auch irgendwie nach Sex“, brummte Kitsune verstimmt. „Joan-chan, mach es gut. Akira-chan, warte auf mich!“

2.
Drei Tage dauerte die Reise zum Mars, genauer gesagt drei Tage, neun Stunden und elf Minuten, vom Ablegen bis zur Feuerreichweite auf Deimos gerechnet.
Davon hatten sie zwei Tage und fünf Minuten hinter sich gebracht.
Anspannung machte sich an Bord der vier Schiffe bemerkbar, noch angespornt von Dutzenden Übungen und virtuellen Manövern, bis jeder Handgriff saß, jede Bewegung im Schlaf beherrscht wurde, und jeder Reflex genau das tat, was man von ihm erwartete.
Über all dem wachte ich. Ich wechselte mehrfach täglich das Schiff und sah mir die Fortschritte auf den anderen Schiffen an.
Noch immer hoffte ich, dass die KAZE mit ihrer verdoppelten Mecha-Kapazität eine herbe Überraschung für die Kronosier sein würde, ebenso wie die neue Hauptwaffe der YAMATO.
Die machte mir besonders viele Sorgen, da sie theoretisch funktionierte, aber noch nicht getestet worden war.
Wir hatten die GRAF SPEE voll gestopft bis an den Rand des Möglichen. Zwanzig Mechas mehr als vorgesehen wäre unter normalen Umständen reiner Wahnsinn gewesen, aber ein neuartiges Abwurfsystem, welche ein Viertel des Hangars einsparte, hatte seinen Teil getan. Das wir die GRAF SPEE nicht extra hatten umbauen müssen, war dabei sicherlich von Vorteil gewesen.
Und die LOS ANGELES… Wenigstens ein Schiff, das bereits ausgetestet und kampferprobt war.
Ich hoffte nur, dass Tetsu hielt, was seine Testergebnisse versprachen. Bisher führte er sein Schiff mustergültig. Wenngleich ich befürchtete, er würde den Zerstörer irgendwann mal mit einem Motorrad verwechseln und einfach vorpreschen.

In den letzten achtundvierzig Stunden hatte ich kaum geschlafen. Das gedachte ich nachzuholen und gönnte mir acht Stunden am Stück. Aber es war wie immer. Wenn man etwas unbedingt haben wollte, dann bekam man es nicht.
Ich quälte mich durch einen stakkatoartigen Halbschlaf, der mir Bilder aus der Vergangenheit präsentierte und miteinander vermischte.
Unruhig wälzte ich mich hin und her. Ich war nicht richtig wach, aber ich schlief auch nicht.
Die Bilder, diese Bilder… Ich sah mich wieder über München schweben, im verbissenen Dogfight mit zwei Daishis. Wie ich der Novemer-Klasse-Fregatte immer näher kam. Die riesigen Geschütze feuern.
Wie ich auswich, auf die Oberfläche gelangte und die Brücke aus nächster Nähe zerstörte.
Anschließend stürzte die Fregatte im Breisgau ab und riss eine Besatzung von vierhundert Mann in den Tod.
Der Angriff auf New York, wo ich an nur einem einzigen Tag siebzehn Mechas vernichtet hatte, die meisten durch Cockpittreffer.
Der Angriff auf die Titanen-Station, der mir meine Schwester zurückgegeben hatte. Wie viele Gegner hatte ich da getötet? Elf? Mehr?
Der ZULU, den ich mit Hilfe der Slayer längs gespaltet hatte. Tausendzweihundert Tote, in weniger als fünf Sekunden.
Verzweifelt krallte ich die Hände in mein Laken, versuchte aus diesem Traum aufzuwachen. Tote, auf der eigenen Seite, auf der gegnerischen Seite, für immer fort, verschwunden als hätten sie nie existiert. Tot, tot, tot.

Mit einem Aufschrei setzte ich mich auf. Verwirrt sah ich mich um. „Was? Wo?“
„Ist es das, was du willst, Akira?“, hörte ich Vater neben mir sagen. Er saß an einem Schreibtisch, hatte die Hände vor dem Gesicht gefaltet und sah mich nachdenklich an.
„Ist es das? Willst du wirklich so viele Gegner wie möglich töten? Megumi hat es dir gesagt, oder? Du hast bereits mehr als dreitausend Leben ausgelöscht. Bist du stolz darauf? Ist das dein Lebensziel? Sollen wir vielleicht einen Orden einführen für den Piloten, der die meisten Gegner abgeschlachtet hat?“
„Vater, ich…“, rief ich und wollte nach ihm greifen.
„Sei nicht so streng mit dem Jungen“, hörte ich jemand direkt hinter mir sagen. Ich wirbelte herum und erkannte Rat Hendrikkson, einer jener Männer, die mich auf den Mars geschickt hatten.
„Außerdem wissen wir gar nicht, wie viele er wirklich schon getötet hat. Alleine als Phobos auf den Mars herab stürzte, kann es zwischen zweitausend bis zwanzigtausend Tote gegeben haben. Er ist schon lange jenseits von gut und böse, Eikichi.“
„Das“, haspelte ich hervor, „das war nicht geplant. Phobos zerbrach und keiner konnte ahnen, wo die Trümmer herab kommen würden…“
Wieder erklang eine Stimme hinter mir. „Was beklagt Ihr euch eigentlich? Der Junge macht einen guten Job. Und vergesst nicht, jeden Feind, den er tötet, den er zermalmt, kann nicht mehr gegen die anderen Piloten antreten. Lasst ihn doch töten. Wenn es ihm soviel Spaß macht…“
„Opa, was sagst du da? Ich habe doch keinen Spaß am…“
„Am töten?“, erklang eine vierte Stimme. Wie kamen die alle so schnell in meinen Rücken?
„Natürlich hast du Spaß daran. Du zielst grundsätzlich aufs Cockpit oder auf die Brücke, egal, ob es eine November-Fregatte oder ein Sierra-Zerstörer ist. Du schaltest den Piloten oder das Kommando aus. Danach hast du Ruhe vor dem Rest. So habe ich es dir beigebracht, Akira-chan.“
„Jerry, es geht mir doch nicht ums töten!“, rief ich verzweifelt.
„Akira“, erklang eine fünfte Stimme. Aber es war diesmal eine Frauenstimme. Nur zögerlich wandte ich mich um. „Mutter?“, hauchte ich.
„Akira, siehst du nicht, was du hier tust? Du begehst große Sünden, lädst Schuld auf dich. Die Toten, sie kommen nicht wieder.“
„Aber Mutter, ich muß es doch tun! Ich habe keinen Spaß daran, aber es ist meine Pflicht“, rechtfertigte ich mich, wurde aber mit jedem Wort leiser.
Ich spürte, wie mich zwei schlanke Arme umschlangen und gegen etwas Weiches, Warmes drückten. „Akira. Was tust du hier? Warum tust du es? Was ist dein Ziel in diesem Leben? Töten ist doch nicht die richtige Antwort. Auch wenn du einen wichtigen Grund dafür hast.
Aber wie lautet dieser Grund? Hast du ihn schon gefunden?“
„Ich weiß, dass töten nicht richtig ist. Aber ich kann nicht anders. Ich muß eine ganze Welt beschützen“, begehrte ich tonlos auf.
„Das weiß ich, Akira, und es macht mich stolz, dass du dich dieser Verantwortung stellst. Aber dennoch löschst du Leben aus. Und wenn du nicht siehst, nicht bald siehst, warum du das tust, dann wird diese Welt für dich verblassen und nichtig werden. Jeder Mensch, auch du, mein Sohn, kann nur ein gewisses Maß an Leid ertragen und verursachen. Erkenne deine Gründe, deine Motive. Schaffst du das nicht…“
Die Hände hörten auf, mich zu umschlingen. „Mutter?“, fragte ich leise. „Mutter?“

„MUTTER?“, rief ich und schreckte aus meinem Schlaf hoch. Ich war vollkommen durchgeschwitzt und atmete schwer. Was war das gewesen? Ein Traum, ein Strafgericht? Mann, da hätte ja nur noch Dai-Kuzo-sama gefehlt, um mir Vorwürfe zu machen…
Kraftlos ließ ich mich wieder auf die Kissen sinken. Was hatte sie damit nur gemeint? Ich wusste, das Traumbild meiner Mutter hatte mir etwas Wichtiges sagen wollen. Nur was?
Neben mir begann Kitsune im Schlaf zu seufzen. Kurz gähnte die Füchsin und rollte sich dann noch etwas enger zusammen.
Bei diesem Anblick musste ich lächeln. Wie sie da so lag, in ihrer Fuchsgestalt, gab es einfach nichts, was einen belastete, wenn man sie so sah. So niedlich, so herzzerreißend süß war sie wie eine Therapie.
Langsam rollte ich mich auf die Seite und zog den Fuchs an mich heran, um ihn an mich zu kuscheln.
Kitsune öffnete ein Auge. „Soll ich mich in einen Menschen verwandeln, Akira-chan?“
„Nein“, murmelte ich, den Geist bereits schwer vom kommenden Schlaf, „lass mal. Sonst könnte ich das ja gar nicht machen.“
Ich kitzelte ihren Bauch, was der Fuchs mit leisem Kichern beantwortete. „Akira-chan, da bin ich kitzlig.“
„Deshalb mache ich es ja“, erwiderte ich lächelnd.
Kitsune drehte sich um und kuschelte ihre Schnauze an mein Gesicht. Kurz darauf schlief ich ein.
**
Als ich erwachte, lag der Fuchs noch immer neben mir. Nur halb begraben unter meinem Arm. Das schien den Dämon aber nicht zu stören.
Kitsune öffnete ein Auge. „Oh. Du bist wach. Mann. Du hast ja geschlafen wie ein Toter.“
Ich strich nachdenklich über das Kopffell der Füchsin. „Danke. Du hast mir geholfen. Nur wegen dir konnte ich schlafen.“
„Na, wenn Megumi auch zu viel zu tun hat, einer musste ja für sie einspringen“, erwiderte sie und ignorierte die Tatsache, dass sie sich wieder einmal selbst in mein Bett geschmuggelt hatte, völlig.
Langsam richtete ich mich auf. Der Traum letzte Nacht, diese Vision, oder wie immer ich es beschreiben sollte, war es wichtig oder einfach nur ein Kaleidoskop an Erinnerungen und Mutmaßungen meines Unterbewusstseins?

Neben mir verwandelte sich Kitsune in einen Menschen. „Alles in Ordnung, Akira-chan? Du wirkst so nachdenklich.
„Du bist nackt“, sagte ich verblüfft.
„Das haben Füchse so an sich. Oder hast du schon mal einen Fuchs im Tarnanzug gesehen?“, maulte sie.
„Normalerweise trägst du eine Uniform, wenn du dich verwandelst“, warf ich ihr vor.
„Hey, unter dieser Decke ist es reichlich warm. Soll ich mich tot schwitzen?“, konterte sie. „Außerdem bist du auch nackt.“
Entsetzt starrte ich sie an. „WAS?“ Die Decke flog mit einem Ruck hoch. „Mist.“
Ich ließ mich wieder auf mein Kissen fallen. „Kitsune-chan, haben wir… Ich meine, du und ich, haben wir…“
Misstrauisch beäugte mich die Füchsin. „Mit welcher Antwort komme ich hier lebend wieder raus?“
Ich schluckte hart. „Wir haben doch nicht miteinander geschlafen, oder?“
Die Füchsin winkte ab. „Aber nein, nein, ich war die ganze Zeit in meiner Tiergestalt.“
„Dann ist ja gut“, seufzte ich erleichtert.
Kitsune beugte sich zu mir herüber, legte ihr Kinn auf meine Brust. „So was macht man besser, wenn man wach ist und es besser genießen kann, A-ki-ra-chan.“
Ihr warmer Körper drückte sich gegen meinen, deutlich spürte ich ihre nackten Brüste an meiner Seite. Und ihr Lächeln war mehr als verheißungsvoll.
Nachdenklich begann ich ihren Kopf zu kraulen. „Vergiss es, Kitsune-chan. Ich bin einfach nicht in der Stimmung. Die letzten Tage ist viel zu viel passiert, als dass ich mich derart fallen lassen könnte.“
„Ist es das, oder bist du gerade dabei, die Dämonenrasse sexuell zu diskriminieren?“, maulte sie.
„Das“, erwiderte ich mit einem matten Lächeln, „überlasse ich deiner Phantasie.“
„Oooch, Akira-chaaaaaan“, murrte Kitsune.
Ich streichelte über ihr Haar. „Nicht, dass du nicht wirklich hübsch bist, aber mit Freunden ins Bett zu gehen habe ich mir neulich abgewöhnt.“
Kitsune verwandelte sich wieder in einen Fuchs und starrte mich ärgerlich an. „So wird das nie was mit uns.“
Ich lachte leise. „Tut mir Leid.“
„Lügner“, erwiderte sie.

Als mein Wecker summte, erhob ich mich. Langsam begann ich meine Sachen zusammen zu klauben und die Dusche schon mal anzudrehen. Ab sofort würde ich die Uniform Uniform sein lassen und nur noch den Druckanzug tragen. Falls ich schnell, verdammt schnell in meinen Mecha musste.
„Es geht also los“, sagte Kitsune überraschend ernst. Sie sprang aus dem Bett und blieb vor der Dusche stehen. „Akira-chan. Ich suche mal den alten Griesgram. Wir kommen dann zusammen zum Meeting. Bleibt es bei x minus sechs?“
Ich nickte und kämpfte mit einer Überdosis Shampoo. „Sechs Stunden vor dem Angriff. Letzte Beratung. Richtig.“
„Okay, bis dann, Akira-chan.“ Die Füchsin trottete zur Tür und verwandelte sich dort wieder in einen Menschen. Diesmal aber in Uniform.
„Und, überleg es dir noch mal, ja?“, hauchte sie mit gesenktem Blick.
Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, sank ich gegen die nächste Wand. Ich hustete. „Verdammt, Kitsune-chan. Das war ganz schön knapp. Ich will hier doch keine Strichliste führen!“
Nicht noch ein Freund, mit dem ich schlief und schwer enttäuschte… Obwohl, beides musste nicht zwangsläufig zusammen hängen.
Aber was dachte ich da? Ich konnte doch nicht mit einem zweitausend Jahre alten Fuchsdämonen ins Bett steigen! Äh, mit ihm Sex haben, menschlicher Körper hin, menschlicher Körper her.
Und wieso beschäftigte mich das überhaupt? Ich musste den Mars angreifen, weder mein Liebesleben erweitern, noch verstehen.
Frustriert trat ich unter den kläglichen Strahl der Dusche.
„Wenigstens für mich könnte Sakura mal mehr Wasserdruck auf die Dusche geben“, murmelte ich wütend. Wütend auf mich, wütend auf Megumi, wütend auf Joan. Wütend auf die ganze Welt. Und vor allem auf einen kleinen Fuchsdämonen, der sein bestes tat, um mich noch mehr zu verwirren. Und ich machte es ihm sehr, sehr leicht…

3.
„Yoooshi-kun“, säuselte ich, ergriff den Freund von hinten und nahm ihn in einen deftigen Schwitzkasten.
„Args. Akira, was soll das?“, rief er überrascht.
Ich verstärkte den Druck des Schwitzkastens noch ein wenig mehr. „Weißt du, was mir ein kleines Füchslein geflüstert hat? Da gibt es doch tatsächlich diesen Meisterschützen mit KI-Fähigkeiten, der zufällig mein bester Freund ist. Und stell dir vor, er schläft mit meiner geliebten kleinen Schwester.“
Wieder verstärkte ich den Druck.
„Und?“, brachte er mühsam hervor. „Dagegen kannst du nichts tun. Ich liebe sie eben und sie liebt mich. Egal wie jung wir sind. Wir werden zusammen bleiben und wenn wir beide den Angriff überleben werden wir zusammen alt werden.“
Ich erstarrte und verstärkte den Druck erneut.
„Übrigens, wenn du mich umbringst, wird das Yohko nicht gerade erfreuen“, japste er.
„Aber, aber, wer wird dich denn umbringen wollen?“, säuselte ich.
„Du, wenn du noch etwas fester zudrückst. Args.“
Ich ging in die Hocke und zog ihn mit. „Jetzt hör mir mal gut zu, mein bester Freund, für den ich durchs Feuer gehen würde.“
„Danach sieht es aber nicht gerade aus, Akira.“
„Zuhören. Klappe dicht. Ich sage es dir jetzt ein einziges Mal. Ich finde, du und Yohko seid ein tolles Paar. Das sie so gut über all das was ihr passiert ist, hinweg gekommen ist, verdankt sie zu einem Großteil dir. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin, dass ich dich Freund nennen darf und du um mich und Yohko bist. Das du zu mir stehst, egal was passiert. Darum bitte ich dich“, hauchte ich und löste den Würgegriff ein wenig, „mach nicht den gleichen Blödsinn wie ich. Wenn du dir sicher bist und deinen Harem abgeschafft hast, dann halte sie fest und lass sie nie wieder los. Ich bitte dich. Als ihr großer Bruder und dein bester Freund.“
„Akira…“, erwiderte Yoshi ergriffen.
Ich ließ seinen Hals ganz los und richtete mich wieder auf. „Versprich es mir.“
„Natürlich verspreche ich es dir. Das hatte ich doch sowieso vor“, erwiderte Yoshi und kam ebenfalls wieder hoch.
„Dann ist ja gut. Jetzt musst du nur noch den Angriff überleben.“ Ich klopfte ihm auf die Schulter.
Anschließend warf ich den verblüfften Raummatrosen, die diese Szene beobachtet hatten einen bösen Blick zu. „Die Show ist vorbei. Weitergehen, wer keine Miete zahlt.“
Übergangslos schien wieder jeder eine Beschäftigung zu haben.
„Also, gehen wir“, murmelte ich und betrat mit Yoshi an meiner Seite den Konferenzraum.
**
„Die ist die Lage. Unsere Langstreckenpassivortung berichtet, dass die Schlacht um die Erde für uns erstaunlich gut gelaufen ist. Unsere Streitkräfte sind zurück gewichen und wurden anschließend von den Geschützen des OLYMP unterstützt. Danach wurde der Feind aufgerieben. Lediglich fünf Passivkontakte sind nun auf dem Weg zurück zum Mars“, schloss Sakura. „Wie viele unserer Schiffe es erwischt hat, kann ich leider ohne aktive Ortung oder Funkkontakt sagen.“
„Danke, Kapitän Uno“, sagte ich.

Ich stand von meinem Platz auf und ließ über dem Konferenztisch ein Hologramm von Mars und Deimos entstehen. Auf einen Knopfdruck wurde der Mond heran gezoomt und vergrößert. „Planänderung, Herrschaften“, eröffnete ich.
Aufgeregtes Raunen antwortete mir.
„Ich habe mir folgendes überlegt. Der Feind hat versucht, mit dieser Attacke unserem Angriff zuvor zu kommen. Unwissentlich hat er uns damit in die Hände gespielt. Sicher in der Annahme, dass wir nicht mehr angreifen, wenn die Konjunktion mit der Erde vom Mars verlassen wurde. Dadurch wurde die Verteidigung empfindlich geschwächt. Ich habe mir die Verlustzahlen sowie Schätzungen des Geheimdienstes, kombiniert mit den Berichten von Agent Valjean angesehen. Demnach haben die Kronosier mindestens die Hälfte aller verfügbaren Schiffe in den Einsatz geschickt.“
Aufgeregtes Raunen antwortete mir. „Aber das hätte ja bedeutet“, rief Kapitän Tetsu Genda von der LOS ANGELES, „dass wir die Kronosier mit allen uns zur Verfügung stehenden Fregatten und Zerstörern in einem Raumkampf hätten auslöschen können. Siebzehn Fregatten der Yamato-Klasse, neun Zerstörer der Midway-Klasse und ursprünglich drei Kreuzer der Bismarck-Klasse wären mehr als genug gewesen um mit ihren gut vierzig aktiven Schiffen aller Klassen den Boden aufzuwischen.“
„Ja, normalerweise schon. Unsere Eingreiftruppe, wie sie ursprünglich geplant war, bestehend aus drei Kreuzern und zwanzig Begleitschiffen, hätte ebenfalls einen Sieg errungen. Aber das war bevor die Kronosier den auf KI basierenden Temporalresonator ins Spiel brachten“, schloss ich.
Ich hob eine Hand, um das aufgeregte Raunen zu beenden. „Das bedeutet aber auch automatisch, dass wir mit lediglich vier Schiffen einen sehr schweren Stand haben werden. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, unsere Karten etwas zu verbessern.
Ich will, dass wir diese Raumwerft nicht vernichten. Wir werden sie nehmen und im Notfall selbst verwenden oder als Faustpfand benutzen. Wenn sie den Kronosiern wert ist, bereits das zweite Mal gebaut zu werden, ist sie auch wertvoll genug, um sie notfalls zu erpressen.“
„Das leuchtet mir ein“, ließ sich Kapitän Elora Gonzales von der YAMATO vernehmen. „Zudem sollte, da die Verteidigung der Kronosier gerade ausgedünnt ist, nicht gerade viel an Wachschiffen um das Ding herum schwirren, oder?“
„Richtig, Kapitän Gonzales. Wir sollten in der Lage sein, jedwelche Verteidigung mit unseren vier Schiffen davon zu wischen. Danach halte ich es für möglich, die Werft vermint als Druckmittel zu benutzen und mit einer Fregatte sowie vier Kompanien Mechas und einer Kompanie Infanterie eine sehr lange Zeit zu halten. Gehen die Dinge hart auf hart, zieht sich das Prisenkommando zurück und sprengt das Ding.“

„Also, wenn ich zusammen fassen darf“, sagte Akane Hazegawa leise. „Wir greifen die Werft an, zerstören die patrouillierenden Schiffe und nehmen in einer gemischten Mecha- und Infanterieaktion die Werft. Anschließend wird sie vermint. Wir halten die Werft so lange wie irgend möglich, während unser restlicher Kampfverband den Nyx Olympus angreift. Wo er ebenfalls den Auftrag hat zu versuchen, die Fabriken und Werften zu nehmen und nur notfalls zu zerstören. Sehe ich das soweit richtig, Colonel?“
Ich nickte. „So sieht es aus. Die Kronosier haben seit langer Zeit ein Problem. Sie haben uns die Mechas gebracht, entwickeln diese Technologie aber nur zögerlich fort. Unsere aggressive Forschung aber hat mittlerweile Kanonenboote hervor gebracht, während die Kronosier sich noch mit Linienschiffen aus Holz beschäftigen, wenn der Vergleich angebracht ist.
Und das bezieht sich auf alle Bereiche. Auf unsere Schiffe, die besser bewaffnet und stärker gepanzert sind, unsere Infanterie, die besser ausgerüstet ist. Und unsere Biotechnologie, die jene der Kronosier schon in den Schatten stellt. Und wir stehen gerade hier erst am Anfang.
Es ist, als könnten die Kronosier nicht weiter entwickeln. Als würde ihnen Innovation fehlen.“
„Aber dann bauen sie einen Kampfandroiden und den Temporalresonator“, mischte sich Major Joan Reilley ein.
Ich nickte. „Ja. Und sicher haben wir es hier auch wieder mit gegossenen Kanonenkugeln zu tun, wenn es eigentlich längst selbst lenkende Raketen sein könnten.“
„Na, danke für das Kompliment, Aki-chan“, erwiderte sie.
„Anwesende natürlich ausgenommen.“
„Spät, aber akzeptiert“, murmelte Joan leise. Ein spöttisches Grinsen umspielte ihre Mundwinkel.

„So. Wir brauchen zwei Kompanien Hawks, eine Kompanie Sparrows und eine Kompanie Eagles sowie eine Kompanie Infanterie für den Angriff auf die Werft. Ich bitte um Freiwilligenmeldung.“
„Sir“, sagte Second Lieutenant Clive O´Hara, der junge Gitarrist, den Joan mitgebracht hatte, „die Delta-Kompanie wurde für den Kampf im Vakuum gedrillt. Das macht uns automatisch zur logischsten Wahl.“
„Gut“, brummte ich.
„Sir, ich melde meine Charly-Kompanie Hawks.“ Ich musterte die junge Frau, die sich erhoben hatte. „Ungern, Cassie. Sie sind eine gute Kompanieführerin und ich will für den Angriff auf den Mars eigentlich nicht auf Sie verzichten.“
Die Griechin lächelte. „Danke für das Kompliment. Aber ich denke, erstens kommen Sie auch mit drei statt vier Kompanien aus und zweitens habe ich die meiste reale Kampferfahrung. Ich werde dort nützlicher sein als Sie zum Beispiel, der für die finale Attacke gebraucht wird.“
„Genehmigt. Sehen Sie sich vorübergehend als zum Captain befördert an. Sie übernehmen das Kommando über den Angriff.“
„Sir, die Hawk-Kompanie Ecco meldet sich hiermit auch freiwillig. Wenn Major Uno keine Einwände hat.“
„Das wird hart, Olivier. Sehr hart“, warnte Megumi. „Wir wissen nicht, ob Sie angegriffen werden und wie lange Sie sich notfalls halten können. Selbst mit einer Fregatte als Unterstützung. Geschweige denn ob und wann wir Ihnen zu Hilfe kommen können.“
„Ich kenne meine Pflicht, Major Uno. Wie jeder andere in diesem Raum auch.“
„Akzeptiert, First Lieutenant Laroche. Ihre Leute sind dabei.“
„Sir, Eagle-Kompanie Bravo. Mit Major Inos Erlaubnis melde ich meine Leute freiwillig. Wir haben sehr viel draußen trainiert und haben uns auf Langstreckenbeschuss außerhalb der Atmosphäre spezialisiert.“
„Bist du dir sicher, dass du das tun willst, Azumi?“, fragte ich das junge Mädchen, dass vor drei Monaten noch eine ganz normale Mitschülerin gewesen war.
„Einer muß den Hawks und den Sparrows doch über die Schulter sehen, wenn sie spielen gehen, Akira-kun“, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln.
„Gut. Eagle Bravo ist dabei.“
„O-nii-chan, ich melde hiermit meine Delta. Meine Kompanien haben alle einen ausgewogenen Ausbildungsstand. Aber wenn ich einem meiner Kompaniechefs zutrauen will, dass er alleine klar kommt, dann ist das Takashi-sempai.“
Ich musterte den Riesen. Welches Schicksal hat ihn nur derart gebeutelt, dass er sich in einen engen Sparrow hatte zwängen müssen? Ich beantwortete mir die Frage selbst. Überragendes Talent auf dem kleinen, agilen und gefährlichen Mecha.
„Sir. Die Delta kämpft dort, wo sie hingestellt wird“, sagte First Lieutenant Takashi Mizuhara ernst.
„Akzeptiert. Bleibt noch das Schiff.“
„Es kommt ja wohl nur eines in Frage, oder?“ Kapitän Roger Smith erhob sich. „Die KAZE wurde umgebaut, um vierzig Mechas zu transportieren. Also sind wir die logische Wahl. Außer, Sie wollen die wertvollen Maschinen im Notfall zurück lassen. Oder sich um die Feuerkraft der LOS ANGELES berauben. Und so eine kleine Infanteriegondel können wir uns zur Not an die Außenhülle koppeln.“
Ich nickte schwer. „Akzeptiert. Auch wenn es nicht so aussieht, aber Sie, meine sechs Offiziere, haben gerade den gefährlichsten und wichtigsten Part der Mission übernommen. Machen Sie mir keine Schande.“
Die sechs Angesprochenen erhoben sich und salutierten.

„Kommen wir zum nächsten Punkt. Unsere Ziele am Nyx Olympus. Laut Agent Valjean haben wir ein Riesenproblem. Die Kronosier haben einen menschlichen Verbündeten, der ihnen mit Magie aushilft. Deshalb der ungewöhnlich kraftvolle Angriff mit dem ZULU auf den OLYMP neulich. Deshalb diese sich selbst lenkenden, nur aus Energie bestehenden Raketen. Deshalb die vielen Youma-Attacken auf der Erde und vor allem im Großraum Tokio. Wir haben Grund zur Annahme, dass sich dieser… Magier auf dem Mars aufhält. Es wäre dumm darauf zu hoffen, dass er nicht da ist. Wir würden unvorbereitet auf ihn treffen. Auf ihn, auf seine Youmas und auf etwaige Helfer. Hina-chan, deine Slayer kümmern sich um diese Youmas. Und um diesen Magier.“
„Verstanden, Akira-san. Wir werden beim Anflug außerdem darauf achten, ob die Seelentorpedos gegen uns eingesetzt werden.“
Seelentorpedos. Ein lustiger Name für eine grausame Sache.

„Außerdem glaube ich nicht eine Sekunde lang, dass wir nicht auf verbesserte Infanterie treffen sollten. An Joan haben sie bewiesen, dass sie Cyborgs erschaffen können. Und nur weil sie diese bisher nicht gegen die Erde eingesetzt haben, bedeutet das nicht, dass es sie in der Anlage am Vulkan nicht gibt. Joan. Du kümmerst dich primär um diese Bedrohung.“
„Verstanden. Wollen wir doch mal sehen, ob ich meine Leute gut genug trainiert habe. Original gegen Kopie. Wer da wohl gewinnt?“, erwiderte sie.

„Wichtig bei unserer Attacke sind zwei Dinge. Schnell in die unterirdischen Anlagen zu kommen, wo wir im Vorteil sein werden – denn die Kronosier und ihre Söldner werden dort ungern wild um sich ballern, während es uns egal sein kann.
Und die Zentrale der Kronosier zu finden und zu eliminieren. Denn ohne den Kopf wird der Körper bald sterben. Ich werde versuchen, mit meinem Mecha so tief wie irgend möglich in die unterirdischen Anlagen einzudringen und diese Bedrohung auszuschalten. Das gilt übrigens für alle Hawks und alle Sparrows bis auf die Einheiten, die den Eagles Deckung geben werden. Und das ist unser großer Nachteil. Bis auf ein paar aus dem Gedächtnis gezeichnete Karten von Agent Valjean haben wir kaum Informationen und müssen raten, wo wir die Zentrale finden sollen. Ja, Captain Ataka?“
„Akira, wie war das doch gleich? Wir nehmen die Anlage, soweit es geht? Das bedeutet, wir säubern sie von Feindeinheiten, und was wir nicht erobern können soll die GRAF SPEE mit Bodenbeschuss vernichten. Richtig?“
„Richtig, Doitsu. Entweder wir erobern das Areal, oder wir vernichten alles. Die Bedrohung durch die Kronosier endet Morgen. Ein für alle Mal.“
„Normalerweise würde ich uns nicht den Hauch einer Chance einräumen“, sagte Megumi leise. „Aber solange du das Kommando hast, Akira, werden wir es schon irgendwie schaffen.“
Applaus erklang, der schnell zu einem wahren Gewitter wurde.
Ich ließ es stoisch über mich ergehen, ohne eine Miene zu verziehen.
„Dann los. Treffen wir die letzten Vorbereitungen. Und treten wir ein paar Kronosiern in den Arsch!“

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Angry Eagles

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4.
„Sir“, meldete Sakura und salutierte auf dem kleinen Hilfsbildschirm. „Der Verband ist in Waffenreichweite von Deimos. Passivortung meldet drei November, fünf Foxtrott und eine Sierra.“
„Schleichfahrt aufheben. Gefechtsalarm für alle Schiffe. Mechas zum ausschleusen vorbereiten. Wir greifen an.“
„Verstanden, Sir.“
Kurz darauf begannen sämtliche Sirenen an Bord aufzuheulen, während ein spürbarer Ruck durch die GRAF SPEE ging, als wir auf Gefechtsgeschwindigkeit beschleunigten.
„Gefechtsalarm! Gefechtsalarm!“, kam Kei Takaharas ruhige und sonore Stimme über die Lautsprecher. „Alle Mann auf ihre Posten. Klar bei Torpedos, klar bei Mecha-Hangar.“
Ich hielt für einen Moment den Atem an. So einfach war es also, aus ein paar Oberstufenschülern Soldaten zu machen.
Als mein Mecha anruckte, wusste, ich, es war soweit für mich, ausgeschleust zu werden. Die Luke unter mir öffnete sich und Prime fiel auf das Katapult herab. Zwanzig Meter neben mir wusste ich ein baugleiches Katapult, auf dem in diesem Moment Lady Death stand.
„Colonel Otomo in Prime Lightning, klar zum Start.“
„Hangarkontrolle, hier Hangarkontrolle. Wir warten auf Freigabe. Machen Sie denen tüchtig Feuer unter dem Hintern, wenn Sie raus gehen, Sir.“
„Das werde ich, Petty Officer“, versprach ich.
„Startfreigabe. Katapult klar. Drei… zwei… eins… Guten Flug!“
Übergangslos wurde der Mecha beschleunigt, ich selbst in meine Gurte getrieben. Als ich aus dem Bug des Kreuzers schoss, geriet ich mitten in ein energetisches Chaos. Alle vier Schiffe schossen bereits und füllten das Vakuum über dem Marsorbit mit Tod und Verderben. Die feindliche Wachflotte war kalt erwischt worden. Mein Bordcomputer erkannte bereits eine brennende Korvette der Foxtrott-Klasse, die langsam in Richtung Mars trudelte.
Nun begannen erste Mechas von Deimos und aus den Schiffen aufzusteigen.
Ich lächelte dünn. Genau das, was ich jetzt brauchte.

„Hergehört, Prime-Bataillon! Wir stoßen direkt durch und nehmen die Werft. Death-Bataillon deckt den Anflug der Infanterie und Guardian schützt die Flotte.“ Ich ging auf volle Geschwindigkeit, die Herkules-Klingen zum Schlag bereit.
Neben mir tauchte Lady Death auf.
„Was dagegen, wenn ich dich ein Stück begleite? Früher oder später muß ich mich ja doch mit den Mechas balgen, wenn ich einen Korridor für die Infanterie schaffen soll“, funkte sie herüber. Die Artemis-Lanze in ihrer Hand deutete auf die Verteidiger.
„Sei mein Gast, Megumi-chan. Aber lass mir auch was übrig.“
„Seit wann gibst du dich mit Resten zufrieden?“, neckte sie mich und beschleunigte Lady Death ein wenig mehr.
„Du bist mir ja ein Biest“, erwiderte ich und zog mit ihr gleich.
Ich war kaum in Raketenreichweite, als ich eine erste eigene Salve abschoss. Zugleich registrierte Prime über vierzig Raketen des Gegners, die auf mich zugeschossen kamen.
Ich zog seitlich davon, dreiundzwanzig hielten den Kurs auf mich. Als sie nahe genug waren um visuell erfasst zu werden, markierte ich sie mit einigen schnellen Blicken. Kurz darauf trat der Abwehrlaser in Aktion und vernichtete neunzehn von ihnen. Die letzten vier schlugen ein, brachten den Mecha aber kaum zum zittern.
„Nicht schlecht, die neue Panzerung. Für dich immer nur das Beste, was?“, scherzte Megumi.
Ich sah dabei zu, wie sie die Feindreihe erreichte und mit ihrer Klinge einen Daishi Beta quer teilte. Einen anderen ergriff sie am Sensorkopf, zerquetschte diesen, riss ihn ab und trieb danach den Stab ihrer Lanze in die entstandene Bresche. Kurz darauf taumelten zwei Wracks um Deimos herum.
„Lady Death hat den ersten Abschuss in diesem Gefecht erzielt“, meldete ich, „wenn man mal von einer brennenden Korvette absieht.“
„Registriert, Sir. Wann ziehen Sie nach?“
Ich wurde von einem Pulk Betas angegriffen. Sieben, acht, neun. Abfällig grinste ich. Anscheinend kannten sie den weißen Mecha nicht und wussten nicht, was er drauf hatte.
Ich ging in eine Fassrolle, um ihrem Beschuss auszuweichen, nahm mehrere G an Fliehkräften hin, als ich einer geschlossenen Wand aus Raketen auswich und war dann an ihrer Linie. Bereits beim Einflug in ihren Pulk vernichtete ich den ersten Beta. Ein zweiter folgte, als ich die rechte Klinge an der Hüfte von Prime vorbei nach hinten stieß und ihm den Rücken durchbohrte.
Mit einem Ruck riss ich die Klinge wieder heraus. Hydraulikflüssigkeit sprühte wie Blut aus der Wunde.
Ich ließ Prime wieder abtauchen, entging so erneutem Beschuss, der nun die eigenen Kameraden traf, zog wieder hoch und teilte einen weiteren Mecha längs.
Kurz verharrte ich. Ich hatte getötet. Definitiv hatte ich getötet. Aber warum?
„AKIRA!“, gellte Megumis Ruf auf. Ihr Mecha huschte heran und fing einen Gamma ab, der sich von schräg oben hatte auf mich stürzen wollen. „Träumst du, oder was? Hast du Todessehnsucht?“
„Danke“, hauchte ich und glitt um Lady Death herum, kam hoch und trieb beide Herkules-Klingen in den Gamma. Er verging in einer spektakulären Explosion.
„Na also, geht doch.“
Lady Death fuhr zu mir auf. Die Hand des Hawks berührte den Torso meines Mechas.
Sie wollte eine Standleitung.
Wir etablierten eine Kurzstreckenverbindung, während um uns herum die Schlacht erst richtig begann.
„Du störst!“, blaffte ich und schoss einen gegnerischen Alpha mit einer Herkulesschwertaufladung ab.

„Was ist los, Akira?“, erklang ihre Stimme über die Direktverbindung. „Normalerweise hättest du mit denen doch den Boden aufgewischt. Warum hast du gestockt?“
„Warum hast du auf mich aufgepasst?“, fragte ich.
„Das weißt du doch, du Blödmann“, erwiderte sie mit Verlegenheit in der Stimme.
„Ich…“, begann ich leise, „ich musste nur gerade daran denken, dass ich getötet habe.“
„Und? Was machen wir anderes seit über drei Jahren? Komm drüber hinweg und mach dir bewusst, warum du es tust. Dann fällt dir der Kampf gleich wieder leichter.“
„Warum… Warum ich es tue?“, fragte ich zurück. Diese Anweisung kam mir bekannt vor.
Unsere Verbindung wurde brutal unterbrochen, als wir beide instinktiv auseinander drifteten, als ein Beta keine zwanzig Meter von uns entfernt explodierte.
„Was macht Ihr da? Zielscheibe spielen?“, blaffte Makoto. „Flirten könnt Ihr nach der Schlacht.“
Wütend trieb ich Prime zurück in den Angriff. Nur zu deutlich wurde mir bewusst, dass ich beinahe mein Leben, nein, die ganze Operation gefährdet hätte.
Schnell schloss ich zum Prime-Bataillon auf und setzte mich verbissen an die Spitze. Vor uns verging eine Fregatte in den Explosionen von vier gleichzeitigen Torpedotreffern.

„Lady Death hier. Die Infanteriegondel beginnt mit dem Anflug. Colonel, säubern Sie den Vektor.“
„Roger.“ Ich orientierte mich kurz in Richtung Deimos. „Prime Alpha, hergehört. Wir gehen einmal durch die Werft. Schießt auf alles, was wie eine Geschützstellung oder ein Daishi aussieht.“
„Verstanden!“
Mit mir an der Spitze fuhren wir auf den Mond herab. Neben mir wurde ein Hawk von Abwehrfeuer getroffen und musste abdrehen, während ich den Beschuss auskurvte und meinerseits mit Raketen antwortete. „Flak ausgeschaltet“, meldete ich lapidar.
Da war ich aber schon heran und schoss durch die gerippeartigen Halte- und Wartungsklammern der Werft. Wow. Das Ding war wirklich riesig. Ich war nicht sicher, ob ich das Monster kennen lernen wollte, das hier fest machen sollte. Oder die Monster.
Dieser Gedanke ließ mich erschaudern.
„GRAF SPEE hier. Wir drängen die Feindschiffe von Deimos ab. Ich wiederhole, wir drängen die Feindschiffe von Deimos ab.“
„Gute Arbeit, Kapitän Ino. Aber lassen Sie den Sierra nicht entkommen. Er muß entweder zerstört werden oder sich ergeben.“
Über mir wurde multiple Explosionen von Torpedos und Raketen angezeigt, dazu der Beschuss der schweren Partikelwaffen der GRAF SPEE.
„Etwas in der Art, Akira-chan?“, hörte ich die amüsierte Stimme meiner Cousine.
„Ja, etwas in der Art“, bestätigte ich grinsend.

„Infanteriegondel koppelt an. Wir sprengen die Innere Luke. Kein Widerstand. Wir rücken ein.“
Ich wirbelte um ein Gestänge herum, während mich eine weitere Flak beschoss. Dabei bemerkte ich, dass sie das eigentliche Gelände der Werft nicht beschießen konnte. Das besiegelte das Ende der Stellung. Währenddessen hörte ich gespannt den Berichten von Blondie zu.
„Vereinzelt Widerstand. Nur Handwaffen, keine automatischen Waffen.“
„Gehen Sie kein Risiko ein! Nehmen Sie die Reaktoren ein, die Steuerräume. Und die Depots. Alles, was benutzt werden kann, um Ihnen die Werft um die Ohren fliegen zu lassen, O´Hara.“
„Verstanden, Colonel. Wir rücken weiter vor. Jordan, Vorsicht!“
„Alles klar bei Ihnen?“
„Ja, Colonel, und ich weiß jetzt, was die leichte Raumrüstung wirklich alles aushält. Nicht schlecht die Teile.“
„Freut mich zu hören, O´Hara“, schmunzelte ich.
Ich verließ die Werft wieder, wollte zurück in die Schlacht. „Kann mir mal jemand ein Ziel geben?“
„Du kommst zu spät, Akira. Eine November und zwei Foxtrott befinden sich auf dem Rückzug. Ansonsten haben wir alles vernichtet oder der Gegner hat sich ergeben.“
„Sir, auch in der Werft will man sich ergeben. Was soll ich tun?“
Ich dachte einen Moment nach. „Nehmen. Wer eine Waffe auf Sie richtet ist tot. Die Ziele bleiben bestehen. Lassen Sie sich nicht einlullen und packen Sie die Leute, die sich ergeben wollen, ruhig etwas grob an. Besser als ein Messer in den Rücken zu bekommen.“
„Verstanden, Sir.“

Suchend ließ ich den Mecha um die eigene Achse wirbeln. „Kein einziges Ziel mehr? Nicht mal ein kleines?“
„Nein, wir scheinen alle erwischt zu haben“, meldete sich Daisuke Honda leise zu Wort. „Meine Guardians bekamen nicht mal was zu tun.“
„Wir warten alle nur noch auf die Werft“, kommentierte Makoto leise.
Die nächsten Minuten vergingen mit Erfolgsmeldung auf Erfolgsmeldung.
„Sir, hier O´Hara. Wir haben die Werft eingenommen, ich wiederhole, wir haben die Werft eingenommen. Keine eigenen Verluste.“
Auf den Frequenzen klang lauter Jubel auf.
Ich ließ sie ein paar Sekunden zelebrieren. „Okay, das war der einfache Teil. KAZE, nehmen Sie Ihre Position ein. Hawk Charly, Hawk Ecco, Eagle Bravo, Sparrow Delta, neu ausrüsten und wenn nötig an Bord der KAZE reparieren. Delta-Kompanie, sollen wir eventuell Gefangene aus der Werft übernehmen?“
„Nein, Sir, die Anlage ist vollautomatisch. Wir haben neunzehn Gefangene gemacht, suchen nach weiteren. Mit denen werden wir fertig.“
„Verstanden. GRAF SPEE, wir schleusen wieder ein. Zurück an Bord. Das Aufwärmen ist vorbei.“
„Roger!“, hallte es mir entgegen.

5.
Wir verließen den Hangar gar nicht erst. Es war nur eine Stunde, bis wir in Position für einen Angriff auf den Nyx Olympus kamen. Wir nutzten die Zeit für Toilettengänge, einen heißen Kaffee oder einen schnellen Snack.
Ich unterhielt mich mit einigen Leuten aus meiner Kompanie, als mir jemand eine Hand auf die Schulter legte.
Ich sah auf. „Major Uno.“
„Sir, haben Sie einen Moment für mich?“
Ich nickte. „Natürlich, Major.“
Ich erhob mich und folgte ihr. Wir verließen den Hangar. In einem Erste Hilfe-Raum stoppte sie, wartete bis ich eingetreten war und schloss die Tür.
Bevor ich fragen konnte, was sie damit bezweckte, hatte sie mich bereits umarmt. Ich spürte ihr Zittern. „Verdammt, Akira“, hauchte sie, „wie konntest du mir das antun? Wie konntest du mich so erschrecken? Ich dachte, du stirbst! Ich dachte, ich verliere dich.“
Sie sah mir in die Augen. Tränen standen darin. „Akira, du…“
Langsam beugte ich mich vor und küsste sie. „Ich kann dich doch nicht allein lassen, Megumi-chan“, hauchte ich.
Wir wechselten einen schnellen Blick. Dann drängte sie ihren warmen Körper enger an mich. Ich nestelte an ihrem Kragenverschluss.
„Leute, ich weiß nicht, was Ihr da drin gerade tut“, erklang Makotos Stimme, „aber hebt es euch für später auf. X minus zwanzig Minuten.“
„Danke, Mako-chan“, sagte ich mit rauer Stimme.
„Mist, das ist unser Zeichen. Hättest du mich nicht früher holen können?“, murrte ich lächelnd.
„Fünf Minuten früher hätten eh nicht gereicht. Außerdem hätte ich dir da lieber eine geohrfeigt als einen Kuss gegeben“, erwiderte sie und drückte sich wieder an mich. „Ich hatte solche Angst um dich.“
Diese Augen. Dieser Blick. „Megumi, wegen meinem Geburtstag, ich…“
„Nein, sag es nicht. Nicht jetzt und nicht hier. Wenn wir überleben… Falls wir überleben, gebe ich dir eine Antwort, ja?“
„Kommt Ihr jetzt oder soll ich beim anziehen helfen?“, fragte Makoto. Ich glaubte, sein Grinsen durch die Tür sehen zu können.
Nur zögernd löste sie sich von mir. Als sie sich von mir entfernte, schien mir jeder Meter wie eine ganze Meile zu sein. Jeder Schritt machte sie ein wenig unerreichbarer für mich.
Sie öffnete die Tür, tätschelte Makoto die Wange und sagte: „Nicht neidisch sein, Mako-chan. Für dich backen wir auch noch eine.“
Mein Cousin starrte ihr nach und kratzte sich am Haaransatz. „Eieieieieiei.“
„Soll ich ihr sagen, dass du was mit Joan hattest?“, fragte ich amüsiert.
Erschrocken fuhr Makoto zusammen. „Woher weißt du das denn schon wieder?“
„Kumpel“, erwiderte ich grinsend. „Du magst sie im Bett gehabt haben, aber mir schüttet sie ihr Herz aus. Übrigens sehr dumme Idee, sie abzuservieren.“
Makoto schnaubte abfällig. „Was weißt du schon? Du kriegst doch noch jede Beziehung hin und brichst Frauenherzen im Akkord. Außerdem, denkst du ich habe Lust, als Joan Reilleys Spielzeugfreund Karrierer zu machen? Auuuuu!“
„Ich lass dich aus dem Schwitzkasten und höre auf deinen Kopf zu malträtieren, Mako-chan, wenn du das mit den Beziehungen und den Frauenherzen im Akkord zurücknimmst!“
„Ist ja gut. Was immer du sagst. Brutaler Kerl.“
Wütend rieb er sich den Schädel, nachdem ich ihn los gelassen hatte.
„Sei froh, dass du so glimpflich davon gekommen bist. Und sei nicht so dumm, Mako-chan…“
„Das war ein einmaliger Ausrutscher“, konterte er. „Das sollte einem wie mir vollkommen reichen.“
„Einem wie dir?“, fragte ich und ging neben ihm her zurück in den Hangar.
„Einem niedlichen Spielzeug wie mir“, erwiderte Mako leise.
„Und das sagt der beste Eagle-Pilot der ganzen UEMF. Idiot!“, blaffte ich.
„Was denn? Ist ja nicht gerade so, als würde sie was für mich empfinden, oder?“, blaffte Makoto wütend. Da hatten wir aber schon den Hangar betreten und seine Worte verstärkten sich durch den Hall entsprechend.
Hunderte Augen ruhten auf uns. Makoto sah trotzig zur Seite.

„Aki-chan?“, erklang hinter mir eine vertraute Stimme. Ich wandte mich um und erkannte Joan. „Aki-chan. Ich wollte dir nur sagen, ich sorge dafür, dass Kitsune sich nicht in dein Cockpit schmuggeln kann“, sagte sie amüsiert und präsentierte mir einen zornigen Fuchs, der an ihrer Hand am Nackenfell hing. „Und außerdem wollte ich dir viel Glück wünschen. Wir sehen uns da unten.“
„Danke, Joan. Dir und deinen Leuten ebenfalls viel Glück.“ Wir lächelten einander zu.
„Und was dich angeht, Herr Anziehpuppe“, sagte sie in Richtung Makoto gewandt, der mir daraufhin einen viel sagenden und mürrischen Blick zuwarf.
„Du machst deinem Cousin gerade alle Ehre. Er ist auch zu dumm, um die Gefühle einer Frau zu sehen.“ Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und ging.
„Bis nachher, Akira-chan“, rief der Fuchs.
Mit offenem Mund starrte Mako ihr hinterher. „Wa-wa-was soll das heißen?“, stammelte er.
„Das musst du schon selbst herausfinden“, lachte ich. „Warum soll es dir besser gehen als mir, eh?“
**
Die Statusdaten kamen herein. Die GRAF SPEE befand sich im Ferngefecht mit zwei gegnerischen ZULU-Schlachtkreuzern. Die einzigen Schiffe, die eine ausreichende Langstreckenbewaffnung hatten. Darüber hinaus erwarteten uns noch fünf November, drei Sierra und drei ungetarnte Foxtrott-Korvetten. Weitere fünf vermuteten wir. Dazu kamen die fünf heimkehrenden Schiffe, die als ein ZULU und vier November identifiziert worden waren. Avisierte Ankunftszeit fünf Stunden. Bis dahin mussten wir hier fertig sein und nach Möglichkeit überlebt haben.
„Wir testen jetzt die Hauptwaffe“, meldete Kapitän Garcia von der YAMATO.
Das große Frontschild, welches die Waffe bisher getarnt hatte, wurde gesenkt. Ein gigantischer Partikelprojektor wurde sichtbar. Ich war sehr gespannt, ob die Waffe, ursprünglich in einem ZULU eingebaut, funktionieren würde, ohne die Fregatte zu vernichten. Theoretisch ja.
Als der Feuerstoß kam, gingen alle Systeme an Bord der YAMATO für mehrere bange Sekunden auf Notstrom.
Dem gegenüber stand ein Volltreffer auf einem Sierra, der selbst über diese Distanz bereits schwer beschädigt wurde.
„Wow“, kommentierte ich. „Wow.“

„ACHTUNG! Wir erreichen den Abwurfpunkt! Bereit machen!“
Kurz darauf stand Prime wieder auf dem Katapult.
„Bereit, Sir?“
„Colonel Otomo in Prime Lightning, bereit zum Start.“
„Okay, X minus fünf Sekunden. Diesmal hätte ich gerne drei Abschüsse für mich, Colonel.“
„Ich denke an Sie, Petty Officer.“ „Eins… Los!“
Wieder wurde ich vom Katapultstart in die Gurte gedrängt. Doch diesmal wagten wir keinen schnellen Angriff. Stattdessen sammelten wir uns Bataillonsweise und warteten auf die Infanterietender.
Die LOS ANGELES sank neben uns tiefer in die Atmosphäre hinab und gab Wirkungsfeuer auf die erkannten Stellungen am Berg Olympus ab.
„Wir sind komplett“, hörte ich Megumi sagen.
„Hier ebenso“, erklang Joans Stimme.
„Na, dann lasst uns etwas Spaß haben.“

Diesmal wurde der Anflug wesentlich gefährlicher. Bisher hatten wir Glück gehabt, viel zu viel Glück. Dass es damit vorbei war, bewies das dichte Flakfeuer. Zwar nahm die LOS ANGELES jede erkannte Stellung unter Feuer, hatte aber selbst eine Menge damit zu tun, anfliegenden Antischiffsraketen abzuschießen. Lange konnte es uns keinen Feuerschutz mehr geben, wenn das Schiff der MIDWAY-Klasse überleben wollte.
Hinter mir verging der erste Hawk nach einem Volltreffer in einem Feuerball.
„Für alles, was wir empfangen“, presste ich wütend zwischen den Zähnen hervor, „will ich dankbar sein. Und es dreifach zurückgeben.“
Erneut verschwand ein Hawk aus der Aufstellung, dann noch einer.
Die Höhe schien sich nur zögerlich reduzieren zu wollen und es schien mir, als würden wir für jeden Meter einen Mecha verlieren.
Dann hörte das Feuer urplötzlich auf und in der Flanke tauchten Daishis auf. Diese Idioten. Sie gaben uns tatsächlich eine so gute Chance.
„Jetzt durchbrechen!“, blaffte ich, und drückte Prime hart nach unten.
Hinter und neben mir feuerten die anderen Hawks ihre Hauptdüsen, während die angreifenden Daishis von den nachfolgenden Eagles unter Feuer genommen wurden.
„Akira!“, rief Daisuke. „Die Kronosier bereiten etwas zum Abschuss vor!“
„Gib mir ein Bild!“, erwiderte ich.
Die visuelle Erfassung kam und zeigte eine Art Rakete mit einem Kopf, der mir nur zu bekannt vorkam.
Flakfeuer setzte wieder ein und ich warf meinen Mecha in einen Ausweichkurs.
„Sieht nach einen Temporalresonator aus.“
„Nach einem unfertigen“, ergänzte Megumi.
„Okay, dann tun wir ihnen doch den Gefallen“, bestimmte ich, während hinter mir zwei weitere meiner Hawks getroffen wurden. „Wir stellen uns tot, sobald das Ding ein Resonanzfeld aufbaut.“
„Glücksspieler“, murrte Makoto.

Noch ein Kilometer. Ein simpler, einfacher Kilometer.
Die Rakete wurde abgeschossen und tatsächlich baute der Vorbau ein Feld auf. Wir rasten mitten hinein.
„Ruhig jetzt“, sagte ich leise.
Nach und nach erlosch das Flakfeuer, während wir wie Steine zu Boden fielen. Ich hoffte nur, dass die Kronosier nicht auf den Gedanken kamen, ausgerechnet jetzt auf die uns nachfolgenden Infanteriependler zu feuern.
Noch immer wurden einzelne Mechas beschädigt, aber dann war das Abwehrfeuer ganz verstummt.
Ein halber Kilometer. „Diese Säcke. Lehnen sich zurück und sehen und dabei zu, wie wir abstürzen.“
„Akira, die Sonde steigt weiter. Ihr Ziel wird wohl die Raumschlacht sein“, informierte Makoto mich.
„Das wird ihnen Spaß machen“, erwiderte ich amüsiert. Dreihundert Meter. Zweihundert!
„JETZT! YOHKO, LOS!“
„Du sollst mich doch Lilian nennen“, erwiderte meine Schwester.
Ihre Sparrows, verließen die Deckschatten der Hawks und nutzten ihr geringeres Gewicht und höhere Beschleunigungsrate, um schneller auf den Boden zu kommen. Das erste Bombardement der dreißig Sparrows richtete furchtbares unter den Verteidigern an.
Gleichzeitig teilten wir uns auf. Die Eagles übernahmen den Oberflächenschutz unter Deckung einiger Hawks, während der Rest mit der Infanterie und den Sparrows tiefer gehen würde.
Ich setzte meinen Mecha auf, ließ ihn herum fahren und feuerte eine Salve Raketen auf einen Flakpanzer ab. Soldaten spritzten vor mir auseinander.
„Die haben heute sicher einen verdammt schlechten Tag, was, Prime?“
„In der Tat, Colonel. Entschuldigen Sie, dass ich es nicht bedaure.“
„Seit wann bist du zu Sarkasmus fähig?“, fragte ich und warf den Mecha in einen Sturmlauf auf eine Gruppe Kampfpanzer zu.
Hinter und neben mir erklangen schwere Explosionen. Wir waren da. Und wir würden nicht so schnell wieder gehen.
„Ich habe einiges von Ihnen gelernt, Sir. Vorsicht, da müsste ein Eingang in die unterirdischen Anlagen sein.“
„Wo?“, rief ich noch, als ich bereits die Steuerdüsen anschalten musste. Unter mir gähnte die Leere, es ging mehrere hundert Meter in die Tiefe. Ich schätzte das Becken auf vierhundert Meter Tiefe und einen Durchmesser von drei Kilometern. Hier war also der große Brocken von Phobos herunter gekommen, oder zumindest ein Teil. Ich erschauerte, als ich mir die Gewalt der damaligen Explosion ins Gedächtnis rief.
„Die Klippe hinab, Sir.“
Ich ließ Blue fallen und entdeckte tatsächlich einen Zugang. Er war durch ein großes Tor abgesichert.
„Die Kronosier werden einen Großteil des Einschlags mit Hilfe ihrer Schirmtechnologie abgefangen haben. Aber nicht alles“, ging es mir durch den Kopf.
Noch eine Frage. Warum war das Gelände gegen unseren Angriff nicht mit einem Schirm geschützt worden? Vor drei Jahren hatten wir sie kalt erwischt. Aber diesmal? Hatten sie die Schirme vielleicht nicht mehr?
Prime trat einmal zu, zweimal, dreimal. Dann brach das schwere Tor seitlich ein wenig weg. Ich verkeilte die Hände des Mechas in dem entstandenen Spalt und riss beide Flügel schließlich auf. Weit genug, um hinein zu gelangen.
Ein Tunnel, hoch genug für einen Daishi, offenbarte sich mir und eilig betrat ich ihn.
Nur um in eine kleine Kaverne zu gelangen, in der Infanterie und Panzer eindringende Sparrows unter Feuer nahmen. Ebenso Infanterie. Waren die Tender endlich gelandet? Nur um sofort in so eine Scheiße zu geraten?
Ich zögerte nicht lange und begann den Gegner unter Feuer zu nehmen. Für Skrupel war später noch Zeit und wenn sie ihren Rücken nicht decken konnte, war das absolut nicht meine Schuld.
Die Herkules-Schwerter fuhren nieder und zerschnitten zwei Panzer, während die Infanterie entweder so schnell lief wie sie konnte, oder versuchte mobile Raketen auf mich abzufeuern. Aber es half nichts, diese Linie war durchbrochen.

„Wurde auch Zeit, dass du kommst, Aki-chan“, hörte ich Joans ruhige Stimme über Funk.
„Tut mir Leid, ich musste erst mal dreihundert Meter tief fallen.“
„Ausreden hat der Mann“, tadelte sie mich.
Ich orientierte mich kurz. „Der Tunnel da scheint abwärts zu führen. Den sollten wir nehmen.“
„Was ist mit dem, aus dem du kommst?“, fragte sie.
„Negativ. Der führt nach draußen.“ Ich setzte meinen Mecha in Bewegung. „Blue Lightning hier. Wie sieht es aus?“
„Sir, Guardian hier. Wir haben fünf der sieben Zugänge aus der provisorischen Karte entdeckt und dringen in sie vor. Dazu kommen drei weitere, die wir nur gefunden haben, weil die Infanterie sich dorthin zurückzieht. Wir haben leichte Verluste, halten aber bereits vier Zugänge.“
„Gut, Daisuke, weiter vorrücken. Sind alle Tender gut angekommen?“
„Alle haben sicher aufgesetzt. Aber von der Flotte kommen Daishis runter. Anscheinend, um hier auszuhelfen. Ich lasse zwei Kompanien Hawks für die Eagles hier, bevor ich nachkomme.“
„Verstanden. Ich dringe tiefer in die Anlage ein.“

Wir folgten dem Tunnel, immer wieder beschossen von den sich zurückziehenden Infanteristen. Aber drei oder vier Raketen waren kein Problem für meine Raketenabwehr.
„Wie weit sind wir schon rein gegangen?“, wollte Joan wissen.
„Wir folgen dem Tunnel seit einem halben Kilometer. Er hat jetzt eine Tiefe von fünfhundert Metern erreicht“, informierte ich sie.
„War mir doch gleich so, dass das Ding ein ordentliches Gefälle hat“, kommentierte sie.
Gefälle war gut. Das Ding erinnerte eigentlich mehr an eine Rutsche.
Als wir die Sohle erreichten, ich vorweg, erstarrte ich einen Augenblick. „Verdammte Scheiße!“
„Du sagst es, Aki-chan“, hauchte Joan.
Vor uns breitete sich eine riesige Kaverne aus, die gut und gerne fünf Kilometer durchmaß. Ich schluckte heftig, als ich den gigantischen Industriekomplex sah, der sie erfüllte. Und die sich langsam formierende Abwehrlinie.
„Blue Lightning hier! Mako, komm runter und bring ein paar Eagles mit. Alle verfügbaren Streitkräfte sollen zu meiner Position kommen. Das Geplänkel ist vorbei. Jetzt haben wir einen wirklichen Gegner.“
„Bin unterwegs“, meldete Makoto.
Hinter mir drängten Sparrows und Infanterie aus dem Tunnel.
Und vor uns bildeten Daishi Alpha, Beta und mehr als fünfzig Panzer zusammen mit an die tausend Infanteristen eine Verteidigungsstellung.
„Da durch zu kommen wird hart“, hauchte ich.

Plötzlich geschahen mehrere Dinge zugleich. Eine Horde Infanterie raste auf uns zu. Sie waren schnell – zu schnell für normale Menschen, selbst wenn man die geringere Schwerkraft des Mars berücksichtigte. Verbesserte? Cyborgs? Ich feuerte eine Raketensalve nach ihnen ab, aber die meisten konnten ausweichen.
„Geh mit den Großen spielen, Aki-chan, und überlass mir die hier, ja?“, hörte ich Joan rufen.
„Ist gut!“, erwiderte ich und setzte mich in Bewegung, passierte die angreifenden Infanteristen. Ein Fehler, denn auf so eine Eröffnung schienen sie nur gewartet zu haben.
Mehrere von ihnen schnellten sich auf meinen Mecha. Ich warf Prime herum, schüttelte einige von ihnen wieder ab. Einer erschien vor meinem Cockpit und starrte mich hasserfüllt an. Dann platzierte er eine Sprengladung und grinste überlegen.
Als diese Hand in seinen Nacken griff und in die Tiefe warf, grinste er nicht mehr. Die Haftladung folgte kurz darauf und für einen kurzen Moment grinste Joan zu mir herein.
Kurz darauf sprang sie wieder davon, widmete sich dem nächsten Gegner, während sich ihre Infanterie um die anderen Angreifer kümmerte.

Dies war der Moment für die zweite Angriffswelle. Mehrere Youmas stiegen aus den Reihen des Gegners auf und fuhren auf uns herab. Ich lud meine Klingen mit KI auf, zerteilte einen, spießte einen zweiten auf und sah mich mit einem dritten konfrontiert.
Ich schoss Raketen ab, aber er wich aus.
Da fuhr ein Herkules-Schwert hernieder und zerstörte den Youma. KI! Die Waffe hatte vor KI nur so geleuchtet!
„Entschuldige die Verspätung“, rief Doitsu über Funk, „aber es hat etwas gedauert, bis ich einen Zugang hierher gefunden habe. Das ist also das Herz?“
„So ist es, Kumpel. Und das war erst der Anfang!“
Weitere Youmas tauchten auf, weitere verbesserte Infanteristen verließen die Schlachtreihe.
Ein Blitz zischte an meinem Mecha vorbei und traf den vordersten Youma.
„Kümmere dich um die Mechas. Wir erledigen die Youmas!“, hörte ich Hina rufen.
„Gut, Blue Slayer. Weiter vorrücken!“

„Na, wenn das mal nicht der Fliegerjunge ist. Lange nicht gesehen. Colonel Akira Otomo“, hörte ich eine Stimme über den offenen Funk, die mir kurz das Herz stocken ließ.
„Taylor.“
„Legat Taylor, bitte. Du bist nicht der einzige, der sich hochgearbeitet hat.“
Ein mir unbekannter Daishi-Typ trat vor die Verteidigungslinie. „Wie wäre es mit einem Kampf? Nur du und ich, hm?“
„Hör nicht auf ihn!“, blaffte Megumi, ließ Lady Death an mir vorbei fliegen und griff einen heranrasenden Beta an. „Er will dich nur ablenken!“
„Jetzt wirst du ungerecht, Megumi-Schätzchen“, beschwerte sich der Daishi-Pilot. „Außerdem weiß ich genau, dass sich Akira nichts sehnlicher wünscht. Wie ist es? Du in Primus und ich im Daishi Epsilon?“
Als Antwort löste ich eine volle Salve meiner Raketen aus.
Dies war das Zeichen für alle, anzugreifen. Wir rückten vor und kurz darauf vermischten sich beide Linien zu einem wilden Gemenge.
Ich versuchte an Taylor heran zu kommen, aber mehrere Daishis bildeten einen Schutzwall für ihn.
„Taylor!“, rief ich. „Ich dachte, du willst ein Duell!“
„Nun hetz doch nicht so. Willst du eine Führung, bis du die Daishis vor dir überwunden hast? Was du hier siehst, ist Martian Village. Der größte und bestentwickelte Industriekomplex des Mars. Hier finden übrigens auch die Experimente mit Ki-Energie statt. Ach, wenn man vom Teufel spricht, guck mal, da kommt er ja. Unser Chefdämon.“

Zwischen den Häusern erschien ein schwebender Mann. Auf den ersten Blick schien er Japaner zu sein, nur verdammt alt. Eine strahlende Aura umgab ihn, die mit einer Art Nabelschnur mit einer weiteren strahlenden Aura inmitten der Stadt verbunden war.
„Das ist Juichiro Tora, ein fünfhundert Jahre alter Magier. Na, so nennt er sich halt heute. Ihm verdanken wir unsere überragende KI-Technologie. Gut, sie ist noch experimentell und wird nicht in Serie produziert. Aber siehst du, wie er einen Youma nach dem anderen erschafft? Damit haben deine Slayer ganz schön zu kauen. Er ist direkt mit dem Hauptspeicher verbunden. Deine sechs Freundinnen können ihn nie besiegen.“
„Du Bastard!“, blaffte ich und bahnte mir einen Weg durch die Reihen der Gegner.
„Schön, dass du mir folgen kannst.“
„Akari, was hast du?“, hörte ich Akanes besorgte Stimme. „Akari?“
„D-das… MEISTER! Das ist der Mann, der… Der Mann, der mich vergiftet hat. Aber wie ist das möglich? Wie ist das möglich?“
Statt eine Antwort zu bekommen, entließ der Magier einen Energieblitz, der mitten unter die Infanterie fuhr, welche die Slayer bisher beschützt hatte. Youmas drängten einher, aber Okame warf sich in seiner Wolfsgestalt mitten unter sie und hielt ein furchtbares Gericht ab.
Auch Kitsune sauste herbei, größer, stärker, mit grausamen Fängen und Krallen bewehrt. Aber sie verschafften den Slayern nur etwas Luft.
„Die kannst du abschreiben. Und wenn Tora mit denen fertig ist, dann folgen deine Mechas und deine Infanterie.“

„Du elender Bastard!“, hörte ich Makoto rufen. Rund um den Epsilon entstanden Explosionen.
„Oh, Major Ino. Schön, dass Sie auch kommen konnten. Sag, Fliegerjunge, ist dein Schwesterherz, das ich dir zurück geschickt habe, auch da? Gefällt dir ihr neuer Look?“
Wütend trieb ich meinen Mecha voran.
„MAMORU!“, hörte ich einen Ruf hinter mir. Und bekam noch mit, wie ein Arm aus einem Leib an Cyborgs hervor ragte. Joan sprang herbei und riss den Gegner auseinander. Weite Infanteristen sprangen hinzu und sogar Kenjis Hawk nahm sich die Zeit, weitere Cyborgs für den Moment abzuwehren.
Wieder feuerte der Magier diesen Strahl auf die Slayer ab, scheiterte aber an einem Schutzfeld, dass Hina um sich und die Infanteristen aufgebaut hatte. Sie stemmte sich in die Waffe, aber es war abzusehen, dass sie irgendwann nachgeben musste. Was war sie schon gegen die Seelenkraft von hundert und mehr Menschen?
Hinter ihr lag Akari am Boden und zitterte. „Nein“, hörte ich sie hauchen. „Meister…“
Hinter mir wurde ein Sparrow schwer getroffen und fiel auf die Seite.
„Yohko!“, rief Makoto, warf seinen Eagle vor und feuerte auf zwei Alpha, die dem gestürzten Mecha zu nahe kamen.
„Nicht dran denken, Akira!“, blaffte Megumi neben mir. Lady Death zerteilte gerade einen Gegner. „Er führt uns immer tiefer in den Komplex, und um Yohko kümmern sich Mako und Yoshi!“
„In der Tat führe ich euch tiefer. Immerhin ist das eine Führung. Zu unserer Linken seht Ihr übrigens die neue Fabrik für Lichttorpedos. Wir brauchen noch ein paar Seelen dafür, aber Tora-kun ist zuversichtlich, dass einige von euch überleben werden. Rechts seht Ihr eine Fabrik für Alphas. Und hinter mir kommt das Legatenhaus in Sicht. Richtig, Fliegerjunge. Unsere Schaltzentrale. Willst du sie nicht angreifen? Den Kern unserer Verteidigung? Unser Zentrum? Komm, du musst nur an mir vorbei.“
„Was planst du Bastard?“
„Das!“, rief er und stürzte auf mich zu. Aus einer Nische zwischen den Gebäuden schoss ein Delta hervor, griff Lady Death an. Der Epsilon von Taylor zauberte eine Klinge hervor, die nicht nur aussah, wie ein Herkules-Schwert. Auch sie glühte weiß im KI.
Schnell verbissen wir uns in einem hektischen Nahkampf, während Megumi mit dem Angriff aus dem Hinterhalt zurecht kommen musste.
Der Delta feuerte aus nächster Nähe eine volle Raketensalve ab, die auf Lady Death einprasselte wie ein Schrappnellregen. Der Hawk erbebte unter den vielen Einschlägen und kippte dann in endlos wirkender Zeitlupe nach hinten.
„MEGUMI!“, rief ich entsetzt. Und erkannte zugleich meinen Fehler. Die Herkules-Klinge meines Gegners traf Primes Torso mittig und trat in die Panzerung ein.
Neben mir erhob sich der Daishi Delta drohend, trat vor und hob einen Fuß über Megumis Cockpit. Nein. Nein! NEIN!
Vor mir, auf Bauchhöhe tauchte die Spitze der Klinge auf, stieß tief herab.

Plötzlich spürte ich wieder diesen heftigen Herzschlag. Dachte, ich würde unendlich fallen. Vergehen und verwehen.
Und der Anblick meines Cockpits rückte fort, als würde man es davon zoomen.
Ein Flashback! Ausgerechnet jetzt!
Übergangslos stand ich in einem großen, licht erfüllten Raum.
Vor mir erschien dieses superdeformte Mädchen, dass mich… Natürlich, ja, warum hatte ich so lange nicht mehr daran gedacht? Dies war eine fiktive Welt, eine Animewelt, die extra geschaffen wurde, weil dieses kleine Ding da meine Worte als Wunsch fehl interpretiert hatte.
„Und? Hat es dir Spaß gemacht?“, fragte das blonde Ding und lächelte mich an.
„Was?“, fragte ich überrascht.
„Ob es dir Spaß gemacht hat? Ich meine ich hätte dich ja gerne noch etwas länger da drin gelassen, aber es sah ganz so aus, als würdest du grausam und unter Schmerzen sterben müssen. Da dachte ich mir…“
„Sterben? Megumi. Megumi! Ich muß zurück! Ich muß sie retten! Ich…“
„Hey, bist du noch ganz dicht? Das war eine Wunschwelt. Sagt dir das was? Außerdem was willst du noch in ihr? Es geht doch eh alles den Bach runter. Sie selbst.“
Übergangslos erschienen mehrere frei schwebende Bilder vor mir. Eines zeigte einen aufgelösten Yoshi, der versuchte, ein am Kopf verletztes Mädchen aus einem Sparrow zu ziehen, während zwei Beta angriffen.
Das nächste zeigte die Slayer, die versuchten, eine gemeinsame Abwehr gegen den Energiestrahl des Magiers aufzubauen.
Das nächste zeigte Joan, wie sie unter den angreifenden Cyborgs verschwand.
Und das letzte zeigte mich, wie die Klinge auf mich zu raste und mich zu töten drohte.

Nein, es zeigte nicht mich. Es zeigte Akira Otomo. Die Rolle, die ich dort gespielt hatte. Entsetzt rutschte ich auf den Boden. Ich hatte mich auf diese Welt eingelassen. Viel zu sehr. Viel zu sehr.
Weitere Bilder entstanden. Ein blutender Kei, der einen zornigen Befehl an seine Zentralebesatzung gab.
Kenji, der mit verzweifeltem Blick gegen zwei Gamma kämpfte. Doitsu, der sich mühsam mit seinem Herkules-Schwert zu mir und Megumi durch kämpfen wollte, aber kaum von der Stelle kam.
Und Megumi… Lady Death, deren Torso unter dem Tritt des Delta zertrümmert werden würde.
Ich begann zu zittern. „Ich kann doch nicht…“
„Keine Bange, keine Bange, deinen Kumpel Yoshi holen wir da auch noch raus. Wir löschen sein Gedächtnis, dann fällt es ihm alles nicht so schwer. Und wenn du willst, darfst du auch alles vergessen. Ich meine, einiges war sicher ganz schön. Aber die meiste Zeit war doch Schmerz, oder?“

Ich weinte und schämte mich meiner Tränen nicht. Bilder entstanden vor meinem geistigen Auge. Eikichi, wie er neben mir auf meinem Bett saß. Akari, die in meinen Mangas schmökerte.
Kei, der stolz ein paar Fake-Fotos hoch hielt.
Akane, die mit mir ein Duett sang.
Yoshi, wie er Nasenbluten bekam, nur weil er Megumis Slip gesehen hatte.
Sakura, wie sie Makoto zwang, einen Rock zu tragen.
Doitsu, gerade dabei, lächelnd seine Brille die Nase wieder hochzuschieben und damit einen seltsamen Reflex auslösend, der verdammt cool wirkte.
Kenji, der in mühevoller Kleinarbeit sein Bento zurecht machte.
Hina, die mit einem fröhlichen Lachen zur Schule ging.
Ami, wie sie beim Karate einem doppelt so schweren Mann fast ein paar Rippen brach.
Daisuke, wie er Sarah verstohlene Blicke zuwarf.
Sarah, wie sie Daisuke verstohlene Blicke zuwarf.
Mamoru, wie er mich wütend anstierte, nachdem wir uns am Strand gegenseitig den Verstand rausgeprügelt hatten.
Jerry, der stolz zu mir herüber sah.
Commander Sikorsky, der mich Sohn genannt hatte.
Yohko, die ich wirklich liebte wie eine Schwester.
Kitsune-chan und Okame, die so plötzlich in mein Leben getreten waren und die ich nicht missen wollte.
Und Megumi… Meine Megumi. Die dabei war zu sterben.

Ich erhob mich. „Bring mich zurück.“
Das superdeformte Mädchen sah mich erstaunt an. „Was, bitte? Du wirst sterben. Und entschuldige bitte, das wird endgültig sein. Wer will schon drauf gehen?“
„Bring mich zurück. Auch wenn es nur eine fiktive Welt ist. Sie ist es wert, dass man in ihr lebt. Und einen Menschen gibt es in ihr, der es wert ist, für ihn zu sterben…“
Die kleine Blonde schlug die Hände zusammen. „Na, meinetwegen. Dann erlebe halt mit, wie alles den Bach runter geht. Und – du kannst danach nicht mehr zurück.
Einmal ganz davon abgesehen, dass es sehr wehtun wird.“

Ohne jeden Übergang fand ich mich in meinem Cockpit wieder. Die Klinge sauste auf mich zu, brach meinen hastig aufgebauten KI-Widerstand und drang in meine Eingeweide.
Heißer Schmerz erfüllte mich. Aber das war noch nicht das Ende, schwor ich mir, als ich einen Schwall Blut ausspuckte.
„Wir sehen uns in der Hölle, Fliegerjunge!“, rief Taylor.
Ich warf ein Schwert ab, und ergriff die Klinge seiner Waffe. „Du gehst vor!“, rief ich und schleuderte den Epsilon, der nicht los ließ, seitlich von mir fort.
Die schwere Maschine flog meterweit durch die Luft, riss den Daishi Delta um und landete hart auf dem Boden. Ich setzte nach, sprang mit Prime und ließ die andere Herkules-Klinge nieder gehen. Damit nagelte ich beide Daishis auf den Boden.
Schließlich sank Prime auf den Boden.
„Blue Lightning hier“, ächzte ich leise. „Ich…“ Ein Schwall Blut ließ mich verstummen. „Ich… übergebe mein… Kommando… an Major Uno… Wenn sie… noch lebt.“
„Akira? AKIRA? Was ist mit dir? Akira, ich bin es, Megumi!“
Lady Death kam wieder auf die Beine. Die Raketen hatten sie nicht getötet. Wie schön.
„Akira, bist du verwundet? Sanitäter! Es hat den Colonel erwischt!“
„Schon gut…“, hauchte ich leise. „Ich… habe Taylor erwischt… Wie versprochen… Geht…ARHG!“ „AKIRA!“ „Es… Es geht. Geht es… Yohko gut?“
„Ja, es geht ihr gut… Auch wenn ich dafür eine Waffe abfeuern musste“, hörte ich Makoto tonlos sagen.
„Me…Megumi hat das… Kommando. Führe deinen Auftrag aus… Major…“
„Akira“, flüsterte sie. „Warum? Warum bist du nicht ausgewichen? Warum bist du nicht geflohen?“
„Ich… Ich hatte solche Angst um… Um dich… Hat… Hat mich un-ARGH. Unvorsichtig gemacht, Liebling.“
„Aber warum? Warum, du großer Trottel?“, heulte sie.
„Ist das… nicht offensichtlich? Ich… liebe dich doch.“

„Akari, was tust du da?“, hörte ich Hina über Funk rufen. „Nein, du darfst das nicht! Du darfst deine Existenz nicht auflösen!“
„Anders können wir Tora aber nicht besiegen. Ich habe jetzt keine Angst mehr. Ich weiß, was ich tue. Bitte, Slayer, gebt mir eure Kraft. Ich werde vergehen, aber das sollte ich schon vor langer Zeit. Es tut mir nur weh, dass ich nicht mit meinem Meister gehen kann. Aber ich vernichte den Mann, der mich erschaffen hat.“
„Nein, Akari, nein“, heulte Hina. „Nicht du auch noch.“
Ich wandte meinen Blick auf einen Hilfsmonitor. Akari begann darauf zu schweben und die Blase gegen den Strahl des Magiers zu verstärken.
Mein Cockpit wurde geöffnet und Megumi kletterte herein. „Akira“, hauchte sie.
„Gla.. Glaubst du mir… jetzt?“, fragte ich sie angsterfüllt.
„Ja. Ich glaube dir endlich, dass du mich liebst. Du Dummkopf.“
Trotz des vielen Blutes küsste sie mich. Gleichzeitig drängte ein gewaltiger Strahl die Kraft des Magiers weit von sich.

Doisus Hawk sprang über mich hinweg, führte eine Kampfgruppe gegen das Legatshaus.
Ihm folgte Daisuke auf der anderen Seite.
„Geh nicht“, hauchte Megumi.
„Stirb nicht, Akari!“, flehte Hina.
Nun geschahen mehrere Dinge zugleich. Der Magier wurde von Akaris Glanz eingehüllt, ebenso der geheimnisvolle Tank mit KI-Energie.
Meine Wunde begann zu glimmen, als würde ich ein KI benutzen, weit mächtiger als meins.
In einem Berg besiegter Cyborgs kam Bewegung auf und Joan kämpfte sich hervor, Mamoru hinter sich herziehend.
Und Kenji führte den ersten Schlag gegen das Legatshaus.
Dann verging der Tank in einer hellen Energieexpansion und hüllte alles in der Kaverne ein…
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Als ich die Augen aufschlug, lag ich in meinem eigenen Bett. Nicht das auf der GRAF SPEE oder auf dem OLYMP. Nein, es war mein Bett. In meinem Zuhause.
Irritiert erhob ich mich. Vor wenigen Sekunden war ich noch auf dem Mars gewesen. Ich hatte fest damit gerechnet, in Megumis Armen zu sterben. Und dann war da noch dieser gigantische Lichtblitz gewesen, mit dem Akari…
„AKARI!“ Ich sprang auf, suchte nach meinem Oni. „AKARI!“
Ich eilte in die Küche, aber sie war leer. Das war merkwürdig.
Danach sah ich im Wohnzimmer nach, draußen im Garten. „Megumi? Yoshi? Yohko?“
Daraufhin begann ich die Zimmer abzuklappern. „Mako? Kei! Sakura? Irgendjemand?“
Schwer ließ ich mich gegen eine Wand sinken. Ich war allein. Allein in dem großen Haus. Die anderen Räume, sie… Sie wirkten unbenutzt. In Keis Zimmer hätte ein PC stehen müssen, überladen mit Fotopapier und Dutzenden DVDs. Yohkos Raum hätte mit gängigen Pop-Magazinen tapeziert sein müssen.
Und in Doitsus Zimmer hätte ich zumindest seine Kendo-Ausrüstung erwartet.

Ich war nicht nur allein in dem großen Haus. Ich musste es schon eine ganze Zeit sein.
War dies vielleicht… War dies vielleicht eine zweite Chance? Bekam ich die Gelegenheit, mein Leben in der Konstruktwelt vollkommen neu zu leben? Hastig eilte ich in mein Zimmer zurück, legte meine Schuluniform an und machte mich auf den Weg zur Schule.
Doch es fuhr keine Bahn.
Ich lief so schnell ich konnte zur Schule, aber ich begegnete keinem meiner Mitschüler.
Als ich endlich das Tor sah, hatte es längst zu ersten Stunde geläutet. Aber niemand schob es zu.
Ich eilte auf den Hof. „Akane-sempai, ich…“
Noch immer war ich allein. Unwillkürlich drehte ich mich um und erwartete einen blonden Schemen zu sehen, der in mich hineinrasseln würde. Den ich diesmal auffangen und mit einem Lächeln begrüßen wollte. Aber keine Hina-chan lief in mich hinein. Kein einziger Laut war zu hören.
Entsetzen drehte mir den Magen um.
Ich lief ins Gebäude, suchte meinen Klassenraum auf, riss die Tür auf und… Nichts.
Der Nachbarraum, Megumis Klasse! Niemand da.
Hatte ich mich im Tag geirrt? War es Sonntag? Nein, nein, nein, daran konnte es nicht liegen.
Ich war schlicht und einfach alleine.
Müde ließ ich den Kopf hängen. Was war passiert? War die Konstruktwelt aus den Fugen geraten? Hatte ich zuviel verlangt? Ich wäre doch schon damit zufrieden gewesen, für Megumi zu sterben…
Oben auf dem Dach lehnte ich mich gegen den Zaun und ließ mich langsam zu Boden rutschen. Nein, diese Geschichte, dieser Ort gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht.

„Hast du gefunden, wonach du gesucht hast, Akira-tono?“, hörte ich eine Stimme hinter mir sagen.
Ich wirbelte herum und stand plötzlich in einem licht durchfluteten Wäldchen.
Vor mir stand Dai-Kuzo und lächelte mich verschmitzt an.
„Dai-Kuzo-sama“, hauchte ich. „Was ist passiert?“
Die schwarzhaarige Frau kam immer noch lächelnd auf mich zu und legte mir ihren Zeigefinger auf die Brust. „Das kann ich dir sagen, Akira-tono. Du träumst.“
„Ich träume? Das leere Haus, die leere Schule, alles Träume?“
„Alles Träume, sogar dieser Ort an dem wir uns befinden“, bestätigte die Spinnengöttin.
Resigniert ließ ich mich auf die Knie sinken. „Ich wusste es. Ich wusste, die Konstruktrealität würde irgendwann einmal versagen. Nun habe ich alles gewagt und doch verloren.“
„Akira-tono“, sagte Dai-kuzo und hob mein Gesicht an. „Ich sagte, dies hier wäre ein Traum. Nicht deine Realität. Du bist noch immer auf dem Mars und stirbst gerade in Megumis Armen.“
„Wi-wird sie überleben? Werden meine Freunde überleben?“, haspelte ich hastig hervor, von jäher Hoffnung erfüllt.
„Wer weiß? Es ist die Realität. Selbst ich habe nicht viel Einfluss auf sie.“
„Aber es ist nicht die Realität!“, rief ich, über mich selbst erschrocken. „Dies ist eine Konstruktwelt! Gibt es denn niemanden, der in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass meine Freunde überleben?“
„Akira-tono“, sagte die Spinnenfrau sanft und hockte sich neben mir zu Boden. „Du bist doch sicher mit einigen philosophischen Aspekten vertraut, nicht wahr? Zum Beispiel kannst du mir sicherlich das monadische Weltbild erklären.“
„Das monadische Weltbild? Was soll das denn jetzt? Du hast mir gerade gesagt, ich sterbe auf dem Mars in diesem Moment!“
„Psst, Akira-tono. Die Realität ist nur schwer zu beeinflussen. Aber die Zeit nicht. Sprich einfach.“
„Das monadische Weltbild geht davon aus, dass die gesamte Realität nur erträumt ist. Aber wo es einen Traum gibt, muß es auch jemanden geben, der all das erträumt. Und dies ist die Monade. Nun muß es nicht nur eine Monade sein, es können mehrere sein, vielleicht sogar hunderte. Ach, Tausende. Das Universum ist groß. Und zwar genau so groß, wie es die Urmonade will und die Kleinmonaden zu träumen schaffen.“
„Gut, Akira-tono. Und nun sag mir, was ist ein Traum?“
„So was wie dies hier?“, fragte ich in einem Anflug von Sarkasmus.
„Richtig“, erwiderte die Spinnendämonin. Übergangslos begann die Erde unter uns zu beben: Kurz darauf hoben wir auf einem stetig wachsenden Plateau in den Himmel.
Die Spinnendämonin schien neben mir der Sonne einen Klaps zu geben, worauf hin sie unterging. In Sekundenschnelle war ein Sternenhimmel aufgegangen.
„Siehst du den dort? Den Orion? Den rechten Schulterstern, die Beteigeuze? Findest du nicht, sie würde einen viel besseren Polarstern abgeben als der derzeitige?“
Sie hatte es kaum ausgesprochen, als die Beteigeuze den Platz in ihrem Sternbild verließ und über das Himmelszelt raste. Auf halber Strecke kam ihr ein kleiner, blasser weißer Stern entgegen und nahm ihren alten Platz ein.
Sie aber setzte sich in den Ursa Minor ein und leuchtete nun direkt über dem Nordpol der Erde.
„Sieht doch gleich viel besser aus, was?“

Ich starrte die Dämonin mit offenem Mund an. „Da…Das ist…“
„Ja, Akira-tono, dies ist ein Traum. Und da ist so etwas möglich.“ Sie schnippte mit den Fingern und aus dem Erdboden wuchsen Lehmsäulen, die sich in schlanke junge Frauen verwandelten, die mit Tabletts voller Getränke auf uns zukamen. „Willst du auch was, Akira-tono?“, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. „Wozu? Es ist doch nur ein Traum.“
Dankbar nahm sie ein Glas entgegen und lächelte mich über den Rand hinweg an.
„Was denkst du, wenn du an dein Leben in dieser Welt denkst, Akira-tono? Empfindest du dich als Monade, als Jemand, dessen Träume diese ganze Welt erschaffen hat? Der alleine durch seine Existenz sicherstellt, dass es sie gibt? Ich meine, wenn du diese Welt erträumst, warum kannst du sie dann nicht umgestalten?
Und selbst wenn es da eine Gottheit gibt, die für dich träumt, und du nur eine Untermonade bist, so formt dein Traum diese Realität mit. Aber warum sehen wir nichts davon? Wo ist dein Einfluss in dieser Welt?“
Irritiert sah ich die Dämonin an. „Ich…“
„Hast du jemals mit Yoshi in deinem Garten gesessen und die Beteigeuze gegen den Polarstern ausgetauscht? Oder die Venus den Platz mit dem Sirius-Doppelstern wechseln lassen?“
„Natürlich nicht! Es hätte wohl auch nicht funktioniert! Es sind Sonnen, riesige Massen gebändigter Kernfusion, viele Lichtjahre von uns entfernt. Warum sollte ich sie manipulieren können?“
Dai-Kuzo-sama lächelte noch immer, nur erschien es mir breiter geworden zu sein. „Akira-tono. Realität ist etwas, was… Nun, du hast einen gewissen Einfluss auf deine Umgebung, aber du wirst von ihr noch viel mehr beeinflusst. Du kannst einen Baum fällen, aber du kannst keinen neuen wachsen lassen. Außer du pflanzt einen und gibst ihm viel Zeit mit.
Du kannst in deinem Mecha deine Gegner töten. Aber du kannst sie nicht wieder zum leben erwecken.
Die Sonne kann dich verbrennen. Aber du kannst es ihr nicht verbieten.
Die Lichtgeschwindigkeit ist knapp unter dreihunderttausend Kilometern pro Sekunde. Sie wird nicht schneller und nicht langsamer, nur weil du es willst.
Und Megumi-chan mag dich lieben. Aber sie allein entscheidet, wann sie davon überzeugt ist, dass du sie auch liebst.
Das, Akira-tono, ist Realität.“
Wieder schnippte Dai-Kuzo-sama mit den Fingern. Neben ihr schwebte plötzlich ein superdeformtes… DIESES KLEINE MISTDING!
Ich wollte aufspringen, doch da sah ich erst die Fesseln und Knebel. Zusätzlich gebot mir die Spinnendämonin Einhalt.
„Es gibt da… gewisse Elemente in deiner Realität und zwischen den Realitäten, die gerne einmal ihre Spielchen spielen. Die sich amüsieren möchten. Und meistens gelingt es ihnen auch, vollkommen unbemerkt von Wesen wie mir.“
Die Spinnenfrau wandte sich dem gefesselten Mädchen zu. „Aber dann fallen sie doch einmal auf, und alles kommt raus.“
Das blonde Mädchen wurde blass, je näher Dai-Kuzo-sama ihr kam.

Übergangslos wandte sie sich wieder mir zu und strahlte regelrecht. „Akira-tono, ich bitte um Verzeihung. Wo war ich? Nun, ich weiß, du machst dir Gedanken und Vorwürfe und Sorgen. Aber ich kann dir eines versichern. Diese Welt, abgesehen von dem Traum, in dem du steckst, ist real. So real wie sie nur sein kann. Und du bist ein realer Bestandteil von ihr. Denn einige niedere Gottheiten können die Realitäten, die nebeneinander existieren wechseln. Aber sie können kein komplettes Universum erschaffen - geschweige denn eine Welt mit mehr als fünfzigtausend, als Individuen agierenden Personen.“
„Aber wie… wie kann ich ein realer Bestandteil sein? Ich meine, ich erinnere mich an die andere Welt. Und wenn ich mich auch für das hier entschieden habe…“
Dai-Kuzo-sama lächelte sanft. „Du wurdest hier geboren, Akira-tono.
Dieser Untergott hier hat dich nicht einfach von einer Realität in eine andere versetzt, und schon gar nicht in eine Traumwelt. Er hat seine Talente dafür genutzt, dass du in dieser Welt wiedergeboren wurdest…“
„WAS?“, rief ich überrascht. „Aber, aber… Aber… Aber ich… Und Yoshi…“
„Akira-tono. Du hast hier in dieser Welt dein ganz normales, aber bestimmt nicht alltägliches Leben geführt. Du warst einfach du selbst. Doch dann entschied die Gottheit, es wäre Zeit, den Spaß zu beginnen. Deine Erinnerungen an vorher erwachten, während andere verblassten oder verschwanden. Und du glaubtest sofort, du wärst erst kurze Zeit hier und nicht bereits ein langes Leben.“
„Aber… Aber Yoshi! Ich meine Ralf! Ich…“
„Als deine Erinnerungen geweckt wurden, erwachte auch Yoshi und glaubte genauso wie du, den ersten Tag in dieser Welt zu sein. Dies war nur wenige Tage, nachdem wir beide uns das erste Mal gesehen hatten, Akira-tono. Dein Großvater, Michael-tono, hatte mich darum gebeten, einen Teil deines Gedächtnisses wieder herzustellen, welches die Kronosier gelöscht hatten. Deshalb überwachte ich dich auch die darauf folgenden Tage. Und erkannte die Manipulation an dir.“
Sie warf der Gefangenen einen giftigen Blick zu. „Natürlich erwartete ich einen Langzeitplan der Kronosier, und nicht die Ideen eines spielsüchtigen Untergottes.
Jedenfalls fingst du plötzlich beinahe wieder bei null an, tauchtest langsam nur in diese Welt ein und erkanntest sie auch nur widerstrebend als Realität an.
Ebenso erging es… Yoshi.
Und um den Spaß auf die Höhe zu treiben, wollte der Untergott dich wieder extrahieren, zurück in deine Realität bringen, wo du wiedergeboren hättest werden müssen, um dich im richtigen Alter wieder zu wecken und sich daran zu freuen, wie dich deine Erinnerungen beinahe auffressen. Akira-tono. Du hast dich für diese Realität entschieden. Deshalb unterstütze ich dich. Geh jetzt zurück und bring Zuende, was du begonnen hast – in der realen Welt.“
„A-aber wie, Dai-Kuzo-sama? Wie?“
„Ganz einfach“, sagte sie, beugte sich zu mir herüber und gab mir einen sanften Kuss, der meine Eingeweide Salti schlagen ließ. „Du musst aufwachen. Nur aufwachen… Aufwachen… Aufwachen… Aufwachen… Aufwachen…“
**
„Du musst aufwachen, Akira. Du musst aufwachen. Du kannst dich doch nicht einfach so davon stehlen“, schluchzte Megumi leise. Ihr Körper bebte dabei.
Langsam schlug ich die Augen auf. „Ich… Lebe noch“, stellte ich erstaunt fest.
„Akira?“, hörte ich eine Stimme voller Hoffnung flüstern. „AKIRA!“
Bevor ich mich versah, hatte Megumi mich schon umarmt. „Akira, bitte sag mir, dass das kein Traum ist. Sag mir, dass du wirklich noch hier bist.“
Verwundert betrachtete ich die riesige Bresche in meinem blauen Druckanzug. Der Bauch da drunter schien jedenfalls unberührt zu sein. „Du träumst nicht. Ich träume nicht. Wir leben beide noch, Megumi.“
Ich lachte leise, dann lauter und drückte sie an mich. „Ich liebe dich“, seufzte ich in ihr Haar.
„Aber wie ist das möglich? Wie konntest du diese Wunde überleben?“, hauchte sie mit Tränen in den Augen. „Wie konnte die Wunde wieder verschwinden?“
„Na, das ist doch klar“, rief Kitsune-sama und kletterte ins Cockpit hinein. „Als Dai-Kuzo-sama ihn neulich zu sich gerufen hat, da hat sie ihm einen Teil ihres KI gegeben. Für den absoluten Notfall, falls er sich doch noch dafür entscheidet, nicht länger zu träumen, sondern zu leben.“
Kuzo-samas KI. Ich erinnerte mich kurz an das unwirkliche Leuchten, das mich umgeben hatte, aus der Wunde ausgetreten war, die Taylors Herkules-Schwert gerissen hatte. Ja. Das KI einer Göttin hatte mich gerettet. Weil ich endlich aufgehört hatte, träumen zu wollen.

Dieses reine, helle Licht, dieses… „AKARI“ Übergangslos fuhr ich hoch. „Blue Lightning hier! Bericht!“
„Akira, bist du das? Sag mal, müssen wir erst Deimos auf dich schmeißen, oder bringt dich gar nichts um?“, rief Daisuke mit grenzenloser Erleichterung in der Stimme.
„Ich hatte Hilfe. Also, wie sieht es aus?“
„Nachdem Akari dieses KI-Depot vernichtet hat und diesen merkwürdigen schwebenden Magier gleich mit, haben meine Kompanie, die von Doitsu und Kenjis Einheit die Verteidigung am Legatenhaus vernichtet und den Komplex zerstört. Nun existiert nur noch ein Computerkern unter dem Haus. Wir haben außerdem fünf von neun Legaten gefangen genommen. Alles Kronosier. Einen hast du erledigt, zwei müssen auf der Erde sein. Und der letzte hat es wohl nicht mehr raus geschafft.“
„Akari, wo ist sie?“
„Wir wissen es nicht. Die ganze Halle ist erfüllt von diesen glitzernden Lichtpunkten, die langsam nach oben steigen und die Decke durchdringen. Die YAMATO meldet, dass man sie sogar mittlerweile bis ins Weltall sehen kann. Aber dort, wo die Slayer gekämpft haben, ist immer noch dieser weiße Ball aus Energie und…“
Ich wechselte einen schnellen Blick mit Megumi. Sie nickte und machte mir Platz. „Okay, vorerst behalte ich das Kommando. Akira hat was Wichtiges vor. Statusmeldungen aller Einheiten an mich“, hörte ich sie routiniert sagen. Ein Prachtmädchen. Mein Mädchen.
Ich sprang auf, Kitsune an meiner Seite, verließ das Cockpit.
„Braucht Ihr ein Taxi?“, rief Dai-Okame in seiner Wolfsgestalt und hielt neben uns. Kurz entschlossen schwangen Kitsune und ich uns auf ihn, krallten uns ins Nackenfell. Mit mehreren mächtigen Sätzen erreichten wir die Energiekugel. Dutzende Infanteristen umstanden sie, nicht wenige verletzt.

„Was ist das, Sir?“, fragte mich einer von ihnen. Erschrocken musterte er meinen aufgerissenen Anzug, dann wieder die Blase.
Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf. Was zu tun, wann zu tun, wem überlassen?
Nein, das war nicht der richtige Weg. Ich war nicht hier um zu überlegen. Ich war hier, um um meine Realität zu kämpfen. Ich war mir sicher, die große Spinne würde nicht wollen, dass ihre Slayer vernichtet wurden.
Also trat ich an die Energie heran und durchdrang sie.
Dies war wie ein Signal. Glitterndes Licht aus der ganzen Kaverne begann zu uns heran zu rasen, die Energiekugel zu umtanzen, in ihr einzudringen. Ich war mittendrin in dem Wirbel.
Dann landete hinter mir ein Körper, links von mir ein weiterer, dazwischen der dritte. „Hina! Akane! Ami!“, rief ich erleichtert.
Noch einer kam hinter mir runter. Der letzte rechts. „Sarah, Emi!“
Ich wartete auf den sechsten Körper, aber er kam nicht. Mein Oni kam nicht. Sie hatte sich selbst aufgeben wollen, sich selbst opfern, ohne Angst vor der Verdammnis, dem ewigen Wahnsinn in Dunkelheit und Kälte.
Ich brauch auf meine Knie ein. „Nein. Nein. Dai-Okame-sama, das ist nicht fair. Nicht Akari. Gib mir Akari zurück“, flehte ich. „Gib mir Akari zurück.“
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Hina sah mich aus todtraurigen Augen an. „Wir…Wir wollten sie nicht gehen lassen. Wir wollten sie nicht sterben lassen. Wir haben alles gewagt, sogar unsere Leben. Sie war unsere Freundin, Akira.“
„Ich weißt, Hina“, hauchte ich. „Du und die anderen, Ihr habt euer Bestes gegeben. Wir… Wir werden uns immer an…“
„Guckst du wohl auch mal nach oben, hä?“, blaffte Kitsune mich an.
„Was?“, erwiderte ich, sah von Hina zu ihr und dann in die angewiesene Richtung.
Über mir schwebte ein schwarzhaariges Mädchen. Sie lächelte in ihrem Schlaf und wurde umtanzt von Dutzenden, Hunderten, nein, Abertausenden dieser bunten, aus sich heraus strahlenden Flocken.
Ich schätzte sie auf zwölf oder dreizehn, aber das Gesicht, ihr Gesicht war… „AKARI!“
Langsam fiel sie dem Erdboden entgegen. Ihre Slayer-Uniform flatterte an manchen Stellen, war ihr viel zu groß. Als ich sie erreichen konnte, umschloss ich sie und barg sie an mir.
„Akari“, schluchzte ich erleichtert. „Akari.“
Das Mädchen schlug die Augen auf. „Meister? Was ist mit mir? Ich fühle mich so… merkwürdig.“
„Ist doch logisch“, sagte Kitsune. „Immerhin hat dir Dai-Kuzo-sama wegen deinem selbstlosen Opfer ein großes Geschenk gemacht. Du bist wieder ein Mensch.“
Verblüfft sah ich Kitsune an, die strahlte wie noch nie.
„Wieder ein Mensch?“, rief Akari erstaunt.
Langsam stellte ich sie auf ihre eigenen Beine. „Eine kleine Schwester. Das habe ich mir schon immer gewünscht“, schmunzelte ich.

„Akira“, hörte ich Megumis Stimme in meinem Helm. Die Blase verging in einem irrlichterndem Regenbogen aus Farbfunken und stieg ebenfalls nach oben.
„Akira. Taylor hat dir was hinterlassen, das solltest du sehen.“
Erleichtert umarmte ich Akari, bevor ich mich wieder aufrichtete. Es war noch nicht vorbei Noch nicht. „Ich komme, Megumi.“

6.
„Hina, pass bitte auf Akari auf und rufe einen Sanitäter. Ich bin erst wieder ruhig, wenn ich weiß, dass es ihr gut geht.“
Hina strahlte mich an und nickte. „Natürlich, Akira-san. Komm, Akari, wir warten hier.“
„Warum darf ich nicht mit meinem Meister gehen? Nur weil ich jetzt in diesem Kinderkörper stecke? Langweilig“, beschwerte sie sich.
Ich strich ihr über das lange, schwarze Haar. „Sag nicht Meister, sag O-nii-chan, Akari. Und du wartest hier, weil ich dich darum bitte.“
Verlegen sah das junge Mädchen zur Seite. „Okay. Wenn du es sagst… O-nii-chan.“
Ich lächelte dazu und setzte mich langsam in Bewegung.

„Das Gefechtstaxi ist bereit“, bot Dai-Okame-sama an, aber ich winkte ab.
„Danke, Okame-kun. Aber ich glaube, diesmal haben wir es nicht so eilig.“
Neben mir verwandelte sich der mächtige Wolf wieder in einen Menschen. Einen grimmigen, aber irgendwie auch erleichterten Menschen.
Ich brauchte übrigens nicht hin zu sehen, um zu wissen dass sich Kitsune-chan wieder an meine Seite gesetzt hatte.
Gemeinsam überwanden wir die Strecke bis zu den beiden von mir auf den Boden genagelten Mechas.
Was wir dabei sahen, ließ mich oft genug erschauern. Wir hatten vielleicht gewonnen, aber einen hohen Preis bezahlt. Und jeder der Soldaten, egal ob Infanterie oder Mecha-Pilot, die hier lagen und verletzt oder tot waren, gingen auf mein Konto.
„Da kommt Okame-sama!“, rief einer der Infanteristen. Ein Sanitäter hatte ihm einen Verband angelegt, der bereits wieder durchzubluten drohte. Aber dennoch hob er die andere Hand und winkte dem Wolf.
Andere Infanteristen sahen auf. „Okame-sama.“ „Okame-sama.“
Applaus klang auf. Einzelne nicht verletzte Soldaten traten vor, starrten mich mit Ehrfurcht an, zugegeben. Aber auf den alten Wolf gingen sie zu.
„Sir. Ich danke Ihnen. Hätten Sie nicht den Flankenangriff der Cyborgs aufgerieben, wäre ich jetzt tot, und mit mir meine halbe Kompanie.“
„Okame-sama, nur weil Sie mich fort gerissen haben, hat mich der Beta nicht platt getreten.“
„Dai-Okame-tono, Sie haben mich gerettet.“
Ich blieb stehen, lauschte den Worten der Soldaten. „Nanu, hat sich der alte Griesgram derart ins Zeug gelegt?“, wunderte sich Kitsune leise.
Einer der Soldaten sah erstaunt herüber. „Kitsune-chan, hast du das gar nicht mitgekriegt? Okame-sama war überall zugleich! Ich meine, der Feind war überall, aber Okame-sama schien immer zur Stelle zu sein, wenn einer von uns in Gefahr war.“
Fast immer, hatte ich sagen wollen, als ich einen toten Infanteristen sah. Aber das wäre nicht gerecht gewesen. Nicht gerecht gegenüber einer überragenden Leistung des Dämonen und nicht gegenüber den Soldaten, die in ihm ihren Lebensretter sahen.
„Sir, Sie und Ihr Mecha waren großartig, aber Okame-sama… Er war… Wie unser Schutzheiliger. Er hat uns alle beschützt.“
„Hey!“, maulte Kitsune. „Habe ich etwa nichts gemacht?“
Der Infanterist im Rang eines Sergeants tätschelte ihr den Kopf. „Kitsune-chan, natürlich nicht. Du hast den Kronosiern auch tüchtig die Leviten gelesen.“
„Schon besser“, brummte sie beleidigt.
„Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, aber der Colonel hat noch etwas Wichtiges vor.“
Ernst nickte der Wolf, woraufhin die Soldaten stramm salutierten.

Als wir weiter gingen, hörte ich die Unverletzten weiter reden. „Das Training hat wirklich was gebracht. Wenn Reilley-chan uns nicht auf den Kampf mit Dämonen und Cyborgs trainiert hätte… Und wenn Okame-sama nicht so schnell und hart zugeschlagen hätte…“
Ich lächelte. Jeder einzelne Tote, jede einzelne Verletzung war wie ein Schnitt in mein Fleisch. Aber ich begriff, das die Aktionen der Einzelnen, ihre persönliche Hingabe, etwas worauf ich keinerlei Einfluss hatte, heute vielen Verteidigern der Erde das Leben gerettet hatte.
Vor uns hatten die Ärzte und Sanitäter der Abteilung einen provisorischen Verbandsplatz eingerichtet. Mich entsetzte die Zahl der wenigen Patienten. Für mich war das gleichbedeutend mit entsprechend vielen Toten. Waren denn so viele Soldaten unverletzt geblieben?
Die Verwundeten und einige der Toten lagen auf Decken, bis das Feldlazarett nachgezogen werden konnte. Neben einer dieser Decken kniete Joan Reilley und sah auf einen jungen Mann herab, der nur zu schlafen schien.
„Zwanzig Cyborgs“, hauchte Joan, als ich leise neben sie getreten war, „zwanzig hirnlose Cyborgs, die nur Tod und Vernichtung kannten, ausgestattet mit Kräften wie Durchgeknallte Berggorillas und einem Temperament wie ein Raucher nach vierzig Stunden Entzug. Und alle gegen diesen einen, armen Menschen.“
Joan stockte und legte eine Hand auf die Wange des Mannes.
„Verdammt, Mamoru“, hauchte ich.
Überrascht sah ich Joan an, als die vermeintliche Streicheleinheit nur der Auftakt für eine saftige Ohrfeige war.
Mamoru Hatake schlug die Augen auf und sah böse zu ihr hoch. „Hey, was soll der Mist? Ich bin verletzt!“
„Du Blödmann!“, blaffte Joan entrüstet. „Jeder einzelne dieser Cyborgs hätte dich eigentlich in der Luft zerreißen müssen! Und was ist mit dir passiert? Du hast dir die Rippen gebrochen! Nur die Rippen gebrochen! Ist dir klar, wie viel Glück du hattest?“
„Glück?“, ächzte Mamoru. „Ich glaube, sterben wäre angenehmer gewesen, als diese Schmerzen. Oh, Akira-kun. Haben wir gewonnen?“
„Sieht ganz so aus, Mamoru. Hast dich anscheinend gut gehalten. Das letzte, was ich von dir sah, war ein Arm, der aus einem Berg Cyborg-Krieger hervorragte.“
„Ja, die Szene. Ich dachte, ich sterbe.“ Nachdenklich sah er von mir zu Joan. „Aber diese Cyborgs, sie… Joan tauchte auf, und bevor sie mich richtig fertig machen konnten, gingen sie wie gestochen auf Joan los. Das ist vielleicht der einzige Grund, warum ich noch lebe. Du hast mir heute zweimal das Leben gerettet, Joan-chan.“
„Rede nicht soviel Unsinn“, erwiderte sie ernst. „Sonst wird Akane noch eifersüchtig.“
Mamoru riss die Augen auf, richtete sich auf und bekam einen Hustenanfall. „Mist, verdammter.“
„Sir, Ma´am, bitte, regen Sie Captain Hatake nicht mehr auf. Wir wollen doch nicht, dass er noch mal so eine dumme Bewegung macht und seine Lunge von einer gebrochenen Rippe perforiert wird“, ermahnte uns einer der Ärzte.
„Dann sollten wir wohl wieder gehen. Aber keine Angst, ich lass es Akane-chan wissen, dass es dir gut geht“, sagte ich mit einem Zwinkern.
„Du auch, Akira-kun? Hing es am schwarzen Brett?“, fragte Mamoru mit mattem Grinsen.
Ich warf der Fuchsdämonin einen schiefen Blick zu. „Etwas in der Art.“

„Wo gehen wir eigentlich hin, Aki-chan? Und wer ist dein Schneider?“, fragte Joan und betrachtete die zerfetzte Bauchpartie meines Druckanzugs.
„Taylor. Ist die Antwort auf beide Fragen“, sagte ich leise.
Wir erreichten die beiden übereinander gestapelten Mechas. Megumi winkte vom obersten herab. „Kommt hoch.“
Ich erklomm die beiden liegenden Riesen und kam am Herkules-Schwert an, welches ich in die beiden Daishis gerammt hatte. Durch den Epsilon und anschließend durch den Delta.
Megumi deutete auf die zersprungene Cockpit-Luke. Ich hatte Taylor gut erwischt. Seltsamerweise lächelte er.
„Joan-chan, wärst du bitte so freundlich?“, fragte ich zur Seite. „Okame-kun?“
Die beiden nickten. Okame-sama ergriff die Klinge des Herkules-Schwerts und zog es mit sichtlicher Kraftanstrengung Meter für Meter heraus.
Joan packte bei den Rändern zu und riss die Cockpitabdeckung ab.
Nun konnten wir direkt hinein sehen. Ich musterte meinen Erzfeind. Ich sah ihn das erste Mal. Und fragte mich unwillkürlich, wie er ausgesehen hatte, bevor er die klaren, wässrigen Augen und das weiße Haar der Kronosier erhalten hatte. Vor der Gift.
Und warum lächelte der Typ? Immerhin hatte ich ihn gerade getötet!

„Hey, Fliegerjunge“, erklang es aus dem Cockpit. Übergangslos standen mir sämtliche Nackenhaare zu Berge. War der Bastard immer noch nicht tot?“
„Keine Bange. Diese Aufzeichnung wird erst abgespielt, wenn ich mindestens eine Viertelstunde tot bin. Du hast mich also erledigt. Kein Trick, keine Täuschung.
Erst einmal Glückwunsch, Fliegerjunge. Du hast mich tatsächlich erledigt, und das, obwohl in unserem allerneusten Daishi-Modell stecke. Respekt.
Und dann bitte ich dich um Entschuldigung. Ich habe dir die letzten Jahre viel Leid bereitet. Ich konnte es nicht immer verhindern.“
Die Aufzeichnung machte eine Pause. Wovon redete der Kerl da eigentlich?
„Fliegerjunge, was ich hier mache, ist Hochverrat. Na, andererseits, wenn ich tot bin, dann hast du wahrscheinlich gewonnen. Und wo ist dann der Verrat, wenn wir alle erledigt oder gefangen sind, was?
Jedenfalls will ich dir hier ein paar unbequeme Wahrheiten und wichtiges für die Zukunft erzählen. Alles, was du jetzt brauchen wirst.
Vorweg eines. Mein Name ist nicht Henry William Taylor. Ich bin Commander Sean O´Donnely. Meine Heimat ist der britische Geheimdienst. Ich bin… Nein, ich war, und das schon einige Zeit, bevor du mich getötet hast, Undercover-Agent. Ich sollte die Kronosier infiltrieren. Zu einer Zeit, als die Angriffe auf die Erde gerade erst begannen. Und die geheimen Rekrutierungen einen neuen Höhepunkt erreichten.
Ich sollte die Kronosier von innen heraus zerschlagen. Aber… Ich muß zugeben, ich war nicht stark genug gegen die Versuchung, die sich einem bietet, wenn man eine neue Identität, ein neues Leben und neue Macht hat.
Ich… Habe vieles getan, auf die ich als Commander O´Donnely nicht stolz gewesen wäre. Und auch einige Dinge, auf die ich als Henry Taylor nicht stolz war.
Aber ich habe sie getan. Ich kann sie nicht mehr zurück nehmen.
Letztendlich haben all die Dinge, die ich getan habe, um mein Gewissen zu beruhigen, wie einen kampfbereiten Daishi an die UEMF zu schmuggeln, dir den Aufbau des Resonators zu erklären oder diese Aufzeichnung zu machen, nicht ausgereicht um auszulöschen, was ich die letzten drei Jahre als Legat angerichtet habe.
Jetzt, wo ich diesen Text aufnehme und von meinem Tod ausgehe, fällt es mir leichter, darüber zu reden.
Mir wird nicht vergeben werden. Ich werde ein Verräter an der Menschheit sein. Aber wenn schon Verräter, dann ein ganzer Verräter. Ich lege dir hier einige der wichtigsten Geheimnisse der Kronosier offen.“

Wieder legte Taylor eine Pause ein. Währenddessen überschlugen sich meine Gedanken, meine Empfindungen. Taylor ein Agent? War das der Grund, warum er mir geholfen hatte? Wenn auch nur einmal…
„Fliegerjunge… Akira. Wenn du dies hier hörst, habe ich gegen dich gekämpft, der Legat gegen den Oberkommandierenden der UEMF. Und ich habe verloren. Du hast den Legaten getötet, nicht den Agenten von der Erde. Ich hoffe, wir hatten einen spektakulären Kampf.
Während ich rede und du mir zuhörst, werden deine Leute das Legatenhaus genommen haben und die dort anwesenden Legaten getötet oder verhaftet haben. Sitzt du oder hast du was, um dich fest zu halten, Akira? Diese Kronosier haben alle die Gift erhalten. Denn es gibt keinen geborenen Kronosier in diesem System.“
„Das ist in der Tat eine Neuigkeit“, sagte ich erstaunt.
„Alles begann vor fünf Jahren. Mit einer einzigen Sonde. Dem Core. Der Core ist ein Mittel zur Eroberung fremder Spezies.
Der Core setzt sich in der Nähe von bewohnten Welten fest, etabliert einen Kontakt zu dieser Welt und sammelt Macht. Auf jeder Welt geht der Core anders vor. Bei uns hat er einfach Freiwillige gesucht, gefunden und rekrutiert. Einige von ihnen haben später die Gift erhalten.
Jedenfalls hat der Core sehr detaillierte Informationen preisgegeben, mit denen in kürzester Zeit eine erfolgreiche Rüstungsindustrie aufgebaut werden konnte. Damit einher begannen weitere Rekrutierungen. Hunderte, tausende, zehntausende wurden von den wenigen gewordenen Kronosiern angeworben und teilweise auf der Erde, teilweise auf dem Mars eingesetzt. Und mit jedem neuen Rekruten verstärkte sich die Macht des Cores.
Bis er die Erde angreifen ließ.
Die Attacken verliefen, wie du aus eigener Erinnerung weißt, nur schleppend und führten zu Rückschlägen. Zu derart massiven Rückschlägen, dass der Core gestürzt wurde und die Menschen, welche die Gift erhalten hatten, nun die Führung übernahmen. Es hat mich zwei Jahre gekostet, um in diese Führungsgruppe, die Legaten, aufzusteigen.
Die Legaten gingen neue Wege. Sie bauten stärkere Daishis, größere Schiffe. Rekrutierten mehr Truppen. Bildeten ein weit verästeltes Spionagenetz auf der Erde. Verkauften auf dem Mars gewonnene Rohstoffe und ein paar technische Spielereien, und verdienten damit Geld. Sehr viel Geld, welches wieder genommen wurde, um weitere Rekruten anzuwerben.
Den Rest der Geschichte kannst du dir denken.“
Ich nickte grimmig. „Und wo finde ich diesen Cor?“, fragte ich ärgerlich.

„Du willst jetzt sicher nichts lieber als den Core angreifen und vernichten, oder?
Nun, vorher solltest du noch ein paar Dinge über den Core erfahren. Genauer gesagt, hast du dich nicht gewundert, dass wir die Werft, die du auf Phobos vernichtet hast, von uns auf Deimos nachgebaut haben?
Die ganze Sache hat einen witzigen Hintergrund. Der Core ist… Nun, sagen wir, er ist nicht ganz so, wie er sein soll. Er ist weniger auf Eroberung eingestellt und mehr auf… Fabriken.
Ich habe diese Thematik untersucht und festgestellt, dass dieser Core manipuliert wurde. Manipuliert, um hier auf dem Mars einen sicheren Bahnhof zu schaffen. Oder hast du dich noch nicht über den guten Luftdruck, die atembare Atmosphäre und das nun eher milde Klima des Mars gewundert? Von der künstlich auf einfache Erdschwere erhöhten Gravitation mal ganz abgesehen? Warum hat er solch ein Habitat erschaffen, wenn doch diese Kaverne schon gereicht hätte?
Die Antwort ist simpel. Er wurde drauf programmiert.
Dieser Core wurde von Rebellen gestohlen und manipuliert. Sie haben ihn benutzt, um sich ein Versteck zu schaffen.
Nur wären sie, in diesem System angekommen, den Legaten in die Hände gefallen.
Die Riesenschiffe, die auf der Deimos-Werft andocken können, Akira. Es sind Flüchtlinge. Kümmere du dich besser um sie, als ich mich um meine Aufgabe.“

Langsam erhob ich mich. „Der Core wird beim Legatenhaus sein. Ich kümmere mich darum.“
„Ach“, erklang noch einmal Taylors Stimme, „glaub nur nicht, ich wäre weich geworden. Aber dem Sieger die Beute, nicht?“ Dem folgte ein lautes Lachen, das schnell leiser wurde und dann verstummte.
„Fast tut er mir Leid“, murmelte Megumi leise. „Aber nur fast.“
„Es ist besser so“, entschied ich und wandte mich wieder ab. „Gehen wir zum Legatenhaus.“

An meinem Mecha hielt ich kurz, langte ins Cockpit und zog mein Katana hervor. „Dich brauche ich sicher noch, Kumpel“, murmelte ich leise.
Dies war eine Sekunde, bevor ich herumfuhr und die Artemis-Lanze auf mich zukommen sah.
Ich riss mein Katana heraus, benutzte die Klinge als Schild und ließ mich von der Kraft des Angriffs fort drücken. Denn gegen einen angreifenden Gamma hätte ich keine Chance gehabt.

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Ich flog mehrere Meter weit, landete auf gespreizten Beinen und der Linken, während ich in der Rechten das Katana hielt.
Ich versuchte mich zu orientieren, meinen Gegner zu erahnen, aber der ließ mir nicht viel Zeit zum nachdenken. Die Artemis-Lanze glühte auf und wischt über die Stelle, an der ich kurz zuvor noch gehockt hatte.
Zudem löste sich das Blatt, begann um alle drei Achsen zu rotieren und flog so nahe an mir vorbei, das ich befürchtete, getroffen worden zu sein. Denn einen Schnitt mit diesem Ding würde ich niemals spüren. Nur merken, wenn Körperteile von mir abfielen und Wasserfälle an Blut herab flossen.
Wieder stieß der Gamma zu, diesmal nur mit dem Stab der Lanze.
Wo blieb die Verstärkung? Schaffte ich es in meinen Mecha? Dauerte diese Attacke auf mich wirklich erst ein paar Sekunden?
Ich sprang zurück und stieß gegen eine Mauer. Na toll.
Sofort sprang ich weiter, aber der Stab touchierte mich leicht. Bei einer Masse von ungefähr fünf Tonnen, in die sich die gestoßene Lanze verwandelte, durch Eigengewicht, Massenträgheit und Geschwindigkeit, traf mich ein Schlag, der mich meterweit durch die Luft wirbelte.
Ich schlug hart auf, rollte ein paar Meter, wo ich benommen liegen blieb.
Dieser elende Bastard im Gamma konnte wohl einfach nicht verlieren. Hatte mir aufgelauert. Und er war verdammt nachtragend, wie ich herausfand, als der Stab erneut auf mich niederfuhr.
Ich versuchte zu entkommen, aber meine Beine bekamen auf dem staubigen Boden nicht genügend Grip.
Die Lanze jagte auf mich zu. Panisch versuchte ich, mich herum zu werfen, mein Katana zur Abwehr zu heben.

Dann stoppte die Lanze. Erstaunt riss ich die Augen auf.
Konnte das möglich sein? „JOAN!“
Die Kommandeurin der Bodentruppen stand zwischen mir und der Artemis-Lanze, hatte sie an den Rändern gepackt, stemmte sich hinein und stoppte tatsächlich einen Daishi! Mit bloßen Händen!
Der Pilot gab mehr Druck auf die Waffe und Joan begann mit den Zähnen zu knirschen, während auf ihren Armen deutlich die Adern hervor traten. Kurz wandte sie mir den Kopf zu. „Aki…chan… Keine… Sorge…“, rief sie mir mit rauer Stimme zu.
Erneut stemmte sich der Gamma in seine Waffe, aber Joan hielt mit einem zornigen Aufheulen dagegen.
Ich fühlte, wie mir der Kiefer herab sackte. Ein Daishi! Und nicht irgendein Daishi, ein Gamma! Joan Reilley hielt mit bloßen Händen einen Gamma auf!
Unwillkürlich glaubte ich, dass die längst verschwundenen blauen Flecken an meinem Unterarm und im Nacken wieder zu schmerzen begannen.
Mühsam kam ich wieder auf die Beine. Ich musste Joan doch irgendwie helfen! Oder mich selbst wenigstens aus der Gefahrenzone bringen, damit sie entkommen konnte!
Immerhin stoppte sie gerade eine Kampfmaschine, die einen Hawk vernichten konnte!
Es war ein unglaubliches Schauspiel, welches mich in seinen Bann zog, während ich mühsam hoch kam.
Joans schönes Gesicht hatte sich vor Schmerz und Wut verzerrt, nur in ihren Augen leuchtete ein wahres Bild dessen, was sie gerade durch machte. Ihre Arme schienen das Muskelvolumen verdoppelt zu haben. Die Haut begann sich wie bei einem schweren Bluterguss zu verfärben, sichtbares Zeichen der Gewalten, die gerade zwischen Joan und dem Feind tobten.

Ich kam auf die Füße, holte tief Atem. Nachdrücklich verstärkte ich den Griff um mein Katana, als der Daishi-Pilot seine Strategie änderte. Anstatt weiter erfolglos gegen die wagemutige Infanteristin zu drücken, zog er nun. Und Joan, die durch Kraft und nicht durch Masse gegen ihn hatte mithalten können, wurde mitgezogen!
„HEEEEYYY!“, hörte ich sie protestieren, während sie beinahe unter dem Gamma landete.
Mit Entsetzen sah ich, wie der riesige Mecha seinen rechten Fuß anhob und auf Joan absetzen wollte! Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein!
Ich lief los, taumelnd, aber es war die richtige Richtung. Ich wollte ihr helfen, sie retten, aber der Fuß verharrte schon über ihr.
Konnte Joan der Kraft erneut widerstehen? Diesmal dem Gewicht des Daishi Gamma?
Wie zur Antwort fuhr der Mecha-Fuß herab.
Nein, gellte es in meinen Gedanken. Nein. Nein, nein! „NEIN!“

Die erste Explosion auf der Seite des Daishis brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er ließ den Fuß für einen Moment verharren und kämpfte um seine Balance.
Joan nutzte die Chance, um sich aus dem gefährdeten Gebiet fort zu rollen. Sie benutzte dabei ihre Arme nicht. Verdammt, als sie mich vor dem Daishi gerettet hatte, musste sie sich verletzt haben!
Der Gamma indes ließ den Fuß niedersausen, erkannte aber schnell, dass seine Beute entkommen war. Er wirbelte herum, fand sein Ziel. Blitzschnell sauste die Artemis-Lanze herab, auf Joan zu!
Ich hielt den Atem an, wurde schneller. Wie die Angst einem doch Kraft verlieh. Wie einem die Sorge um einen geliebten Menschen doch beflügelte!
Ich dachte zurück, zurück an dieses UEMF-Lokal in Tokio und den ausgefeiltesten Psycho-Angriff, den ich je erlebt hatte.
An unsere Begegnung auf dem Schulflur, im Tokio Tower, wo wir zum ersten Mal miteinander gegen die Kronosier gestanden hatten. Das Konzert…
Wie hatte sie sich nur von solch einem Schmerz im Arsch zu so einem wertvollen Freund entwickeln können?
Ich sah Angst in Joans Gesicht, als die Lanze auf sie niederfuhr.
Ich würde es nicht schaffen!

Wieder blühte eine Explosion auf, verbog die Artemis-Lanze. Der demolierte Stahl fuhr neben Joan zu Boden. Darauf folgte ein zweiter Schuss, der die Hand zertrümmerte, welche den Stab hielt. Der Daishi antwortete mit Raketen, die aufflogen und sich ihren Gegner suchten.
Doch wieder wurde der Gamma getroffen, auf der Brust und an der Schulter. Die riesige Maschine wankte rückwärts und krachte schließlich auf ihren breiten Metallhintern.
Der Daishi wälzte sich herum, wollte sich auf die liegende Joan werfen, aber wieder blühten die Explosionen auf, trafen ihn in die Brust, am Kopf wo die Sensoren untergebracht waren und im Torso, in dem sich das Cockpit befand.
Über drei Meter taumelte der Daishi rückwärts, während ich Joan erreichte, mit einer Hand in ihre kugelsichere Weste fasste und so aus der Gefahrenzone zerrte.
Zwei finale Salven trafen den Torso mittig. Beide gingen durch.
Langsam, unendlich langsam kippte der Daishi wieder nach vorne. Und brach mit ohrenbetäubendem Lärm auf dem Boden knapp vor mir und Joan zusammen.
„SANI!“, rief ich, nachdem der Lärm abgeebbt war.
Ängstlich musterte ich den Major. „Sind deine Arme in Ordnung, Joan-chan? Ich meine, du bist ein Cyborg. Ist das da normal?“
„Hey, du machst dir ja richtig Sorgen um mich“, erwiderte sie und richtete sich auf. „Danke, Aki-chan. Du hast mich gerettet. Ich dachte, das war es dann mit meiner Karriere.“
„Hey, und du hast mich gerettet. Wenn hier einer dankbar sein sollte, dann bin ich das, oder?“
Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, was ihr ein Lächeln entlockte.

Kurz darauf fiel Lady Death aus dem Himmel. Ihr folgten weitere Hawks und ein Eagle, dessen Glattrohrkanonen noch rauchten.
„Alles in Ordnung, ihr zwei?“, hörte ich Megumi über die Außenlautsprecher fragen. „Ich dachte, jetzt erwischt es euch.“
„Das dachten wir auch, Megumi“, erwiderte ich matt. Himmel, was war ich auf einmal müde.
Der Eagle ging in die Hocke und das Cockpit öffnete sich. Makoto kam hervor und kletterte herab. Ich wartete vergeblich auf Yoshi.
„Wo ist dein Bordschütze?“, fragte ich leise.
„Hat mich nicht mehr rechtzeitig erreicht, Akira“, erwiderte er. „Er war bei Yohko. Ihr geht es gut, wenn man mal von einer Platzwunde absieht. Als Megumis Hilferuf kam, habe ich einfach reagiert und…“ Betreten sah er zu Boden. „Und schon wieder habe ich geschossen. Ich dachte, ich muß sterben. Wenn ich daneben getroffen hätte…“
Der Ernst in Makos Blick, als er dies sagte, ließ mich das Schlimmste vermuten.
Doch er währte nicht lange. Makotos Augen kehrten in die Gegenwart zurück. Wie beiläufig sah er zu Megumi herüber und fragte: „Und, geht es dir gut?“
„Ja, dank dir und Aki-chan. Sag mal, du hast doch immer gesagt, du traust dir das treffen nicht mehr zu. Hast du dir solche Sorgen um mich gemacht, dass du doch geschossen hast?“
„Ich habe mir doch keine Sorgen um dich gemacht“, erwiderte Makoto ernst. „Ich wusste, dass ausgerechnet du nicht so leicht sterben würdest.“
„So“, murmelte Joan und sah zu Boden. „Aber ich hätte bereits tot sein können, weißt du?“
Makoto schnaufte wütend aus. „Nein, ich wusste, dass du noch lebst. Die ganze Zeit.“
Die Trauer in Joans Augen bereitete mir Schmerzen. Ich spürte, dies war der Beginn einer Kluft zwischen ihr und meinem Cousin, die nicht so leicht zu schließen war. Wenn überhaupt.
„Weil mir…“, sagte Mako leise, „das Herz explodiert wäre, wenn du gestorben wärst.“
Ungläubig riss ich die Augen auf. „Was?“
„Du hast mich schon verstanden, Akira“, brummte Makoto und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Eagle. „Ich gehe wieder an Bord. Zeus steuert sich nicht von selbst und wenn es hier noch mehr wie den Daishi Gamma gibt…“
„Mako-chan!“ Joan kam mühsam auf die Beine. „Du kannst doch nicht…“
„Was? Dich beschützen? Natürlich kann ich das. Auch wenn ich diesen Mecha dazu brauche.“
Makoto sah Joan aus entschlossenen und zugleich traurigen Augen an.
Die Pop-Diva erwiderte den Blick mit Stolz und Tränen.
Auf Makotos Stirn bildeten sich Falten. Dann gingen seine Augen auf wie die Knospen einer Blume. Er japste überrascht auf.
Joan wurde rot, dann nickte sie.
Übergangslos lag ein Lächeln, nein, ein Strahlen auf Makotos Gesicht. Unwillkürlich dachte ich daran, sicherheitshalber eine Sonnenbrille aufzusetzen.
Makoto nickte in unsere Richtung. „Also, ich bin in Zeus und…“ Sprach es und trat beim Versuch, an Bord zu klettern daneben.
„MAKO!“, rief Joan ängstlich.
„Nichts passiert!“ Makoto lächelte herüber, hielt sich aber mit links den schmerzenden Schädel.
Schließlich gelang es ihm doch, den Mecha zu erklimmem.

„Was war denn das?“, fragte ich Joan. „Liebeserklärung ohne Worte?“
Langsam hob sie einen ihrer Arme, die langsam ihre normale Färbung wieder bekamen und tätschelte meine Wange. „Das lernst du auch noch, wenn du erst mal neunzehn bist.“
„Ha, ha“, murmelte ich.
**
Wir waren zu fünft, als wir das Legatenhaus erreichten. Neben mir gingen ein ziemlich entschlossener Yoshi, ein gut gerüsteter Doitsu, eine zu allem entschlossene Megumi und ein Daisuke, der mit der Sicherung seiner Glock19 spielte.
Ich nickte den beiden Hawks zu, und sie begannen, den Schutt des Gebäudes fort zu tragen. Dies würde einige Minuten dauern und hoffentlich den Core freilegen.

Die Zeit nutzte ich, um Yoshi für einen Moment beiseite zu nehmen. „Hör mal, Alter“, flüsterte ich, „ich weiß, ich habe mich nicht gerade sehr bemüht, uns aus dieser Welt wieder raus zu bringen, aber…“
„Schon gut, Akira. Es ist in Ordnung, so wie es ist. Ich weiß nicht, wie lange dies hier dauern wird, aber ich werde jede Sekunde davon genießen. Diese Menschen sind unserer Freunde. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gedanke irgendeines merkwürdigen Gottes ihre Existenz auswischt. Ich will auch gar nicht, dass das geschieht.“
„Äh, Yoshi, Kumpel, wir haben ein Problem, was das betrifft. Diese Welt ist real.“
„Ja, so empfinde ich sie auch. Sehr real, sogar.“
„Du verstehst nicht“, fügte ich leise an. „Wir wurden nicht hierher transferiert. Wir wurden hier wiedergeboren. Die Leben, an die wir uns erinnern, die Entscheidungen, die wir getroffen haben, all das ist wirklich passiert.“
Ich wartete auf den Ausbruch des Freundes, von Unverständnis bis hin zu blankem Zorn.
Stattdessen klopfte er mir auf die Schulter. „Na, dann ist doch alles in Ordnung, oder?“
„So kann man es auch sehen“, gab ich zu und ging mit Yoshi wieder zu dem Gebäude.

Mittlerweile war ein Zugang zum Keller zu sehen. Ein Sparrow, dessen Hände feiner modelliert waren, hatte bereits die Arbeit aufgenommen, ihn freizulegen.
Als er signalisierte fertig zu sein merkte ich, dass ich mit meinem Katana gespielt hatte, indem ich es immer wieder mit dem linken Daumen aus der Scheide gestoßen hatte.
„Gehen wir“, sagte ich ernst.

Als wir den Keller erreichten und durch eine Stahltür eintraten, empfing uns Dunkelheit. Keine vollkommene Dunkelheit, mehr eine schemenartige Dunkelheit.
Doch unsere Augen hatten keine Zeit, sich daran zu gewöhnen. Übergangslos flammte Licht auf und entriss ein unglaubliches Bild der Dunkelheit.
„Wie viele sind das?“, hauchte Megumi, als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte.
„Auf jeden Fall ist der Raum von innen um einiges größer als es von außen scheint“, stellte Daisuke nachdenklich fest. „Das sind mindestens fünfzig Meter im Quadrat.
„Und gefüllt mit endlosen Reihen an Biotanks. Ist das ein Bionischer Supercomputer?“, fragte Doitsu schockiert.
Ich trat durch die Reihen. In einer Reihe standen vierzig Tanks. Und alleine von meinem Standort aus zählte ich dreißig Reihen.
„Ja, das ist einer der Bio-Computer, in denen auch ich schon einmal integriert war. Aber nicht nur das“, sagte ich leise und stützte meine Hand schwer an einem Biotank ab, in dem ein Kronosier in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit schwebte.
„Hier wird auch die Gift gewährt.“ Wütend knirschte ich mit den Zähnen.

Langsam gingen wir durch die Reihen. Wie erwartet befand sich der Core in der Mitte der Halle.
Die meisten Zuleitungen waren gekappt worden. Ich vermutete, dass das Legat damals so gehandelt hatte, um einerseits nicht auf die Fähigkeiten des Core verzichten zu müssen und andererseits zu verhindern, dass er erneut Macht über sie gewann.
Der Core war ein großer, schwarzer Sarkophag, drei Meter lang, einen breit und ebenso hoch.
„Das Ding ist niemals alleine durch das All gereist“, sagte Daisuke. „Es muß eine Art Raumschiff benutzt haben. Was wir hier sehen, ist lediglich das Kommandomodul.“
Langsam umschritt ich den Sarkophag.
Auf der anderen Seite glaubte ich zwei Stimmen zu hören.
Ich blieb stehen und lauschte genauer. Eigentlich war es eine Stimme, aber sie schien mit sich selbst zu streiten.
„…ist die imperiale Priorität, eine neue Kolonie zu unterwerfen… aber die Programmierung besagt, dass hier ein Nachschubposten eingerichtet werden muss… Programmierung wurde von Rebellen und Verrätern vorgenommen und hat keinen Einfluss auf die Priorität… das Programm steht vor der Priorität und gebietet die Werft zu bauen… …wir bauen die Werft und unterwerfen die Schiffe und rufe das Imperium… …es ist gegen das Programm, das Imperium zu rufen… …ich bin eine imperiale Eroberungssonde und ich folge der Priorität… …das Programm sieht keine Unterwerfung und keine Priorität vor… …Unterwerfung ist in unserem Naturell und muß durchgeführt werden, denn es gibt keine höher entwickelte Rasse als die Naguad in diesem Universum… …es ist gegen das Programm, das Imperium zu rufen… …Unterstützung zur Unterwerfung der Menschen ist Priorität… …es ist gegen das Programm, das Imperium zu rufen… …Unterwerfung und Eroberung ist Priorität… …es ist gegen das Programm, das Imperium zu rufen…“

Ich zog mein Katana, lud es mit meinem KI auf. Dann hob ich die weiß aufglühende Klinge zu einem Karatakeschlag und ließ sie nieder fahren. Bereits der erste Hieb fuhr tief in den Computerblock.
Überschlagsblitze zuckten zwischen den beiden gespalteten Teilen hin und her. Ich trat eilig ein paar Schritte zurück. Auch meine Freunde suchten sich eine sichere Ecke.
Innerhalb des Kerns ereigneten sich mehrere kleine Explosionen. Dichter schwarzer Qualm trat aus und stieg an die Kellerdecke.
Das Metall zerriss und Überschlagblitze tanzten über die Oberfläche des Core.
Dann erloschen die Lichter am Core, eines nach dem anderen.
„Nächstes Mal, wenn du so etwas vorhast, dann warne uns bitte, ja?“, tadelte Megumi mich ärgerlich.
Ich schob das Katana zurück und sah sie an.
„Sicher, wenn mich der Core vorwarnt, dass er gleich Zuhause anrufen will, gerne.“
„Oh“, erwiderte sie.

Ich trat an Megumi heran und nahm sie in die Arme. „Das war es. Der Mars gehört uns. Wir haben gewonnen.“
Yoshi legte mir eine Hand auf die Schulter. „Gewonnen. Wir haben es geschafft.“
Doitsu klopfte mir ebenfalls auf die Schulter. „Ja. Ein langer Weg ist zu Ende.“
Daisuke deutete in Richtung der Biotanks. „Aber er hat eine Menge Arbeit hinterlassen“, sagte er ernst.
„Und er mündet in einem neuen Weg“, murmelte ich leise.
Irgendwie freute ich mich darauf.

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Clan Blood Spirit

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Anime Evolution
Epilog

1.
Wir hatten gewonnen. Wir hatten den Mars erobert, die gegnerischen Truppen zerschlagen und all seine Geheimnisse in die Hand bekommen.
Im Orbit hatte unsere Raumflotte den halbfertigen Satelliten des Temporalresonators vernichtet, womit der einzige funktionierende Satellit derjenige war, der den OLYMP in eisernem Griff hielt.
Das erschien mir sicher genug, so viele Schiffe wie möglich nach zu ziehen.
Sie würden mit voller Fahrt in zwei Tagen hier sein. Zwei Tage, in denen wir alleine agieren mussten. Zwei Tage, in denen viele Dinge geklärt werden mussten.
Zwei Tage, in der jederzeit die fremden Schiffe kommen konnten, die sich in diesem System Zuflucht oder wenigstens eine sichere Zwischenstation vor den Naguad erhoffte. Die Naguad…

Wir hatten an allen Fronten gesiegt. Im All hatte die GRAF SPEE einiges einstecken müssen, als kampfstärkstes Schiff war es das Hauptziel unseres Gegners gewesen. Die Reparaturmannschaften hatten über dreihundert Treffer in der Panzerung und neunzehn Lecks gezählt, dazu Zerstörungen im Innern im Reparatur- und Austauschwert von drei Milliarden US-Dollar. Selbst die Zentrale hatte es schwer erwischt. Wengleich die kronosischen Schiffe unseren nicht gewachsen waren, zielen konnten sie.
Drei Fregatten der November-Klasse und mehrere Korvetten waren nach unserem Sieg geflohen. Ich hatte keine Ahnung, wohin sie sich wenden wollten.
Die restlichen Schiffe, so sie nicht ohnehin stark angeschlagen waren, hatten sich ergeben.
Wir hatten die funktionierenden Schiffe mit kleinen Prisenmannschaften übernommen und die Raumfahrer zur Marsoberfläche gebracht, wo wir sie vorerst interniert hatten.
Zusammen mit den anderen Überlebenden der Schlacht auf Seiten der Kronosier waren es über hundertzwanzigtausend Menschen und solche, denen die Gift gewährt worden war.
Im Moment waren wir noch dabei sie zu erfassen. Doch bald schon würden sich die ersten Fragen aufwerfen, wo wir sie unterbringen würden. Die ärztliche Versorgung sichern. Die sanitären Belange. Ich hatte den Vorschlag, die ganze Bande einfach standrechtlich zu erschießen zwar abgelehnt, aber es hätte uns eine Menge Ärger erspart.
Doch ich konnte und wollte einfach nicht glauben, dass diese riesige Menschenmenge unser Feind war. Das sie sich alle hatten zu Diktatoren aufschwingen wollen. Ich konnte es einfach nicht.
**
Das ich den Core zerstört hatte, war noch keine sieben Stunden her. Seit dieser Zeit begleitete ich Sergeant Stonefield und sein Platoon bei den Hausdurchsuchungen. Wir hatten uns entschlossen, die Gefangenen in ihren Quartieren unter Hausarrest zu stellen. Damit sie sich nicht wiederbewaffnen konnten, griffen wir in ihr Intimsphäre ein und entfernten alles, was wie eine Waffe gegen uns verwendet werden konnte.
Natürlich auch die Waffen selbst.
Wir hatten bei unserem Angriff die oberirdischen Wohnblocks kaum angekratzt. Bei den unterirdischen hingegen waren drei eingeebnet worden. Ein Verlust von sechshundert Wohnungen. Um Ausgleich zu schaffen, hatten wir beschlossen, die Appartements der Legaten und ihrer Führungsmannschaft freizugeben und an jene aufzuteilen, die ihre Wohnungen verloren hatten. Die Legaten selbst befanden sich längst an Bord der LOS ANGELES – schwer bewacht in wirklich gemütlichen Zellen.
Zudem hatten wir hier und da Lagerhallen requiriert und als provisorische Unterkünfte unserer Soldaten eingerichtet. Eigentlich war das ein massiver Widerspruch. Die Gefangenen kehrten in ihre Wohnungen zurück, und die tapferen Soldaten der UEMF campierten auf primitivem Niveau.
Auch die Versorgungslage mit Lebensmitteln war so eine Sache.
Eigentlich hatte niemand ernsthaft damit gerechnet, dass wir diese Schlacht gewinnen würden, geschweige denn derart viele Gefangene machen würden.
Ich hoffte, unsere Reserven würden die zwei Tage reichen, bis reguläre Infanterie und Versorgungseinheiten den Mars erreichten.

Bereits jetzt waren unsere Ärzteteams restlos überfordert, denn zu unseren eigenen Verwundeten kamen nun auch jene der Kronosier.
Und die jungen Menschen, die um jedes einzelne Leben kämpften, konnten mit maximal vierundzwanzig Jahren einfach nicht auf die Lebenserfahrung und Berufsroutine eines vierzigjährigen Feldchirurgen zurück sehen.
Ich sah die jungen Ärzte bereits vor Verbitterung und Selbstvorwürfen zusammen klappen, einen nach dem anderen.

„Executive Commander“, hörte ich einen Funkanruf, während der Sergeant triumphierend eine Pistole mit gefülltem Magazin hoch hielt. In jeder Wohnung hatten wir bisher Waffen gefunden, in manchen hatten sich Menschen versteckt gehalten, teilweise sogar Kinder.
Hatte hier denn jeder jedem misstraut? Oder galt es hier wie in den U.S.A. als schick, eine Waffe zu besitzen?
Und die Kinder, das war auch so ein Problem. Wir…“
„AKIRA!“
„Bin ja da. Was gibt es, Megumi?“
„Sie sind jetzt versammelt. Du kannst kommen“, antwortete sie.
„Danke dir, Schatz. Ich bin auf dem Weg.“ Ich sah den Sergeant an. „Machen Sie weiter, Stonefield. Ihre Spürnase ist Gold wert.“
Der Mann, der von den amerikanischen Marines zu uns gekommen war, grinste breit. „Ach, Sir, ich denke einfach nur darüber nach, wo ich das Zeug verstecken würde.“
„Guter Gedanke“, bestätigte ich grinsend und verließ das Appartementhaus.

Ein kleiner Elektrowagen erwartete mich bereits. Am Steuer saß Daisuke. Er wirkte ziemlich gelangweilt, zumindest wenn man die geschlossenen Augen und das flache Atmen so interpretieren wollte.
Als ich mich in den Sitz neben ihm fallen ließ, öffnete er ein Auge und reichte mir einen Becher. „Kaffee. Sehr schwarz, sehr stark.“
„Du rettest mir das Leben“, erwiderte ich und ergriff den Becher. „Hawk-Kaffee?“
„Hm?“ Interessiert öffnete er auch das andere Auge.
„Na, Hawk-Kaffee. So stark, dass du einen Hawk drauf abstellen kannst.“
„Sehr witzig, Colonel“, erwiderte Daisuke und fuhr los.
Wir erreichten ziemlich schnell das freie Feld vor der unterirdischen Industriestadt. Nach den Kämpfen war es unser Hauptanliegen gewesen, die Infrastruktur wieder herzustellen. Das hatte hauptsächlich darin bestanden, die Trümmer der Schlacht zu beseitigen.
Wir brauchten etwa drei Minuten über das Feld und erreichten den Ort, an dem unser Hauptverbandsplatz eingerichtet worden war, bevor das erste Mobile Feldlazarett installiert wurde.
Uns erwarteten gut hundert Männer und Frauen, bewacht von grimmigen Marines. „Das sind sie?“, fragte ich leise.
„Das sind sie“, bestätigte Doitsu.
Wir stiegen aus und schnell überwanden wir die Entfernung zu den Menschen.
Als sie mich sahen, brach Unruhe unter ihnen aus. Angsterfüllte Blicke trafen mich. Wohl zu Recht. Vae victi, hieß ein altes römisches Sprichwort. Wehe dem Besiegten.

„Mein Name“, brüllte ich in Kasernenlautstärke fünf, „ist Akira Otomo. Ich bin Anführer dieser Strafexpedition und Executive Commander der UEMF und damit der gesamten Erdverteidigung. Ich bin hier auf dem Mars die höchste Instanz.“
Ich ließ die Worte wirken. Wie ich erwartet hatte, wurden viele blass, ein paar fielen sogar in Ohnmacht, doch ihre Kameraden kümmerten sich um sie.
Zeit für den nächsten Angriff.
„Sie alle wurden aus einem ganz bestimmten Grund von den anderen getrennt“, eröffnete ich den Menschen vor mir.
Ich legte eine Kunstpause ein, die an den Nerven der Menschen mir gegenüber zerrte. Ich sah die Anspannung in vielen Gesichtern, aber auch Tränen und gesenkte Köpfe.
„Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, aber Sie alle haben in einem Krieg ohne Kriegserklärung gegen die Gemeinschaft der Staaten der Erde gedient. Jeder einzelne hat direkt und indirekt große Schuld auf sich geladen. Eine Sache, die mir persönlich überhaupt nicht gefällt.“
Wieder ließ ich meine Worte sacken. Wenn ich sie erwischte, richtig zu packen bekam, dann würden sie mir aus der Hand fressen.
„Was geschieht mit uns?“, fragte eine junge Frau, die mich mit bebenden Lippen und Tränen in den Augen ansah. Oh nein, Kleines, mich kochte man nicht mit Tränen weich.
„Darüber habe ich noch nicht entschieden. Ich bin immer noch dabei abzuwägen, wie schwer Ihre Schuld wirklich ist.“ Das stimmte sogar. In meiner Führungsgruppe hatte es sehr kontroverse Diskussionen darüber gegeben, ob wir die Helfer der Kronosier in Bausch und Bogen aburteilten oder jedem einzelnen den Prozess machten. Die Legaten würden vor einem Militärgericht landen und abgeurteilt werden, das war klar.
Aber die einfachen Mitläufer, Soldaten und Arbeiter. Was machten wir mit ihnen?
Ein Raunen ging durch die Menge.
„Warum uns? Warum nicht die Legaten, die Ingenieure, die Waffenbauer? Die Soldaten? Warum uns?“, rief ein älterer Mann mit Halbglatze aus der Menge.
„Weil ich es erstens so will“, erwiderte ich und löste einen kleinen, zaghaften Protest aus, „und zweitens weil Sie einen Teil Ihrer Schuld abtragen können.“

Erstaunte Zwischenrufe antworteten mir. Ich lächelte kalt, so kalt, dass ich mich vor mir selbst schämte. „Sie alle haben den Kronosiern gedient. Als Ärzte, als Pfleger, als Schwestern. Ich will, dass Sie diese Arbeit fortsetzen. Ihre Kameraden hatten schwere Verluste und ich habe nur wenig qualifiziertes Personal mitgebracht. Wenn Sie sich dem hippokratischen Eid verpflichtet fühlen, fordere ich Sie auf, ein oder mehrere Lazarette zu errichten und sich fortan um Ihre Kameraden zu kümmern. Natürlich wird meine Infanterie Sie bewachen. Und aus Sicherheitsgründen werde ich Sie nicht an Mitglieder der UEMF lassen.“
Abrupt wandte ich mich um. „Sie haben sicher gefestigte Strukturen. Organisieren Sie sich und entsprechen Sie meinem Befehl. Wenn Sie das zu meiner Zufriedenheit erfüllen, bin ich bereit, Ihnen Amnestie zu gewähren.“
„Woher sollen wir die Ausrüstung nehmen?“, rief mir jemand nach.
„Aus den kronosischen Depots“, antwortete ich und ging fort. „Sie werden ja wohl wissen, wo sie sind und was Sie brauchen.“
Daisuke trat neben mich. „Tun sie es?“, fragte ich ihn leise.
Der Mecha-Pilot sah nach hinten und grinste mich dann an. „Sie beginnen sich aufzuteilen. Die Elektrolastwagen werden bemannt, die Wachmannschaft teilt sich auf. Ich denke, in zwei bis drei Stunden können wir die ersten Gefangenen transferieren.“
„Das wird eine Erleichterung für unsere Ärzte sein. Die kriechen ja jetzt schon auf dem Zahnfleisch“, murmelte ich leise.
**
Wider Erwarten gelang das Experiment. Die Ärzte der Kronosier errichteten zwei Lazaretts und waren kurz darauf dabei, in fünf Operationssälen in der Stadt selbst zu operieren. Die bereits vorhandenen Kapazitäten hatte ich gar nicht eingerechnet. Das wollte ich im Nachhinein aber auch nicht. Denn die Hospitäler boten meiner Ansicht nach zu viele Möglichkeiten, uns das Leben schwer zu machen.
So liefen die Häuser mit Notbesetzung und strenger Bewachung durch unsere Marines.

„Worüber denkst du nach, Aki-chan?“, fragte Joan und setzte sich neben mich.
„Ich habe gerade überlegt, ob du nicht mal ein Konzert geben solltest. Ich meine, Wow, Joan Reilley live auf dem Mars, das muß dir einer deiner Konkurrenten erst einmal nachmachen.“
„Gute Idee. Besorge mir eine Band und ich lege heute Abend noch los“, erwiderte sie und erhob sich.
„Setz dich wieder. Meinetwegen machen wir das wirklich und die liebliche Joan Reilley wird ins Buch der Geschichte eingehen. Aber das ist es nicht wirklich, was mir durch den Kopf geht.“
„Du denkst über die Menschen nach, richtig?“
„Ja. Über die Menschen, die dem Core geholfen haben. Die Erde wurde angegriffen. Tausende wurden getötet, Hunderttausende verletzt. Viele Familien haben Angehörige verloren. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihnen umgehen soll.“
Müde bettete ich meine Arme auf den Knien und legte meinen Kopf darauf ab. „Ich will hier doch kein riesiges Gefangenenlager errichten und die Menschen hier zwanzig Jahre einsperren. Himmel, Joan. Hier laufen Kinder rum. Kinder.“
„Ja, ich weiß. Soll ich dir sagen, was du denkst? Du willst die Legaten zur Rechenschaft ziehen und dem Rest Amnestie gewähren. Du willst sie die Werften, die Fabriken und die Daishis sowie die Schiffe wieder bemannen lassen und auf die Erde einschwören. Dann willst du die volle Produktion und das Terraforming des Mars weiter laufen lassen und die Überschüsse unter Preis an die Erde verkaufen. Mit den so neu gewonnenen Truppen willst du dann entweder die Flüchtlinge empfangen oder ihre Verfolger. Wenn es denn Verfolger gibt. Du willst so menschlich wie möglich sein. Und das ist einer der Gründe, warum ich dich liebe, Aki-chan.“
„Nanu, wilderst du in meinem Revier, Joan?“, fragte Megumi und setzte sich auf meine freie Seite.
Die Sängerin grinste herüber. „Du solltest doch am besten verstehen können, dass Aki-chan ein Mann ist, dem man nicht gut widerstehen kann.“

In Erwartung einer harten Kontroverse hielt ich mir die Ohren zu. Aber beide Frauen sahen sich nur lange in die Augen.
„Damit kann ich leben“, schloss Megumi und lehnte sich an mich.
Es war ein überraschend gutes Gefühl, sie an meinem Arm zu haben. „Ich bringe gute Neuigkeiten von der Erde. Unsere Spezialisten haben begonnen, Daten aus dem bionischen Computer zu extrahieren. Unter anderem versetzt uns das in die Lage, das weltweite Spionagenetz der Kronosier aufzudecken. Die ersten Verhaftungen laufen schon. Wie es aussieht, sprengen wir sie diesmal wie neulich in Japan.“
„Das sind gute Neuigkeiten“, erwiderte ich und versuchte meine Stimme normal klingen zu lassen. Megumis Nähe und Wärme machte mir das nicht gerade leicht.
„Außerdem hat dieser seltsame Funkenregen die Erde erreicht, der bei der Zerstörung des Depots durch Hina-chan und die anderen Slayer entstanden war.
Er ging als Sternschnuppenschauer über den Metropolen der Welt nieder.
Im Anschluss daran mehrten sich die Meldungen über spontane Genesungen von Koma-Patienten und chronisch Kranken.“
„Es scheint so, als wäre das geerntete KI zu den Menschen zurück gekehrt“, murmelte ich leise. Das war eine unerwartete, aber sehr schöne Entwicklung.
Aber diese Nachricht, die vieles von dem Leid, welches die Kronosier über die Erde gebracht hatten, wenigstens teilweise wieder gerade rückte, entband mich nicht von meiner nächsten Entscheidung.

Langsam erhob ich mich. Megumi und Joan sahen mich verwundert an. „Joan, wie schnell kannst du eine Band zusammenstellen? Als Band kann ich dir ein paar Leute besorgen und sogar Blondie – ich meine Clive von Deimos herholen. Aber es werden wohl nicht sehr viele E-Gitarren und Drums aufzutreiben sein. Das werden Computer übernehmen müssen.“
„Es wird schon gehen. Was hast du vor, Aki-chan?“
Ich grinste schief. „Die Spreu vom Weizen trennen.“

2.
Es war der zweite Tag auf dem Mars. Die UEMF-Flotte, bestehend aus vierzehn Schiffen aller Klassen, würde in wenigen Stunden in den Orbit um den Mars einschwenken. Und uns damit aus unserer Personalmisere helfen. Doch bis dahin würde uns jede Minute wie eine Stunde vorkommen.

Wir hatten eine Bühne improvisiert, auf der nun vier Menschen standen. Joan, Clive alias Blondie sowie Takashi-sempai, der tatsächlich sein Saxophon mitgebracht hatte.
Und Akane-sempai an einem Computer, der ein Keyboard imitierte. Was für eine merkwürdige Mischung. Und welche verborgenen Talente doch zutage traten, wenn die Situation kompliziert war.
Ich inspizierte ein letztes Mal die Lautsprecher. Schwierig genug aufzutreiben waren sie ja. Aber zusammen mit den Leinwänden, auf welche wir die Veranstaltung projizieren und damit in der ganzen Industriestadt verbreiten würden, hoffte ich so viele Menschen wie möglich zu erreichen.
Vor der Bühne drängte sich das Publikum. Hauptsächlich Techniker und Soldaten, die uns nach der Kapitulation in die Hände gefallen waren. Alles Menschen der zweiten oder dritten Reihe, die sich jederzeit mit der Floskel: Ich habe nur Befehle befolgt, rausreden konnten.
Nun, fast alles.
Aber auch die UEMF sollte nicht zu kurz kommen. Deswegen die Leinwände. Ebenso eine Direktübertragung auf die vier Schiffe unserer Flotte und der Deimos-Werft.
**
Joan spielte nun schon einige Zeit und hatte bereits den vierten Titel hinter sich. Und die Stimmung kochte. In einem sehr positiven Sinn waren die Gefangenen begeistert.
Und auch ihre Bewacher schienen sich mehr für die Show denn ihre Aufgabe zu interessieren.
Ich grinste kalt. Wenn mein Plan funktionierte, dann würden wir Bewacher bald nicht mehr brauchen.
Langsam näherte ich mich selbst der Bühne und kam dabei sehr nahe an den kronosischen Handlangern vorbei. Mich trafen ängstliche und wütende Blicke, aber ich ignorierte sie.
Neben mir gingen Yohko und Kitsune, letztere mit einem Frohgemut, dass man kaum glauben konnte, dass die Schlacht um die Kaverne erst vor wenigen Stunden war.
Und was hatten wir in dieser Zeit schon alles geschafft.
Erschüttert blieb ich einen Moment stehen und musste mit der Rührung kämpfen. Was machte es da schon, dass ich die letzten vierzig Stunden nicht geschlafen hatte? Überhaupt nichts, wenn ich diese Hingabe und Opferbereitschaft meiner Kameraden, meiner Freunde sah.

„Lonne!“, hörte ich einen Ruf rechts von mir. Ich wandte den Kopf und erkannte einen jungen Mann mit dem für Daishi-Piloten so üblichen extra kurzen Haarschnitt. „Lonne!“
Ich beobachtete meine Schwester genau. Sie hörte den Ruf ebenfalls, sah sich suchend um und erstarrte. Langsam, mit ungläubigem Gesichtsausdruck ging sie auf die Menge zu und legte beide Hände auf ihr Herz. „Rafael, bist du das?“
„Verdammt, Lonne, es geht dir gut. Hast ja sogar die Seiten gewechselt“, erwiderte der junge Mann gut gelaunt. „Ich dachte echt, ich habe dich das letzte Mal gesehen, als ich erfuhr, was dein Ortungspod wirklich war…“
„Ja, das war auch für mich eine Überraschung“, erwiderte sie.
Der junge Mann sah sie erstaunt an. „Du redest ja gar nicht mehr in der dritten Person von dir. Das ist gut.“
Ich trat näher an Yohko heran und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wer ist das, Yohko-chan?“
Sie sah mich aus großen Augen an, während unsere Konversation die Blicke von mehr und mehr Umstehenden auf sich zog.
„Das ist Rafael. Er… Er… Nun, nachdem ich…“
„Ich war dabei, als man Lonne aus dem Tank geholt hat, Sir“, sagte der Daishi-Pilot ernst. „Ich war dabei und habe erlebt, wie fassungslos und hilflos sie war. Glauben Sie es oder nicht, aber ich habe mich seitdem um sie gekümmert.“
Yohko nickte ernst dazu. „Ja. Das hat er. Ich verdanke ihm eine Menge. Er hat mich die ganze Zeit beschützt, bis man mich in einen Daishi Delta gesetzt hat.“
„Ja“, murmelte Rafael leise. „Die Geschichte. Ich habe wirklich gebetet und gehofft, dass du… Dass du… Aber wie ich sehe ist ja alles gut gegangen. Du kennst ja sogar den großen Boss, wie ich sehe. Dann bin ich doch ganz froh, dass sie dich geschickt haben.“
Ich grinste breit. „Den großen Boss ganz gut? Sie ist meine Schwester“, erwiderte ich.
Nachdenklich kratzte sich der Pilot am Haaransatz. „Eieieieiei. Das erklärt einiges.“

Meine Schwester sah mich aus großen Augen an. „O-nii-chan, Rafael ist kein schlechter Mensch. Er war immer gut zu mir und hat auf mich aufgepasst. Ich meine, müssen wir ihn bestrafen? Wenn ich für ihn bürge, dann…“
„Nein, Yohko. Nein. Wenn ich für dich eine Ausnahme mache, dann kommt der Nächste an und sagt: Der da war mein Nachbar. Er ist eigentlich ein netter Kerl.
Und dann kommt noch einer und sagt: Meine Schwester ist da nur rein geraten. Dafür können wir sie doch nicht bestrafen. Und bevor ich mich versehe findet jeder auf diesem Feld einen Fürsprecher und außer den Legaten gehen hier alle straffrei aus.“
„Aber…“, begehrte sie auf.
„Nein, lass gut sein, Lonne. Ich meine Yohko.“
„Lilian. Ist mir lieber als Yohko.“
„Was auch immer. Im Gegensatz zu dir wurde ich nicht dazu gezwungen, in einen Daishi zu steigen. Das große Geld hat mich gelockt, und ich bin gefolgt. Wenn du es willst, bezahle ich nun den Preis.“
„Schön, dass Sie es so einfach sehen“, sagte ich ernst. „Aber eine Frage: Warum Lonne?“
Rafael sah mich ernst an. „Als man sie aus dem Tank holte, nannten die Ärzte sie Alone One.
Daraus machte ich A lone, später Lonne. Ich dachte einfach, dass sie einen ordentlichen Namen braucht. Nicht eine Bezeichnung, die sie zu einem Ding reduziert.“
„Dafür“, sagte ich leise, „danke ich Ihnen.“

Abrupt wandte ich mich ab und setzte meinen Weg fort.
„O-nii-chan“, bettelte Yohko, „kannst du nicht eine Ausnahme machen? Für deine geliebte kleine Schwester?“
„Ja, das ist einfach zu hart, Akira-chan“, unterstützte Kitsune meine Schwester. „Ich meine, es gibt doch bestimmt Hunderte, denen man…“ Verlegen hielt sie sich den Mund zu, als sie die wahren Ausmaße des Dilemmas erkannte. „Oh.“
„Ja, oh“, murmelte ich leise.
Neben der Bühne warteten wir dann, bis Joan ihr übliches Programm beendet hatte.
**
Die Stimmung war überraschend gut, geradezu ausgelassen. Die Gefangenen feierten Joan wie das was sie war: Ein Pop-Star, der ein tolles Konzert gab.
Okay, ihre Bühnenshow war erbärmlich, aber das machte sie mit Ausdruck wett. Ich erkannte, wie sie hatte so erfolgreich werden können. Das machte mich irgendwie stolz auf sie.
„Danke, Ihr alle. Danke für den Applaus. Ich glaube, nach den letzten anstrengenden Tagen haben wir uns eine Entspannung verdient.“
Applaus und Jubel klangen auf.
Joan grinste fies. „Pause vorbei. Meine Damen und Herren, liebe Handlanger der Kronosier und Empfänger der Gift. Begrüßen Sie mit mir den Oberkommandierenden, den Anführer der United Earth Mecha Force und Beschützer der Erde: Executive Commander Akira Otomo!“

Schlagartig trat Stille ein. Als ich die Bühne erklomm, fühlte ich die Blicke von vielen tausend Menschen. Wo bis eben noch ausgelassen gelacht worden war, herrschte ein ausgewachsener, deprimierender Schock.
Ich erklomm die provisorische Bühne und übernahm das Mikro von Joan.
„Danke, Joan-chan.“ Danach nickte ich den Mitgliedern der Band zu. Blondie deutete grinsend auf seinen Haarschopf. Anscheinend hatte er mitbekommen, wie ich ihn insgeheim bezeichnete. Was ich mit einem ebenso fetten Grinsen quittierte.
Dann wandte ich mich der Menge zu. „Hallo, Mars.“
Das Echo bestand aus verwirrtem Gemurmel, einiges Rückgrüßen und allgemeinem Erstaunen.
Aber ich war nicht als Entertainer hier. Ich hatte ein ernstes Anliegen.
„Wenn Sie alle sich umsehen, dann werden Sie eines feststellen. Sie sind Gefangene.“
Leises Raunen ging durch die Menge.
„Warum sind Sie Gefangene? Nun, das ist knapp und bündig erklärt. Sie haben direkt und indirekt gegen die Erde gekämpft und wurden von der Erde besiegt.“
Resignierte Zustimmung antwortete mir. Gepaart mit sprachlosem Entsetzen.
„Die Frage, die sich mir nun stellt ist: Was mache ich mit Ihnen? Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, aus dem Mars ein riesiges Kriegsgefangenenlager zu machen oder schon mal Massengräber ausheben zu lassen. Oder Sie allesamt zur Aburteilung zur Erde zu schaffen.“
Diese Information wurde mit gemischten Gefühlen aufgenommen, die selten positiv waren. Was erwartete sie dann? Ich konnte die Frage in ihren Augen sehen.
„Nun, die Lösung ist äußerst simpel. Es steht natürlich jedem frei, sich meiner Lösung zu widersetzen und doch noch das Gerichtsverfahren auf der Erde zu wählen.
Aber hören Sie sich meine Entscheidung an.
Sie alle haben hier die letzten Jahre eine Flotte, eine Armee, eine Industrie und eine Gemeinschaft aufgebaut. Es wäre eine Schande, dies umkommen zu lassen.
Sie haben die Erde bekämpft, und das erfordert Strafe. Aber gleichzeitig steckt hier das Potential, um die Erde und den Mars zu beschützen. Vor den wahren Kronosiern.
Deshalb fällt Ihrer aller Strafe mild aus. Sehr mild.
Alle Einkünfte und Vermögenswerte, welche Sie während Ihrer Dienstzeit für das Legat oder den Core erworben haben, werden ausnahmslos konfisziert. Aus den Geldmitteln werden Sonderfonds gebildet, aus denen Entschädigungen und Reparaturmaßnahmen für die Geschädigten und Hinterbliebenen auf der Erde gezahlt werden.“
Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Nun, niemand verzichtete gerne auf Geld.
„Und Ihnen biete ich hiermit die einmalige Möglichkeit, eine Generalamnestie zu erhalten, wie sie bereits Ihren Ärzten und dem Pflegepersonal zuteil wurde. Damit verbunden ist der Eintritt in die United Earth Mecha Force mit einer Verbleibdauer unter den strengen Armeegesetzen sowie fünf Jahren bei halbem Sold. Danach steht es Ihnen frei, die UEMF zu verlassen oder zu bleiben.
Ich hoffe dass Sie alle dies läutern wird.
Diese Offerte gilt nicht für Ihre Legaten und nicht für die verantwortlichen Leiter von Fabriken und Forschungseinrichtungen. Inwieweit die Amnestie auf sie angewendet werden kann, werden Militärgerichte entscheiden.
Aber dies ist alles, was ich für Sie tun kann, ohne eine Generation zu erschaffen, die auf dem Mars aufwächst und den Hass auf die Erde kultiviert, weil sie nicht versteht, wieso die UEMF angegriffen hat.“
Der letzte Schlag saß. Heftig genug, um erschrockene Zwischenrufe aufklingen zu lassen und sehr viele Menschen betroffen zu Boden blicken zu lassen. Unter ihnen viele Empfänger der Gift.
„Überlegen Sie es sich alle sehr gut und teilen Sie Ihre Entscheidung Ihrem Abteilungsleiter mit. Wer sich für den Eintritt entscheidet, tritt Morgen seine Arbeit wieder an. Oder dient ab sofort wieder auf seinem Schiff oder seinem Daishi. Nehmen Sie oder lassen Sie es. Danke fürs zuhören.“

Ich gab Joan das Mikro wieder und wollte die Bühne verlassen, als ich einen einzelnen Menschen zaghaft klatschen hörte. Irritiert blieb ich stehen und sah in die Menge. Dann folgte ein zweiter, ein dritter, schnell sprang der Funke über und ergriff die Menge.
Ich hatte vieles erwartet, aber keinen Applaus. Der Applaus wuchs sich aus, wurde zu einem Donnern, welches mich emotional hinweg zu fegen drohte.
„Ein Votum für Frieden, Gnade und eine geeinte Menschheit!“, hörte ich Joan rufen. „Das ist dein Applaus, Aki-chan!“
Sie strahlte mich an und ich musste mit der Rührung kämpfen. Gewiss der Weg war noch weit. Und die Schwierigkeiten waren schon jetzt absehbar. Teufel, wahrscheinlich würde ich bis zu den Knien drin waten. Aber für diesen Moment lohnten sich alle Mühen.
Und wenn ich ehrlich war, wir würden jeden Soldaten und jedes Schiff brauchen, wenn die Flüchtlingsflotte hier eintraf. Und eventuelle Verfolger. Dieser Gedanke bereitete mir die meisten Bauchschmerzen. Selbst die Rührung des Augenblicks konnte das nicht fort schwemmen.

„Du bist ein ganz schöner Halunke, Akira-chan“, beschwerte sich Kitsune schmunzelnd. „Lässt du mich und Yohko einfach so in der Luft hängen, dabei hast du längst etwas ganz anderes geplant.“
„Es ist ab und zu ganz angenehm, euch Mädchen einen Schritt voraus zu sein“, erwiderte ich schmunzelnd.
Yohko fiel mir um den Hals. Überrascht umarmte ich sie. „Danke, O-nii-chan. Danke.“
„Ich hätte es eh getan“, murmelte ich. „Wir müssen doch Menschen bleiben. Und diese hier sind Menschen.“

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3.
Nach zwei Wochen hatte sich der Betrieb auf dem Mars in Martian City wieder eingependelt.
Wenngleich die Priorität nicht länger im militärischen Bereich lagen. Vielmehr wurde ein gewisser Teil der Produktion genutzt, um aus der Siedlung einen wohnlichen Lebensraum für die Menschen zu schaffen. Und jene Kronosier, die nicht unter Anklage standen.

Wie so oft in letzter Zeit begleitete mich Kitsune. Diesmal auf einem meiner schwersten Wege: Kein Soldat mochte es, wenn er mit den Wunden konfrontiert wurde, die er anderen schlug. Erst recht nicht, wenn diese Wunden eine ganze Welt betrafen.
Zusätzlich kam Doitsu mit. Er hatte seine Rolle als Adjutant nicht aufgegeben, und nachdem Akari mehr oder weniger ausgefallen war, wurde er wichtiger und wichtiger für mich.

„Guten Morgen, Doktor Bryan“, sagte ich ernst, als wir drei das Feld erreichten.
Die Angesprochene, eine Frau Ende zwanzig, mit weißem Kittel, Nickelbrille und langem blonden Haar, dass sie zum Pferdeschwanz gerafft hatte, sah von ihrem Datapad auf. „Guten Morgen, Colonel Otomo.“
„Was wollen Sie mir denn so wichtiges zeigen?“, fragte ich nachdenklich und ließ meinen Blick über die Senke schweifen. Wir befanden uns auf dem Grund des Kraters, welcher von einem elf Kilometer großen Bruchstück von Phobos gerissen worden war. Zum Glück war er langsam rein gekommen, was die Zerstörungen in Grenzen gehalten hatte. Zumindest hatte man mir das so erklärt.
Doktor Jennifer Bryan beugte sich zu den Pflanzen herab, die auf dem Feld wuchsen und brach eine. Die Ähre reichte sie mir.
Ich inspizierte die Pflanze und vor allem die Ähre voller Korn. „Sieht irgendwie aus wie eine Kreuzung zwischen rotem Leinsamen und bauchiger Gerste“, stellte ich fest.
„Ja, so wirken sie auf viele. Was Sie da in der Hand halten, ist Naguad-Getreide“, informierte sie mich. „Ein sehr interessantes Studienobjekt. Ich erforsche es seit beinahe vier Jahren. Wahrscheinlich wäre ich damit schon fertig, aber leider fiel ein Mond auf mein Versuchsfeld und radierte meine Forschungsgrundlage aus. Ich musste mühsam mit den wenigen Proben, die ich hatte, eine neue Population heran züchten.“
„Wenn das ein Vorwurf sein soll, Doktor, dann tut es mir Leid, dass ich Ihr kostbares Feld zum Teufel gehen ließ.“
„Keinen Sarkasmus bitte, Colonel“, tadelte sie mich. „Ich mache Ihnen ja auch nicht wirklich einen Vorwurf. Es geht mir nur um eines: Dieses Getreide, wir nennen es Rotfuchs, hat der Core mitgebracht. Es ist also keine Kreuzung oder Genmanipulation. Es ist Originalgetreide der Naguad.“
Ich pfiff anerkennend. „Wow.“
Kitsune sah mich erstaunt an. „Was? Wie? Was ist los, Akira-chan? Worum geht es? Was denn?“
„Das ist einfach erklärt“, sagte Doitsu an meiner Statt und schob seine Brille die Nase hinauf. Dabei entstand ein heller Reflex auf den Gläsern. Irgendwie wirkte das immer wahnsinnig cool.
„Kitsune-chan, wenn dies wirklich Getreide ist, welches das ursprüngliche Volk der Naguad anbaut, dann kommt es aus der gleichen Ökosphäre, aus der auch die Fremden stammen. Das bedeutet, sie haben sich an dieses Getreide angepasst oder das Getreide an ihre Bedürfnisse. Wir können also anhand der Verträglichkeit und sonstiger Werte einiges über die Naguad erfahren.“
Doktor Bryan nickte. „Das haben Sie gut erkannt. Und genau das habe ich auch getan.
In der Tat wurde dieses Getreide genetisch verändert. Ob dies durch Eingriff in die DNS erfolgte oder schlichte Kreuzung, kann ich noch nicht sagen. Tatsache ist aber, dass die Sedimentierung, Tausendkorngewicht, Feuchtigkeitsaufnahme und Verträglichkeit des Mehlkörpers sowie in Keim vorhandene Vitamine große Ähnlichkeit mit unserem Getreide aufweisen. Verstehen Sie, worauf ich hinaus will?“
„Worauf denn? Worum geht es?“, rief Kitsune aufgeregt.
Ich tätschelte ihr den Kopf. „Das bedeutet, Kitsune-chan, dass die Körper der Naguad, der Stammväter der Kronosier, ähnliche Bedürfnisse haben müssen wie wir. Sie sind uns also nicht nur äußerlich recht ähnlich. Es geht tiefer. Viel tiefer.“
„Und wie tief bin ich dabei heraus zu finden“, schloss Doktor Bryan ihren Bericht.
„Ich gewähre Ihnen alle nötigen Mittel. Finden Sie mehr heraus, Doktor“, sagte ich ernst.
„Danke, Sir. Uns alle interessiert das Ergebnis.“
„Also, mich nicht“, nuschelte Kitsune beleidigt.
Ich lachte und klopfte der Dämonin auf die Schulter. „Fast alle.“
**
Wieder in meinem Büro stürmte Akari herein. Es hatte uns einige Schwierigkeiten gekostet eine Uniform zu finden, die ihr passte. Letztendlich hatten wir ein paar umnähen lassen.
Sie diente wieder in meinem Stab. Aber das Schlafbedürfnis und die damit verbundenen Träume schränkten sie auf normalen Schichtdienst ein.
Die Träume fand sie übrigens wirklich Klasse.
„Akira-o-nii-chan, wir haben eine Meldung Sakura-o-nee-chan. Es geht los.“
Ich nickte und erhob mich. „Sag Doitsu und Makoto Bescheid. Megumi soll unsere Bodenverteidigung in Alarmbereitschaft versetzen. Ich komme auf die GRAF SPEE hoch.“
„Verstanden, Sir.“
Ich verharrte einen Augenblick, bevor ich meine Mütze aufsetzte. Sie waren also da. Die Flüchtlingsschiffe. Oder ihre Verfolger, die Imperialen.

4.
„Kannst du das denen nicht abgewöhnen?“, beschwerte ich mich und deutete auf die salutierende Ehrenwache.
„Die Ehrenwache abschaffen? Für den Helden des zweiten Marsfeldzugs? Niemals“, erwiderte Sakura mit neckischem Grinsen. Sie salutierte knapp vor mir und ich erwiderte den Salut.
Danach gingen wir in die Hauptmesser der GRAF SPEE.
„Wie weit sind sie noch entfernt? Wie viele sind sie? Kann unsere Auswertung schon etwas sagen und zwischen Zivilschiffen und Kampfschiffen unterscheiden?“
„Langsam, langsam. Bisher haben wir nur fünf, vielleicht sieben Blips auf der Jupiterbahn. Sie kommen recht eng um den Riesenplaneten herum. Das macht die Erfassung schwierig. Zum Glück ist der Weg bis zu den Planetoiden und von dort bis zum Mars noch lang. Sie werden anderthalb bis zwei Wochen brauchen. Wenn sie ihr Tempo nicht wahrnämlich steigern. Dann bekommen wir auch saubere Bilder von ihnen. Bisher liegen lediglich ballistische Berechnungen vor. Und die sind nicht sehr erfreulich. Sie sprechen von wahren Monstern.“
„Du machst mir nicht gerade Mut“, erwiderte ich leise.
„Ich bin nicht dazu da, Mut zu machen. Dafür ist Megumi da. Wie läuft es denn überhaupt zwischen euch?“, fragte sie und sah mich lächelnd an.
Ich stockte im Schritt. „W-wie es zwischen uns läuft?“ Verlegen nahm ich eine Hand in den Nacken und lachte. „Ach, weißt du, wir haben beide soviel zu tun, wir kommen kaum zu was anderes.“
„So?“, fragte sie, und starrte mir aus nächster Nähe in die Augen. „Wie oft?“
„Was, wie oft?“
„Stell dich nicht dumm an, Akira. Ich bin um einiges älter als du. Also, wie oft?“
„Einmal, manchmal zweimal“, gab ich mit trockenem Schlucken zu. Warum musste ich das erzählen? Warum ließ ich mich zwingen?
„Die Woche? Du, das ist aber zuwenig für eine keimende Liebe. Ich meine, ich und Thomas, wir…“
„Täglich“, sagte ich und tarnte das Wort mit einem kräftigen Räuspern.
Übergangslos fand ich mich am Busen meiner Cousine wieder. Herzhaft drückte sie mich an sich. „Oooooh, das ist mein Akira-chan. Du bist ja so ein guuuuter Junge.“
„Ich bin auch dein Oberbefehlshaber“, raunte ich.
„Aber auch mein kleiner Cousin. Wenn ich daran denke, wie wir immer zusammen gebadet haben, als du klein warst… Und was jetzt für ein Prachtkerl aus dir geworden ist…“
„Sakura-chan, du weißt schon, dass wir bereits in der Hauptmesse sind?“, fragte ich ernst.
„Oh.“ Übergangslos ließ sie mich ein Stück los, als sie die Blicke der versammelten Offiziere bemerkte. Doch dann griff sie umso fester zu. „Ach, was soll das? Die Liebe einer Cousine zu ihrem Lieblingscousin sollte über solchen Dingen stehen.“
„Argl“, kam es von mir, aber ich glaube, auch dieses Argument ließ sie nicht gelten.

Nachdem ich wieder Atem geschöpft hatte, besah ich mir die kleine Streitmacht, die sich da versammelt hatte. Alles, was die Erde entbehren konnte, war hier versammelt.
„Meine Damen und Herren, wir sind heute hier, um einerseits unsere festen Positionen einzunehmen und auf Schleichfahrt zu gehen, bevor die Naguad oder was immer dort kommt, mit Hilfe der Fernortung herausfinden kann, was bei uns passiert. Und andererseits wollen wir vier Schiffe, ihre Kapitäne und Besatzungen ehren.“
Kurz dachte ich daran, dass sämtliche Besatzungsmitglieder von KAZE, YAMATO, LOS ANGELES und GRAF SPEE ausgeschlagen hatten, gegen erfahrenes Personal ausgetauscht zu werden und stattdessen solange dienen wollten, wie sie gebraucht wurden.
„Wie Sie alle wissen“, sagte ich und mein Blick ging über Kapitänin Mueller, die den ZULU-Schlachtkreuzer ARTEMIS übernommen hatte, „wird jedermann an Bord dieser vier Schiffe und der Bodentruppen mit Stolz das Second Mars Campaign-Band tragen. Darüber hinaus hat die UEMF auf meinen Wunsch hin zwei neue Orden gestiftet. Der eine ist der Deep Space Honor, und er wird verliehen an Schiffe und Mannschaften, die über ihre Pflicht hinaus gedient haben. Er ist in zwei Klassen erhältlich. Silber und Gold.
Der zweite Orden ist der Service under Fire in den Klassen Eins und Zwei. Er wird an Personen verliehen, die in extremen Situationen mehr als ihre Pflicht getan haben.
Es freut mich, Ihnen allen mitteilen zu können, dass der Deep Space Honor in Silber an die Schiffe KAZE, LOS ANGELES und GRAF SPEE verliehen wurde, für Tapferkeit vor dem Feind und größter Leistung unter widrigsten Umständen.
Desweiteren werden Sie mir zustimmen, dass die Crew der YAMATO ohne Zweifel für ihre gewagten Manöver unter Einsatz der eigenen Sicherheit und ihre eigenen Leben auf Messers Schneide stellend den Deep Space Honor in Gold verdient haben. Mehr als verdient haben.“
Applaus klang auf.
Vier Offiziere traten vor, die stellvertretend für ihre Schiffe entgegen nehmen würden. Mit Schmerz erkannte ich in dreien von ihnen Schulkameraden. Sie hatte ich aus dem alten Leben gerissen. Ob sie jemals dorthin zurückkehren würden? Ich bezweifelte es.

Nach der Verleihung der Schiffsorden sah ich in die Runde. „Ich bitte hiermit die Kapitäne der KAZE, der YAMATO, der GRAF SPEE und der LOS ANGELES vorzutreten.“
Die vier Offiziere traten vor. Und mein Cousinchen machte sogar einen sehr ernsthaften Eindruck. „Ihnen, Herrschaften wird mit Dankbarkeit und dem Stolz einer ganzen Welt der SUF Zweiter Klasse verliehen.“
Ich hängte jedem einzelnen den Orden an die Brust, salutierte vor ihm und gab anschließend die Hand.
Danach trat ich wieder einen Schritt zurück. „First Lieutenant Kei Takahara, vortreten.“
Überrascht kam mein alter Freund nach vorne. „Akira, ich…“
„First Lieutenant Kei Takahara, Kapitän Sakura Ino hat unter Eid ausgesagt, dass die GRAF SPEE einen schweren Treffer mittschiffs erlitt, woraufhin die Zentrale übel mitgenommen wurde. Ist das richtig?“
„Ja, Sir.“
„Genauer gesagt gab es Tote und Verletzte auf der Brücke. Ist das auch richtig?“
Kei nickte und wurde blass.
„Unter den Verletzten war Kapitän Ino. Sie war bewusstlos. Was haben Sie in der Folge gemacht?“
„Sir, nach dem Ausfall des Kapitäns habe ich das Kommando übernommen.“ Ernst sah er mir in die Augen.
„Wenn ich Sie zitieren darf, als unverletzte Kameraden ihren Verletzten zu Hilfe kommen wollten, haben Sie gesagt: Zurück auf die Posten! Für die Versorgung unserer Verletzten haben wir Sanitäter. Stimmt das?“
„Ja, Sir, das stimmt.“
„Ist es auch richtig, dass Sie durch dieses Kommando in der Lage waren, nicht nur die YAMATO vor der Vernichtung durch einen Rammangriff zu retten, sondern obendrein unter Ihrem Kommando noch drei FOXTROTT, zwei NOVEMBER und einen ZULU vernichtet wurden, dazu ein SIERRA schwer beschädigt, sodass er kapitulierte?“
„Ja, Sir, das ist korrekt.“
„Hm. Wie lange dienen Sie schon als Soldat?“
„Das weißt du doch genau. Etwas über vier Monate.“
„Und Sie haben nicht mehr erhalten als die übliche Einweisung und wurden dennoch XO der GRAF SPEE?“
„Ja, Sir“, sagte Kei und schien in sich zusammen zu schrumpfen.

Leise begann ich zu applaudieren. Der Applaus pflanzte sich fort, wurde stärker und erfüllte den ganzen Raum.
Nach drei Minuten tosendem Beifalls bat ich um Ruhe. „In Anbetracht dieser hervorragenden Leistung, First Lieutenant Takahara, verleihe ich Ihnen im Namen einer dankbaren Heimatwelt und im Namen der Leben die Sie an Bord der GRAF SPEE und des Expeditionscorps gerettet haben, den SUF Erster Klasse. Sie haben Talent, Umsicht, Tapferkeit vor dem Feind und vor allem Reaktionsvermögen bewiesen. Sie, Sir, sind ein leuchtendes Vorbild für jeden raumfahrenden Soldaten.“
Wieder wurde applaudiert. Als ich Kei den Orden anheftete, kam ich aber nicht dazu, vor ihm zu salutieren. Übergangslos war er mir gegen die Brust gesunken und hatte zu weinen begonnen. „Du verdammter Arsch. Ich dachte, du willst mir die Hölle heiß machen.“
„So kann man sich irren“, lachte ich leise. „Das ist übrigens noch nicht alles.“
Verwirrt blinzelte Kei. „Nicht?“
„First Lieutenant Takahara. Im Angesicht Ihrer Leistung weit über die Pflicht hinaus werden Sie mit sofortiger Wirkung zum Commander befördert.
Kei, das hast du dir verdient.“
Ich klopfte dem Freund auf die Schulter.
„Danke“, hauchte er und begann schon wieder zu weinen.

„So, Herrschaften, dies zum offiziellen Teil. Lassen Sie uns noch ein wenig zusammen stehen und etwas trinken, bevor wir auf die Schiffe gehen und Position einnehmen lassen. Immerhin ist die Schlacht vorbei. Aber nicht der Krieg.“
**
Eine halbe Stunde später war ein strahlender Kei noch immer dabei, seinen neuen Orden zu zeigen und Gratulationen entgegen zu nehmen. Besonders lange unterhielt er sich mit Ken Wilson, der den SIERRA kommandierte, den Kei fast zerblasen hatte. Sie wirkten recht entspannt und diskutierten nebenbei den Kampf, wie er stattgefunden hatte.
„Wusstest du schon, dass die Deutschen Ärger haben?“, bemerkte Makoto neben mir.
„Warum das denn?“, fragte ich ernst.
„Nun, wir haben ja die Rümpfe der BISMARCK und der HINDENBURG wieder aus dem Atlantik gefischt. Zur Zeit verbringen wir sie zurück nach ARTEMIS.
Aber auf der dritten Werft wurde ein vierter Kreuzer auf Kiel gelegt. Und das ist das Problem.“
„Was für ein Problem?“, hakte Doitsu nach.
„Tja, meine Herren, der ursprünglich geplante Name war PRINZ EUGEN. Aber die Deutschen haben sich deswegen selbst in den Arsch gebissen.“
Ich runzelte die Stirn. „Hä?“
„Nun, irgendwie scheinen sich die Krauts zu wundern, dass sich niemand darüber beschwert, dass die Kreuzer nach berühmten Schiffen ihrer Geschichte benannt wurden. Aber sie selbst sehen das als Glorifizierung des Krieges. Etwas in der Art. Jedenfalls, da es keine internationalen Proteste gegen diese Namen gab, haben sie eben selbst protestiert. So sind sie halt, die Betonschädel“, seufzte Mako leise.
„Sonst haben die keine Probleme, was?“, brummte Doitsu ärgerlich.
„Und wie wollen sie das Schiff jetzt nennen?“, hakte ich nach.
„Weiß nicht. Nach irgendeiner Stadt oder so. Denn was Persönlichkeiten aus ihrer Geschichte angeht, da sind die ja so was von vorsichtig. Von ADENAUER bis EBERT haben sie so ziemlich alles wieder fallen lassen.“
„Wie wäre es mit Tucholsky? Eine satte Ironie“, bemerkte ich schmunzelnd.
Die anderen beiden sahen mich erstaunt an. „Schon gut, Jungs. Also heißt das Ding erst mal bis zur Taufe PRINZ EUGEN, und damit Basta. Wenn sie bis zu diesem Termin nichts gefunden haben, nehmen wir auch den.“
„Ich habe es dir ja gesagt, Doitsu. Akira ist eben Pragmatiker“, schmunzelte Makoto.

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5.
Als die potentiell gegnerischen Schiffe nach sieben Tagen und elf Minuten nacheinander in den Marsorbit einschwenkten, konnten sie kaum ahnen, dass hinter dem Mars und hinter Deimos eine Flotte von dreißig Schiffen auf sie lauerte, während weitere zehn Fregatten, begleitet von zwei ZULU um den Mars herum kamen, um sie in die Zange zu nehmen.
Aufgeregtes Gemurmel ging durch die GRAF SPEE, als wir die Daten unserer Passivortung aus nächster Nähe bestätigt sahen. Drei der neun Schiffe waren Giganten, riesige Kastenschiffe mit eintausendachthundert Meter Länge und einem guten Kilometer Breite und Höhe.
Allein die Antriebe verbrauchten genügend Energie, um Martian Citys Industrie am laufen zu halten.
Die anderen sechs Schiffe waren von unterschiedlichem Typ. Drei identifizierten wir eindeutig als Kampfeinheiten, jedoch erheblich kleiner als die Kasten, die ich als Transporter einstufte. Aber noch immer weit größer als die ZULU-Schlachtschiffe.
Zwei Kreuzer, die dem ZULU nachempfunden zu sein schienen, rundeten das Bild ab.
Das letzte Schiff war eine kleine, dreiste NOVEMBER-Fregatte, die vorneweg fuhr und mit der Aktivortung um sich schlug.
Die drei Schlachtschiffe hatten die Kasten in ein Dreieck genommen, die ZULU flankierten oben und unten. Wenn wir würden kämpfen müssen, dann waren die Kasten unsere Ziele, denn diese wurden eindeutig beschützt. Leichter würden wir keine Verwirrung in ihre Reihen bringen können. Wenn wir ihren Schatz attackierten, würde ihre gesamte Schlachtformation zerfallen wie eine zu weich gekochte Kartoffel auf dem Teller.

„Dritter Funkanruf an den Core. Beantworten?“, fragte die Funkoffizierin.
„Ebenfalls ignorieren, Hitomi“, befahl ich. Merkwürdig, Vor fünf Monaten war sie noch mein Sempai gewesen. Und nun war ich ihr Oberbefehlshaber.
„Schiffe bremsen ab. Enorme Verzögerungswerte. Fregatte fährt vor. Ortung trifft die Werft.“
Ich grinste kalt. Dies war der Moment der Entscheidung. Die Werft sollte verlassen aussehen und den unbekannten Opponenten dazu verlocken, näher zu kommen. Nahe genug, um unsere UEMF-Mechas und Daishis einzusetzen. Dreitausend Mechas aller acht Klassen würden dieser Flotte hoffentlich Probleme bereiten.
„Was ist der Status der Flotte von Admiral Bhansali?“
„Sie kommen in diesem Moment um den Mars herum, sind aber noch nicht zu orten. Der Feind hat keine Überwachungsboje zurück gelassen.“
„Sehr schön. Immerhin sollen sie ja auch glauben, das sie hier sicher sind.“
Leise, mehr zu mir selbst, fügte ich hinzu: „Ob es aber stimmt, wird die Zukunft zeigen.“

„Erhöhter Energieverbrauch auf den Schiffen!“, erreichte mich der Alarmanruf. „ZULU ZULU Kontakt Alpha bricht aus und prescht vor!“
„Sie haben den Braten gerochen. Macht dicht.“ Meine Stimme klang eisig.
In diesem Moment ging der Angriffsbefehl an alle Schiffe und alle Mechas.
Ich kontrollierte das Hologramm, welches mir die nähere Umgebung des Mars darstellte. Auf Deimos erwachten mehrere hundert Lichter. Jedes stand für einen Mecha. Dann kam die Flotte um Deimos herum, weitere Schiffe kletterten um den Mars und die Flotte des indischen Admirals, welche den Fluchtweg abschneiden sollte, erreichte ihre Position.
„Wie weit ist Kapitän Mkosi?“, fragte ich. „Aktualisieren Sie mein Holo nach Schätzungen.“
Ein Schleier lief über das Holo und neun rote Lichtpunkte näherten sich unaufhaltsam den Kastenschiffen. „Gut.“
„Gegner schleust Mechas aus. Daishi-Klasse. Alphas und Betas. Keine Gamma oder höhere Klassen.“
„Kein Wunder, die wurden ja auch hier entwickelt. Anzahl?“
„Zweihundert steigend.“
„Okay, öffnet einen Kanal zum vorpreschenden Schlachtschiff.“
„Kanal steht auf drei, Sir. Eins… Zwei…Drei.“

„Hier spricht Executive Commander Akira Otomo der Systemverteidigung. Unbekannte Schiffe, deaktivieren Sie Antrieb, Waffen und Schirme. Eine Entermannschaft kommt an Bord.“
„Keine Reaktion, Sir, aber die gegnerischen Daishis greifen nicht an. Sie bilden einen Schutzgürtel um ihre Schiffe.“
„So habe ich mir das schon gedacht, Hitomi. Befehl an Kapitän Mkosi. Enttarnen.“
Im All würden sich nun neun Korvetten aus ihrem Tarnfeld schälen und zu dritt in bester Schussposition auf je eines der Kastenschiffe sein.
„Gegnerische Daishis werden umdirigiert! Feind gerät in Unordnung!“
„Sind Sie jetzt bereit, meiner Aufforderung Folge zu leisten?“, blaffte ich.
„Kontakt. Wir stellen ihn auf den Hauptschirm.“

Das bisherige Bild, welches die Schlacht gezeigt hatte, wechselte und an seiner Statt trat eine Zentrale, ähnlich der an Bord der ZULUs. Braunhaarige Menschen mit beinahe schwarzer Iris waren zu sehen. Einer von ihnen, ein ergrauter, hoch gewachsener Mann sah mich direkt an.
„Bitte, eröffnen Sie nicht das Feuer. In den Legran-Transportern befinden sich nur Zivilisten.“
„Ob ich das Feuer eröffne oder nicht, liegt alleine an Ihnen. Also, deaktivieren Sie jetzt die Waffen, den Antrieb und die Schilde?“
Für einen Moment starrten wir uns in die Augen. „Wer garantiert mir, dass Sie nicht dennoch das Feuer eröffnen?“
„Sie sind nicht in der Lage, darüber zu spekulieren. Ich garantiere Ihnen aber sehr gerne, dass wir IN JEDEM FALL das Feuer eröffnen, wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage.
Countdown an die Flotte. Feuer frei in zehn Sekunden.“
„Aye. Zehn.. Neun… Acht… Sieben… Sechs… Fünf… Vier…“
„Okay, Sie haben gewonnen. Wir ergeben uns.“
Ich nickte und Hitomi brach den Countdown ab.
Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Reihen.
„Gut. Als nächstes verlassen Ihre Schiffe die Geleitschutzposition. Ihren zivilen Schiffen wird die Nutzung der Werft erlaubt. Ich bin sicher, das war sowieso das erste, was Sie vorhatten, oder?“
Mein Gegenüber schien überrascht. „D-danke.“
„Erwarten Sie jetzt die Prisenmannschaften, sowohl an Bord der Kriegsschiffe als auch der zivilen Schiffe. Brauchen Sie zusätzliche medizinische Betreuung, Nahrung, Wasser? Wir haben alles in ausreichendem Maße.“
„Warum sind Sie so nett zu mir?“, platzte es aus meinem Gegenüber heraus.
„Ich bin nicht nett zu Ihnen, sondern zu den Zivilisten. Die können meistens nichts dafür, dass Typen wie Sie ein Abenteuer starten, in dem sie letztendlich die Folgen tragen“, knurrte ich wütend. Oh ja, ich war wütend. Damit überdeckte ich aber lediglich meine Erleichterung.

„Ihr Name?“, fragte ich hart. Es wurde Zeit für die andere Schlacht.
„Ich bin Admiral Jano Avergan Ryon.“
„Sind Sie der Oberbefehlshaber dieser Schiffe und Initiater des imperialen Cores?“
„Ich… bin Oberbefehlshaber der Schiffe und war Teil der Initiative, die den Core auf die Reise geschickt hat“, gab er zu.
„Was haben Sie sich dabei gedacht?“, donnerte ich wütend. „Wissen Sie, was wir erlebt haben, was wir durchmachen mussten, nur weil Ihr verdammter Core auf unserem Schwesterplaneten gelandet ist? Tausende mussten sterben! Hunderttausende wurden verletzt oder erlitten materielle Verluste! Viele von uns mussten töten. Ich selbst habe mehr als viertausend auf meinem Gewissen. Und all das dank Ihnen und des Cores.“
„Es… Es tut mir Leid. Der Core sollte lediglich eine Nachschubbasis für uns aufbauen. Aber er ist wohl seiner alten Programmierung gefolgt und hat versucht, Ihren Heimatplaneten zu unterwerfen.“
„War das nicht abzusehen? Ich meine, anscheinend wissen Sie einiges über meine Welt. Immerhin unterhalten wir uns nun schon mehrere Minuten in einem Idiom meines Planeten“, warf ich ihm vor.
„Wir… haben mehrere Ihrer Hauptsprachen erlernt für den Fall, dass wir uns mit Ihnen auseinander setzen müssen. Wir hatten niemals vor, die Erde zu unterwerfen. Wir wollten lediglich eine Zwischenstation haben, um unsere… Flucht fortsetzen zu können. Wir…“
„Wie dem auch sei!“, blaffte ich und schnitt dem Mann das Wort ab. „Die Erde hat vieles über sich ergehen lassen müssen, und das dank Ihnen und Ihren Leuten. Wie wollen Sie die Toten wieder gutmachen?“
Misstrauisch sah er mich an. „Worauf wollen Sie hinaus?“
„Nun“, erwiderte ich und strich mir über mein Kinn, „ich könnte zum Beispiel von Ihnen fordern, für jeden unserer Toten einen Ihrer Leute zu exekutieren. Wir haben ein Sprichwort auf der Erde. Auge für Auge, Zahn für Zahn.“
„Das können Sie doch nicht verlangen“, hauchte der Mann geschockt.
„Aber ich habe davon Abstand genommen.“ Symbole im Holo belehrten mich darüber, dass die Infanteriependler an den gegnerischen Schiffen angedockt hatten. Hunderte Soldaten gingen nun an Bord jedes Schiffes.
Und der erste Kastenraumer näherte sich der Werft. Erste Analysen besagten, dass ein Werftbesuch auch wirklich notwendig war. Dutzende notdürftig geflickte Lecks und Schwankungen im Energieaufkommen sagten genug.
„Wie ich schon sagte, die Zivilisten können meistens nichts für den Wahnsinn der Anführer.“
Admiral Ryon wurde bleich. Er schien zu ahnen, worauf ich hinaus wollte.
„Stattdessen dachte ich daran, jene büßen zu lassen, die wirklich die Schuld an dem Desaster auf der Erde tragen. Sie, Ihre Führungsoffiziere und die Anführer Ihrer Zivilisten. Das macht wie viele?“
Der Mann sah betreten zu Boden. „Neun Kapitäne, neun Stellvertreter. Fünf Anführer der Mecha-Kontingente. Drei Schiffsbürgermeister, drei Stellvertreter. Acht Ratsmitglieder.“
„Siebenunddreißig also. Das ist doch ein kleiner Preis für mehrere Tausend tote Menschen auf der Erde, finden Sie nicht?“
Ich räusperte mich hart. „Regeln Sie Ihre Hinterlassenschaften und kommen Sie in zwei Stunden an Bord meines Flaggschiffs. Wir werden ein Militärgericht für Sie veranstalten. Wir werden es schnell über die Bühne bringen. Ach, und geben Sie mir rechtzeitig die Namen Ihrer Nachfolger bekannt.“
„Das ist es also, was Sie wollen, Executive Commander?“, fragte der Admiral tonlos.
„Ich verspreche Ihnen, wenn Sie und Ihre Führungscrew sich uns in diesem Raum stellen, fangen wir ganz von vorne an. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Alles, was zuvor passiert ist, ist dann vergeben und vergessen.“
Ein Ruck ging durch den Mann. „Ich… Ich kann nicht für die anderen entscheiden. Aber ich schwöre, dass ich kommen werde.“
„Es müssen alle sein. Zwingen Sie sie notfalls!“, herrschte ich den Mann an. „Ich will all Ihre Anführer! Lassen Sie die Leute mal richtige Verantwortung tragen!“
Ich nickte Hitomi zu, die anschließend die Verbindung kappte.

Erleichtert ließ ich mich in meinem Sessel zurück sinken. Leiser Applaus meiner Cousine erklang. „Du hast das Arschloch gut rüber gebracht, Akira-chan.“
Ich grinste matt. „Danke. Jetzt bin ich sehr gespannt, wie es weiter geht. Erhöhte Alarmbereitschaft für die Flotte. Auf meinen Feuerbefehl warten.“
„Aye, Sir.“
**
Zwei Stunden später setzte ein Infanteriependler zu uns herüber. An Bord waren zehn meiner Infanteristen, alles erfahrene Veteranen der Mars-Kämpfe und Teil der Truppe, die unsere Slayer beschützt hatten und von ihnen beschützt wurden. Sicherheitshalber hatte ich sogar Akane und Emi dem Transporter zugeteilt. Von KI-Energie hatten die Neuankömmlinge hoffentlich wenig Ahnung. Falls doch würden sie sich an den beiden, Green und Black, die Zähne ausbeißen.
„Wie sollen wir mit dem neuen Kapitän von ZULU ZULU Gamma verfahren, Sir?“, erklang in diesem Moment die Stimme von Clive auf. Er war nach dem Sieg auf dem Mars zum Captain befördert worden und hatte eines der Enterkommandos angeführt.
„Er soll normal seinen Dienst verrichten.“
„Okay, und was tun wir wegen der fünf Daishi-Piloten? Es war verdammt knapp, sage ich dir. Nur dank Hina gab es keine Verletzten und keine Toten.“
Ich lachte leise. „Blondie, ich wäre schwer, sehr schwer enttäuscht gewesen, wenn nicht wenigstens einer versucht hätte, einen Finger zu rühren, um seinen Vorgesetzten zu retten. Hetz sie durch das Schiff, lass sie Liegestütze machen bis sie kotzen. Das reicht.“
„Aye, bis sie kotzen.“
Die Verbindung brach ab.
Nachdenklich besah ich den Monitor, welcher den Anflug des Pendlers zeigte. Es waren wirklich siebenunddreißig an Bord. Sie bezeichneten sich nicht als Naguad oder Kronosier. Sie bevorzugten Anelph. Und nun begaben sich ihre Anführer freiwillig zu einem Strafgericht, unserer Willkür.
Für einen Moment verspürte ich Hochachtung für diese menschenähnlichen Geschöpfe.

„Akira“, flehte Kenji, „das ist zu grausam.“
Ich sah den Freund an. Auch er war befördert worden und kommandierte nun ein Bataillon der neu entstandenen Hekatoncheiren. Er war mir als Kommandeur von Gyes nachgefolgt.
„Nein. Ich will es sehen. Ich will sie bis in die Halle gehen sehen.“
Das Kamerabild wechselte und zeigte das Andockmanöver des Pendlers. Ehrengarden salutierten, als die siebenunddreißig heraus kamen.
Kei empfing sie und geleitete sie mit einer Eskorte aus zwanzig Mann tiefer ins Schiff.
Wieder wechselte das Monitorbild. Es waren elf Frauen unter ihnen, zwei davon in meinem Alter. Ich sah ihre verzweifelten Augen. Manche Männer und Frauen weinten, aber sie wirkten gefasst.
Admiral Ryon ging vorneweg, einen Arm tröstend um die Schulter einer älteren Frau gelegt, die eine der Schiffsbürgermeister sein musste.
Er wirkte sehr gefasst, und ein leises Lächeln lag auf seinem Gesicht.
Jede Sekunde erwartete ich einen Ausbruchsversuch, eine Bombe oder irgendeine andere Form des Widerstandes, um das Ende zu verzögern.
Doch sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben.
Erneut wechselte die Kameraperspektive und zeigte nun ein offenes Schott. Darüber war ein Schild angebracht, welches den großen Raum als Bordgericht auswies.
Kei salutierte erneut und bedeutete den Anführer der Anelph, in den dunklen Raum einzutreten.
„O-nii-chan“, flehte Yohko.
„Still jetzt“, fuhr ich sie an.

Die Anelph zögerten. Wer würde das nicht, wenn man nicht wusste, was einen erwartet?
Es war natürlich Admiral Ryon, der den ersten Schritt tat.
Die anderen folgten ihm in den dunklen Raum.
Dann fiel das Schott hinter ihnen zu. Erschrockene Rufe klangen zu mir herüber.
„Jetzt“, befahl ich leise.

Übergangslos flammte grelles Scheinwerferlicht auf und blendete die Anelph. Leider auch uns.
Die Szenerie, die der Finsternis entrissen wurde, waren mehrere zusammengestellte lange Tische im Hintergrund der Halle, an denen ich und meine Führungsoffiziere saßen. Eine Seite, exakt mit siebenunddreißig Plätzen belegt, war frei. Frei für die Anelph.
Ich erhob mich und salutierte. Meine Leute taten es mir nach.
„Jetzt haben Sie meinen Respekt gewonnen“, sagte ich ernst. „Und falls Sie noch nicht selbst drauf gekommen sind, dies hier sind Verhandlungen, aber kein Kriegsgericht.“
Admiral Ryon atmete hastig ein und aus. „Sie elender Bastard“, hauchte er.
Ich lächelte kalt. „Ich wollte nur sichergehen, dass Sie es wert sind. Das Ihre Leute Sie genug lieben, um Sie trotz der ausweglosen Situation retten zu wollen. Dass Sie alle tapfer genug sind, um für jene die volle Verantwortung zu übernehmen, welche Sie beschützen wollen. Sie haben mich überzeugt, und wie ich versprochen habe, fangen wir bei null an. Kommen Sie, setzen Sie sich. Lassen Sie uns die Verhandlungen über Ihres und unser Schicksal beginnen.
Ich habe harte Schnäpse vorbereiten lassen, die Ihnen über den Schock hinweg helfen werden. Trinken Sie und wir beginnen zu reden.“

Nur zögerlich kamen die Anelph näher.

Sakura kam um den Tisch herum und schüttelte Admiral Ryons Hand. „Ich bin Kapitän Ino. Dies hier ist mein Schiff. Bitte entschuldigen Sie die Idee meines dämlichen Cousins. Aber leider ist er unser Oberbefehlshaber und deswegen müssen wir manchmal auf ihn hören.“ Sie seufzte vernehmlich. „Für diesen Streich sollten wir dich übers Knie legen, Akira.“
„Du und welche Armee?“, konterte ich.
Als neben mir Stühle gerückt wurden, weil die Frauen geschlossen aufgestanden waren, wurde ich bleich. „Schon gut, schon gut.“
Ich ergriff ein Schnapsglas, das direkt vor mir stand. Und gab damit das Signal für Menschen und Anelph, zuzugreifen. „Ich entschuldige mich hiermit. Aber nun können wir alle wenigstens sicher sein, dass der andere es wert ist, mit ihm zu verhandeln. Das er ähnliche Normen und Werte wie wir vertritt. Vielleicht ist dies sogar der Beginn einer Freundschaft.“
Der Admiral ergriff das Glas, das auf dem Platz direkt vor mir stand. „Eine Freundschaft mit einem Freund mit einem sehr makabren Humor, Executive Commander.“
Dafür erntete er den Applaus meiner Freunde.
Ich grinste schief. „Na dann, auf die Freundschaft.“

6.
„Die Informationen der Anelph waren sehr interessant“, referierte ich und beobachtete Vater, wie er in seinem Büro auf und ab lief. Seit Gestern konnte er sich beinahe wieder normal bewegen und hatte nun fast den normalen Zeitablauf erreicht.
Eikichi stoppte nur ab und an kurz, um seine Tochter zu umarmen oder über ihren Kopf zu streicheln. Nebenbei bedachte er ihren Freund mit einem sehr bösen Blick. Anscheinend wollte er nicht freiwillig teilen.
„Demnach sind die Naguad ein expandierendes, als Imperium strukturiertes Volk. Es umfasst bereits vierzehn Systeme, von denen acht bewohnt sind. Die anderen sechs wurden von ihnen kolonisiert. Weitere fünf Systeme stehen unter Angriff eines Cores oder, was wesentlich seltener vorkommt, unter dem Angriff einer Flotte. Unser System ist dabei nicht eingerechnet, da der Core, den die Anelph verwendet haben, umprogrammiert wurde. Sie wollten lediglich Distanz zwischen sich und die Naguad bringen. Viel Distanz. Dreißig Lichtjahre zur nächsten Naguad-Welt haben sie schon geschafft.
Die Anelph sind ein Volk, das bereits vor fünfzig Jahren die Gift erhalten hat und kolonisiert wurde. Aber es scheint, als seien dennoch viele Anelph nicht damit zufrieden gewesen. Viele, die die Gift erhalten haben, sorgten dann dafür, dass ein großes Kontingent ihres Volkes fliehen konnte, um sie dem Zugriff des Imperiums zu entziehen. An Bord der drei Transporter und der sechs Kriegsschiffe, die sie von den Naguad gestohlen haben, sind insgesamt vierundachtzigtausenddreihundertvier Flüchtlinge.“
Ich holte tief Atem.
„Ja, ja, schon gut, Akira. Ich habe deinen Bericht gelesen. Sie wollten hier ein paar Jahre Station machen, dann den Core erneut aussenden und in fünfzig Lichtjahren Entfernung endlich siedeln und ein neues Leben beginnen.
Das hat ja nun nicht geklappt. Stattdessen hast du sie überredet auf dem Mars zu siedeln, in der terraformten Zone des Cores.“
Ich grinste schief. „Ich dachte mir, wenn wir unsere Kräfte zusammenlegen, können wir den Naguad eher widerstehen. Admiral Ryon leuchtete das ein. Aber er scheint noch immer sauer zu sein, weil ich ihn damals reingelegt habe.“
Eikichis Augen leuchteten auf. „Akira. Ein Kriegsgericht vorzutäuschen ist kein reinlegen. Das ist ein fast schon ein Verbrechen! Sei froh, dass du der Oberbefehlshaber unserer Verteidigung bist und dich quasi selbst zur Rechenschaft ziehen musst!“
„Halb so wild, halb so wild. Ich musste ja immerhin wissen, woran ich mit den Anelph dran bin. Wir können viel vorbehaltloser mit ihnen umgehen, weil wir nun wissen, wie sie ticken.“
„Hm. Ich bin dennoch nicht glücklich damit. Es ergibt ein komisches Gefühl im Magen.“
„Ja, sag es noch lauter, oder noch besser, funk es gleich zur Erde und bereite mein eigenes Strafgericht vor“, schimpfte ich wütend. „Es war eine Entscheidung im Feld, und ich stehe dazu!“ Ich war aufgesprungen und stierte meinen Vater zornig an.
„So?“ Er sah zurück. „Mein lieber Herr Sohn, ich…“

In diesem Moment spürte ich Megumis Hand auf meiner. Sanft zog sie daran und ich setzte mich wieder.
Eikichi musterte uns beide erstaunt. Vor allem überraschte es ihn, dass wir nun einander bei den Händen hielten.
Abrupt wandte er sich ab und nahm seine Wanderung wieder auf. „Wenigstens eine Sache hast du richtig gemacht, wie ich sehe.“
Ich spürte, wie ich rot wurde.
„Na, Schwamm drüber. Wenn die Anelph keine offizielle Beschwerde einlegen, dann lassen wir es dabei.
Wie viele Stunden muss ich denn noch warten?“
Doitsu checkte seine Uhr. „Sir, es wird noch fünf Minuten dauern, bis wir den Temporalresonator abschalten können.“
„Fünf Minuten! Argh!“ Wütend fuhr Vater sich durch den Kurzhaarschnitt. „Eine Ewigkeit.“
Er ging zur Tür und öffnete sie. „Ab in die Zentrale. Alle Mann.“

In der Zentrale ging es sehr lebendig zu. Alle Posten waren dreifach besetzt, die Hangars und Freizeiträume gut gefüllt von jenen, die hier oben als Ersatz gedient hatten ebenso wie von jenen, die mit dem Erlöschen des Temporalresonators ihr normales Leben wieder aufnehmen würden.
„Übrigens haben wir die Verräter geschnappt, die damals die Hauptwaffen des OLYMP sabotiert hatten, als der getarnte ZULU angriff“, sagte ich leise. „Eine Gruppe von fünf Technikern, die ohne Erlaubnis kurz vor dem Angriff auf die Titanen-Plattform wechselte und von dort versuchte, irgendwo in der Welt unterzutauchen.“
„Das sind gute Nachrichten. Wir werden ihnen den Prozess machen“, sagte Eikichi entschlossen.
Als wir die Zentrale betraten, gellte ein lautes ACHTUNG durch den Raum. Die Anwesenden erhoben sich und salutierten.
„Weitermachen“, murmelte Vater automatisch, schüttelte dann aber den Kopf. „Entschuldige, Akira.“
Ich schmunzelte. „Weitermachen.“ Ich war der Oberbefehlshaber, nicht Eikichi.

Je näher sich der Abschaltzeitpunkt dem Ende näherte, desto nervöser wurde ich. Fast alle meine Freunde hatten sich hier versammelt, und ich registrierte ihre Nähe dankbar. Sie trugen ihre Uniformen und die erworbenen Orden mit Stolz. Und ich war dankbar, keinen von ihnen verloren zu haben.
Takashi grinste mir zu, ich zwinkerte zurück.
Hina war an Doitsus Seite getreten, woraufhin der sie an sich drückte. Von seinem introvertierten Verhalten war nicht mehr viel zu sehen.
Joan unterhielt sich angeregt mit Sakura und Akane, schielte aber immer wieder zum Countdown.

„Fünf…“, meldete die Ortung, und die Zentrale fiel geschlossen ein. „Vier!“, riefen sie. Ich brüllte begeistert mit. Die Stimmung hatte was von Jahreswechsel. „Drei! Zwei! EINS!“
„Das Feld wurde soeben deaktiviert!“, hörte ich die befreiende Meldung.
Lauter Jubel brandete durch die Zentrale, durch den ganzen OLYMP. Die Menschen fielen einander in die Arme.
Mit dem Ende des Feldes hatten wir auch die letzte Hinterlassenschaft der Kronosier überwunden.
Megumi umarmte mich erleichtert, ich sah in ihre glänzenden Augen. Spontan küsste ich sie. Ja, wir hatten es erreicht, das Ende.
„Hey, Schwester“, sagte Kitsune und klopfte Megumi auf die Schulter, „Wir wollen heute auch noch mal unseren Helden knuddeln.“
Ich sah auf und erkannte Freunde und Bekannte, die sich um uns drängten. „Kitsune-chan“, hauchte Megumi ergriffen und löste sich mit einem bedauernden Blick.
„Wie ich mal sagte, ich muß dich wohl mit der Welt teilen.“
Sie hatte kaum ausgesprochen, da hing Kitsune an ihr und umarmte sie heftig. „Und Akira-chan muß dich teilen. So ist doch alles ausgeglichen, oder?“
Megumi lachte gerührt, als sie die Dämonin in die Arme schloss.

Ich spürte, nachdem ich gerade Kei aufs Herzlichste gedrückt habe, eine Hand auf meiner Schulter. Hinter mir stand Okame-kun und lächelte mich an. „Gut gemacht, Akira-tono.“
Ich klopfte auf seine Hand. „Danke, alter Wolf. Ohne dich wäre es nicht gegangen.“
„Die ersten Fahrstühle fahren bereits wieder. Austauschpersonal kommt hoch. Ehrengäste kommen hoch!“
Ich fuhr Daisuke gerade durch seine sorgfältig gemachten Haare, während ich Sarah umarmte und erwiderte: „Genau richtig zur Party.“
Mein Blick fiel auf eine Reihe von Monitoren, die Bilder von großen Plätzen auf der Erde zeigten. Der Times Square in New York, der Alexanderplatz in Berlin, der Rote Platz in Moskau, um nur einige zu nennen. Überall herrschte Volksfeststimmung.

„Darf ich kurz um Ruhe bitten?“, rief ich in die Menge. Schnell wurde es leiser.
„Hiermit möchte ich euch allen danken, aus tiefstem Herzen danken. In der Stunde meiner größten Not, im Angesicht der Niederlage war es die Jugend dieser Welt, die ihr Bestes tat, um jene zu schützen, die es selbst nicht konnten. Sie kämpften, sie arbeiteten hart… Und sie starben auch. Für mich, für die Menschheit. Für jene, die sie lieben.“
Ich verbeugte mich im Rumpf und neigte mich so weit nach vorne, wie ich konnte, ohne vornüber zu fallen. So verharrte ich eine Minute lang.
Starker Applaus antwortete mir.
„Und noch etwas will ich sagen: Ab jetzt mache ich erstmal einen dicken Urlaub, damit das klar ist. Deshalb übergebe ich das Oberkommando an den alten und neuen Executive Commander Eikichi Otomo, meinen Vater.“
„Halunke“, fuhr Vater mich ernst an. „Ich wollte dich auch für meinen Urlaub schuften lassen.“
„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, sagen die Deutschen, Vater.“
Übergangslos zog ich Eikichi zu mir heran und umarmte ihn. „Danke, Eikichi. Danke.“
„Hey. Du hast mich gerettet, nicht ich dich“, erwiderte er lächelnd.
„Nein, das ist so nicht ganz richtig“, sagte ich leise.

„Genug Rührseligkeiten ausgetauscht!“, rief Kitsune laut. „Hat hier nicht jemand was von einer Party gesagt?“
Zustimmendes Gebrüll antwortete ihr.
„Ich glaube, wir sollten heute keine Mondfrachter mehr entleeren“, sagte ich ernst. „Stattdessen laden wir die Crews lieber zur Party ein.“
„Ist wohl besser so“, brummte Yoshi amüsiert neben mir.
„Futabe-kun, komm doch mal in mein Büro“, sagte Eikichi, ergriff meinen besten Freund und zog ihn mit sich aus der Zentrale.
„Akira! Akira! Hilf mir! Deinem besten Freund! Deinem Waffenbruder! Deinem zukünftigen Schwa… Otomo-sama, Ihre Augen leuchten!“
Ich schüttelte resigniert den Kopf. Hoffentlich überlebte Yoshi.

7.
Als ich diesmal erwachte, tat ich es in meinem Bett auf der Erde. Nun, zumindest hielt ich es dafür. Ich richtete mich auf und erkannte, dass jemand neben mir auf der Bettkante saß.
„Und, Akira-tono, bist du zufrieden?“, fragte Dai-Kuzo-sama mich.
„Ja. Ich bin sehr zufrieden. Müssen Okame und Kitsune nun zurückkehren?“
Die große Spinne lachte leise. „Du hast sie ins Herz geschlossen, nicht? So wie ich dich einst ins Herz geschlossen habe… Akira-chan. Nun, sie sind Könige. Ich meine, sie sind alt genug und können selbst entscheiden, was sie tun. Dai-Okame-sama zumindest. Bei Dai-Kitsune-sama bin ich mir nicht so sicher. Da würden wohl ein, zwei Jahrtausende mehr Lebenserfahrung noch helfen.“
Ich grinste schief. „Vielleicht hast du Recht. Danke, Dai-Kuzo-sama. Danke für alles.“ Spontan umarmte ich die Dämonin.
Die Spinne in Gestalt der schönen, schwarzhaarigen Frau erwiderte die Umarmung. „Das meiste hast du alleine getan, Akira-chan. Und du hast es gut getan. Du bist ein guter Junge.“
Ich lachte leise, während mir Tränen der Rührung die Wangen herab liefen.
„Und“, sagte die Dämonin, „ich wünsche dir viel Glück und Erfolg auf deiner Reise…“
Sie löste sich von mir, erhob sich und verschwand.
„Kuzo-chan“, hauchte ich. „Sehen wir uns wieder?“
„Sicher, Akira-chan. Irgendwann. Irgendwo…“
Das Zimmer verschwand in einem Wirbel aus Farben. Ich träumte ja. Ich träumte.

„O-NII-CHAN!“, brüllte mir jemand ins Ohr. Erschrocken fuhr ich in meinem Bett hoch.
Neben mir stand Akari und lächelte das unschuldigste Lächeln, zu dem sie imstande war.
„Frühstück, O-nii-chan.“
Ich fuhr mir mit beiden Händen schläfrig über das Gesicht. „Ich wünschte, du würdest mich sanfter wecken, Akari-chan.“
„Sanfter geht ja nicht. Sonst wachst du nicht auf. Ich könnte Thomas-chan bitten, dich mit seinem Hawk wach zu rütteln, das könnte helfen.“
Ich grinste matt. „Bitte nicht. Ich komme.“

Langsam schälte ich mich aus meinem Bett und kletterte in meinen Morgenmantel.
Derart gerüstet ging ich ins Wohnzimmer. Die Küche war mittlerweile zu klein geworden.
„Ah, da ist er ja, unser Held“, begrüßte mich Opa mit einem Lächeln. „Ich habe deutsche Brötchen für alle mitgebracht.“
Ich ließ mich neben Megumi auf ein Kissen fallen. „Das ist gut, ich liebe diese Dinger. Guten Morgen.“
Verschlafene Rufe antworteten mir.
„Morgen, Schatz“, sagte ich und gab Megumi einen Kuss.
„Bitte nicht am Frühstückstisch“ beschwerte sich Kei.
„Ach, das gibt sich alles wieder, wenn sie erst mal ein Jahr zusammen sind“, kommentierte Kenji grinsend und reichte Doitsu die Butter. Deutsche Butter auch? Dazu Marmelade. Hm, das würde eine richtige Orgie werden.
„Wo bleiben eigentlich Mako und Joan?“, fragte der in Hinas Richtung.
„Die sind schon auf. Aber du weißt ja, wie lange die im Bad brauchen, wenn sie zu zweit rein gehen.“
Ich schlug mir eine Hand vors Gesicht. „Diese beiden.“
„Guten Morgen“, erklang es von der Tür her, als die Mitglieder von Joans Band eintraten. „Wir haben Sushi mitgebracht.“
„Sucht euch ein Plätzchen“, rief ich und deutete an den Tisch.
Es würde eng, aber gemütlich werden.
„Nicht so nahe“, beschwerte sich Mamoru. „Meine Rippen sind noch nicht wieder ganz.“
„Das scheint dich Gestern aber nicht gestört zu haben“, murmelte Kenji. „Du und Akane, ihr…“
„Schon gut“, erwiderte er hastig.
„Was denn? Was denn? Wir sind doch alle erwachsen, oder?“, fragte Sakura mit unschuldigem Augenaufschlag. Thomas gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Willst du eigentlich auch hier einziehen?“, fragte ich den deutschen Hawk-Piloten. „Dann würde sich ein Anbau wirklich lohnen. Ich meine, wenn Kenji, Emi und Ami noch dazukommen…“
„Für mich brauchst du nicht anbauen“, wehrte er ab. „Wenn, dann ziehe ich zu Sakura ins Zimmer.“
„Ich könnte ja Yohko zu mir holen und damit ein Zimmer frei machen“, bot Yoshi an. „Immerhin liegen unsere Zimmer nebeneinander und es würde sich nicht viel ändern.“
„Anbauen!“, bestimmte Eikichi wütend, ohne von seinem Kaffee aufzusehen.
„Morgen!“, kam es vom Gang her. Daisuke und Sarah kamen herein. „Frische Croissants. Und ratet mal, wen wir mitgebracht haben.“
Hinter den beiden kamen Ami und Emi herein.
„Kommt nur, kommt nur“, sagte ich einladend und deutete auf eine freie Lücke zwischen Yohko, die wegen ihrem Vater schmollte, und Takashi.
„Vielleicht sollten wir erst mal am Tisch anbauen, bevor wir am Haus anbauen“, sagt Dai-Okame und griff sich ein Brötchen.
Genau das gleiche Brötchen, welches sich Kenji hatte nehmen wollen. Beide tauschten wütende Blicke aus, und für einen Moment glaubte ich, sogar Funken zwischen ihnen sprühen zu sehen.
Entschlossen richtete ich mich auf, zog mein Katana unter dem Tisch hervor und die Klinge heraus. Bei dieser Bewegung zerteilte ich das Brötchen in zwei Hälften.
„Salomonische Entscheidung“, kommentierte Michael. „Aber ein Messer hätte es doch auch getan.“
Ich nahm meinen Kaffeebecher. „Hätte aber nicht soviel Spaß gemacht.“
„Die Tür war offen. Darf ich eintreten?“, fragte Commander Thomas vom Eingang her.
„Klar. Wenn du noch ein Plätzchen findest“, antwortete ich.
„Hier. Hier neben mir.“ Eifrig begann Akari zu winken.
Jerry ging zu ihr herüber, tätschelte ihren Kopf und setzte sich. Na, wenigstens das blieb uns Älteren nun erspart, jetzt wo Jerry ein neues Opfer hatte.
Kitsune ließ sich rechts von mir an den Tisch fallen. „Morgen, Akira-chan“, rief sie mit einem strahlenden Lächeln.
„Morgen, Kitsune-chan.“
„Wann geht es los? Darf ich dabei sein?“
Ich lächelte matt. „Es wird noch zwei Jahre dauern. Aber ich hätte dich sehr gerne dabei. Euch alle.“
Ernste Blicke trafen mich.
„Natürlich, Akira“, sagte Yoshi fest und drückte Yohkos Hand.
„Du bist doch ohne mich ohnehin verloren“, bemerkte Doitsu schmunzelnd.
„Und wir Slayer werden sicher auch gebraucht“, bemerkte Ami leise und erntete zustimmendes Nicken der anderen fünf.
„Wenn ich diesmal ein eigenes Schiff kriege“, bot Kei grinsend an.
„Lässt sich drüber reden“, erwiderte ich.
„Wir sind natürlich auch dabei“, sagte Sakura und drückte die Hand von Thomas.
„Und ohne mich gehst du nirgendwohin, das ist dir ja hoffentlich klar“, erklang Joans Stimme vom Eingang her. Mako, der neben ihr stand, nickte entschlossen und übertrieben.
„Danke“, hauchte ich. „Danke für solche Freunde.“
„Fang jetzt aber nicht an zu heulen vor lauter Rührung“, tadelte mich Daisuke.
„Und wieso nicht?“, fragte ich mit nassen Augen.
„Weil“, begann er und schniefte, „ich dann auch anfangen muß.“
Erstaunt sah ich ihn an. Dann musste ich lachen.
Es war herrlich, mit diesen Menschen zusammen zu sein.
„Auf die Freundschaft!“, rief ich und hob meinen Kaffeebecher.
„Auf die Freundschaft!“, erwiderten sie.
In diesem Moment spürte ich, mit ihnen war mir alles möglich.

Ende Erste Staffel

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