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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Dabei seit: 01.05.2002
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Achtung OT: Anime Evolution Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Anime Evolution
Episode eins.

Prolog:
Was ist der wichtigste Moment im Leben eines Menschen? Wenn man seinen größten Hass aufbaut oder wenn man die größte Liebe erfährt?
Der Moment also, in dem man am stärksten bewegt wird? Wer kann das schon sagen?
Mein wichtigster Moment kam jedenfalls, als sich für mich die Realität verzerrte.
Realität verzerrte? Richtig. Und das in einem Maße, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.
Und alles begann mit einer kleinen Unwirklichkeit…

1.
Da stand ich also. In eine schwarze Schuluniform mit Mandarinkragen gehüllt, eine braune Aktentasche auf dem Rücken und den genauen Informationen ausgestattet, wohin ich in dem schmucklosen Betonbau mit den großen Fenstern gehen musste und welche Personen ich dort kannte – beziehungsweise kennen sollte.
Die Welt konnte so ungerecht sein. Warum musste ich wieder zur Schule? Und was viel schlimmer war, warum war ich wieder siebzehn? Wie hatte dieses, dieses Ding mir acht Jahre meines Lebens streichen können? Musste ich jetzt mühsam meinen Führerschein neu machen? Und wieso sollte ich schon wieder vier Jahre warten, bis ich ganz hochoffiziell Bier trinken durfte?
Die Welt war ungerecht, und das Ding war Schuld.
Ich erinnerte mich noch gut an diesen Moment am Vorabend, wie ich diese dumme Frage gestellt hatte.
Ich hatte mit einem meiner Freunde – nennen wir ihn Ralf – über Mangas und Animes geredet und dann die unheilvolle Frage gestellt: „Wie würde es wohl sein in einer Welt zu leben, die genau so aufgebaut ist wie ein Manga? Ich meine, mit gigantischen Mechas, mit Magical Girls, Magical Girlfriends, Helden mit übermenschlicher Stärke, und so weiter?“
Dann hatte ich diese Stimme fragen hören: „Du willst wissen, wie es ist in einer Welt zu leben, die wie ein Manga aufgebaut ist? Mann, ich habe ja schon ein paar dämliche Wünsche gehört, aber der kommt in meine Top Ten.“
Das ich die Stimme nicht kannte, hatte mich nicht so sehr irritiert wie der Anblick des Sprechers. Oder vielmehr der Sprecherin. Ein niedliches kleines Mädchen, das aussah, als wäre es zusammen gestaucht worden – was vielleicht die Größe von zehn Zentimetern erklären konnte. Superdeformed nannte man diesen Stil.
Und dieses Mädchen – es hatte übrigens langes, blondes Haar und ein Paar wirklich riesiger, blauer Augen – tippte in eine Art Laptop herum und kaute während dessen auf einem Ende der Schleife herum, welche ihr Haar bändigte.
Auf einmal strahlte sie mich an. „Na, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Dein Wunsch wurde genehmigt.“
„Moment mal, Moment mal, Moment! Was für ein Wunsch? Und wieso genehmigt? Was geht hier vor?“
„Das Göttliche wird deinen Wunsch für dich erfüllen. Es sagt, dieser Wunsch ist so interessant, er wird es auf Wochen, vielleicht sogar auf Jahre amüsieren. Ja, ich weiß, das Göttliche ist etwas egoistisch. Aber dafür erfüllt es auch Wünsche. Und deiner, der mit dem Manga-Universum, den findet es echt klasse. Bereit machen für den Transfer.“
In diesem Moment riss ich meine Augen auf, dass sie sicherlich problemlos mit den extra großen Augen des Dings konkurrieren konnten. Mein gehetzter Blick ging zu Ralf, der mich anstarrte, als wäre ich eine Mischung aus Zombie und Alien.
„Warte, warte, warte! Das habe ich mir doch gar nicht gewünscht! Stopp das!“
Aber das kleine Superdeformte Mädchen hörte gar nicht zu. Sie klappte ihren winzigen Laptop zusammen und streckte ihre Rechte in die Luft. „Manga-Welt, wir kommen!“
Ein gleißendes Licht breitete sich von ihrer Hand aus, umschlang mich… Und dann war gar nichts mehr…

Aufgewacht bin ich dann in einem Zimmer, dessen Wände aus Papier waren. Eine nähere Untersuchung meiner Umgebung förderte drei erschreckende Dinge zutage: Ich war nicht mehr Zuhause, sondern in Tokio.
Ich verstand Japanisch wie meine Muttersprache, was ich daran merkte, dass ich bei dem Report über Mecha-Kriminalität im Fernsehen problemlos mithalten konnte.
Und ich war um gute fünf Zentimeter geschrumpft und um eben acht Jahre verjüngt worden.

Das Zimmer gehörte zu einem großen Haus, welches ich offensichtlich alleine bewohnte. Es hatte einen gut gepflegten Garten mit Teich und war nicht sehr weit von der nächsten Bahnhaltestelle entfernt.
Alleine? Hier? Ich? Meine Verwirrung kannte kaum eine Grenze. Aber ich wusste es einfach. Genau so, wie ich wusste, dass ich nun wieder auf die Oberstufe ging und dass mein Name Akira Otomo war, was ich persönlich als sehr japanisch empfand.
Und noch eine Erkenntnis kroch langsam in mein Bewusstsein. Ich kam zu spät zur Schule!

Von dem Punkt bis hier, kurz vor dem Schultor, spielte sich eine erbarmungslose Jagd nach der richtigen Bahn, nach der Schuluniform und der Schultasche ab, an die ich mich nicht sehr gerne zurück erinnerte. Und nicht unbedingt in der Reihenfolge.
Aber ich hatte es geschafft. Ich, Akira Otomo, 17 Jahre, Blutgruppe A, Freshman auf der Oberstufe mit einem bemerkenswert gutem ersten Platz in der Klassenwertung und einem passablen zehnten in der landesweiten Wertung. Sportlich engagiert im Kendo-Club, im Volleyballteam, beim Baseball und mit weiteren Clubaktivitäten gesegnet wie der Schülerzeitung, dem Schülervorstand und einem Kochkurs.
Verzweifelt legte ich beide Hände vor mein Gesicht. Hatte dieser Akira, also ich, eigentlich einen winzigen Hauch Freizeit neben Schule, Sport und Clubs?
Das klang so typisch nach einem Manga-Idol, dass es fast schon wieder Spaß zu machen versprach.
Wenn ich dieses Ding jemals wieder erwischen sollte, dann… Nun, meine Gedanken über das Superdeformte Mädchen, dass meinen Gedankengang als Wunsch falsch interpretiert hatte, waren alles andere als freundlich.
Vor mir begann sich das Schultor zu schließen. Also setzte ich mich in Bewegung und überschritt es noch rechtzeitig. Wer später kam, das wusste ich auch ohne aus einem einzigen Anime zu zitieren, wurde mit Strafarbeiten gemaßregelt oder musste nachsitzen.
„Du kommst spät, Otomo-Kohai“, mahnte mich die Stimme des jungen Mädchen, welche das Tor gerade schloss. „Als Mitglied des Schülervorstands musst du ein Vorbild sein.“
Ich musterte das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren und dem strengen, beinahe gefühllosen Blick. Kannte ich sie? Sie schien aber auf jeden Fall mich zu kennen. Und die Ansprache als Kohai sagte eindeutig, dass sie mindestens eine Klasse über mir war.
„Entschuldige, Sempai“, erwiderte ich, bevor ich richtig wusste, was ich tat, „es kommt nicht wieder vor.“
„Wartet!“, erklang eine helle, hektische Mädchenstimme, bevor die Schwarzhaarige antworten konnte. Ich drehte mich um und bekam gerade noch mit wie ein blonder Schemen durch die letzte Lücke schoss – genau auf die Stelle zu, an der ich stand!
Einen Moment später rannte etwas in mich hinein und warf mich um. Ich schlug hart auf dem Boden auf und wurde doppelt bestraft, als das, was in mich hinein gerannt war, nun auch noch auf mir landete.
„Es tut mir leid, Akira-san!“, hörte ich die hektische Mädchenstimme erneut. „Bist du verletzt?“
„Hina“, sagte die Schwarzhaarige und trat neben uns. „Erstens solltest du nicht immer so spät kommen, sonst wirst du wieder nachsitzen müssen.“
Ich öffnete die Augen und erkannte ein blondes Mädchen mit langen Zöpfen, dass auf mir hockte, zu der Schwarzhaarigen hoch sah und verlegen beide Zeigefinger gegeneinander drückte – eine Verlegenheitsgeste.
„Tut mir leid, Akane-Sempai“, sagte sie bedrückt. „Aber das Frühstück war so lecker und ich habe den ersten Zug nicht mehr gekriegt und…“
„Wie dem auch sei“, unterbrach Akane sie. Natürlich Akane Kurosawa, die Stellvertretende Vorsitzende der Schülervertretung. Wie konnte ich das nur vergessen? Oder vielmehr, warum wusste ich das?
„Die zweite Sache ist, du solltest langsam von Otomo-san runterklettern.“
Hina starrte aus großen Augen erst Akane und dann mich an. „Tschuldigung!“, rief sie aufgeregt und versuchte aufzustehen. Was dazu führte, dass sie natürlich ausrutschte, wieder auf mich fiel und mich beinahe mit ihrem Busen erstickte. Was für ein Universum war das hier? Eins für hübsche, tollpatschige Mädchen?
Endlich hatten wir unsere Beine entwirrt und ich beschloss, als Erster aufzustehen. Wider erwarten gelang es mir recht gut. Danach reichte ich dem blonden Mädchen die Hand und half ihr hoch, wobei ich peinlich genau darauf achtete, nicht von ihr aus Versehen erneut zu Boden gezogen zu werden.
„Danke sehr“, sagte sie artig, als sie endlich stand.
„Keine Ursache. Sei das nächste Mal einfach früher da“, erwiderte ich, obwohl mir eigentlich ein herzhaftes Idiot auf der Zunge lag. Für einen Moment überlegte ich, für sie ihre Tasche aufzuheben, aber ich sah uns schon im Geiste mit den Köpfen zusammen schlagen. Deshalb schob ich nur meinen linken Fuß unter ihre Tasche und richtete sie auf.
Danach schob ich den Fuß durch den Griff meiner Tasche und machte eine schnelle Bewegung nach oben. Die Tasche flog durch die Luft, schlug ein paar Salti und landete dann, mit dem Griff vorneweg, direkt in meiner rechten Hand. Ich wandte mich um, legte die Tasche auf meinen Rücken und winkte zum Abschied über meinen Rücken hinweg. „Wir sehen uns.“
Ich war kaum ein paar Schritte weit gekommen, als ich Hinas Stimme hörte: „Akira-san ist soo cool.“
Ein schmachtender Seufzer folgte, und für einen Moment glaubte ich, dabei Akanes Stimme erkannt zu haben.
Wenn ich dieses Ding jemals erwischen würde, dann… Nun, meine Gedanken zu diesem Thema waren auf jeden Fall nur für Erwachsene zugelassen.
**
Ich orientierte mich erstaunlich gut innerhalb des Gebäudes und fand meinen Klassenraum auf Anhieb. Und was noch erfreulicher für mich war, bei vielen Gesichtern fiel mir nicht nur der Name der betreffenden Person ein, ich wusste auch, wie ich zu ihr stand.
Da war zum Beispiel die vollkommen unterkühlte Megumi, die in ihrer Schuluniform wirklich gut aussah. Der Rock brachte ihre langen Beine schön zur Geltung, und… Jedenfalls war ich einer der wenigen, mit denen sich Megumi unterhielt. Wir waren Freunde seit Kindertagen, das wollte mir meine neue Erinnerung zumindest weiß machen.
Megumi war mehr als etwas Besonderes. Trotz ihres geringen Alters war sie bereits Pilotin eines Hawks und musste für ihre diversen Einsätze öfter mal die Schule verlassen. Die Erfahrungen mit Zerstörung, Tod und die Möglichkeit, selbst verletzt und getötet zu werden, während sie sich in ihrem Hawk-Mecha mit den gegnerischen, außerirdischen und meist von Verrätern gesteuerten Daishi-Mechas prügelte, hatte sie noch introvertierter und zynischer gemacht, als sie ohnehin schon war. Ich erinnerte mich an den Fernsehbericht vom Morgen. Hatten sie nicht auch ein Bild von Megumi gezeigt, in einem knallengen Druckanzug? Wie war sie genannt worden? Captain?
Jedenfalls war sie an diesem Morgen besonders einsilbig und wechselte nur einen knappen Gruß mit mir.
Warum nahm ich meine neue Erinnerung nur so gut an? Dieses Ding und die Wesenheit, welche dieses Universum erschaffen hatte, das Göttliche, mussten Meister in ihrem Fach sein.

Oder Kenji Hazegawa, ein großer, schweigsamer Koloss von eins Neunzig Körpergröße, der nur aus Muskeln und Schweigsamkeit zu bestehen schien. Seine Haare waren feuerrot, und er prügelte sich oft – viel zu oft für meinen Geschmack. Aber das lag daran, dass er immer und immer wieder angegriffen wurde. Er hatte die schlechte Angewohnheit zu gewinnen. Das machte ihn zum Ziel für wirklich jeden Schläger im Distrikt. Ansonsten aber war er wirklich ein netter Kerl. Wenn Kenji nicht eine schlechte Angewohnheit gehabt hätte.
Seit ich ihm mal bei einem Krampf im Bein geholfen hatte, sah er sich als mein persönlicher Beschützer an. Und so sehr ich seine Kampfkraft auch schätzte, seine schweigsame Art und die wenigen Momente Konversation auf wirklich hohem Niveau, er zog eigentlich mehr Ärger an, als das alles wert war. Aber nichtsdestotrotz empfand ich ihn als Freund. Und das nicht nur, weil die Szene darauf programmiert war.
Er begrüßte mich schweigsam und folgte mir in den Klassenraum. Hatte er etwa wieder draußen auf mich gewartet?

Bevor ich mir darüber ernsthaft Gedanken machen konnte, hatte ich plötzlich einen Unterarm am Kinn und mein Rücken machte Bekanntschaft mit der nächsten Wand.
Verblüfft sah ich auf und erkannte – Ralf!
„Du hirnloser Idiot“, zischte er. „Wie konntest du mir das antun? Was habe ich in deiner Animewelt verloren?“
Kenji war verblüfft und wusste nicht, was er tun wollte. Immerhin war Ralf ebenso ein Freund für ihn wie ich, wenn meine schlagartig einsetzende Erinnerung korrekt war.
Besänftigend hob ich eine Hand. „Keine Sorge, Kenji-kun. Wir unterhalten uns nur.“
Kenji nickte und setzte sich auf seinen Platz.
Ralf knurrte mich wütend an. „Unterhalten, eh?“
„Entschuldigung, Yoshi-san“, erklang eine Stimme hinter ihm. Ralf hieß Yoshi? Ich unterdrückte ein Auflachen.
Die Stimme gehörte zu einem kleinen, schüchternen Mädchen namens Shirai. Ami Shirai, um genau zu sein. Auf den ersten Blick konnte man sie wirklich für das halten, was man sah. Ein kleines, schwächliches und kränkliches Mädchen mit langen, zu zwei Zöpfen gebundenen braunen Haaren. Aber wenn man sich vergegenwärtigte, dass sie den Ersten Dan in Karate und den braunen Gürtel in Judo hatte, konnte man es mit der Angst kriegen.
„Yoshi-san, tut das Akira-san nicht weh?“, fragte sie mit traurigen Augen. Eine Art Reflex huschte darüber hinweg und Ralf – nein, Yoshi – wurde ein wenig bleich.
Dann nahm er den Arm von meiner Kehle und winkte beschwichtigend. „Nein, nein, ich wollte Akira nur einen neuen Griff zeigen. Wir sind doch Freunde und würden einander nie wehtun.“ Er boxte mich kräftig in die Seite. „Nicht, Akira?“
Ich legte meine Rechte um seinen Nacken und nahm ihn in den Schwitzkasten. Weit härter, als es für eine freundliche Geste sein musste. „Natürlich nicht, Yoshi. Entschuldige uns, Ami-chan, wir haben was zu bereden.“

Also schleifte ich Ralf alias Yoshi mit mir hinaus. „Du bist also auch hier.“
Yoshi nickte ärgerlich. „Ja. Ich bin auch hier. Yoshi Futabe, siebzehn Jahre alt, Blutgruppe AB Negativ, Sohn eines Anwalts, Mitglied des Schülervorstandes, diverse Clubaktivitäten und Mitglied einer Gruppe, die sich Akiras Zorn nennt. Genau. Nach dir benannt, Alter. Und wie es scheint, bin ich als dein Stellvertreter in dieser Gruppe recht populär.“
Nachdenklich rieb er sich den Nacken. „Okay, ich hätte es weitaus schlimmer erwischen können. Aber musstest du mir das antun? Was soll ich hier? Wie komme ich wieder zurück?“
Ich konnte nur nicken. „Ich weiß es nicht, Ralf. Yoshi. Ich habe mir das hier wirklich nicht gewünscht und ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird. Ich weiß nur eines, ich bin dankbar dafür, dass du hier bei mir bist. Das ist wenigstens eine sichere Konstante.“
Yoshis Widerstand schmolz dahin wie Butter in der Sonne. Verlegen sah er weg. „Es könnte schlimmer sein. Na, vielleicht macht es sogar eine Zeitlang Spaß.“
„Aber, aber, Otomo-kun, Futabe-kun. Was macht Ihr hier noch draußen auf dem Gang? Ich will euch doch nun wirklich keine Strafarbeit aufgeben müssen.“
Yoshi wurde bleich. Ich bemerkte, wie ein Tropfen Blut aus seiner Nase lief. War er so empfindlich?
Ich wandte mich um – und spürte, wie mir das Blut aus dem Kopf absackte.
Die Frau, die vor uns stand, war Ino-Sensei, unsere Klassenlehrerin. Sie hübsch zu nennen war eine gnadenlose Untertreibung. Sie war der Knaller schlechthin. Groß, schlank, blond, das lange Haar kunstvoll hochgesteckt, mit wirklich hübsch und wirklich eng verpackten Proportionen war sie, nun, perfekt. Sie lächelte uns über den Rand ihrer Lesebrille an und öffnete mit der Rechten die Tür zum Klassenraum. Ihre Stimme war zart und hell und erinnerte an den Gesang besonders begabter Vögel. „Nun aber rein mit euch, ja?“
Als wir darauf nicht reagierten, verschwand das freundliche Lächeln und eine dicke Ader begann auf ihrer Stirn zu pulsieren. Zwischen ihren Augen entstand eine tiefe Falte. „SOFORT!“, blaffte die Lehrerin. Und mit der Stimme hätte sie durchaus im U.S. Marinecorps als Drillsergeant dienen können.
Hastig drängelten Yoshi und ich uns nebeneinander durch die Tür und eilten auf unsere Plätze.
Yoshi strahlte mich an. „Du bist ein Genie, Alter. Du bist ein Genie. Das hier ist das Paradies…“
„Äh, deine Nase blutet.“
„Was?“, fragte er und suchte nach einem Taschentuch. Eine Sekunde später wurden ihm von allen umliegenden Pulten Taschentücher gereicht. Verwundert registrierte ich, dass es vier Mädchen und drei Jungen waren. Und alle hatten einen ziemlich dämlichen Glanz in den Augen.
Yoshi schluckte hart und zog sein eigenes Taschentuch hervor. „Habe schon, danke.“
Er sah in enttäuschte Gesichter, und vor allem bei den Jungen schluckte er erneut.
Ich seufzte leise. Paradies? Paradies für wen, eh?

„So, nachdem Futabe-kun versorgt ist“, begann Ino-Sensei, „können wir ja mit dem Unterricht beginnen. Guten Morgen, Klasse.“
Wieder seufzte ich. Ach ja, das war der zweite Nachteil an dieser Welt. Ich musste schon wieder die Schulbank drücken und etwas lernen. „Guten Morgen, Sensei“, sagte die Klasse und ich fiel lustlos ein.

2.
Nach dem Unterricht bei Ino-Sensei verabschiedete ich mich mit Yoshi aus der Klasse. Ich hatte meinen Kragen geöffnet und die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Langsam begann mir diese Welt zu gefallen. Und das machte mir Angst. Yoshi hingegen schien bereits vergessen zu haben, dass er vor nicht einmal einem Tag noch Ralf hieß. Er ging neben mir her, die Augen in stillem Glück zugekniffen und summte vor sich hin. „Oh, Ino-chan. Meine süße Ino-chan.“
„Du wirst eine Menge Herzen brechen, wenn deine Begeisterung für unsere Klassenlehrerin zu offensichtlich wird, Yoshi“, bemerkte ich amüsiert. „Vor allem die armen Jungs werden am Boden zerstört sein.“
Yoshis Gesicht fror zu einer Grimasse aus Entsetzen ein. „Er… innere… mich… nicht… daran!“, erwiderte er wütend.
Yoshi ging mit einer Hand durch sein kurz geschnittenes, blondes Haar – war es vorher auch schon blond gewesen, ich meine so strahlend blond? – und sagte: „Ach, es ist ein Fluch, so gut auszusehen wie ich.“
„Soll ich Amnesty International verständigen, oder kommst du auch ohne internationalen Schutz klar?“
Er verzog das Gesicht zu einer mürrischen Miene. „Danke. Schneller konntest du mich wohl nicht aus meinem Höhenflug holen, was?“
Ich grinste gemein. „Nein, schneller ging nicht.“

Wir waren auf dem Weg zum Raum der Schülervertretung. Ich wollte die kleine Pause nutzen, um mir ein paar wichtige Unterlagen abzuholen. Ein Wunder, dass ich mich sowohl im Unterricht als auch in diesem Leben zurecht fand. Yoshi begleitete mich, weil er hoffte, im Lehrerzimmer Ino-Sensei wieder zu sehen. Beide Räume lagen nebeneinander.
Und schon hatte er wieder dieses selige Lächeln aufgesetzt.
Ich grinste amüsiert. Was mich auf das, was nun kam, vollkommen unvorbereitet machte. Ein Gefühl von Gefahr oder Ernsthaftigkeit ging mir durch den Kopf. Es war eine Mischung aus Eiseskälte und Adrenalinschub. Ich blieb ruckartig stehen. Bedrohung? Von wo?
Vor mir auf dem Boden lag ein Foto mit der Rückseite nach oben. Vorsichtig hob ich es auf. Wirklich, ich hatte ein Gefühl, als würde es sich in meiner Hand in flüssiges Eisen verwandeln.
Als ich es umdrehte, spürte ich, wie mein Blut erneut absackte. Yoshi begann neben mir zu brodeln wie ein aktiver Vulkan.
Nun, ich konnte ihn verstehen, denn das Foto war von uns. Genauer gesagt, wir beide waren in einer, nun, kompromittierenden Situation fotografiert worden.
„Akira. Sag mir, dass wir uns nicht geküsst haben!“, knurrte Yoshi wütend. „Sag mir, dass das Ding eine Fälschung ist!“
Ich drehte und wendete das Foto in meiner Hand und fand eine Notiz auf der Rückseite. Sie bezog sich auf ein Fünferset und trug einen Preis. Fünftausend Yen pro Serie.
„Es ist eine Fälschung, reg dich wieder ab. Eine Fotomontage.“ In gespielter Dramatik imitierte ich Yoshis Geste von vorhin. „Ach, du hast Recht. Es ist ein Fluch, so gut auszusehen.“
„Mach dich nicht über mich lustig! Wer verbreitet überhaupt solche Dinger?“ Wütend sah er sich um, und die wenigen auf dem Flur anwesenden Schüler hatten es plötzlich eilig, mit irgendetwas beschäftigt zu sein.
„Ähm“, sagte ein junges Mädchen, das aus dem Klassenraum unserer Parallelklasse trat und starrte uns aus großen, traurigen Augen an. „Ich kann das Bild für euch wegwerfen, Futabe-kun, Otomo-kun.“
Ich betrachtete sie genauer. Schwarze, lange, offene Haare, Augen groß wie Unterteller, deren feuchter Schimmer selbst einen Stein zum schmelzen gebracht hätte. Und ein unschuldiger Blick, der niemals den Eindruck erwecken würde, dies wäre ihr Foto.
Wissend strich ich mich über mein Kinn. „Wegwerfen? Aber du hast doch fünftausend Yen dafür bezahlt. Hier.“
Das Mädchen wurde puterrot, als ich es enttarnt hatte. Sie senkte den Kopf vor Scham, schaffte es aber dennoch, das Bild zu ergreifen. „Entschuldigt mich“, hauchte sie und lief wieder in ihre Klasse.
„Warum hast du das Foto nicht vernichtet? Jetzt ist es weiterhin im Umlauf“, beschwerte sich Yoshi.
„Weil es nichts genützt hätte. Sie wird kaum die Negative haben. Und selbst wenn wir sie in die Finger kriegen, es würden neue Fotos von uns gemacht werden. Lass ihnen doch ihr Hobby und ihre Träumereien von hübschen, sich küssenden Männern.“
Bei dem Gedanken, dass es nicht bei diesen Fotomontagen bleiben würde, schluckte ich einmal hart und nachdrücklich. Aber auch dagegen konnte und würde ich nichts unternehmen. Hauptsache, ich bekam diese Bilder niemals zu Gesicht. Mehr verlangte ich doch gar nicht.
„Komm jetzt, sonst ist die Pause vorbei.“

Der Raum der Schülervertretung war verlassen. Bis auf eine sehr nachdenkliche Akane Kurosawa, die auf einen laufenden Fernseher starrte. Wieder war ein Bericht über Mechas zu sehen. Und wieder erschien Megumis Gesicht als Porträtfoto, eingeblendet in einen Mecha-Kampf zwischen einem Hawk und einem Daishi. Der Hawk gewann mit Bravour.
Danach blendete der Bericht um und zeigte einen grotesk entstellten Menschen, der von uniformierten Mädchen in kurzen – sehr kurzen – Röcken in einer Art Energiefeld gefangen wurde und sich dort - wieder zurück? - in einen Menschen verwandelte.
„Hallo, Sempai“, begrüßte ich sie freundlich. Sie sah kurz auf und deutete auf einen voll gepackten Schreibtisch. „Deine Sachen liegen da irgendwo, Akira. Hallo, Yoshi.“
Sie seufzte tief und vernehmlich. Und ich wunderte mich. Kein Kohai? Kein San als Namensanhängsel?
„Was bedrückt dich, Sempai?“, fragte Yoshi und lächelte sie an. Dabei schien ein Scheinwerfer ein besonders helles Stück auf seinen weißen Zähnen zu treffen und einen Lichtschein zu verursachen.
Akane wandte sich für dieses Schauspiel nicht einmal um. Was Yoshi nicht wirklich gut aufnahm.
„Das da“, sagte sie ernst. „Die ganze Welt ist ein Tollhaus, und hier ist die Zentrale. Nicht nur, das wir mit Megumi Uno eine Elitepilotin der United Earth Mecha Force auf unserer Schule haben. Ich habe auch Hinweise, dass diese Gruppe Mädchen, die Magischen Youma-Jägerinnen, auf unsere Schule gehen.
Und als wenn das noch nicht genug wäre, haben wir auch noch in irgendeiner Klasse einen wichtigen VIP, der von mehreren Geheimagenten Undercover bewacht wird. Von den anderen Sachen, die die Schülervertretung noch gar nicht aufgedeckt hat, will ich gar nicht erst reden.“
„Verstehe“, brummte ich und ergriff meine Unterlagen. In Wahrheit schwirrte mir der Kopf. Diese Welt schien vielfach bedroht zu sein. Von angreifenden Mechas im Weltraum, von Dämonen hier in der Stadt, und dann schienen noch diverse Geheimdienste miteinander zu konkurrieren.
„Sei unbesorgt, Sempai“, sagte Yoshi und löste wieder dieses Funkeln aus. „Als Mitglied der Schülervertretung werde ich meinen Teil dazu beitragen, um diese Schule zu einem sicheren Hort für alle zu machen, die hier für ihren weiteren Lebensweg lernen wollen.“
Machte er das Funkeln absichtlich? Konnte ich das auch? Ich warf einen kurzen Blick in den nächsten Spiegel und versuchte besonders gut zu lächeln. Der Lichtblitz, der dabei entstand, blendete mich für ein paar Sekunden.

Ich blinzelte, um die hellen Flecken vor meinen Augen zu vertreiben.
Akane sah zu mir herüber. Wo hatte sie die schwarze Sonnenbrille her?
„Bist du fertig mit deinen Selbstversuchen?“, tadelte sie mich.
Ich nickte. „Gut, dann hör zu. Du auch, Yoshi. Wir müssen wissen, wer von unserer Schule zu den Magischen Youma-Jägerinnen gehört und wer der VIP ist. Auch wer die Agenten sind, die ihn beschützen. Es ist immer gut zu wissen, wer potentiell für Ärger verantwortlich sein könnte. Das bedeutet Zeit für Vorbereitungen.“
„Zumindest die Youma-Jägerinnen sollten kein so großes Problem sein. Sie tragen ja nur diese lächerlichen Kostümchen, wenn sie einen Dämon vernichten“, sagte Yoshi leise. „Es sollte ein Leichtes sein, sie dabei zu fotografieren und sie anhand ihrer Gesichter zu identifizieren.“
Akane lachte freudlos. „Meinst du nicht, das hätten wir nicht schon mal versucht? Man kann sich nicht an die Gesichter der Mädchen erinnern, und auf Fotos sind sie auch nicht zu erkennen. Kein Computer konnte die Fotos bisher scharf stellen.“
„Das ist irgendwie unfair.“
Akane lächelte mitleidig. „Willkommen in meiner Welt.“
Die Klingel zur nächsten Stunde beendete die Konversation. „Okay, wir haben ein Auge auf die Situation, Akane-chan. So, wir müssen zurück in unsere Klasse.“
Ich winkte ihr noch mal und wunderte mich noch über die plötzliche Röte ihrer Wangen, da war ich schon mit Yoshi wieder auf dem Gang.
„Warum hast du sie chan genannt? Läuft da was zwischen euch beiden?“, fragte mein bester Freund ernst.
Ich erstarrte. „Habe ich das?“ Nachdenklich kratzte ich mich am Kinn, ohne die Unterlagen zu verlieren.
„Da kann ich wohl froh sein, dass sie mir den Fernseher nicht hinterher geworfen hat, was?“
Yoshi warf mir einen bösen Blick zu. „Mir scheint, bei dir wirkt die gleiche Magie, die auch die Youma-Jägerinnen verschleiert, Alter.“
„Was auch immer. Ab in die Klasse.“
Yoshi setzte wieder sein strahlendes Lächeln auf. „Ja, auf in die Klasse. Ino-chan, ich komme.“

3.
Abgesehen vom Unterricht und den diversen Bedrohungen, die anscheinend irgendwo in dieser Welt lauerten, um dann über mich herzufallen, wenn ich es am wenigsten erwartete, war es eigentlich ganz nett hier.
Ärgerlich war nur, dass ich zur Mittagspause kein ordentliches Lunchpaket mitgenommen hatte und nun auf einem eher geschmacklosen Frühstücksriegel aus einem Automaten herum kaute. Aber das war egal. Mit einem Schluck kalten Tee konnte man es dennoch passabel runter spülen, während man auf dem Dach saß und die treibenden Wolken am Himmel bewunderte.
Es war ein schöner, strahlender Tag, und ich verbrachte die Mittagspause mit einigen Freunden auf dem Dach der Schule. Diese Freunde waren meine Gruppe. Akiras Zorn. Eine Gemeinschaft von Jungen, die gegenseitig aufeinander aufpassten. Die Oberstufe war ein raues Pflaster, und wir Youngster nicht viel mehr als Freiwild. Doch gemeinsam konnten wir uns durchsetzen.
Wir, das waren natürlich ich und Yoshi, dazu Kenji Hazegawa, der schweigsam sein Bento aß, sowie zwei weitere Jungen aus Parallelklassen, die mit uns an die Schule gekommen waren.
Da war einmal der weißhaarige, schmächtige Kei mit der großen Lesebrille. Kei Takahara, Computer- und Bücherwurm, niedlich, aber kaum in der Lage, jemals einer Fliege etwas zu Leide zu tun. Das war aber nur eine Seite seiner Persönlichkeit. Wenn er wütend wurde, hatte es in etwa den gleichen Effekt, sich ihm in den Weg zu stellen wie einer außer Kontrolle geratenen Dampfwalze. Bevor er mit uns zusammen gekommen war, hatte man ihn viel gehänselt, was zu seinem ersten Wutausbruch geführt hatte. Durch das Training mit uns und diverse Gelegenheiten hatte er gelernt, diese Wut zu nutzen und zu steuern.
Und natürlich war da noch Doitsu Ataka, ein strenger, schwarzhaariger Junge von schlankem hohem Wuchs, der selten lachte, und noch seltener unformell war. Seine Eltern hatten ihn traditionell erzogen und es hatte uns einige Mühe gekostet, aus ihm mal ein unverschämtes Grinsen heraus zu locken.
Seitdem taute er ab und an auf. Aber selbst in unserer Gegenwart gab er sich meistens förmlich. Er trug als einziger aus unserer Gruppe eine Brille, die er immer wieder in einer beinahe dramatischen Geste die Nase hinauf schob. Er war nicht gerade der beste Kämpfer in unserer Gruppe, aber ein guter Stratege. Und mit seiner Art, die viele als hochnäsig und arrogant missverstanden, hatte er mehr als genügend Gegner an dieser Schule.
Vor allem die höheren Jahrgänge hatten es auf uns abgesehen. Gut einmal die Woche gerieten sie mit uns aneinander und hatten bisher immer den Kürzeren gezogen. Das war gut zu wissen. Aber so erschreckend banal. Wir, die vorherrschende Schulclique. Ich schüttelte gedankenverloren den Kopf.

„…ist unglaublich!“, wetterte Yoshi, „Auf dieser Fotomontage küssen wir uns! Könnt Ihr euch das vorstellen? Weiber, pah. Womit die ihre Freizeit verbringen, will ich gar nicht so genau wissen.“
Doitsu schob seine Brille wieder die Nase hinauf und bemerkte mit dem Ansatz eines Schmunzelns: „Das kannst du ihnen aber nicht verdenken, Yoshi. Du bist nun mal der hübscheste Schüler an dieser Schule.“
Wütend fuhr Yoshi auf. „Verwende nie wieder das Wort hübsch im Zusammenhang mit mir, klar?“
Nun lächelte Doitsu. Es war ein trotziges, herausforderndes Lächeln. „Was, wenn ich es doch tue?“
„Ruhig, Jungs, ruhig“, sagte Kei und ging dazwischen. „Wegen der Mädchen und ihrer Marotten muß man sich nicht aufregen. Außerdem gibt es auch solche Fotos von dir, Doitsu.“
Der steife Schüler erstarrte. „Von… mir?“
„Ja, einen Satz, wie du Akira küsst, einen Satz, wie du Yoshi küsst, drei Sätze, wie du…“
„Moment, Moment, wieso weißt du so gut darüber Bescheid?“, hakte ich nach.
Kei grinste in die Runde. „Na, ratet mal, wer die Nachbearbeitung dieser Fotos übernimmt.“
Spontan standen Douitsu, Yoshi und ich auf.
„Regt euch nicht auf, Jungs“, beschwichtigte Kei. „Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer und verdient an den Fotos. Ratet mal, warum ich euch in letzter Zeit so oft einladen konnte. Außerdem, solange ich die Fotos bearbeite, wissen wir wenigstens immer, welche Art von Fotos im Umlauf sind, ne?“
„Du verlogener, kleiner Halunke!“, rief Yoshi und nahm den Kleineren in einen Schwitzkasten. „Da hast du also das Talent und die Software und sagst uns gar nichts?“
Er zog aus seiner Uniformjacke zwei Fotos hervor. „Hier, kannst du mein Foto mit dem von Ino-Sensei übereinander legen und es so drehen, dass wir uns küssen? Ja? Ja?“
„Na, der hat sich aber schnell wieder beruhigt“, kommentierte Doitsu amüsiert.
„So ist er halt, unser Yoshi“, murmelte Kenji leise. „Er sieht in allen Möglichkeiten das Beste – vor allem für sich.“
Wir lachten über den Scherz des Riesen. Und ich wollte schon etwas erwidern, als plötzlich Sirenen aufklangen.
Doitsu seufzte leise. „Evakuierungsalarm. Schon wieder. Wahrscheinlich ist wieder ein Daishi durchgebrochen.“
„Hey, verstehe ich das richtig? Die United Earth Mecha Force hat einen oder mehrere Mechas des Gegners durchgelassen?“
„Sieht ganz so aus. Und anscheinend hat er Kurs auf Japan. Kommt, die Schutzräume bleiben nur ein paar Minuten offen.“ Doitsu erhob sich und ging vor. „Wahrscheinlich werden sie sowieso wieder irgendwo in der Stratosphäre abgefangen und wir werden von Verwüstungen verschont. Dafür wird es aber spektakuläre Bilder in den Nachrichten geben.“

Ich nickte und schloss mich den anderen an. Bis ich den Hubschrauber bemerkte. Verwundert betrachtete ich die schlanke Maschine und wusste sofort, dass ich es mit einem Leichten Bell-Transporter zu tun hatte. Die Flugmaschine hielt genau auf dieses Dach zu.
Das erstaunte mich einen Moment. Bis Megumi auf dem Dach erschien. Schweigsam stellte sie sich neben mich und sah der langsam näher kommenden Maschine zu.
Plötzlich sah sie mich direkt an. „Du hast dich also entschieden?“
Alarmiert sah ich sie an. Entschieden? Wofür?
Der Hubschrauber kam näher und begann über dem Dach zu schweben. Eine Strickleiter wurde herab gelassen. Megumi erklomm die ersten Sprossen.
„Viel Glück, Megumi-chan“, sagte ich laut genug, um den Rotor zu übertönen.
Sie sah mich an mit ihren zynischen Augen und ich spürte ihre Linke am Kragen meiner Schuluniform. „Für den Schutzraum ist es jetzt zu spät. Du fliegst besser mit, Akira.“
Meine Gedanken jagten sich. Und bevor ich mich versah, kletterte ich hinter Megumi die Strickleiter hinauf, die ganze Zeit darauf bedacht, ihr nicht unter den Rock zu sehen. Obwohl das fast unmöglich war. Und gefangen von der Idee, diese Hawk-Mechas aus der Nähe zu sehen, vielleicht einen Kampf direkt mitzukriegen.
Als wir in der Kabine waren, ruckte der Helikopter an und flog los.
Wortlos öffnete Megumi ihre Uniformbluse und zog sie aus. Ich stand da und starrte sie sprachlos an.
Megumi öffnete ein Staufach und zog einen blauen Druckanzug hervor. Sie warf ihn mir zu. „Anziehen.“ Für sich zog sie einen roten hervor. Sie öffnete den Verschluss ihres Rocks und ich erwischte mich dabei, wie ich sie immer noch anstarrte. Peinlich berührt wandte ich mich um und begann mich ebenfalls auszuziehen. Und bevor ich mich noch fragen konnte, warum ich einen Druckanzug tragen sollte, trug ich ihn auch schon.
Megumi trat von hinten an mich heran und half mir mit den Verschlüssen. „Das kommt alles mit mehr Übung“, erklärte sie mir und drehte mich um, damit sie den Kragenwulst versiegeln konnte.
Peinlich berührt sah ich zur Seite. Hatte sie nicht zuerst ihre eigenen Verschlüsse schließen können? Sie trug zwar noch einen BH, aber selbst im Badeanzug blitzte nicht mehr Haut bei einem Mädchen.

„Nun tu nicht so, als hättest du noch nie ein halbnacktes Mädchen gesehen“, tadelte sie mich und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Das war das erste Mal an diesem Tag.
„Ein halbnacktes Mädchen oder eine halbnackte Megumi, das ist ein himmelweiter Unterschied, Megumi-chan.“
Sie errötete, und auch diese Reaktion an ihr sah ich heute zum ersten Mal. Verlegen betätigte sie ihre eigenen Verschlüsse.
„Wohin fliegen wir überhaupt?“, fragte ich.
„Wir fliegen zu unseren Mechas, Akira.“
„Unseren Mechas?“, fragte ich misstrauisch. „Unseren?“
„Unseren“, bestätigte sie.
„Oh-oh…“

3.
Der Hubschrauber brachte uns zu einer Basis der United Earth Mecha Force. Das Besondere an dieser Anlage war, das sie in fünf Kilometer Höhe über der Erde, genauer gesagt über dem Pazifik schwebte.
„Das ist die untere Plattform, die Titanen-Basis“, sagte Megumi leise. „Sie ist mit OLYMP verbunden, ihrer…“
„Ihrer Schwesterplattform in einer stationären Höhe von einhundert Kilometern. Damit befindet sich OLYMP nominell in der Exosphäre, der äußersten Schicht unserer planetaren Atmosphäre, in einer Dichte, die man aber schon als Teil des Weltraums ansieht. Fünf so genannte Orbitallifts sorgen für einen Materialverkehr zwischen der Titanen-Basis und OLYMP. Jeder einzelne hat eine Kapazität von einhundert Tonnen. Dazu kommen zwei kleinere Lifte, die für den Personenverkehr ausgelegt sind. Jeder von ihnen kann zugleich zwanzig Menschen transportieren. Sowohl die Titanen-Basis als auch OLYMP unterhalten Wartungs- und Startmöglichkeiten für die Mechas der United Earth Mecha Force, die Hawks, die Eagles und die Sparrows. Die meisten Mecha-Operationen finden aber im Weltraum statt, alleine um die Materiallieferungen vom Mond zu eskortieren.
Auf der Titanen-Plattform sind permanent achttausend Soldaten aus neunzehn Nationen sowie zwanzig Mechas verschiedener Klassen stationiert.
Auf OLYMP hingegen arbeiten fünfzigtausend Soldaten und Zivilpersonen aus über vierzig Nationen unter Aufsicht der United Nations. OLYMP ist nicht nur in der Lage, über hundert Mechas aller Klassen zu warten und zu versorgen, die Plattform verfügt auch über die Kapazitäten zur Wartung der Fregatten und Zerstörer der YAMATO- und MIDWAY-Klasse, die im Raumgebiet um Erde, Mond und Mars operieren. Eine weitere Basis dieser Art, die ARTEMIS, die mit der erdnahen Plattform APOLLO verbunden sein wird, ist im Bau und soll über die doppelte Kapazität verfügen und den Bau neuer Schiffe ermöglichen, die im Vergleich zur MIDWAY-Klasse die Größe von Kreuzern haben sollen. Planungen zum Bau der neuen Klasse sind schon fertig. Habe ich etwas vergessen?“
Megumi nahm die Flut an Informationen gelassen hin. „Du solltest vielleicht auch noch erwähnen, dass die Titanen-Plattform über zwei Staffeln Atmosphäregebundener Jagdflieger vom Typ HAWKEYE verfügt. Du bist immer noch gut informiert. Respekt“, stellte sie fest, während ein großer Schatten vor uns auf dem Meer sichtbar wurde. Ich sah aus dem kleinen Fenster hoch und erkannte den Grund. Wir näherten uns der Titanen-Plattform. Mir schauderte bei der Erkenntnis, dass das Mistding einfach nicht größer werden wollte, obwohl der Hubschrauber nicht nur verdammt schnell flog, sondern auch noch mächtig stieg. Wie groß war das Mistding?
Das Wissen, das mir vorhin über die Anlage zugeflossen war, half mir mit den richtigen Angaben aus. Das Mistding war kreisrund, etwa einhundert Meter stark und maß einen stolzen Kilometer.
Ihr Gegenstück OLYMP hingegen war dreimal so groß.
Zwei Hawk-Mechas fielen vor uns herab, bremsten auf ihren an den Beinen befestigten Sprungdüsen ab und flankierten uns links und rechts. Die einem Menschen nachempfundenen Hände winkten zu uns herüber. Dann zogen die Mechas wieder nach oben und verschwanden in Richtung der Plattform.

Nur wenige Minuten später schleusten wir auf der Plattform ein. Ich hatte kaum neben Megumi den Hangarboden betreten – es war lausig kalt, weil das Tor noch nicht geschlossen worden war und ein kräftiger Jet kalte Luft herein pumpte und nicht besonders standfeste Zeitgenossen umzuwerfen drohte – da drückte mir schon jemand einen Helm mit blauem Visier in die Hand. Er war kunstvoll mit blauen Blitzen übersäht. Auf der Stirnseite stand: Blue Lightning.
Megumi erhielt einen roten Helm, auf dem Lady Death stand.
Die Anwesenden sahen zu uns herüber und brachen plötzlich in Applaus aus.
Ich runzelte die Stirn. „Du bist ganz schön beliebt, Captain“, murmelte ich in Megumis Richtung.
„Natürlich bin ich das. Ich bin der derzeit beste aktive Elitepilot“, erwiderte sie und betrat einen Expressaufzug. „Aber dieser Applaus galt nicht mir.“
Wir verließen den Aufzug knapp unter der Oberfläche der Plattform.
Wie viel Zeit war mittlerweile vergangen? Zehn Minuten oder mehr, seit der Hubschrauber uns abgeholt hatte? Es war aber eindeutig zuviel Zeit, um einfach einen Durchbruch von Mechas in Richtung Tokios zu erklären. Die wären längst da und hätten bereits begonnen, mit dem Tokio Tower zu spielen.
Megumi führte mich über ein Laufband, welches wir ironischerweise entlang liefen, zu einem der Personenaufzüge nach OLYMP. Seltsam, ich hätte mich auch ohne ihre Hilfe hier sehr gut Zurecht gefunden.

Der Aufzug begann langsam Fahrt aufzunehmen und Megumi sagte noch: „Halt dich fest, Akira.“
Da beschleunigte der Orbitallift aber schon und warf mich fast zu Boden. Neben uns patrouillierte ein Sparrow-Mecha, einer der schnellsten Kampfroboter, über den die Erde verfügte. Aber er blieb nach kurzer Zeit zurück.
„Der Orbitallift fährt in einer Röhre in einem künstlichen Vakuum“, erklärte Megumi sachlich.
„Verstehe. Dadurch gibt es keine Reibung. Ohne Reibung keinen Widerstand und wir können sehr schnell aufsteigen. Wie lange werden wir brauchen?“
„Für fünfundneunzig Kilometer? Etwa acht Minuten, inklusive Abbremsmanöver.“
Ich pfiff anerkennend. Und sah nach draußen. Das Blau des Himmels ließ etwas nach und verdeutlichte mir, dass wir bereits durch die Stratosphäre schossen und dabei waren, die Ozonschicht zu passieren. Ich sah zur Erde hinab und konnte beinahe zusehen, wie die Inseln und die Titanen-Plattform unter mir schrumpften.
Ein silbriger Schleier legte sich über die Fenster der Kabine. Ich wusste, dies war ein Schutz gegen kosmische Strahlung, die uns in dieser Höhe ohne Ozonschicht weit härter traf als auf der Erdoberfläche.
Acht Minuten. Die zu einem Ritt in den Weltraum wurden. Ich spürte mein Herz vor Aufregung klopfen, aber längst nicht so stark wie ich erwartet hatte. Es kam mir fast wie Routine vor.
Über uns erschien ein fernes Blinklicht, zu dem sich weitere Lichter gesellten. Schnell wurden die Lichter mehr und ich erkannte erste Details von OLYMP. Wir rasten geradezu auf die Plattform zu und ich befürchtete für einen Moment, an ihr zu zerschellen.
Dann aber wurden wir merklich langsamer, und als wir in die Untere Ebene von OLYMP einfuhren, hielt die Kabine sanft an wie ein normaler Personenlift in einem zehnstöckigen Haus.

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Der Orbitallift öffnete sich und entließ uns in einem Wirbel aus Hektik.
Techniker, Piloten und Soldaten rannten an uns vorbei, aber Megumi schritt entschlossen in dieses mittlere Chaos. Natürlich, als Elite-Pilotin kannte sie ihren Weg.
Wir traten auf ein Laufband, welches wir auch wieder laufend bewältigt hätten, wenn es nicht vollkommen überladen gewesen wäre.
Von dort kamen wir zu einem Hangar, in dem gerade mehrere Hawks starteten.
Ein Techniker nahm uns in Empfang. „Ich habe Ihren Mecha bereit machen lassen, Captain Uno. Und Blue Lightning steht Ihnen selbstverständlich zur Verfügung, Sir.“
Mich beschlich der eigentümliche Verdacht, dass er mich mit dem Sir meinte.

„So kommt er also wieder nach Hause“, erklang eine Stimme über mir. Ich wandte mich suchend um und erkannten einen früh ergrauten Mann, dessen Blick aber scharf und fest war. Er trug keine Uniform, nur einen schwarzen Geschäftsanzug. Aber es stand außer Frage, dass er auf OLYMP das sagen hatte. Die Personen um ihn herum, Leibwächter, hohe Offiziere, Sekretärinnen und Melder, waren bestenfalls Statisten, solange er dort stand.
„Vater“, sagte ich leise und knirschte mit den Zähnen. Für einen Moment, für einen winzigen Moment war ich knapp davor gewesen, auf diese Animewelt herein zu fallen. Dem Konstrukt zu glauben. Das ich nicht in einem obskuren Wunsch gefangen, sondern tatsächlich der Sohn dieses Mannes war. Und darüber hinaus ein ehemaliger Elite-Pilot eines Hawks, der bei der ersten Angriffswelle der Daishi-Mechas geholfen hatte, den Feind vernichtend zu schlagen – in einem Alter von vierzehn Jahren.
Mein Blick ging zu Megumi. Die aufgesetzte Erinnerung verriet mir, dass ich sie für die Hawks rekrutiert hatte. Sie hatte es nie gesagt, aber mein Ausstieg aus der Einheit musste sie damals sehr verletzt haben.
„Denk dir nichts dabei, alter Mann“, sagte ich nonchalant und winkte zum Balkon hoch. „Das wird keine permanente Einrichtung. Ich wollte nur neben der Schule ein wenig Zeit mit Megumi verbringen.“
Vater lachte. Eikichi Otomo, Direktor, Konstrukteur und militärischer Oberbefehlshaber von OLYMP und Titanen-Plattform. „Du kannst nicht ewig vor deinem Schicksal fliehen, Akira.“
Ich sah zu ihm hoch und lächelte. Dabei entstand wieder dieses Gleißen, das ich im Raum der Schülervertretung erzeugt hatte. Ein Raunen ging durch die Leute auf dem Balkon. „Aber ich kann es versuchen, alter Mann, nicht?“
Megumi sah zu mir herüber. Ein Techniker hatte bereits ihren Helm angelegt und diverse Anschlüsse angebracht. „Du verspätest dich, Akira.“
Ich schenkte dem alten Mann auf dem Balkon noch ein provozierendes Zwinkern und trat dann zu der Freundin aus Kindertagen.

Ein Techniker trat an mich heran und nahm mir mit zitternden Händen den Helm ab. „Es… Es ist mir eine Ehre, heute für Sie da sein zu dürfen, Colonel.“
Colonel? Meinte er mich? Soweit ich wusste, war ich als First Lieutenant ausgeschieden. Da war was von einer Beförderung gewesen, ja, aufgrund meiner hohen Abschusszahlen und so. Aber hatte ich gleich drei Ränge übersprungen?
„Schon gut. Machen Sie einfach einen ordentlichen Job“, erwiderte ich. Himmel, der Mann war zehn Jahre älter als ich, starrte mich aber an als wäre ich ein Popstar.
Im Hintergrund startete ein Wing Eagles. Die schwer bewaffneten ArtillerieMechas würden uns auf lange Reichweite unterstützen.
„Da kommt Lady Death“, kommentierte Megumi beinahe tonlos. Ein mächtiger, humanoider Hawk-BattleMecha kam aus einer Bodenluke gefahren. Er hatte mächtige Schulterschilde, die den Maskenförmigen Kopf schützten, in dem die Sensoren untergebracht waren.
Auch die Beine waren mit zusätzlichen Schilden versehen worden und auf dem Rücken dominierten mächtige Triebwerke. In der Hand hielt der Mecha eine gewaltige Lanze, die, wie ich wusste, sowohl Stoßwaffe als auch Energiekanone war. Nur wenige konnten mit der Artemis-Lanze effektvoll umgehen. Megumi musste eine von ihnen sein.

Dahinter fuhr ein vollkommen in Blau gehaltener Mecha der Hawk-Klasse aus einer Luke.
Nur Gesicht und Augen waren in einem kräftigen Rotton gehalten. Auch seine Schultern und Beine waren mit Schilden geschützt. Fast hätte man ihn und Lady Death für Zwillinge halten können. Aber seine Bewaffnung war eine andere. Er trug zwei Breitschwerter in den Händen. Es fiel einem normalen Piloten schon schwer, eine Herakles-Klinge zu beherrschen. Und ich sollte beide benutzen?
An diesem Punkt fand ich es eine sehr gute Idee, mich sehr genau daran zu erinnern, wie man dieses Ding steuerte und die Waffen benutzte. Der Boden unter unseren Füßen hob plötzlich ab und näherte sich den beiden Mechas ungefähr auf Leibesmitte. Dort öffneten sich Mannsgroße Luken für uns. Das Cockpit war natürlich an der bestgeschützten Stelle untergebracht und nicht im verletzlichen Kopf.

„Weißt du noch, wie es geht?“, fragte Megumi beiläufig.
Ich grinste sie durch mein blaues Visier an. „Das ist wie Fahrrad fahren. Man verlernt es einfach nie. Sobald ich mit dem Computer meines Mechas verbunden bin, übernimmt er die grobe Steuerung. Aber meine Instinkte, Reflexe und Gedanken bestimmen die Richtung und das Kampfverhalten. Der Hawk wird zu einer Verlängerung meiner selbst.“
„Gut. Dann lass uns fliegen. Wir sind spät dran.“
Ich nickte und stieg in meinen Mecha. Dort setzte ich mich in den pneumatischen Sessel, schnallte mich an und sah dabei zu, wie der Techniker die Anschlüsse meines Anzugs und Helms mit dem Hawk verband.
Als er fertig war und sich das Cockpit geschlossen hatte, erwachte der Mecha zum Leben.
„Guten Tag, Colonel Otomo. Blue Lightning ist hocherfreut, Sie wieder an Bord begrüßen zu dürfen. Lassen Sie Blue Lightning einige Informationen zur aktuellen Lage abgeben. Es befinden sich zwei Div…“
„Blue“, fuhr ich dem Mecha dazwischen. „Colonel?“
„Vielleicht sollten wir erst einmal starten.“ „Natürlich, Colonel.“
Ich konzentrierte mich auf eine Bewegung. Blue feuerte sein Triebwerk und begann zu schweben. Ich drehte mich in Gedanken auf das Haupttor und der Mecha vollführte die Bewegung nach. Die Synchronisation war noch nicht perfekt, aber besser als ich nach drei Jahren erwartet hatte.
Vor mir huschte ein roter Schatten auf das Tor zu und trat durch den Energieschirm in den Weltraum hinaus. „Wo bleibst du, Akira?“
„Ich komme ja schon“, rief ich, konzentrierte mich auf Beschleunigung und hoffte, nichts Wichtiges zu zerstören, wenn ich gleich voll aufpowerte, ohne über vollständige Synchronisation zu verfügen. Doch ich hatte Glück. Der Abflug gelang relativ gut.

„Jetzt wären Informationen zur Lage angebracht, Blue.“
„Wie Sie wünschen, Colonel. Wir werden von zwei Divisionen Daishi-Mechas angegriffen, also sechshundert Mechas. Es sind zwanzig Gamma, zweihundertelf Beta und dreihundertachtundsechzig Alpha. Ein weiterer Mecha ist dabei, den wir bisher nicht identifizieren können. Wenn die Divisionen ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit beibehalten, werden sie in fünf Minuten in Waffenreichweite der Eagles sein.
Drei Zerstörer unserer Flotte eilen mit Höchstfahrt zurück nach OLYMP, um uns zusätzliche Feuerkraft zu verschaffen und für den Fall, dass der Feind erneut eigene Schiffe einsetzt.
Captain Uno meldet soeben, dass sie das Kommando über die Briareos-Kompanie übernommen hat. Die Kompanien Gyes und Kottos erwarten Ihren Befehl, Colonel.“
Das Hekatoncheiren-Bataillon, die Elite-Einheit der United Earth Mecha Force.
Die Hundertarmigen, fünfzigköpfigen Verteidiger der Menschheit. Sechsunddreißig Mechas mit den besten Piloten, über die die Menschheit verfügte. Und mir boten sie das Kommando an. Ein Drittel der Mecha-Verteidigungsstreitmacht von OLYMP. Mir wurde für einen Moment schwindlig. Der Name bezog sich wie so vieles hier auf die griechische Mythologie und bezeichnete drei Brüder, die Zeus geholfen hatten, die furchtbaren Titanen zu besiegen und im Hades unter Verschluss zu halten. Genauso wollte das Hekatoncheiren-Bataillon Schutz und Wall der Menschheit sein. Ein sehr erstrebenswertes Ziel, fand ich.

„Okay, Hekatoncheiren, hergehört. Gyes bleibt bei mir und hält die Mitte. Kottos übernimmt die linke Flanke und Briareos die rechte Seite. Der Feind wartet mit einem neuartigen Mecha auf, und wir wissen nicht, was er leisten kann. Deshalb seid vorsichtig, wenn Ihr den Delta zum Kampf stellt. Wenn möglich, überlasst ihn mir.
Wir fliegen ihnen entgegen und halten sie somit so gut es geht von der Station fern.
Das Titanen-Bataillon hält hier Wache und vernichtet alles, was an uns vorbei kommen kann.
Ich verlasse mich darauf, dass diese Zahl hart gegen null gehen wird.“
„Roger“, hallte es mit aus fünfunddreißig Kehlen entgegen.
„Na dann los!“

Fünfzig Kilometer von OLYMP entfernt traf die Briareos-Kompanie auf die ersten Daishi-Alpha. Die leichten und schnellen gegnerischen Mechas waren meistens mit menschlichen Verrätern bemannt. Dies war teilweise die einzige Chance der Verräter ihren Wert für den Feind zu beweisen – wenn sie lange genug überlebten, um in einen Beta oder Gamma zu wechseln. Nicht dass mir ein Beta oder Gamma gewachsen war.
Der Gegner war gestellt, und auf der anderen Seite schlug die Kottos-Kompanie erbarmungslos in die Flanke. Noch während der ersten Sekunden der Schlacht vernichteten wir neun Alphas ohne dass wir einen einzigen eigenen Verlust erlitten.
Was wussten wir von den Hintermännern der ständigen Versuche, die Erde zu unterwerfen?
Wir nannten sie Kronosier, ihren richtigen Namen hatten sie nie genannt. Sie waren schlanker und größer als es Menschen in allgemeinen waren und sie verfügten über phänomenale Technologie. Über ihre Absichten hatten sie uns hingegen nie im Unklaren gelassen: Die Erde zu unterwerfen und auszubeuten.
Größtes Merkmal waren ihre großen, dunklen Augen und der blasse, fast wie durchscheinend wirkende Teint. Ansonsten hätten es Menschen sein können. Vor allem, was ihre Skrupellosigkeit anging. Sie rekrutierten für ihre Vorhaben Menschen nur zu gerne, anstatt den eigenen Hals zu riskieren. Was bedeutete, auf irgendeine Weise saßen sie nicht nur auf ihren Basen auf dem Mars, sondern auch noch auf der Erde. Irgendwo. Irgendwie.

Die Zeit für Erinnerungen war vorbei. Ich erhielt Gelegenheit, neue zu machen, als ein Dutzend Betas, begleitet von fünfzig Alphas direkt auf mich zu hielt.
„Sir“, erklang eine Stimme und ein kleines Fenster mit dem behelmten Gesicht eines Piloten der Kyes-Kompanie flammte vor mir auf. „Die haben es auf Sie abgesehen. Ziehen Sie sich hinter unsere Linien zurück.“
Ich warf einen Blick auf sein Callsign. Dandy. Er war adliger Engländer und tat hier oben sein Bestes zum Schutz der gesamten Menschheit.
Ich lächelte fein. „Dandy, ich bin hier um zu kämpfen, nicht um mich zu verstecken.“
Bevor der Pilot etwas erwidern konnte, warf ich Blue nach vorne, schwang die Schwerter und hatte die Linie der angreifenden Gegner passiert, bevor sie richtig wussten, wie ihnen geschehen war. Hinter mir detonierten zwei Beta. Ich hatte sie zweigeteilt.
„Wow“, sagte Dandy dazu.
„Trotzdem könnte ich etwas Hilfe gebrauchen“, ermunterte ich ihn. „Gyes zu mir!“
„Roger!“ Die Linie der Piloten setzte sich in Bewegung.

Mit diesem Angriff hatten wir die Reihen zu Briareos geschlossen und hielten nun eine gemeinsame Linie vor OLYMP. Kottos kam immer näher und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie bei uns war.
Neben mir spießte Megumi gerade einen Gamma-Daishi mit ihrer Artemis-Lanze auf und gab gleich noch einen Feuerstoß ab, der einem Alpha direkt dahinter galt. Ich nutzte die Gelegenheit, kam hinter sie und ließ Megumi für mich Sichtschild spielen, bis ich mit Höchstgeschwindigkeit wieder auftauchte und direkt in einen Pulk Alphas raste, die im Clinch mit drei Hawks der Kottos-Kompanie waren. Nachdem ich sie passiert hatte, explodierten vier Daishis im kalten Weltall.
„Beeindruckend. Du hast nichts verlernt, Blue Lightning“, kommentierte Megumi. Es klang irgendwie zufrieden.
„Du aber auch nicht“, erwiderte ich, als sie einen gegnerischen Mecha auf über drei Kilometer Entfernung mit einem Schuss aus der Artemis-Lanze traf und schwer beschädigte.
„Ich bin aber im Gegensatz zu dir immer in Übung.“
„Ich sagte doch“, erwiderte ich mit einem grimmigen Lachen, „das ist wie Fahrrad fahren. Man vergisst es nie, wie so ein Ding zu steuern ist.“

„Kottos meldet einen Totalverlust. Noch ein Totalverlust!“
„Kottos auf meine Linie zurückziehen!“, blaffte ich barsch. Ich ahnte, was passiert war. Der Delta-Daishi war angekommen.
„Holen wir uns ein paar gute Scans von dem Knaben und sehen wir zu, dass genügend von ihm übrig bleibt, damit die Eierköpfe nachschauen können, wie er aufgebaut ist. Nicht, Lady Death?“
„Verstanden. Ich werde ihn also nur kastrieren und nicht zerstören“, erwiderte Megumi tonlos.
„Kastrieren. Was du für Wörter kennst“, tadelte ich sie. „Sieh einfach zu, dass etwas von dem Ding übrig bleibt. Das reicht mir schon.“
„Dritter Totalverlust für Kottos.“
„Jetzt reicht mir das aber: Kompanie Kottos, absetzen, ich wiederhole, absetzen!“
Die Hawks der Kottos-Kompanie spritzten auseinander und gaben den Weg frei. Der Delta ließ sich nicht lange bitten und brach durch die Bresche, einen ganzen Rattenschwanz Alphas und drei Gamma im Schlepp.
„Kottos, bei Gyes sammeln und neu formieren. Briareos setzt Flankenangriff fort. Dandy, du übernimmst den Befehl. Vernichtet den Feind oder schlagt ihn in die Flucht.
Lady Death, folge mir.“
Ich wendete den Mecha und trat den Schub voll durch. Neben mir tauchte Megumi mit ihrem roten Hawk auf.

„OLYMP Feuerleitkontrolle, Blue Lightning hier. Unbekannter Mecha ist durchgebrochen. Ich wiederhole, unbekannter Mecha ist durchgebrochen. Erbitte Feuerunterstützung durch Eagles.“
„OLYMP Feuerleitkontrolle hier. Feuerunterstützung bestätigt. Verlinken Sie uns mit Ihrem Computer und geben Sie uns Ziele.“
„Roger. Datenstrom verlinkt. Feuert wenn bereit.“
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Drei Alphas explodierten einige Augenblicke darauf bereits. Die anderen Mechas des Gegners begannen mit Ausweichmanövern, was es Megumi und mir gestattete, weiter aufzuholen.
Dann begannen die riesigen Impulsgeschütze von OLYMP zu feuern. Zwei Alphas wurden vernichtet, obwohl der riesige Waffenstrahl sie nur gestreift hatte.
„Vorsicht, wir sind auch noch hier!“, beschwerte ich mich. Wieder setzte das Abwehrfeuer der Eagles ein und vernichtete weitere Mechas. Ein Chaos aus Energie und Explosionen entstand vor uns.
Ich drückte, einer Eingebung folgend, meine Maschine nach unten. Gerade noch rechtzeitig, um ein nettes Ortungsbild eines Mechas zu bekommen, der sich aus dem Angreiferpulk gelöst hatte und nun in Richtung Titanen-Plattform fiel.
„Mir nach, Megumi.“
„OLYMP Feuerleitkontrolle hier. Wir bekommen keine Daten mehr von Ihnen, Sir.“
„Der unbekannte Mecha ist ausgebrochen und geht auf Kurs auf die Titanen-Plattform. Ich nehme mit Lady Death die Verfolgung auf. Mit dem Rest werdet Ihr schon alleine fertig. Ach, und warnt unsere Kollegen da unten.“
„Roger, Colonel.“

Fünfundneunzig Kilometer, teils durch immer dicker werdende Atmosphäre machten aus den drei Mechas lodernde Fackeln. Nicht, dass sie wirklich brannten, aber die Reibungshitze erzeugte einen Feuersturm um uns herum. Nun, so konnten wir den Delta wenigstens nicht verlieren.
Als wir auf fünf Kilometer heran waren, begann die Titanen-Station, Sperrfeuer zu schießen. Megumi und ich mussten unsere Positionen aufgeben, um nicht versehentlich getroffen zu werden. Außerdem stiegen fünf Hawks auf, um den Feind zu stellen.
Was hatte der Gegner vor? Wenn er die Geschwindigkeit und den Kurs beibehielt, würde er mitten in die Titanen-Station hinein rauschen. Das würde er nicht überleben. Und die Plattform würde sich nicht einmal schütteln.
Was wenn der Gegner den Plan verfolgte, die Plattform ernsthaft zu beschädigen oder gar die Orbitallifte zu vernichten? Eine Beschädigung der Lifte würde uns und die Verteidigungsanstrengungen um Monate zurück werfen. Ohne die hochwertigen Ersatzteile von der Erde konnten wir die Überlegenheit unserer Mechas nicht lange durchhalten.

„Ist dir aufgefallen, dass der Delta gar keine Waffe trägt? Er hat die Kottos-Kompanie im Nahkampf angegriffen und drei Hawks mit bloßen Händen erledigt. Dabei hat er doch diesen hübschen Kampfstab auf dem Rücken“, murmelte Megumi.
„Etwas kurz und etwas dick für einen Kampfstab“, erwiderte ich und schalt mich sofort einen Narren. Nun wusste ich, was er vorhatte. Und wie er es tun würde.
Mit einem wüsten Fluch jagte ich Blue so schnell es irgend ging hinab, machte den Mecha schmal und legte die Arme an, um möglichst wenig Luftwiderstand zu bieten. Zu meinem Glück musste der Delta immer wieder dem Beschuss der Hawks und der Waffen der Titanen-Plattform ausweichen und gab mir so die Gelegenheit, aufzuholen.
Als ich endlich mit ihm auf einer Höhe war, griff der Mecha bereits nach dem Stab, der für einen Menschen die Ausmaße eines dreimal übereinander gestapelten Fasses hatte.
Ich passte meinen Kurs an, ging in einen fast horizontalen Flug und rammte den Delta brutal, was mich sicher nicht weniger hart in meinen Sitz trieb als meinen Gegner.
Es kam zu einem Gerangel um das Dreifachfass, auf dem bereits bunte Lichter zu blinken begannen, aber ich gewann. Doch als ich das Fass – oder vielmehr die Bombe – in den Händen von Blue hielt, bekam ich einen Tritt vom Delta mit, der mich Richtung Erdoberfläche trieb. Kurz darauf wurde Blue wieder erschüttert, als der Delta mit Gewalt in mich hinein raste.
„Megumi!“, rief ich und warf der Freundin die Bombe zu. „Du weißt, was du zu tun hast.“
„Roger!“, erwiderte sie und begann zu steigen.
Der Delta wollte ihr hinterher, aber ich verhakte meinen Mecha in seinem.
„Wir gehen zusammen in eine andere Richtung, mein Freund.“
Dann passierten wir die Titanen-Plattform und für uns waren es nur noch fünf Kilometer bis zum Erdboden. Mit einem Anflug von Entsetzen sah ich, dass wir mehr oder weniger in Richtung der japanischen Inseln fielen. Das war mal wieder klar. Wenn etwas schief gehen konnte und sollte, würde es das auch. Und zwar in allen Konsequenzen. Nun war ich mir sehr sicher, irgendwo in Tokio aufzuschlagen. Und wahrscheinlich direkt in meiner Schule.

Über mir gab es eine helle Detonation. Ich hoffte, dass Megumi es noch rechtzeitig geschafft hatte, die Bombe hoch genug zu schaffen und weit genug von ihr fort zu kommen.
Und erinnerte mich an meine eigenen Probleme. Der Erdboden kam immer näher und die beiden Mechas taumelten umeinander. Den Delta aber nun los zu lassen würde nur bedeuten, das Ende dieses Kampfes auf später zu verschieben. Sich in den Erdboden zu bohren und zu explodieren war aber auch keine Lösung.
„Blue, hast du eine Idee?“
„Bremsfallschirme. Mit dem zusätzlichen Gewicht des Daishi wird eine weiche Landung aber nicht zu erwarten sein.“
„Besser als nichts!“ Ich löste die Fallschirme aus und ein harter Ruck ging durch Blue, als seine Geschwindigkeit radikal reduziert wurde. Nur mit Mühe behielt ich den Delta im Griff. Der Erdboden kam immer noch schnell näher, aber längst nicht mehr so rasant wie noch kurz zuvor. Allerdings würde ich beim Aufschlag unten liegen, wie eine schnelle Hochrechnung Blues ergab. In Erwartung des Schlages und mit der Erkenntnis, zwar ins Stadtgebiet Tokios, aber nicht auf meine Schule zu fallen, spannte ich mich an.
Es gab ein lautes Poltern, Metall kreischte und Glas brach. Ich wurde herum geschleudert und durchgeschüttelt.
Dann war Stille.

„Blue, bist du noch da?“ „Ja, Colonel, ich bin noch da. Die Schäden an mir sind groß, aber reparabel.“
„Ist der Delta noch in unserem Griff?“ „Ja, Colonel, der Delta ist noch in unserem Griff. Sein Reaktor fährt gerade runter. Der Mecha schaltet ab.“
„Gut. Und wo sind wir gelandet?“
In meinem Blickfeld landeten zwei rote Mechabeine. Die mussten zu Lady Death gehören.
„In meinem Appartementhaus“, kam ihre Stimme über Funk. „Und wenn ich das richtig sehe, hast du gerade mein Appartement mit einem Schulterschild zerstört.“
„Oh“, erwiderte ich. „Tut mir leid. Ist aber immer noch besser, als wenn Trümmer von der Titanen-Plattform hier abgestürzt wären, oder? Blue, mach bitte die Luke auf. Sind hier Waffen im Cockpit?“
„Eine Pistole unter dem Sitz, Colonel.“
„Das hilft mir jetzt auch nicht weiter, Akira“, erwiderte Megumi wütend. „Ich wollte eigentlich nicht in eine Kaserne umziehen müssen.“
„Das brauchst du auch nicht. Du kannst zu mir ziehen. Es stehen viele Zimmer leer und Vater kommt sowieso nie von seinem Olymp herunter.“ Ich nahm die Waffe an mich und kletterte aus der Luke heraus. Es bereitete mir etwas Mühe, auf der immer noch warmen Panzerung Halt zu finden, während ich zu dem Delta herunter kletterte. „Ist immer noch besser als eine Kaserne, oder?“
„Hm“, erklang es über mir. Megumi kletterte ebenfalls aus ihrem Mecha hervor. „Ich nehme dein Angebot an, Akira.“
Für einen Moment wurde mir heiß und kalt zugleich. Meine Gedanken schlugen Kapriolen, als ich daran dachte, nein, als ich mir ausmalte, was alles passieren konnte, wenn wir unter einem Dach lebten. Die meisten Gedanken gefielen mir sehr gut.

Als Megumi mich erreicht hatte, stand ich vor dem Cockpit des Delta-Daishi.
„Und? Wie kriegen wir das Ding auf?“, fragte ich nachdenklich. Ich brannte darauf, den gegnerischen Piloten zu sehen.
„Vielleicht sagst du so was wie Sesam öffne dich?“, scherzte Megumi und schluckte sprachlos, als sich die Luke tatsächlich öffnete.
Ich hob die Pistole und versuchte vorsichtig ins Innere zu sehen. Megumi zog ihre Waffe, eine schwere Schrotflinte.
„Können Sie mich hören?“, fragte ich ins Cockpit, Megumis Waffe ignorierend und bei einigen meiner Phantasien Abstriche machend. „Sie sind hiermit offiziell Gefangener der United Earth Mecha Force. Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie sich ergeben.“
Ich machte den letzten Schritt und sah… Nichts. Der Sessel im Mecha war leer. Hatte sich das Ding selbst gesteuert?

Suchend ging mein Blick hin und her. Bis ich das zitternde Bündel Mensch hinter dem Sessel bemerkte. „Sind Sie der Pilot?“, herrschte ich ihn an.
Die Gestalt hob den Kopf und starrte zu mir herüber. Die braunen Augen und die sehr helle Haut ließen keinen Zweifel daran, wen ich hier vor mir hatte. Eine kronosianische Pilotin. Die Frau mit dem langen, weißen Haar sah mich angsterfüllt an.
Der Blick aus den tiefen, dunklen Augen berührte mich irgendwie, denn ich musste mehrfach schlucken, um meine Kehle frei zu bekommen. „Verstehen Sie mich? Sie sind jetzt meine Gefangene.“ „Gefangene?“, wiederholte sie.
„Ja, Gefangene. Das bedeutet, niemand darf Ihnen etwas tun. Ich werde das verhindern.“
„Wirklich?“, fragte die Frau und wischte sich die Tränen aus den Augen.
„Wirklich.“
Sie schnellte sich aus ihrer unmöglichen Position in die Höhe, sprang über den Sessel hinweg und rammte mich mit einiger Energie. Erschrocken über den plötzlichen Angriff ließ ich mich fallen und zog sie mit mir. Megumi, die bereits übles befürchtet hatte, riss ihre Waffe hoch.

Ich sah auf. Die Kronosianerin verfolgte keine feindlichen Absichten. Außer, man wollte es ihr als kriegerischen Akt auslegen, dass sie mich zitternd und weinend umklammerte.
„Lonne hat Angst“, heulte sie. „Du beschützt Lonne, nicht wahr?“
„Ja, natürlich. Akira beschützt Lonne, versprochen.“
„Na Klasse“, kommentierte Megumi und schulterte ihre Waffe. „Eben gerade wollte sie noch die Titanen-Plattform sprengen und jetzt versprichst du ihr, sie zu beschützen. Weißt du eigentlich, wie knapp ich der Explosion entkommen bin?“
„Sprengen? Explosion?“, murmelte die Außerirdische verwirrt. Sie löste sich von mir und hob dozierend einen Zeigefinger. „Aber nein. Was Lonne da mitgebracht hat, war ein spezieller Scanner, der den Aufbau von Titanen-Station aufzeichnen und dann mit dem eingebauten Funk direkt zum Mars senden sollte.“
„Dann ist dein Scanner mit eingebautem Funk gerade mit der Kraft von einer Megatonne TNT in der Exosphäre unseres Planeten explodiert“, bemerkte Megumi zynisch.
Die weißhaarige Außerirdische schluckte hart. „Wie viel? Eine Megatonne? Lonne hat… So eine riesige Bombe auf dem Rücken gehabt?“ Übergangslos fiel sie in Ohnmacht und sank in meine Arme.
„Also, entweder ist sie eine verdammt gute Schauspielerin“, kommentierte ich, „oder sie hat nichts von der Bombe gewusst.“
Megumi runzelte die Stirn. „Bei ihrem IQ glaube ich das sofort. Und, was machen wir jetzt mit ihr?“
Ich dachte nach. Lange würde es nicht mehr dauern, bis entweder Bodentruppen oder Einheiten der United Earth eintreffen würden.
Aber hey, dies war eine Animewelt, und ich war mir sehr sicher, dass Lonne wirklich nicht gewusst hat, was sie da beförderte. „Etwas richtig dummes, Megumi. Etwas wirklich dummes.“
Die Mecha-Kriegerin im Range eines Captains grinste schief. „Ich bin dabei, Akira.“

4.
„Denkst du immer noch, das war eine gute Idee?“, fragte mich Megumi leise.
„Guten Morgen!“, rief Lonne und verbeugte sich freudestrahlend vor Yoshi und den anderen aus meiner Gruppe. „Mein Name ist Lilian Jones. Ich bin ab heute hier an dieser Schule als Austauschschülerin. Akira-sama ist mein Gastgeber.“
„Was denn? Die Schuluniform steht ihr doch gut?“, erwiderte ich grinsend.
Yoshi erwiderte die Verbeugung, während Doitsu, Kei und Kenji die Kinnladen herabfielen.
„Guten Morgen, Lilian-chan“, erwiderte Yoshi. „So, so. Akira ist dein Gastgeber. Heißt das, du wohnst bei ihm?“
Lonne strahlte. „Ja. Ich wohne bei Akira-sama.“
Ein böser Blick traf mich, der mich Schlimmes befürchten ließ. Yoshi grinste Lonne freundlich an. „Entschuldige mich bitte. Kei, wärst du vielleicht so freundlich und würdest du Lilian-chan ein wenig herum führen?“
„Nicht doch, nicht doch“, ließ sich Doitsu vernehmen. Er schob seine Brille die Nase hoch, was einen schimmernden Reflex auf den Gläsern auslöste. „Selbstverständlich übernehme ich das.“
„Vielleicht sollten wir uns alle um sie kümmern“, brummte Kenji.
„Alles klar, alles klar, Lilian-chan, folge uns einfach“, rief Kei fröhlich, ergriff die Hand des weißhaarigen Mädchens und zog sie mit sich. Die anderen beiden folgten ihm ohne zu zögern.

Ich sah kurz Yoshi an und meinte beschwichtigend: „Nun vermute mal nicht das Schlimmste. Megumi wohnt ja auch bei mir und…“
Yoshi legte eine Hand um meinen Nacken. Aus der freundschaftlichen Geste wurde aber schnell ein Würgegriff. „Was machst du eigentlich in deinem Riesenhaus, das du vollkommen alleine bewohnst, hä? Eine Austauschschülerin, Megumi-chan…“
„Megumis Appartement wurde gestern zerstört, als diese Mechas abgestürzt sind. Ich habe ihr nur angeboten, bei mir zu wohnen. Platz habe ich doch genügend. Und Lilian ist wirklich eine Austauschschülerin. Auf eine gewisse Weise.“
„Wie ist das denn schon wieder gemeint?“, fragte Yoshi nach und nahm mich stärker in den Schwitzkasten.
„Erkläre ich dir später. Nun lass uns langsam in die Klasse gehen, ja?“
„Richtig. Benimm dich nicht so kindisch, Yoshi-kun. Ich wohne bei Akira. Ich bin nicht mit ihm liiert.“ Megumi sah ihn einen Moment mit starrem Blick an und ging dann vor.
„Irgendwie beruhigt mich das nicht. Okay, hör zu, Akira. Ich ziehe auch bei dir ein. Zumindest so lange, bis die beiden wieder ausziehen, klar?“
„Danke, danke, danke. Du bist ein wahrer Freund. Wann kannst du da sein? Heute noch? Das wäre so gut. Danke. Du rettest mir wirklich das Leben“, rief ich und umarmte Yoshi.
„Äh, Akira“, brummte Yoshi leise. „Akira…“
„Schon gut. Ich war nur so gerührt über deine Hilfsbereitschaft. Also heute Abend bei mir, ja?“ Ich klopfte Yoshi auf die Schulter und ging vor. Warum sollte ich den ganzen Ärger, den diese Situation versprach, auch alleine ertragen? Dafür waren Freunde doch schließlich da, oder?

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Anime Evolution
Episode zwei

Prolog:
„Jetzt haben wir dich, Elektrotechniker-Youma. Gib auf. Du hast keine Chance mehr!“, rief das rothaarige Mädchen mit dem blauen Rock. Ihre energische Stimme hallte durch die Nacht.
„Vielleicht überhaupt keine Chance, aber doch nur sehr wenige“, kommentierte das blonde Mädchen mit dem schwarzen Rock.
Die Rothaarige wirbelte herum. „Musst du ihm auch noch Mut machen, Black Slayer? Wir hatten ihn gerade so schön in die Ecke gedrängt!“
Das blonde Mädchen hielt die Zeigefinger aneinander und murmelte: „Tschuldigung.“
„Wo waren wir? Ach ja. Youma, ich werde dir nie verzeihen, dass du diesen harmlosen, hart arbeitenden Elektrotechniker übernommen hast. Auch wenn er meistens schwarzarbeitet, ist das kein Grund, ihn zum Werkzeug deiner finsteren Wünsche zu machen!“ Das Mädchen mit den roten Haaren gestikulierte mit den Fingern. „Ich bin Blue Youma Slayer, und im Namen des Guten vernichte ich dich!“
Die Gestalt, um die es ging, war ein Mann, der doppelt so groß war wie normal. Seine Haut hatte sich dunkelblau verfärbt und seine Augen waren in ein irr leuchtendes rot getaucht. Er trug in beiden Händen abgerissene Stränge von elektrischen Leitungen, die früher einmal Waffen gewesen sein mochten. Seine ebenfalls blauen Haare waren jedenfalls von einem langen Kampf ziemlich in Unordnung geraten.“
Die Rothaarige gestikuliert erneut und vor ihr entstand ein länglicher Metallstab mit einem Juwel an der Spitze. Sie umtanzte den Stab, ließ ihn um sich herum kreisen.
Was sie für den nächsten Angriff des Besessenen nicht wirklich vorbereitete.
Die linke Faust des Youmas krachte neben ihr in den Boden, sie konnte nur mit Mühe ausweichen.
„Ich habe dir gleich gesagt, du brauchst zu lange, um das Szepter der Energie zu aktivieren, Blue Slayer. Nie hörst du auf mich“, beschwerte sich die mit dem schwarzen Rock.
Die Rothaarige rieb sich den schmerzenden Hintern, den sie sich nach einer mehr als harten Landung zugezogen hatte.

Dies war der Moment, in dem ich eingriff. Wütend trat ich auf die Veranda hinaus und rief: „WAS MACHT IHR IN MEINEM GARTEN?“
Die beiden Mädchen starrten mich erstaunt an und auch der Youma, der die Gelegenheit nutzen wollte, um sich die Rothaarige zu greifen, erstarrte.
„Oh. Akira-san!“, rief die Rothaarige erschrocken. „Ich… Das heißt, wir… Ich meine, das ist ein Youma.“
„Das sehe ich!“, blaffte ich gereizt und trat in den Garten hinaus.
„Yaaaaaa! Er trägt einen Yukata!“, rief die Blonde aufgeregt. „Warum habe ich keine Kamera dabei?“
Ich ignorierte diesen Begeisterungsausbruch. „Könnt Ihr nicht woanders spielen gehen?“
„Aber wir sind die Youma Slayer, wir…“, begann die Rothaarige. Als sie aber meinen festen Blick sah, verbeugte sie sich. „Verzeihung, Akira-san.“ Die Blonde fiel ein und verbeugte sich ebenfalls und auch der Youma tat es ihnen nach. Bis er sich für dieses Benehmen reichlich dumm vorkam und mit dem weitermachte, was er gerade vorgehabt hatte.
Ich lief aus dem Stand los und stoppte die Hand, die nach Blue Slayer greifen wollte, mit dem Futteral des Katanas, welches ich mit hinaus genommen hatte. „Wenn hier einer in meinem Garten Gewalt anwendet, dann bin ich das!“, blaffte ich den Youma an.
„Oh, Akira-san, du hast mich gerettet“, sagte die Rothaarige mit schmachtendem Blick.
Ich sah sie mir genauer an. „Kennen wir uns?“
Erschrocken sah sie mich an. „Nein. Nein, ganz bestimmt nicht. Wir gehen auch nicht auf die gleiche Schule, oder so.“
Der Youma drückte gegen meinen Block, aber ich will es nicht verhehlen, ich hatte ebenfalls einiges an Kraft aufzubieten. Das Trainingsprogramm, welches ich absolvierte, um ein vollwertiger Hawk-Pilot zu bleiben, tat da sicher seinen Teil.
Mit der Rechten zog ich das Katana hervor. „Du willst spielen? Von mir aus.“
„Ahh! Nicht, Akira-san!“, rief die Blonde. „Das ist ein Mensch! Er ist nur von einem Youma besessen!“
„So?“, erwiderte ich und zog das Schwert in einer schnellen Bewegung über den Leib des Besessenen. Einige Sekunden geschah nichts. Als dann aber seine Hose rutschte, erschrak der Riese und wandte sich entsetzt ab.
„Sieht tatsächlich so aus. Menschliches Schamgefühl hat er jedenfalls“, bemerkte ich amüsiert. „Also, wenn ich ihm nichts tun soll, behalten will ich ihn auch nicht. Na?“
Die Rothaarige starrte mich an. „Oh. Oh. OH! Ja, natürlich!“
Sie griff zu ihrem Szepter und vollführte wieder diese merkwürdigen Bewegungen.
„Müssen die sein?“, bemerkte ich bissig. „Die hätten dich eben fast das Leben gekostet, Blue Slayer.“
„Sag mir nicht, was sein muß und was nicht“, zischte sie während einer Pirouette.
Vom Stab ging ein Lichtschauer aus, der den Youma regelrecht zu perforieren schien. Übrig blieb der Mensch, der kraftlos zu Boden sank, sowie ein violetter Schemen, der entsetzt aufschrie und dann aufmachte, um in der Dunkelheit zu entkommen.
Dies war eine Sekunde, bevor ihn ein Lichtschimmer traf.
Der violette Schemen verging unter fürchterlichem Geschrei. Direkt vor meine Füße fiel ein Pfeil, an den ein Spruchband befestigt worden war. Um genauer zu sein, ein Bannspruch.
Ich wandte mich um und sah Yoshi in der Tür zum Haus stehen. Er hielt in der Linken einen Bogen und nickte schwer. „Was ich anvisiere, treffe ich auch.“
„Mann, Yoshi, wo warst du die ganze Zeit“, beschwerte ich mich.
Wütend blaffte er zurück: „Ich habe eben nicht so einen leichten Schlaf wie du! Und den Bannspruch musste ich auch erst noch schreiben, von Pfeil und Bogen mal ganz abgesehen! Also mecker nicht, ja?“
Die Blonde legte ihre Hände ans Gesicht. „Waaah. Yoshi-san und Akira-san wohnen zusammen unter einem Dach!“
Die Rothaarige wurde richtig rot. „Wie jetzt? Wieso? Warum?“
„Was tut das zur Sache? Und überhaupt, was seid Ihr immer noch da? Nehmt den da und verschwindet endlich“, rief ich weit barscher, als ich beabsichtigt hatte.
„Ja, natürlich“, erwiderte Blue Slayer und sah zu dem Menschen herüber, dem der Youma ausgetrieben worden war.
„Akira-san!“
Ich wandte mich wieder um. „Was?“
Blue Slayer verbeugte sich tief aus der Hüfte. „Haben Sie vielen herzlichen Dank dafür, dass Sie mein Leben gerettet haben.“
Einigermaßen besänftigt nickte ich und schob das Katana wieder zurück. „Es war zumindest keine unnütze Anstrengung“, kommentierte ich und ging zurück ins Haus.
Die beiden Mädchen sahen mir einen Moment nach, dann hüpften sie zum ehemals besessenen Menschen, schlüpften je unter eine Schulter und sprangen dann davon.

„Kommst du oder willst du hier bleiben?“, fragte ich leise.
Yoshi starrte erst seinen Bogen, dann mich an. „Ich kann Bannsprüche schreiben. Ich kann Bogenschießen. Ich könnte einen Kronkorken auf zweihundert Meter treffen. Wow. Wow.“
„Und ich steuere einen Hawk gegen außerirdische Mechas. Und? Dies ist eine Anime…“
„Was war denn?“, fragte Megumi verschlafen. Sie rieb sich die Augen und blinzelte uns müde an. Ich winkte ab. „Schon gut. Die Magischen Youma-Jägerinnen haben in unserem Garten nur einen Youma vernichtet. Wir haben ihnen dabei etwas geholfen.“
„Ich habe einen Bannspruch geschrieben“, berichtete Yoshi stolz. „Und mit nur einem Pfeil die Essenz des Youmas vernichtet.“
„So? Ist er zerstört oder muß ich meinen Hawk anfordern?“, murmelte sie mehr schlafend als wach.
„Nein, nein, alles in Ordnung und der besessene Mensch scheint wohlauf zu sein“, beruhigte ich sie. „Und jetzt geh wieder schlafen, bevor du dich erkältest in diesem… Diesem…“
Ich schluckte hart. Das T-Shirt, welches Megumi zum schlafen angelegt hatte, besaß einen interessanten Nachteil. Es war nicht lang genug.
„So? Dann gehe ich wieder ins Bett.“ Sie gähnte herzhaft und streckte sich dabei.
Dabei wurde ihr Shirt angehoben und ihr weißer Slip blitzte.
Yoshi bekam Nasenbluten. Ich spürte, wie ich rot wurde und drehte mich gerade weit genug weg, um einerseits respektvoll zu sein und andererseits den Ausblick nicht zu verpassen.
Megumi schmatzte zufrieden und drehte sich um. „Morgen trage ich dann einen roten“, murmelte sie.
„Einen roten?“, fragte ich verständnislos.
Sie wandte sich noch einmal kurz um und lächelte beinahe wach zu uns herüber. „Worauf habt Ihr beide mir denn gerade gestarrt, hm?“
Entsetzt starrte ich ihr hinterher, bis sie verschwunden war. „Sie hat gelächelt. Richtig gelächelt. Nicht zynisch, nicht halbherzig, richtig gelächelt!“
Yoshi polsterte seine Nase mit abgerissenen Papiertaschentuchfetzen aus. „Dnas lniegt daran, dnas sie fnast noch geschnlafen hat. Dna snind die Abwehrmnaßnahmen alle unten.“
„Das kann sein“, erwiderte ich lächelnd. Ich ergriff das Katana fester. „Gehen wir auch wieder schlafen, Yoshi. Morgen haben wir viel zu tun.“
„Dnu mneinst dnie Schnule?“
Ich dachte kurz an meinen letzten, eigentlich ersten Einsatz in einem Hawk zurück, der mir eine Außerirdische als Mitbewohnerin beschert hatte. „Nicht nur. Wirklich, nicht nur…“

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1.
Als wir uns auf dem Weg zur Schule machten, nahm mich Megumi kurz beiseite. Wir ließen uns hinter Yoshi und Lonne, die als amerikanische Austauschschülerin auftrat, zurück fallen.
„Hör mal, Akira. Deine Idee, Lonne nicht den Streitkräften auszuliefern in allen Ehren. Aber war es wirklich eine so gute Idee, Yoshi zu fragen, ob er mit einzieht?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Hm. Ich halte es immer noch für eine sehr gute Idee.“
Von ihrer nonchalanten, fast unbewegten Art war gerade nicht viel zu merken. Megumi starrte mich an als wäre ich der Youma von letzter Nacht. „Lass mich mal zusammenfassen. Du hast eine feindliche Pilotin bei dir Zuhause aufgenommen, nach der sämtliche Geheimdienste der Welt gerade fahnden. Du hast mich da mit rein gezogen, weil ich sie für dich geschmuggelt habe. Und du weißt noch überhaupt nicht, ob Lonne wirklich so harmlos ist, wie sie scheint. Vor allem nicht, nachdem sie einen Daishi-Prototyp gesteuert hat. Und in dieser Situation lädst du einen Freund ein, bei dir zu wohnen und treibst die Entdeckungsgefahr in die Höhe?“
Ich sah zu, wie sich Lonne und Yoshi unterhielten. Der Gestik des Freundes nach führte er gerade vor, wie er den Bogen abgeschossen hatte, den er in der Nacht für den Bannspruch benutzt hatte. „Beruhige dich, er wird schon nichts herausfinden.“
Megumi entspannte sich leicht.
„Ich habe es ihm längst erzählt.“
Megumi ergriff mich an meiner Jacke und zog mich auf ihre Augenhöhe herunter. „DU HAST WAS?“
„Äh… Ihm alles erzählt?“
Eine dicke Zornesader pochte auf ihrer Stirn. Nun, ich konnte ihr schlecht erzählen, dass sie nur Teil einer Animewelt war, die ich durch einen unbedachten Wunsch erschaffen hatte und das Yoshi in Wirklichkeit mein Freund und Kumpel Ralf war, der versehentlich in diese Welt hineingezogen wurde. Das hätte für sie nicht viel gezählt. „Okay“, sagte sie mühsam beherrscht. „Nenn mir einen Grund, warum du glaubst, dass er uns nicht verraten und damit richtig tief in die Scheiße reiten wird.“
Ich grinste zu ihr herab. „Einer?“ „Einer reicht, aber er muß gut sein.“
„Wie wäre es damit? Wenn er uns hätte verraten wollen, dann hätte er es längst getan, oder?“
Verblüfft ließ Megumi meinen Kragen los. „Ich behalte ihn dennoch im Auge“, brummte sie, wandte sich ab und ging weiter.
Ich verdrehte die Augen in komischer Verzweiflung. Das war gerade noch gut gegangen.

„Morgen, Otomo-Kohai“, erklang eine müde Stimme hinter mir.
Ich wandte mich um und erkannte Akane.
„Akane-Sempai, guten Morgen.“ Respektvoll blieb ich stehen und wartete, bis sie aufgeschlossen hatte.
Auch Megumi wartete auf die Stellvertretende Vorsitzende der Schülervertretung.
„Uno-Kohai“, begrüßte Akane die Mecha-Pilotin leise. „Wie ich höre, hattest du neulich großen Erfolg mit deinem Hawk.“
„Sempai. Wie man es nimmt. Man sagt, eine Armee verliert, wenn sie nicht gewinnt. Doch wir gewinnen, solange wir nicht verlieren.“
„Das Credo der Guerilla“, kommentierte Akane Kurosawa und nickte. „Ein Sieg der Invasoren, und dies wird eine neue Kolonie der Kronosianer.“

Akane sah mich von der Seite an. Unwillkürlich lüftete ich meinen Mandarin-Kragen, der mir eng zu werden drohte. Ein Gefühl der Gefahr beschlich mich.
„Uno-Kohai, ich weiß, dass deine Arbeit sehr wichtig ist und ich bin bereit darauf Rücksicht zu nehmen, dass sich die Kronosianer nicht an die Schulzeiten halten.“
Megumi nickte zur Antwort.
„Aber erkläre mir bitte, warum die Schulleitung die Anweisung bekommen hat, dass Otomo-Sempai in Zukunft jederzeit auf seinen eigenen Wunsch freigestellt werden soll – auch nachträglich?“ Die beiden tauschten einen Blick aus, der mich froh machte, nicht dazwischen zu stehen. Wahrscheinlich hätte mich ein elektrischer Schlag getroffen.
„Wenn du es nicht weißt, Sempai“, erwiderte Megumi, „dann habe ich keine Berechtigung, es dir zu erzählen.“
„So, so.“ Akane wirkte nicht verärgert, aber ihre Augen sprachen eine andere Sprache. Wieder tauschten sie die wilden Blicke aus und unwillkürlich folgte ich den beiden mit einem halben Schritt Abstand.
Plötzlich ergriff Akane meinen rechten Arm und zog mich zu sich heran. „Es gibt einen offiziellen Befehl, der dir verbietet, an unserer Schule neue Mecha-Piloten zu werben, richtig, Uno-Kohai?“
Nun griff auch Megumi zu und umschloss meinen linken Arm. „Das ist richtig, Akane-Sempai.“
Wieder tauschten die beiden diese scharfen Blicke aus. Irrte ich mich, oder drohte der Himmel wirklich dunkel zuzuziehen?
„Aber so wie ich das sehe, hast du jemanden geworben.“ Ihr Griff um meinen rechten Arm wurde fester.
„Nur weil Akira die gleiche Freistellung bekommt, die ich habe, heißt es noch nicht, dass ich ihn geworben habe.“ Auch ihr Griff wurde fester. Und sie hatte die Diskussion – soweit man dies eine Diskussion nennen konnte – auf den Punkt gebracht.
Unwillkürlich musste ich an die Bibel und Salomons Urteil denken, als sich zwei Frauen um ein Baby stritten. Irgendwie hatte ich die Befürchtung, dass Salomons Weisheit an den zweien hier verschwendet gewesen wäre. Keine von ihnen hätte mich für solch ein Urteil losgelassen.
„Das heißt aber nicht, dass Akira nicht seit neuestem in einen Hawk steigt, oder?“, griff Akane an.
Megumis Mund zierte eine spöttische Miene. „Nein, das heißt es wahrlich nicht.“
Wieder tauschten die zwei wütende Blicke aus, und durch die zunehmende Dunkelheit konnte ich gut erkennen, dass zwischen den Augen der zwei tatsächlich eine Art Funkenflug stattfand, der genau vor mir wie eine Wunderkerze strahlte.
„Vielleicht sollten wir uns alle beruhigen“, warf ich ein, „und uns darauf konzentrieren, zur Schule zu kommen. Nicht, dass ausgerechnet Akane-Sempai zu spät kommt.“
Die letzte Bemerkung schien tatsächlich zu ihr durchgedrungen zu sein.
Akane Kurosawa brach den Blickkontakt und lockerte den Griff um meinen Arm etwas. „Das ist richtig, Otomo-Kohai.“ Sie entspannte sich merklich und auch Megumis Griff um meinen linken Arm ließ etwas nach.
Der Himmel klarte bereits wieder auf und der Funkenregen versiegte.

Übergangslos wurde es wieder stockfinster. Erneut tauschten die zwei diesen Blick aus. Der Funkenregen war schlimmer als zuvor. „Aber sollte ich herausfinden, dass jemand an unserer Schule trotz Verbot geworben hat, sorge ich dafür, dass die Werbungen rückgängig gemacht werden und dieser Jemand die Schule verlässt!“, sagte Akane mit fester Stimme.
Ein amüsierter Blick huschte über Megumis Gesicht. „Es steht dir frei, dies zu versuchen, Akane-Sempai.“
Hinter uns zuckte ein Blitz zu Boden, kurz darauf grollte lauter Donner. Das war es dann wohl mit dem schönen Tag.
Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Wie konnte ich aus dieser Situation wieder heraus kommen?

„Akira-san!“, klang hinter mir eine weitere Stimme auf. Erleichtert stellte ich fest, dass es keine Mädchenstimme war. Ich hatte auch keinen Arm mehr, an den sie sich hätte anhängen können, und die Beine wären doch etwas gewagt gewesen.
Eine kleine Hand klopfte sehr hart auf meinen Rücken. Ich sah nach hinten und erkannte Kei Takahara.
Der kleinere Junge grinste in die Runde und schob mich langsam aus der Mitte der beiden Frauen heraus. „Guten Morgen, allerseits. Wenn Ihr nichts dagegen habt, entführe ich euch Akira für ein paar Minuten. Geschäftliches, Geschäftliches.“
Die beiden Frauen ließen überrascht meine Arme los, und ich konnte mir mit Kei schnell einen beachtlichen Vorsprung aufbauen, der uns knapp hinter Lonne und Yoshi brachte.
„Das war knapp“, sagte ich erleichtert und klopfte nun meinerseits dem Einserschüler kräftig auf die Schulter. „Du hast mir das Leben gerettet, Kei.“
Als Antwort erntete ich einen bösen Blick. Ich hielt erschrocken an. Erneut stand mir kalter Schweiß auf der Stirn.
„A…KIIIIIRAAAAA! Bist du des Wahnsinns?“, fauchte der Computerfreak aufgebracht. „Du bist zwar einer der beliebtesten Jungen an unserer Schule und die Schüler würden dir sehr viel durchgehen lassen. Aber musst du gleich drei Frauen in Beschlag nehmen?
Akane gilt als heimliche Prinzessin der Schule, das muss ich dir ja wohl nicht erst erklären. Sie kriegt am Tag mehr Liebesbriefe als ich schreiben könnte. Sie ist so populär, dass man sicher schon in diesem Moment in der Schule weiß, dass du mit ihr zusammen zur Schule gegangen bist. Wahrscheinlich werden gerade die ersten Voodoo-Puppen mit deinem Namen mit Nadeln gespickt.
Megumis stille und abweisende Art macht sie fast genauso beliebt, einmal ganz davon abgesehen, dass sie eines der hübschesten Mädchen der Schule ist. Himmel, sogar die Jungs der oberen Jahrgänge sind hinter ihr her, aber sie hat bisher jeden abblitzen lassen.
Nicht zuletzt ihr Flair als draufgängerische Offizierin der Mecha-Streitkräfte macht sie so populär, dass sie in direkter Konkurrenz zu Akane steht.
Und du gehst mit diesem Eisblock am Arm zur Schule. Ein eindeutigeres Zeichen an ihre anderen Verehrer kannst du wohl kaum geben.
Und dann ist da noch Lilian, die neue Austauschschülerin, die bei dir Zuhause untergekommen ist. Wenn ich mal davon absehe, dass niemand vorher von einem Austausch wusste und dass Lilian an ihrem ersten Schultag von nichts eine Ahnung hatte, aber erschreckend schnell aufgeholt hat, muss ich ehrlich sagen: Bist du wahnsinnig? Lilian gilt als der aufstrebende Star der Schönheit an der Schule, ihr naives Lächeln, ihre Freundlichkeit, ihr langes, weißes Haar, all das macht die Männer – und zugegeben, auch einige Mädchen – richtig verrückt. Sie wohnt bei dir, verdammt. Damit hast du drei Mädchen. Aber nicht irgendwelche Mädchen, sondern die beliebtesten Mädchen aus zwei Jahrgängen. Und eine schläft unter deinem Dach!“ Vorwurfsvoll sah er mich an. „Hat dein Auge gezuckt, als ich gesagt habe, dass eine unter deinem Dach schläft?“
Ich hob abwehrend die Hände. „Äh…“
Blankes Entsetzen glitt über Keis Gesicht. „Wer ist es? Megumi? Oder Akane?“
„Äh…“ Der Blick Keis bekam etwas Dämonisches. Mir war, als würde der Himmel erneut zuziehen und eine unheimliche Energieaura enthüllen, die sich nach und nach um Kei aufbaute. Überschlagblitze zuckten und sprangen zu mir herüber. „Es ist Megumi“, stellte er leise mit einer unheimlichen Sicherheit fest.
„Ihr Appartement wurde zerstört, als Blue Lightning abgestürzt ist“, versuchte ich hastig zu erklären, „da habe ich ihr halt Unterkunft angeboten.“
Von einem Moment zum anderen versiegte die Aura des Freundes. Stattdessen entwickelte er eine Niedergeschlagenheit, eine neue Aura der abgrundlosen Trauer. „Zwei? Zwei schlafen bei dir? Essen mit dir? Lernen mit dir? G… G… G…“
Kei wurde knallrot bei seinem letzten Gedanken.
„Oh“, erwiderte ich und lachte laut, einen Arm hinter dem Kopf verschränkt. „So ist es ja nun nicht. Yoshi ist auch bei mir eingezogen, solange die beiden da sind.“
Kei griff sich an sein Herz. Er starrte zu mir hoch, als hätte ich es ihm gerade in zwei Hälften gehackt. Langsam wandte er sich um und schlurfte traurig davon. „So ist das also. Yoshi gibst du diese unglaubliche Chance. Aber deinen alten Freund Kei, den lässt du außen vor. Du wolltest mir nicht mal was sagen…“
Peinlich berührt folgte ich ihm. „Hör mal, Kumpel, es dürfte etwas viel werden, wenn du auch noch bei mir einziehst. Ich meine, Platz wäre ja da, aber…“
Übergangslos strahlte der Computerfreak mich an. Hatte ich etwas verhängnisvoll Falsches gesagt?
„Wirklich? Du hast noch Platz? Super! Na, dann frage ich doch meine Eltern, ob ich ein paar Wochen bei dir wohnen darf. Keine Angst, ich beteilige mich selbstverständlich an allen anfallenden Arbeiten!“ Er ergriff meine Rechte und schüttelte sie. „Danke. Danke. Du bist ein wahrer Freund.“
Ich schluckte hart. Na, DAS war ja tüchtig daneben gegangen.
Fröhlich pfeifend setzte Kei den Schulweg neben mir fort.
Okay, das hatte ich vermasselt. Aber vielleicht konnte ich noch etwas retten. „Hör mal, Kei, okay, du kannst bei mir einziehen. Aber ich bitte dich, den anderen nichts zu sagen. Freunde hin, Freunde her.“
Kei sah mich an. Ein seltsamer Glanz trat in seine Augen. Für einen Moment wirkte er… Cool. „Glaubst du wirklich, ich will noch mehr Konkurrenz bei Megumi-chan und Lilian-chan haben, Akira?“
Der kurze Moment verging und wir setzten unseren Weg fort. Junge, Junge, der Bengel hatte es aber faustdick hinter den Ohren.

2.
Die erste Unterrichtsstunde hatten wir bei Ino-Sensei, was natürlich gerade für Yoshi ein Grund war, die Augen auf Dauerglanz zu schalten.
Dass er noch vor wenigen Tagen eifersüchtig bei mir eingezogen war, weil Megumi und Lonne unter meinem Dach lebten, interessierte ihn im Moment herzlich wenig.
Als Ino-Sensei ihn aufrief, um an der Tafel etwas zu schreiben, sprang Yoshi von seinem Platz auf und brüllte: „Jawohl, Sensei!“ Es fehlte nicht viel zum Stechschritt, als er nach vorne marschierte.
Ich unterdrückte ein Auflachen bei dieser Szene. Wenn die Lehrerin etwas an seiner Begeisterung merkwürdig fand, so sagte sie es nicht.
Nun, mit der Matheaufgabe waren die beiden jedenfalls erst mal einige Zeit beschäftigt, und ich hatte Gelegenheit, mir meine eigenen Gedanken zu machen.
Mein Blick glitt über die Klasse. Ami Shirai, das kleine, braunhaarige und immer viel zu blasse Mädchen, saß nur einen Pult neben mir. Eigentlich war sie der typische Prototyp für das ewig kränkliche Mädchen, das ohne ein sie begleitendes Notfallteam besser nie das Haus verließ. Aber das war nur äußerlich. In Wirklichkeit war das Mädchen mit den braunen Zöpfen knallhart. Ich hatte sogar Gerüchte gehört, dass sie die einzige weibliche Mädchengang an der Schule kontrollierte und schon sehr erfolgreich vergleichbare Gangs anderer Schulen aufgemischt hatte.
Wie konnte in so einem zarten Ding nur soviel rohe Gewalt stecken? Wie konnte der Anblick nur so täuschen? Ich schmunzelte und dachte an Lonne, die mit glänzenden Augen drei Pults rechts von mir den Unterricht verfolgte. Auch in ihr täuschte man sich leicht, wenn man nur von dem Äußeren ausging. Sie hatte gesagt, dass sie nicht mehr zurück wollte zu jenen, die sie mit einer riesigen Bombe in den sicheren Tod hatten schicken wollen, und ich glaubte ihr.
In gewissem Sinne waren Ami und Lonne seelenverwandt. Man konnte ihnen nicht ansehen, was sie wirklich waren. Wahrscheinlich aber waren sie sowieso beide noch auf der Suche nach ihrem wahren Ich.
Mein Blick schweifte weiter und begegnete einigen Mädchen, die heimlich zu mir herüber gesehen hatten und nun mit hochroten Köpfen hinter ihren Büchern verschwanden, als in mir ein Gefühl der Gefahr entstand. Ich spürte, wie sich die Zeit verlangsamte, meine Sinne beschleunigten. Mein Kopf ruckte in die Richtung, aus der ich die Gefahr erspürte.
Ich sah ein heran fliegendes Stück Kreide mit Kollisionskurs auf meinen Kopf. Hinter den Wellen aufgewirbelter Luft, die die Kreide hinterließ, erkannte ich Ino-Senseis wütendes Gesicht.
Ich bewegte den Kopf nach hinten und sah die Kreide über mich hinweg fliegen, beinahe hätte eines der taumelnden Enden meine Nase gestreift.
Vom Schwung beschleunigt ging mein Kopf noch weiter nach hinten, bis ein zuckender Schmerz mich daran erinnerte, dass immer noch eine Lehne im Weg war.
Meine Augen folgten dem Kreidestück und erkannten ein erschrockenes, blondes Mädchen, dass auf die Kreide starrte, als wäre sie eine angriffsbereite Kobra.
Reflexartig brachte ich meinen rechten Arm ins Spiel und umschloss das Kreidestück Sekundenbruchteile, bevor es auf ihrer Stirn gelandet wäre.

Übergangslos beschleunigte die Zeit wieder auf Normalgeschwindigkeit. Ein leises Raunen ging durch die Klasse. Das Kreidestück in meiner Hand aber schlug aufgrund der Massenträgheit hart gegen meine Finger und ließ sie schmerzen. Ich spürte, wie die Kreide mehrfach brach. Feiner Staub rieselte zwischen meinen Fingern hervor.
Aus meiner unbequemen Position sah ich das blonde Mädchen an. War das nicht Hina? Hina Yamada, dieser niedliche Tollpatsch von neulich? Sie war in meiner Klasse und ich hatte nichts bemerkt? „Alles okay, Hina-chan?“, fragte ich.
Dies löste die Spannung. Ohne jeden Übergang wurde aus der erschrockenen Miene ein strahlendes Lächeln. „Natürlich, Akira-san. Hab vielen Dank.“
Ich nahm die Hand zurück und legte die Reste der Kreide auf meinen Pult, was wieder ein erschrockenes Raunen auslöte. „Keine Ursache.“

Über mir tauchte plötzlich ein wütendes Gesicht auf. Es gehörte Ino-Sensei, und bevor ich mich versah, hatte ich zwei Zeigefinger im Mund, die meine Mundwinkel schmerzhaft auseinander zogen. „Ist mein Unterricht so langweilig, dass Herr Otomo nebenbei träumen und rumflirten muß?“
Flirten? Ich? „Gargl“, antwortete ich. Sicherlich nicht das Klügste in dieser Situation, aber mehr Laute konnte ich nicht bilden, solange die Lehrerin mich malträtierte.
Auf ihrer Stirn pochte eine wütende Ader. „Wird Herr Otomo nun willig meinem Unterricht folgen?“
„Kchhhhh“, antwortete ich.
Das schien Sensei als ausreichende Antwort anzusehen. Sie brummte zufrieden und nahm die Finger aus meinem Mund. „Gut. Otomo-kun. Du bleibst trotzdem nach dem Unterricht noch da.“
Wütend wirbelte sie herum und ging wieder zu ihrem Pult.
„Tut mir leid, Akira-san“, flüsterte Hina bedrückt und drückte die Zeigefinger aneinander.
„Nicht deine Schuld, Hina“, erwiderte ich und kehrte in eine normale Sitzposition zurück.
Ein wütender Blick Inos spießte mich auf. „Hat da nicht jemand versprochen, meinem Unterricht zu folgen?“
„SENSEI!“, rief ich und richtete mich vollkommen gerade auf. Was für meinen Ruf als cooler Bandenführer nicht gerade zuträglich war…
**
Nachdem sich der Klassenraum geleert hatte – Yoshi, der Halunke, hatte mir noch einen Blick aus tiefem Bedauern zugeworfen – kam Ino-Sensei von ihrem Pult herüber, setzte sich auf den Stuhl rechts von mir – links waren die Fenster, falls ich das noch nicht erwähnt habe – und sah seufzend zu mir herüber.
„Akira-chan. Was soll ich nur mit dir machen?“ Sie nestelte an ihrem kunstvoll hochgesteckten Haar und löste es. In einer goldenen Fontäne flutete es über ihre Schultern.
Ich schluckte beeindruckt. Ino-Sensei war eine mehr als beeindruckende Schönheit.
Moment. Hatte sie mich gerade chan genannt?
Sie schlug die Beine übereinander und bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick. Verdammt, musste ihr Rock so kurz sein? Ich wusste kaum, wo ich hinsehen sollte.
„Ino-Sensei, ich…“
„Aber, aber“, erwiderte sie und verzog ihr Gesicht. „Wenn wir alleine sind, kannst du mich ruhig Sakura nennen.“
Ich spürte, wie ich rot wurde. Was wurde das hier? Eine verbotene Liebe zwischen einer Lehrerin und ihrem besten Schüler? Nun, der Gedanke hatte seine angenehmen Seiten, zugegeben. Andererseits hatte ich schon mehr als genug Ärger. Konnte ich wirklich noch mehr gebrauchen?
„S… Sakura-chan?“, bot ich mit stockender Stimme an.
Die Antwort war ein Lächeln. „Du bist der Kreide vorhin gut ausgewichen. Man erkennt hervorragend die Reflexe, die dich zum besten Hawk-Piloten der Erde machen. Beinahe hätte es die arme Hina erwischt. Das hätte mir wirklich leid getan.“
Ich spürte wie sich mir die Kehle zuschnürte. Sie wusste davon, dass ich einen Mecha flog?
„Und die anderen Sachen, die ich da über dich gehört habe, hm. Stimmt es das du mit zwei anderen Schülern zusammen wohnst?“
Nun begann mir aber doch das Herz in die Hose zu rutschen. Ich öffnete den Mund, um zu antworten, aber ich schnappte nur nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen.
Ino-Sensei, nein, Sakura beugte sich vor und legte eine Hand auf meine Rechte. Dabei geriet ihr wirklich hübsches Dekolleté in mein Blickfeld.
„Akira-chan, du weißt, ich habe viele Gründe, hier zu unterrichten. Und du bist kein unwichtiger Grund dafür. Doch ich muß dich bitten, unsere Freundschaft nicht auszunutzen. Bitte folge dem Unterricht besser. Du bist doch für die anderen ein Vorbild. Auch wenn du dir selbst so viele Probleme schaffst. Verstehst… Sag mal, wo siehst du eigentlich hin?“
Mein Kopf ruckte hoch und ich sah ihr ins Gesicht. „Was?“
„Oh“, machte sie verstehend.
Unwillkürlich wappnete ich mich für einen weiteren Wutausbruch.
„Hast du mein Dekolleté bemerkt? Der neue Push-Up bringt wirklich einiges, wie man sieht, nicht?“
Nun war ich vollkommen verwirrt. Irgendwie erwartete ich, dass sie nun aufstand, die Türen schloss und wir zwei kurz darauf… Nun, meine Phantasie war groß, wie man an der Erschaffung der Animewelt sehen konnte.
„Gefällt es dir nicht?“, fragte sie enttäuscht.
„Das ist nicht der Punkt“, erwiderte ich mit dünner Stimme.
Sakura lachte leise. „Verkrampf dich nicht so. Ich bin deine Cousine und kenne dich schon seit du klein bist. Du hast schon so oft mit mir gebadet, dass… Ist was, Akira-chan?“
Cousine? Mit ihr gebadet? Natürlich, auf eine verrückte Art machte das Sinn. Sogar viel Sinn. Erleichterung übermannte mich, und ich sank in meine schlampige Sitzhaltung zurück. „Nein, nein, Sakura-chan. Ich habe nur gerade sehr viel um die Ohren. Und erzähle bitte niemandem, dass wir früher zusammen gebadet haben. Ich würde nicht lange überleben“, scherzte ich.
Sakura schmunzelte und strich sich durch ihr langes goldenes Haar. „Das meinst du. Hm, ich weiß, was für einen Ruf ich bei den Jungs an der Schule habe. Einige von ihnen wären sicherlich sehr erleichtert, wenn sie wüssten, dass du mein Cousin bist, für den ich den Babysitter gespielt habe, seit er zur Schule gehen konnte.“

Ich nickte erleichtert. Ihre strahlende Schönheit schien für mich nun in einem ganz anderen Licht. Sie drohte mich nun nicht mehr zu überwältigen, nein, ich hatte Gelegenheit, diesen herrlichen Anblick, den meine Cousine bot, vollkommen zu genießen, ohne dass es in irgendeiner Form peinlich oder sogar gefährlich für mich sein würde.
„Andererseits würden sie die nächste Wand hochgehen, wenn sie wüssten, wie gut wir uns verstehen, und dass wir nicht blutsverwandt sind.“ In ihren Augen lag ein Schimmer, ein gewisser Funke, der mich überwältigte und ihre Schönheit und vor allem ihre Erreichbarkeit wie eine Tonnenlast auf mich herab stürzen ließ.
Von einem Moment zum anderen schwitzte ich wieder Blut und Wasser, und die geschlossenen Türen sowie ihre Hand auf der meinen ließen meine Gedanken erneut rotieren.
„Wo-woher weißt du das mit den beiden Mädchen überhaupt?“, fragte ich in einem verzweifelten Versuch, das Thema wenigstens leicht zu ändern.
Erstaunt sah sie mich an. „Oh? Onkel Eikichi hat es mir gesagt.“
Natürlich. Vater. Dieser alte Schuft hatte meine schlichte Anfrage, der heimatlosen Megumi und ihrer Mitbewohnerin – als die ich ihm Lonne verkauft hatte – Obdach gewähren zu dürfen natürlich breit getreten. Und weitererzählt. Und höchstwahrscheinlich auch noch aufgebauscht.
„Hat er auch erwähnt, dass noch zwei Jungen mit mir dort wohnen?“, erwiderte ich und bemerkte mit Freude, dass dieses Thema einiges von dem Druck nahm, unter dem ich stand.
„Was?“, rief Sakura aufgebracht. „Und ich dachte immer, du… Na ja. Du stehst auf Mädchen…“
Mit vor Zorn hochrotem Kopf sah ich meine Cousine an. „Was du gleich wieder denkst! Yoshi und Kei wohnen ja nur bei mir, damit genau so ein Verdacht nicht aufkommt.“
„Na, das ist aber reichlich daneben gegangen“, murmelte Sakura ernst. „Wie kriegen wir dich aus diesem Dilemma wieder raus?“
Ich fühlte, wie meine Stimmung auf einem Tiefpunkt ankam, denn ich fürchtete mich vor der Lösung, die meine Cousine für mich anbieten würde. Zweifellos würde sie…
„Ich“, begann sie und stand ruckartig auf, „werde intensiv darüber nachdenken.“
Sie beugte sich vor und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Keine Bange, Sakura-chan findet schon eine Lösung. Halt solange deine Finger bei dir, nicht? Sowohl von Megumi-chan und Lilian-chan als auch von Yoshi-kun und Kei-kun, ja?“
Der erneute Anblick ihres Dekolletés lähmte mich für einen Moment. Als sie aber halb zur Tür war, erwiderte ich: „Das brauchst du mir gar nicht erst zu sagen, Sakura.“
„So? Hm. Darüber muß ich dann wohl auch noch nachdenken“, erwiderte sie, zwinkerte mir noch mal zu und verschwand auf den Gang.
Na toll, und wieder hatte mein Leben in der herbei gewünschten Animewelt noch etwas Tempo zugelegt.

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3.
Erschöpft lehnte ich mich an den Maschendrahtzaun. Aktivitäten waren ja schön und gut, aber bis an seine Belastungsgrenze zu gehen bedeutete leider, wirklich bis an seine Belastungsgrenze zu gehen.
Ich war so weit gegangen, wie ich verantworten konnte, und sogar noch darüber hinaus. Damit war ich fertig, ausgepowert, am Boden.
Ich hörte nicht einmal mehr die wütende, uns anfeuernde Stimme des Sensei.
Kurz sah ich auf, aber Sensei begnügte sich damit, die anderen das Baseballfeld auf und ab zu scheuchen. Für den Moment war ich verschont.
Seufzend ließ ich mich am Zaun zu Boden gleiten und versuchte, meinen Atem zu beruhigen. Immerhin war ich wirklich weiter und schneller gelaufen als jeder andere im Team.
Eine Pause hatte ich mehr als verdient.

Für einen Moment, einen wirklich wunderschönen Moment lag ich nur so auf der kalten Erde und genoss die kräftige Sonne, die nach dem Debakel am Vormittag nun stärker als zuvor schien. Doch ich ahnte, dass dieser winzige Augenblick des Glücks, ohne Mechas, Magical Girls, Pflichten als Repräsentant der Schülervertretung und Mitglied einer knallharten Jungengang nicht von langer Dauer sein würde.
Als die Sonne verdeckt wurde, wusste ich, er war vorbei.
Ich öffnete die Augen und sah zwei bemerkenswert schlanke und gut geformte Beine hinauf. Mist, wenn sie nur einen Schritt näher getreten wäre, hätte ich von meiner Position sehr gut unter ihren Rock sehen können.
„Wir müssen reden, Akira“, sagte Megumi leise.
„Könntest du näher treten? Ich höre dich so schlecht“, erwiderte ich.
„Das hättest du wohl gerne“, erwiderte sie, ging in die Hocke und sah mir direkt in die Augen. „Auf mit dir. Wir haben was zu tun.“
Seufzend ergab ich mich in mein Schicksal. Ich erhob mich. „Reden wir hier oder gehen wir außer Hörweite?“
„Wir können hier reden, wir können woanders reden, es ist mir egal.“
„Also dann hier“, entschied ich und setzte mich auf eine leere Zuschauerbank.

Komisch, war die nicht noch vor wenigen Minuten mit kreischenden Mädchen gefüllt gewesen? Und wieso drängten sich selbige Mädchen nun an der Trainerbank zusammen und starrten angstvoll zu Megumi herüber?
„Lass mich raten, du hast nicht gerade viele Freundinnen, was?“, bemerkte ich amüsiert.
„Ich bin Elite-Pilotin eines Hawk, die Fernsehsender beten meine tödliche Präzision rauf und runter, man lauert darauf, dass die Zahl meiner Abschüsse dreistellig wird und meine Ausbildung erlaubt mir, einen Arm oder ein Bein binnen einer Sekunde zu brechen. Natürlich habe ich Freundinnen. Dutzende. Es interessieren sich ja auch alle für elitäre Killermaschinen.“
Für einen Moment fühlte ich mich wirklich schlecht. Denn immerhin hatte ich sie geworben und war schuld daran, dass sie dieses Leben führte. „Tut mir Leid, Megumi-chan.“
Sie winkte ab. Ihre Miene war ausdruckslos wie meistens. „Schon gut. Ich habe mir dieses Leben selbst ausgesucht. Wahrscheinlich kann ich froh sein, dass ich die meiste Zeit überhaupt zur Schule gehen darf, um wenigstens etwas von einem normalen Leben zu haben.“

Ich war unsicher und tief gerührt. Sie nahm ihr Schicksal nicht nur stoisch hin, sie tat auch ihr Bestes. Was für ein Ekel konnte sie nur für diese tödliche Arbeit anwerben und dann im Stich lassen?
Die Antwort war einfach. Ich. Selbst wenn man mal davon absah, dass dies nur eine Scheinwelt war, die ich mit einem dummen Wunsch erschaffen hatte, so war dieses Verhalten einfach… Einfach… Widerlich.
„Es tut mir leid“, sagte sie unvermittelt und sah zu Boden. „Ich weiß nur zu gut, warum du ausgeschieden bist. Ich habe dich in dieser Entscheidung immer unterstützt, auch wenn es bedeutete, auf meinen besten Freund zu verzichten. Und dann zerre ich dich nicht nur wieder zurück ins Cockpit eines Hawks, bringe dich wieder in Todesgefahr, sondern nerve dich noch mit meinen kleinlichen Problemen.“
„Megumi-chan, so darfst du nicht reden. Nicht einmal denken. Wenn ich es kann, will und werde ich für dich da sein. Apropos für dich da sein. Weshalb wolltest du mich sprechen?“
Verlegen sah die junge Frau zu Boden. „Nun, um die Wahrheit zu sagen, Akira, die Führungsspitze von OLYMP hat nach deiner Rückkehr in den aktiven Dienst einige Übungen anberaumt. Es ist nun schon viel zu lange ruhig geblieben, und wir sollten für alle Fälle gewappnet sein. OLYMP will, dass du dem Nachwuchs etwas von deiner langjährigen Erfahrung beibringst.“

Nun war es an mir, verlegen zu sein. Ich hatte wohl den Respekt gespürt, mit dem man mich auf OLYMP behandelt hatte. Er schien weit tiefer zu greifen, als ich ahnte.
Doch bevor ich mich versah, griffen meine Beißreflexe. „Ist dem alten Tattergreis nicht schon damit geholfen, dass ich wieder in einen Hawk steige? Muss er mich auch noch vorführen?“
„Otomo-sama hat damit eigentlich nichts zu tun“, erwiderte Megumi. „Es war meine Idee.“
Sie sah zu mir herüber, und ich musste kräftig an einem Kloß schlucken, der mir die Kehle zuschnürte.
„Kommst du nach dem Unterricht mit auf den OLYMP?“
Wie konnte ich bei diesen hoffnungsvollen, feucht schimmernden Augen nur nein sagen?
Ich räusperte mich und brach brutal den Blickkontakt ab. „Wenn es für unsere Soldaten ist, die jeden Tag ihr Leben riskieren…“
Für einen Moment glaubte ich, Megumi würde vor Freude einen Luftsprung machen. Zumindest, wenn ich aus ihren strahlenden Augen schloss.
Stattdessen erhob sie sich nur, strich ihren Rock glatt und verneigte sich leicht in meine Richtung. „Danke, Akira. Ich hole dich nach dem Unterricht ab.“
Ich nickte. „Abgemacht.“

Megumi verneigte sich erneut leicht und verließ den Platz.
„Ach, Megumi-chan“, rief ich ihr hinterher.
Sie wandte sich halb zu mir um. „Ja?“
Ich musste grinsen. „Ist es ein roter?“
Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. „Wäre ich vorhin einen Schritt näher getreten, hättest du es selbst herausfinden können, nicht?“
Ich lüftete meinen Kragen. Für meinen Hormonhaushalt war dies definitiv ein verdammt schlechter Tag.

4.
„Der Rang von Blue Lightning ist nebensächlich“, erklang die scharfe Stimme eines Befehlsgewohnten Offiziers in der Halle vor mir. Ich ordnete sie automatisch Commander Steiner zu, dem obersten Militär auf OLYMP.
„Aber dennoch sollten Sie ihm nie widersprechen und ihm aufmerksam zuhören, denn das United Earth Mecha Force Headquarter hört ihm sehr gut zu.
Seine Erfahrung ist größer als die aller Anwesenden hier. Im Hawk kann ihm kaum einer das Wasser reichen, Lady Death vielleicht ausgenommen, wenn sie noch ein paar Jahre trainiert.
Einige von Ihnen haben bereits mit ihm zusammen gearbeitet, als die Bedrohung durch die Kronosier so plötzlich über uns herein brach. Doch die meisten stießen erst später zu uns, nachdem Blue Lightning… Nun, wir reden nicht darüber. Weder intern, noch extern.“
Interessiert spitzte ich die Ohren. In der mir aufgepropften Erinnerung gab es eine große Lücke, und die betraf den Grund meines Ausstiegs aus der UEMF. Schade, um ein Haar hätte ich diese Wissenslücke schließen können.
„Jedenfalls ist Blue Lightning vorerst wieder in den aktiven Dienst zurückgekehrt. Seien Sie dankbar für jeden einzelnen Tag, für jeden einzelnen Flug, denn er wird Ihre Arbeit sehr viel leichter machen. Einige von Ihnen hatten das Glück, mit ihm den Angriff letzte Woche abzuwehren. Da war er aber noch etwas eingerostet.“

Aufgeregtes Raunen schlug mir aus der Halle entgegen. Ich begann zu schwitzen. Sicher, das Handling von Blue war mir sehr leicht gefallen. Aber ich sollte noch mehr drauf haben? Im Geiste verfluchte ich erneut die superdeformte, schwerhörige Wunscherfüllerin, die mich in diese Animewelt verbannt hatte.
Ein Stoß in meinen Rücken erinnerte mich daran, dass ich hier draußen auf dem Gang nicht alleine war. Ich sah zurück.
Megumi deutete mit ärgerlicher Miene auf die Halle. „Eintreten. Salutieren. Ein paar Worte sagen. Okay?“
„Ja, ja. Hey, ich habe Lampenfieber. Kennst du so was nicht?“ Ich seufzte schwer. „Natürlich kennst du so was nicht.“
„Nicht, wenn ich es nicht bin, die im Rampenlicht steht“, erwiderte sie schnippisch und betrat die Halle. „ACHTUNG!“

Ihre sonst so ruhige und leblose Stimme gewann nicht nur an Lautstärke, sie gewann enorm an Schärfe. Ich zuckte kräftig zusammen. Und erinnerte mich daran, was sie von mir erwartete. Also trat ich ein. Und erstarrte. Einhundertzehn Augenpaare waren auf mich gerichtet. Megumi stand am Eingang und salutierte. Die Hände der übrigen Soldaten im Raum flogen hoch.
Wieder erstarrte ich. Warum geriet immer ich in so etwas hinein?
Kurz orientierte ich mich und sah zwei Offiziere, die vor dem Block der Mecha-Piloten standen. Das mussten Steiner und sein Stellvertreter Beauchamp sein.
Ich nickte Megumi zu und nahm neben dem Commander Aufstellung. Dort erwiderte ich den Salut. „Rühren, Soldaten. Captain Uno, eintreten.“
Danach wandte ich mich dem Commander zu. „Sir, ich melde mich zum Dienst.“
Gerührt erwiderte der Mann den Salut. „Rühren, Colonel. Teufel, es ist eine große Ehre, Sie wieder dabei zu haben. Ihr Auftritt letzte Woche passierte genau im richtigen Augenblick. Und trotz Ihres Handycaps…“ Der Commander räusperte sich laut und vernehmlich. „Schon gut.“
Wieder war eine Chance vergangen, in der ich mein Wissen hätte aktualisieren können.

Der Commander deutete auf die angetretenen Soldaten. „Was Sie hier sehen, sind die Piloten der beiden Titanen-Bataillone und die Hekatoncheiren sowie die Ersatzpiloten, die noch in der Ausbildung oder im Auswahlverfahren stecken. Ich wurde von der UEMF ermächtigt, Ihnen jederzeit Überrangorder über die Mecha-Einheiten auf OLYMP zu gewähren.“
Autsch. Ich konnte regelrecht sehen, wie der eigentliche Regimentschef der Einheit sich gerade in den Arsch biss, weil er derart übergangen worden war. Ausgebootet, wann immer es ein Frischling wollte. War es nicht schon übel genug, dass ich einfach die Hekantcheiren an mich gerissen hatte? Der Konflikt mit deren Commander stand mir noch bevor. „Danke, Commander Steiner. Ich fühle mich geehrt.“
Erleichtertes Raunen ging durch die Reihen.
„DISZIPLIN!“, blaffte Beauchamp und machte seinem Ruf als eiskalter Schleifer Ehre.
Sofort verstummten die Piloten.
„Gut, Colonel Otomo. Dann fahren Sie mit Dienst nach Dienstplan fort.“
Ich salutierte vor ihm und versuchte mich an diverse Kriegsfilme zu erinnern. Was tat man jetzt? „Zum Dienst nach Dienstplan weggetreten. Kompaniechefs übernehmen…“, bot ich mit leiser Stimme an.
Daraufhin traten neun Offiziere vor, stellten sich vor ihre Teileinheiten und ließen sie abtreten.

Was mich doch erleichterte. „Für ne Sekunde dachte ich, die hören nicht auf mich“, japste ich atemlos.
„Warum sollten Sie nicht? Sie sind Blue Lightning, die Legende“, kommentierte Steiner. „Die paar Jahre, die Sie wegen… Nun, jedenfalls wissen die Männer und Frauen Ihr Können und Ihre Opferbereitschaft zu würdigen.“
„Danke, Sir.“ Danke, dass er meine Verwirrung mit seinen Andeutungen noch ein wenig konvuser gemacht hatte.
Der Commander nickte mir noch einmal zu und trat dann mit seinem Stellvertreter ab.
Ich atmete erleichtert auf.
„Sir, wir wären dann soweit“, meldete sich Megumi zu Wort.
Ich wandte mich erschrocken um. Die Briareos-Kompanie war noch immer in der Halle. „Bereit wofür?“
Megumi kam ein paar schnelle Schritte näher. „Hast du den Dienstplan nicht gelesen, den ich dir gegeben habe? Es steht eine Übung mit Briareos an.“
Misstrauisch sah ich auf. Nein, ich hatte den Zettel tatsächlich nicht gelesen. „Was für eine Übung?“
**
„Ach, so eine Übung“, murmelte ich, während mein Schutzpanzer die fünfundneunzig Kilometer in Richtung Titanen-Plattform zurücklegte. Die kugelförmige Zelle beschützte mich vor Temperaturen bis viertausend Grad, ideal für einen schnellen Eintritt in die Atmosphäre. Sie verfügte über begrenzte Ortungsgeräte und Stauraum für eine Menge Ausrüstung. Über den Monitor der Ortung erkannte ich zwölf weitere Kapseln die vor oder nach mir aus OLYMP geschossen worden waren. Wir simulierten hier einen High Orbital Jump, um Kommandosoldaten auf ein Atmosphäregebundenes Objekt zu bringen.
Was ich alles drauf hatte…
In sechs Kilometer Höhe würde die Kapsel aufgesprengt werden und mich freigeben. Ich würde zu dem Zeitpunkt in meinem ortungssicheren Thermoanzug und einen speziellen Antiortungsbeschichteten Fallschirm den letzten Kilometer bis zur Titanenplattform zurück bringen. Meine Ausrüstung würde dann in zwei Paketen gebündelt Sekunden vor mir auf der Plattform aufschlagen, was mir eine höhere Bewegungsfreiheit gewähren würde.
In der kalten und noch recht dünnen Luft in fünf Kilometern Höhe war Bewegungsfreiheit eine verdammt wichtige Sache.
Doch bis ich unten war, konnte ich nur eines: Warten.
Warum hatte ich nichts zu lesen mitgenommen? In einem Orbitallift hätte ich nur acht Minuten hinab gebraucht. Aber in dieser Spezialausrüstung dehnte sich die Zeit zu einer kleinen Ewigkeit.

Und dann überschlugen sich die Ereignisse doch wieder. Die Schale sprengte sich auf, die Ausrüstung rauschte an mir vorbei und zog mich mit sich. Ich spürte, wie zusätzlich zur Schwerkraft die Gewichte an meinen Beinen zerrten und war für einen Moment irritiert. Dennoch geriet ich nicht in Panik. In der vorgesehenen Höhe löste ich den Fallschirm aus und bemerkte erleichtert, dass die Titanenplattform unter mir gut zu sehen war. Eine große Wolke war gerade an ihr vorbei gezogen. Hätte sie die Plattform verdeckt, während ich darauf zu gerauscht wäre, hätte ich mich vollkommen auf meine Instrumente verlassen müssen. Und ich vertraute eben lieber meinen eigenen Augen.
Der Fallschirm riss mich schmerzhaft in die Höhe, während die Ausrüstung weiter nach unten wollte. Ergebnis waren zwei Zentimeter mehr Körpergröße und für dich nächsten zwei Jahre garantiert kein Bandscheibenvorfall.

Mit wippenden Knien setzte ich auf der Plattform auf. Einige aus der Briareos-Kompanie waren schon vor mir gelandet, andere folgten gerade. Eilig zählte ich durch und kam auf die erleichternde Zahl zwölf. Es waren alle angekommen.
Ich sammelte meinen Fallschirm ein und verstaute ihn provisorisch. Ein Dutzend frei herum fliegender Fallschirme, auch wenn sie Stealth-beschichtet waren, wären erstens eine ziemliche Verschwendung gewesen und zweitens ein deutlicher Hinweis auf Kommando-Soldaten.
Hinter und neben mir beendeten die Soldaten ihre eigenen Vorbereitungen. Ich nahm meine Ausrüstung auf. Ziel des Unternehmens war es, im Haupthangar mit möglichst wenig eigenen Verlusten eine Zielscheibe zu treffen.
Die Schutzeinheit der Titanenplattform war informiert und alarmiert worden, wusste aber nicht, woher wir kommen würden. Und vor allem nicht wann.
Ich winkte Megumi zu mir heran, ließ trotz der eiskalten und dünnen Luft mein Visier auffahren. Sie tat es mir gleich. Die Kälte biss in ihre Wangen und rötete sie. Nicht unbedingt ein hässlicher Anblick.
„Okay, wir machen es so. Ich nehme eine Hälfte und gehe von Süden vor. Du von Osten. Die Truppe, die zuerst entdeckt wird, macht soviel Spektakel wie irgend möglich, um so viele Wächter von der anderen Gruppe abzuziehen. Verstanden?“
„Verstanden. Funkkontakt im Falle einer Entdeckung?“
„Negativ. Mach einfach nur genügend Krach. Wir müssen ihnen nicht mit Gewalt zeigen, dass eine zweite Truppe im Gebäude ist, ja?“
„Ist gut.“ Megumi schloss ihr Visier wieder, winkte fünf Leute zu sich heran und eilte über die Plattform davon zu einer Personenschleuse am östlichen Rand der Plattform.
Ich winkte dem Rest und wir schlossen nach Norden auf.
**
Meine Hand schoss vor, umklammerte den Mund der einsamen Wache. Ich drückte die stumpfe Seite meines Kampfdolches auf die Kehle des Mannes. „Du bist tot.“
Der vollkommen überraschte Soldat keuchte jetzt erschrocken auf. Er nickte deprimiert.
Ich ließ seinen Mund wieder los und löste die Umklammerung.
Der junge Mann drehte sich zu uns um und fluchte leise, aber herzhaft. „So ein Dreck. Dabei dachte ich immer, mir kann das nicht pass… Colonel Otomo, SIR!“
Ich schlug mir mit einer Hand vor die Stirn. „Tote salutieren nicht, Soldat. Und sie schreien auch nicht. Wollen Sie gegen die Manöverregeln verstoßen?“
„Nein, Sir“, erwiderte der Private kleinlaut.
„Gut. Dann seien Sie jetzt ein guter Toter und liegen Sie tot im Gang.“
„Jawohl, Sir.“
Ich schüttelte fassungslos den Kopf und winkte meine Männer weiter.
„Ach, Sir?“, hakte der Private nach.
„Was ist denn noch? Ich habe hier eine Mission zu erfüllen und eine Plattform zu entern.“
„Kriege ich ein Autogramm von Ihnen?“
„Himmelherrgott, warum das denn?“
„Colonel, seien Sie bitte leise. Auf der Kreuzung sind weitere Wachen. Sie könnten Sie hören“, ermahnte mich Lieutenant Kazama leise.
„Später vielleicht, Soldat. Kazama, Sie haben Recht. Sniper vor. Wir müssen weiter.“
Kurz nickte ich einem schadenfroh grinsenden Schiedsrichter zu, der die Aktion beobachtet hatte. Na, wenigstens der hatte seinen Spaß.

Fünf Minuten und zweihundert Meter weiter hörten wir Schüsse ohne den von uns benutzten Schalldämpfer. Ich sah meine Leute kurz an. „Das ist das Signal. Captain Uno ist aufgeflogen. Wir teilen uns auf und versuchen einzeln durchzukommen. Vergesst nicht, Ziel ist es, die verdammte Zielscheibe zu treffen.“
Die sechs Soldaten bestätigten und verschwanden in verschiedenen Richtungen. Nun mussten wir einen großen Teil unserer Vorsicht aufgeben und sehr viel schneller agieren.

Mit einer automatischen Pistole in der Hand und einem Dolch griffbereit in der Stiefelscheide voran zu kommen war nicht jedermanns Sache. Ein Schuss, und ich flog auf. Der lange Griff zum Dolch, und ich gab meinem Gegner Zeit. Viel zu viel Zeit.
Inzwischen heulte der Alarm durch die Titanenplattform. Ich grinste schief. Dies würde das Chaos vergrößern und der Briareos-Kompanie die Chance auf den Blattschuss geben. Bei dreizehn gut ausgebildeten Männern und Frauen würde es ja wohl einer schaffen.
Dieser amüsante Gedanke lenkte mich für einen winzigen Moment ab, so dass ich, als ich um eine Ecke herum kam, beinahe mit einer Wache zusammen gestoßen wäre. So blieb mir nichts weiter, als mein Entsetzen in Energie für den Angriff umzuwandeln. Mein Gegner zeigte mir den Rücken. Also tat ich das einzig richtige und versuchte ihn zu überwältigen. Die Linke zuckte vor und schloss sich um den Mund und die Rechte…
Die Rechte wirbelte herum, verlor fast die Waffe und schlug dann noch hart und schmerzhaft gegen eine Wand, während meine Ohren von einem schrillen Entsetzensschrei klingelten und mein Körper einen unfreiwilligen Salto machte.
Bevor ich es mich versah, lag ich schon auf dem Bauch, mein linker Arm wurde hart nach oben gerissen, dabei gestreckt, an der Hand gepackt und scharf nach innen gebogen, bis heißer Schmerz durch den Arm und die Schulter fuhr.
Das hatte ich dann wohl vermasselt. Mühsam versuchte ich die Pistole ins Spiel zu bringen, aber ein präziser Tritt nagelte sie mitsamt der Rechten an die Wand.
„Okay, du hast mich“, ächzte ich unter Schmerzen und wandte den Kopf. „Ich gebe a… Hina?“

Der Soldat, der mich so mustergültig überwältigt hatte, obwohl ich ihn definitiv überrascht hatte, der gleiche Soldat, der dafür sorgte, dass ich kaum ein Glied rühren konnte, war das kleine, tollpatschige Mädchen von der Bank hinter mir?
Aus großen Augen starrte sie mich an. „Akira-kun?“ Entsetzt ließ sie mich los. „Akira-kun! Das tut mir leid. Das wollte ich nicht. Ich meine, ich…“
„Schon gut“, brummte ich und zog die schmerzenden Arme ein. „Ist ja immerhin nur eine Übung, oder?“
„Eine… Übung? Akira-kun, was machst du hier?“, fragte sie neugierig.
„Na, das gleiche wie du. Ich bin Soldat. Allerdings auf der OLYMP-Plattform.“ Mühsam drehte ich mich auf den Rücken und massierte meine demolierten Handgelenke.
In Hinas Augen stand eine Mischung aus Entsetzen und Unverstand. „Soldat, ah. Ich dachte, Megumi-san darf keine Schüler anwerben.“
„Hat sie ja auch nicht“, brummte ich und stand langsam auf. Die Pistole landete wieder im Hüftholster. „Aber das ist eine lange Geschichte. Obwohl, du hast Recht. Wie bist du dann zu diesem Verein gekommen?“
Auf der Stirn des blonden Mädchens bildete sich ein dünner Schweißfilm. Sie schluckte hart. „Ach, da fällt mir ein, ich gehöre ja gar nicht zur Übung. Ich darf ja nicht mal hier sein. Tut mir Leid, Akira-kun. Mach nur weiter. So, ich muß jetzt wieder zum Dienst. Tschüss!“

Und weg war sie. Nachdenklich rieb ich mir die Handgelenke. In einem Punkt hatte sie mehr als Recht: Von Rechts wegen durften weder sie noch ich hier an Bord sein.
Amüsiert schüttelte ich den Kopf. Auf die Geschichte war ich sehr gespannt.

Ich arbeitete mich darauf hin weiter vor. Schüsse klangen auf und wurden lauter, je näher ich dem Hangar kam. Die Briareos-Kompanie arbeitete sich also langsam vor, hatte sich aber wahrscheinlich festnageln lassen. Seufzend hebelte ich einen Lüftungsschacht auf und suchte mir aus dem Gewirr der Leitungen einen Weg in den großen Hangar.
Aus einem Lüftungsgitter heraus, zehn Meter über dem Boden hatte ich einen hervorragenden Überblick, sowohl auf die Zielscheibe als auch auf drei kleine Pulks eingekesselter Soldaten.
Mit Megumi waren es acht, die sich wirklich in ihren Deckungen hatten festnageln lassen. Damit gab es noch vier potentielle Soldaten wie ich, die noch eine Chance für den Blattschuss hatten – oder bereits ausgeschaltet worden waren.
Von meiner Position aus hatte ich jedenfalls einen sehr guten Schusswinkel auf die Zielscheibe. Diese Halunken hatten eine Barrikade vor ihr aufgebaut, damit sie aus einer normalen Höhe nicht getroffen werden konnte. Außer man stürmte die Barrikade. Und dort hinter lauerten zwölf Soldaten der Titanenstation, vier oben auf der Barriere, acht unten in Reserve. Eine Handgranate hätte da sicher ihren Spaß gehabt.
Genug analysiert. Ich trat das Gitter auf und fiel zwei Meter in die Tiefe, bevor ich auf der Schulter eines Sparrows landete. Der leichte ScoutMecha gab unter dem Aufprall kaum nach. Das war alles, was ich für einen sauberen Schuss brauchte.
Eine Sirene gellte auf und gab Entwarnung.

Langsam kletterte ich den Sparrow hinab. Megumi kam mit ihren Leuten aus den Deckungen hervor. Sie sah müde und zerschlagen aus. Ich setzte mich auf den Fuß des Sparrows und winkte müde mit der automatischen Pistole. „Hattet Ihr auch so einen Spaß?“, fragte ich leise.
Megumi winkte ab und ließ sich neben mir auf den Boden sinken. „Sauberer Schuss. Kannst froh sein, dass der Sparrow nicht mit dir den Boden geknutscht hat.“
„Och, so ein wenig Risiko gehört schon zum Leben dazu, Megumi-chan.“ Ich zwinkerte ihr zu.
Nun kamen auch die Verteidiger als der Deckung an der Scheibe und aus den anderen Deckungen und Schotts. Die übrigen vier Angehörigen von Briareos wurden entweder frei gelassen oder arbeiteten sich aus ihren Deckungen hervor.
Commander Sikorsky, Chef der Titanenplattform kam mit vier Schiedsrichtern in den Hangar und haderte mit seinen Sicherheitstruppen.
Dann wandte er sich freudestrahlend zu uns um und kam herüber. „Also, Colonel, das ist ein perfekter Meisterschuss gewesen. Und das aus diesem Winkel. Es wurde auch mal Zeit, dass einer meinen sich selbst überschätzenden Jungs und Mädels mal das Fell gerbt. Sie werden Ihrem Ruf mehr als gerecht, Colonel Otomo und…“

Der Commander hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als ich aus den Augenwinkeln glaubte, unter einem der Barretts, welche das Personal von Titanenstation trug, ein bekanntes, ein sehr bekanntes Gesicht wieder zu erkennen. Aber – Ami? Konnte das sein? Das kleine, kränkliche Mädchen, ebenfalls hier auf der Plattform?
Mürrisch schüttelte ich den Kopf. Der Tag war eindeutig zu lang gewesen, als das ich mich auch noch damit beschäftigt hätte.
Ich erhob mich und wollte auf den Commander zugehen, doch Megumi packte mit an der Koppel meines Holsters, riss daran und zog mich mit sich über den Fuß des Sparrows. Knapp einen Zentimeter über mir huschte eine schattenartige Gestalt hinweg und traf den Commander frontal. Der Mann wurde vom Boden gehoben und meterweit davon geschleudert.
Mir wurde heiß und kalt zugleich. Heiß, weil ich auf Megumi lag. Kalt, weil das gerade ein Youma gewesen war. Ein Youma, einer von der Sorte wie Gestern Abend in meinem Garten! Und das Mistvieh hatte augenscheinlich mich als Ziel gehabt!
Nun hatte es den Commander erwischt.

„Danke“, sagte ich zu Megumi und kam mühsam auf die Beine.
„Wofür genau?“, fragte sie mit einem dünnen Lächeln.
Das irritierte mich für einen Augenblick. Ehrlich, diese Augenblicke der Unkonzentriertheit wurden mir echt zum Verhängnis. Denn das war genau der Augenblick, den der mit dem Dämon infizierte Commander Sikorsky brauchte, um mich mit einer gigantischen, schaufelartigen Pranke meterweit durch die Luft zu wirbeln.
Ich landete hart in einem Stapel Holzkisten und verlor für einen Moment die klare Sicht.
Vor den milchigen Schleier, der über meinen Gedanken lag, schob sich ein von blonden Haaren umrahmtes Gesicht. „Akira-kun, geht es dir gut?“
Ich wollte Antworten, aber es ging nicht. Ich war noch zu benommen.
„Er ist ohnmächtig, Hina. Komm endlich!“, rief eine aufgeregte Stimme.
„Ist gut.“ Das Gesicht verschwand. Mühsam sah ich zur Seite.
Mehr oder weniger deutlich erkannte ich Hina Yamada, wie sie zu zwei anderen Mädchen trat. Sie standen hinter einem Stapel Kisten. Aus der Ferne hörte ich Megumis besorgten Ruf nach mir und das brüllen des besessenen Commanders. Hatte Hina den Youma auf mich angesetzt? Nein, das konnte ich nicht glauben.
„YOUMA SLAYER POWER…“
Dieser Ruf ließ mich wieder zu Hina und den anderen beiden sehen. Alle drei kreuzten ihre Hände in konvusen Gesten und nahmen verrückte Posen ein. Plötzlich schienen sie sich um sich selbst zu drehen, ohne dass sie etwas dafür taten. Lichtfontänen stoben davon.
„…ERWACHE!“
Unwillkürlich fragte ich mich drei Dinge. Warum hörte anscheinend außer mir niemand das Gebrüll der drei Mädchen? Warum hörten diese Funkenregen scheinbar exakt an den Rändern der Kisten auf? Und waren diese albernen Posen und Gesten notwendig?
Ich stöhnte leise und rieb mir die Augen. Als ich die Hand wieder wegnahm, sah ich in ein von rotem, langem Haar eingerahmtes Gesicht. Das Mädchen von Gestern, Blue Slayer.
„Keine Angst, Akira-kun“, sagte sie mit einem verbissenen Lächeln, „heute beschütze ich dich.“
Sie wechselte einen schnellen Blick mit ihren beiden Gefährtinnen, der Blonden von Gestern und einer dritten mit langem Rosa Haar in einem orangen Rock. Dann griffen sie mit ihren Spezialattacken in den Kampf ein.

„Verdammter Mist!“, fluchte ich lauthals, kehrte vollends in die Realität zurück und richtete mich auf. Nur um erschrocken zu erstarren. Mein Rücken tat weh. Anscheinend hatte ich mir die Seite und die Nieren ordentlich geprellt. Warum passiert so was immer nur mir?

5.
„Das ist unverantwortlich. Das wird eine Untersuchung nach sich ziehen. Hier werden Köpfe rollen!“, rief Commander Sikorsky aufgebracht. Nach seiner Rückverwandlung hatte man ihn ins Lazarett gebracht, aber augenscheinlich ging es ihm sehr gut. Gut genug, um einen neuen Weltrekord im Untergebenen zusammen stauchen aufzustellen.
„Ich will, dass jemand dafür verantwortlich ist! Niemand infiziert mich ungestraft mit einem Youma!“
Megumi unterdrückte ein Lachen. Der Befehlshaber-Youma, der aus der Verbindung mit dem Commander entstanden war, hatte eine recht lustige Erscheinung abgegeben, Marke aufgeblasener Vorgesetzter. Aber auch eine ziemliche Gefahr, wie ich mir bewusst machte.
„Ich denke, es dürfte weit mehr geben als eine Untersuchung“, stellte ich tonlos fest. „Wie konnten drei der Magical Youma Slayer auf die Titanenstation gelangen? Veranstalten Sie seit neuestem Sightseeing-Tours? Führen Sie Zivilisten herum?“
„Äh, Colonel…“ Der Commander wurde unsicher.
„Und was noch wichtiger ist. Nachdem Black Slayer Ihren Youma-Körper gefesselt hatte und Orange Slayer ihm mit dem Kampfstab die Beine weg gerissen hatte, hat Blue Slayer diesen gigantischen Lichtblitz ausgelöst, der Sie zurück verwandelt hatte. Und während dieses Blitzes sind alle drei verschwunden. Vollkommen spurlos. Dem sollten Sie ebenfalls nachgehen.“ Vollkommen spurlos war vielleicht falsch, wenn ich mich genau erinnerte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, ein Paar warme, weiche Lippen hätte mich während der mehrere Sekunden andauernden Eruption geküsst. Aber das konnte ich hier schlecht erwähnen.
„Also, Commander. Machen Sie in Ihrem Vorgarten gründlich sauber.“ Langsam erhob ich mich, griff nach meiner Ausrüstung und zog die Tarnbekleidung wieder an. Himmel, die Stelle schmerzte höllisch. Animewelt hin, Animewelt her, die Schmerzen jedenfalls waren real.
Wortlos trat Megumi neben mich und übernahm meine Ausrüstung. Ich nickte ihr dankbar zu.
„Meine Aussage und die von Captain Uno haben Sie ja“, brummte ich, „wenn Sie mich nun entschuldigen würden.“
Der Commander erwiderte den Salut.

Kaum dass wir das Krankenrevier verlassen hatten, begann der alte, erfahrene Offizier wieder zu brüllen.
Ich unterdrückte ein Grinsen. Megumi schmunzelte neben mir.
Als wir die wartenden Soldaten der Briareos-Kompanie erreichten, wurden wir mit lautem Hallo begrüßt. Die Männer und Frauen unterhielten sich lautstark über das Phänomen im Hangar.
„Ich habe ja nie wirklich glauben wollen, dass es so etwas wie Youmas wirklich gibt“, kommentierte Sergeant Feldberg aus Kenia leise. „Aber wenn man es dann mit eigenen Augen sieht…“
„Und das sagt jemand, der einen Kampfroboter steuert“, murmelte ich. „Das ist genauso unglaublich.
Das machte den Sergeant sprachlos. „Schon gut, schon gut. Wir sind hier fertig. Wer zurück nach OLYMP muss, kann jetzt aufbrechen. Wer zurück zur Erde will, kann mit mir und Captain Uno kommen. Wir haben hier einen Hubschrauber. Abschlussbesprechung ist dann Morgen.“
Die Soldaten bestätigten und langsam löste sich die Runde auf. Die ganze Bande fuhr geschlossen zurück nach OLYMP.
„Was hast du erwartet? Sie sind alle erwachsen und auf OLYMP kaserniert“, informierte mich Megumi.
Ich zuckte mit den Schultern.

„Das es aber nicht einmal einen Hinweis auf die drei Mädchen gibt“, murmelte Megumi leise. „Ich meine, wie leicht können sich drei kleine Mädchen in Miniröcken auf so einer Station schon verstecken? Und dann mit den Tretern…“
Einen Hinweis gab es ja schon, wenn ich ehrlich war. Aber konnte ich dem glauben? Letztendlich erschienen mir sogar die Schmerzen in den Händen und der rechten Schulter unwirklich.
„Hallo, Terra an Akira“, sagte Megumi.
Ich erstarrte. „Was?“ „Du bist so geistesabwesend. Seit ich gesagt habe, es gibt keinen Hinweis auf die drei Mädchen läufst du rum wie Falschgeld.“
„Tut mir leid. Aber ich meine… Irgendwie… Verstehst du?“
Megumi sah mich an und seufzte tief. „Nein. Ich habe keine Ahnung, was du meinst, Akira. Und vielleicht will ich es gar nicht wissen.“

Wir erreichten den Hubschrauber. Der Pilot sah zu uns durch die Trennscheibe herüber. „Sir, da draußen sind drei Rekruten mit Marschbefehl, die gefragt haben, ob wir sie zurück nach Tokio mitnehmen können. Vor Morgen früh geht kein anderer Flug.“
Ich winkte müde. „Ist ja nicht so, als wäre das hier eine geschlossene Gesellschaft, oder?“
Der Pilot grinste zu mir herüber. „Nein, Sir.“ Dann winkte er drei Soldaten heran.
Die drei kletterten an Bord, nahmen Platz… Und erstarrten.
Ehrlich gesagt konnte ich nicht sagen, was meine Kinnlade davon abhielt, herab zu sinken und auf dem Boden zu landen.
Schließlich senkte ich den Kopf. „Ich bin einfach nur übermüdet. Nur übermüdet. Pilot, starten Sie, wenn wir die Freigabe haben.“
„Ja, Colonel!“
Megumi runzelte die Stirn. „Also, irgendwie kommen mir die…“
„Hast du schon gebadet, Megumi? Ich jedenfalls freue mich wirklich darauf, so richtig schön lange in heißem Wasser zu treiben und so richtig durchzuweichen. Hm, vielleicht sollte ich Vater mal so richtig fies ärgern und einen beheizbaren Pool im Garten aufbauen lassen. Dann könnten wir alle mal drin baden.“
„Natürlich freue ich mich auf ein heißes Bad. Allerdings alleine“, erwiderte sie amüsiert.
„Du brichst mir das Herz“, erwiderte ich spöttisch. Amüsiert bemerkte ich, wie einer der drei Soldaten, augenscheinlich eine junge blonde Frau, knallrot im Gesicht wurde.
„Nein, breche ich nicht“, kommentierte sie bestimmt. „Dein Herz gehört deinem Hawk. So war es schon immer.“
„Sag so was nicht. Extra wegen dir habe ich mir eine ellenlange Auszeit von meinem Mecha genommen“, konterte ich grinsend.
„Nein. Nicht wegen mir sondern…“ Ein düsterer Schatten huschte über ihr Gesicht. „Tut mir leid. Ich wollte nicht mehr davon anfangen.“
Ihr Verhalten irritierte mich. Aber noch weit mehr, dass sie bis zur Landung betreten zu Boden sah und kein weiteres Wort sprach…

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6.
Ohne ein Wort des Abschieds hatten sich die, nun, drei Rekruten von dannen gemacht, kaum das der Helikopter aufgesetzt hatte.
Megumi und ich suchten die Quartiere auf, um zu duschen und unsere Schuluniformen wieder anzulegen. Ich wollte nun wirklich um keinen Preis der Welt Akane-Sempai mit der Nase drauf stoßen, was ich gerade tat.
Und Megumi war nicht wirklich darauf erpicht, auch äußerlich den Eindruck einer Mecha-Pilotin zu machen. Ihr Leben war so schon einsam genug.
Nach einer viel zu kurzen Dusche und dem Versprechen an mich selbst, dies schnellstmöglichst mit einem langen Bad auszugleichen, zog ich mich um.
Megumi erwartete mich bereits. Ihre Haare pappten nass an ihrem Kopf und ihr Blick war ernst und müde. „Da kommst du ja endlich.“
„Hm“, schmunzelte ich, „normalerweise müssen die Männer immer darauf warten, dass die Frauen ihre Kosmetik beendet haben.“
„Sei drei Jahre bei den UEDF, jederzeit auf einen Alarm gefasst und drille nebenbei noch neue Piloten, und du lernst, in manchen Dingen etwas schneller zu sein.“
Wir traten auf den Kasernenhof hinaus. Ein schwarzer Dienstwagen wartete bereits auf uns.
Der Fahrer, ein junger Corporal, öffnete uns die Hintertür. „Wohin, Ma´am, Sir?“
„Nach Hause, Corporal. Nach Hause“, entgegnete ich müde und half Megumi automatisch beim einsteigen.
„Soll ich zuerst bei Captain Uno vorbei fahren oder zuerst zu Ihnen, Sir?“
Ich warf dem Fahrer einen irritierten Blick zu. Das Gesicht kannte ich nicht, aber die Fahrbereitschaft wechselte beinahe täglich zwischen den Kompanien. „Bringen Sie uns beide nur zu mir. Danke, Corporal.“
Der Mann wurde rot. Eilig schloss er die Tür hinter mir und rief: „Jawohl, Sir.“

„Das war ungeschickt von dir“, brummte das Mädchen neben mir, welches unter Mecha-Piloten den viel klingenden Namen Lady Death hatte, „jetzt wird der Fahrer denken, wir fahren zu dir, um…“
„Ach“, erwiderte ich leise, „es ist mir egal, was er denkt. Ich bin viel zu erschöpft, um mir auch noch darüber Gedanken zu machen. Außerdem wissen wir ja beide, dass wir nicht zu mir fahren, um…“ Ich zwinkerte ihr zu. Sie sah mich nachdenklich an. Dann ließ sie sich ergeben seufzend in die Polster rutschen, und bevor ich mich versah, ruhte ihr Kopf auf meiner Schulter. „Außerdem sind da immer noch Lonne und Yoshi…“
„Die hoffentlich keinen Unsinn angestellt haben, während wir weg waren“, stellte ich ärgerlich fest. „Sind Menschen und Kronosianer in dem Sinne eigentlich kompatibel?“
„Wieso fragst du? Denkst du, unsere kleine Außerirdische schlägt bei Yoshi über die Stränge?“
„Ich dachte jetzt nicht unbedingt an sie“, erwiderte ich leise. „Aber Kei hat mich heute so lange bearbeitet, bis er auch einziehen durfte.“
Misstrauisch beäugte ich Megumi, wartete auf ihren Wutausbruch. Stattdessen seufzte sie erneut ergeben. „Irgendwie habe ich das kommen sehen, Akira. Manchmal hast du echt Phasen, in denen du Ärger anziehst.“
Ja, vor allem in letzter Zeit.

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Neben uns zogen die Straßen des frühabendlichen Tokios vorbei. In der Ferne erkannte ich sogar den Tower. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Fernsehturm nicht lange so schön und strahlend aussehen würde, wie er das gerade tat. Ein sehr konkretes Gefühl, begleitet von der Ahnung von mächtig viel Ärger.

Als wir aus dem Wagen stiegen, betrachtete ich für einen Augenblick das Haus. Äußerlich schien es aus Holz zu sein und einem Landhausstil zu frönen. Aber alleine die Tür der Außenmauer war mit Stahleinlagen und Kevlarfasern verstärkt worden. Das eigentliche Haus hatte Betoninlets und Panzerglasscheiben und was der Verstärkungen mehr waren.
Im Garten und im Haus existierten keine Überwachungsgeräte. Aber die Spitzen der Mauern waren mit Lasern gesichert. Die Barrieren lösten stillen Alarm aus, wenn jemand die Mauer überwand. Auch wenn er senkrecht von oben in den Garten herabfiel. Deshalb war ich letzte Nacht aufgestanden – bewaffnet.
Natürlich gab es da noch ein, zwei weitere Spezifikationen wie das Türschloss, dass auf den Handabdruck reagierte… Eben alles Spielereien, wie sie sich nur jemand wie Vater ausdenken konnte, der mit der Führung von OLYMP noch deutlich unterbeschäftigt zu sein schien.
Über die Inneneinrichtung hatte ich mir nicht viele Gedanken gemacht. Die größtenteils mit Papierwänden abgetrennten Zimmer mochten praktisch sein und das Innere flexibel machen, aber ich vermisste sehnlichst ein paar stabile Betonwände.
Die meisten Zimmer standen ohnehin leer oder wurden von mir zweckentfremdet, als Stube, als Arbeitsraum und dergleichen. Doch Vater bestand darauf.
Ich konnte es gar nicht erwarten, genügend Geld angespart zu haben, um mir meine eigene Wohnung zu nehmen – und sei es in einem Wohnsilo. Sogar ein Kapselhotel wäre mir lieber gewesen.

„Träumst du schon wieder?“, ermahnte mich Megumi, die bereits ihre Schuhe ausgezogen und gegen Slipper getauscht hatte. Ich schüttelte den Kopf. Diese verdammte Konstruktwelt. Beinahe wäre ich wieder drauf reingefallen und hätte alles geglaubt, was sie mir erzählte. Wollte sie mich absorbieren? Sollte ich mich in ihr verlieren? Hatte ich nicht auch so schon genug zu tun?
Mit trägen Bewegungen wechselte ich Schuhe gegen Slipper und betrat den langen Flur.
Nur um erschrocken zurück zu kehren und die ausgezogenen Schuhe unter Augenschein zu nehmen! Zwei Paar Schuhe zuviel. Ich fühlte, wie mir kalter Schweiß die Stirn herab rann. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Ein erschrockenes Aufkeuchen ließ mich herum fahren. Megumi kam mit großen Augen aus dem Wohnzimmer zurück gestolpert. Ich sprintete los.
„Guten Abend, Uno-Kohai“, scholl es auf den Gang hinaus. Ich erstarrte mitten im Lauf und wäre beinahe gestürzt. Das war Akanes Stimme gewesen. Akane! Was machte sie hier?
Ich erreichte Megumi, die sich mittlerweile gefangen hatte. Na, dann wollte ich doch mal versuchen, mich möglichst unauffällig aus der Affäre…
Soviel dazu. Resigniert stellte ich fest, dass an diesem Abend durchaus die Möglichkeit bestand, dass ich sterben würde.
Am Tisch saßen Yoshi und Lonne alias Lilian auf der einen Seite, Kei an einem Stirnende und auf der anderen Seite Akane-Sempai zusammen mit meiner Cousine und Lehrerin Sakura.
Sakura lächelte zu uns herüber. „Kommt doch her und setzt euch. Es ist genügend da für alle.“
Ich überwand meinen ersten Schrecken und bemerkte, dass der Tisch reich gefüllt war – mit über einem Dutzend Gerichten, die man problemlos mit Stäbchen essen konnte. Mechanisch setzte ich mich dazu. Ein lautes Plumsen neben mir zeigte, dass auch Megumi auf ihrer Matte Platz genommen hatte. Ha! Noch so ein Ding. Was sprach gegen einen normalen Tisch und westliche Stühle? Wenn ich Vater das nächste Mal in die Finger…“

„So wie ich Onkel verstanden habe“, begann Sakura und hielt mir mit den Stäbchen Stück Gemüse vor den Mund, „hat er überhaupt nichts dagegen, wenn – wie hat er sich ausgedrückt? – Leben in die Bude kommt. Sag aah.“
„Ah.“
„Braver Junge. Aber er meinte, deine Nebenbeschäftigung würde dich zu sehr in Anspruch nehmen, Akira-chan, um auch noch den Haushalt zu verwalten.“
Ich starrte meine Cousine mit offenem Mund an und schluckte ohne zu kauen. Hey, das schmeckte gut.
„Deshalb hat er mich gebeten, dass ich… Nun, mich wieder etwas mehr um dich kümmere.“
Yoshi strahlte mich an. „Ich halte das für eine ganz hervorragende Idee. Dein Haushalt kann wirklich die ruhige Hand einer Frau gebrauchen, Akira.“
Megumi räusperte sich vernehmlich. „Äh, einer weiteren Frau?“, bot Yoshi in der Hoffnung an, seinen Hals zu retten.
„Häh?“, machte Lonne verständnislos.
Feine Schweißperlen traten Yoshi auf die Stirn. „Äh, einer erwachsenen Frau?“
Als darauf keine Erwiderung kam, atmete er auf.
„Wie dem auch sei, ab heute beziehe ich mein altes Zimmer im Westen. Und ab Morgen sehe ich mir mal deinen Haushalt an und übernehme die Einteilung der Pflichten.“ Sakura beugte sich vor und sah mir herausfordernd in die Augen. „Du hast doch nichts dagegen, oder, Akira-chan?“
Erschreckende Visionen von einem schnellen, aber schmerzhaften Tod zogen vor meinem geistigen Auge ab. „Na-natürlich nicht, Sakura-chan.“
„Dann ist es abgemacht“, stellte sie fest und setzte sich wieder normal hin. „Noch jemand Fisch?“

„Ich kann nachvollziehen, warum du Megumi-Kohai und Lilian-Kohai bei dir aufgenommen hast“, bemerkte Akane leise.
Erneut befiel mich ein unwirkliches Gefühl von Bedrohung.
„Und die Tatsache, dass Ino-Sensei hier einzieht empfinde ich als sehr beruhigend“, führte sie ihren Gedanken fort. „Aber dass erst Yoshi-Kohai und nun auch noch Kei-Kohai bei dir einziehen, ist doch etwas… Nun.“
„Was willst du damit sagen, Akane-Sempai?“, fragte ich ernst.
„Ich will damit gar nichts sagen“, erwiderte sie. Ihr wütender, funkelnder Blick sprach hingegen eine andere Sprache. „Nur… Du und Yoshi, ihr seid beide Mitglieder der Schülervertretung. Ich bin besorgt um ihren Ruf.“
„Lass mich raten. Und um sicher zu gehen, dass der gute Ruf der Schülervertretung gewahrt bleibt, möchtest du die Situation hier, eh, unter Beobachtung halten?“ Na, danke. Frau Nummer vier im Haus.
Kei strahlte mich an. Er war eindeutig dafür. Megumis Miene hingegen erreichte ein neues Maß an Kälte. Nicht viel mehr, und man hätte mit ihr eine Kühltruhe betreiben können.
„Sei nicht albern, Akira-Kohai“, antwortete Akane und winkte ab. „Ich vertraue dir in dem Punkt. Dir und Sensei.“
Erleichtert wollte ich aufatmen, Kei nahm die Entwicklung eher enttäuscht auf.
„Aber wenn du gestattest, werde ich ab und an vorbei schauen und sehen, ob Ihr auch alles habt“, schloss Akane und lächelte mich an. Mit einem berechnenden Minenfeldartigen Lächeln. Warum zog sie nicht gleich richtig ein, anstatt dieses Spielchen zu spielen?
„Ich…“, begann ich, während meine Gedanken nach den ersten Minen in Akanes Argumenten suchten, „wäre… sehr froh, wenn du ab und an die Zeit finden würdest, herein zu schauen, Akane-Sempai…“
Drei Dinge geschahen nun zugleich. Megumis Rechte krallte sich mit enormer Kraft in meinen linken Unterschenkel, Kei strahlte so sehr, dass ich schon befürchtete, der kleine Computerfreak wolle über den Tisch hinweg in meine Arme springen vor Glück – und Yoshi fiel das Essen vom Stäbchen. „Warum zieht sie dann nicht gleich ganz ein?“, fragte er.
Ich senkte den Blick. Erstens, weil ich Yoshi nicht mein wütendes Gesicht zeigen wollte, und zweitens, weil das mittlerweile wirklich wehtat, und Megumi anscheinend keine Lust hatte, aufzuhören.
„Guten Appetit“, murmelte ich leise und hoffte, der Themenwechsel würde mein Leben retten - oder zumindest den Abend vereinfachen.

Später am Abend – Akane war schon lange gegangen, unterhielt ich mich leise in der Küche mit Sakura. Sie trug nur noch ein knielanges Hemd, wie eigentlich immer, wenn sie schlafen ging. Und wir waren ja auch die einzigen, die noch auf waren.
„Das war natürlich nicht der einzige Grund, warum ich hier bin. Weißt du eigentlich, wie viele Gefallen Eikichi einfordern musste, um zu verschleiern, wohin der geheimnisvolle Pilot des Daishi Delta verschwunden ist? Am liebsten würde er Lilian sofort zum Verhör auf den OLYMP holen. Aber aus einem irrationalen Grund vertraut er dir und deinem Urteil.“
„Du weißt davon?“ „Ja, und es gefällt mir nicht. Es gefällt mir wirklich nicht. Lilian scheint ja ein wirklich nettes Mädchen zu sein. Aber du bist ein viel zu guter Bursche. Außer, du sitzt am Steuer eines Hawks. Du bist zu nett für diese Welt, Akira. Hast du eigentlich schon mal dran gedacht, dass dich diese niedliche kleine Kronosianerin nur um den Finger wickelt, damit sie nicht verhaftet wird und irgendwann von hier fliehen kann? Das sie vielleicht bereits einen Plan hat, der sogar beinhaltet, dich zu töten?
Tut mir leid, so hart es auch klingt, aber ich muß es aussprechen.“
Ich nickte ihr zu. Kurz huschten meine Gedanken zurück, als Lonne aus dem Cockpit ihres Mechas geschossen kam, um mir um den Hals zu fallen. Ihre dankbaren Augen, als ich ihr soviel von ihrer Angst hatte nehmen können. Ihr strahlendes Lächeln an jedem einzelnen Morgen in der letzten Woche.
„Sie ist immer noch eine Feindpilotin, Akira. Und sie kann dich verraten. Ich will nicht, dass dir das passiert. Behalte den Gedanken als Warnung.“
Ich schüttelte energisch den Kopf. „Du liegst da falsch, Sakura-chan. Ich kann dir nicht genau sagen wieso, aber ich weiß, dass mich Lilian nie verraten würde. Mich oder einen der anderen. Vielleicht hast du Recht, und ich bin zu gut. Lasse mich zu schnell ausnutzen und so.
Aber ich habe in ihre Augen gesehen. Darin ist nichts Falsches. Kein Machthunger, kein Verrat. Nur Verlorenheit und Angst. Ich vertraue ihr. Ebenso wie ich dir vertraue oder Megumi oder Yoshi. Sie wird mich nie verraten. Verlass dich drauf.“
Mit einem wehmütigen Zug sah Sakura mich an. Sie trat vor mich, nahm mich in die Arme und flüsterte: „Du bist ganz schön groß geworden. Und in vielerlei Hinsicht gewachsen. Man sollte immer ein offenes Ohr für seine Gefühle und Instinkte haben, das ist richtig, Akira-chan. Aber behalte den Gedanken dennoch im Hinterkopf. Ich will dich nicht verlieren.“
Sie löste sich von mir und verließ die Küche. Dort blieb sie noch einmal stehen und meinte: „Ich weiß, es ist dumm und torpediert meine eigenen Worte, aber ich glaube auch daran, dass Lilian ein gutes Mädchen ist.“
Erleichtert nickte ich. Und begann wieder meine Suche nach einer Flasche Wasser.

Während ich vornüber gebeugt in einem Schrank suchte, fühlte ich, wie sich zwei Hände um mich schlossen. Tränen durchnetzten mein Hemd und rhythmisches Schluchzen einer Frauwar zu hören. „Lonne verrät dich nicht“, flüsterte die Außerirdische mit tränenschwangerer Stimme. „Lonne verspricht das.“
Ich richtete mich langsam auf, drehte mich in ihrer Umarmung. „Ich weiß das, Lonne. Ich weiß das.“
Sie schluchzte. „Bevor Lonne diesen Auftrag erhielt, war das Leben so leer. Essen, schlafen, den Mecha steuern. Essen, schlafen, den Mecha steuern. Lonne hat das gemacht, weil man gesagt hat, es gäbe keinen besseren Piloten. Lonne dachte immer, das muß so sein.
Aber dass die Kronosianer Lonne diese riesige Bombe auf den Rücken des Mechas schnallen…“ Wieder schluchzte sie auf.
„Ich will hier nicht weg. Mir gefällt es hier. Hier bei dir und den anderen. In der Schule. Beim einkaufen, beim Karaoke. Dieses Leben macht soviel Spaß. Ich will für immer Lilian bleiben.“
Ich schluckte hart, um den Kloß in meiner Kehle los zu werden.
„Ich werde dich nie verraten“, hauchte sie.
Mit einem feinen Lächeln strich ich ihr über das lange, weiße Haar. „Ich weiß, Lilian.“
Ihr Kopf fuhr hoch. Sie sah mich ungläubig an. Dann nickte sie freudestrahlend.
Als ihr Kopf wieder auf meiner Brust ruhte, fragte sie: „Können wir noch etwa so stehen bleiben?“ Ich schmunzelte. „Natürlich, Lilian.“
Gleich Morgen würde ich Megumi und Yoshi über diese wichtige Änderung in unser aller Leben informieren.

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Anime Evolution
Episode drei

Prolog
Mein Leben in der Animekonstruktwelt war anstrengend. Zugegeben. Aber wer mochte es schon leicht? Egal, ob ich diese komplexen Strukturen herbei gesehnt hatte oder nicht, ich genoss eigentlich jede wache Sekunde.
Genauso häufig bereute ich mein Hier sein aber auch. Denn immer wenn ich glaubte, nun konnte es keine Steigerung mehr geben, dann setzte die Konstruktwelt noch einen oben drauf.
So wie an diesem Morgen, wo ich vollkommen hilflos ausgeliefert und kraftlos war…

Megumi Uno sah mich aus großen Augen an. Sie saß neben mir auf meinem Bett und beugte sich vor zu mir. Ich war zu kraftlos, um zu protestieren.
Ihr Gesicht näherte sich meinem. Ich fühlte, wie eiskalte Schauer über meinen Rücken gingen. Dann berührte ihre Stirn die meine.
„Du hast eindeutig Fieber, Akira“, stellte sie fest und drückte ihre Stirn weit länger auf meine als nötig gewesen wäre. „Mindestens achtunddreißigeinhalb.“
„Warum hast du nicht einfach das Messgerät aus der Küche geholt? Einmal ins Ohr gehalten, und du hättest meine Temperatur gehabt, bis auf zwei Nachkommastellen“, erwiderte ich. Verdammt. Erst die Prellung, an der ich immer noch zu kauen hatte, und nun diese Erkältung. Ich hatte aber auch ein Pech.
Andererseits, wenn ich mir Megumi-chan so ansah, wie sie auf meinem Bett hockte und die sonst so leblosen Augen voller Mitgefühl auf mich hinab sahen…
Allerdings hätte ich diesen Umstand sicher mehr genossen, wenn ich keinen Schüttelfrost gehabt hätte.
Megumi lächelte mich an und streckte ihre Zungenspitze durch den linken Mundwinkel. „Das hätte aber keinen Spaß gemacht, Akira“, sagte sie. Sie schloss die Augen und mir wurde schmerzlich bewusst, dass es in meinem Leben von hübschen Mädchen nur so wimmelte. Aber Megumi war etwas wirklich Besonderes.
Vielleicht sah ich das so, weil die aufgepfropfte Erinnerung mir weismachte, dass ich und Megumi unsere Kindheit zusammen verbracht hatten. Vielleicht gab es andere Gründe, die ich noch nicht entdeckt hatte.

Megumi erhob sich. Dabei tätschelte sie meinen Kopf wie einem kleinen Jungen. „Ich kenne da jemanden, der heute nicht zur Schule geht. Bleib schön liegen und kurier dich aus. Ich bringe dir noch Frühstück, bevor ich gehe.“
Ich sah ihr nach. Sie trug nur das Shirt, in dem sie zu schlafen pflegte. Als ich morgens aufgewacht war und einen Hustenanfall bekommen hatte, war sie sofort zu mir gestürmt. So wie sie gewesen war. Über ihre Motivation konnte man jedenfalls nicht meckern.
Was die Schule anging, ich protestierte nicht. Fiebernd und frierend war ich sicher nicht in der Lage zu lernen.
Eine andere Sache machte mir nicht weniger zu schaffen: Das war lediglich Megumis Visite gewesen. Ich dachte unwillkürlich an meine anderen Mitbewohner und der Schüttelfrost wurde unwillkürlich heftiger.

1.
„Akiiiiiraaaa-san!“ Lonne – nein, seit einigen Tagen hieß sie ganz und mit vollem Herzen Lilian – stürzte neben meinem europäischen Bett zu Boden und sah mich aus riesigen, tief traurigen Augen an. „Akira. Kann ich dir helfen? Soll ich dir was bringen? Brauchst du einen frischen Schlafanzug?“ Sie schniefte und in ihren Augen schimmerten Tränen.
„Komm, Lilian“, beruhigte ich sie. „Ich habe mir eine Erkältung eingefangen. Aber das ist nicht das Ende der Welt. Ein paar Tage, und ich bin wieder der Alte.“
Ein heftiger Niesanfall folgte, der in Lilians Augen blanke Panik zurück ließ. „Er muß ins Krankenhaus! Ich rufe sofort einen Arzt an!“
Sie stürzte zum Telefon, wurde aber in letzter Sekunde von Sakura aufgehalten.
„Nun mach nicht gleich so einen Wind, Lilian-chan. Akira-chan wird daran nicht gleich sterben.“
„Sakura-chan“, murmelte ich. Das war eine sehr erwachsene Einstellung. Gerade für meine Cousine.
„Aber er ist so krank“, warf Lilian aufgelöst ein.
Sakura tätschelte ihren Kopf. „Keine Angst. Ich verspreche dir, dass er bald wieder gesund ist. Und jetzt hilf bitte Megumi in der Küche.“
Lilian sah zu der größeren Frau auf. „Ja, Sensei.“

Als sie gegangen war, kam Sakura an mein Bett und setzte sich auf den Rand. Sie zog einen eng beschriebenen Zettel hervor. „Hier ist meine Handynummer, die Nummer der Schule, die von deinem Vater auf OLYMP, die der Einsatzstelle der UEMF, des Militärkrankenhauses, eines Rettungshubschraubers, den wir auf Bereitschaft gestellt haben und die Nummer des Notarzt. Wenn was ist, ruf sofort an.“
Ich nahm den Zettel entgegen. „Danke, Sakura-chan. Du bist wirklich die Beste. Und im Gegensatz zur restlichen Bande wirst du wenigstens nicht hysterisch.“
Ich hatte es kaum gesagt. Im nächsten Moment drohte ich zu ersticken. Meine Cousine drückte mich so fest an ihren Busen, dass ich ein Brecheisen benötigt hätte, um mich zu befreien.
„Armer Akira. Alleine in diesem großen Haus, schwer krank mit niemandem, der ihn pflegt. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, wenn ich dich hier zurück lasse.“
Endlich hatte ich mich frei gekämpft und bekam etwas mehr Luft. „Es ist nett von dir, dass du dir Sorgen um mich machst, Cousinchen. Aber es ist nur eine Erkältung. Das wird schon wieder.“
Nur widerstrebend ließ sie mich los. „Meinst du? Pass aber trotzdem auf dich auf. Ich stelle dir auf jeden Fall eine Thermoskanne mit grünen Tee hin. Den musst du aber auch trinken, ja?
„Ja, ja“, brummte ich wütend.
„Wie, Ja, ja? Ja, ja heißt leck mich am…“
„Danke für deine Fürsorglichkeit“, wandte ich hastig ein. „Ohne dich wäre ich hier echt verloren.“
„Das klingt doch schon besser.“
Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und stand wieder auf.
Müde ließ ich mich zurück sinken. Der Schüttelfrost war vorbei. Mir wurde plötzlich warm. Etwas zu warm. Und das hatte ausnahmsweise nichts mit den Frauen in meinem Leben zu tun…

„Okay, wir gehen dann mal.“ Kei sah freundlich zu mir ins Zimmer herein. Er winkte und strahlte dabei. „Ich bringe dir auf dem Rückweg die Hausaufgaben und frisches Obst mit, ja?“
Yoshi drückte sich an ihm vorbei in mein Zimmer. In der Hand hielt er das Katana, welches ich vor einigen Tagen selbst benutzt hatte. Er legte es neben mein Bett. „Was zum festhalten“, kommentierte er.
Ich nickte. Was für eine tolle Geste. Ich war regelrecht gerührt.
„Danke, Yoshi. Äh, was machst du da?“
Verwundert beobachtete ich, wie mein Freund aus der Realität längliche, mit Kanji beschriftete Zettel an die Türen und Fenster heftete. „Sicher ist sicher. Diese Bannsprüche beschützen dich vor weiteren Krankheiten und vor Dämonen jeder Art.“
„Übertreibst du nicht ein wenig?“, fragte ich leise.
Yoshi sah zu mir herüber. Sein Blick wurde zwingend. „Wenn es um meinen besten Freund geht, mit dem ich außerdem unter einem Dach lebe, dann gibt es keine Übertreibung.“
Ich duckte mich unwillkürlich.
Yoshi wandte sich ab. „So, ich muß los. Bleib gefälligst im Bett und werde gesund, ja?“
Ich nickte. Zu etwas anderem wäre ich sowieso gerade nicht in der Lage gewesen, wie mir amüsiert bewusst wurde.
Kaum hatte Yoshi mein Zimmer verlassen, kaum war die Haustür verriegelt worden, da drehte ich mich auf die Seite und schlief ein. Tief und traumlos.

2.
Als ich erwachte, waren mehrere Stunden vergangen. Mittag war schon vorbei. Ich wusste, in der Küche stand etwas für mich bereit – zumindest Sakura hatte mir zugetraut, die paar Meter bis zur Küche zu bewältigen. Aber ich hatte keinen Hunger. Dafür trank ich etwas grünen Tee.
Ich versuchte wieder einzuschlafen, aber es ging nicht. Mir war immer noch warm, aber ich bemerkte es kaum. Damit war dieser Tag bereits jetzt der mit Abstand langweiligste, den ich bisher in dieser Welt erlebt hatte.
Für einen Moment vermisste ich angreifende Mechas, Mädchen in Uniformen, die gegen Dämonen kämpften, Schüler, die gefakte Fotos von mir kauften, den Disput mit den Lehrern, den langen Weg zur Titanenstation, kurzum, alles, was ich gerade nicht hatte.
Ich richtete mich auf. Ein kleines Schwindelgefühl befiel mich, aber ich fand es erträglich. Ich schwang die Beine aus dem Bett und griff nach meiner Decke. Derart bewaffnet schlich ich mich ins Wohnzimmer. War ich wirklich schon so tief gesunken? Suchte ich, krank wie ich war, Zerstreuung beim fernsehen?

Leider ja. Ich schaltete den Fernseher ein, schnappte mir die Fernbedienung und wickelte mich in meine Decke ein. Weitere zwei Stunden ließ ich mich berieseln von Musikvideos, Nachrichtensendungen, Talkshows, Spielesendungen und Werbung.
Gnädigerweise überwältigte mich irgendwann die Müdigkeit, ich streckte mich aus und schlief weiter. Leider träumte ich diesmal und fand mich als Kandidat einer Spieleshow wieder. Allerdings war mein Traum nicht halb so abgedreht wie die Wirklichkeit.
Und auf jeden Fall war es angenehmer, als plötzlich gewaltsam hoch gerissen zu werden, die Augenlider mit Gewalt geöffnet zu bekommen und auch noch Gebrüll ertragen zu müssen – natürlich aus kürzester Distanz direkt ins Ohr.
„Aaaaakiiiiraaaaaaa! Bist du wach?“
Ich schreckte aus meinem Dämmerschlaf mit dem gleichen Entsetzen wie ich es getan hätte, wenn man mir befohlen hätte, einen Daishi mit bloßen Händen anzugreifen.
„Wer? Was? Wo? Wie?“
„Ooooch, was machst du denn hier? Ich wollte dich doch überraschen und jetzt bist du Zuhause.“
Verwirrt hielt ich mir den Schädel und schüttelte ihn kräftig, um zurück in die Realität zu kommen. Mist. Im Traum hätte ich beinahe hunderttausend Yen gewonnen.
Ich öffnete vorsichtig die Augen. Und sah in ein niedliches, schmales Gesicht, dass von einem wirklich süßen Kurzhaarschnitt umkranzt war.
„Sag mir, dass das nicht wahr ist“, stöhnte ich verzweifelt auf.
„Was denn, was denn?“, fragte mein Gegenüber. „Freust du dich denn nicht, mich zu sehen?“
Mein Blick ging über das rostrot gefärbte Haar meines Gegenübers. „Nein, Mako.“
Womit ich eine Leidensmiene auslöste, die Geringere als mich in den Selbstmord getrieben hätte. „Magst du mich nicht mehr?“
„Du hast es genau erfasst, Mako. Alle halbe Jahre fällst du bei mir ein, setzt dich für drei Monate fest und bringst mein Leben durcheinander.
Mein Blick ging über Makos Bekleidung. Ich schüttelte wütend den Kopf. „Und dann das. Warum trägst du einen Minirock?“
Mako erhob sich strahlend und drehte sich einmal im Kreis vor mir. „Steht mir doch gut, oder?“
Wütend griff ich in den Rock und zog heftig. Mako stürzte neben mir auf die Knie. „Ob er dir steht oder nicht, ist hier überhaupt nicht die Frage“, erwiderte ich ernst. „Egal, wie hübsch du bist. Egal wie viele Mädchen du ausstichst. Du bist ein Junge! Will das nicht endlich in deinen Schädel? Schon mal über eine Therapie nachgedacht?“
Tränen füllten Makos Augen. „Du magst mich wirklich nicht mehr. Und das nur, weil ich immer trage, was ich mag.“
Resignierend sah ich zu Boden. „Leider ist das, was du magst, fast immer für Frauen!“
„Aber die halbe Menschheit trägt das. Dann kann es doch nicht schlecht sein“, wandte Mako mit seiner ureigensten Logik ein.
„Ich weiß genau, ich werde diese Frage bereuen. Aber bitte beantworte sie mir. Weißt du, dass du mit deinen Mädchenklamotten wie ein Mädchen aussiehst, Mako?“
„Natürlich weiß ich das“, erwiderte er kichernd.
„Okay, Frage zwei. Willst du das?“

Ich hatte eine flapsige Erwiderung erwartet. Oder einen Witz. Nicht aber diesen tiefen Schatten über seinem Gesicht. Und dieses betretende Schweigen. „Das ist doch sowieso egal“, murmelte er schließlich leise. „Selbst wenn ich Männerkleider trage, sagen die Leute doch sowieso nur, wie niedlich ich bin. Oder noch schlimmer, sie fragen mich gleich ob ich ein Mädchen bin. Warum soll ich mich dann nicht gleich wie eines anziehen?“
Ich schluckte hart. Das waren gute Argumente. „Weil du dann nicht mehr auf die Herrentoilette darfst?“, wandte ich ein.
Makoto sah zu mir herüber. Glucksend begann er zu lachen. „Das ist natürlich ein Argument, Akira.“
Ich konnte nicht anders, ich fiel ins Lachen ein. Es tat sehr gut.
Langsam schloss ich meinen Cousin in die Arme. „Es ist schön, die mal wieder zu sehen, Makoto.“
„Danke, Akira. Ich freue mich, dich wieder zu sehen. Ich habe gehört, O-Nee-chan unterrichtet an deiner Schule?“
Ich grinste. „Sie wohnt hier.“
Mako erhob sich wieder. „Ich ziehe ins Hotel.“
„Momomomoment. Nun übertreib nicht gleich so“, rief ich lachend und hielt ihn wieder am Rocksaum fest. „Wie wäre es, wenn du dein altes Zimmer beziehst und ein paar von meinen alten Sachen anziehst? Ich habe da noch Klamotten, die dürften dir passen. Ich war fünfzehn, als ich sie gekauft habe.“
„Du willst, dass ich in Männerkleidern herum laufe?“
„Ich verlange es. Ansonsten können wir die Hotelsache noch mal aufkommen lassen. Na?“
Mako nickte knapp und erhob sich. „Na gut. Weil du es bist.“

„Ach, Mako, was machst du eigentlich hier?“
Mein Cousin lächelte. „Ich habe davon gehört, dass du wieder in einen Mecha geklettert bist. Was bist du schon ohne mich? Ich steige auch wieder mit ein, wenn du magst. Onkel hat bereits sein Okay gegeben.“
Makoto Ino, in einem Jahrgang mit mir, mit den höchsten Reflexen, die je bei einem Menschen gemessen worden waren, mit einer Auffassungsgabe, die als gespenstisch gab und mit der Fähigkeit, die Unterseite einer Tischplatte zu beschreiben, indem er auf die Oberfläche sah. Der ideale Koordinator in der taktischen Zentrale.
Ich nickte ernst. Er war damals mit mir gegangen, als… Ja, als was? Wir waren ausgestiegen. Warum wusste ich immer noch nicht. Aber es war hart genug, um uns beide vom OLYMP zu vertreiben. „Ich freue mich, dass du wieder in meinem Rücken bist.“
„Es tut gut, das zu hören. Ach, was machst du eigentlich hier? Hast du nicht eigentlich Schule?“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin krank. Habe mich neulich erkältet.“
Mit Entsetzen im Blick starrte Mako mich an. „Du… hast mich umarmt, obwohl du wusstest, dass du ansteckend bist? Verantwortungslos wie eh und je, hm? Ich suche mir was bei dir aus dem Schrank und bade. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.“
Hoffentlich nicht, dachte ich, während Makoto im Gang verschwand, um meinen Kleiderschrank zu plündern – was mir nachher sicher nicht gefallen würde, denn ich meinte plündern – denn diese Krankheit wünschte ich keinem meiner Freunde.

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3.
„Bin wieder Zuhause“, kam es vom Eingang her. Ich hockte in meinem Zimmer und sortierte das Chaos, welches Mako wie erwartet und befürchtet hinterlassen hatte.
„Willkommen daheim“, antwortete ich automatisch, obwohl ich die müde, gepresste Stimme erst nicht zuordnen konnte.
Ein ziemlich mitgenommener Yoshi sah zu mir ins Zimmer hinein. „Dir geht es also schon wieder besser. Na, wenigstens etwas Positives heute.“
Erstaunt sah ich ihn an. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“
Yoshi barg sein Gesicht in den Händen und seufzte tief. „Akane.“
„Akane-Sempai? Erzähl schon.“
Yoshi seufzte erneut und ließ sich auf den Boden sinken. Dort kreuzte er die Beine und sah aus müden Augen zu mir hoch. „Es ist so. Du erinnerst dich noch, wie sie neulich gesagt hat, dass an unserer Schule die Magischen Youma Slayer eingeschrieben sein sollen und dass irgendein VIP ebenfalls anonym an unserer Schule studiert?“
„Lass mich raten. Akane hat einen Tipp gekriegt und dich darauf angesetzt.“
„In ihrer Eigenschaft als Stellvertretende Chefin der Schülervertretung“, bestätigte Yoshi mit einem Nicken.
Kurz huschte Hinas Gesicht durch meinen Geist, aber ich drängte den Gedanken beiseite. „Und? Worauf wurdest du angesetzt?“
„Auf den VIP. Akane meinte, die Transferstudentin Sarah Anderson könnte dieser VIP sein. Also bin ich hin in ihre Klasse, um sie zu überprüfen. Damit fing der ganze Ärger an.“
Yoshi öffnete seinen Mandarinkragen. Ich bemerkte auf Schulteransatz und unterem Hals einen derben blauen Fleck, der bereits grünlich schillerte.
„Wie dem auch sei, sie hatte die Klasse gerade verlassen. Ich also hinterher. Sie ging zu den Sporthallen, ich hinten dran. Ich hatte sie beinahe schon eingeholt, da schießt plötzlich dieser Vollidiot aus einem Nebengang und versucht, mir den Arm auf den Rücken zu drehen. Ich halte natürlich voll dagegen und komme aus dem Griff raus. Da saust ein Tritt auf mich zu, den ich blocke. Der war aber nur ne Finte, denn seine Handkante saust auf meinen Halsansatz zu. Ich also gehe mit dem Schlag etwas mit, um die Wucht zu dämpfen, werde jedoch getroffen. Ich revanchiere mich mit einem Schwinger in die Magengrube, die er aber mit beiden Händen stoppt. Diese Öffnung nutze ich sofort für eine derbe Kopfnuss mit meinem eigenen Schädel. Hätte ich besser nicht gemacht. Mein Kopf dröhnt immer noch.
Aber dieser Typ, der steckt den Schlag einfach weg. Ich meine, er knickt zwar ein, aber ich hatte ihn nicht fertig gemacht. Was für ein Monster.“
Yoshi seufzte tief und eindringlich. „Plötzlich zieht der Kerl eine Glock 17 Halbautomatik.“
„Moment mal. Reden wir hier von einer scharfen Waffe und nicht von einem Spielzeug?“
Der böse Blick, der mich traf, hätte sicherlich ein Loch quer durch meinen Kopf gebrannt, wenn die Energie des Blickes hätte tödlich sein können. „Ich werde ja wohl eine scharfe Waffe erkennen, wenn ich eine sehe. Immerhin habe ich eine 17L Zuhause als Sportwaffe in meiner Sammlung.“
„Schon gut, schon gut“, wehrte ich mit einem verlegenen Lächeln ab. „Er zog also die Pistole.“
„Richtig. Und versuchte, sie auf mich zu richten. Ich also einen halben Schritt vor und drücke den Waffenarm beiseite, um die Pistole aus dem Spiel zu nehmen. Da trifft mich ein Knie mit voller Wucht im Bauch. Ich knicke ein und gehe fast zu Boden. Mit letzter Kraft ramme ich dem Kerl nun meinen Schädel in den Bauch und quetsche ihn zwischen mir und der nächsten Wand ein. Der Typ stöhnt auf, verliert aber die Waffe nicht. In diesem Moment hören wir beide Mädchenstimmen im Gang.
Und du wirst es nicht glauben, plötzlich stehen wir ganz brav nebeneinander im Gang. Er versteckt die Pistole und ich unterdrücke den beißenden Schmerz in meinem Magen, bis die drei hübschen Mädchen vorbei sind.
Danach geht es wieder los. Er bringt die Waffe wieder ins Spiel, ich blocke. Daraufhin denke ich, er versucht wieder das Knie. Aber denkste. Lässt dieser Mistkerl die Waffe fallen. Mein Blick folgt automatisch der Pistole, und darauf hat er nur gewartet. Seine Linke rauscht heran, mit meiner Schläfe zum Ziel, und ich höre schon die Englein singen, da legt sich eine schlanke Hand auf die heran rasende Faust und stoppt sie, als wäre eine unsichtbare Hand zwischen ihr und meiner Schläfe.
Unglaublich. Verwirrt sehe ich zur Seite. Und da ist dann plötzlich Sarah. Sie lächelt mich verschmitzt an und entschuldigt sich für die Rangelei. Rangelei. Kannst du dir das vorstellen? Wir beide kämpfen quasi auf Leben und Tod, und sie sagt Rangelei.
Und das Schärfste ist, ich habe es ihr auch noch abgenommen, freundlich gegrinst. Ich war sogar richtig verlegen. Und dieser Typ nimmt seine Waffe wieder auf, verstaut sie irgendwo hinter seinem Rücken und zischt mir ein böses nächstes Mal mache ich ernst zu.
Und ich stehe da und weiß nicht, worüber ich mich mehr ärgern soll. Darüber dass ich keinen Fotoapparat mitgebracht hatte, um Sarahs lange Beine zu fotografieren, diesem Verrückten nicht seine Waffe abgenommen zu haben oder unsere Austauschstudentin nicht geragt zu haben, ob sie unser VIP ist. Wobei, letzteres, ich meine, zwischen den beiden läuft irgendwas, das merkt ein Blinder, aber sein Auftreten war professionell. Er hat mich als potentielles Risiko angesehen und versucht auszuschalten. Damit sollten wir auf jeden Fall einen der Bewacher unseres VIPs gefunden haben.“

„Sehr schön. Das war doch die Schmerzen wert. Und wie heißt der Bewacher?“
Erschrocken sah Yoshi auf. „Wie er heißt? Ich habe nicht gefragt.“
Ich legte eine Hand auf die Stirn. „Willst du mir allen Ernstes erzählen, dass du nicht seinen Namen festgestellt hast, nachdem du mit ihm und seiner Pistole gekämpft hast?“
Kleinlaut sah Yoshi zu Boden. „Tu-tut mir leid. Aber sein Gesicht habe ich mir gemerkt. Ich wette, wenn ich noch mal zu Sarah gehe, dann…“
„Schon gut. Diesmal schnappen wir ihn uns aber zu zweit. Ich bin fit genug, um Morgen wieder zur Schule gehen zu können. Dann nehmen wir den Knaben mal ran und erklären ihm, was wir von Handfeuerwaffen in öffentlichen Gebäuden halten.“
„Okay. Aber weißt du, was mich am meisten ärgert?“, brummte Yoshi, halb beleidigt, halb besänftigt.
„Erzähl schon.“
Er hob seine rechte Hand. Plötzlich konnte ich die Aura erkennen, die sie umgab. Es war ein feines Leuchten, das immer stärker wurde. „Du konzentrierst dein KI in der Hand?“, staunte ich.
Yoshi nickte. „Ja, ich kann so was. Damit hat mein Schlag einen Wumms, um Wände zu durchschlagen. Nur leider habe ich das hier erst Stunden später herausgefunden, als ich frustriert in der Toilette gegen eine Wand geschlagen habe.“
Er beugte sich leicht vor. „Hey, deine dämliche Anime-Elfe, der wir das hier verdanken, hätte uns wirklich Anweisungen mitgeben können, was wir hier alles drauf haben, Mann. Das wäre echt hilfreich gewesen. Vielleicht kannst du das ja auch, hm?“
„Stimmt, das wäre nett gewesen. Aber verwende für dieses kleine superreduzierte Monster nie wieder einen so netten Namen wie Elfe“, erwiderte ich. „Vielleicht kann ich das auch. Aber du bist es, der einen Großvater hat, der Priester in einem Tempel ist und an seiner geistigen Vollendung arbeitet.“
„Hm. Vielleicht habe ich es dir beigebracht? Sollten wir mal ausprobieren, wenn es dir wieder richtig gut geht. So, ich bade erst mal.“
Yoshi erhob sich und zwinkerte mir zu. „Deine Krankheit scheint jedenfalls schnell abzuklingen, Akira.“
Ich nickte. „Ich denke mal, ich habe mich bei dem Stratosphäresprung unterkühlt, als ich in fünf Kilometer Höhe mein Visier geöffnet habe. Oder später in der Halle, als dieser Youma aufgetaucht ist und ich mich im Hangar teilweise aus meinem Kampfanzug geschält habe. Da drin war es lausig kalt und ich war durchgeschwitzt.
Wenn es jetzt vorbei ist, umso besser.“
„Du solltest heiß baden, um auf Nummer sicher zu gehen“, erwiderte Yoshi und dehnte sich. „Aber erst nach mir.“

„Sei mein Gast“, erwiderte ich und sah dabei zu, wie Yoshi mein Zimmer verließ. Moment mal, Gast? „Yoshi!“, rief ich aufgeregt.
In diesem Moment erklang sein Entsetzensschrei. „Verzeihung, Verzeihung, Verzeihung!“
Mit hochrotem Kopf stürmte er in mein Zimmer zurück. Er sah mich mit einem Blick an, der noch um etliches mörderischer war als der zuvor. „In deiner Wanne badet ein hübsches Mädchen mit rostroten Haaren, Akira. Krank, eh?“
Ich schluckte trocken. Und konnte nicht anders, vor lachen prustete ich los. „Du hättest länger ins Bad gucken sollen, Yoshi“, bemerkte ich lachend. „Dann hättest du nämlich sehen können, dass dein hübsches Mädchen ein junger Mann ist!“
Yoshis Gesicht spiegelte sämtliche Emotionen zwischen Panik und Entsetzen wider. „Was?“
Oh, ich amüsierte mich köstlich. „Im Bad ist mein Cousin Makoto. Der kleine Bruder von Sakura-chan. Er kommt ab und an mal vorbei und wohnt bei mir. Außerdem wird er wieder auf OLYMP arbeiten.“
„Ein… Mann?“ Yoshi schien an dieser Information hart zu kauen zu haben. Resignierend sah er zu Boden. „Was für eine Verschwendung.“
„Was ist eine Verschwendung?“, fragte Mako vom Eingang her. Er triefte immer noch vor Nässe und hatte nur einen Bademantel angelegt. Sein schmächtiger Oberkörper war gut zu sehen und beendete sämtliche Spekulationen Yoshis ein für allemal.
Mein Kumpel wurde knallrot im Gesicht. Sein Blick ging hoch zu seinem Gesicht, dann etwas tiefer. „Äh, tja“, erwiderte er leise.
Ich beschloss, ihn zu erlösen. „Mako, erinnerst du dich noch an Yoshi, meinen besten Freund? Ihr habt euch das letzte Mal gesehen vor… Warte mal, drei oder vier Jahren.“
„Ach, Yoshi-kun!“, rief Makoto und trat mit strahlenden Augen ein. Burschikos schlug er dem Größeren auf die Schulter. „Stimmt, wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Mann, beinahe hätte ich dich nicht erkannt. Du bist so groß geworden. Und du siehst noch besser aus als damals.“
Wieder stieg Röte in Yoshis Gesicht. „Meinst du?“
Erkennen glomm in seinem Blick. „Ach, Mako. Der Bengel, auf den die Mädchen so neidisch waren, weil er hübscher war als sie.“
Makoto seufzte schwer. „Mädchen können manchmal Zicken sein. Danke wegen damals, Yoshi-kun.“
Yoshi nickte nachdrücklich. „Ja, das war nicht nett von ihnen. Ich musste ja eingreifen.“
„Teilt Ihr hier gerade irgendeine Erinnerung, von der ich nichts weiß?“, argwöhnte ich.
„In der Tat“, brummte Yoshi. Er schien sich nun gefangen zu haben, legte sogar einen Arm um die Schultern meines Cousins. „Du glaubst nicht, was damals auf der alten Schule los war. Wenn ich das eine Mal nicht dazwischen gegangen wäre… Aber was erzähle ich da. Das ist Schnee von Gestern. Es freut mich wirklich, dich wieder zu sehen. Und du siehst noch besser aus als damals. Hey, wollen wir losziehen und die Mädchen von damals richtig in die Verzweiflung treiben?“
Mako schmunzelte. „Wenn du es so sagst, ist es nicht mehr so ein Fluch, wie ein Mädchen auszusehen.“
Yoshi grinste breit. „Das sollte es auch nicht. Wie lange bleibst du hier, Mako-kun?“
„Kann das vielleicht warten, bis Mako sich abgetrocknet und angezogen hat?“, rief ich bissig. „Du tropfst mir mein Zimmer voll.“
„Oh. OH!“ Hastig raffte Mako den Bademantel enger zusammen und sah auf die kleine Pfütze, die sich zu seinen Füßen gebildet hatte. „Tut mir leid. Aber Yoshi ist so überstürzt verschwunden, dass ich dachte, ich sollte dir besser beistehen, Akira. War ja auch der richtige Gedanke, ne?“
„Ja, ja. Jetzt aber zurück ins Bad mit dir. Nicht dass du der Nächste mit Erkältung bist, ja?“
Mako nickte, zwinkerte Yoshi noch einmal zu und verschwand im Gang.

Yoshi schüttelte den Kopf. „Wie kann ein Mann nur so hübsch sein. Das will nicht in meinen Kopf.“
„Hast du nicht schon genügend männliche Verehrer?“, stichelte ich.
Wieder wurde Yoshi knallrot. „So habe ich das überhaupt nicht gemeint, Akira!“
„Wie dem auch sei. Sieh zu, dass du gleich nach Mako ins Bad kommst. Die Frauen kommen sicher auch bald, und du weißt, wie lange die im Bad brauchen.“
„Hast Recht. Und du willst sicher auch noch baden, ne?
Ach, bevor ich es vergesse, Doitsu und Kenji wollen nachher noch vorbei kommen, um zu sehen, wie es dir geht…“
Na toll. Dann war Akiras Zorn ja komplett. Ein erschreckender Gedanke huschte durch meinen Geist. Was, wenn die beiden auch noch einzogen?
Nachdenklich betrachtete ich meine Hände. Und was, wenn ich diesen KI-Kram auch drauf hatte?
Immer wenn ich dachte, die Animewelt hätte sich erschöpft, legte sie noch einen Gang zu.

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4.
Nach einem heißen Bad sieht die Welt ganz anders aus, heißt es.
Nun, dieser Meinung konnte ich mich anschließen, denn meine Welt sah wirklich ganz anders aus: Absolut finster und bedrohlich.
Denn nachdem ich aus der Wanne geklettert war und mich mehr oder weniger recht in einen Yukata eingewickelt hatte, erwartete mich Übles. Ein mehr als verzweifelter Mako rauschte heran und drängte sich an meine Brust. Ihm stand blankes Entsetzen ins Gesicht geschrieben – und er trug schon wieder Mädchenkleider. Außerdem hatte er Make-Up aufgelegt.
„Hilf mir, Akira“, rief er. „Sakura und die anderen zwingen mich, hier eine Modenschau für sie abzuziehen. Das ist jetzt schon die fünfte Kombination, die ich für sie anziehe, und es ist immer noch nicht genug.“
Sakura kam auf den Gang hinaus. In ihren Augen lag ein hinterhältiges Funkeln, wie ich es sonst nur in den Augen eines Youma gesehen hatte. „Wo ist denn mein kleiner Bruder? Sieh mal, was ich hier für dich habe, Mako-chan. Willst du nicht diesen süßen kleinen Minirock für mich tragen?“
Yoshi streckte seinen Kopf auf den Gang hinaus. „Besser er als wir, Akira. In der Not ist sich jeder selbst der Nächste.“
„Mako-chaaaaaan“, säuselte Sakura und glitt regelrecht zu uns heran.
Makoto drängte sich nur noch enger an mich. „Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht. Weiche von mir, böser Geist.“

Sakura hatte ihren kleinen Bruder fast erreicht gehabt. Ihr langes, blondes Haar hatte für einen Moment so gewirkt, als hätte es ein Eigenleben entwickelt. Doch von einem Moment zum anderen änderte sich die Szenerie. Eine regelrecht fühlbare Welle von Depression ging von ihr aus. Sie sah zu Boden mit dem düstersten Blick, den ich je bei ihr gesehen hatte. Selbst ihr goldenes Haar wirkte plötzlich stumpf.
„Okay. Ich habe verstanden. Du liebst mich nicht mehr, kleiner Bruder. Na, damit musste ich ja irgendwann einmal rechnen, oder?“ Langsam wandte sie sich um und schlich den Gang zurück zum Wohnzimmer. Ihre Schultern bebten leicht, so als ob sie weinte.
Makoto streckte eine Hand nach ihr aus. „Nee-chan…“
„Das ist eine Falle“, zischte ich ihm zu. „Vorsichtig.“
Sakura blieb stehen. Ihr unglaublich eisiger Blick fixierte mich. „Und du, Akira-chan? Warum tust du mir das an?“
Ich schluckte hart. Sie spielte hier mit vollem Einsatz. Und ich war nahe daran, unter dem Druck, den sie aufbaute, zusammen zu brechen. Aber nur fast. Demonstrativ legte ich einen Arm um Makos Schulter.

Der eisige Blick verschwand und wieder schien beinahe körperlich spürbar die Welle der Depression von Sakura auszugehen.
Wie hingezaubert stand plötzlich Akane Kurosawa neben Sakura und legte eine Hand auf ihre Schulter. Wie kam die Stellvertretende Schulsprecherin hier her? „Du hast es wirklich nicht leicht, Sensei, bei diesem herzlosen Bruder und diesem Monster von Cousin.“
Anklagend sah sie uns an. „Alles was Sensei wollte, war das Makoto-san mal ein paar Sachen anprobiert. Aber ihr zwei tut so, als wäre das das Ende der Welt. Ihr solltet euch schämen.“
„Geht es bald weiter?“, erklang die Stimme von Doitsu Ataka aus dem Wohnzimmer. Der ruhige, sonst so beherrschte weil streng erzogene Doitsu klang doch recht enthusiastisch.
Makoto sah zu mir hoch. „Tut mir Leid, Akira, dass ich dich da mit rein gezogen habe.“
Langsam löste sich mein Cousin von mir und mir war es als hätte ich versagt. Versagt dabei, ihn zu beschützen. Was war ich doch für ein schwacher Mensch. Wie sollte ich die ganze Menschheit beschützen, wenn es mir nicht mal bei jemandem gelang, der mir etwas bedeutete?

Mako seufzte leise. „Gut, Nee-chan. Zwei oder drei Kombinationen noch, dann ist aber Schluss.“
Übergangslos verschwand die depressive Wolke, die Sakura umgab. Ihr Haar schien regelrecht aufzuleuchten und ihr Lächeln, das sie Mako nach dessen Kapitulation zeigte, war noch strahlender. Sie trat schnell näher und knuddelte ihren kleinen Bruder kräftig. „Ohhhh, das ist mein Mako-chan. Du bist ja so süß. So, den Rock probierst du noch an, dazu habe ich ein wirklich tolles Top und…“
„Keine Schminke mehr, ja?“, wagte es Mako aufzubegehren.
„Ja, ja, schon klar, nun komm aber endlich“, murmelte Sakura und zog ihren Bruder mit sich.
Ich legte eine Hand vor die Stirn. Armer Makoto. Nun war er endgültig verloren. Na immerhin war es eine Erklärung dafür, warum er manchmal in Frauenkleidern herum lief.
„Ich helfe dir, Sensei“, bot sich Akane an und ging mit. „Weißt du, Mako-chan, wenn du für die Dauer deines Aufenthalts auf unsere Schule kommen willst, könnte ich dafür sorgen, dass du die Mädchenuniform tragen darfst.“
„Ohhh, das wäre sooo süß“, kreischte Sakura. „Wollen wir ihn das nicht gleich mal anprobieren lassen?“
Die sonst eher stoische Akane bekam glänzende Augen. „Megumi hat doch in etwa seine Größe. Megumi-san, hast du eine zweite Schuluniform für Mako-chan?“
Ich unterdrückte ein Auflachen. Bei meiner kleinen Megumi würden sich die beiden aber die Zähne ausbeißen. Himmel, es war ja schon schwer genug gewesen sie zu überreden, mit Lilian zusammen einkaufen zu gehen, damit die Außerirdische überhaupt etwas Bekleidung hatte…
Megumi steckte ihren niedlichen Kopf aus ihrem Zimmer. Sie strahlte regelrecht. „Ja, habe ich. Und da sind noch ein paar andere Sachen, die er vielleicht mal anprobieren könnte.“
Eine eiskalte Hand griff nach meinem Herzen. Konnte das wahr sein? Unwillkürlich griff ich an meine Seite und suchte nach dem Griff meines Katanas. Würde irgendein Mann dieses Haus noch lebend oder zumindest bei Verstand verlassen können?
„Nun komm endlich, Akira. Die Show ist gut“, rief Doitsu herüber.

Langsam setzte ich mich in Bewegung. Aber meine Sinne waren weit aufgespannt und meine Muskeln begannen vor Anspannung zu schmerzen. Wenn ich es bis zu meinem Katana schaffte… Wenn ich bis zur Tür kam…
Wenn da nicht plötzlich der schweigsame Kenji Hazegawa gewesen wäre, der mich an den Schultern gepackt und ins Wohnzimmer geschleift hätte.
Ergeben wollte ich mich in mein Schicksal fügen. Bis ich die illustre Runde sah, die sich hier eingefunden hatte. Neben Doitsu und Kenji waren natürlich Kei und Yoshi anwesend, klar. Lilian ebenso. Sie schien vollkommen aufgeregt zu sein. Ihre weiße Haut hatte sich kräftig gerötet und sie schwärmte über irgendetwas. Mit Hina Yamada und Ami Shirai.
Na Klasse. Sie hockten um den niedrigen Tisch herum und sahen auf die Papierfront zum Nebenraum. Dahinter erklangen begeisterte Mädchenstimmen und ab und zu die Leid geplagte Stimme von Makoto. Nebenbei aßen sie Sushi, das reichlich auf dem Tisch stand.
Yoshi schlug auf das Kissen neben sich. „Hier, habe ich dir frei gehalten. Komm, setz dich.“
„Guten Abend, Akira-san“, sagte Hina und verbeugte dich. „Verzeih bitte, dass wir hier so einfach eindringen, aber wir waren besorgt, weil du heute nicht in der Schule warst. Es ist schön, dass es dir nun wieder besser zu gehen scheint.“
Ich schluckte hart, als ich mich auf dem Kissen nieder ließ. Hinas Augen schimmerten feucht, als sie zu mir herübe lächelte. Hatte sie sich solche Sorgen um mich gemacht? Okay, der Morgen war wirklich beschissen gewesen, zugegeben. Aber mittlerweile hatte ich es doch ganz gut gepackt.
„Du bist natürlich willkommen, Hina-chan“, erwiderte ich und nickte leicht. „Ihr seid alle willkommen.“
„Wäre ja auch noch schöner gewesen“, brummte Doitsu zur Antwort, während Hina selig strahlte. „Immerhin hast du uns schon verschwiegen, dass Kei und Megumi bei dir eingezogen sind. Von Yoshi mal gar nicht zu reden.“
„Äh…“ Was hätte ich in diesem Moment nicht alles für eine gute Erklärung gegeben.
Übergangslos strahlte Doitsu mich an. „Aber die Show entschädigt dafür.“

Die Show… Was den jungen und streng erzogenen Mann so begeisterte, war eine Abfolge von verschiedenen Kleidungsstücken, in die Sakura, Megumi und Akane den armen Makoto nun steckten, um ihn zu präsentieren. Erwartungsgemäß hatte sein Vorstoß das Make-up betreffend, nichts genützt.
Aber ich musste zugeben, wenn man nicht wusste, dass Mako ein Mann war, machte er in den Kleidern eine mehr als gute Figur. Gerade in der Schuluniform kam er sehr gut rüber. So gut, dass die Mädchen am Tisch begeistert aufkreischten.
„Du kommst definitiv an unsere Schule“, bestimmte Akane mit zufriedenem Lächeln. „Und du kriegst die Erlaubnis, die Mädchenuniform zu tragen.“
Diese Information nahmen die Mädchen am Tisch mit Begeisterung auf.
Mako ließ das alles stumm über sich ergehen. Er hatte resigniert, aufgegeben. Und ich trug einen Teil der Schuld dran.
Ich fühlte mich erbärmlich. Vor allem in dem Moment, als ich mich dabei ertappte, dass ich mich auf sein nächstes Outfit freute.

Übergangslos erhob ich mich und ging in mein Zimmer. Die Blicke der anderen folgten mir. Das Verhalten des Hausherrn irritierte sie.
Aber darauf nahm ich nun keine Rücksicht. In meinem Raum zog ich mich schnell um und legte etwas dickere Kleidung an, als für diesen milden Abend nötig gewesen wäre, aber ich wollte einfach keinen Rückfall erleiden.
Einer Eingebung folgend nahm ich das Katana an mich und legte es mir auf den Rücken. Eine schwarze Lederjacke, die ich offen lassen würde, half das Katana zu verdecken und vervollständigte mein legeres Outfit.
„Hast du was Größeres vor, Akira?“, fragte Megumi vom Eingang her.
Ich sah zu ihr herüber. „Tut mir leid, aber ich finde einfach nichts dabei, Mako in Mädchenklamotten zu stecken.“
„Lügner“, stichelte sie und lächelte leicht. „Aber ich finde es sehr nett von dir, dass du für deinen Cousin lügst. Hm, wird Makoto nicht etwas irritiert sein, wenn du nicht mehr im Haus bist?“
„Wirst du nicht irritiert sein, wenn ich nicht mehr im Haus bin?“, erwiderte ich und ging damit in die Offensive.
„Natürlich werde ich das. Ich vermisse dich schon jetzt“, antwortete sie und trat an mich heran.
Unwillkürlich brach mir der Schweiß auf. Sie griff in meinen Nacken und zog meinen Kopf zu sich herab. Sie berührte meine Stirn mit der ihren und flüsterte: „Kein Fieber mehr. Du darfst eine Stunde raus an die frische Luft. Aber handle dir keinen Ärger ein.“
Ich grinste schief. „Ich will es versuchen, Megumi-chan.“
Sie lächelte und löste sich wieder von mir. „Ich sage den anderen, dass du kurz raus bist, um frische Luft zu schnappen. Aber bleib nicht länger weg, ja? Immerhin sind sie alle gekommen, weil du heute Morgen so krank warst. Es sind alles deine Gäste.“
„Ja, Mama“, scherzte ich.
Ihr Blick war amüsiert. „Mama zieht dir den Hosenboden stramm, wenn du nicht auf sie hörst.“
„Das will ich sehen.“
Megumi wandte sich um und trat auf den Gang hinaus. Kurz sah sie zu mir zurück. „Vielleicht wirst du das, Akira. Vielleicht.“
Ich lüftete meinen Kragen. Mist, kam das Fieber wieder? Und dieses flaue Gefühl im Magen, war das normal? Nun brauchte ich definitiv frische Luft. Je eher desto besser.

5.
Mit frischer Luft ist das so eine Sache. In einer Großstadt ist sie eher selten und ruhige Ecken gibt es nicht viele. Weit fahren wollte ich auch nicht, also spazierte ich durch die Nachbarschaft. Immerhin bot unsere Gegend auch ein paar Parks und alte Tempel mit großen Gärten, in denen man super entspannen konnte.
Es war ruhig, der Wind etwas kühl und biss unangenehm in meinem Gesicht. Der Himmel war sternenklar und nur der aufgehende Vollmond vermochte es, das prächtige Band der Milchstraße einzutrüben. Den Kopf in den Nacken gelegt wanderte ich so vor mich hin. Die Milchstraße. Was für ein schöner Anblick. Und aus ihren Tiefen waren die Kronosier gekommen und bedrohten nun unser aller Leben.

Ich war so tief in Gedanken versunken, hatte kaum auf meinen Weg geachtet, dass ich selbst erschrak, als ich gegen etwas Schweres lief.
Ich taumelte einen Schritt zurück, bevor ich mich wieder fing. „Tut mir leid. Ich habe nicht auf meinen Weg geachtet.“
Ich hatte eine Person angerempelt. Diese Person hockte nun mit Händen und Füßen auf dem Gehweg und erhob sich gerade wieder. „So, so. Nicht auf den Weg geachtet. Du denkst, mit einer Entschuldigung ist es getan?“
Leises, raues Gelächter kommentierte diese Worte. Meine Augen erfassten binnen weniger Augenblicke die Situation. Außer dem dicken Mann am Boden befanden sich acht weitere Männer hier. Dazu drei junge Frauen. Sie trugen Lederoutfits und hatten ihre schweren Motorräder mitten auf dem Bürgersteig geparkt.
Ich war in eine Gang gerasselt. Na danke.
„Natürlich ist es damit getan“, erwiderte ich und bot ihm meine Hand zum aufstehen an.
Der Dicke schlug meine Hand weg. Sein eisiger Blick fixierte mich. „Nein, ist es nicht. Du wirst dafür bezahlen. Und wenn du kein Geld hast… Michio!“
Aus den Augenwinkeln sah ich blanken Stahl aufblitzen. Einer der Gangmitglieder hatte ein langes Messer hervor gezogen. Klassische Bowie-Klinge, gut zwanzig Zentimeter lang. Wurde viel für den Einsatz des amerikanischen Militärs produziert. Ich hatte auch ab und an eine in meinem Cockpit, wenn ich in den Einsatz ging.
Weitere Messer wurden gezogen, unter ihnen Stiletts und Springmesser.
„Ach, bitte“, sagte ich und rollte mit den Augen. „Wenn Ihr keine Schusswaffen habt, dann lasst es besser gleich.“
Der Dicke streckte seine Hand aus. Einer der anderen gab ihm das Bowiemesser. „Dieses Messer wird mehr als genug für dich sein. Entweder schneide ich dir Geld aus den Rippen, oder etwas anderes hübsches.“ Die Männer und Frauen der Gang lachten.
Ich grinste schief und griff auf meinen Rücken. Langsam und nachdrücklich zog ich das Katana hervor. „Wie ich schon sagte, wenn Ihr keine Schusswaffen habt…“
„Wer ist der Kerl?“, raunte einer der Motorradgangster.
„Na was wohl, ein Angeber. Schnappt ihn euch!“

Es war nie meine Art, mehr als das übliche Maß anzugeben oder zu protzen. Aber das kleine Scharmützel mit der Clique einen Kampf oder sogar eine Schlacht zu nennen wäre maßlos übertrieben gewesen. Ich begnügte mich damit, ein paar Haare ab- und ein paar Kleidungsstücke aufzutrennen, mit dem Griff in der Hand ein paar mächtige Kellen zu verteilen und hier und da eine Nase zu brechen. Gegen mich schien diese Bande in Zeitlupe zu kämpfen. Und obwohl ich noch nicht wieder völlig fit war, genoss ich meinen kleinen Sieg.
Als die Hälfte von ihnen am Boden lag und ich einer der Frauen mit der Linken den Arm auf den Rücken drehte, bis sie ihr Stilett fallen ließ – auch wenn ich hinten keine Augen hatte, so vergaß ich doch nie die Position eines Gegners, erst recht nicht in meinem Rücken – fragte ich freundlich: „Ihr könnt euch nicht zufällig Schusswaffen besorgen, oder?“
Der dicke Anführer warf sich vor mir auf den Boden. „Gnade, Herr. Gnade. Es tut mir Leid, dass ich Euren Zorn herauf beschworen habe. Wir wollen uns bessern und nur noch Gutes tun. Nur verschont mich und meine Leute.“
Ich ließ den Arm der Frau fahren. Sie lief sofort zurück zu den Motorrädern, wo sich der Rest ihrer blessierten Truppe versammelt hatte.
Ich lächelte schief. „Es ist ja nichts passiert. Aber das nächste Mal solltest du eine Entschuldigung annehmen, wenn man sie dir vorträgt.“
„Ja, Herr!“, rief der Dicke aus seiner unbequemen Position. Er sah auf. „Darf ich den Namen des edlen Herrn erfahren?“
Ich dachte kurz nach. Wollte er sich an mir später rächen? Hm, das versprach spaßig zu werden. „Akira Otomo.“
Der Dicke wurde bleich. „Otomo-sama. Verzeiht, dass ich euch nicht erkannt habe. Es tut mir unglaublich, unglaublich Leid, den Anführer von Akiras Zorn belästigt zu haben. Es wird nie wieder vorkommen, Otomo-sama.“
„Ist ja schon gut. Lassen wir das. Steh wieder auf und mach, was du und deine Leute vorher gemacht haben.“ Langsam steckte ich das Katana wieder zurück und ging mitten durch die Bande durch. Sie machten mir angsterfüllt Platz. Hm, meine kleine Schülerschlägertruppe schien einen verdammt miesen Ruf zu haben.

„Äh, Otomo-sama, wollt Ihr wirklich in dieser Richtung weiter gehen?“, erklang die Stimme des Dicken hinter mir. Ich wandte mich um. „Warum?“
In seinen Augen stand Angst. Aber nicht unbedingt Angst vor mir. „Das… Das ist Yakuza-Gebiet, Otomo-sama.“
„Yakuza?“ Ich hielt an und dachte nach. Hatte ich wirklich Lust und Zeit, um mir auch noch eine Yakuza-Gruppe zum Feind zu machen? „Dann gehe ich eben die Seitenstraße runter. Danke für den Tipp.“
Ich wandte mich wieder um und winkte kurz, bevor ich weiter ging.
„Auf Wiedersehen, Otomo-sama, auf Wiedersehen“, rief der Dicke mir nach.
Ich winkte erneut und verschwand in der Seitenstraße. Sie führte in gerader Linie zu einem bewaldeten Hügel, auf dessen Krone ein Tempel gebaut worden war. Eigentlich genau das, was ich an diesem Abend gesucht hatte.

Als ich am Fuß des Hügels stand, sah ich ehrfurchtsvoll zu den alten Bäumen auf, die den gesamten Hügel zierten. Ja, zierten. Alles wirkte wie ein wohl strukturierter Garten. Ich war sehr beeindruckt.
Doch nicht zu beeindruckt, um nicht das leise metallische Singen zu hören, das entstand, wenn man ein Schwert aus der Scheide zog.
Das Geräusch erklang dreimal, also hatte ich drei bewaffnete Gegner.
„Guten Abend“, sagte ich leise. „Was verschafft mir die Ehre eures Besuchs?“ Langsam wandte ich mich um. Vor mir standen drei Männer in schwarzen Geschäftsanzügen. Sie hielten Katanas in den Händen, wie ich es befürchtet hatte. Der Vorderste nahm seine schwarze Sonnenbrille ab und sah mich an. „Deine Waffe interessiert uns. Ich nehme nicht an, dass du sie uns freiwillig überlässt?“
Ich grinste gespenstisch. „Wenn ich anfange zu schwitzen und mich wieder erkälte, dann seid Ihr dran. Das ist euch doch wohl klar, oder?“ Mit einer schnellen und uneleganten Bewegung zog ich meine eigene Klinge.
Der Anführer sah mich mit versteinerter Miene an. „Greift an.“
Die beiden Substituten sprangen. Einer kam von Rechts, der andere passierte mich und wollte in meinem Rücken angreifen. Ich nutze die offene Lücke und sprang auf die Mauer, welche den Hügel einfasste. Von dieser erhöhten Position war ich im Vorteil. Leider nur für ein paar Augenblicke, denn der Anführer der Yakuza – dass es welche waren, daran zweifelte ich nicht – hatte meinen Zug voraus gesehen und kam ebenfalls die Mauer hoch. Langsam gab ich meine Position auf dem Sims auf und zog mich in den Wald zurück, den Hügel hinauf. Die anderen beiden folgten auf die Mauer nach.
Was nun? Konnte ich sie auseinander ziehen und einzeln erledigen? Oder sollte ich volles Risiko gehen und sie töten?
Vorerst zog ich mich weiter den Hügel hinauf zurück.

Die erste Attacke erfolgte von schräg links hinter mir. Einer der Substitut, der Kleinere setzte einen Karatake an, einen Schlag von oben herab. Ich entging ihm, ohne ihn zu parieren. Dadurch behielt ich den Willen über meine Klinge und meine einzige Abwehrmöglichkeit.
Was die richtige Entscheidung war, denn so konnte ich knapp und mit viel Glück den Kesagiri-Hieb des Anführers parieren, den Hieb von schräg rechts oben, quer über die Brust.
Für einen Moment hielten wir nur gegeneinander, brachten Stärke auf und maßen unsere Kräfte. Dann brach ich ab und sprang zurück. Gerade noch rechtzeitig genug, um dem Karatake des dritten Angreifers zu entgehen. Wäre ich dort stehen geblieben, hätte ich mit zwei Drittel weniger Kopf auskommen müssen.
Ich zog mich schnell drei Schritte bis unter einen hohen Baum zurück. Mit dem mächtigen Stamm im Rücken hatten die Yakuza nur noch drei Richtungen, aus denen sie mich angreifen konnten. Leider fehlte mir so aber auch die Fluchtoption. Was mir aber nur zum Verhängnis wurde, wenn sie alle drei zugleich angriffen.
Ich hatte Glück, der Anführer versuchte einen Tsuki direkt in meine Brust, aber ich wich erneut aus, ohne meine Klinge ins Spiel zu bringen und ließ so den Stoß aus nächster Nähe passieren. Die Klinge meines Gegners drang Zentimetertief in das alte Holz ein, blieb aber nicht stecken. Er befreite es mit einer nebensächlichen Bewegung. Wieder griff einer der Substituten an. Den Hidarinagi des Größeren musste ich mit der Klinge kontern. Dabei, da der Angriff von links auf den Rumpf erfolgte, musste ich mich drehen, um genügend Kraft für den Konter aufbringen zu können. Und drehte so meinen Rücken dem Anführer zu, der gerade wieder seine Klinge befreit hatte.
Ich fühlte beinahe, wie er zu einem weiteren Karatake ansetzte, der, so er denn traf, durchaus meinen Schädel spalten würde.
Ich erhöhte den Druck gegen meinen Gegner, während der Anführer der Yakuza wild aufbrüllte. Dann nahm ich den Druck von meinem Gegenüber und glitt zur Seite. Er taumelte überrascht einen Schritt vor und war nun dem Karatake-Schlag seines Chefs ausgesetzt.
Der Substitut riss seine eigene Klinge hoch, um die Attacke zu parieren und bot mir somit eine Öffnung. Ich setzte zu einem Miginagi an, einen Schlag von rechts auf den Körper.
Mein Katana traf kaum auf Widerstand, als es eine tiefe Wunde in die Seite meines Gegners riss. Blut trat aus und benetzte den nahen Baum und den Anführer, während ich mich schnell in Sicherheit brachte. Dieser Schlag hatte meinen Gegner sicher nicht getötet. Aber hoffentlich verlangsamt, im besten Fall aus dem Kampf genommen.
Neben mir tauchte Gegner Nummer drei auf, setzte zu einem Midikiriage an. Der Aufwärtsschlag, von Rechts geführt, durchschnitt aber nur die Luft. Ich hatte meine Position bereits wieder geändert, war hinter einem Baum verschwunden und suchte von dort das Weite, um Distanz zwischen uns aufzubauen. Dennoch behielt ich meine Gegner im Auge. Der Verletzte ließ sich gegen den Baumstamm sinken. Er presste eine Hand auf die blutende Wunde. Hatte ich ihn schwerer getroffen als ich dachte, womöglich auch innere Organe verletzt? Der Anführer sah sich suchend nach mir um, und obwohl ich im Dunkeln stand, fixierte er mich nach kurzer Zeit. Meine Klinge hatte im Mondlicht geglänzt. Schneller hätte ich meine Position nur preisgeben können, wenn ich gerufen hätte: Hier! Hier bin ich! Schlachte mich doch bitte ab!

Ich setzte meine Absetzbewegung fort. Doch diesmal war ich im Nachteil, denn ich wusste nicht, wo sich der Kleine aufhielt. Er konnte jederzeit in meinem Rücken auftauchen.
Erst einmal musste ich weiter kommen, Distanz aufbauen. Und ich dachte ernsthaft darüber nach zu fliehen. Jetzt, wo sie nur noch zu zweit waren, sollte es mir gelingen.
Was aber, wenn sie mir bis nach Hause folgten? Und vor allem, wenn sie mich nun einmal auf dem Kieker hatten, was wenn sie meinen Freunden auflauerten? Yakuza spielten in einer anderen Liga als ich und meine kleine Schlägergruppe. Von den Mädchen mal ganz zu schweigen.
Aber irgendwo in mir nagte die Gewissheit, dass die Yakuza bereits die Vernichtung ihres drei Mann starken Schwerttrupps sehr, sehr schlecht aufnehmen würden.
Verdammt, ich war keine Einmann-Armee, die mal eben eine ganze Yakuza-Gruppe auslöschen konnte.
Aber vielleicht konnte ich Megumi dazu überreden, mit Lady Death einen Stepptanz in ihrem Viertel aufzuführen.
Kurz dachte ich daran, sie zu Hilfe zu holen. Aber sie war Mecha-Pilotin, keine Kommandosoldatin.

Eine Klinge, die durch meinen Kopf gegangen wäre, wenn ich nicht ausgewichen wäre, holte mich in die Realität zurück.
Vor mir stand der Kleine und atmete schwer. Sein Tsuki war mit Nachdruck geführt worden, zugegeben. Aber ich hatte dem Direktstoß dennoch ausweichen können.
Dies bot mir Gelegenheit für eine Eröffnung. Ich täuschte an, nach Links auszuweichen, worauf hin der Kleine seine Waffe nach Rechts ausscheren ließ. Dieser Moment reichte mir um ihn auf der anderen Seite zu passieren und meine Klinge fast wie beiläufig über seinen linken Arm tanzen zu lassen. Diese Art des Angriffs hatte nicht viel mit Schwertkampf zu tun, ich nutzte einfach nur meine eigene Bewegung und die Schärfe meiner Klinge. Am ehesten konnte man die Attacke, die eine große Wunde in den rechten Oberarm riss, noch den Sakakaze zuordnen, den Schlägen, die von unten geführt wurden. Blut spritzte wieder, benetzte meine Kleidung und einen kleinen Schrein, der unter einer uralten Eiche stand.
Ich fühlte mich gut, trotz der Krankheit vom Morgen. Zwei Verletzungen hatte ich verursacht und im Gegenzug war nicht einmal meine Kleidung angekratzt worden.
Mein arrogantes Grinsen blieb mir aber im Halse stecken, als der Anführer erneut angriff und mit einem sehr harten und sehr nachdrücklichen Karatake von oben auf mich niederschlug. Mit Mühe brachte ich meine Klinge weit genug hoch, um seinen Hieb an mir vorbei und zu Boden zu lenken. Sein Katana fuhr zu Boden und zerteilte dabei den kleinen Schrein.

„Elender Bastard!“, fuhr er mich an. In seinen Augen glomm ein kaltes Licht. „Du wirst langsam sterben!“
Ein gleißender Schein trat aus dem Schrein aus und blendete mich für einen Augenblick. Meinem Gegner ging es nicht viel besser.
Als ich wieder sehen konnte, schwebte mein Gegner einen halben Meter über dem Boden. Sein Kopf war von einer weißen, schmalen Hand umklammert. Ich zwinkerte ein paar Mal, aber das Bild änderte sich nicht. Die weiße Hand gehörte zu einem Dämon, einem gehörnten Oni, der den Yakuza hasserfüllt anstarrte. „Duuuuu. Du hast mein Heim zerstört. Dafür wirst du bezahlen!“
Die Augen in der Maske glommen grell auf. Blitze schossen aus ihnen hervor und bohrten sich in die Augen des schreienden Yakuza. Sein Entsetzen war so groß, dass sich meine Nackenhaare aufrichteten.
Ich hörte auch den Entsetzensschrei seines Kompagnons, der sein Schwert fortwarf und hastig davon lief.
Nun, es war wirklich nicht jedermanns Sache, sich einem Oni zu stellen, der gerade den eigenen Vorgesetzten zu Tode folterte.
Mit einer nebensächlichen Handbewegung warf der Oni den Yakuza fort. Seine Haare waren schlohweiß geworden und seine Iris hatte einen matten, graublauen Farbton angenommen.
„Du darfst leben“, verkündete der Oni. „Aber die Haare und Augen wirst du den Rest deines Lebens behalten. Und jetzt geh.“
„Ja. Ja. Ja.“ Hastig kam der Yakuza auf die Knie und verneigte sich bis zum Boden. „Ja, Meister.“
„GEH!“, blaffte der Oni und der Yakuza gehorchte ohne zu zögern. Blind vor Angst hetzte er durch das Unterholz den Hügel hinab.

„Und du“, grollte der Oni und fixierte mich mit eiskalten Augen, „bekommst deine Strafe ebenso!“
Die Hand des Oni schoss vor, doch ich parierte mit meiner Klinge. „Graue Haare stehen mir einfach noch nicht“, erwiderte ich und versuchte zu ignorieren, dass meine Knie erbärmlich zitterten. „Sieh mal, das tut mir Leid mit deinem Schrein. Wie wäre es, wenn ich ihn wieder zusammen baue? Immerhin habe ich ihn nicht zertrümmert und auch nicht dabei geholfen.“
Der Oni hielt sich die rechte Hand. „Du trägst einen Dämonenpeiniger bei dir? Bist du ein Dämonenschlächter?“
„Äh, nein!“
„Das Schwert muß vernichtet werden!“, rief der Oni und stürzte sich auf mich.

Zehn Minuten später war ich ziemlich außer Atem. Der Kampf mit den Yakuza hatte mich verdammt angestrengt, aber der Fight mit dem Oni hatte sich ganz schön gezogen. Immerhin lebte ich noch. Und glücklicherweise war mir noch rechtzeitig eingefallen, was Yoshi mir vorhin gezeigt hatte. Er konnte sein KI in der Hand konzentrieren. Ich hatte es geschafft, mein KI auf die Klinge zu übertragen.
Der Oni kniete vor mir auf dem Boden und berührte mit der Hörnermaske die nackte Erde. „Bitte, Meister, verschone diese unwürdige Kreatur. Die Kreatur entschuldigt sich für ihr rüdes Benehmen.“
„Was?“, fragte ich erstaunt.
„Meister, du hast diese unwürdige Kreatur besiegt. Sie erkennt ihre Niederlage offen an.“ Wieder verbeugte sich der Oni vor mir und verharrte in dieser Stellung. Waren Onis nicht eigentlich Dämonen, die sich auf Hass spezialisiert hatten oder so?
Langsam ließ ich mein Katana sinken. Für einen Abend reichte es wirklich. Ich hatte genügend erlebt. Am surrealsten war natürlich die Modenschau gewesen, aber die Kämpfe waren auch nicht schlecht gewesen.
„Ist gut. Und Morgen komme ich und baue deinen Schrein wieder auf. Und jetzt erheb dich und tu was du willst.“
„Wirklich?“ Der Oni sah auf. „Dann könnte ich vielleicht einen kleinen Ausflug in die Stadt machen und ein paar Seelen fressen…“
„Außer das“, warf ich hastig ein. „Tu einfach was Normales. Sieh fern oder hör Radio. Oder lies mal ein gutes Buch. Hast du denn keinen PC, um mal etwas Go zu spielen?“
„Radio? Fern sehen? PC? Was?“ Verständnislos sah mich der Dämon an.
„Oooookay, ich verstehe. Dann bleib einfach hier im Wald und stell nichts an, ja?“
Wieder verneigte sich der Oni. „Ja, Meister. Ich werde folgsam sein.“

Konnte ich einem Dämon wirklich trauen? War es nicht besser, ihn zu vernichten, eine potentielle Gefahr für die Menschen auszulöschen? Andererseits, jemand hatte ihm einen Schrein gebaut. Anstatt ihn zu vernichten. Und dieser Schrein war, nicht zuletzt durch meine Hilfe, vernichtet worden. Jemand hatte gewollt, dass dieser Oni überlebte. Wer war ich, dass ich einfach aus einer Laune heraus diese Existenz nahm? Ich war mir nicht einmal sicher, ob dieses Wesen vor mir wirklich böse war.
„Gut“, sagte ich und wandte mich ab, den Hügel hinab. Als ich nach ein paar Metern wieder über meine Schultern sah, hockte der Oni noch immer auf seinen Knien und verbeugte sich in meine Richtung.
Würde er etwa den Rest des Abends und die Nacht an dieser Stelle und in dieser Position verbringen? Ein amüsanter Gedanke. Nicht unbedingt für den Oni.
Eigentlich war er ja ganz nett. Er war mit dem Yakuza sehr nachsichtig umgegangen. Andererseits, Megumi hatte mir auch nicht gerade den Kopf abgerissen, nur weil ich ihr Appartement zerstört hatte.
Ein lauter, unmenschlicher Schrei ließ mich herum fahren. Ich hetzte los, zog im Laufen meine Waffe. Sehr schnell kam ich an die Stelle zurück, wo der Schrein stand. Von dem Oni fehlte jede Spur. Verdammt. Und ich hatte ihm wirklich vertraut. Dieser Bastard!
Ein neuer Schrei erfolgte, und ich hetzte ihm hinterher. Wenn ich dieses Biest erwischte…
Ich brach durch eine Hecke und gelangte auf den Platz vor dem Tempel. Drei Shintopriester hatten den Oni eingekreist. Ein merkwürdiges Licht ging von ihnen aus und schloss den Dämon ein. Einer, der Älteste von ihnen, beschwor etwas, was wie eine Lanze aus purer Energie aussah. Bevor ich mich versah, raste diese Lanze auf das Herz des Oni zu.

„Tut mir leid“, sagte ich atemlos, während sich die beiden Bruchstücke der Energielanze hinter mir verflüchtigten. „Tut mir leid, dass ich nicht schneller hier sein konnte, Oni.“
„Meister!“, rief der Dämon ergriffen. „Du bist gekommen, um mich zu retten!“
„Was tust du da, Akira-kun?“, rief der Alte. „Dies ist ein Oni!“
„Das habe ich auch schon gemerkt!“, erwiderte ich bissig. Moment, Akira-kun? Kannte ich den alten Knaben? Yoshis Großvater? Hm, konnte sein. Aber den hatte ich schon Jahre nicht mehr gesehen.
„Oni sind eine Gefahr für die Menschen. Wir müssen sie vernichten, bevor sie Menschen gefährden, töten oder ihre Seelen für immer vergiften, Akira-kun. Tritt beiseite und lass uns tun, was getan werden muß.“
Energisch schüttelte ich den Kopf. „Nein, Futabe-sensei. Dieser Oni bewohnte einen Schrein in diesem Wäldchen, dass durch meine Unachtsamkeit zerstört wurde. Er hätte ohne mich bis in alle Ewigkeit friedlich ruhen können.“
„Dann tritt beiseite. Wir geben ihm den ewigen Frieden wieder.“
„Was für zynische Worte, Futabe-sensei“, erwiderte ich ernst. „Zu unserer Kultur, zu unserer Natur gehören die Oni genau so wie die Menschen. Jemand hat diesem Oni einen Schrein gebaut. Jemand wollte, dass dieser Oni in Frieden leben kann. Ich bin nicht gewillt, den Wunsch dieses Wesens, egal ob Mensch oder Dämon zu ignorieren.“
Ich umfasste den Griff meiner Waffe fester. Mist, bekam ich da etwa eine Blase? „Und ich bin bereit, dafür zu kämpfen.“

Es erforderte nur wenig Konzentration und der matte Schein meines KI umgab die Klinge. Nun war sie um einiges gefährlicher als das ultrascharfe Blatt ohnehin schon war.
Futabe-sensei lachte leise. „Wie ich sehe, hast du endlich die Lektionen, die ich dir und meinem Enkel erteilt habe, umgesetzt. Du bist auf dem richtigen Weg zur Erleuchtung. Aber einen Oni zu schützen ist ein Schritt zurück.“
„Und?“, blaffte ich und stellte meinen linken Fuß vor, um schneller auf Geschwindigkeit kommen zu können, wenn es sein musste. „Es ist meine Entscheidung. Und ich stehe dazu.“
Futabe-sensei senkte den Kopf. „Ich will nachsichtig mit dir sein. Ich weiß, durch welche Schmerzen du gehen musstest, seit du aus den UEMF ausgeschieden bist. Aber tritt nun beiseite und lass uns unsere Pflicht tun.“
Ein Hinweis auf das, was mir widerfahren war? Ich schob den Gedanken beiseite. Wichtig war jetzt nur eines: Mir selbst nicht untreu zu werden und meinen Willen durchzusetzen. Und der lautete, diesen Oni zu beschützen.

Der alte Mann beschleunigte aus dem Stand auf eine unglaubliche Geschwindigkeit. Ich hatte aber damit gerechnet und schlug einen harten, schnellen Karatake von oben herab.
Futabe-sensei fing die Klinge auf. Seine Hände waren von seinem KI umgeben. Als unsere KIs aufeinander trafen, zischten Funken von meiner Klinge und seinen Fingerspitzen in alle Richtungen davon. Schlagartig erhöhte er sein KI. Die Absicht war klar. Er wollte mein Katana zerbrechen.
Ich lächelte gering schätzend. „Dies ist Großmutters alte Klinge, Futabe-sensei.“
Der alte Mann nickte verstehend und verlegte sich darauf, sie mir aus den Händen zu reißen. Als das auch nicht gelang – obwohl der Greis die Kraft eines durchgehenden Bullen hatte – verlegte er sich auf einen reinen Kampf des KI. Seine Augen blitzten auf, und ich sah die Welt auf zwei Ebenen. Einmal die Realität, in der ich schweigend dem Shintopriester gegenüber stand und dann eine Schattenwelt, in der wir, weißen Schraffuren gleich mit langen, klingen bewehrten Lanzen miteinander kämpften.
Ich wusste, auf dieser Ebene war mir der alte Mann Jahrzehnte voraus. Ich konnte nicht gewinnen. Also versuchte ich verzweifelt, den Blickkontakt abzubrechen, während sich unsere Entsprechungen in der Negativebene einen erbitterten Kampf lieferten.
„Ich kann das nicht zulassen, Futabe-sensei“, knurrte ich wütend.
„Warum? Warum verteidigst du den Oni so vehement? Was liegt dir an ihm?“
„Wir müssen nicht immer alles gleich vernichten, nur weil es auf den ersten Blick gefährlich erscheint. Gib einem Menschen eine Pistole in die Hand und er ist sehr gefährlich. Töten wir ihn deswegen gleich, bevor er etwas getan hat? Was ist mit Giftschlangen? Warum haben wir aufgehört zu versuchen sie auszurotten? Warum lernen wir sie stattdessen besser zu verstehen und arrangieren uns mit ihnen? Giftspinnen, Haie, Nesselqualle, die Liste ist endlos. Warum macht der Oni hier eine Ausnahme? Was macht ihn schlechter? Oder uns dadurch besser?“
Futabe-sensei hielt inne. Erschrocken führte meine Entsprechung seinen letzten Hieb noch aus und wurde vom eigenen Schwung zu Boden getrieben.
„Gut, das ist ein Punkt, Akira-kun. Aber dieser Oni ist herrenlos. Wir können ihn nicht wieder in den Schrein sperren. Das Siegel war einmalig und ist nicht zu restaurieren. Er würde irgendwann wieder ausbrechen können. Das dürfen wir nicht riskieren.“

Das KI um meine Klinge erlosch. Die Negativwelt brach zusammen und ich steckte die Waffe elegant wieder in mein Rückenholster zurück. „Ich werde auf ihn aufpassen. Und wenn er wirklich zu einem Dämon wird, der Menschen schädigt, dann werde ich es sein, der ihn vernichtet.“
Das KI um die Hände Senseis erloschen. Er musterte mich schmunzelnd. „Nun gut. Ich gebe dir eine Chance. Deine Worte sind nicht ohne tieferen Sinn. Ich akzeptiere das.
Aber wenn du versagst, Akira-kun, erwartet dich eine harte Strafe.“
Ich verneigte mich leicht. „Ja, Sensei.“
Das Licht der Priester erlosch und gab den Oni frei.
„Meister!“, rief der Oni.
Er hatte sich wieder zu Boden gehockt. Respektvoll hatte er das Haupt gesenkt. Seine Fingerspitzen berührten parallel zueinander den Boden. Ich kannte diese Pose. Sie war Ausdruck größter Höflichkeit und wurde meist für jemanden vollzogen der über einem stand. Was mich daran irritierte war, dass es Frauen waren, denen diese Pose anerzogen wurde.
„Meister, diese unwürdige Kreatur bittet um die Ehre, in deinen Dienst aufgenommen zu werden. Sie wird dir keine Schande machen und dich beschützen. Sie wird auf dich hören und freundlich zu allen Menschen sein.“
„Nun, Akira-kun, es ist deine Entscheidung. Vergiss aber nicht, auch wenn ein Oni sich unsichtbar machen kann, besonders sensitive Menschen erkennen einen Dämon auch dann noch. Du wirst viel Ärger haben, wenn du den Oni zu dir nimmst.“
„Auf einen mehr kommt es nun wirklich nicht mehr an“, murmelte ich leise. „Ich nehme deine Dienste an.“
Der Oni sah auf. „Danke, Meister. Danke.“ Langsam griff er sich in den Nacken und löste etwas. Die gehörnte Frontmaske und das buschige weiße Dämonenhaar gerieten in Bewegung und glitten vom Kopf herab. Ein langer Schwall tiefschwarzen Haares folgte und rahmte ein hübsches Frauengesicht ein.
Mist. Irgendwie hatte ich das geahnt. „Wird der Meister der unwürdigen Kreatur nun einen Namen geben?“
„Hast du denn keinen?“, argwöhnte ich.
„Wenn du einem Dämon einen Namen gibst, so heißt es, bleibt er bei dir“, informierte mich Sensei leise. „Dies ist euer gemeinsamer Bezug.“
„Oh.“ Nachdenklich kratzte ich mich am Kinn. „Tut mir leid, mir will gerade keiner einfallen. Bis mir ein guter einfällt, nenne ich dich Akari, einverstanden?“
„Der unwürdigen Kreatur ist alles Recht, Meister.“
„Und hör mit dem Unwürdige Kreatur-Quatsch auf, ja?“, blaffte ich aufgeregt. „Außerdem höre ich nicht auf Meister. Mein Name ist Akira.“
Über das totenbleiche Gesicht des Oni huschte eine gewisse Röte. „Oh. Und ich dachte, Ihr wärt… Verzeihung, Meister. Meisterin.“
„Meisterin?“
Wieder errötete der Oni. „Nun, Akira ist ein Frauenname.“
Futabe-sensei lachte laut. „Du liegst falsch, Akari. Auch Männer tragen diesen Namen.“
„Oh. OH! Verzeiht der unwürdigen Kreatur für ihren doppelten Fehler, Meister.“
„Akira. Ich heiße Akira. Und du sollst doch den Quatsch mit der Kreatur lassen.“ Ich wandte mich um. „Lass uns gehen.“
Der Oni sprang auf und schwebte an meine Seite. Unschlüssig spielte der Dämon mit der Maske, bis er sie schließlich in seinen weiten weißen Gewändern verstaute.
„Futabe-sensei. Ich bedanke mich.“
„Oh, ich habe mich zu bedanken. Du hast mir heute eine Lektion erteilt. Eine gute Lektion, Akira-kun. Komm bald wieder und trainiere mit mir weiterhin dein KI, ja?“
Ich nickte. „Das werde ich. Und ich bringe Yoshi mit. Tschüss, Sensei!“
Mit einem letzten Winken verließ ich den Platz. Diesmal aber nahm ich die Treppe den Hügel hinab.
„Und dich kann niemand sehen, wenn du dich unsichtbar machst, Akari?“
„Du kannst mich immer sehen, Meister. Die meisten anderen nur, wenn ich dies wünsche oder du es mir erlaubst.“
„Akira. Ich heiße Akira.“
„Verzeiht. Akira-sama.“
Damit musste ich dann wohl als Minimum leben. „Sag mal, was isst du denn so? Du hast da vorhin was von Seelen erzählt.“
„Ach, das. Ho, ho, ho. Das war ein Scherz, Akira-sama. Ich bin durchaus in der Lage, mich mit menschlichen Speisen zu ernähren.“
„Gut. Seelen sind nämlich schwer zuzubereiten“, scherzte ich.
„Akira-sama. Ihr seid mir ja einer“, schmunzelte der Oni.
Ich grinste. Und wieder hatte die Konstruktwelt noch mal einen Zacken drauf gelegt.

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6.
Eigentlich genoss ich die herrliche Nachtluft. Ich fror zwar etwas, als der kalte Wind den Schweiß auf meiner Stirn trocknete, und ich brauchte definitiv neue Klamotten, wenn ich nicht sofort wieder krank werden wollte. Aber diese Momente der Ruhe hatten etwas Erfrischendes. Mein Oni schwebte neben mir, während ich durch die Straßen ging.
„Sag mal, kannst du auch normal gehen?“, tadelte ich Akari.
„Verzeihung, Akira-sama, aber für mich ist es vollkommen unerheblich, wie ich mich fortbewege. Wenn du es wünschst, werde ich selbstverständlich neben dir her gehen.“
„Dann bitte ich darum.“
Der Oni berührte mit den Füßen den Boden und begann neben mir her zu gehen. „Diese Stadt ist so vertraut… Und doch so anders. Ich habe lange geschlafen.“
Ich lächelte leicht. Akari kannte weder PCs noch Radio. Lange geschlafen hielt ich für die Untertreibung des Jahrtausends. „Wann kamst du in diese Welt, Akari?“
Der Oni sah mich an. In dem hübschen Frauengesicht zeichnete sich Erstaunen ab. „Oh. Ihr meint, Akira-sama, wann ich geboren wurde?“
„Geboren? Oni werden geboren?“, argwöhnte ich.
„Oh, das weiß ich nicht. Aber ich für meinen Teil war nicht immer ein Oni. Ich wurde als Mensch geboren zu der Zeit, als Tokugawa Ieyasu Shogun wurde.“
Tokugawa… Das bedeutete, dass meine Begleiterin vierhundert Jahre alt war.
„Das ist sehr lange her. Wir schreiben das Jahr Zweitausend nach westlicher Rechnung.“
„Westliche Rechnung? Ist es so weit gekommen mit unserem Land? Ich habe den Missionaren nie getraut, aber das es so schlimm werden würde…“ Akari konnte sich nicht entscheiden, ob sie wehmütig oder ärgerlich gucken wollte. Die Emotionen wechselten einander schnell ab. Kurz entschlossen setzte sie ihre Oni-Maske wieder auf.
„Na ja, in vierhundert Jahren passiert eine ganze Menge. Missionare spielen heutzutage aber nicht gerade eine große Rolle in unserem Land“, sagte ich, um den Oni zu besänftigen.
„Hm.“
„Also, du wurdest zu Beginn des Edo-Shogunats geboren, als Mensch“, nahm ich den Faden wieder auf.
„Edo-Shogunat, nennt man diese Zeit denn heute so? Das man eine ganze Epoche nach dieser unbedeutenden Verwaltungsstadt benennt… Edo muß mächtig geworden sein in den letzten Jahrhunderten.“
Ich lächelte über die Unwissenheit des Oni. „Edo trägt heute einen anderen Namen, Akari. Er lautet Tokio. Und Tokio ist schon seit langer Zeit unsere Hauptstadt.“
„Edo? Hauptstadt? Was erzählt Ihr mir als nächstes, Akira-sama? Dass die Samurai auf dem Mond gekämpft haben?“
„Äh, nun, zumindest waren schon Menschen auf dem Mond, aber ich bezweifle, dass sie gekämpft haben.“
„Ho, ho, ho, ho. Akira-sama, Ihr habt wirklich Humor. Menschen auf dem Mond. Ach wirklich.“
„Akari, das ist die Wahrheit“, wandte ich vorsichtig ein.
„Auf dem Mond?“ Ich nickte. „Da oben?“ Wieder nickte ich. „Aber… Aber… Der Mond ist ganz aus Nickel und ist zwischen uns und der Sonne aufgehängt. Und wenn der Neumond ansteht, wo sind die Menschen da geblieben? Vom Rand gesprungen?“
Ich seufzte. „Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir Zuhause.“ Insgeheim beschloss ich, Akari die nächsten Tage vor den nächsten Fernseher zu setzen.

Schweigend gingen wir nebeneinander her. Meine innere Uhr verriet mir, dass ich die Stunde Ausgang, die mir Megumi gewährt hatte, bereits überzog. Das musste nicht unbedingt schlecht sein. Konnte aber auch nachteilig werden.
„Deine Geschichte“, erinnerte ich den Oni. „Wie bist du so geworden, Akari?“
„Auch das“, begann sie leise und ernst, „ist eine lange Geschichte. Und es ist keine schöne Geschichte. Ich bin nicht freiwillig ein Oni geworden. Mein Fluch war, dass ich viel zu schön geboren wurde.“
Aus den Tiefen ihrer Bekleidung zog sie einen Fächer hervor und entfaltete ihn. „Ich wurde hoch geboren, mein Vater war ein wichtiger Beamter im Bakufu des Shoguns Tokugawa. Ich gehörte damit dem Haushalt an und hatte recht früh Zugang zu Bildung, Kunst, Musik und dergleichen. Zugleich aber sah ich auch die raue Kriegerwelt der Samurai, die Eide der Treue und des gegenseitigen Beistandes. Ich sah tapfere und verschlagene Krieger, Herren die die Leben ihrer Samurai verschwendeten und solche, die Seite an Seite mit ihnen fochten.
Sie faszinierten mich und ich verbrachte mit einigen von ihnen mehr Zeit, als es sich geziemte. Um vieles habe ich sie gebeten und vieles haben sie mich gelehrt.“
Akari seufzte lang und tief. „Aber ich war eine Frau, Tochter eines hohen Beamten. Meine Bestimmung war es, einen guten Mann zu heiraten, um der Familie Ehre zu machen. Und so hätte mein Leben sein können. Auch wenn ich es nicht gemocht hätte. Aber es wurde anders, so vollkommen anders.“

Akari zögerte im Schritt und auch ich blieb stehen.
„Wie ich schon sagte, Akira-sama, ich wurde nicht freiwillig ein Oni.
Es gab da einen Herrn von edler Geburt. Er stand zu hoch über mir, um mich zu heiraten. Und mich ihm zur Mätresse geben wollte mein Vater nicht. Dennoch war der hohe Mann fasziniert von meiner Schönheit. Von meiner makellosen, perfekten Schönheit. Und er erdachte einen Plan, wie diese Schönheit auf ewig erhalten werden sollte, verschont vom Altern und vom Tod.
Dieser Mann wusste sehr wohl um meine Vorlieben und um meine Verehrung für die Samurai. Und darauf baute er auf.“ Akari sah hoch zu den Sternen. „Er brachte mich dazu, einhundert von ihnen umzubringen.“
Erschrocken sah ich sie an. „Akari.“
„Ich war eingeladen worden, mich mit den Samurai zu unterhalten und ihnen vorzutanzen und zu spielen. Und mein Gönner bat mich, den Samurai Reiswein einzuschenken. Er war vergiftet, und so tötete ich jeden einzelnen, dem ich zu trinken gab. Und zum Schluss ließ er mich vom Reiswein trinken. So starben wir einhunderteins in einer einzigen Nacht.
Doch das war nicht sein Plan gewesen. Denn der einzige Weg, den er gesehen hatte, um meine Schönheit für die Ewigkeit zu konservieren, Akira-sama, war, mich zu einem Dämon zu machen. Also ließ er verkünden, wer den vergifteten Reiswein eingeschenkt hatte. Und zu meinem Grab kamen die Witwen und Waisen der toten Samurai und fluchten mich und wollten mir den Weg in den Himmel verwehren.
Bei all dem Hass, bei all den Vorwürfen, wo ich doch unschuldig war, band es meine Seele an die Erde und eigener Hass kam in mir empor. Sie taten mir so sehr Unrecht und sahen es nicht ein. Dennoch fluchten sie und verwünschten mich.
Ich will nicht im Einzelnen sagen, was dann geschah, aber ich wurde ein Oni. Ein Oni, blind vor Zorn und dürstend nach Rache. Es wurde eine blutige Nacht.“
Ich lüftete meinen Kragen. Was für eine Geschichte.
„Es war dann mein Vater, der mich in meiner Raserei stoppte. Aber er brachte es nicht übers Herz, seine Tochter, die er bereits einmal verloren hatte, noch einmal zu opfern. Also erbaute er mir auf dem Hügel einen Schrein und bannte mich in ihm, auf dass ich ewig schlafe und nicht zu sterben brauchte und meine Seele nicht verloren ging. Bis zum heutigen Tag war das so und ich habe friedlich geschlummert und meine Wut vergessen. Meine Rache vergessen.“
Sie sah zu mir herüber. „Nun bin ich wieder wach, und es sind vierhundert Sommer vergangen. Diese Welt ist nicht die meine. Und für Rache ist es lange zu spät, Akira-sama. Aber ich habe eine Aufgabe und die will ich erfüllen. Denn sonst habe ich nichts in diesem Leben…“
Peinlich berührt sah ich sie an. „Akari…“
Abrupt wandte ich mich ab. „Gehen wir. Ich bin spät dran.“
„Ja, Meister“, sagte der Oni und trat an meine Seite.

Drei Minuten später betraten wir das Haus. „Bin wieder da. Akari, bleibe bitte unsichtbar. Was brauchst du eigentlich so? Soll ich dir im Garten einen Schrein aufbauen oder geht auch ein eigener Raum?“
„Akira-sama? Kann ich nicht zu deinen Füßen wachen?“
Ich grinste schief. „Du bist immer noch ein Oni. Du wirst mit einem eigenen Zimmer vorlieb nehmen müssen.“
„Ich sehe, Ihr traut mir noch nicht. Und Ihr habt ja auch Recht, wenn ich solch eine Geschichte erzähle.“
„Willkommen zurück“, erklang Yoshis Stimme. Er trat auf den Gang und grinste mich an. „Die anderen sind schon wieder gegangen, ich soll dich schön grüßen. Und von Hina soll ich dir ausrichten, dass du gefälligst Morgen in die Schule kommst, sonst versohlt sie dir den Hintern.“
„Ha, ha. Das hat sie auch gerade gesagt.“
Yoshi zuckte mit den Schultern. „Stimmt, aber gemeint. Übrigens, du weißt schon, dass dir ein Dämon folgt, Akira?“
Entsetzt starrte ich ihn an. „Du kannst Akari sehen?“
„Akari? Hast du ihm einen Namen gegeben?“
„Dämon? Was?“, fragte Megumi und lugte auf den Gang hinaus.
„Schon gut“, sagte Yoshi. „Akira wird uns schon alles sagen, wenn er es für nötig hält.“
Der Junge tat cool, aber ich sah durchaus seinen wachsamen Blick, mit dem er den Maskenbewehrten Oni taxierte. Auch sein Stand zeugte von innerer Anspannung. Ich rechnete jede Sekunde damit, dass er los lief, um seinen Bogen zu holen.

Ich trat ins Wohnzimmer. Unser Gäste waren wirklich schon weg, aber die Party ging anscheinend weiter. Makoto hockte wie ein Häufchen Elend zwischen Lilian und seiner großen Schwester. Immerhin durfte er nun wieder Männerkleider tragen. Aber vor den dreien auf dem Tisch lagen fünfzig Polaroid-Schnappschüsse von ihm in den diversen Outfits.
„Akira. Nun sag doch auch mal was. Findest du nicht auch, dass Mako in der Mädchenuniform zur Schule gehen sollte?“, empfing mich Sakura anstelle einer Begrüßung.
Lilian nickte dazu energisch.
Bevor ich antworten konnte, ruckte Makotos Kopf hoch. In seinen Augen blitzte es auf. Kurz fixierte er den Oni, dann aber die Tür zum Garten. Automatisch griff ich zum Griff meines Katanas.
Keine Sekunde später standen zwei Mädchen an der Tür, als hätte sie jemand hingezaubert.
Eines kannte ich nur zu gut. Blue Slayer. Die andere trug einen roten Rock. Red Slayer? Ihr war ich bisher noch nicht begegnet. Aber die langen, dunkelgrünen Haare würde ich mir merken.
„Dämon!“, rief Blue Slayer und fixierte exakt die Stelle, an der Akari gerade stand. „Ich werde dir nicht vergeben, dass du Akira-san zu deinem Opfer erkoren hast. Im Namen der Gerechtigkeit werde ich…
Unter der strahlenden Aura von Blue Slayer wurde Akari sichtbar. Und das schon, bevor sie ihren Angriff ausführte. Ich zog mein Katana hervor und fixierte das rothaarige Mädchen.
„Genug!“, blaffte ich.
Die Frauen und Kei raunten leise, als ich Akari zunickte, und sie nun für jedermann sichtbar wurde. Aber das war mir egal. Früher oder später hätte ich sie sowieso vorstellen müssen.
„In diesem Haus bestimme immer noch ich, was passiert. Okay, und solange mein Vater nicht da ist. Aber dieser Oni ist nun mein Diener und ich lasse nicht zu, dass Ihr ihm schadet.“
„Akira-san! Das ist ein Oni! Ein O-N-I! Ein Dämon! Man kann Dämonen nicht zu Dienern machen. Verdammt noch mal, ich und Red Slayer wollen dich retten!“
„Ich muß aber nicht gerettet werden, ja? Danke für den Versuch und danke für neulich. Aber heute ist das nicht nötig, ja, Blue Slayer?“

Ein Entsetzensschrei ließ mich herum fahren. Hatte sich Black Slayer etwa von hinten heran geschlichen und war gerade dabei, Akari zu attackieren?
Der Oni hatte seine Maske abgenommen und wieder im Gewand verstaut. Das hübsche weibliche Gesicht war von tiefer Röte verziert und die Augen schimmerten träumerisch und feucht. Sie hielt ihr Gesicht in beiden Händen und seufzte. „Ooohhh, diese Bilder. Sind sie von dem jungen Mann da? Die sind aber hübsch geworden. Ooohhh, was für eine herrliche Mode Ihr heutzutage habt.“
Sakura strahlte. „Ja, nicht? Er macht wirklich eine tolle Figur in allem, was wir ihm anziehen.“
„Äh, Sensei, du redest mit einem Oni“, warf Megumi ein.
„Mit einem Oni mit Geschmack“, erwiderte Sakura resolut. „Das ist mein kleiner Bruder. Er ist ja sooo süß in Frauenkleidern.“
Akari hockte sich an den Tisch.
Entsetzt sackte Kei nach hinten. „Ist die hübsch!“
„Tolle Bilder. Wirklich tolle Bilder“, schwärmte der Oni. „Hach, das ist so schön. Und dieses erst. Sind so kurze Röcke denn erlaubt?“
Sakura grinste bis zu den Ohren. „Aber ja, aber ja. Sind gut geworden, nicht? Und ich habe ja noch so viel mehr zum anziehen.“
„Hallo? Wir sind auch noch da. Wir wollten dich gerade bekämpfen“, beschwerte sich Blue Slayer.
Akari hörte gar nicht hin. „Ne, habt Ihr diesen niedlichen Burschen schon in einen Kimono gesteckt? Und sein Gesicht traditionell geschminkt und die Haare gemacht?“
Über Makos Gesicht huschte blanker Horror. „K-Kimono? Traditionell geschminkt?“
„Oh, jaaaa. Das sieht bestimmt gut aus“, rief Blue Slayer. Blue Slayer?
Sie stürzte mit an den Tisch. „Am besten einen mit Kirschblüten.“
„Du hast Geschmack“, stellte Akari fest. „Ein weißer Kimono mit roten Kirschblüten.“
„Du aber auch, Oni.“ Blue Slayer klatschte in die Hände. „Das will ich sehen, will ich sehen!“
Megumi erhob sich und verließ den Tisch.
„Na, wenigstens eine hier, die genügend Verstand hat und den Oni meidet“, meldete sich Red Slayer, die bereits nahe der Verzweiflung war, zu Wort.
„Nein“, erwiderte sie von der Tür, „ich habe so einen Kimono. Ich wollte ihn holen.“
Die Frauen und der Oni schrieen begeistert und auch Red Slayer bekam glänzende Augen.
Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, ob ich lachen oder weinen sollte. Sicherheitshalber stützte ich meinen Kopf auf der Rechten ab und legte die Linke quer über den Bauch.
„Das ist also der wahre Horror, den ein Oni verbreiten kann“, hauchte Makoto leise. „Akira, hilf mir.“
Ich winkte ab. Nun noch einzugreifen wäre mein Todesurteil gewesen.

„Sei ein Mann und ertrage es, Mako, ja?“, sagte Yoshi leise. Er wandte sich Kei zu und flüsterte: „Bete. Bete, Junge, dass die Mädels nie auf die Idee kommen, etwas Ähnliches mit uns zu machen. Ich bin ja zum Glück ziemlich groß, aber du…“
Kei schluckte hart.
In diesem Moment ruckten die Köpfe aller Frauen in seine Richtung. Der kleine Hitzkopf wurde blass. „Äh, da fällt mir ein, ich habe noch eine dringende Arbeit an meinem PC zu erledigen. Danach gehe ich dann schlafen. Gute Nacht.“
„Wenigstens einer, der die Kurve gekriegt hat“, murmelte ich belustigt, während ich Kei hinterher sah.
Megumi kam zurück, mit einem sauber gefalteten Kimono.
Was die Mädchen mit Entzückenslauten kommentierten.
Ich ergriff Yoshi am Kragen, während die Frauen Megumi umlagerten. „Unsere Chance!“
„Wir lassen Mako hier zurück?“
„Er ist der Köder, der unser Entkommen sichert“, zischte ich. „Er wird es verstehen. Irgendwann wird er es verstehen.“

Eine halbe Stunde später, ich hatte ich umgezogen, saß ich mit Yoshi im Garten. Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen wegen meinem Cousin. Aber mich beruhigte die Tatsache, dass ihm weniger die Frauenkleider und mehr das Gegängel durch Sakura zu schaffen machte.
„So, so. Du hast jetzt also einen Oni.“
„Was sollte ich machen. Futabe-sensei wollte ihn vernichten“, erwiderte ich.
„Ist es nicht das, was man normalerweise mit einem Oni macht?“, erwiderte Yoshi amüsiert. „Wie hast du Opa überhaupt besiegen können? Er spielt doch in einer ganz anderen Liga als wir zwei.“
„Vielleicht gibt es Oni, die man vernichten sollte. Aber ich denke… Halte mich für verrückt, aber ich will es mit Akari versuchen. Ich will ihr trauen. Vielleicht nützt sie uns ja auch mal, hm? Vielleicht können wir mit ihr ein paar Lehrer erschrecken.“
„Vielleicht kannst du sie auch zusammen mit deinem Hawk einsetzen“, brummte Yoshi.
Ich sah den Freund an. „An diese Möglichkeit habe ich überhaupt nicht gedacht.“
„Und? Wie hast du Opa nun besiegt?“
„Ich habe ihn nicht besiegt. Ich habe ihn überredet.“
„Muss eine gute Rede gewesen sein, wenn sie bis zum Gehirn des alten Dickkopfs durchgedrungen ist, Akira.“
„Wie man es nimmt. Sie hat zumindest gereicht.“ Nachdenklich sah ich in den Sternenhimmel. Wenigstens eine Sache hatte sich heute gut entwickelt. Akari war zumindest von den Mädchen angenommen worden, da war ich mir sicher.

Yoshi streckte sich neben mir aus. „Ich will da auch hoch.“
„Was?“ „Ich will da hoch. Mit dir und Makoto. Ich will einen Eagle steuern. Ich bin so gut im Bogenschießen, vielleicht ist der ArtillerieMecha genau das Richtige für mich.
Verdammt, ein Teil deines Lebens steht mir nicht offen, Akira. Ich will hier nicht nur den Spaß mit dir teilen, ich will dir auch bei den schweren Sachen zur Seite stehen. Kannst du das arrangieren?“
„Mal sehen, was ich oder Megumi da machen können“, erwiderte ich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Es tat gut, Freunde zu haben.
„Akira?“ „Hm?“ „Was meinst du, wann ist es wieder sicher da rein zu gehen?“
„Keine Ahnung.“
„Dann kann das hier draußen eine lange Nacht werden“, seufzte Yoshi.
Ich grinste schief. „Mein Fenster zum Garten ist nur angelehnt.“
„Schummler“, kommentierte Yoshi mit einem dünnen Lächeln. „Meins auch.“
Wir lachten leise. Über uns glitzerten die Sterne. Merkwürdigerweise war ich sehr zufrieden. Vielleicht zu zufrieden…

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Anime Evolution
Episode vier

In der Nacht hatte ich einen beängstigenden Traum.
Ich schwebte in einer trägen Flüssigkeit, gefangen in einem Dämmerschlaf. Es war warm um mich herum, so warm…
Ein kleines Licht verbreitete matte Helligkeit und hüllte mich in einen bernsteinfarbenen Schimmer ein. Hier und da glitzerten kleine Sterne um mich herum. Ich fand es schön.
Eine Hand trieb vor meinen Augen vorbei. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriff, dass es meine eigene Hand war. Ich versuchte sie zu bewegen, aber mir schien, dass dieser Körperteil nicht länger mehr zu mir gehörte. Meine Gedanken flossen träge, die Wärme umhüllte mich und ich wünschte mir, dass es immer so bleiben würde. Für immer und ewig, fern von allem anderen, fern von Wünschen, Sorgen, Begierden, Aufgaben und fern vom Tod…

Doch dann schälte sich aus der bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein Gesicht hervor. Es war ein wunderschönes Gesicht, doch die Augen waren rot und die Wangen fleckig von den vielen Tränen, die sie hinab rannen. Kannte ich das Gesicht? Dunkelblonde Haare rahmten es ein und verstärkten den Eindruck der Schönheit nur noch.
„Komm zurück“, hörte ich eine tränenschwangere Stimme flüstern. „Komm wieder zurück. Bitte. Bitte. Lass mich nicht allein.“
Wieder quollen Tränen aus den Augen, benetzten das Gesicht. Eine Hand legte sich auf die Flüssigkeit, nein, auf eine Trennwand zwischen uns. Die Augen, die wundervollen hellen Augen sahen verzweifelt in die meinen.
„Du darfst mich hier nicht allein lassen. Komm doch zurück. Ich flehe dich an… Ich flehe dich an…“
Das schöne Gesicht verzerrte sich. Trotziger Zorn zeichnete sich darauf ab. Die Hand ballte sich zur Faust und schlug auf die Begrenzung ein.
„Ich lass dich nicht gehen! Nein, niemals! Ich lass dich nicht gehen, ich lass dich nicht gehen! Du wirst hier wieder raus kommen, das schwöre ich!“
Wieder veränderte sich der Gesichtsausdruck und zeigte nun tiefen, verzweifelten Schmerz. Die Faust wurde wieder zur Hand. Diese Hand rutschte nun langsam herab.
„Ich lass dich nicht gehen…“, hauchte die schöne Frau, senkte den Blick und schluchzte.
Atemlos schwebte ich in der Flüssigkeit. Meine warme Welt, was war sie wert? Wert ohne sie? Ich wollte meinen Arm heben, mit der Hand über ihr Gesicht streicheln. Ich wollte sagen, dass alles gut wird, das ich bei ihr bleiben wollte. Aber mein Körper reagierte nicht.
Ich verspürte Beklemmung. Beklemmung, die das Wohlgefühl vertrieb und eine tiefe Kälte in mir reifen ließ. Einen Augenblick später war es Panik.
Meine Hand schoss vor, auf sie zu und wurde gestoppt. Die Barriere galt auch für mich.
Ich wollte sie durchbrechen, überwinden, bei ihr sein. Ihren Namen rufen!
Doch sie sah meine Hand nicht. Sie sah meine verzweifelten Augen nicht. Sie stand nur da und schluchzte.
„Bleib bei mir“, flehte sie leise.
Meine Hand fing an zu zittern und fiel wieder hinab. Trieb durch den Tank – durch den Tank, ein medizinischer Regenerationstank – als gehörte sie mir nicht.
Wieder hüllte mich die Wärme ein. Das Licht wurde heller, wärmer. Und das Bild der schönen Frau schien in einem Wirbel zu verschwinden.
Nein. Nein. NEIN!

Schweißgebadet fuhr ich auf. Es war mitten in der Nacht. Und mein Kopf schmerzte, als hätte ich eine Flasche Sake alleine getrunken. Ich betrachtete meine rechte Hand und bemerkte, wie sie zitterte. War das wirklich ein Traum gewesen?

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1.
Als ich an diesem Morgen in die Küche kam, vollkommen übernächtigt, gestraft mit einem deftigen Muskelkater von meinen vier Kämpfen am Vorabend und immer noch nicht ganz durch meine Erkältung durch, machte ich wirklich nicht den besten Eindruck.
Verschlafen strich ich mir über mein Kinn. Wenigstens einen Vorteil hatte diese Welt. Rasieren musste ich mich nur alle drei Schaltjahre einmal.
„Morgen“, brummte ich leise und setzte mich an den Küchentisch. Wenigstens dieser Teil des Hauses war europäisch eingerichtet. Ich hätte natürlich auch ins Wohnzimmer gehen können, aber im Moment wollte ich so nahe an der Kaffeemaschine sein wie möglich.
„Guten Morgen, Akira-sama“, erklang eine Frauenstimme neben mir. Ich sah auf und erkannte Akari. Der Oni trug einen Kimono und eine hohe Schürze, während er auf dem Herd hantierte. „Du bist der Erste, der aufgestanden ist. Ich habe gerade erst angefangen, ein traditionelles Frühstück zu bereiten. Und natürlich eine Kanne von diesem schwarzen Sud, den die Europäer eingeführt haben. Mir ist er zu bitter, aber du hast Gestern erwähnt, dass du ihn lieber magst als Tee.“
Ich blinzelte den Oni aus halb verklebten Augen an. Mist, ich war wirklich noch nicht richtig durch. „Ist gut so. Danke, dass du Frühstück machst. Das hätte ich wohl nicht geschafft.“
Akari strahlte. „Das ist doch das Mindeste, was ich für meinen Meister tun kann. Hier, Kaffee.“
Ich wusste nicht, wer ihr die Kaffeemaschine erklärt hatte und wappnete mich innerlich vor dem ersten Schluck aus der großen Tasse gegen Spülwasser oder zu starkem Kaffee.
Aber er ließ sich sehr gut trinken. „Gut“, brummte ich.
Akari errötete und senkte den Blick. „Danke, Akira-sama. Das gleich der erste Versuch mit der Blitzmaschine gelingt ist ein gutes Zeichen.“
„Blitzmaschine?“ „Kaffeemaschine“, korrigierte sich der Oni selbst. „Aber Yoshi-sama hat gesagt, er funktioniert mit Hilfe einer Energie, die einem Blitz nicht unähnlich ist.“
„Ah. Strom.“ „Ja. Das war das Wort, das er gebraucht hat. Hier, bitte.“

Nacheinander stellte Akari mehrere Sachen vor mir ab. Miso-Suppe, Reis und… Waffeln?
„Es ist leider kein Fisch im Haus. Und Sakura-sama war so nett und hat mir verraten, dass du dieses Gebäck sehr magst. Sie hat mir sogar erklärt, wie der Blitzapparat funktioniert, der sie macht.“
„Hat sie auch erwähnt, dass vor allem sie selbst sehr gerne Waffeln isst?“, brummte ich. Dieses Biest.
„Oh, gut zu wissen. Dann werde ich ihr als Dankeschön doch gleich ein paar mehr machen.“
„Das hatte sie bestimmt so geplant“, bemerkte ich leise, widmete mich aber der Suppe.
„Gut“, war mein Urteil.
Akari strahlte.
„Morgen“, murmelte Megumi verschlafen und trottete in die Küche. Sie setzte sich mir gegenüber und gähnte herzhaft.
„Noch etwas breiter und ich kann sehen, was du im Magen hast“, neckte ich sie. Der Kaffee zeigte Wirkung.
Megumi warf mir einen bösen Blick zu. „Ich habe schlecht geschlafen.“
„Du hast zu wenig geschlafen. Wie lange habt Ihr Makoto denn Gestern noch gequält, hm? Und woher hast du eigentlich den Kimono, Akari?“
„Gequält? Ich glaube, Makoto-sama hatte viel Spaß bei der Sache“, murmelte Akari leise. „Oh, der junge Herr sah ja so süß aus im Kimono.“
Megumi winkte ab. „Jaja, das hatten wir Gestern alles schon. Und Fotos haben wir auch gemacht. Ich glaube, wir waren bis drei auf oder so. Ihr Männer seid ja schon früh verschwunden. Und den Kimono… Keine Ahnung. Woher hast du ihn, Akari?“
Der Geist verneigte sich vor mir. „Verzeihung, Akira-sama, aber mir ist es möglich, normale menschliche Kleidung zu tragen und ich hielt mein altes Gewand für dieses Haus nicht angemessen. Deshalb habe ich in einem der leer stehenden Räume nachgesehen und dieses Kleidungsstück gefunden.“
„Leer stehende Räume?“ Ich dachte kurz nach. „Es gab in dem Zimmer sicher auch westliche Kleidung.“
Akari verbeugte sich noch tiefer. „Ich bevorzuge traditionelle Kleidung, Akira-sama. Wie es sich für eine Dienerin gebührt.
Hier, Megumi-sama.“
„Hm, Waffeln.“

„Akari, warum kochst du überhaupt?“, fragte ich plötzlich.
„Weil ich es kann“, antwortete sie leise. „Wie du dich erinnerst, Meister, wurde ich, als ich noch lebte, dazu ausgebildet, eine gute Ehefrau zu sein. Kochen war eine meiner Stärken. Es ist schön, wenn ich in meinem neuen Leben auf einige gute Erfahrungen zurückgreifen kann. Außerdem ist es eine wichtige Aufgabe für einen Diener, nicht wahr?“
„Definitiv“, meldete sich Megumi zu Wort. „Die Waffeln sind lecker.“
Akari errötete. „Das meinst du doch nicht ernst, Megumi-sama.“

In diesem Moment betrat Sakura die Szene. Im Gegensatz zu Megumi und mir wirkte sie ausgeschlafen und fröhlich. „Morgen, alle zusammen. Ich habe sehr gute Neuigkeiten. Nanu? Wo sind denn die anderen?“
„Die werden vielleicht noch schlafen“, erwiderte ich leise. „Immerhin ist es noch recht früh.“
„Oh“, meinte Sakura enttäuscht. „Aber euch kann ich es ja schon sagen. Ich habe mit Onkel Eikichi gesprochen. Und er hat gesagt, er hat nichts dagegen.“
Ein Gefühl der Gefahr breitete sich von meinem Magen bis zu meinen Schläfen aus. „Wogegen hat Vater nichts?“
Sakura strahlte mich an. „Er hat nichts dagegen, wenn meine Klasse einen Ausflug auf die OLYMP-Plattform macht.“
Vor Schreck ließ ich meine Tasse fallen. Nur das beherzte Eingreifen von Akari bewahrte sie vor dem Heldentod auf dem harten Fußboden.
„Wir machen was? Ja, sag mal, spinnst du?“
Sakura starrte mich nieder. „Habe ich richtig gehört? Du fragst ob dein Sensei spinnt?“
Normalerweise hätte dieser Blick funktioniert und mich dazu gebracht, auf Knien um Verzeihung zu bitten. Aber in diesem Fall war die Lage zu ernst. „Hast du schon vergessen, was ich mache?“
Sakuras finsterer Blick verschwand. „Oh. OH. Ach ja. Du bist ja ein Mitglied der UEMF. Wenn wir da hoch fliegen, und ein Einsatz steht an, dann könntest du dich verraten. Wo dir doch alle, die damals dabei waren, ein normales Leben gönnen wollten…“
Übergangslos schimmerten ihre Augen feucht. „Dabei wollte ich den anderen Schülern nur mal zeigen, was Megumi-chan in ihrer kargen außerschulischen Zeit macht. Wie schwer sie für die Sicherheit aller schuftet. Welche Last sie trägt.“
„Gut, gut, das erkenne ich an“, bemerkte ich, noch immer ärgerlich. „Aber denkst du nicht, dass das wenig nützt? Megumi ist in der Parallelklasse!“
„Ach ja. Na, macht nichts. Dann gehen wir eben mit dem ganzen Jahrgang hoch.“
„Das wird Vater nie erlauben. Je mehr wir sind, desto höher ist die Gefahr, dass wir einen Saboteur mit hoch nehmen“, brummte ich. „Außerdem ist Megumi sicher nicht damit einverstanden, soviel Aufmerksamkeit zu bekommen.“
„Ich könnte ein Simulationsgefecht vorführen“, kam es leise von meiner alten Freundin. „Ich mit Lady Death gegen ein paar Alphas.“
„So hatte ich mir das gedacht“, bestätigte Sakura lächelnd. Von den Tränen war nun nichts mehr zu sehen. „Außerdem sollen die Schüler begreifen, wie wichtig die Arbeit ist, die auf OLYMP und auf der Titanenstation geleistet wird.“
„Ich bin dafür“, kam es vom Eingang. Yoshi betrat die Küche. „Guten Morgen, alle miteinander. Vielleicht habe ich bei diesem Ausflug die Gelegenheit, mal in einen Eagle zu steigen.“
„Ja, ähem. Gut. Es ist so, dass… Du hast es dir schon gedacht, ja? Ehrlich? Wunderbar. Ich danke dir. Küsschen. Tschüss.“
Yoshi betrachtete Sakura mit wütendem Blick. „Sie hat mir nicht zugehört. Ist das ärgerlich.“
Meine Cousine klappte ihr Handy zu. „Was? Na, egal. Jedenfalls habe ich gerade Onkel Eikichi angerufen, und er meinte, wir können ruhig mit dem ganzen Jahrgang kommen. Es ist aber nur ein Termin frei. Heute. Ich muß also sofort in die Schule und alles mit dem Rektor klären. Die UEMF übernimmt den Transport und die Kosten. Also, ich ziehe mich um. Bis gleich.“

Ich stützte meinen Kopf auf die Hände. „Das kann ja was werden.“
„Ich mache vielleicht eine Vorführung“, kam es leise von Megumi. „Ich gegen ein paar Daishi-Mechs.“
Yoshi setzte sich zu uns an den Tisch. „Klingt doch gut. Du wirst damit einen großen Eindruck bei uns allen hinterlassen. Das wird ein lustiger Tag.“
„Die ganze Sache hat nur einen einzigen Haken“, beschwerte ich mich. „Sobald wir da hoch kommen, Leute, werden mich die Mechapiloten und Techniker erkennen. Schon mal dran gedacht? Und wenn Akane-sempai das mitkriegt – und sie wird es mitkriegen – dann bin ich echt in Erklärungsnotstand. Verdammt, eher so gut wie tot!“
„Ob ich auch mal in einen Mecha steigen darf? Ich glaube, der Eagle passt gut zu mir, Megumi-chan.“
„Sicherlich, Yoshi. Ich kann das arrangieren. Ganz diskret.“
„Hört mir hier überhaupt einer zu?“, beschwerte ich mich.
„Nun reg dich nicht so auf“, meldete sich Makoto vom Eingang her. Er stand im Eingang und hatte sich gegen die Tür gelehnt. „Warum hast du überhaupt so einen Schiss davor, dass diese Akane herausfinden könnte, dass du ein Mechapilot bist?“
„Weil, wenn sie es heraus findet, Megumi vielleicht von der Schule fliegt“, knurrte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen.
„Das ist ein Problem, Akira-sama. Soll ich diese Akane für euch töten?“, bot sich Akari an.
„Nein! Natürlich nicht“, wehrte ich ab.
„Aber wenn sie doch die Hausherrin bedroht. Ich meine, Megumi-chan ist ja eure…“
Megumi wurde rot. „So ist das ja nun nicht, Akari-chan. Ich bin hier nicht die Hausherrin.“
„Außerdem löst das unser Problem nicht. Denn Akane ist nur die Stellvertretende Vorsitzende der Schülervertretung. Danach gibt es immer noch Mizuhara-sempai“, warf Yoshi ein.
„Du hast da ernsthaft drüber nachgedacht?“, fragte ich ihn erstaunt.
„Nein, nein, nicht wirklich. Aber wenn Takashi dahinter kommt, dann haben wir ein größeres Problem als mit Akane, oder?“, sagte Yoshi und hob abwehrend die Hände.
„Takashi Mizuhara, der Vorsitzende der Schülervertretung im letzten Jahrgang ist sehr gefährlich“, bestätigte ich leise. „Wir werden ein Auge auf ihn haben müssen. So oder so.“
„Darf ich mit?“, fragte Akari.
„Was?“ „Ich würde zu gerne diese Raumstation sehen. Über dem Himmel schweben. Das muß wunderbar sein. Darf ich, Meister, darf ich? Ich werde auch die ganze Zeit unsichtbar sein.“
„Nimm den Oni ruhig mit, Akira“, sagte Makoto. „Irgendwann musst du sowieso austesten, wohin er dich begleiten darf.“ Er stieß sich von der Tür ab und setzte sich zu uns. „Außerdem kann ich da sicherlich einiges tun. Bevor mich O-Nee-chan zwangseinschult, werde ich nämlich auf OLYMP eine Dienstschicht einschieben. Zufällig heute. Ich kann euch helfen..“
„Von wegen ein wenig tun“, brummte ich. „Das ist deine Rache an mir, weil ich dich Gestern dem Feind überlassen habe. Gib es zu.“
In Makotos Augen trat ein gefährlicher Schimmer. „Exakt, Akira.“
„Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Machen wir also diesen Ausflug. Und wenn herauskommt, dass ich einen Mecha steuere, werde ich mich eben mit Takashi-sempai und Akane-sempai auseinander setzen und dich so weit es geht da raus halten, Megumi.
Und was dich angeht, Mister Absicht, ich werde mir keine Blöße geben.“
Makoto lächelte kalt. „Das brauchst du auch nicht. Damit habe ich meine Rache schon gehabt. Ich hätte gerne Tee, Akari-chan. Hey, der Kimono steht dir aber gut.“

Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie fühlte ich mich auf verlorenem Posten.
Eine Hand legte sich auf meine. Megumi lächelte mich an. „Akira. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Es wird bestimmt alles gut gehen.“
„Seit wann geht bei uns denn alles gut?“, bemerkte ich bitter.
„Eben. Und bisher haben wir immer irgendwie die Kurve gekriegt, oder? Warum soll es diesmal anders sein?“
Ich sah erstaunt auf. „Da hast du Recht“, gestand ich verblüfft ein. Vielleicht wurde es doch nicht so schlimm.
Vielleicht trat aber auch das genaue Gegenteil ein. DAS war wesentlich wahrscheinlicher.

2.
Als der Transporthubschrauber abhob, spürte ich eine Hand die sich in meinen Ärmel krallte. Ich sah auf den Sitz neben mir. „Hast du Angst, Hina-chan?“
Das blonde Mädchen nickte. Sie war reichlich blass. „Bekommt dir die Höhe nicht?“, scherzte ich. Wo ich doch ganz genau wusste, dass sie mit zwei ihrer Slayer-Freundinnen vor gar nicht langer Zeit auf der Titanen-Station gewesen war. Sie musste ja irgendwie hingekommen sein. Zurück hatte ich sie ja mitgenommen.
Hina schüttelte stumm den Kopf. Ihre Hand krallte sich noch fester in meinen Ärmel.
Ich wusste nicht wieso, ich konnte nicht anders und legte meine Linke auf ihre Hand. „Ruhig, Hina-chan. Bleib einfach immer direkt hinter mir, ja? Da kann dir nichts passieren. Meinst du, so wird es gehen?“
Hina versucht zu lächeln. Schließlich nickte sie.
„Na also“, sagte ich mit einem Schmunzeln. Dann beugte ich mich vor und flüsterte ihr zu: „Und bei Gelegenheit verrätst du mir mal, wie du mich so schnell und endgültig aufs Kreuz legen konntest.“
Über Hinas Augen ging ein Schimmer von Schalk. „Einverstanden, wenn du mir sagst, warum du auf Titanen-Station ein Manöver abgehalten hast.“
Ich verzog keine Miene, war aber schwer beeindruckt. Dieses kleine Biest war gerissener als ich gedacht hatte.

Als wir wenige Minuten als dritter von neun Hubschraubern in der Titanen-Station eingeschleust wurden, wünschte ich mir für einen Moment, dass es für die Schuluniform der Jungen eine Mütze gab. Die hätte ich mir tief ins Gesicht ziehen können.
Andererseits zweifelte ich nicht daran, dass längst bekannt war, wer zusammen mit einem ganzen Jahrgang meiner Schule an Bord kam.
Hinter uns wurde der Hangar geschlossen. Die Klimaanlage begann zu laufen und pumpte heiße Luft in die große Halle, während nach und nach ein Helikopter nach dem anderen die Rotoren abstellte.
„Willkommen auf der Titanen-Station, Sir“, bemerkte der Lademeister des Helikopters grinsend und löste meinen Gurt für mich. Ich grinste freudlos. Das fing ja schon mal gut an.
Am Heck ging die große Klappe auf. Warme Luft schwappte herein. Gut achtzehn Grad. Mann, für die Schüler wurde ja eine Menge Aufwand betrieben. Normalerweise sorgte man dafür, dass es nicht allzu sehr zog und verließ sich ansonsten darauf, dass die Soldaten und Techniker dick genug angezogen waren. Wir wurden regelrecht verwöhnt.

Ich erhob mich und reihte mich in die Linie der Schüler ein, die nun diszipliniert nach den Anweisungen der Crew den Helikopter verließen.
Draußen stapfte ein Sparrow am Hubschrauber vorbei, und viele Schüler raunten auf. Dabei war der leichte Erkunder noch der kleinste Mecha, über den die Menschheit verfügte.
Vor der Transportmaschine nahmen wir Aufstellung. Als Klassensprecher trat ich aus und zählte zusammen mit meinem Stellvertreter Yoshi durch. Sehr schön. Die Jungs und Mädchen waren sehr diszipliniert. Wenngleich sie mit staunenden Augen in den Hangar starrten.
Plötzlich wurden die Schüler unruhig. Es wurde getuschelt und Hände deuteten hinter mich. Ich sah zurück und erkannte den Grund für die Aufregung.
Megumi Uno kam heran, an der Spitze von fünf Piloten der Briareos-Kompanie. Sie trug ihren Druckanzug und hielt ihren Feuerroten Helm in der Armbeuge.
„Megumi-chan“, rief jemand aufgeregt. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriff, dass es Yoshi gewesen war.
Außer uns waren noch neun Lehrer bei diesem Ausflug dabei, aber es schien mir so, als wollten sie sich nicht so recht nach vorne trauen. Auch die anderen Schülervertreter traten unwillkürlich wieder in die Reihen ein, sodass Yoshi und ich als einzige vor der Front standen, mit dem Hangartor im Rücken und den Hubschraubern an der Seite.

„Morgen, Akira, Yoshi“, sagte Megumi zu uns. „Sind alle vollzählig?“
„Unsere Klasse schon. Wie es bei den anderen ist, weiß ich nicht. Aber da es kein Trara gab, denke ich schon.“
„Äh, ist Akane-sempai mitgekommen?“, fragte sie leicht nervös.
Ich lächelte erleichtert. „Nein. Sie ist ja einen Jahrgang über uns. Und Takashi-sempai meinte, ich und die anderen Klassensprecher würden als Repräsentanten vollkommen ausreichen.“
Megumi atmete aus. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Das ist gut.“
Kurz ging ihr Blick über die Anwesenden. „Ino-sensei ist nicht mit gekommen?“
„Hm. Eigentlich schon. War sie nicht im Helikopter vor uns?“, fragte ich Yoshi.
„Sie hat den Hangar schon verlassen“, informierte mich der Freund. „Sie ging in Begleitung eines Lieutenants, wenn ich das Abzeichen richtig erkannt habe.“
„Hm. Darum kümmern wir uns später“, bestimmte Megumi. Sie sah zu ihren Begleitern, drei Frauen und zwei Männern. Ich kannte sie alle, und das mittlerweile recht gut. „Ihr wisst Bescheid, was Colonel Otomo angeht?“
Sniper, ein ziemlich schalkhafter Deutscher fragte grinsend: „Da wir den Colonel wie einen normalen Schüler behandeln sollen, dürfen wir ihn zusammen falten, wenn er in sensible Bereiche geht?“
„Natürlich dürfen Sie das, Robert“, antwortete Megumi. „Aber übertreiben Sie es nicht, denn das nächste Mal, wenn Colonel Otomo wieder hier oben ankommt, ist er Ihr Vorgesetzter.“
„Ich wusste, die Sache hat nen Haken“, erwiderte der Deutsche beleidigt. Die anderen Piloten lachten.
„Akira, Yoshi, tretet jetzt bitte ein. Ich muß zu den anderen sprechen.“
Ich nickte. Bevor ich mich umdrehte, warf ich Sniper noch einen teils scherzhaften, teils warnenden Blick zu. Der Deutsche hob die Hände, um seine Unschuld zu beteuern.

Nachdem wir uns eingereiht hatten, sprich vor der Klasse Aufstellung bezogen hatten, begann Megumi zu sprechen.
„Mein Name ist Megumi Uno. So kennen mich viele, vor allem meine Klassenkameraden. Aber hier oben, auf der Titanen-Station, kommt noch ein Beiname hinzu. Dies ist der militärische Rang eines Captains. Dieser Rang berechtigt mich dazu, eine Kompanie zu befehligen. Diese besteht aus zwölf Mechas. Die Damen und Herren neben mir sind Teil meiner Kompanie. Sie sind meine direkten Untergebenen.
Auf Wunsch von Ino-sensei sollen wir euch ein wenig in das Leben und den Dienst auf der Titanen-Plattform und dem OLYMP genannten Pendanten im Erdorbit einführen.
Bitte folgt dabei immer meinen Anweisungen, denen meiner Untergebenen und dem Sicherheitspersonal. Denn dies ist ein hoch sensibler Bereich. Hier und nur hier entscheidet sich die Sicherheit der gesamten Erde. Die Sicherheitstruppen haben Befehl, nachsichtig zu sein. Wer aber von der Gruppe getrennt wird, muß damit rechnen, festgenommen zu werden. Also bleibt bei euren Klassensprechern und Lehrern.“
Leises Maulen antwortete Megumi.

„Wer nicht spurt, fliegt sofort wieder nach Hause, damit das klar ist!“, fauchte Sakura vom Eingang her. In ihrer Begleitung war besagter Lieutenant. Ich erkannte ihn auf Anhieb wieder. Er gehörte dem Geheimdienst an, der für die Sicherheit auf der Station sorgte. „Captain Uno ist hier die absolute Autorität, also gewöhnt euch an den Gedanken. Und vergesst eines nicht: Dass Ihr so nett und friedlich in den Tag hinein leben dürft und über eure strengen Lehrer schimpfen könnt, anstatt einen Mechakampf direkt vor eurer Nase zu erleben, verdankt Ihr nur den Besatzungen dieser beiden Plattformen. Nur weil sie leiden, kämpfen und sterben, behaltet Ihr euer normales Leben.“
Unwillkürlich duckte ich mich. Sakura konnte einen wirklich gemeinen Blick produzieren, wenn sie wollte.
„Danke, Sensei. Bitte gehen Sie jetzt zu Ihrer Klasse“, übernahm Megumi wieder.
Das hatte gesessen. Eine tolle Wirkung auf die Schüler, von denen nun vielleicht einige ahnten, warum sie den Krieg gegen die Kronosier nur im Fernsehen verfolgten.
Und das es hier wenig mit einem Videospiel zu tun hatte.
„Ich und meine Piloten werden euch während der Führung nicht begleiten. Wir werden direkt auf den OLYMP fliegen und eine Vorführung mit unseren Mechas vorbereiten.“
Hinter den Schülern fuhren Lastwagen sechs Mechas heran. Einer war unverkennbar Lady Death. In der Hand die Artemis-Lanze.
„Ab hier übernimmt eine wahre Fachkraft, die geholfen hat, diese Station aufzubauen und in den ersten Monaten ihres Lebens zu verteidigen. Lasst euch nicht vom geringen Alter von neunzehn Jahren stören. Major Ino ist der Experte für Analyse und Ortung. Und er kann mehr über diese beiden Stationen erzählen als die meisten Spezialisten. Ich wünsche euch viel Vergnügen und – wir sehen uns oben auf dem OLYMP.“
Leiser Applaus klang auf, während sich Megumi zusammen mit dem Teil ihrer Briareos-Kompanie einen Weg durch die Menge bahnte. Megumi lächelte leicht. Meistens begegneten ihr die Mitschüler ängstlich oder vorsätzlich freundlich. Freude oder Begeisterung bekam sie selten zu spüren.

„Meine Damen und Herren“, begann nun der Lieutenant zu sprechen, „darf ich Ihnen nun Major Makoto Ino vorstellen, Ihren Führer und Experten für diese Exkursion.“
Für einen Moment erwartete ich, dass sich Mako-kun für die weibliche Uniform entschieden hatte, aber ich wurde angenehm enttäuscht.
Er trug die Herrenuniform, und ich musste eingestehen, dass sie ihm vortrefflich stand.
„Ist der süß“, hörte ich eine Mädchenstimme hinter mir flüstern. Ich brauchte nicht den Kopf zu wenden um zu wissen, dass die meisten meiner Klassenkameraden dazu nickten.
Ich grinste verhalten. Diesen Fluch wurde Makoto wohl nie wieder los.
„Guten Morgen“, empfing Makoto die Schüler und überraschte mit einer wohl klingenden, aber lauten und weit reichenden Stimme. „Wie Ihr sehen könnt, wenn Ihr nach hinten schaut, steigen gerade Captain Uno und ihre Piloten in ihre Mechas vom Typ Hawk.
Sie werden in wenigen Minuten ausschleusen. Dann sollten wir nicht mehr im Hangar sein. Das dürfte etwa kalt und zugig werden. Deshalb beginnen wir gleich mit der Führung. Bitte bildet eine Zweierreihe und folgt mir zur Lounge. Von dort haben wir einen sehr guten Blick auf den Ausschleusevorgang, es ist warm und ich kann schon mal einiges über die Titanen-Station erzählen.“
Begeistertes Raunen antwortete ihm.
Hinter uns setzte Megumi gerade ihren Helm auf und stieg auf das Podest, welches sie in das Cockpit ihres Mechas bringen würde. Sie winkte, und irgendwie hatte ich das Gefühl, es galt mir.
„Wenn Ihr mir nun folgen würdet“, rief Makoto und ging vorweg. Kurz darauf folgten wir ihm Klassenweise.
**
Wer jemals erwartet hat, dass eine Horde Schüler, und sei es aus der Oberstufe, länger als ein paar Minuten eine ähnlich strenge Disziplin durchhielt wie eine Kompanie gut gedrillter Soldaten, wurde von uns sicherlich enttäuscht.
Denn kaum das wir den Hangar verlassen hatten, brach das Chaos über die Titanenstation herein. Die meisten meiner Mitschüler landeten in der Tat in der Lounge, von wo aus wir beobachten konnten, wie sich die Hangarschotts wieder öffneten und die sechs Hawks entließen. Aber ein großer Teil – ein beachtlich großer Teil war aufgebrochen, um sich zu verlaufen, Besatzungsmitglieder mit Fachfragen zu nerven, diverse Getränkeautomaten zu leeren, in einer stillen Ecke zu flirten und was der Möglichkeiten mehr waren.
Unsere Lehrer, allen voran Sakura-chan, hatten alle Hände voll zu tun, die Rasselbande nach und nach einzusammeln. Und mussten sich auch noch den Vorwurf anhören, die jungen Leute nicht wie Erwachsene zu behandeln. Ein interessanter Gedanke, wenn man bedachte, dass ihr eigenes Verhalten sie für diese Behandlung disqualifiziert hatte.
Natürlich sahen wir nicht alles so streng. Kei zum Beispiel unterhielt sich mit vor Aufregung glühenden Wangen mit einem Cheftechniker über die Halbleitertechnik, die beim Bau der Station entwickelt worden war und störte sicher niemanden, während die zwei einen Kaffee an einem Automaten auf dem Gang tranken.
Ein etwas anderer Fall waren Doitsu und Kenji, die es nicht nur geschafft hatten, sich zu verlaufen, sondern auch noch in der Damenumkleidekabine der Sporthalle gelandet waren – natürlich genau in dem Moment, als die Volleyballmannschaft ihr Training beendet hatte.
Das Geschrei war bis zu uns zu hören.

„Akira-sama?“, erklang neben mir eine gewohnte Stimme. Vor uns ließ Megumi Lady Death gerade rücklings aus dem Hangar fallen, nur um kurz darauf auf ihren Triebwerken gen Himmel zu steigen und uns ein letztes Mal zuzuwinken.
Ich wandte mich leicht um und zischte leise: „Was gibt es denn, Akari?“
„Akira-sama, ich weiß, ich soll nicht mit dir reden, solange jemand deine Antworten hören kann. Aber gerade wo man Kenji Hazegawa-sama und Doitsu Ataka-sama wieder gebracht hat, habe ich festgestellt, dass Kei Takahara-sama nicht mehr auf dem Gang ist.“
„Das hat mir gerade noch gefehlt. Ein Sack Flöhe zu hüten ist leichter als auf diese Bande aufzupassen. Such ihn, Akari, aber sieh zu, dass du nicht gesehen wirst. Wir werden in zehn Minuten in die Lifts zur OLYMP-Plattform steigen. Bis dahin musst du wieder hier sein, ob du ihn gefunden hast oder nicht.“
„Ja, Akira-sama.“
Seufzend ließ sich Sakura neben mir auf die Sitzbank fallen. „Hätte ich gewusst, was das hier alles für eine Arbeit macht, dann hätte ich es mir vielleicht anders überlegt.“
Übergangslos strahlte sie mich an. „Aber es ist ja für Megumi-chan, nicht wahr? Vielleicht verstehen die anderen sie ab jetzt besser.“
„Oder sie sehen sie noch mehr als eiskalten, tödlichen Engel an und erhöhen die Distanz“, brummte ich leise.
„Na, nun sieh die Welt doch nicht gleich so trübe. Was soll schon groß passieren?“, erwiderte sie und winkte lässig ab.

„Major Ino!“, hörte ich eine bissige Stimme vom Eingang her.
Ich fuhr herum und erkannte Commander Sikorsky, den Oberbefehlshaber der Plattform.
„Major Ino, wenn Sie schon Gäste herum führen, dann sorgen Sie gefälligst dafür, dass sie ihre Haustiere bei sich behalten!“ Wütend stapfte der Commander in die Lounge. Am ausgestreckten rechten Arm hielt er Kei. Sein Griff umschloss den Kragen der Schuluniform.
„Dieser kleine Streuner war doch tatsächlich in meiner Zentrale und hat mit ein paar Konsolen gespielt. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Wachsoldaten hätten ihn als Saboteur erschossen. Wenn ich nicht eingegriffen hätte…“
Wütend setzte der Commander den Jungen ab. „Wer hat die Aufsicht über diesen Zwerg?“
Sakura wollte aufstehen, aber ich winkte ab. Mit einem Gefühl des Bedauerns erhob ich mich und trat auf den Offizier zu.
„Ich habe die Aufsicht. Akira Otomo von der Schülervertretung, Commander Sikorsky. Danke dass Sie uns unseren kleinen Ausreißer zurück gebracht haben.“ Meine Augen fixierten die des Commanders. So fochten wir einen stillen Kampf aus, in dem mein Gegenüber letztendlich einlenkte.
„Nun gut, Otomo-kun. Es ist ja nichts passiert. Letztendlich ist er nur ein Zivilist. Aber sollte ich noch mal einen Ihrer Schutzbefohlenen in sensiblen Bereichen erwischen, stehen Sie dafür gerade.“
Ich schmunzelte. „Das tue ich sowieso. Allerdings würde ich mir eine wichtige Frage stellen: Wie konnte es Takahara-kun gelingen, ausgerechnet in die Zentrale der Titanen-Plattform einzudringen?“
Makoto kam im Laufschritt heran und blieb neben uns beiden stehen. Dort verharrte er und wagte nicht zu atmen.
„Major Ino“, knurrte der Commander wütend, „schleusen Sie diese Kinder so schnell es geht zur OLYMP-Plattform hoch.“
Er unterbrach den Blickkontakt und blaffte seinen Stellvertreter an: „Und Sie sorgen dafür, dass ich eine Antwort auf Otomo-kuns Frage kriege, verstanden?“
Immer noch wütend wandte sich der Commander ab und verließ die Lounge wieder.
Makoto atmete erleichtert auf. „Das ging aber noch mal gut. Ich dachte, gleich zerreißt er dich in der Luft, Akira.“
Kei meldete sich leise zu Wort. „Tut mir Leid. Ab jetzt gehe ich bestimmt nicht mehr verloren. Aber die Blaupunkt&Apple Bedienungskonsole IV ist so ein faszinierender Allrounder, und als ich sie gesehen habe…“
„Schon gut. Geh einfach zu den anderen, Kei“, sagte ich leise.
Mit einem sehr bedrückten Gesichtsausdruck wandte sich Kei ab und ging zu den anderen. Innerlich grinste ich gemein. Der versteckte Tadel würde ausreichen, um ihn von weiteren Abenteuern auf OLYMP abzuhalten. Hoffte ich.

Fünfeinhalb Minuten später standen wir in einem der fünf großen Lastenaufzüge. Der Jahrgang fand Platz in einem. Das bedeutete, dass fast sechzig Schüler für die acht Minuten hinauf zum OLYMP stehen mussten. Ich hörte schon das erste Gejammer nach nur einer Minute.
Makoto stand am Rande des Fahrstuhls und referierte über die Titanen-Station und OLYMP.
„Titanen-Station befindet sich in der Tropopause der Erde, einer Atmosphäreschicht, die in fünf Kilometer Höhe liegt. Sie misst hundert Meter vom Boden bis zum Oberdeck und von Rand zu Rand einen Kilometer. Was viele nicht wissen, sie ist mehr als eine militärische Einrichtung.
Die Menschheit unter der Führung der United Earth unterhält mehrere Kolonien auf dem Mond. Auf unserem Trabanten werden dank der geringeren Schwerkraft, die ein Sechstel der Erdnorm ausmacht, kostengünstig Erze und Mineralien abgebaut und auf den von der UEMF beschützten Routen nach OLYMP gebracht. Von dort gelangen sie per Weltraumlift zur Titanen-Plattform, wo sie versteigert und anschließend in die ganze Welt verschifft werden.
Unter den Mineralien ist auch Helium-3, ein Isotop des Heliums, welches auf der Erde nur äußerst selten vorkommt. Es ist heute maßgeblich an der Energieversorgung der Menschheit beteiligt, da es aufgrund seiner Reaktionsfreudigkeit ein sehr guter Energieträger ist. Man sagt, die Helium-3 – Vorräte des Mondes reichen, wenn man den ansteigenden Bedarf der Menschheit einrechnet, nur noch zweihundert Jahre. Aber es sind noch lange nicht alle Lager entdeckt und katalogisiert worden, deshalb halte ich diese Zahl für falsch.“
Eine mitfühlende Seele reichte Makoto einen Becher mit Wasser. Bei seinem Monolog hatte er nicht einmal Luft geholt und war reichlich blass geworden.
Ich grinste verhalten. Im erzählen war mein Cousin schon immer groß gewesen.

Ein Schimmern ließ mich aufsehen. Die transparenten Wände des Lifts hatten sich eingetrübt.
„Wenn Ihr jetzt aus dem Lift hinaus seht“, setzte Makoto seinen Monolog fort, „dann könnt Ihr einen kurzen Blick auf unsere Ozonsphäre erhaschen, die in einer Höhe von etwa vierzig Kilometern über der Erdoberfläche beginnt und auch den Anfang der nächsten Schicht der Erdatmosphäre markiert: Der Mesosphäre. Von diesem Punkt an sind wir nicht mehr gegen kosmische und die hier wesentlich höhere UV-Strahlung geschützt. Deshalb die Eintrübung des Lifts, um uns vor einer Kontamination zu schützen.
OLYMP liegt in einer Höhe von einhundert Kilometern. Das ist noch in der Mesosphäre, gilt aber schon als das, was man als Weltraum bezeichnet. Freut euch. Nach einer alten Regel aus den Anfängen der Raumfahrt darf sich jeder, der die Höhe von einhundert Kilometern erreicht, Astronaut nennen.“
Kurzer, ungläubiger Jubel klang auf. Ich grinste verhalten. Makoto lächelte mir verstohlen zu und sah kurz zu Sakura herüber, der von allen Seiten gratuliert wurde.
„Du solltest auch froh sein, Akari“, raunte ich dem Oni an meiner Seite zu. „Du wirst der erste Dämon sein, der den Titel Astronaut tragen darf.“
„Wie hoch werden wir gehen? Wird das nicht die Götter erzürnen?“, zweifelte der Oni und legte verlegen beide Hände vor das Gesicht.
Ich grinste schmal.
Mist, in meiner aufgepropften Erinnerung gab es tatsächlich Fehler. Als ich das erste Mal in so einem Lift gestanden hatte, da hatte ich gegenüber Megumi referiert, dass sich OLYMP in der Exosphäre, befindet, also in der äußersten Atmosphäreschicht unseres Planeten, die sich bis zu siebenhundert Kilometer in die Höhe erstreckt.
Sie fing allerdings erst in vierhundert Kilometern oder etwas mehr an.
Das irritierte mich doch sehr. Was, wenn noch mehr Fehler in dieser Erinnerung steckten? Würden sie mir irgendwann zum Verhängnis werden?

„Drei Bataillone Hawk-Mechas beschützen den OLYMP, der von Direktor Eikichi Otomo geleitet wird. Ja, richtig, das ist Otomo.-kuns Vater. Und nebenbei mein und Ino-senseis Onkel. Ohne diese Familienbindung hätten wir kaum derart kurzfristig eine Besuchserlaubnis bekommen.
Ach ja, die Mechas.“ Makoto lächelte in die Runde. Die meisten Blicke trafen aber mich. Ich spürte, wie ich rot wurde. Na danke, danke, danke. Klar, es wäre irgendwann heraus gekommen, sicherlich. Aber musste Mako-kun es so offen in die Welt posaunen? Innerlich schwor ich dem hübschen Bengel bittere Rache. Ich würde ihm Zimt in den Kaffee tun. Er hasste Zimt.

Neben uns erschienen sechs Mechas. Man konnte sehr gut Lady Deaths rote Maschine erkennen. Sie umtanzte den Aufzugkanal und streckte grüßend die Hand aus, bevor sie Schub gab und zusammen mit den anderen Maschinen nach oben verschwand.
„Ein kleiner Gruß von Captain Uno“, bemerkte Makoto amüsiert. „Nebenbei, sie ist unsere zweitbeste Pilotin. Wir wüssten nicht, wie die Erde heute aussehen würde, wenn wir sie nicht in unserem Team gehabt hätten.“ Makoto schwieg für einen Moment betreten. Er hatte dem Team ebenfalls den Rücken zugekehrt, ich konnte diese Erkenntnis deutlich in seinen Augen sehen. Er hatte Megumi genauso im Stich gelassen wie ich damals. Und ihm machte es nicht weniger zu schaffen als mir.
„Warum ist Uno-chan überhaupt Mecha-Pilotin geworden?“, fragte Kei neugierig. „Ich meine, in ihrem Druckanzug sieht sie ja wirklich gut aus, aber gibt es keine Erwachsenen, die ihre Aufgabe erfüllen können? Warum muß sie seit sie vierzehn ist, gegen die Kronosianer kämpfen?“
„Das ist eine sehr gute Frage“, gab Makoto als Antwort. „Und sie hängt damit zusammen, dass die Mecha-Technologie ein Beutestück der Kronosier ist. Viele von euch werden sich nicht an die ersten Angriffe der Kronosier erinnern. Wie Bangkok bombardiert wurde. Wie New York zum Schauplatz einer riesigen Schlacht zwischen Daishis und herkömmlichen Jets wurde. Wie über Berlin der Himmel blutrot eingefärbt wurde von den vielen Explosionen.“
In Makotos Augen flackerte es auf, als die Erinnerung drohte, ihn zu übermannen. „In dieser Zeit eroberten wir einen Daishi. Einen beinahe unversehrten Daishi. Doch niemand war in der Lage, ihn zu bewegen. Nur ein einziger Junge schaffte es, diesen Daishi zu kontrollieren.
Nur durch ihn konnten wir mehr über die Daishi erfahren, die Legierungen enträtseln, die Technik entschlüsseln und nachbauen.
Dieser Junge war damals vierzehn gewesen. Seine Reflexe, seine Synchronisation mit dem Daishi war einmalig, sodass wir es von vorne herein mit jungen Menschen als Piloten versuchten. Es waren vier, mich eingeschlossen, die damals in den ersten Mechas der Menschen gegen die Kronosier antraten und sie lange genug zurück hielten, bis wir die letzten Kniffe des Daishi entschlüsselt hatten, um auch andere Piloten auf den Mechas zu schulen.
Von tausend Piloten kommt zwar heute nur einer in Frage für die schwierige Aufgabe, aber immerhin müssen wir keine Kinder mehr in die Schlacht schicken.“
„Warum dann aber Megumi?“, fragte ich. „Warum ist sie dann noch hier? Du hast gesagt, drei Bataillone verteidigen OLYMP. Reicht das nicht?“
„Nun, erstens verdanken wir ihr die Rettung der Erde, lieber Cousin. Und zweitens will sie es so. Sie will da oben stehen und die Erde verteidigen. Das können wir ihr schlecht abschlagen, oder?“
„Nein, eigentlich nicht“, sagte ich leise. Obwohl meine Erinnerungen nur aufgepropft waren, obwohl dies nur eine Konstruktwelt war, entstanden aus einem leichtfertigen Wunsch und einer übereifrigen Gottheit, fühlte ich mich schuldig. Matt und schuldig. Ich fühlte mich, als hätte ich sie im Stich gelassen. Und das schmerzte sehr.

„Wie ich schon sagte, drei Bataillone Mechas verteidigen OLYMP. Da wäre einmal das Hekatoncheiren-Bataillon, die absolute Elite unserer Streitkräfte. Die einzige Streitmacht, die ausschließlich aus den berühmten Hawk-Mechas besteht. Sie ist unsere einzige Einheit, die bereits Operationen auf dem Mars durchgeführt hat. Zu den Hekatoncheiren zu gehören ist die größte Ehre, die ein Pilot haben kann. Sie sind der Schmiedehammer, der jeden Angriff der Kronosier zerschlägt.
Die anderen beiden Bataillone sind die Titanen-Bataillone. Sie sind gemischt, bestehen teilweise aus den leichten Sparrow-Aufklärern, den Hawk-Vielseitigkeitsmaschinen und den schweren Eagle-Artilleriemechas. Sie sind primär für den Schutz des OLYMP zuständig. Und glaubt mir, wir sind uns der Ironie der Wortwahl durchaus bewusst.
Im Moment leben und arbeiten auf OLYMP fünfzigtausend Menschen, Zivilisten und Soldaten. Und von hier aus starten und landen die Fregatten und Zerstörer der YAMATO- und MIDWAY-Klasse, die unsere Abbaurouten sichern und die Mondkolonien verteidigen.
Ja, da ist eine Frage? Yamada-kun?“
Hina Yamada nahm ihre Hand wieder ab. „Sensei, wer ist denn dieser Pilot, der den ersten Daishi gesteuert hat?“
„Du meinst der Pilot, der als erster dem Daishi Bewegungen entlocken konnte? Der maßgeblich geholfen hat, die Technologie zu enträtseln? Der in diesem Daishi verhinderte, dass fünf japanische Städte vernichtet wurden? Der als die absolute Koryphäe unter den Mecha-Piloten gilt? Der Pilot, ohne den die Erde längst eine kronosische Kolonie wäre?“
Hinas Augen glänzten bei diesen Worten. Und ich bekam Angst vor der Antwort.
Makoto lächelte verschmitzt. „Das… ist ein Geheimnis.“
Ein enttäuschtes Aufraunen ging durch die Menge. Ich krachte entsetzt und erleichtert auf meinen Allerwertesten. Dieser Makoto. Ich würde ihm nicht nur Zimt in den Kaffee tun, ich würde ihn auch zwingen, alles zu trinken.

Mein Cousin sah auf seine Uhr. „Eine Minute. Wenn Ihr nach oben seht, könnt Ihr bereits den OLYMP sehen. Im Moment bauen wir an einem zweiten Liftsystem mit den beiden Plattformen ARTEMIS und APOLLO, was unsere Verteidigung endlich nahezu perfekt machen wird. Aber bis dahin ist OLYMP unsere einzige Verteidigung.“
Die Schüler sahen hoch und erkannten die schnell größer werdende Plattform von OLYMP. Wieder ging ein Raunen durch die Menge.
„Die Plattform ist dreihundert Meter stark und misst drei Kilometer im Rund. Die gesamte Oberseite ist als Werft aufgebaut und versorgt in diesem Moment die Fregatte TSUKIHIME.
Es ist Tradition, Schiffe der YAMATO-Klasse japanisch und Zerstörer der MIDWAY-Klasse englisch zu benennen.
Und herzlichen Glückwunsch, wir haben soeben eine Höhe von einhundert Kilometern überwunden, was bedeutet, Ihr alle dürft ab sofort den Titel Astronaut führen. Wenn Ihr es lieber mögt, könnt Ihr euch auch Taikonaut oder Kosmonaut nennen.“
Die letzten Worte gingen bereits im Jubel meiner Mitschüler unter. So ausgelassen erlebte ich diese Bande nur selten.

Leise trat ich zu Makoto. „Du hast doch hoffentlich alles arrangiert? Ich meine, dies ist seit Jahren dein erster Tag, Mako-kun, aber du hast auf dem OLYMP hoffentlich dafür gesorgt, dass ich nicht auffliege, ja?“
Makoto lächelte breit. „Aber selbstverständlich, lieber Cousin. Selbstverständlich. Ich habe mich um alles gekümmert.“
„Irgendwie macht mir diese Formulierung Sorgen“, brummte ich.
Augenblicke darauf dockten wir in der Unterseite des OLYMP an. Zischend öffnete sich der Weltraumlift und bot uns freien Zugang zur Unteren Verladehalle.
Makoto setzte sich an die Spitze. „Wenn Ihr mir bitte folgen würdet. Ich bringe euch zuerst in die hiesige Lounge über dem Mecha-Hangar. Captain Uno hat eine Übung vorbereiten lassen, zusammen mit ihrer Kompanie, der Briareos. Danach erwartet uns ein Mittagstisch in der Kantine und ich führe euch noch ein wenig umher.“
Als Makoto den Lift verließ, gellte ein scharfes Achtung! Auf und die anwesenden Soldaten und Techniker nahmen Haltung an. Ich setzte mich an die Spitze zu meinem Cousin. „Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass sie wegen einem gewissen Major salutieren.“
„Da hast du wohl Recht, Colonel Otomo. Aber solange du neben mir gehst, haben wir eine schöne Ausrede, oder?“, erwiderte er lächelnd.
„Ich dachte, du hast dich um alles gekümmert?“, beschwerte ich mich. Und dieser Gedanke bereitete mir plötzlich Angst.
**
Eine halbe Stunde später brodelte es in der Lounge nur so. Die Schüler hatten sich vor den großen Monitoren versammelt, die Einzelheiten des Manövers zeigten, welches die Briareos-Kompanie für uns veranstaltete. Die Manöver dabei waren hervorragend und ich spürte mehr als nur ein bisschen Stolz, dass man mir ohne zu zögern das Kommando über die Hekatoncheiren gegeben hatte. Ja, dies waren wirklich die Besten.
„Go for it, Megumi-chan!“, rief Kei Takahara aufgeregt und reckte den rechten Arm in die Luft. Begeisterte Zwischenrufe bestätigten ihn.
Ich schmunzelte leicht. Wenigstens einen Punkt hatte dieser Ausflug erreicht. In dem simulierten Gefecht gegen angreifende Daishis wurde sehr genau gezeigt, was Megumi hier oben eigentlich tat. Und wie es aussah, steigerte es ihre Beliebtheit enorm. Gut für sie.
„Sieht so aus, als hättest du dein Ziel erreicht, Sakura-chan“, brummte ich amüsiert.
Die Lehrerin warf mir einen gespielt bösen Blick zu. „Sensei heißt das.“
„Jawohl. Sensei-chan.“
„Vorsicht“, erwiderte sie amüsiert und drohte mir mit dem Zeigefinger. „Treib es nicht auf die Spitze, sonst lege ich dich übers Knie.“
„Das wäre es beinahe wert“, konterte ich grinsend.

Sakura setzte zu einer Antwort an, doch meine Aufmerksamkeit war von einem Moment zum anderen von etwas anderem gefesselt. Aus den Augenwinkeln hatte ich etwas auf Monitor drei gesehen. Sniper hatte geschossen, aber nicht getroffen. Dennoch waren seine Raketen irgendwo eingeschlagen. Alarmiert sah ich zu Makoto herüber.
Der nickte und zog einen Kommunikator hervor. „Vielleicht war es nur ein Asteroid oder ein besonders dichtes Staubfeld“, murmelte er in meine Richtung, während die Meldung aus der Zentrale ankam.
Plötzlich gellten die Alarmsirenen der Station auf. Erschrocken sah ich auf, wollte im Reflex los laufen und meinen Mecha bemannen. Aber ich war als Schüler hier.
„Ärger, Akira“, sagte Makoto und rannte an mir vorbei. „Ein getarntes Schiff! Wir brechen die Übung ab.“
Unter uns auf dem Hangardeck liefen die Soldaten und Techniker im organisierten Chaos durcheinander. Mechas wurden von ihren Stellplätzen zu den Boarding Bays gefahren, wo gerade die ersten Piloten ankamen.
Es juckte mir in den Fingern, in Blue Lightning zu steigen.
Die Schüler raunten erschrocken auf. „Ruhig bleiben!“, rief ich über das Stimmengewirr hinweg. „Wir werden angegriffen. Aber es droht keine unmittelbare Gefahr. Hier sind wir erst mal sicher.“
Entsetzt bemerkte ich, dass sich vor allem die Lehrer bei meinen Worten beruhigten. Sie hatten viel größere Panik empfunden als ihre Schüler. Na, bis auf Sakura, die mit der Ruhe eines Sergeants ihre Schäfchen dirigierte.

Ein getarntes Schiff. Es konnte sich bestenfalls um eine FOXTROTT-Korvette handeln. Die Kronosier hatten es bis jetzt nicht geschafft, größere Objekte unter dem Tarnfeld zu verbergen. Es verschlang einfach zuviel Energie. Dachte ich.
Bis ich auf einem Monitor sah, wie Megumi mit ihren fünf Begleitern einen scharfen Angriff auf das getarnte Schiff flog, feuerte, und das Tarnfeld für einige Augenblicke flackerte. Zur Antwort stießen Laserimpulse als Flakfeuer aus dem Nichts auf, welche die agilen Hawks geschickt umtanzten.
Ich lief zum nächsten internen Kommunikator. „Otomo hier. Zentrale, habt Ihr das registriert?“
„Zivilisten ist der Kontakt zur Zentrale strengstens verboten“, erhielt ich zur Antwort.
„COLONEL Otomo hier“, raunte ich zornig. „Habt Ihr registriert, dass das getarnte Schiff wahrscheinlich ein ZULU ist?“
Die ZULU-Klasse. Die Schlachtschiffe der Kronosier. Riesig. Gefährlich. Tödlich.
„Entschuldigen Sie, Colonel, ich habe Sie nicht erkannt. Ein ZULU? Aber das ist unmöglich.“
„Benachrichtigen Sie sofort Major Ino, er soll die Aufzeichnungen checken!“
„Das… Ist wohl nicht mehr nötig, Sir.“
Irritiert wollte ich nachhaken, hörte aber meine Mitschüler erschrocken aufraunen. Ich wandte mich wieder den Monitoren zu und schwieg entsetzt. Das Schiff hatte das Tarnfeld abgeschaltet. Und es lud die riesige Hauptwaffe. Es war wirklich ein ZULU.
Megumi und die anderen hatten das auch erkannt und flogen einen Angriff gegen das Heck des Schiffes, indem sich die Energieversorgung des dreihundert Meter großen Giganten befand. Flakfeuer und Raketensalven wollten sie abhalten und erwischten auch einen Hawk, aber nicht Lady Death. Was ihr zu nahe kam, wischte sie mit ihrer Artemis-Lanze beiseite, während sie der Schiffsoberfläche entgegen fiel.
Der beschädigte Hawk zog sich zurück, was ich erleichtert registrierte.

Megumi hatte ihr Ziel fast erreicht, als das dunkle All rund um sie aufzuglühen schien. Gleich drei Daishi Alpha stiegen von der Oberfläche auf und nahmen sie unter Beschuss.
Lady Death wurde mehrfach schwer getroffen. Aber sie hielt den Kurs.
Unten im Hangar schleusten gerade die restlichen Einheiten der Hekatoncheiren aus. Nur Blue Thunder stand noch bereit und schien zu warten. Auf mich.
„Zieh dich zurück, Megumi!“, rief eine Stimme, die ich als die von Sniper erkannte. Irgendjemand hatte die Lounge mit der Kommunikation verbunden.
„Negativ. Ich bin fast durch!“ Ein Alpha verging, als sie die Artemisklinge über ihn hinweg zog. Die anderen beiden ignorierte sie und trieb ihre Waffe tief in die Außenhülle des Schiffs. Es gab eine mächtige Explosion, die Lady Death ins All hinaus wirbelte. Megumi!
„CAPTAIN UNO!“
Das Irrlichtern der Hauptwaffe des ZULU erlosch. Aber nur für den Moment. Megumis waghalsiger Angriff hatte Erfolg gehabt, aber nur Zeit erkauft.
Verzweifelung wühlte in meinen Eingeweiden. Verdammt. Verdammt. VERDAMMT!
Wütend wandte ich mich um und passierte das von zwei Soldaten bewachte Schott. Ich angelte mir einen Kommunikator von einem der Soldaten und begann im laufen zu sprechen.
„Akira! Was hast du vor?“ „Akira-kun. Das ist gefährlich!“ „Akira-san!“
Ich ignorierte die Stimmen meiner Kameraden und Freunde. Jetzt war nicht die Zeit zum reden. Es war Zeit zum Handeln.

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„Otomo hier. Ich greife ein. Bereitet Blue Lightning vor.“
„Verstanden, Colonel“, erklang die Antwort. „Standardbewaffnung mit zwei Herkules-Schwertern. Wünschen Sie Änderungen?“
„Ich wünsche einen verdammt schnellen Abflug“, schimpfte ich und schälte mich im laufen aus meiner Schuluniform. Durch diese Aktion erntete ich mehr als einen verwunderten Blick, während ich aus der Lounge heraus Richtung Hangar hastete.
Für einen Moment lief ein Techniker neben mir, ein älterer Mann mit grau melierten Schläfen der mir merkwürdig vertraut vorkam, und reichte mir meinen blauen Druckanzug. Es bereitete mir einige Mühe ihn anzuziehen, während ich dennoch versuchte, weiterhin voran zu kommen.
Aber irgendwie schaffte ich es.
„Lady Death ist wieder im Geschehen!“, rief jemand, als ich den Hangar erreichte. Jemand warf mir meinen Helm zu, und ich beeilte mich, in meinen Hawk zu kommen.
„Morgen, Blue“, sagte ich, während ein Techniker mich fest schnallte.
„Guten Morgen, Colonel. Das gesamte Hekatoncheiren-Bataillon ist bereits ausgeschleust und wird auf Ihr Kommando hören.“
„Gut zu wissen, Blue. Dann machen wir mal, dass wir rauskommen“, kommentierte ich leise.
„Colonel, ich messe eine Energie neben Ihnen an, die einem höher geordneten Spektrum zuzurechnen ist. Sie ist ungeheuer energiereich. Sollen wir den Start unterbinden?“
Energie? Höhere Ordnung? „Akari…“
Neben mir enthüllte sich mein Oni. „Verzeihung, Akira-sama, aber die Sache sah so spannend aus, ich wollte dabei sein.“
Resignierend schüttelte ich den Kopf. „Ignorieren, Blue. Wir gehen so schnell es geht raus. Versiegeln. Und dann ab.“
„Verstanden, Colonel.“
Ich sah den Oni vorwurfsvoll an. „Akari…“
„Verzeihung, Akira-sama. Aber du weißt doch, ich habe zu meinen Lebzeiten die Samurai sehr verehrt, und die Piloten dieser Mechas erinnern mich so stark an sie. Mein Leben lang habe ich mir gewünscht, sie zu begleiten oder einer von ihnen sein zu dürfen…
Sie sind auch etwas so Besonderes. Nicht einfach nur Soldaten, sondern Anführer, Lehrmeister. Vorbilder. Samurai waren für die einfachen Soldaten, die Bushi, Vater und Mutter, Onkel und Tante. Ein guter Samurai drillte seine Bushi im Kriegshandwerk, aber er vernachlässigte auch ihre anderen Talente nicht. Kalligraphie. Malerei. Gedichte, Haikus.
Zur Vollendung des Bushido gehörte der Ausgleich, die Kombination der tödlichen Lektionen mit denen aus dem Leben. Ich denke, diese Mecha-Piloten kommen den Samurai recht nahe.“
Ich verstand Akaris kleinen Monolog. Sie versuchte mir nicht nur deutlich zu machen, warum sie mich begleitete. Sie bettelte darum, in meinem Mecha bleiben zu dürfen.
„Meinetwegen, Akari“, brummte ich. „Meinetwegen bleib hier und sieh zu. Aber störe mich nicht.“
Vor Entzücken schlug der Oni die Hände vor dem Gesicht zusammen. „Jaaa. Danke, Meister!“
„Colonel, unterhalten Sie sich mit dem Energiefeld?“, erklang die Computerstimme meines Mechas.
„Ignorieren, Blue, oder ich lasse deine nächsten Wartungstermine aussetzen“, sagte ich und ließ den Hawk abheben und auf die Schleuse zurasen.
„Ich habe nichts aufgezeichnet“, verkündete der Bordcomputer. Wie mir schien eine Spur zu hastig.

Sofort warf ich mich ins Geschehen. Der ZULU hatte sich im Schutz des Tarnfeldes anschleichen wollen, war dementsprechend nicht sehr schnell gewesen. Auch jetzt schob er sich nur mit langsam anwachsender Beschleunigung auf OLYMP zu. Ich wich einem Stakkato aus Laserflak aus und warf Blue auf die Unterseite des Schlachtschiffs.
Noch war der Feind über zwei Minuten vom OLYMP entfernt, hatte aber optimale Feuerreichweite schon länger erreicht. Ohne Megumi, das machte ich mir klar, wären wir alle verloren gewesen.
Aber falls wir es schafften den Giganten am feuern zu hindern, so konnte er die Plattform immer noch rammen. Und das gefiel mir gar nicht.

„Lightning hier, Bericht.“ „Dandy hier, Kompanie Gyes. Sir, wir befinden uns im Nahkampf mit einer vollen Division Daishis aller drei Klassen. Durch das Flakfeuer des ZULU sind wir aber klar im Nachteil.“
„Grey Wolf hier, Kompanie Kottos“, erklang eine neue Stimme. Ein aufflammendes Datenfenster informierte mich darüber, es hier mit einem italienischen Captain namens Antani zu tun zu haben, der kurz nach meinem Ausscheiden zu den Hekatoncheiren gekommen war. „Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, Sir, aber ich glaube, notfalls rammt das Biest die Plattform, wenn wir nicht bald was unternehmen. Außerdem glaube ich nicht, dass die Hauptwaffe nicht mehr feuerbereit ist.“
„Das glaube ich auch nicht“, zischte ich wütend. „Gyes, Kottos, versucht die Daishi zu binden und zu vernichten. Macht den Weg frei für die großen Geschütze des OLYMP. Sie dürften jede Sekunde aufgeladen sein. Und versucht ein paar Daishi so weit aus dem Deckschatten des ZULU heraus zu ziehen, damit die Titanen mit ihren Eagles ein paar saubere Schüsse platzieren können!“
„Wir haben das Kampfgebiet erreicht, Colonel“, meldete der Mecha.
„Verstanden, Sir“, klangen Dandys und Grey Wolfs Stimmen auf.
„Briareos sammelt sich bei mir. Lady Death, du hast da einen wirklich tollen Stunt hingelegt. Vielleicht kriegen wir das noch mal hin, bevor die Waffe erneut aufgeladen wird.“
Vor mir tauchte ein rot lackierter Hawk auf, der sich mit einem Gamma balgte.
„Geht schlecht ohne Waffen“, erklang ihre Antwort. Megumis Stimme klang erschöpft, aber sie schien ansonsten in Ordnung zu sein.
Ich warf das linke Herkules-Schwert. Es flog sich mehrfach überschlagend die vierhundert Meter bis zu Megumi und schlug in den Daishi Gamma ein. Die Wucht des Hiebes zerteilte den Kronosier-Mecha in zwei Hälften.
Lady Death streckte eine Hand aus und der Griff des Schwertes landete genau auf den robotischen Handballen. „Danke“, sagte Megumi leise.
Ich grinste dünn. „Gern geschehen. Briareos, vom Gegner lösen und zu mir aufschließen.“
Wieder wich ich Flakfeuer aus und zerteilte eine Rakete, die auf mich abgefeuert worden war.
Das Herkules-Schwert in den Händen von Lady Death begann aufzuleuchten. Kurz darauf trat eine Art Überschlagsblitz von der Spitze aus und vernichtete einen vorwitzigen Alpha, der sich mit einem Briareos-Hawk gebalgt hatte.
Natürlich, diese Funktion hatten die Klingen ja auch noch. Sie konnten externe Energie speichern und dann Ziel gerichtet oder expansiv freigeben. Wie konnte ich das nur vergessen?

„OLYMP, hier OLYMP. Die Hauptwaffen sind feuerbereit. Ich wiederhole, die Hauptwaffen sind feuerbereit. Hekatoncheiren, räumen Sie die nähere Umgebung des ZULU!“
„Ihr habt es gehört. Raus aus der Schussbahn und geht nicht zu nahe an den Schlachtkreuzer heran. Briareos, bei mir halten. Wenn es nicht klappt oder nicht ausreicht, müssen wir ran.“
Bestätigende Rufe antworteten mir.
„OLYMP feuert!“, gellte eine aufgeregte Stimme im Funk auf. Unwillkürlich sah ich zur Plattform zurück, die nun gute zwanzig Kilometer entfernt war. Doch statt der typischen, hochverdichteten Partikelstrahlen, die von den Kanonen direkt in den ZULU fahren sollten, sah ich die roten Blüten von schweren Explosionen.
Ich keuchte entsetzt auf. Was war passiert?
„OLYMP, hier OLYMP. Unsere Hauptwaffen haben sich überladen und sind explodiert. Sabotage wird nicht ausgeschlossen. Die Schäden sind aber minimal. Kein Vakuumeinbruch und keine Toten. Aber Ihr seid jetzt auf euch gestellt, Hekatoncheiren. OLYMP aus.“
Verdammt, das war ja klar. Konnte die Sache nicht einfach beendet werden? Nein, natürlich nicht.
„Die Hauptwaffe lädt wieder auf!“, gellte der entsetzte Schrei von Dandy über den Funk.
„Das ist zu schnell, viel zu schnell! Wo nimmt er die Energie her?“, rief ich entsetzt und trieb Blue Lightning auf den ZULU zu. Spielerisch wischte ich zwei angreifende Betas beiseite, wusste aber, dass es nicht reichen würde. Ich würde zu spät kommen. Schlimmer noch, selbst wenn ich den ZULU rechtzeitig erreichte, wollte ich das ganze fette Ding etwa alleine auf einen Streich erledigen?
Die Schirme von OLYMP waren stark. Aber auch stark genug gegen einen Beschuss aus allernächster Nähe?
„Die Daishis gehen in die Offensive! Kottos gerät in Bedrängnis. Ich gehe ihnen helfen!“, rief Dandy über Funk.
„Gut, nimm Dynamite und Lawyer mit“, lenkte ich ein.
„Dann sind wir mit Ausfällen nur noch acht“, wandte Megumi ein. Denkst du das reicht?“
„Es wird vollkommen egal sein, wenn die Schirme vom OLYMP nicht halten, Megumi“, flüsterte ich böse.

Ich raste heran, die übrigen sieben Hawks von Briareos im Schlepp, aber noch immer trennten mich wichtige tausend Meter vom riesigen Schiff, als die Hauptwaffe erneut feuerte.
Entsetzt schloss ich die Augen. Meine Freunde! Meine Schulkameraden! Ich hatte sie nicht beschützen können! Wofür saß ich in diesem Mecha, wenn mir nicht einmal das gelang?
Ich wirbelte den Mecha herum und bekam die Auswirkungen einer mächtigen Explosion mit. Die Schirme von OLYMP wurden bis an ihre Belastung beansprucht, hielten aber.
„Das ist…“, hauchte ich und wischte einen attackierenden Alpha mit einer nebensächlichen Bewegung beiseite, „vollkommen unmöglich.“
„Die TSUKIHIME hat sich geopfert“, erklang Megumis Stimme. „Ich habe gesehen, wie sie sich aus den Dockanlagen freigekämpft hat. Erst dachte ich, sie wollte von der Explosion des OLYMP fort kommen, dann hat ihr Skipper sie aber direkt in die Schussbahn gebracht.“
Ich schluckte hart. Was für ein Opfermut. Die Soldaten an Bord der Fregatte mussten gewusst haben, dass dies ihren Tod bedeutete. Aber war ihnen dieser Tod angemessen erschienen, im Anbetracht des Verlustes der Plattform und der fünfzigtausend Menschen, die auf ihr arbeiteten?
„Lasst…“, sagte ich, verhaspelte mich und schluckte hart, „lasst ihr Opfer nicht vergebens gewesen sein. Wir müssen es schaffen! Wir…“
gerade noch rechtzeitig riss ich die Herkules-Klinge vor mich, um einen Energiestrahl abzuwehren. Doch dieser hatte es in sich. Er wurde reflektiert und bremste ab.
Konnte konzentriertes Licht so etwas?
Ein Entsetzensschrei ließ mich einen Blick auf die Aufstellung werfen. Falke war ausgestiegen, sein Mecha zerstört.
In diesem Augenblick griff der Energiestrahl erneut an, mit Ziel auf die Leibesmitte meines Mechas.
„Das ist keine normale Energie!“, rief Akari neben mir. Ihr Gesicht war verzerrt vor Konzentration. Zwei weitere Zeichen der Briareos-Mechas erloschen und ich schluckte hart bei dem Gedanken, dass sie nicht hatten aussteigen können.
„Das ist – Akira-sama! Das ist Magie!“
Magie? „Was redest du da, Akari? Was für eine Magie?“
„Akira-sama, es ist eine Art Erdmagie! Eine Grundform für das Übernatürliche! Eine Art Substanz, die existiert, weil es Onis wie mich gibt! Und dem Feind ist es gelungen, sie an diese Waffe zu binden!“
„Wie bekämpfe ich sie?“, verlangte ich zu wissen.
„Wie hast du mich besiegt?“, erwiderte Akari. „Du musst dein Schwert mit deinem KI aufladen!“
„Akira!“, gellte Megumis Stimme auf. Auch sie hatte mit einem solchen Energiestrahl zu kämpfen und wich ihm sowie einem Daishi Gamma einigermaßen aus. „Die Hauptwaffe lädt wieder auf!“
Unmöglich, hämmerte es in meinen Gedanken. Vollkommen unmöglich! Alleine die Anwesenheit eines Tarnfeldes war ein Unding. Für Einheiten die größer als Korvetten waren reichte ihre Energie nicht und kleinere Einheiten konnten die Tarnfeldgeneratoren weder transportieren noch mit Energie versorgen. Was hatte dieser verdammte ZULU, was all die anderen kronosischen Schiffe nicht hatten? Magie?
„Nein, Kumpel, diesmal nicht!“, blaffte ich wütend auf. Meine Miene verzerrte sich vor Wut und Hass, aber in meinem Innern, in den Tiefen meiner Seele war ich die Ruhe selbst. Es schien mit, als hockte ich vor Futabe-sensei und lauschte seinen Erklärungen über das KI.
Ruhe bewahren, nichts erzwingen. Das KI fließen lassen. Seine Macht spüren. Es behutsam formen und langsam nach dem Willen beugen…
„Das Schwert, Akira-sama“, hauchte Akari ergriffen.
Ich sah kurz zur Seite und erkannte, dass die Herkules-Klinge grellweiß aufleuchtete. „Ich weiß“, erwiderte ich und zwinkerte dem Oni zu.
In diesem Moment wagte der Lichtblitz einen weiteren Angriff – und ich wich ihm aus, zog die Klinge hoch und schnitt mitten durch ihn hindurch.
Akari zuckte erschrocken zusammen.
„Akari, alles in Ordnung?“, rief ich.
„Ja, Akira-sama, aber da war eben dieser Schrei. Dieser Schrei, als würde eine gemarterte Seele sterben…“
Das würde zu den Kronosiern passen. Andere missbrauchen, um ihre Ziele zu erreichen.

Kurz überblickte ich die Lage und erkannte, dass diese merkwürdigen Lichtblitze nur bei der Briareos-Kompanie waren. Genau gesagt waren es noch zwei. Einen zerteilte ich, als ich Joker passierte. Der letzte hatte sich mit Megumi angelegt.
„Megumi! Warte, ich helfe dir!“
„IDIOT!“, bellte sie wütend. „Greif den ZULU an! Verhindere, dass er noch mal schießt! Sollen denn alle umsonst gestorben sein?“
Einen Moment hielt ich inne, sah Lady Death ihren tödlichen Reigen mit der Energie tanzen.
Dann warf ich Blue tiefer hinab. „Ich pfeif drauf, Megumi!“
„Ich aber nicht! AKIRA!“
Ein kleiner Monitor flammte auf und zeigte ihr zorniges Gesicht. „Du bist der einzige, der OLYMP jetzt noch retten kann! Ich komme schon klar. Nun mach schon, oder ich rede nie wieder ein Wort mit dir!“
Frustriert schlug ich gegen die nächste Konsole und stieg wieder auf. Dabei hatte ich das Gefühl, ein wirklich mieses Geschäft gemacht zu haben und Megumi nie wieder etwas zu mir sagen zu hören.
Ich zog Blue hoch, direkt vor den ZULU, direkt vor die Kanonenmündung. Was für Optionen blieben mir? Kottos und Gyes hielten sich gut, waren aber nicht in der Lage, Briareos Entsatz zu schicken, geschweige denn mir zu helfen. Und so wie es aussah, würde auch ich nicht lange ohne Gesellschaft bleiben. Vier Daishis stiegen auf – und Blue identifizierte sie als Deltas. Eine Kopfmission, entschied ich. Eine Kopfmission um mich, Akira Otomo zu töten.
„Megumi“, flüsterte ich, „bleib gefälligst am Leben…“
Mit einem Aufschrei warf ich Blue in Richtung der Hauptwaffe, wohl wissend, dass die Deltas diese Bewegung mitmachen und mich von verschiedenen Seiten angreifen würden.

Doch von einem Moment zum anderen befand ich mich in einer anderen Welt. Verwundert sah ich mich um. Ich schwebte mitten im Nichts, in einem Nichts, dass hellrot glitterte und blinkte.
Ich sah an mir herab und registrierte verwundert, dass ich eine hellblaue Uniform mit einem weiten weißen Cape trug. Was wurde hier gespielt? Mischte sich die Gottheit ein, die dieses Universum für mich geschaffen hatte?
„Akira-san“, erklang eine Stimme aus der Ferne.
Ich drehte mich ihr zu und sah ein junges Mädchen näher kommen. Es trug ein Trikot mit blauem Rock. Die brandroten Haare fielen wie eine Flut auf ihre Schultern herab. Es lächelte sanft, als es neben mich trat. „Akira-san, es wird Zeit, dass wir reden.“
„Blue Slayer“, stellte ich fest. Mein Gegenüber nickte.
„Wo sind wir hier? Und warum sind wir hier? Ich meine, ich stecke gerade in einer Schlacht!“
„Habe keine Angst um deine Kameraden, Akira-san. An diesem Ort vergeht die Zeit anders als im normalen Universum. Wir haben nicht alle Zeit der Welt, aber sicher ein paar Minuten, bevor alles wieder seinen Gang gehen muß.“
Blue Slayer fasste sich ein Herz. „Akira-san, weshalb ich mit dir reden muss ist…“
„Moment, du wirst mir hier doch jetzt nicht etwa eine Geschichte erzählen so von wegen wir beide sind die Wiedergeburten eines prinzlichen Liebespaares, welches früh starb, ohne wirklich zusammen zu finden und nun wiedergeboren wird, um die alte Liebe endlich zu erfüllen?“
Blue Slayer sah mich an und begann zu lachen. „Du liest zu viele Mangas, Akira-san. Nein, worüber wir reden müssen ist: Vertraust du mir?“
„Ich weiß nicht. Warum muß ich das?“, fragte ich.
Blue Slayer sah mich traurig an. „Ich bin vielleicht nicht die Wiedergeburt einer antiken Prinzessin, die dich unsterblich liebt, Akira-san. Aber wahr ist, dass ich ohne dich nicht hier sein würde. Du hast etwas Großes für mich getan. Und ich muß es dir wieder geben. Darum musst du mir vertrauen.“
„Das überzeugt mich irgendwie nicht“, brummte ich. Wie viele Minuten würde diese Welt bestehen? Wann konnte ich zurück?
„Akira-san. Du, vielmehr der Gedanke an dich, hat mir das Leben gerettet.“ Blue Slayer trat näher an mich heran, sah zu mir hoch. Sie lächelte sanft. „Du weißt, was ich und Black Slayer und Orange Slayer zusammen tun?“
„Ihr vernichtet Youmas. Genauer gesagt modifizierte Youmas, die Menschen befallen können“, erwiderte ich. Warum kam sie mir eigentlich so nahe?
„Ja, aber nicht nur. Wir vernichten auch böse Onis und andere gefährliche Wesen. Doch wie es dazu kam, das ist… Jedenfalls sind diese Youmas, die Menschen übernehmen und verwandeln nicht normal. Sie sind… künstlich erschaffen worden.“ Blue Slayer atmete tief ein. „Und ich war ihr erstes Opfer.“

Erschrocken starrte ich das rothaarige Mädchen an. „Erzähl weiter, Blue Slayer.“
„Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich wurde auf offener Straße entführt und als ich wieder aufwachte, tat ich dies in einem Labor. Alles war in Dunkelheit gehüllt, nur eine Sache leuchtete. Und das war der Youma.“
Sie senkte den Blick. Tränen flossen ihr Gesicht hinab und tropften auf meine Schuhe. „Ich weiß noch, wie der Youma auf mich zujagte, wie er in meine Brust eintrat. Wie er in mir wühlte. Wie er mich übernahm, mein Ich zurück drängte. Wie mein Körper sich zu verformen begann. Wie ich mich ergab, das Vergessen, das Ende des Schmerzes, den Tod suchte und herbeisehnte. Der Youma füllte mich aus, pervertierte meine Seele und marterte meinen Verstand. Ich spürte, wie ich wuchs, wie mich Kraft durcheilte, große Kraft, aber auch Maßlosigkeit, endloser Zorn und ein Gedanke. Lebensenergie sammeln.
Ich ergab mich. Verlor mich immer mehr zwischen mir selbst und dem Youma. Beides verschmolz, war fast schon eins, als mir ein Bild im Geiste erschien.“
Blue Slayer sah auf. Ein schüchternes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich sah dich, Akira-san. Ich sah dich, wie du tapfer darum kämpftest in dein Leben zurück zu kehren. Wie du stolz an deinen Erfolgen arbeitetest, niemals zu fein warst um Hilfe anzunehmen und mit eisernem Willen Schritt für Schritt wieder du selbst wurdest.
Ich sah dich, wie du dir zurück genommen hast, was man dir raubte.
Und ich dachte: Was wird Akira-san von dir denken, wenn du dich so einfach besiegen lässt? Wie kann er, der so schreckliches erlebt und erfahren hat, dir jemals wieder ins Gesicht sehen, wenn du dich schon bei so einer Kleinigkeit aufgibst?“
Blue Slayer grinste schief. „Okay, ich habe mich da wohl etwas selbst belogen, aber es hat funktioniert. Ich war schon fast erloschen, doch ich begann zu kämpfen. Ich begann mich selbst zu retten. Schritt für Schritt, Gedanke für Gedanke.
Und ich siegte.
Doch das war noch nicht alles. Denn mit der Erkenntnis, was geschehen war und dass ich diese Peinigung überstanden hatte, wuchs in mir der Wunsch, dass niemand, wirklich niemand diesen Schmerz ertragen sollte.
Die Macht, die ich gespürt hatte, als der Youma mich angegriffen hatte, sie war noch da. Als ich ihn besiegt hatte, hatte ich auch seine Kraft an mich gerissen.
Und dies war der Moment, in dem Blue Slayer geboren wurde. Dank dir, Akira-san. Dank deines leuchtenden Vorbildes. Weil du so stark warst, war ich es auch. Und seither folge ich meinem selbst gestellten Auftrag. Und dies werde ich, bis ich sterbe oder endgültig siege.
Kannst du mich nun besser verstehen, Akira-san? Vertraust du mir jetzt?“
Ein Name lag mir auf der Zunge, aber ich sprach ihn nicht aus. „Gut. Blue Slayer, ich vertraue dir. Ich vertraue dir. Was kann ich tun?“

Für einen Moment wirkte es, als wolle Blue Slayer mich küssen wollen, doch dann sah sie zur Seite. „Akari!“, rief sie.
Mein Oni erschien links von mir und verbeugte sich tief. „Slayer-sama.“
„Wie du weißt, Akira-san, ist dieser Schlachtkreuzer der ZULU-Klasse in der Lage, seine Hauptwaffe sehr viel schneller aufzuladen als jeder andere seiner Art. Er kann sogar ein Tarnfeld etablieren, obwohl er viel zu groß dafür ist.
Hast du dich gefragt wie das geht?“
„Magie“, antwortete ich.
Blue Slayer nickte. „Eine besondere Magie. Erinnerst du dich, was ein übernommener Mensch tut, nachdem ein Youma ihn befallen hat?“
„Er sammelt Lebensenergie?“, argwöhnte ich.
„Ja. Eine spirituelle Kraft, die aus dem KI entsteht. Ich glaube… Ich weiß, dass das kronosische Schiff gespickt ist mit dieser Energie. Wie und wodurch weiß ich nicht, aber ich bin sicher, dass dieses Schiff mit Hilfe der Lebensenergie diese eigentlich unmöglichen Dinge vollbringt.“ Blue sah zur Seite. „Akari, deine Hand.“
Der Oni verbeugte sich erneut und ergriff dann vorsichtig die Hand der Youma Slayerin.
Vor meinen Augen verschwand mein Oni in einem Lichtblitz.
Kurz darauf erschien Akari wieder. Nur trug sie diesmal eine ähnliche Uniform wie Blue Slayer.
Die nickte. „Ich ahnte es. Du hast die gleiche Energie und den gleichen Willen wie ich, wie Black und wie Orange. Du bist White Slayer.“
Ich zwinkerte. Tatsächlich, sie trug einen weißen Rock.
„Viel zu kurz“, beschwerte sich Akari und versuchte, den Rock tiefer zu ziehen.
„Das ist nicht der Punkt!“, blaffte Blue Slayer wütend. „Akari. Der Gegner attackiert uns mit einer Mischung aus Lebensenergie und Technik. Und genau da werden wir ansetzen. Black und Orange sind bereit. Ich bilde mit ihnen ein Dreieck, welches unsere Energien fokussiert. Wir geben sie an dich weiter, White Slayer. Und du kombinierst sie mit Akira-sans Waffe.
Wir haben nur diesen einen Versuch.“
„Ja“, sagte ich ernst. „Ich vertraue dir, Blue Slayer.“ Und diesmal meinte ich es so.
„Ich finde es trotzdem zu kurz“, beschwerte sich Akari, verstummte aber nach Blue Slayers bösem Blick.
„Viel Glück, Blue Slayer“, sagte ich leise und nicke dem Mädchen zu.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen sanften Kuss. Irgendwie kam der mir bekannt vor. „Viel Glück, Akira-san. Bitte stirb nicht.“
Von einem Moment zum anderen verschwamm meine Umgebung…

Ich blinzelte erschrocken und wich dem Hieb einer Lanze aus, die eindeutig nach dem Vorbild unserer Artemis-Lanze entworfen worden war, aber nicht an ihr Potential heran kam. Neben mir im Cockpit schwebte Akari. Sie trug die Slayer-Uniform. Neben meinen brennenden Lippen der sichtbarste Beweis, dass diese Begegnung wirklich passiert war.
„Also dann, werden wir die Deltas los und greifen wir an!“, rief ich und stellte mich den vier Angreifern.
Plötzlich waren es nur noch drei. Kurz darauf zwei.
Die anderen beiden spritzten auseinander. „Zu langsam!“, rief eine wütende Stimme. Eine weitere Explosion markierte das Ende vom vorletzten Delta.
Kurz darauf verging auch Nummer vier.
Ein wilder Freudenschrei kam über die Funkverbindung.
„Bist du in Ordnung, Akira?“, rief Makoto.
Ich checkte meine Anzeigen und erkannte einen Eagle, der stetig näher kam.
„Mako-kun? Aber… Hast du nicht gesagt, du würdest nie wieder eine Waffe abfeuern wollen?“, erwiderte ich.
„Ich steuere das Ding ja auch nur“, erklärte Makoto. „Schießen tut der Typ hinter mir. Eagles sind Zweisitzer, schon vergessen?“
Vor mir entstanden mehrere Explosionen, die von einem erneuten Jubelschrei kommentiert wurden.
„Yoshi?“, rief ich ungläubig. „Yoshi?“
„Na, einer muß dir ja den Weg frei ballern, oder? Und jetzt mach den Pott fertig! Makoto und ich geben dir Deckung!“, rief Yoshi.
„Es war seine Idee“, entschuldigte sich mein Cousin. „Aber wie du siehst, eine gute…“

Ich lachte leise. Es tat so gut, Freunde zu haben.
„Wollen wir, Akari?“
Der Oni lächelte mich an. „Wir wollen, Meister.“
Ich fixierte den ZULU und beschleunigte meinen Hawk auf volle Leistung. „NA DANN LOS!“
Neben, über und unter mir explodierten weitere Mechas, die von den schweren Geschützen des Eagles getroffen worden waren, während ich dem ZULU näher und näher kam. Flakfeuer setzte ein, aber Blue Lightning tanzte es aus.
Neben mir begann Akari zu schweben. Weißes Licht umgab sie und machte es zur Qual, in ihre Richtung zu sehen.
„Energieentfaltung auf dem OLYMP! Ungewöhnliche Energiewerte! Etwas geschieht!“, hörte ich über Funk. Die drei Slayer hielten ihr Versprechen.
Ich beschleunigte noch weiter und zog den Hawk nach unten, um den ZULU hier zu passieren.
Akari streckte die Hände aus und entließ einen Strom aus reinem weißem Licht, das sich um den rechten Arm meines Mechas und dann um das Herkules-Schwert sammelte.
Ein zorniger Schrei kam aus meiner Kehle. Für einen Moment, für einen winzigen Moment verstand ich die Besatzung der Tsukihime und war bereit, dasselbe zu tun.

Das Schwert glühte auf und wuchs auf das hundertfache an Länge. Dann war ich unter dem Rumpf des Schlachtschiffs und schlug die blanke Klinge in den Stahl, während ich erneut beschleunigte. Über mir glaubte ich das Brummen der fast feuerbereiten Hauptwaffe zu hören, während sich der Mecha mit gewaltiger Anstrengung gen Rumpf arbeitete.
„Hekatoncheiren, Schlachtfeld sofort räumen!“, blaffte ich, als ich die Hälfte des Schiffes regelrecht halbiert hatte. Wenn dieses Mistding sich dreimal aufladen konnte, hatte es vielleicht auch Kraft für ein viertes Mal. Und dann sollte besser kein Mecha mehr in der Nähe sein!
Ich erreichte das Heck, durchschlug es und riss Blue nach unten, sechs, sieben Kilometer in die Tiefe, nur um Distanz zwischen mir und dem ZULU aufzubauen.
Neben mir sank Akari vollkommen erschöpft im Cockpit zusammen. „Ha-haben wir es geschafft, Meister?“, hauchte sie.
Über mir zuckten Überschlagsblitze über die Hülle des ZULU und verkündeten den Anfang vom Ende. „Ja“, antwortete ich.
Der Angreifer verging in einem sonnenhellen Feuerball.

Erleichtert wollte ich aufatmen, als eine Anzeige auf meinem Bildschirm zu flackern begann. Sie bezog sich auf die Hekatoncheiren, genauer gesagt auf die Briareos-Kompanie. Einer der Mechas stürzte in die Erdatmosphäre hinab. Grund genug für mich, sofort zu helfen. War der Pilot bewusstlos, würde es ein Sturz in den Tod werden.
Doch ein zweiter Blick belehrte mich darüber, wer abstürzte! Megumi!
Trümmerstücke des ZULU zogen an mir vorbei und trafen Schulter und Rumpf von Blue, aber das war mir egal. Wichtig war jetzt nur eines! „MEGUMI!“

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Lady Death taumelte dem Erdboden entgegen. Die Reibung der dichter werdenden Luftschicht ließ es so erscheinen, als würde der Mecha lichterloh brennen.
„Blue“, rief ich mit Panik in der Stimme, „versuche den Bordcomputer von Lady Death zu erreichen! Er soll versuchen, das taumeln um alle drei Achsen zu beenden!“
Der Sturz, dieser Absturz hatte rein gar nichts mit dem kontrollierten Sturz zu tun, den Megumi und ich mit unseren Mechas Richtung Titanen-Station vollführt hatten, um Lonne aufzuhalten. Damals waren mir in einem sehr steilen Winkel eingetaucht und hatten die Hawks so gedreht, dass sie kaum Angriffsfläche boten. Die Reibungshitze hatte zudem auf dem Kopf und den Schulterschilden gelastet, die am besten gepanzert waren. Lady Death aber fiel in einem relativ flachen Winkel hinab, was nicht nur die Belastung erhöhte. Es erschwerte mir die Verfolgung, weil ich die gleiche Last auf mich nehmen musste.
„Negativ, Colonel. Lady Death rebootet sich gerade selbst, nachdem die Reparatursequenzen abgeschlossen waren“, meldete Blue.
„Wie lange bis zur Vernichtung des Hawk, Blue?“, fragte ich ernst.
„Colonel, diese Berechnung ist schwierig. Ich…“
„WIE LANGE!“
„Lady Death und Captain Uno werden in drei Minuten verglühen“, erwiderte die Roboterstimme noch tonloser als sonst.
Verzweifelt schloss ich die Augen. „Wie schnell können wir sie erreichen?“
„Wir werden fast zweieinhalb Minuten brauchen. Aber ich rate davon ab, Sir. Wenn Lady Death verglüht, wird die Energiezelle kollabieren. Wir können in diesem Bereich der Atmosphäre kaum manövrieren und eine Explosion in direkter Umgebung würde uns auch vernichten.“
Ich ignorierte die Warnungen des Computers und hielt meinen Kurs. Ich wagte es nicht zu beschleunigen, weil ich die Reibungshitze nicht erhöhen wollte. Außerdem befürchtete ich, aus dem Kurs getragen zu werden und den Kontakt zu Megumi zu verlieren.
„Zwei Minuten bis Kontakt“, meldete Blue leise. Es klang resignierend.
Akari sah zu mir herüber. „Meister. Soll ich hinüber gehen und versuchen, Megumi-sama zu wecken?“
Ich schüttelte den Kopf. „Du wärst nicht schnell genug.“
Ein Arm löste sich von Lady Death. Er stand lichterloh in Flammen. Ich wagte nur einen kurzen Seitenschub, um den zwei Tonnen Stahl auszuweichen. Mehr hätte mich nur unnötig fort getragen. „Das war knapp“, kommentierte ich ernst.
„Anderthalb Minuten!“
Und damit zu etwas länger, bis Lady Death verglühte. Einzelne Panzerkacheln begannen sich zu lösen und auf meinen Mecha einzuhämmern. Die Schulterschilde hielten, verloren aber einiges an Substanz. Der Mechakopf mit den Sensoren wurde mehrfach schwer getroffen. Zum Glück fielen die Sensoren aber nicht aus, was in dieser Hitzehölle mit einem Missionsabbruch gleichzusetzen war.
„Eine Minute!“
„Was kann ich tun, Meister?“, rief Akari aufgeregt.
„Hoffen, Akari“, erwiderte ich und konzentrierte mich darauf, den rechten Arm des Hawk nach vorne zu bringen und die Hand auszustrecken.
„Dreißig Sekunden!“
Megumis Mecha kam nun schnell näher. Ich wagte kaum zu reagieren, als sich ein Bein unterhalb des Knies löste und an meinem Cockpit vorbei sauste. Zum Glück weit genug entfernt, um keine Schäden anzurichten.
„Zehn, neun, acht, sieben, sechs…“
Die Hand des Mechas fuhr auf, ich versuchte etwas, irgend etwas zu finden, wonach ich greifen konnte. Woran ich Megumi festhalten konnte!
„Fünf, vier, drei, zwei, eins, null!“

Ich hatte Lady Death erreicht und Blue griff nach einem Vorsprung auf ihrem Rücken.
Eiskaltes Entsetzen griff nach mir, als ich sah, wie die Hand ins Leere glitt.
„Abbrechen, Colonel! Der Hawk wird gleich explodieren!“, gellte Blues Warnung auf.
Kurz dachte ich daran, dass Megumi genau jetzt sagen würde, dass einer von uns überleben musste und es keinerlei Sinn machte, dass wir beide starben.
Es war so traurig. Sie war noch jung, hatte so viel freie Zeit dem Schutz der Erde geopfert. Und nun starb sie für die Erde. Weil ich nicht hatte richtig zugreifen können.
Nein. Nein! NEIN!
„ICH LASS DICH NICHT GEHEN!“, schrie ich wütend und trieb den Hawk ein letztes Mal vor, während Blue einen anderen Countdown herunter zählte. Den bis zur Explosion von Lady Death. „Fünf, vier, drei…“
Anstatt nach etwas vom Mecha zu greifen umschlang ich ihn nun mit beiden Armen meiner Maschine, beendete damit die Taumelbewegung und drehte mich so, dass der breite Rücken von Blue als Hitzeschild fungierte. Mühsam bewegte ich die Beine in Fallrichtung, um die schweren Manöverdüsen zünden zu können.
„Countdown steht bei drei“, meldete Blue. „Temperatur im Reaktor von Lady Death fällt leicht.“
Ich sah auf meinen Anzeigen, wie meine eigene Temperatur sprunghaft in die Höhe schnellte. Meine Düsen feuerten und reduzierten Stundenkilometer um Stundenkilometer unsere Fallgeschwindigkeit.
Schweiß vor Hitze und Anstrengung trat mir auf die Stirn. Wir waren zu schwer um alleine mit meinen Düsen wieder in den Orbit zu kommen. Aber ohne die Steuerdüsen von Lady Death war ein kontrollierter Fall auch unmöglich. Geschweige denn von den Beschädigungen am Hawk, die etliches an Reibungshitze durchlassen würden. Eigentlich war meine Lage schlicht und einfach verzweifelt.
„Ich lass dich nicht gehen“, murmelte ich trotzig. „Ich lass dich nicht gehen!“

„Lady Death ist wieder on!“, meldete Blue und ich glaubte Erleichterung in seiner Stimme hören zu können.
Beinahe sofort richtete der rotlackierte Mecha das verbliebene Mechbein aus und feuerte beide Steuerdüsen ab. Auf diese Weise reduzierten wir nach und nach unseren Fall relativ zur Erde auf Null, bis wir schwerelos in dreißig Kilometern Höhe schwebten.
Erleichtert ließ ich mich in meiner Liege zurück sinken. „Blue. Wir wollen langsam wieder aufsteigen. Setze Kurs auf OLYMP, geh dabei aber so vorsichtig wie möglich vor. Was sagen die internen Sensoren über Megumi?“
„Captain Uno ist bewusstlos. Aber anscheinend unverletzt.“
Die Erleichterung schlug über mir zusammen wie eine extra große Welle über einen Surfer am Strand von Hawaii. Ich hatte es geschafft. Ich hatte es geschafft.
„Du hattest Recht, Akira-sama“, sagte Akari und lächelte mich an.
„Was meinst du?“, fragte ich verwirrt.
„Du hast Megumi-sama wirklich nicht gehen lassen. Hoffentlich weiß sie das zu würdigen.“
Ich grinste schief. „Das ist meine letzte Sorge heute. Blue, rauf mit uns.“

3.
Als Blue Lightning im Hangar des OLYMP wieder aufsetzte und sich der Energievorhang hinter uns schloss, manövrierte ich meinen Mecha zur Andockstation. Lady Death wurde von Kontrollsystem übernommen und an den Andockplatz neben mir dirigiert.
Ich konnte kaum die Zeit abwarten, bis mein Cockpit entsiegelt wurde.
Kaum das sich die Luke öffnete, schoss ich hinaus und rannte auf den Nebensteg.
Techniker und Soldaten der Hekatoncheiren strömten herbei.
Ich untersuchte die Cockpitluke oberflächlich. „Wir brauchen was zum aufbrechen! Die Hitze hat den Falz verschweißt!“, rief ich.
Einer der Techniker brachte einen Schweißbrenner mit und machte sich sofort an die Arbeit.
„Bericht“, raunte ich, ohne den Blick vom Geschehen zu lassen.
Dandy trat neben mich. Auch er sah mit brennenden Augen auf Lady Death. „Kottos hatte drei Totalverluste und fünf Teilbeschädigungen. Ganz ohne Schäden ist keiner davon gekommen. Keine Toten, aber fünf Verletzte, einer davon schwer.
Gyes hat zwei Totalverluste, sieben Teilbeschädigungen. Ein Toter, Hawkeye. Fünf Verletzte, davon keiner schwer. Briareos hatte drei Totalverluste. Mit Lady Death neun Teilbeschädigungen. Zwei Tote, Pale Rider und Dynamo. Acht Verletzte, drei davon schwer, ohne Captain Uno einzurechnen.“
„Weiter“, forderte ich.
„Wir haben mit Hilfe der Titanen die restlichen Mechas vernichtet oder ausgeschaltet. Wir haben siebenundachtzig Gefangene gemacht und fast hundert Tote geborgen.
Der ZULU wurde total vernichtet. Es gab keine Rettungsboote, keine Überlebenden. Aber in der australischen Wüste und im indischen Ostozean regnet es gerade Trümmer. Ein Teil trifft auch die malayischen Inseln. Es könnte schlimmer sein. Leider können wir deshalb niemals herausfinden, wieso dieser ZULU so kampfstark war.“
„Ich habe da so eine Idee, Dandy“, knurrte ich wütend.
„Das war es. Das Ding ist auf!“
Noch vor den Sanitätern drängte ich mich ins Cockpit. Dandy hielt den Mediziner, der protestieren wollte, zurück. „Ihr Bordcomputer meldete stabile Lebenszeichen. Lassen Sie ihn vor.“

Als ich hinein sah, hielt ich inne. Sie schlief. Und das mit einem seligen Lächeln, wie ich es selten zuvor gesehen hatte. „Megumi“, sagte ich leise. „Megumi, geht es dir gut?“
Die junge Frau rollte sich auf der Liege herum. Wachte sie auf? Ich ging näher an sie heran.
„Megumi? Bist du in Ordnung?“
Ich spürte, wie sich ein Arm um meinen Nacken legte. Mit unwiderstehlicher Gewalt zog sie mich zu sich heran und drückte mich gegen ihren Busen. Hoffentlich sah jetzt niemand ins Cockpit, ging es mir durch den Kopf.
Dann schlug sie die Augen auf. Innerlich erstarrte ich. In dieser Haltung, von ihr fest an sich gedrückt, zudem an ihre Brust, rechnete ich mir keine große Überlebenschance aus.
Ich sah an ihr hoch. Unsere Blicke trafen sich.
Sie lächelte. „Gefällt es dir da unten?“, fragte sie.
Ich wollte antworten, irgendetwas sagen, sie widerlegen, sie bestätigen. Egal was.
Stattdessen legte sie ihr Kinn auf meinen Kopf und umarmte ihn noch etwas fester. „Du hast mich gerettet. Ich weiß, du hast mich gerettet. Danke, Akira.“
Langsam löste sie ihren Griff und ich hob meinen Kopf auf ihre Augenhöhe. „Ich… Ich habe OLYMP nicht dafür geopfert“, rechtfertigte ich mich vorsichtshalber. „Ich habe erst den ZULU vernichtet und habe dich dann erst gerettet.“
„Ich weiß. Nachdem mit dieser tanzende Waffenstrahl getroffen hat, bin ich gefallen. Nur gefallen, unendlich tief. Lady Death taumelte um alle Achsen, aber ich hatte keine Angst. Ich wusste, du würdest deine Aufgabe erfüllen. Und du würdest mich retten.“
Ich schwieg verblüfft. „Megumi?“, fragte ich und kam ihrem Gesicht ganz nahe.
Sie wurde rot. „Kannst du laufen, Megumi?“
„Ich… Ich weiß nicht.“
Kurzerhand löste ich das Sammelschloss ihres Gurtes, griff zu und hob sie auf meine Arme. „Heyyy!“, protestierte sie, ließ es aber geschehen.
Mit meiner kostbaren Last manövrierte ich mich vorsichtig wieder hinaus. „Es geht ihr gut!“, rief ich laut aus und löste einen spontanen Applaus der Hekatoncheiren und der Techniker aus.
Mit Megumi auf den Armen trat ich auf die Rampe hinaus. Für ein paar Sekunden genoss ich die Kulisse, den Applaus, die Pfiffe, die begeisterten Gesichter.
„Akira, du Halunke!“, rief Yoshi und trat auf uns zu. „Du hast mir ja gar nicht gesagt, wie geil es ist, in so einem Ding zu sitzen. Das war klasse. Kann ich einsteigen?“
Er musterte mich einen Moment und grinste breit. „Ist sie schwer verwundet oder gefällt dir die Situation einfach nur, hm?“
Für einen Augenblick verlor ich die Fassung und hätte beinahe den Griff um Megumi gelockert. Beinahe. Stattdessen erwiderte ich: „Nun, mir gefällt die Situation.“
Langsam ließ ich meine Freundin aus Kindertagen herab. „Trotzdem muss ich dich irgendwann wieder auf die eigenen Füße lassen.“
Vorsichtig setzte Megumi auf, belastete ihre Gelenke und nickte. Ich ließ sie ganz los. Sie stand zwar etwas wacklig da, aber es ging.
„Die Hekatoncheiren bitte zur Routineuntersuchung“, erklang eine Lautsprecherdurchsage. „Die Hekatoncheiren bitte zur Routineuntersuchung.“
Ich seufzte schwer. Bisher war ich immer drum rum gekommen, entweder indem ich mit meinem Mecha direkt auf die Erde gestürzt war oder irgendeine wichtige Besprechung vorgeschoben hatte. „Wenn ich mir meine Schuluniform wieder anziehe und heimlich in die Lounge zurück kehre…“
„Nichts da!“ Megumi griff nach dem Kragen meines Anzugs und zog mich hinter sich her. „Wenn das volle Bataillon untersucht wird, dann du auch mein Herr Colonel.“
Ich ergab mich in mein Schicksal. Aber mit der freien Hand schnappte ich nach Yoshi. „Du auch, Kumpel.“
„Was hab ich denn damit zu tun? Ich bin Zivilist! Makoto, Hilfe!“
„Die medizinische muß sein, Yoshi, tut mir leid“, sagte mein Cousin, der gerade aus seinem angedockten Eagle kletterte. „Da muß eigentlich jeder durch. Warte, ich komme mit.“
„Muss das wirklich sein?“, fragte Yoshi verzweifelt.
„Ja, willst du wirklich aufgrund einer internen Verletzung in den nächsten Tagen sterben, obwohl eine winzig kleine Untersuchung kurz nach der Schlacht genau das verhindert hätte?“, tadelte ich grinsend.
„Das sagt der Richtige, mein lieber Herr Colonel“, tadelte Megumi.
Ach ja, ich hasste die Untersuchung ja auch.

Yoshi und ich wurden bevorzugt als erste behandelt. Man hatte sogar unsere Schuluniformen für uns eingesammelt, damit wir uns gleich umziehen konnten.
„Und?“, fragte Yoshi, als wir uns im Wartezimmer wieder trafen.
„Was, und?“ „Und wie geht es jetzt weiter? Ich meine, dein heldenhafter Stunt inklusive der Rettung von Megumi wird von über sechzig Schülern unseres Jahrgangs kaum unbemerkt geblieben sein. Mal ganz davon abgesehen, dass die Attacke des ZULU kaum zu übersehen gewesen war.“
Ich runzelte die Stirn. „Soweit habe ich noch gar nicht gedacht. Ich bin immer noch im Ich helfe Megumi und rette den OLYMP-Modus.“
„Hm. Na, dann mach dich mal auf ein Hallo gefasst“, sagte Yoshi grinsend. „Mich hat ja Makoto da raus geholt und gesagt, ich soll in die Zentrale kommen. Und unseren Abflug und unsere Ankunft haben wir in der Lounge ausgeblendet. Aber du, mein lieber Akira…
Wollen wir auf Megumi warten oder bringen wir es hinter uns?“
Für einen Moment war ich unentschlossen. Dann resignierte ich erneut. „Bringen wir es hinter uns.“

Als wir nebeneinander die Lounge betraten, verstummte das wahrhaft babylonische Stimmgewirr. Alle, ich schwöre, alle sahen uns an. Und schwiegen.
Irritiert blieben ich und Yoshi stehen. Nur sehr zögerlich setzten wir uns wieder in Bewegung.
„Akira!“, rief Kei aufgeregt und lief auf uns zu. „Wie war es in der Zentrale bei deinem Vater? Hattest du einen guten Platz? Hast du gesehen wie die Kanonen explodiert sind? Und warum hast du nur Yoshi nachgeholt und deine armen Freunde hier vergessen?“
Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Konnte das wahr sein?
„Typisch. Nur weil sein Vater den Laden hier schmeißt…“, sagte jemand aus der Menge.
„Würdest du doch genau so machen“, konterte eine zweite Stimme.
Die hatten wirklich nichts gemerkt. Die hatten absolut nicht mitgekriegt, was ich getan habe.
„Akira, Mann, hast du das gesehen, wie dieser Hawk Blue Lightning in den Kampf eingegriffen hat? Was der alles drauf hatte, unglaublich. Zusammen mit Megumi hat der eine Show abgezogen. Und später erst zusammen mit diesem Eagle. Aber was rede ich da, du hast das aus der Zentrale ja viel besser mitgekriegt als ich.“
Yoshi räusperte sich neben mir. „Dieser Eagle. Der hat doch wirklich super exakt geschossen, nicht?“
Ich versetzte dem Freund einen leichten Stoß in die Rippen, was der mit einem Grinsen beantwortete.
„Na, na, na“, rief Sakura-sensei und trat neben mich. „Nun seid mal nicht so neidisch, weil dieser Bengel hier seine Beziehungen ausgenutzt hat, um von der Zentrale besser sehen zu können, wie Menschen für unsere Verteidigung sterben. Sicher wäre er lieber der Pilot des blauen Hawk gewesen, der Uno-chan gerettet hat, oder?“
Sie nahm mich in einen liebevollen, aber knallharten Schwitzkasten.
„Urgs!“
„Übrigens, gute Arbeit da draußen. Du hast echt nichts verlernt“, raunte sie mir zu, bevor sie mich wieder fahren ließ.
Sie sah die anderen acht Lehrer und die Schüler an. „So, eine Zeitlang wird sicher noch roter Alarm herrschen, aber danach können wir die Tour hoffentlich Zuende führen.“

„Leider nicht“, erklang die Stimme von Makoto vom Eingang her.
Er sah in die Runde. Megumi, die in Uniform neben ihm stand, sah ausdruckslos auf ihre Jahrgangskameraden.
„Wir hatten bei diesem Angriff Verluste. Fünfzehn Crewmen und Offiziere der TSUKIHIME sind gefallen, um uns zu beschützen. Dazu kommen drei tote Piloten bei den Hekatoncheiren. Von den Beschädigungen am OLYMP ganz zu schweigen. Captain Uno und ich sind gekommen, um euch mitzuteilen, dass wir den Rundgang abbrechen müssen. Alleine schon um die Opfer zu würdigen.“
Leises Raunen klang auf. Es hatte einen durchwegs eher verständnisvollen Ton.
Innerlich atmete ich auf. Wenigstens hatten wir das hinter uns gebracht.
„Aber Direktor Otomo hat versprochen, dass wir die Tour am Ende des Monats erneut ansetzen“, verkündete Makoto.
Ich unterdrückte das dringende Bedürfnis, mir eine Hand vor die Stirn zu schlagen. Nicht von vorne. Bitte nicht die ganze Geschichte noch mal.
„Au ja“, sagte Akari, die für die anderen unsichtbar neben mir schwebte mit verzücktem Gesicht. „Noch mal die Samurais.“
„Akari“, raunte ich leise, „der Rock ist wirklich kurz.“
Ich lachte leise, als sich der Oni erschrak und feststellte, dass er noch immer die Slayer-Uniform trug. Ich sah kurz zu Megumi herüber, die meinen Blick mit einem Nicken bestätigte. Es war egal, was passieren würde. Ich würde mich dem Geschehen stellen. Und zusammen mit meinen Freunden würde ich es bewältigen. Daran hatte ich keine Zweifel.
Nie wieder.

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Anime Evolution
Episode fünf

1.
Ich wachte aus meinem unruhigen Schlaf auf, als eine sanfte Stimme meinen Namen rief.
Einerseits war ich sehr dankbar dafür; kaleidoskopartige Traumbilder hatten meinen Schlaf zu einer Achterbahnfahrt gemacht, in der ich mich beinahe selbst verloren hätte.
Andererseits war eine Frauenstimme in meinem Zimmer zu dieser Nachtstunde nicht unbedingt das, was eine ideale Ablösung gewesen wäre.
„Akira-sama“, erklang die Stimme wieder.
Ich öffnete ein Auge. Neben meinem Bett kniete Akari und verbeugte sich leicht. „Akira-sama. Du hast einen Gast.“
Mit einem Schlag war ich wach. Ich richtete mich in meinem Bett auf, ließ meinen Blick durch den dunklen Raum gleiten und schloss die Augen geblendet wieder, als das Licht urplötzlich angeschaltet wurde.
Nur zögerlich öffnete ich die Augen erneut und gab ihnen Gelegenheit, sich an das grelle Licht zu gewöhnen.
Neben der Tür stand Eikichi Otomo, Oberbefehlshaber der UEMF, der United Earth Mecha Force, Oberkommandierender der Geleitschutzflotte, Haupteigner von Tsuki Mining, einer von nur drei Minengesellschaften, die auf dem Mond tätig waren und außerdem mein Vater.
Zumindest soweit es meine Erinnerung anging, die ich in dieser Traumwelt hatte.
Vater lächelte zu mir herab. Er war etwas größer als ich, breiter in der Schulter. Sein Kurzhaarschnitt gab ihm etwas militärisches, obwohl er selbst keinen militärischen Rang bekleidete. Und der Kinnbart ließ ihn irgendwie jünger erscheinen als er war.
„Eikichi“, brummte ich ärgerlich.
„Vater heißt das, mein Sohn“, kam die ruhige, sonore Antwort. Er sah sich im Zimmer um.
„Du hast umbauen lassen? Die Papierwände wurden fast alle entfernt.“
Ich nickte leicht. „Ja. Ich habe die meisten Zwischenwände rausnehmen lassen und stattdessen richtige Zwischenwände gezogen. Sakura bestand darauf. Sie fühlte sich nicht sicher, wenn alles was die Jungs machen müssen, um die Mädchen zu beobachten, ein Loch ins Papier zu stoßen.“
Eikichi Otomo klopfte gegen die nächste Wand. „Und das alles, ohne mich zu fragen. Holz?“
„Regips. Wann sollte ich dich denn fragen? Und warum überhaupt? Du warst seit Jahren nicht mehr hier“, beschwerte ich mich.
„Aber jetzt bin ich da. Und ich sehe, dass du einige schlechte Angewohnheiten übernommen hast. Erst die Wände und dann das Familienkatana. Warum liegt es neben dir im Bett?“
Ich lächelte dünn. „Weil ein Krieger seine Waffe immer bei sich tragen sollte.“
„Ach so. Du siehst dich jetzt also schon als Krieger. Nimmst du es auch mit in die Schule?“, spottete Eikichi.
„Bin ich als Mechapilot etwa kein Krieger?“, beschwerte ich mich.
„Erwischt“, sagte Vater und schmunzelte. Er griff in die Außentasche seines schwarzen Geschäftsanzuges und zog etwas hervor, was er mir zuwarf.
Ich fing es auf. „Was ist das?“
„Ein Orden. Dein wievielter? Ich glaube der fünfte oder sechste. Eigentlich wollte die United Earth eine richtig große Sache draus machen, so mit Fernsehansprache und Parade.
Aber angesichts deines Verhaltens habe ich das abgesagt.“
„Dann hast du tatsächlich mal Rücksicht auf mich genommen? Irgendwie kann ich das nicht glauben.“
Eikichi kam näher stellte sich direkt neben mein Bett. Er betrachtete den Oni, der in demutsvoller Haltung neben meinem Bett kniete.
„Hier hat sich einiges verändert. Du hast dich verändert. Du hast einen Oni in deine Dienste aufgenommen. Das erklärt einige der Daten, die wir bei der Zerstörung des ZULU erhalten haben. Deine Besessenheit für das Katana, es hängt damit zusammen, richtig?“
„Wenn du alles weißt, warum fragst du dann? Gibt es da nicht eine Plattform mit fünfzigtausend Soldaten, die du leiten solltest?“, erwiderte ich ärgerlich.
„Die Plattform, die Soldaten, die Versorgung der Erde mit Helium 3 und die Verteidigung der gesamten Menschheit, Akira“, tadelte Eikichi leise.
Ich sah fort. „Kommt jetzt wieder die Ich bin ein hochbeschäftigter Mann-Platte?“
Vater setzte sich neben mich auf das Bett. „Junge. Ich gebe zu, ich habe mich die letzten Jahre überhaupt nicht um dich gekümmert. Ich wollte einfach nicht, dass du glaubst, dass ich dich wieder in einen Mecha stecken will…“
„Tolle Ausrede, alter Mann“, erwiderte ich bissig und sah ihn wieder an.
„Das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit, Akira“, gestand er leise. „Es hat mehrere Gründe. Ich wusste, irgendwann würdest du wieder in einen Mecha klettern, ohne Frage. Alleine schon, weil Uno-kun da oben täglich ihr Leben riskiert. Aber das hatte Zeit. So habe ich zumindest gedacht.
Es konnte ja niemand wissen, dass die Kronosier binnen von zwei Wochen gleich zwei supermassive Angriffe starten würden.“
„Du musst es wissen. Mit dem OLYMP steht und fällt die Erde“, erwiderte ich trotzig.
Kurz sah es so aus, als wollte sich Eikichi rechtfertigen. Aber dann sah er zu Boden und nickte traurig. „Ja, ich hätte es wissen müssen. Ja, ich hätte dich viel früher zwingen sollen, in einen Mecha zu steigen, weil du der Beste bist. Ja, auf meinen Schultern ruht eine riesige Last. Eine Last, bei der du eifrig mittragen darfst, selbst wenn du nicht in einem Cockpit steckst.“
„Das hast du gut erkannt, alter Mann.“
Eikichi sah wieder zu mir herüber. „Ich habe Fehler gemacht. Ich war arrogant, trotzig und selbst verliebt. Allerdings hatte ich auch jeden Grund dazu. Mein Herr Sohn hat mich vielleicht in die Lage versetzt, Titanen-Station und OLYMP zu bauen. Aber mein Talent war es, das sie erschaffen und beschützt hat. Ich war es. Nicht du. Und während dir gestattet wurde, in deinem Schneckenhaus zu bleiben und deine Wunden zu lecken, war ich es, der die Menschheit weiter verteidigt hat. Ich und Uno-kun, die trotz deines kläglichen Abgangs weiter blieb und immer wieder ihr Leben riskiert hat!“
Ich erstarrte. Mein Inneres fühlte sich an, als würde eine eiskalte Hand wahllos über meine Eingeweide streichen.
Vater sah verlegen fort. „Tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Ich weiß, du machst dir Vorwürfe, weil du nicht früher zurückgekehrt bist.
Aber Uno-kun hat die Hoffnung nie aufgegeben. Es verging kein Tag, an dem sie nicht gesagt hat, dass du den nächsten wieder bereit bist, mit ihr auf den OLYMP zurück zu kehren.
Aber es ging halt nicht früher. Du warst noch nicht soweit. Und wenn ich drüber nachdenke, bist du es eigentlich immer noch nicht.“
„Es ist fies von dir, Megumi ins Spiel zu bringen“, zischte ich wütend.
Akari erhob sich aus ihrer Position. „Meister, soll ich…?“
Ich gebot ihr mit einer Hand Einhalt.
„Du hast deinen Oni gut dressiert, wie ich sehe. Sogar gut genug, dass er einen Menschen angreifen würde?“
„Nur jene die meinen Herrn attackieren“, warf Akari vorlaut ein.
„So, so.“ Eikichi lächelte. „Das muß deine Besonderheit sein, Akira. Als du gehen musstest, hat auch Makoto den Mut verloren.
Aber kaum warst du wieder da, da ist er wieder in einen Mecha gestiegen. Zusammen mit Futabe-senseis Enkel bietet er ein tolles Gespann. Und deswegen bin ich eigentlich hier.“
Vater sah wieder zu Boden. „Verzeih, dass ich erst jetzt damit herausrücke, Akira. Aber ich wollte… Die Gelegenheit nutzen, um seit langer Zeit wieder mit dir zu reden, bevor ich meine Forderungen stelle. Ich weiß, du hast nach der schlimmen Sache noch nicht deine volle Erinnerung zurück. Und ich verlange viel von dir. Vielleicht zu viel. Aber die Kronosier werden wieder aktiver. Und das, was du in den letzten drei Jahren erreicht hast, wird reichen müssen…“
„Vater“, sagte ich leise.
Eikichi sah auf. „Du hast mich doch nicht eben wirklich Vater genannt?“
„Weil du tatsächlich mit mir geredet hast“, bestätigte ich. „Ich habe schon vor einiger Zeit eine wichtige Entscheidung getroffen. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die ich beschützen möchte. Beschützen muß. Und damit ich dies kann, werde ich wieder öfter in einen Hawk steigen. Nicht so oft, wie du es gerne hättest, aber oft genug. Zu viele meiner Pflichten sind hier auf der Erde. Rechne mit mir, aber nimm mir nicht meine ganze Zeit.“
Vater senkte den Kopf. „Ich werde tun, was ich kann. Aber das Komitee hat…“
Das Komitee? Die Dachorganisation für die Gesamtverteidigung der Erde? Der größte Schmerz im Arsch seit der Zusammenführung von Frauen und Telefonen?
„Was haben die Bürohengste diesmal ausgeheckt?“
Eikichi seufzte tief. „Ihnen hat deine Performance bei der Vernichtung des ZULU sehr gut gefallen. Und auch die Leistung von Makoto und Yoshi hat sie begeistert. Sie wollen euch fünf haben. Für eine spezielle Einheit.“
„Momomomomoment. Uns fünf? Klar, du meinst mich und Megumi, dazu Mako-kun. Aber was bitte hat Yoshi damit zu tun? Und wer ist Nummer fünf?“, fragte ich aufgebracht.
„Nummer fünf ist meine Idee. Lilian, nein, Lonne ist eine hervorragende Pilotin. Eine wirklich hervorragende Pilotin. Wir können nicht auf sie verzichten. Das Komitee weiß nichts von ihrer Herkunft, aber ich habe ihnen einen Bericht über phänomenale Testergebnisse untergeschoben. Und Yoshi wird wieder zu Makoto ins Cockpit steigen. Das macht fünf, oder?“
„Ja. Das macht fünf“, erwiderte ich wütend. Ich hatte keine Zweifel daran, dass Lilian für mich in einen Erdmecha steigen würde. Absolut keinen. Und das bedrückte mich. Ich würde sie ausnutzen. Und das machte mich nicht wirklich besser als die Kronosier, die ihr eine Bombe auf den Rücken geschnallt hatten, damit sie die Titanen-Station vernichtete, während sie im Glauben gelassen wurde, sie würde lediglich Scans vornehmen.
„Ihr werdet dafür aus den Hekatoncheiren ausgegliedert. Ihr bildet das Pantheon.
Das Komitee hat beschlossen, auf der fast fertigen ARTEMIS-Plattform drei Kreuzer auf Rumpf zu legen. Die BISMARCK-Klasse soll so schnell wie möglich gefertigt werden.
Seit heute Morgen arbeiten die Werften weltweit daran, Teile für die BISMARCK-Klasse vorzufertigen, um die Arbeiten voran zu treiben.“
„BISMARCK-Klasse? Wie viel haben die Deutschen gezahlt, damit die Kreuzer diesen Namen bekommen?“, fragte ich leicht belustigt.
„Gar nichts. Sie verfügen nur über die meisten freien Kapazitäten der Schwerindustrie, die für dieses Projekt benötigt werden. Man… hielt es für klug, ihnen Honig um den Bart zu schmieren. Jedenfalls wird der erste Kreuzer in einem halben Jahr zum Testflug bereit sein.
Die drei Kreuzer tragen die Namen BISMARCK, HINDENBURG und GRAF SPEE.“
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Drei Kreuzer. Es geht also los.“
Eikichi nickte schwer. „Ja. Mit ihnen und einem Kontingent aus zwanzig Begleitschiffen werden wir ein zweites Mal versuchen, den Mars anzugreifen. Du und deine Freunde werden als Speerspitze die Attacke anführen. Die Hekatoncheiren werden euch wahrscheinlich begleiten. Falls die Kreuzer nicht mit eigenen Kontingenten an Mechas ausgerüstet werden.“
Eikichi erhob sich wieder. „Du weißt Bescheid. Damit ist meine Aufgabe erfüllt. Es kann sein, dass ich dich im Zuge der Vorbereitungen weit öfter einsetze als dir lieb ist. Aber gerade du solltest wissen, wie immens wichtig ein Angriff auf die Kronosier auf dem Mars ist. Und wie schwierig es ist.“
Ich wusste, das sollte mir etwas sagen. Aber mein aufgeprägtes Wissen lieferte mir keinerlei Informationen. Wütend schüttelte ich den Kopf. Wann schenkte mir endlich jemand reinen Wein ein? „Es wird schon gehen.“
„Es… Es freut mich, dass du die Sache bereits so gut verdaut hast, Akira.“ Vater ging zur Tür und löschte das Licht. „Schlaf jetzt weiter, mein Sohn. Ich kehre zum OLYMP zurück. Und rede mit Lonne und Yoshi…“
Die Tür glitt zu. Verdammt, der alte Mann verstand es nach wie vor, mich nicht nur tief in die Scheiße zu reiten. Nein, er hatte auch noch ein Riesentalent dazu, mir die wirklich unangenehmen Aufträge zuzuschustern.
„Akari?“ „Meister?“ „Du kannst dich ebenfalls wieder schlafen legen.“
„Aber Akira-sama, ich schlafe doch nie“, erwiderte der Oni.
„Hä? Und was machst du die ganze Nacht?“, fragte ich erstaunt.
„Nun, ich mag es, dir beim schlafen zuzusehen, Akira-sama. Es hat so etwas Beruhigendes auf mich.“ Der Oni lächelte sanft, und mein anfangs aufbrausender Zorn wurde beinahe sofort wieder gestillt. „Wenn auch nichts im Fernsehen läuft“, erklärte ich burschikos und zog die Decke bis zu meinem Kinn. „Gute Nacht, Akari.“
„Gute Nacht, Meister.“

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2.
Ich weiß nicht, ob der alte Mann, der in dieser Welt mein Vater sein sollte, eine beruhigende Wirkung hatte, oder ob es der Gedanke war, dass Akari auf mich achtete, den Rest der Nacht schlief ich erstaunlich gut und ruhig.
Ich erwachte lange vor meiner Zeit, nur um Akari dabei zu erwischen, dass sie neben meinem Bett hockte und meine Manga-Sammlung durcharbeitete.
Wie ich es vermutete, hatte sie es dabei vor allem auf meine Shojos abgesehen.
„Oh, Akira-sama. Es ist noch viel zu früh. Du hast noch über eine halbe Stunde Zeit, bevor du aufstehen musst.“
Ich winkte ab. „Dann nutze ich diese Zeit eben. Wolltest du jetzt wirklich mich im Schlaf betrachten oder hattest du es von vorne herein auf meine Mangas abgesehen?“, triezte ich sie, während ich aus dem Bett stieg.
Akari wurde rot. „Nach vier Stunden wurde es tatsächlich etwas langweilig.“
Ich grinste schief. Einerseits war ich beruhigt, dass sie nicht derart besessen von mir war. Andererseits beunruhigten mich die vier Stunden, die sie durch gehalten hatte.
„Da habe ich mir etwas zum lesen genommen. Oh, ich habe gar nicht gewusst, dass du so schöne Sachen in deinem Schrank hast. Liebesgeschichten, Beziehungsprobleme, alles was das traurige Herz erwartet.“
Ich unterdrückte den dezenten Hinweis auf die andere Schrankseite, die mit Shonen geradezu überfüllt war. „Nun, was du dir da gekrallt hast, sind meine Shojo. Wenn du so willst, Mädchenmanga. Ich lese einige von ihnen ganz gerne.“ Ich streckte mich und beschloss, die überschüssige Zeit für eine Reihe Liegestütze und ein anschließendes Bad zu verwenden.
„Das ist eine interessante Seite an dir, Akira-sama. Bisher sah ich dich immer mehr als überlegenen Krieger an“, murmelte Akari leise.
„Worauf willst du hinaus? Darf sich ein Mann nicht für Liebesbeziehungen interessieren? Macht ihn das schlechter?“, blaffte ich.
Akari erschrak fürchterlich und verneigte sich vor mir. „Entschuldige, Meister, wenn meine Wortwahl dich erzürnt hat.“
Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss. „Verzeih mir, Akari. Ich wollte dich nicht anbrüllen. Es ist nur so, dass Shojo im Gegensatz zu Shonen oftmals komplexere Geschichten sind. Mehr Inhalt quasi. Und sie berühren wesentlich öfter neue Themen als die Shonen.
Ich lese halt gerne, was mir Spaß macht. Und dabei achte ich nicht darauf, was mir Spaß machen sollte.“
Akari strahlte mich an. „Das ist mein Meister.“
Ich schüttelte resignierend den Kopf. Mein Oni hatte mal wieder auf absolute Verehrung geschaltet. Ich musste wirklich aufpassen. Nicht das mir das irgendwann gefiel.
**
Der Weg zur Schule erschien mir besonders schön. Auch wenn ich es nicht laut aussprach, das Gespräch mit Eikichi hatte mir gut getan. Natürlich, ich benahm mich ihm gegenüber meist wie ein ungestümer heranwachsender Wolf, der das Alphatier immer und immer wieder herausforderte, obwohl er weder die Kraft noch die Ausdauer hatte weder ihn zu besiegen noch das Rudel sicher zu führen.
Und ich folgte seinem Willen nur äußerst ungern. Aber in dieser Anime-Konstruktwelt lief nicht alles so, dass es für mich immer von Vorteil war. Ich schmunzelte bei diesem Gedanken. Natürlich nicht, sonst würde es ja langweilig werden.
„Akira-sama!“, rief eine Stimme hinter mir. Bevor ich mich umdrehen konnte, hing mir Lilian am Arm. Vorwurfsvoll sah mich das weißblonde Mädchen an. „Warum bist du ohne uns losgegangen?“
Ich tätschelte der kleinen Außerirdischen den Kopf. „Ich brauchte mal etwas Zeit zum nachdenken, Lilian. Vater war Gestern im Haus. Und er hat mir etwas sehr merkwürdiges gesagt.“
Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung, und Lilian umklammerte meinen Arm, als würde nur dieser Griff sie vor dem sicheren Ertrinken retten.
„Dein Vater?“, hakte sie nach.
„Ja. Er weiß, wer du bist. Ich meine, woher du kommst und so.“
Lilians Augen schimmerten feucht. „Komisch. Ich weiß es nicht. Ich meine… Mein ganzes Leben erscheint mir wie durch eine milchige Scheibe aufgenommen, bis zu dem Punkt, als man mich in den Delta setzte und zur Erde jagte.
Er weiß es also? Ich wäre sicherlich längst im Gefängnis oder in einem Verhör, wenn er mich…“ Sie schluckte leicht bei dem Gedanken, als Feind gefangen gesetzt zu werden.
„Ja. Er deckt dich. Aber die Geschichte hat einen Preis. Du erinnerst dich an unseren Schulausflug Gestern?“
„Wie versprochen habe ich mich mit meiner Freundin abgegeben und dir mehr Freiraum gelassen“, beschwerte sie sich.
Tatsächlich hatte sie sehr viel Zeit mit Ami Shirai verbracht. Wusste der Henker, wieso die beiden einander als allerbeste Freundinnen ausgesucht hatten.
„Das ist es nicht. Du hast gesehen wie Blue Lightning eingegriffen hat?“, setzte ich den Gedanken fort.
„Ja, habe ich. Du hast wirklich eine exzellente Choreographie drauf. Dazu kommt deine überdurchschnittliche Präzision und eine traumhaft gute Synchronisation mit deinem Hawk“, stellte sie fachmännisch fest.
Ich nickte grinsend. „Du weißt, dass ich in Blue saß, richtig?“
„Natürlich. Wer dich einmal im Kampf erlebt hat, vergisst es nicht“, erwiderte sie mit einem Lächeln.
„Jedenfalls, Makoto und Yoshi sind zusammen in einen Eagle geklettert und haben mich unterstützt.“
„Yoshi auch? Hm. Das erklärt die äußerst präzisen Schüsse. Ich beobachte Yoshi-sama öfter bei seinem Bogentraining. Er ist ein großer Meister in dieser Disziplin. Die ballistischen Waffen des Eagle müssen ja wie für ihn geschaffen sein.“
„Ja, das denkt mein Vater auch. Und noch etwas anderes denkt er. Er will, dass…“
„Ich bin dagegen!“, klang neben mir die Stimme von Megumi auf. „Guten Morgen, Akira.“
Erschrocken wirbelte ich herum. Ich hatte sie überhaupt nicht kommen gehört, geschweige denn ihre Präsenz gespürt.
„Guten Morgen“, erwiderte ich.
„Ich bin dagegen. Und dabei bleibt es. Akira, sie würde es nur wegen dir tun. Und damit nutzt du sie schlimmer aus als ihre eigene Rasse dies getan hat“, sagte sie in einem beschwörenden Ton.“
„Was?“, fragte Lilian erstaunt.
„Ja, ich weiß das. Und ich habe mich lange mit diesem Gedanken beschäftigt, Megumi. Aber… Vater deckt sie. Es würde noch leichter gehen, wenn sie einen aktiven Nutzen für die Menschheit hat.“
„Wer?“, warf Lilian ein.
„Es wäre aber noch leichter, sie zu verstecken, wenn sie überhaupt gar nicht erst ins Rampenlicht treten würde“, konterte Megumi wieder. „Wenn sie keiner kennt, kann sie auch keiner…“
„Wie? Worum geht es?“, fragte Lilian mit unschuldigem Augenaufschlag.
„Es geht um dich. Vater wollte nämlich, dass…“, begann ich, wurde aber von Lilian unterbrochen.
„Apropos Vater. Akira-sama, ich finde dieses Leben sehr schön und ich finde es wundervoll mit dir, Yoshi-sama, Megumi-sama, Makoto-sama, Kei-sama und Sakura-sensei zusammen zu leben. Aber irgendwie erscheint es mir nicht richtig, dies ohne eine Gegenleistung zu tun.
Ich meine, auch wenn ich es nicht gewusst habe, beinahe hätte ich achttausend Menschen getötet. Dennoch hast du mich aufgenommen und mich beschützt. Du und Megumi-sama.“ Lilian schluckte hart. „Und du lässt mich dieses ganz normale Leben leben. Ich würde dafür gerne etwas zurückgeben. Aber es gibt leider nur eine Sache, die ich wirklich gut kann. Und da dein Vater ohnehin Bescheid weiß, Akira-sama…“
Sie ließ meinen Arm los, trat einen Schritt zurück und verbeugte sich tief vor mir und Megumi. „Colonel Otomo, Captain Uno, ich bitte Sie, meine Hilfe als Mechapilotin anzunehmen.“
Ich spürte, wie sich Megumis Finger in meinen Arm krallten. „Das hast du mit ihr abgesprochen“, warf sie mir vor.
„Hey. Ich bin genauso überrascht wie du“, erwiderte ich. „Aber seien wir mal ehrlich. Sie ist eine Spitzenpilotin, und wir können sie im Pantheon sicher sehr gut gebrauchen.“
„Pantheon?“, argwöhnte Megumi.
„Eine neue Spezialeinheit, die frisch ausgehoben wird. Ich erzähle dir später davon. Lilian, nun komm wieder hoch mit dem Kopf. Ich werde mit Vater reden, ob es möglich ist.“
„Stapel mal nicht so tief, ja?“, zischte Megumi und krallte sich noch etwas stärker in meinen Arm.
Lilian beendete ihre Verbeugung und hing einen Augenblick später wieder an meinem Arm. „Danke. Danke, Ihr beiden. Mehr als diese Chance will ich ja gar nicht.“
Ich seufzte leise. „Ich nutze dich aus, Lilian.“
„Das siehst du falsch, Akira-sama. Ich nutze dich aus, weil ich ohne Gegenleistung bei dir wohne. Weil du mich vor dem Militär bewahrt hast und mich immer noch versteckst.
Es ist nur recht und billig, wenn ich etwas zurückgebe.“

„Was zurückgeben?“, erklang hinter mir eine Männerstimme. Gleichzeitig spürte ich die Präsenz einer großen Wut.
Ich sah nach hinten und erkannte meinen Kumpel Doitsu. Seine Augen fixierten mich und die Geste, mit der er seine Brille die Nase hoch schob, hatte etwas Kämpferisches. „Akira…“
„Reg dich ab, reg dich ab, bitte“, sagte ich schnell. „Egal, was du denkst, es ist falsch.“
„Oh, ich denke gerade eine ganze Menge, mein alter Freund.“ Er sah zu Megumi herüber und übergangslos lächelte er. „Guten Morgen, Megumi-chan.“ Danach sah er Lilian an. „Guten Morgen, Lilian-chan. Wenn dieser große plumpe Trottel irgendeine schlimme Sache mit dir vorhat, dann sag es mir, ja?“
Nachdenklich, mit einem Finger auf der Unterlippe murmelte sie: „Also, die Sache kann man schon als schlimm betrachten. Aber ich mache es ja freiwillig.“
Ich hatte das dringende Bedürfnis, mir mit einer Hand vor die Stirn zu schlagen. Lilians Worte hatten in etwa den gleichen Effekt wie wenn man einen Benzinkanister in einen Brand warf. Doitsu explodierte vor meinen Augen regelrecht. „AKIRAAAAAA!“
„Es… Es geht nur um Tod und Verwüstung. Nicht was du schon wieder denkst, Junge.“
„Tod? Verwüstung?“, fragte er mit mühsam beherrschter Wut.
„Ja, das kommt in etwa hin“, bestätigte Lilian nachdenklich.
„Ich kapiere gar nichts“, beschwerte sich der streng erzogene Junge.
„Willkommen in meiner Welt“, sagte ich dazu.
Doitsu regte sich schnell wieder ab. Die Aura aus Wut schraubte sich langsam herunter. Wieder schob er die Brille die Nase hinauf. Dabei ging ein Schimmer über die Gläser. „Wie dem auch sei. Akira, komm heute Abend zu der alten Lagerhalle, in der wir neulich gepokert haben. Und bring dein Familienschwert mit.“
Doitsu ging an uns vorbei und winkte nach hinten ohne sich umzudrehen. „Bis dann.“

Ich sah ihm nach. „Mann, ist der sauer.“
„Wegen mir?“, fragte Lilian bestürzt. „Soll… Soll ich mit ihm reden? Ich meine, ich…“
„Nein“, sagte Megumi fest. „Dies hat nichts mit dir oder mir zu tun. Es geht um etwas vollkommen anderes. Er war wütend auf Akira, und er war eifersüchtig. Aber das mit der Lagerhalle… Es hat andere Gründe.“
„Eifersüchtig? Wieso das denn?“, fragte Lilian und begann auf einem Schokoriegel zu kauen, den sie aus ihrer Tasche hervorgezaubert hatte.
Megumi lächelte dünn. „Mal in letzter Zeit in den Spiegel gesehen?“
„Ach Quatsch“, rief sie unbeschwert. „Du bist doch viel hübscher als ich, Megumi-sama.“
Bei diesen Worten wurde Megumi rot. „Jetzt redest du Unsinn.“
„Stimmt gar nicht. Akira-sama denkt doch dasselbe. Nicht wahr?“
Entsetzt ruckte mein Kopf hoch. Von einem Moment zum anderen hatte ich das Gefühl, gerade mit überhöhter Geschwindigkeit gegen eine massive Mauer gefahren worden zu sein.
„Nicht wahr, Akira-sama?“, hakte Lilian nach.
„Ach“, sagte ich und lachte leise, „Megumi weiß doch genau, was ich von ihr denke.“
„So, weiß ich das?“, fragte sie, senkte den Blick, ließ meinen Arm los und beschleunigte ihren Schritt.
„Megumi“, sagte ich leise. Doch das, was ich für schnelle Schritte hielt, war in Wirklichkeit irgendeine Form von getarntem Laufen. Schnell war sie um die nächste Ecke verschwunden.
„Akira-sama“, tadelte mich Lilian, „manchmal bist du so was von dämlich.“
Ich wollte etwas erwidern, wütend über ihre Wortwahl sein.
Doch dann senkte ich nur resignierend den Kopf. „Da hast du wohl Recht, Lilian.“

3.
Unterricht bei Ino-sensei bedeutete vor allem eines: Yoshi strahlte mit seinem Lächeln, dass es beinahe eine Pein war, wenn man ihn direkt ansehen musste. Und in dieser Stunde war es besonders schlimm. Das lag wohl daran, dass Sakura ihm erlaubt hatte, ihr dabei zu helfen, was sie heute tragen wollte. Und der gute Yoshi war sichtlich stolz auf sein Werk.
Ich hingegen befürchtete, dass Sakura für den schwarzen Minirock und den engen, roten Blazer mittelfristig Ärger mit der Schulleitung kriegen würde.
Andererseits, bei den wohl geformten Beinen wäre es ein Verbrechen gewesen, sie in einen langen Rock oder in eine schlabbrige Hose zu hüllen.
Ach, was dachte ich da, das war meine Cousine da vorne. Aber wir waren nicht blutsverwandt.
Dennoch blieb sie meine Cousine. Und warum dachte ich überhaupt so über sie nach? Ich war doch… Ja. Was war ich eigentlich?
„Akira!“ Verwirrt sah ich auf.
„So, da nun auch Akira-kun wieder aufmerksam ist, können wir die Stunde fortsetzen. Die Masse eines Körpers nimmt bei Beschleunigung nach folgender Formel zu… Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit hoch zwei. Diese Formel erklärt die vereinfachte Form der Relativitätstheorie. Es gibt dazu noch die spezielle Relativitätstheorie, aber außer mir gibt es weltweit nur zwanzig Menschen, die sie im vollen Umfang verstehen.“
Ich unterdrückte ein Auflachen. Für mich stellte die spezielle Form ein Buch mit sieben Siegeln dar. Und Sakura wollte sie tatsächlich beherrschen? Das war doch etwas sehr aus der Luft gegriffen.
Ihr böser Blick traf mich, und ich beschloss, meine Gedanken hinter einer undurchdringlichen Maske zu verstecken.
Glücklicherweise rettete mich der Pausengong.
„Ich möchte, dass Ihr alle bis zur nächsten Stunde die Biographie des Mannes studiert, der die Relativitätstheorie aufgestellt hat. Albert Einstein. Ihr seid entlassen.“
Ich erhob mich. „Klasse verneigen.“

Ein merkwürdiges Ritual, welches Respekt gegenüber der Lehrkraft ausdrücken sollte. Ich hielt es für antiquiert und fadenscheinig. Aber wann wurde ich schon mal gefragt?
„Yoshi“, raunte ich zur Seite, „du musst dich nicht bis zu deinem Tisch hinab verbeugen.“
„Klappe“, raunte er zurück. „Ich drücke nur meinen tiefen Respekt vor Ino-sensei aus.“
„Respekt vor ihr oder vor gewissen körperlichen Attributen?“, erwiderte ich grinsend, während ich meinen Platz verließ.
„Suchst du heute Streit, Akira?“, erwiderte Yoshi und baute sich vor mir auf. „Ich habe von der Sache mit Doitsu gehört. Willst du jetzt auch noch mit mir Ärger?“
„Hat dir heute jemand was in den Kaffee getan?“, beschwerte ich mich. „Ich bin nicht anders als sonst auch.“
„Vielleicht sollte ich mir den wahren Akira dann mal eine Zeitlang genauer ansehen“, brummte er.
Ich verfrachtete meine Hände tief in den Hosentaschen. „Tu, was du nicht lassen kannst.“
Langsam passierte ich ihn und verließ den Raum.
„Akira!“ Yoshi holte mich ein und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Tut mir Leid, ich bin wohl etwas gereizt. Die Sache mit dem Eagle Gestern und dein Angebot heute, mit einzusteigen in dieses Pantheon…“
„Schon gut. Ich habe heute selbst nicht die beste Laune“, gestand ich.
Langsam füllte sich der Flur mit Schülern. Aus dem Raum der Parallelklasse trat Megumi hervor. Sie musterte mich für einen Moment, bevor ihr Blick so eiskalt wurde, wie sie es sonst nur bei Fremden tat.
Ich spürte, wie sich mein Magen umdrehte. „Megumi, ich…“
Barsch wandte sie sich ab und ging wieder in die Klasse zurück.
„Nanu? Was war das denn?“, fragte Yoshi erstaunt.
„Der Grund dafür, dass meine Laune heute im Keller ist.“ Wütend stopfte ich die Hände noch tiefer in meine Hose und schritt schneller aus.

„Wohin gehen wir eigentlich?“, fragte Yoshi. „Zum Dach geht es jedenfalls in eine andere Richtung.“
„Wir gehen zur Sporthalle.“ Ich nahm die Linke aus der Hosentasche und reichte Yoshi einen Zettel.“
„Hm. Von wem ist denn dieser Zettel?“
Ich deutete auf die mit feinen Linien geschriebenen Schriftzeichen. „Nach der Handschrift zu urteilen war es ein Mädchen.“
„Ein Mädchen? Hm, der Text liest sich mehr wie eine Herausforderung: Triff mich in der große Pause im Abstellraum der Turnhalle.“
Er sah mich an. „Keine Unterschrift. Das könnte eine Falle sein.“
„Natürlich könnte es eine Falle sein. Deshalb bin ich ja so froh, dass du mitkommst, Yoshi“, erwiderte ich, nahm den Zettel zurück und stopfte ihn zurück in die Tasche.
„Wäre es dann nicht besser, wenn ich die anderen rufe?“, murmelte er nachdenklich.
„Nein, besser nicht. Denn es könnte ja auch sein, dass es keine Falle ist. Und vielleicht ängstige ich ein armes Mädchen vollkommen zu Tode, wenn ich mit einem Berserkerkommando aufschlage…“
„Oh, du bist ja so ein guter Mensch“, sagte Yoshi grinsend und klopfte mir auf die Schulter. „Und wenn es doch eine Falle ist, kriege ich die Hälfte der Schläge ab, nicht?“
„Geteiltes Leid ist halbes Leid“, bestätigte ich grinsend.
**
Während ich meinen Gang zur Turnhalle antrat, sah ich ab und an über meine Schulter zurück. Falls es eine Falle war, dann musste es jemanden geben, der Bescheid gab, dass ich wirklich unterwegs war. Tatsächlich hatte ich auch mehrmals das Gefühl, einen brennenden Blick in meinem Nacken zu haben. Doch wenn ich mich umsah, konnte ich niemanden sehen.
Yoshi und ich erreichten die Turnhalle.
Dort übernahm unsere lange Erfahrung. Wir gingen am Hallenrand entlang, vermieden, die Schuhe über den Boden quietschen zu lassen und bewegten uns gleichmäßig, aber nicht zu schnell. Leise war hier das Zauberwort.
Vor der Tür des Abstellraums teilten wir uns auf. Yoshi ging links in Stellung, ich rechts. Er nickte mir zu und ich riss die Tür auf. Wir waren bereit, entweder sofort stiften zu gehen oder einen Kampf zu beginnen.
Allerdings nicht bereit für das, was sich unseren Augen bot.
Ich spürte, wie mir die Kinnlade herab sackte.
Vor mir und Yoshi hockten zwei Jungen aus meinem Jahrgang auf einer Matte und lösten sich gerade von einem intensiven Kuss.
Beide wurden puterrot, und ich spürte, wie mir selbst das Blut in die Wangen schoss.
„Ich... Ich kann das erklären, Akira-kun!“, haspelte der hintere hastig hervor. Sein Gegenüber verbarg das Gesicht an seiner Brust zitterte. „Sieh mal, er ist in Wirklichkeit ein Mädchen und nur wegen dieser dämlichen Wette mit ihrem Vater hat sie sich… Ich meine, ich habe es zufällig herausbekommen und wir haben uns verliebt und…“
Für einen Moment beobachtete ich die beiden genauer. Zwei Namen wollten sich in mein Bewusstsein drängen, aber ich unterdrückte das. Yoshi starrte noch immer mit weit aufgerissenen Augen auf die Matte herab.
„Hör mal“, sagte ich und wandte den Blick ab, „bisher habe ich noch keinen von euch beiden erkannt. Und ich habe auch nichts gesehen, klar? Also macht ganz schnell einen Abgang.“
Die beiden kamen hoch und wollten sich an mir vorbei drücken, mit dem Wort Entschuldigung auf den Lippen.
Aber ich hielt sie auf. „Deine Freundin sollte sich das Hemd wieder zuknöpfen, Kumpel.“
Die beiden wurden erneut puterrot. Und nachdem besagtes Hemd und die Uniformjacke geschlossen waren, verließen sie mit einer erneuten Entschuldigung den Geräteraum.

Ärgerlich schüttelte ich den Kopf. „Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert hat. Zwei Jungen sich küssen zu sehen oder jemanden bei etwas zu erwischen, was ich nicht tun kann.“
Yoshi erwachte aus seiner Starre und hob abwehrend die Arme. „Wenn du unbedingt einen Jungen küssen willst, ich helfe dir jedenfalls nicht.“
Ich winkte müde ab. „Ach, Quatsch. Der eine war wirklich ein Mädchen. Ich habe den Brustansatz gesehen. Und wenn ich jemanden küssen will, dann sicher nicht so einen hässlichen Burschen wie dich.“
„Da spricht mal wieder der pure Neid aus dir, Akira“, erwiderte und legte in einer dramatischen Geste eine Hand vor die Stirn. „Es ist aber auch ein Fluch, so gut auszusehen wie… DER SCHON WIEDER!“
Mein Kopf fuhr herum. Wie der schon wieder?
Ich sah zum Eingang und erkannte einen jungen Mann mit sehr ernstem Blick und einer Glock19 in der Hand. Er schritt sehr schnell auf Yoshi zu, und der ernste Blick wurde zu Ärger, während er die Waffe hob. „Du schon wieder.“
Die Waffe zeigte beinahe auf Yoshi, als dieser einen schnellen Schritt vor trat und den Waffenarm beiseite drückte. Seine andere Hand zuckte vor und zielte mit dem Handballen auf das Kinn seines Gegenübers.
Der lächelte nur gering schätzend und tauchte unter dem Schlag hindurch und riss sein Knie hoch.
Ich wollte eingreifen und machte einen schnellen Schritt auf ihn zu. So, das war also der Kerl, der ihm Vorgestern bei der Observation von Sarah Anderson einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte?
Ich duckte mich, um aus dem Schussfeld der fort gedrückten Pistole zu kommen und machte mich bereit, den Unbekannten nach bester American Football-Manier zu tackeln, als sich eine zarte Hand auf die Schulter von Yoshis Spielkameraden legte. Die Aufwärtsbewegung des Knies stoppte. Eine andere Hand legte sich auf Yoshis Gesicht und sofort verlor der Körper seine ganze Anspannung. „Hört auf. Dafür sind wir nicht hier“, stellte das junge Mädchen fest, welchem die Hände gehörten.
Sie sah zu mir herüber. „Otomo-sama. Danke, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Wir müssen uns unterhalten.“
„Sag nicht sama zu mir, Sarah“, erwiderte ich.
Sie lächelte fein, während sie mit einer Kraft, die man ihrem schlanken Körper gar nicht zugetraut hätte, die beiden Streithähne einen Meter auseinander schob.
„Es ist angemessen für den Mann, der mir das Leben gerettet hat.“ Sie sah den Fremden an. „Daisuke. Du weißt, was zu tun ist.“
Der junge Bursche ging in Hab acht. „Ma´am.“ Er sah zu Yoshi herüber. „Ich checke den Raum auf Wanzen. Bewache du die Tür.“
Yoshi nickte und schloss die Türen zur Halle wieder.
Währenddessen zückte Daisuke eine flache Apparatur, mit der er die Wände, die Decke und den Fußboden abging. „Sauber, Ma´am.“
„Gut. Aktiviere jetzt den Störsender, Daisuke.“
Der junge Mann mit dem viel zu ernsten Gesicht tauschte die Apparaturen aus und stellte ein kleines Gerät neben das einzige Fenster. Kurz war ein sehr hoher Ton zu hören. Dann verriet mir nur ein kleines Ziehen im Hinterkopf, dass der Ton noch da war, aber in eigentlich unhörbare Bereiche gewechselt hatte.
„Die Fensterscheibe nimmt unsichtbar für das menschliche Auge die Vibrationen des Schalls auf, die beim sprechen entstehen. Mittels eines Spezialgeräts, das einen Laserstrahl auf die Scheibe projiziert, können diese nicht wahrnehmbaren Vibrationen in Worte übertragen werden“, erklärte Daisuke leise. „Mein Gerät verhindert das.“
Ich pfiff anerkennend. Bereits seit der Schilderung durch Yoshi hatte ich geahnt, dass dieser Kerl einiges auf dem Kasten hatte. Aber jetzt glaubte ich wirklich, es mit einem Profi zu tun zu haben.
„Und Wanzen innerhalb des Raumes konnten nicht angemessen werden, richtig?“, fragte ich.
„Ja, Colonel“, antwortete mir der junge Mann mit ernster Miene. Er konnte kaum älter sein als ich. Moment, hatte er mich gerade Colonel genannt?

Yoshi ging in Angriffsstellung, ich selbst machte mich bereit, mich notfalls auf Daisuke zu stürzen. Was ging hier eigentlich ab?
„Ruhig, Otomo-sama. Ihr seid beide bei dem gleichen Verein. Daisuke Honda gehört der United Earth Mecha Force an. Er bekleidet dort den Rang eines Second Lieutenant. Übrigens ist er auch ein Mecha-Pilot, wenngleich er im Moment meinem Schutz zugeteilt ist.”
Sie sah mich an, trat zu mir und blickte mir tief in die Augen. „Sie… Du… Du erinnerst dich nicht mehr, richtig? Du weißt es nicht mehr?“
Ich starrte auf das kleinere Mädchen hinab und beschloss, erst einmal gar nichts zu sagen.
„Otomo-sama. Nein. Akira-chan. Ich muß wohl etwas weiter ausholen, damit du verstehst. Damit du dich wieder erinnerst. Ich bin… eine Escaped.“
Escaped. Das englische Wort für entkommen. Es ließ etwas bei mir klingeln, Teufel auch, Big Ben begann in meinem Kopf die Mittagsstunde zu verkünden. Übergangslos fühlte ich, wie ich auf die Knie sank. Wie mir heiß und kalt zugleich wurde. Wie in meinem Kopf ein Datenstrom losgetreten wurde, der mir beinahe den Verstand raubte. Ich sackte nach vorne und wurde von Sarah aufgefangen. Ich rang mit meiner Fassung und mit meinem Verstand.
„Es ist gut, Akira-chan“, hauchte sie. „Es ist gut. Sträube dich nicht gegen die Erinnerungen. Lass sie auf dich zukommen. Dann geht es schneller vorbei.“

Übergangslos wechselte die Dateninvasion in meinem Kopf mit einem Flashback ab. Ich fühlte mich plötzlich schwerelos und sah alles durch eine Art bernsteinfarbenen Schimmer. Ich fühlte eine drückende Wärme, eine alles umfassende Müdigkeit. Nur ein leichter Schmerz bemühte sich, mich aus dieser Umklammerung zu retten.
Mühsam, unendlich mühsam drehte ich den Kopf und erkannte durch den bernsteinfarbenen Schimmer eine Art Tank neben mir. In dem Tank schwebte ein weiblicher Körper. Und hinter dem Tank waren zwei, drei, vier, acht, zehn, zwanzig, fünfzig weitere.
Ich spürte ein Würgen in meiner Kehle und kam in die Realität zurück. Wo ich mich prompt übergab.

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4.
Mitfühlend wischte Sarah mir den Mund ab, während Yoshi mit sichtlich angewiderter Miene den Eimer mit meinem Frühstück entsorgte. Ich japste leise und hatte beide Hände um meinen Leib geschlungen.
„Du erinnerst dich jetzt, oder?“, fragte Sarah sanft.
Daisuke warf mir einen undefinierbaren Blick zu, der kurz darauf zu Sarah hinüber glitt und wehmütig wurde.
„Ja“, hauchte ich leise. „Etwas. Die Tanks. Die endlosen Reihen von Tanks. Das war…“
„Ja, es war eine kronosische Station. Und die Tanks, das waren Menschen wie du und ich. Wir waren das.“ Sarah sah mich aus ihren großen Augen an. Die Erinnerung machte ihr zu schaffen, das merkte ich, als die ersten Tränen in ihnen zu schwimmen begannen. „und ohne dich… Würde ich immer noch in diesen Tanks sitzen.“
Mühsam richtete ich den Oberkörper auf. Warum meldete sich meine aufgeprägte Erinnerung nicht? Warum verriet sie nicht einfach, was damals passiert sein sollte?
Mühsam, nur sehr mühsam fiel ein Stück nach dem anderen in dem fragmentalen Mosaik, dass ich Erinnerung schimpfte, zusammen.
„Die Kronosier“, brachte ich leise hervor. „Sie haben uns benutzt. Ich wurde… Entführt, nachdem ich vom Mars…“ Ich kippte nach vorne, konnte mich nur mit Mühe auf den Armen abfangen. Der Mars. Für einen winzigen Moment erinnerte ich mich an… An unseren Angriff. Die ursprünglichen Hekatoncheiren. Unsere unmögliche Mission.
Dann die Heimkehr, der Schmerz, der so tief in meiner Seele fest saß.
Und dann die Entführung. Danach lange Zeit nichts, bis zu dem Moment, an dem ich in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit aufgewacht war.
Ich steckte in einem Tank, übersäht mit Anschlüssen und Verbindungen, gefangen von den Kronosiern und ihren menschlichen Söldnern.
„Die Kronosier haben eine überragende Biotechnologie“, sagte Sarah leise. „Sie können Dinge machen, von denen wir nur träumen können.“
„Richtig. Sie haben das Potential menschlicher Gehirne voll erkannt“, murmelte ich leise.
„Ja. Sie haben uns missbraucht. Vielmehr unsere Gehirne. Die absolute Leistungsfähigkeit dieser organischen Rechenmaschinen genutzt und für ihre finsteren Zwecke verwendet.“

Die Datenfragmente, die Tanks. Eine einsame Südseeinsel schoss in meine Gedanken.
Ich war… Wir waren Teil eines Superrechners. Wir und hundert weitere Menschen.
Wieder würgte ich, aber es kam nichts mehr. Die Zeiten im Halbschlaf, die endlose Schweberei in der Dämmerung. Die komplizierten Datenströme, die durch mein Gehirn jagten.
Und der Gedanke daran, wie plötzlich zwei Kronosier in Begleitung von drei Menschen vor meinem Tank standen. Ich erwachte aus meinem Dämmerschlaf und sah sie direkt an, einen nach dem anderen. Aber ich konnte nichts tun, absolut nichts tun.
„Das ist also Akira Otomo“, sagte einer der Kronosier. „Hm, er hat hervorragende Werte. Ich denke, er ist der ideale Proband für unser Experiment. Löschen Sie seine Erinnerungen. Mal sehen, ob sein Gehirn ohne diesen Ballast noch effektiver und noch schneller arbeitet.“
Einer der Menschen warf ein: „Wann wollen wir uns daran wagen, ein Gehirn autark in Nährflüssigkeit zu halten? Wäre Otomo nicht der richtige Kandidat dafür? Die Körper verbrauchen doch nur unnötige Ressourcen.“
Das Gehirn löschen? Und aus meinem Körper entfernen? Meine Hand schoss hoch, schlug von innen gegen den Tank.
„Oh, oh, der junge Mann hat doch einiges an Energie. Erhöht die Dosis des Tranquillizers“, forderte einer der Kronosier.
„Das geht nicht. Es würde seine Gehirnleistung zu sehr herabsetzen“, wandte einer der Menschen ein.
„Dann beginnt mit seiner Gehirnlöschung. Ohne seine Erinnerung ist er nur eine menschliche Puppe, mit der wir tun und lassen können, was wir wollen.“ Lachend, laut lachend gingen die fünf weiter. Zurück blieb ich, verzweifelt, entsetzt. Vor Angst halb tot.

„Akira-chan. Akira-chan. Es ist ja gut. Es ist gut“, sagte Sarah und strich sanft über mein Haar. Sie hielt mich an ihre Brust gedrückt und wiegte mich sanft. Tränen, meine Tränen hatten ihr Uniformhemd durchnässt. Aber das schien ihr nichts auszumachen.
Ich spürte, wie ich am ganzen Leib zitterte. „Ich… Ich erinnere mich wieder. Ich erinnere mich wieder.“
„Weißt du auch wieder, dass du uns alle gerettet hast?“, fragte Sarah und ließ mich fahren. Mühsam gelang es mir, mich auf meine Hacken zu setzen. Ich schüttelte den Kopf.
„Die Kronosier hatten damit begonnen, dein Gehirn zu löschen, Akira-chan. Mit jeder Stunde, mit jeder Minute hast du etwas von deinem Ich eingebüßt. Aber du hast es nicht akzeptiert.
Ich schwelgte zu dieser Zeit im Datenstrom, war vollkommen aufgegangen in der Konstruktrealität des Superrechners. Ich hatte schon lange aufgegeben und empfand die unbewusste Arbeit als meine einzige Wirklichkeit. Aber du, Akira-chan. Du hast gekämpft.“
Sie lächelte, als sie mein Gesicht mit einem zweiten Taschentuch trocknete. „Du hast dich nicht aufgegeben. Du bist in die Ebene eingetreten, hast sie durcheinander gewirbelt. Aus dem Ort der Wärme und Ordnung einen Hort des Chaos gemacht. Und bevor ich mich versah, war meine Erinnerung wieder da, hatte ich meine Persönlichkeit wieder. Ich und die anderen Gefangenen wussten plötzlich wieder, wer wir waren. Und wir stemmten uns dagegen, missbraucht zu werden. Mit dir als Anführer beherrschten wir die Konstruktwelt. Und als sie kollabierte, gelang es uns, einen Notruf abzusetzen, der die UEMF alarmierte.“
Ihre Hand strich über mein Gesicht, glitt den Kopf hoch und kam auf einer Narbe auf meiner linken Schläfe zum liegen. „Hier, Akira-chan. Hier hat der Kontakt gesessen, den die Wissenschaftler künstlich überladen hatten, um dich schnell zu töten. Sie hatten dich als Gefahr erkannt und sahen in deiner Eliminierung das beste Mittel. Sie haben versucht, dein Gehirn zu kochen. Du wurdest verletzt, sehr schwer verletzt.“
Ich nickte schwer und erfühlte die Narbe selbst. Bisher hatte ich sie nie beachtet. Nur instinktiv hatte ich mich immer so gekämmt, dass sie nicht zu sehen war.

Wieder wähnte ich mich in dem Tank. Ich spürte den beißenden Schmerz, fühlte die Hitze, das Bild vor meinen Augen flackerte, während die bernsteinfarbene Flüssigkeit Blasen schlug.
Vor meinem Tank stand ein Kronosier und starrte mit brennenden Augen zu mir hinauf. Im Tank neben mir schlug das Mädchen, Sarah, gegen die Wände. Verzweifelt sah sie zu mir herüber.
„Gleich warst du mal, Otomo!“, rief der Kronosier.
Das war eine Sekunde, bevor ihn eine Kugel in den Kopf traf und von den Beinen holte.
Kurz darauf sah ich einen Mann im für Mechakrieger so typischen Druckanzug über der Leiche stehen. Er ruckte herum und ich sah sein Gesicht. Sein Entsetzen, als er sehen musste, was ich nur spürte. Und die alles entscheidende Handbewegung, die in diesem Moment mein Leben rettete.

Ich sah auf, in der Realität. Mein Blick begegnete dem von Daisuke. Mir fehlten die Worte. Meine Kehle war staubtrocken. Wieder schimmerten Tränen in meinen Augen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nicht ein Ton heraus.
Daisuke winkte ab. „Schon gut, Colonel. Schon gut. Ich wünschte nur, ich hätte den Gamma damals eine Minute schneller erledigt.“ Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. „Nur eine Minute.“
„Danke“, kam endlich das Wort hervor, um das ich so gerungen hatte.
Daisuke schluckte hart. „Es war mir eine Ehre“, brachte er heiser hervor.

Sarah sah mich an. „Erinnerst du dich, Akira-chan? Wir anderen wurden aus den Tanks gerettet.“ Ihr Blick traf kurz den jungen Offizier, der mit hochrotem Kopf beiseite blickte. „Dabei entstanden Freundschaften, die noch immer halten. Freundschaften und mehr.“
Betreten sah Daisuke zu Boden. Ich wusste, dass es auf ihn und Sarah nicht zutraf. Aber man brauchte ihn nur anzusehen, um zu wissen, dass die beiden durchaus mehr hätten teilen können.
„Du, Akira wurdest nicht befreit. Du warst so schwer verletzt, der Biotank war deine einzige Chance. Ein langes halbes Jahr warst du darin gefangen.“

Erinnerungen drängten darum, befreit zu werden. Ich sah mich in diesem Tank schweben, schwerelos, bis in alle Ewigkeit.
Und dann dieses Mädchen, das gegen meinen Tank schlug, der zu diesem Zeitpunkt längst auf dem OLYMP stand. „Ich lass dich nicht gehen“, hörte ich es sagen. Das Mädchen sah hoch und ich erkannte… Megumi.

Ich schluckte trocken und hart. „Megumi“, murmelte ich leise.
„Ja. Sie war jeden Tag bei dir. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben. Hundertachtzig Tage lang verbrachte sie jede freie Minute bei dir. Wir alle haben gehofft, und sie hat unsere Hoffnungen gebündelt.
In dieser Zeit konnte ich dich nur einmal besuchen. Und du hast mich nicht einmal erkannt. Aber ich war… eingebunden in die Verteidigung der Erde.
Denn ich und sieben weitere Menschen, wir… Wir trugen noch immer das Wissen in uns, welches wir als Supercomputer erarbeitet hatten. Wir wurden die Escaped. Das Wissen wurde zu einem Schlüssel. Zum Schlüssel, um unsere Technologie weiter zu entwickeln, um uns in die Lage zu versetzen, die Kronosier zu stoppen und vielleicht zu besiegen.
Die Biotechnik zu erlangen, um dich doch noch zu heilen, Akira-chan.“
Die Escaped. Es fiel mir schwer, in diesem Wust an neuen Erinnerungen und Informationen eine bestimmte Sache hervor zu heben. Aber Funken für Funken setzte sich meine Erinnerung zusammen. Die Escaped. Der organische Supercomputer, dessen Informationen wir so viel verdankten. Unter anderem verdankten wir es diesen Informationen, dass wir wesentlich mehr Leute in Hawks, Sparrows und Eagles setzen konnten, als es vorher der Fall war.
Den Stand der Kronosier, die anscheinend jedermann einen Daishi fliegen lassen konnten, hatten wir immer noch nicht erreicht. Aber mit den heftiger werdenden Angriffen hatten wir auch eine stärker werdende Verteidigung aufgebaut.

Langsam und mit Mühe erhob ich mich. Yoshi trat schnell hinzu, um mich zu stützen. „Danke, Sarah-chan“, sagte ich leise. „Danke, dass du meine Erinnerung zurückgeholt hast.“
„Das ist noch nicht alles, Akira-chan. Es gibt noch einen Grund, warum ich dich gerufen habe“, eröffnete sie. „Ich weiß, dass dein Vater dich letzte Nacht aufgesucht hat. Du sollst wieder zum Mars fliegen. Du sollst die Hauptbasis der Kronosier erneut angreifen.“
Ich nickte schwer. „Ja. Darum ging es Gestern auch.“
„Einige der Escaped wollen dich begleiten. Ich will dich begleiten.“
„Sarah-chan, es war beim ersten Mal schon ein Himmelfahrtskommando. Und dieses Mal wird es nicht besser werden“, wandte ich ein.
„Ach. Und ich soll trotzdem mit, wie?“, wandte Yoshi ein. Aber er meinte den Protest nicht ernst.
„Du hast da keinen Einfluss drauf, Akira-chan“, sagte Sarah leise. „Es liegt einzig in meinem Ermessen. Aber ich wollte, dass du es schon vorher weißt.“

Sarah erhob sich. Sie nickte Daisuke zu, der ebenfalls nickte und das Gerät vom Fenster nahm.
„Wir sehen uns, Akira-chan. Futabe-kun.“
Daisuke nickte nur stumm. Dann verließen sie den Geräteraum.
„Wie sieht es aus, Alter. Willst du hier noch ein wenig ausruhen oder soll ich dich in die Klasse zurück schleppen? Oder wie wäre es mit etwas zum Mittag. Ach nein, du hast ja gerade erst gekotzt.“
„Erinnere mich bitte nicht daran“, erwiderte ich. „Ich denke, ich kann alleine stehen. Danke. Gehen wir zurück in die Klasse.“
Yoshi nickte und öffnete die Tür für mich. Auf noch etwas unsicheren Beinen trat ich hindurch.
„So, so. Du warst also auf dem Mars, wie?“, fragte Yoshi grinsend. „Die Geschichte wird ja immer spannender.“
„Und wir zwei“, stellte ich leise fest, „stecken mitten drin…“

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5.
Den Rest des Schultages verbrachte ich im Krankenzimmer. Ich war so wacklig auf den Beinen gewesen, dass es keinen Sinn gemacht hätte, weiter am Unterricht teil zu nehmen.
Offiziell schob ich die Schwäche auf meine Erkältung und erzählte einfach, dass ich einen Rückfall hatte. Inoffiziell stimmte das auch. Ich war immer noch geschwächt. Und dieser Wirbelsturm an Erinnerungen hatte mich von den Beinen gerissen.

Die Ruhe tat gut, aber das liegen bekam mir nicht. Aufsetzen konnte ich mich nicht, ohne dass Schwindelgefühl nach mir griff. Und wenn ich die Augen schloss, erschienen die Bilder wieder.
Diese Bilder, wie ich in dem Tank gefangen war.
Wie der Mars immer größer wurde.
Wie wir auf den Mars hinab stiegen. Wir, die Hekatoncheiren. Ich war Gyes. Megumi war Briareos. Und es gab auch einen Kottos. Zu dritt in drei Hawks, nur unterstützt von der Fregatte YAMATO wagten wir den Angriff auf den Feind. Und stießen mitten in ein Wespennest.
Ich versuchte diese Erinnerung fest zu halten, zu vertiefen. Aber es gelang mir nicht. Sie entglitt mir wie ein schlüpfriger Fisch. Heute gab es drei Kompanien a zwölf Mechas, die nach den Hekatoncheiren benannt worden waren. Damals waren es drei Individuen gewesen.
Ich, Megumi und… Ja. Wer war Kottos gewesen? Ich spürte, diese Erinnerung war wichtig, wirklich wichtig. Aber ich hatte sie nicht mehr.
Ich lachte laut und rau. Ich hatte sie nie besessen. Dies war nur eine Konstruktwelt, in die ich durch einen leichtfertigen Wunsch gekommen war. Aber ich spürte, dass ich mich immer mehr darin verlor. Und während sich für mich die Erinnerungen verwischten und mein eigentliches Leben immer bedeutungsloser wurde, kämpfte ich darum, dass meine Erinnerungen an diese Welt im vollen Umfang wieder kehrten.
Ich ballte die Fäuste. Diese Welt war ein fürchterlicher Ort. Und ich und Yoshi waren in ihr gefangen. Wie konnte ein einzelner Mensch nur soviel Schmerz ertragen? Wie? Und ausgerechnet ich? Warum?

„Akira-chan!“, erklang eine freudige Stimme von der anderen Seite des Vorhangs, den ich zugezogen hatte, damit ich in Ruhe im eigenen Saft schmoren konnte.
Bevor ich mich versah, riss Sakura den Vorhang beiseite, strahlte mich an und zog hinter sich wieder zu.
Ich schluckte, als ich sie sah. Cousinchen trug ein Schwesternkostüm. Allerdings die wirklich knappe Ausführung, die ihr Dekolleté eindrucksvoll betonte.
Und der Rock vorhin in der Klasse war knapp gewesen? Gegen das, was sie nun trug, war er ein Ballkleid!
„Armer Akira. Hat er einen Rückfall erlitten? Aber er hat ja seine Sakura-chan, um ihn wieder aufzubauen.“ Mit einem schnellen Schritt stand sie neben meinem Bett und riss die Decke hoch. „Zuerst werden wir mal Fieber messen. Danach deinen Blutdruck. Aber zuerst stochern wir etwas mit dem Stäbchen rum.“
Sie setzte sich neben mich auf das Bett und hielt einen Spatel in der Hand. „Sag aaah.“
„Was soll der Quaaaaargh…“
Ich hätte den Mund nicht öffnen dürfen. Sakura hatte die Gelegenheit genutzt, um mir das Holzstäbchen auf die Zunge zu drücken.
„Gut, gut, gut. Nichts gerötet, kein Belag auf der Zunge.“ „ARGL!“, wandte ich ein, aber ich glaube, sie ließ es nicht als Argument durchgehen.
„Und jetzt Fieber messen“, sagte sie, nahm meinen Kopf in beide Hände und drückte meine Stirn gegen ihre. Dabei verzog sie missmutig die Miene. „Also, etwas Temperatur hast du schon, du Armer.“
„Moment mal. Sakura, was soll das?“, rief ich laut.
„Was soll was? Du wurdest im Krankenrevier eingeliefert und ich kümmere mich um dich. Was ist daran schwer zu verstehen?“, erwiderte sie.
„Kannst du das nicht lassen? Ich hatte einen wirklich miesen Tag. Und er ist noch lange nicht zu Ende.“ In Gedanken suchte ich schon die alte Lagerhalle auf, in der ich mit Doitsu verabredet war.
Übergangslos wurde sie ernst. Sakura ergriff meinen Kopf und drückte ihn fest gegen ihren Brustkorb. „Ich weiß, Akira. Du hast mit Sarah gesprochen. Daisuke hat mich informiert. Ich hielt es für zu früh und wollte es ihr verbieten. Aber ich habe sie nicht mehr rechtzeitig erwischt. Entschuldige, Akira.“

Ich fühlte mich beschämt. Wie hatte ich jemals schlecht über meine Cousine denken können? Wo sie sich doch so sehr um mich kümmerte. Wo sie sogar dieses Sexy Outfit trug, um mich aufzuheitern. Wo sie mich an ihren Busen drückte. Wo sie doch wusste, dass ich mit Sarah…
„Saaakuraaaa“, hauchte ich wütend.
„Ist was?“, fragte sie unschuldig und drückte mich noch etwas enger an sich.
„Sakura, wieso kennst du Daisuke und Sarah?“, presste ich mühsam hervor.
„Ups, da habe ich mich wohl verplappert.“ Meine Cousine seufzte tief. „Die Wahrheit ist… Ich bin Daisukes Vorgesetzte. Was glaubst du wohl, habe ich die ganze Zeit hier an der Schule gemacht? Mit meinem Abschlüssen, mit meinen Kontakten? Mit meinen Fähigkeiten?“
Langsam ließ sie mich los. Ich sah ihr in die Augen und erkannte, wie sie sich mit Tränen füllten.
„Du… Du hast mich beschützt?“, fragte ich vorsichtig.
Nun begann sie richtig zu weinen und drückte mich erneut an sich. „Oh, du armer Kerl. Du hast soviel vergessen. Das ist so ungerecht. Natürlich habe ich dich beschützt. Dich und Megumi. Zumindest habe ich es die letzten Jahre versucht, so gut es ging. Nach der Entführung im Anschluss an die Mars-Mission…“
„Schon gut, Sakura-chan“, sagte ich. „Hat ja anscheinend geklappt, oder? Ich wurde nicht erneut entführt.“
„Stimmt“, bestätigte sie und schniefte. „Megumi hatte sich ja auch als Köder angeboten, während du dadurch in den Hintergrund getreten bist.“
Mir wurde heiß und kalt zugleich. Natürlich. Die Fernsehberichte über sie. Offensichtlicher konnte man nicht zeigen, wer das Top-As der Erdverteidigung war, und wo man es erwischen konnte. Und all das hatte sie getan, um von mir abzulenken? Was war ich nur für ein erbärmlicher Trottel.
Und das Schlimmste war, dass sie drei Jahre lang gelitten hatte, in denen ich mich langsam erholt hatte, während sie mit der vollen Erinnerung leben musste. Jeden einzelnen Tag. Und sich jede Stunde fragen musste, wie viel ich über sie vergessen hatte.
Ich fühlte mich so elend. Selbst meine Erinnerung an die Gefangenschaft in dem Tank konnte da nicht mithalten.
Abrupt löste ich mich von Sakura und schwang die Beine aus dem Bett. Schnell schlüpfte ich in meine Schuhe. Das kurze Schwindelgefühl ignorierte ich völlig. „Danke, Sakura-chan. Mir geht es wieder besser. Du bist wirklich die Beste.“ Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und wandte mich zum gehen.
„Herzfunktion, normal“, hörte ich sie leise murmeln, als ich ging.

6.
Egal, wo ich auch suchte, ich fand Megumi nicht in der Schule. Meine Nachfragen ergaben auch nichts. Seit der Mittagspause schien sie niemand mehr gesehen zu haben.
Entnervt ging ich aufs Dach, um Gelegenheit zu haben, mich über meine eigene Dummheit zu ärgern. Den Gedanken, nun könnte sie entführt worden sein, unterdrückte ich so gut es ging.

Oben angekommen krallte ich meine Hände in den Maschendraht der Umzäunung und nannte mich erst mal zwei Minuten lang einen Vollidioten.
„Das kommt der Wahrheit schon sehr nahe“, hörte ich Megumis Stimme hinter mir.
Ich wirbelte herum, sah sie aber nicht. „Megumi? Wo steckst du?“
„Dummkopf. Wo bin ich wohl?“
Ich blickte auf. Und sah ihr Bein über das Dach des Treppenhauses ragen. Hastig kletterte ich hinauf. Und voller Erleichterung sah ich, dass sie es wirklich war.
Megumi starrte in die Wolken, und da ich keine bessere Idee hatte, ließ ich mich neben ihr zu Boden sinken und starrte ebenfalls hinauf.

„Wunderschön“, murmelte ich.
„Ja, die Wolken sind wirklich herrlich heute.“
„Ich meinte nicht die Wolken“, erwiderte ich und sah zu ihr herüber.
Megumi wurde rot. „Du musst das nicht tun, Akira. Ich… Ich habe mich schon damit abgefunden. Du brauchst mir nicht zu sagen, was ich hören will…“
„Womit abgefunden?“, fragte ich leise.
„Damit abgefunden, dass du mich nicht liebst. Nicht auf die gleiche Art, auf die ich dich liebe. Ich verstehe es jetzt langsam.“
Erschrocken sah ich sie an. „M-Megumi, du…“
„Ich sagte schon, ich bin drüber hinweg. Ich liebe dich, aber ich sehe jetzt, dass du mich nicht liebst. Für dich bin ich bestenfalls ein Ersatz für deine Schwester. Ich habe das lange nicht erkannt. Aber es tut mir nicht mehr weh.“ Sie seufzte leise. „Trotzdem will ich weiter bei dir sein. Bei dir wohnen. Das mit dir teilen, was du bereit bist zu geben. Ich weiß, das ist so unreif und selbst zerstörerisch. Aber ich bin nicht stärker.“
Ich wollte aufspringen. Sie anbrüllen. Ihr Vorwürfe machen. Irgendetwas tun, was ihr bewies, dass sie Unrecht hatte. Aber stattdessen verschränkte ich nur die Arme hinter dem Kopf.
„Ich liebe dich aber“, sagte ich leise.
„Ich weiß“, erwiderte sie. „Aber diese Form der Liebe reicht mir nicht. Ich will mehr, Akira. Ich will dich ganz. Doch wie es aussieht, muß ich dich mit der ganzen Welt teilen.“
„Vielleicht musst du das nicht“, sagte ich sanft.
„Nein, tu das nicht. Nicht, nachdem ich mich endlich damit abgefunden habe. Bitte, Akira, sage so etwas nicht. Es reißt nur die Wunden wieder auf, die ich verheilt glaubte.“ Sie legte ihr Kinn auf ihre Brust. „Sag mir bitte nicht, was ich hören will.“
„Ich sage, was ich gerne aussprechen will“, erklärte ich trotzig.

Megumi wirbelte herum, kam halb auf mir zu liegen. Ihre Lippen drückten sich auf meine. Ich spürte ihren Kuss so intensiv wie es sonst nur eine Verletzung konnte. Und ich spürte die Trauer, die hinter diesem Kuss lag.
Sie löste sich von mir. Tränen standen in ihren Augen, aber sie lächelte. „Wenigstens das habe ich von dir.“
Sie erhob sich und sprang vom Dach.
Ich warf mich zum Rand des Daches und sah ihr nach. „MEGUMI!“
Bevor sie im Treppenhaus verschwand, winkte sie noch einmal zu mir hoch. „Wir sehen uns Zuhause, Akira.“
Ich schluckte hart. Warum hatte sie ihr Hemd so weit herunter geknöpft?

7.
Langsam, geradezu gemächlich zog ich mich an. Eine weite, schwarze Stoffhose, die mir Bewegungsfreiheit garantierte. Ein loses, schwarzes Stoffhemd aus Flanell, welches verhindern würde, dass ich mich erneut erkältete.
Dazu das Katana auf meinem Rücken. Die schwarze, abgewetzte Lederjacke darüber bildete das I-Tüpfelchen. Ich war bereit.
Ich ließ mich auf mein Bett fallen und zog meine Socken an, natürlich auch in schwarz.
„Du willst also wirklich gehen“, sagte Megumi vom Eingang her.
Im Gegensatz zu heute Nachmittag wirkte sie wie sonst auch. Es schmerzte mich, ihr dabei zuzusehen, wie sie diese Scharade aufrechterhielt. Aber ich wusste, dass ich nichts tun konnte, um sie von meinen Gefühlen zu überzeugen.
Wie denn auch, wenn ich selbst noch nicht wusste, was ich für sie fühlte? Ich brauchte Zeit. Und ich war dankbar dafür, dass sie für diese Zeit meine Nähe nicht verließ.
„Kein Krieger kann einer Herausforderung widerstehen“, antwortete ich fest.
„Erzähl mir nicht so einen Quatsch. Selbst Ihr Männer kommt nicht immer mit der Ausrede durch, Ihr hättet zuviel Testosteron im Blut. Außerdem hast du zu wenig rohes Fleisch gegessen“, erwiderte sie.
„Wenn du es genau wissen willst, Doitsu Ataka ist mein Freund. Und wenn dieser Freund eine solche Forderung stellt, dann ist ihm etwas sehr ernst. Und als sein Freund habe ich die Pflicht, diesen Ernst zu respektieren. Deshalb werde ich gehen.“
„Ich komme mit“, sagte sie ernst.
„Das brauchst du nicht. Das wird ne typische Männerrunde. Wir machen uns gegenseitig Vorwürfe, versuchen einander umzubringen, das übliche halt“, scherzte ich.
Megumi warf mir einen spöttischen Blick zu. „Du wirst mich nicht los, Akira.“
„Bist du nicht noch entrüstet und verletzt wegen heute Morgen?“ Ich setzte meine größte Trumpfkarte und schämte mich sofort dafür.
„Klar bin ich das. Ich habe ja auch nur gesagt, dass ich mit komme. Dir zu helfen habe ich mit keinem Wort erwähnt, Akira. Vielleicht habe ich Glück und ich kann dabei zusehen, wie du so richtig fies verprügelt wirst“, konterte sie.
„Du kannst ja ein richtiges Biest sein, wenn du willst.“
„Hey, ich wurde an über zwanzig Handfeuerwaffen ausgebildet, beherrsche seit drei Jahren einen Hawk-Mecha, habe über einhundert gegnerische Piloten besiegt, viele dabei getötet. Natürlich kann ich ein Biest sein.“
„Bist du bestechlich? Ich hätte dich nämlich gerne auf meiner Seite anstatt auf der meiner Gegner“, brummte ich.
„Darauf hast du leider keinen Einfluss, Akira“, sagte sie mit falschem Bedauern in der Stimme.
„Okay. In drei Minuten gehe ich los. Sei da oder sei es nicht“, sagte ich und gab mich geschlagen.
Megumis Augen leuchteten auf. „Ich brauche nur zwei.“

Als sie aus dem Türrahmen verschwunden war, ging ich langsam zur Haustür. Bedächtig griff ich mir die leichten Sportschuhe, zog sie an und verschnürte sie.
Kurz bevor ich fertig war, landete Megumi neben mir und zog ihr Paar Schuhe an. Ich hatte nicht gerade Pumps erwartet, aber die Sportschuhe überraschten mich doch.
Auf meinen Blick zuckte sie nur mit den Achseln. „Vielleicht muss ich dich ganz schnell im Stich lassen“, scherzte sie.
Als ich darauf mit einem herzzerreißenden Blick antwortete, gab sie mir einen Klaps gegen die Schulter. „War nur Spaß.“
Nach außen hin lächelte ich, aber im Innern machte mir die Situation Angst. Sie hatte mir gerade erst ihre Liebe gestanden. Und nun benahm sie sich wie immer, nur ein, zwei Stufen aufgedrehter. Zu einem Zeitpunkt, zu dem ich noch überhaupt nicht wusste, wie tief ich für sie wirklich empfand. Das ich sie ebenfalls liebte, stand für mich außer Frage. Nur war es genug, um für sie zu sterben?
Ich dachte kurz daran, wie ich mit Blue Lady Hawk unter Einsatz meines eigenen Lebens Lady Death vor einem harten Absturz bewahrt hatte. War es genug, um auch ein zweites Mal für sie zu sterben?
Wütend schüttelte ich den Kopf. Warum war ich nur so unentschlossen?

Kurz sah ich hinter mich. „Du brauchst nicht mitkommen, Akari.“
Der Oni verharrte hinter mir und verbeugte sich tief. „Ja, Meister.“
Ich erhob mich, um das Haus zu verlassen, Megumi neben mir. Als sich die Haustür fast geschlossen hatte, griff ich zu und öffnete sie wieder einen Spalt. Ich seufzte tief. „Nun komm schon.“
Der Oni sah freudestrahlend auf und sprang auf. „Ja, Akira-sama!“

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Ich erkannte die Lagerhalle kaum wieder.
Letzten Freitag hatten wir, Doitsu, Yoshi, ich und Kenji im kleinen Büro der Halle ein wenig gepokert. Damals war die Halle mit Waren überfüllt gewesen. Heute aber war sie leer geräumt. Ein einzelner Spot entriss den blanken Hallenboden der Dunkelheit.
Als ich eintrat, Megumi schräg links hinter mir und meinen Oni auf der anderen Seite, flammten mehrere Scheinwerder auf und enthüllten weitere Details. Unter anderem gut zehn Männer, die schwarze Anzüge trugen.
Ich registrierte mit sicherem Blick die Beulen auf den Innenseiten der Jacken, die auf versteckte Waffen schließen ließen. Die klischeehaften Sonnenbrillen und die auffälligen Ohrstecker, die zu einem Kommunikationssystem gehörten, brachten meine Vermutungen auf den Punkt.
Doitsu Ataka stand vor der Reihe aus Männern. In der linken Hand hielt er ein Katana. Er lächelte freudlos. „Komm rein, Akira.“
Für einen Moment zögerte ich. „Megumi, geh. Akari, du achtest auf sie.“
„Was? Du willst da rein? Ohne Rückendeckung?“, beschwerte sich die Mechapilotin.
„Uno-kun!“, sagte Doitsu förmlich. „Du solltest auf Akira hören.“
„Ich lass ihn doch nicht hier alleine, mitten unter…“ Megumi stockte mitten im Satz.
Die Männer hinter Doitsu begannen leise zu lachen.
Ich sah sie an, aber ihr trotziger Blick sprach tausend Bände. Unauffällig berührte sie mit der Rechten ihre Jacke. Ich verstand die Geste. Hatte dieses kleine Biest wirklich eine Waffe mitgebracht…
Ich seufzte leise. „Na, dann los.“

Mit zwei schnellen Schritten hatte ich den großen Spot erreicht, an dessen Rand nun auch Doitsu trat. Wir sahen einander lange in die Augen.
„Hier bin ich, wie bestellt“, sagte ich endlich. „Was kann ich für dich tun?“
Doitsu schob in der für ihn so typisch dramatischen Geste seine Brille die Nase wieder hoch. „Vorweg, es tut mir aufrichtig Leid, Akira. Bitte nimm es nicht persönlich.“
„Es würde mir helfen zu wissen, was ich nicht persönlich nehmen soll“, murrte ich.
„Und warum du dafür so viele Helfer brauchst!“, erklang hinter mir eine bekannte Stimme.
Yoshi, natürlich. Kurz wandte ich mich nach hinten und sah den Freund eintreten. Er wirkte ernst und konzentriert.
„Wo hast du so lange gesteckt?“, scherzte ich.
„Wie dem auch sei. Wenn Ihr beide schon einmal hier seid, Uno-kun, Yoshi-kun, kann ich es auch nicht ändern. Es hätte mir aber sehr gefallen, wenn ich die Sache mit Akira alleine hätte austragen können“, sagte Doitsu leise.
„Oh, kein Bange. So lange die Sache auch unter euch beiden bleibt, werden wir nichts unternehmen“, sagte Yoshi ernst und trat knapp hinter mich.
„Alter, das sind ein paar viele, zudem haben die Wummen“, flüsterte er mir zu. „Ich kann sie zwar nicht sehen, aber Akari ist doch hoffentlich auch hier, oder?“
Ich nickte knapp. Erleichtert trat Yoshi wieder einen Schritt zurück.

„Also, Doitsu, alter Freund. Wollen wir noch warten, bis Kenji und Kei eintreffen oder erklärst du mir gleich, was du von mir willst?“
Doitsu lächelte zu mir herüber. Ein Schimmer schien dabei von seinen Zähnen auszugehen. „Ich denke, wir können beginnen, Freund.“ Er trat einen Schritt vor. „Du solltest wissen, Akira, dass meine Familie… In einem kleinen Unternehmen beschäftigt ist, dass sich um das Wohl und die Belange von Privatleuten und kleineren Firmen kümmert.“
Die Anzugträger lachten leise dazu.
„Damit dieses Geschäft reibungslos funktioniert, gibt es Regeln. Regeln, die man nicht brechen sollte. Respekt ist eine dieser Regeln. Du hattest vor einiger Zeit einen kleinen Zusammenstoß, nicht wahr? Drei meiner… Mitarbeiter sind mit dir kollidiert und es kam zu einem Kampf.“
Ich dachte an die Nacht auf dem Hügel, als mich die Yakuza verfolgt und mit Katanas bedrängt hatten. Wie Akari befreit wurde. Langsam nickte ich.
„Die… Sache ging für mein Unternehmen äußerst unbefriedigend aus, Akira. Nun verlangt es der Respekt, den ich für meine Mitarbeiter empfinde, dass ich dieses Ergebnis korrigiere.“
„Das war es also? Wir zücken unsere Schwerter und schlachten uns ab? Weil deine Leute das letzte Mal gegen mich verloren haben?“, fragte ich mit eisiger Stimme.
„Ja, so in etwa kommt es hin. Ich habe allerdings nicht vor, mich abschlachten zu lassen“, sagte Doitsu und schob wieder die Brille die Nase hoch.
„Ich ebenso wenig. Aber bevor wir das tun, solltest du wissen, dass diese drei… Mitarbeiter versucht haben, mein Katana zu stehlen. Du verstehst hoffentlich, dass ich das nicht zulassen konnte, oder?“
Kurz trafen sich unsere Blicke. Doitsu ließ den Arm mit der Waffe sinken.
„Sama!“, rief eine Stimme aus dem dunklen Hintergrund der Halle. Ein groß gewachsener Mann mit schneeweißem Haar trat in den Lichtkreis. Auf seinem Gesicht zeichnete sich eine große, X-förmige Verbrennung ab. „Ich verlange Gerechtigkeit! Die musst du mir geben!“
Ich erkannte den Mann kaum als den Wortführer der Gruppe wieder, gegen die ich gekämpft hatte. „Ach, der schon wieder. Hat dir die Hinrunde nicht gereicht?“
Ich wandte mich ihm zu. „Wenn du so sauer auf mich bist, warum trittst du nicht gegen mich an?“
Entsetzt wich der Weißhaarige einen Schritt zurück. „Ich bin kein Gegner für dich. Aber Ataka-sama wird dich besiegen!“
Doitsus Kiefer mahlten aufeinander. „Aniki… Ich bin enttäuscht von dir. Unter welchen schlimmen Voraussetzungen hast du mich hierher gelockt? Mich gezwungen, einem Freund ein Duell aufzuzwingen? Das ist keine Tat, die Respekt gebiert und keine Ehre trägt.“
„Sama. Wir sind alle hier! Er ist hier! Ich verlange mein Recht!“
Ruckartig wandte sich Doitsu ihm zu. „Rache ist eine Sache. Aber gewöhnlicher Diebstahl…“
Im Dunkel der Halle spannten sich unüberhörbar die Hähne von mehreren Waffen. Das metallische Klicken war für jeden unverkennbar, der es einmal gehört hatte.
„Sama. Ich bestehe darauf.“ Ein breites, hässliches Grinsen verunzierte sein vernarbtes Gesicht.
„Du sinkst immer tiefer, Aniki. Ich werde mir dafür deine Hand holen“, hauchte Doitsu ernst.

Ich fixierte diesen Halunken. Er hatte tatsächlich ihm ergebene Männer mitgebracht, die nun nicht nur mich, sondern auch Doitsu und seine Leute bedrohten.
Akari erschien neben mir. „Meister. Außer den zehn hinter Doitsu-sama befinden sich fünf weitere hier unten in der Halle, drei oben auf einer Galerie und weitere vier an allen Ausgängen. Soll ich?“
„Nein, noch nicht, Akari“, flüsterte ich belustigt.
Ich machte einen Schritt auf den Weißhaarigen zu. „Der Oni hat dich ja fürchterlich zugerichtet, hm?“, rief ich laut. „Sei froh, dass er sich damit zufrieden gegeben hat, dich noch hässlicher zu machen. Dein erbärmliches Leben hat er dir ja gelassen.“
Mein Gegenüber begann zu zittern. „Du…“
„Oni?“, fragte Doitsu interessiert.
„Ach, hat er das gar nicht erzählt? Als er mit zwei seiner Männer hinter mir her war, hat er auf einem Hügel nahe eines Tempels einen kleinen Schrein zerstört. In dem Schrein wohnte ein Oni. Der nahm das nicht wirklich gut auf und hat ihn tüchtig in die Mangel genommen. Deshalb hat er jetzt diese Narbe und die weißen Haare.“
Doitsu nickte. „Verstehe. Und mir hat er erzählt, du warst das.“
Wütend schüttelte ich den Kopf. „Kann ich Haare färben, oder was?“
„Das doch nicht, die Narbe“, korrigierte sich Doitsu.
„Oh. Ja, verstehe.“ Ich sah den Burschen erneut an. „Wie du siehst, hässlicher Kerl, hat der Oni mich verschont. An deiner Stelle würde ich mich jetzt fragen: Wieso? Und dann gleich noch etwas anderes: Wo ist dieser Oni jetzt?“
Angst glomm in den Augen des Weißhaarigen auf. Sein Blick ging in der Halle hin und her, aber entdeckten natürlich nichts.
„Soll ich, soll ich?“, rief Akari aufgeregt.
Ich schüttelte kurz den Kopf. Der Oni war mein Trumpf. Ich wollte ihn nicht zu früh einsetzen.
„Du solltest gehen, solange du noch Zeit dafür hast“, stellte ich fest, während mein Gegenüber langsam in Panik verfiel.
„Du machst mir keine Angst. Der Oni ist nicht hier. Er kann nicht hier sein! Das ist unmöglich!“

Im Hintergrund der dunklen Halle ertönte ein lautes Knacken. Der Weißhaarige zog seine Waffe und feuerte einen kurzen Schuss in die entsprechende Richtung.
Akari hob neben mir beteuernd die Hände. „Ich war das nicht!“
Mein Blick wechselte kurz zu Doitsu. „Der Kerl hat definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank. Schmeiß ihn besser raus, solange du noch kannst.“
„Wer hat nicht mehr alle Tassen im Schrank?“ Von einem Moment zum anderen sah ich in die Mündung einer Walter PPK.
Ich schluckte trocken. Die Situation war übel. Zehn Mann, wohl eher Doitsu ergeben, waren hier in der Hallenmitte. Acht, die auf Weißhaar hörten, befanden sich hier in der Halle, vier weitere an den Ausgängen, die ich der Einfachheit halber auch ihm zuordnete. Zudem hatten sie Deckung durch die Dunkelheit, während wir hier geradezu im Rampenlicht standen.
Ich schnippte mit den Fingern. „Akari.“
Der Oni trat neben mich. „Meister?“
„Kannst du die Halle ausleuchten?“
„Mit wem redest du da, Akira?“, fragte Doitsu erstaunt.
„Ja, dafür muß ich aber sichtbar werden.“
„Gut, tu es.“

Kurz darauf gab es einen gewaltigen Lichtblitz, der mich beinahe blendete, obwohl ich meine Augen mit dem Unterarm abgedeckt hatte. „Das war etwas zuviel des Guten“, beschwerte ich mich.
„Das war ich nicht“, widersprach der Oni.
Ich öffnete die Augen und blinzelte. Ich erkannte gerade rechtzeitig genug von meiner Umgebung, um zu sehen, wie der Weißhaarige die Waffe wahllos von sich hielt und den Abzug ziehen wollte. Und die Waffe deutete auf… „MEGUMI! RUNTER!“
Der Schuss fiel, und mein Herz blieb stehen. Ich fuhr herum, glaubte sehen zu können, wie die Kugel an mir vorbei flog. Auf Megumi zu, die sich bei meiner Warnung zu Boden geworfen hatte. Ich sah die Kugel in ihr Haar eintreten, es aufwehen… Und hinter ihr eine Glasscheibe zerschlagen.
Wieder wirbelte ich herum, wollte mich auf den Kerl stürzen, aber da hockte er bereits auf dem Boden und umklammerte seine Rechte. Ein Pfeil steckte in ihr.
Yoshi hatte seinen Bogen mitgebracht und bereits einen zweiten aufgelegt. „Nächstes Mal ziele ich auf dein Herz.“
„Macht sie fertig! Los, tötet sie, tötet sie alle!“, blaffte der Weißhaarige.

In diesem Moment betrat der Besitzer der Blendgranate die Halle – und brachte zehn Freunde mit. Als die Männer im Anzug sahen, dass die Neunankömmlinge automatische Waffen trugen, unterließen sie den Griff zu den eigenen Waffen.
Ich zählte zwanzig Soldaten, die zielsicher und schnell genau die Yakuza in die Mangel nahmen, die nicht zu Doitsu gehörten.
Dann betrat er die Halle. Und ich erstarrte. Ich kannte dieses Gesicht. Nur zu gut.
„Sensei“, hauchte ich.
Der ältere Mann ließ seinen Blick durch die Halle gleiten, bis er auf Megumi ruhte. Dann wanderte der Blick zu mir weiter.
Megumi, natürlich! Ich hatte mich gar nicht weiter um sie gekümmert, nachdem die Kugel sie verfehlt hatte.
„Mir geht es gut!“, sagte sie, als ich sie ansah. „Mir tun zwar die Hände vom auffangen weh, aber das ist nicht so schlimm. Kümmere du dich gefälligst um den da.“
Irritiert sah ich wieder zurück zu Sensei. Das war nicht gerade respektvoll gewesen.
„Nun, Ataka-kun, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich diese Männer entfernen. Darüber hinaus dürfte Ihr Streit mit meinem Schüler damit erledigt sein“, sagte der Mann mit fester, ernster Stimme.
Doitsu sah ihn an. „Ich bin nicht in der Position, Ihnen etwas vorzuschreiben“, stellte er fest. „Aber gestatten Sie mir eine Frage: Wer sind Sie?“
„Ich bin Jeremy Thomas. Commander Jeremy Thomas. Ich war lange Zeit, Akiras Lehrmeister. Und ich bin es seit heute erneut.“
Mir ging ein kalter Schauder über den Rücken. Mit diesem Mann war ich zum Mars geflogen. Er hatte die YAMATO kommandiert. Er hatte seinen Hals und den seiner Crew riskiert, um mich und Megumi aus der dicken Scheiße raus zu holen. Er war… Ein leuchtendes Vorbild.
Ernüchternd erinnerte ich mich an eine weitere Sache, die Jerry betraf: So ernsthaft er in einer Schlacht war, so gut er auch kommandierte, er hatte ein gewaltiges Problem. Er verhätschelte uns so sehr, dass es bis hart an die Schmerzgrenze ging. Besonders Megumi und…
Nun, wir hatten eigentlich alle drunter zu leiden gehabt. Aber er hatte es eigentlich immer gut gemeint.
„Sind damit alle Fragen geklärt? Kann ich Colonel Otomo damit wieder mitnehmen?“, fragte Commander Thomas leise.
„Nun, der Streit ist beigelegt“, sagte Doitsu leise. „Ich wurde unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen hierher gelockt.“ Im Hallenhintergrund organisierte sich der Abmarsch der Gefangenen.
„Aber eine Sache gibt es da, die noch nicht erledigt ist“, stellte Doitsu fest.
„Was denn noch?“, rief Megumi aufgebracht. „Er sollte bestohlen werden. Die Typen, die dich hergelockt haben, haben das veranlasst. Wo siehst du bitte noch einen Grund, um sich zu prügeln?“
„Du bringst es auf den Punkt, Megumi“, sagte ich ernst. Ein flüchtiges Grinsen huschte über mein Gesicht. Ich löste die Schnur, die das Katana unter der Lederjacke auf meinem Rücken hielt und fing es geschickt mit der Linken auf. Langsam führte ich den Griff nach vorne.
„Richtig. Er ist hier“, erwiderte Doitsu und legte sein Katana mit der Linken an die Hüfte, „ich bin hier, wir tragen beide Schwerter.“

„Das ist alles? Ihr wollt mit tödlichen Waffen aufeinander losgehen? Weil Ihr es könnt?“, rief Megumi verzweifelt.
Langsam, Doitsu nicht aus den Augen lassend, trat ich in den Mittelspot zurück. Mit einem Ruck warf ich die Lederjacke nach hinten und zog sie aus.
Doitsu öffnete seine Anzugjacke und warf sie ebenfalls nach hinten. Langsam begannen wir einander zu umkreisen.
„Ich habe dich schon sehr oft beim Kendo beobachtet, Akira. Ich freue mich auf diese Gelegenheit. Ich freue mich wirklich auf diese Gelegenheit“, sagte Doitsu mit einem Glitzern in den Augen.
„Und ich habe mich immer gefragt, wie stark du wirklich bist. Dein Geschick und deine Strategie waren immer eloquent. Deine Arme sind sehr stark. Es war offensichtlich für mich, dass du etwas trainierst, was starke Arme erfordert. Ich hätte allerdings auf boxen getippt.“
„Tai-boxen, wenn du es genau wissen willst“, sagte Doitsu leise.
Wir stoppten in unserer Bewegung, sahen einander an.
Dann verbeugten wir uns voreinander und die Umstehenden wichen hastig bis an die Hallenwände zurück. Jemand erbarmte sich und machte das ganze Licht in der Halle an. Bis auf die zehn Gefolgsleute, meine Freunde und drei Kommandosoldaten unter Jerry war die Halle fast leer.
Ein ideales Kampfgebiet.

Mein linker Daumen legte sich unter das Stichblatt des Katana und schob es ruckartig ein paar Zentimeter aus der Scheide. Direkt in die griffbereite rechte Hand. Ich griff zu und führte sofort einen Hidarikiriage aus, einen Aufwärtschlag von links unten.
Doitsu blockte, und unsere Klingen trafen aufeinander, verharrten sekundenlang, nur von unserer Kraft getragen, in der Luft.
Dann sprangen wir auseinander und begannen wieder einander zu umkreisen.
Ich hob das Katana zu einem Karatake, einem von oben geführten Schlag und griff ihn frontal an. Doitsu fing meinen heftigen Hieb mühelos ab, war aber nicht auf den Tritt vorbereitet, der ihn mittig auf den Bauch traf und meterweit durch die Luft wirbelte, mitten hinein in einen Stapel alter Kisten. Er zerbrach Dutzende der Holzkisten und verschwand in einer Staubwolke. Was war in den Kisten drin gewesen? Exportsand aus der Sahara?
Es vergingen ein paar Sekunden, dann erkannte man einen Schatten in all dem Staub, der aufrecht mit einem Katana in der Hand auf mich zuging.
Kurz darauf brach Doitsu aus dem Staub hervor und japste nach Atem. „Widerliches Zeug. Das schmeckt echt grauenvoll. Hey, Akira, der Tritt war nicht gerade fair.“
„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir Regeln vereinbart haben“, konterte ich amüsiert.
„Na warte“, brummte Doitsu, und ein freudiges Leuchten trat in seine Augen. Er attackierte mich frontal, wir tauschten ein paar sehr schnelle Hiebe aus, hauptsächlich Miginagi und Hidariginagi, Schläge auf den Rumpf. Doch Doitsu bekam für einen Moment Oberwasser und führte einen Tsuki aus, einen Stich aus nächster Nähe. Mühsam brachte ich mein Katana hoch und drückte die Waffe fort von mir. Und bot ihm genügend Eröffnung, um mir sein Knie in den Magen zu rammen. Ich taumelte mehrere Meter zurück. Alles krampfte sich in mir zusammen. Ich stürzte auf die Knie herab, ließ das Katana aber nicht fahren. Ein Hustenreiz geißelte mich für mehrere Sekunden und endete damit, dass ich Blut spuckte.
Verdammt, hatte er mich so schwer erwischt? Den Magen, die Lunge?
Eine kurze Untersuchung in meinem Mund offenbarte, dass ich im Eifer des Gefechts auf Zunge und Wangeninnenseite gebissen hatte. Der salzige Geschmack von Blut erfüllte erneut meinen Mund und ließ mich wieder husten. Ich wischte mir den Mund ab und erhob mich wieder. „Weiter geht es.“
„Gut. Wenn du schon aufgegeben hättest, wäre es ja auch langweilig geworden, Akira“, kommentierte Doitsu und griff wieder an.
Ich hatte meine Kräfte überschätzt, der Kick mit dem Knie war viel zu hart gewesen und ich hatte mir zu wenig Zeit für die Erholung gegönnt. Deshalb wurde ich von Doitsu in die Defensive gedrängt. Er führte hauptsächlich Karatake-Hiebe aus, die ich schließlich nur noch abwehrte. Doch das forderte ihn nur noch mehr heraus und langsam fühlte ich die Kraft aus meinen Händen weichen. Für einen Augenblick zog ich ernsthaft in Betracht, hier zu sterben. Wirklich zu sterben.
Dann trieb ein weiterer Hieb des Freundes, der nun wie ein Besessener auf meine Deckung eindrosch, die Waffe bis auf wenige Zentimeter über meinen Augen zurück.

„AKIRA!“, hörte ich Megumi rufen. Ich sah hoch zu Doitsu, der keine Anstalten machte, seinen Angriff abzubrechen. Und schloss die Augen.
Mit Gewalt drückte ich meine Waffe wieder hoch. Ich öffnete die Augen wieder und sah, dass mein Katana in einem fahlweißen Licht flammte. Mein KI breitete sich auf der Waffe aus.
Doitsu verharrte zwei Meter von mir entfernt und schüttelte die rechte Hand. „Autsch, das tat weh. Eine KI-geschützte Waffe ist ganz schön hart.“
Er grinste breit, nahm sein Katana wieder in beide Hände und sah dabei zu, wie seine eigene Klinge in purem KI gebadet wurde. „Aber wenigstens kämpfst du jetzt mit voller Kraft gegen mich. Brauchst du noch Luft, oder kann es weiter gehen?“
Ich grinste matt. KI, die geheimnisvolle Kraft, die jedem Körper innewohnte. Jedem lebenden Wesen, jeder lebenden Zelle.
Jene geheimnisvolle Kraft, die neben Blut und Lymphe einen eigenen, beinahe mythischen Kreislauf im menschlichen Körper hatte. Die Energie, die sowohl zerstören als auch heilen konnte.
KI bildete sich eigentlich immer, aber eigentlich immer dann besonders gut, wenn Yin, das Starke, und Yang, das Sanfte, einander die Waage hielten.
Ein Mensch, der mit KI geübt war, konnte dieses KI gezielt erzeugen, indem er die Gleichheit von Yin und Yang herbeiführte und steigerte.
Es gab bestätigte Berichte, wonach KI auf andere Menschen zu Heilungszwecken projiziert worden war. Und es gab Tatsachen wie diese, wo eine Waffe durch das KI schärfer, schneller, stärker und stabiler geworden war.
Mein KI erschien mir unbegrenzt. Immerhin hatte ich sogar ein Herkules-Schwert mit meinem KI überzogen.
Damit rührte ich immer noch nur an der Oberfläche der Fähigkeiten, über die ein wahrer KI-Meister verfügte. Aber für heute und jetzt reichte es mir vollkommen.
„Es kann weiter gehen“, raunte ich und lief, die Klinge zu einem Miginagi angehoben, auf meinen Gegner zu.
Doitsu verlagerte auf einen Karatake und für einen Moment wusste ich nicht, ob dies eine Finte war oder ob er rechtzeitig blocken würde. Bis wir einander passierten.
Und erstarrten.

Ich schluckte hart und trocken, als sich die Spitze des Katanas in meinen Hals bohrte und einen kleinen Blutstropfen herab rinnen ließ.
Doitsu schluckte nicht weniger hart, immerhin lag meine Klinge auf seiner Halsschlagader.
„Das reicht jetzt“, sagte Commander Thomas laut. Er stand zwischen uns, weiß der Henker, wie er das so schnell geschafft hatte. Und er hatte nicht nur unseren Sturmlauf gestoppt, sondern auch die Griffe unserer Waffen geführt, damit sie auf unsere Kehlen zielten.
„Keine Einwände“, murmelte ich und beobachtete, wie das Blut auf Doitsus Klinge floss, wo das KI es langsam verdampfte.
„Ich hatte genügend Spaß für heute“, bestätigte der Freund.
„Na, dann ist ja gut.“ Der Commander ließ die Griffe los und wir konnten unsere Waffen wieder senken. Erleichtert atmete ich auf und löschte das KI um meine Klinge. Auch Doitsu tat es, wischte die Waffe kurz mit einem Tuch aus Reispapier ab und machte sich auf, um das kunstvoll verzierte Futteral aufzulesen.
„Das hat Spaß gemacht, Akira“, sagte er aufgeregt. „Das sollten wir bei Gelegenheit wiederholen.“
„Von mir aus gerne. Sag wann und wo und… Auuutsch!“
„Nichts wirst du!“, blaffte mir Megumi ins Ohr. In das Ohr, dessen Ohrläppchen sie ohnehin gerade schmerzhaft malträtierte. „Ich stehe doch nicht noch mal tausend Ängste um dich aus, Akira! Du gehst jetzt schön mit uns nach Hause, klar?“
Wütend setze sich Megumi in Bewegung, lockerte aber nicht den Griff um mein Ohr, sodass ich ihr in einer sehr unbequemen Haltung folgen musste. „Heeeey“, protestierte ich.
Das breite Grinsen Yoshis und Akaris Kichern, das sie hinter einem Ärmel zu verbergen versuchte, ignorierte ich. Zumindest versuchte ich es.
**
„Nun erzähl schon, Seinsei. Wie ist es dir ergangen?“, fragte ich aufgeregt und schenkte dem Mann Reiswein nach.
Jeremy Thomas unterbrach kurz seine Tätigkeit, ausgiebig Megumis Kopf zu tätscheln, und sah zu mir herüber. „Danke, mein Junge. Nun, wie du weißt, bauen wir ja den zweiten Fahrstuhl über dem Nordatlantik. Sobald ARTEMIS und APOLLO fertig sind, können wir einen fast hundertprozentigen Schutz aufbauen. Dann werden die Kronosianer auch ihre Rekrutierungen nicht mehr so offensichtlich durchführen können. Geschweige denn auf die Erde zu gelangen oder sie wieder zu verlassen.“ Er begann wieder damit, Megumis Kopf zu tätscheln. „Das tun wir alles für euch. Ihr seid die Zukunft. Die Hoffnung der Menschheit. Und damit meine ich euren Jahrgang, weniger euch zwei Elitesoldaten.“
„Na ja, Elite“, murmelte ich amüsiert.
„Wer von mir ausgebildet wurde, gehört zur Elite“, erwiderte Jerry ernst.
„Schon gut, schon gut“, rief ich und hob abwehrend die Hände. „Ich will deine Fähigkeiten als Ausbilder nicht kritisieren.“
„Dein Glück“, brummte er und setzte das Tätscheln fort. Megumi seufzte ergeben.
„Jedenfalls wurde ich von ARTEMIS wieder abgezogen. Für den bevorstehenden Angriff auf den Mars. In einem Jahr können wir soweit sein. Und du sollst die erste Attacke führen, Akira.“
Ich erschauerte bei den Gedanken, teils vor Aufregung, teils vor Grauen. „Ich bin nicht sicher, wie ich dazu stehe“, sagte ich leise.
In den Augen des Commanders trat unverholenes Mitleid. „Ich weiß. Dein Verlust, unser Verlust war sehr groß. Aber es ist für das Wohl der Menschheit. Der gesamten Menschheit.
Willst du etwa, dass Menschen in Zukunft in diese Biocomputer integriert werden? Oder auch andere Geschwister und Freunde verlieren?“
„Nein“, sagte ich. Es war eine knappe Antwort, aber ich meinte sie ernst.
„Gut, Akira. Was uns aber zu einer wichtigen Frage bringt“, sagte Sensei und beugte sich vor.
Ich beugte mich ebenfalls vor.
„Ist es in Ordnung, dass diese Zivilisten alles mithören?“ Jerry deutete auf Lilian, Kei und Yoshi. „Von der Dame da mal ganz zu schweigen.“
Akari sah erschrocken auf. „Was? Stimmt was nicht? Bin ich falsch angezogen?“
Ich grinste breit. „Ja, Sensei, das geht in Ordnung.“
„Ich wollte es ja nur wissen“, brummte er und setzte sein Tätscheln fort.
„Kannst du nicht mal jemanden anderen nerven?“, fuhr Megumi ihn an.
„Du magst mich nicht mehr. Mich, deinen alten Sensei“, warf er ihr vor.
„Das ist es nicht“, rechtfertigte sie sich.
„Früher hast du das so gerne gehabt“, meinte er wehmütig.
„Von mir aus mach weiter“, brummte sie. Ihr wütender Blick traf mich. Lautlos formten ihre Lippen die Worte Plätze tauschen, was ich mit einem vehementen Kopfschütteln ablehnte.

In diesem Moment ging die Tür und wir hörten Makoto rufen: „Bin wieder da.“
„Ist das Mako-chan?“, fragte Jerry aufgeregt. „Er wohnt auch hier?“
„Sakura ebenfalls“, stellte ich fest.
Megumi atmete erleichtert auf. Die Aufmerksamkeit ihres und meines alten Lehrmeisters wandte sich einem neuen Ziel zu.
Makoto kam in die Tür und lächelte. „Nun seht mal, wen ich auf der Straße aufgelesen habe.“ Er griff neben sich und zog einen großen, stattlichen, schwarzhaarigen Mann mit Brille in den Türrahmen.
Doitsu Ataka sah verlegen in die Runde und sagte: „Tut mir Leid, dass ich hier so reinplatze. Aber ich bin Zuhause raus geflogen. Kann ich vielleicht diese Nacht bei dir schlafen, Akira?“
„Was? Und das, nachdem Ihr zwei euch fast getötet hättet?“, brauste Megumi auf.
Ich winkte ab. „Wir haben nur gespielt, nur gespielt. Natürlich kannst du bei mir pennen, Doitsu. Komm, wir essen gerade zu Abend. Es ist genügend da und Ino-Sensei kommt sicher auch gleich.“
Zögernd legte Doitsu seine Tasche ab und setzte sich zu uns an den Tisch.
Makoto setzte sich links von ihm und kam so in die Reichweite des Commanders.
„Mako-chan“, sagte Jerry und begann nun Makotos Kopf zu tätscheln, „du hast dich seit der Marsmission ganz schön gemacht. Bist ja sogar noch niedlicher geworden.“
Ich befürchtete einen Wutausbruch meines Cousins, aber stattdessen strahlte er über sein ganzes Gesicht. „Danke, Sensei.“
Yoshi hob eine Hand. „Äh… Mako?“
„Ja?“, fragte er und ließ sich ausgiebig weiter tätscheln.
Yoshi wurde rot. „N-nichts, schon gut.“
Ich wechselte einen schnellen Blick zwischen den beiden. Und schlug eine Hand vor meinen Kopf.
Und wieder hatte mein Leben in dieser Welt noch etwas mehr Gas gegeben.

Ich grinste schwach. „Fehlt nur noch, dass Akane-sempai und Hina-chan auch noch hier einz…“
Megumi war herüber gehastet und schloss meinen Mund mit ihrer Rechten. „Sprich es nicht aus. Sonst passiert es wirklich noch.“
„So ein Quatsch“, brummte ich beleidigt.
„Bei dir ist alles möglich“, konterte sie.
„Das kann ich nur bestätigen“, erwiderte Makoto.
Ich lachte leise und die anderen fielen ein.
Das Leben hier hatte auch viele schöne Seiten.

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29.12.2004 21:45 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Anime Evolution präsentiert: Eine Weihnachtsgeschichte.

Gut gelaunt, nein, sehr gut gelaunt wanderte ich durch die Schule. Wie immer hatte ich den Kragen meiner Schuluniform aufgeknöpft und die Hände tief in die Taschen meiner Hose vergraben. Aber im Gegensatz zu normalen Zeiten lächelte ich vergnügt und pfiff sogar ein Weihnachtslied.
Ja, es weihnachtete sehr. Und das schöne daran war, dass ich die ganze Bande Zuhause haben würde. Sakura, Makoto, Yoshi, Lilian, Hina, Akane, Kei, Doitsu, Akari, Kenji, Daisuke, Sarah, Ami und Megumi. Einem fröhlichen Fest stand nichts im Wege. Kurz nur trübte ein düsterer Gedanke meine Stimmung. Ich war endlich dazu gekommen, mich Vater etwas anzunähern und hatte ihn selbstverständlich für die Feier eingeladen. Aber er hatte abgesagt. Unaufschiebbare Weihnachtsfeier auf dem OLYMP, hatte er gesagt.
Nun, es war sein Leben und somit seine Entscheidung. So wie diese Entscheidung, alle zu mir einzuladen, mein Leben war.

Immer noch fröhlich pfeifend betrat ich die Parallelklasse. Ich tauschte ein paar fröhliche Grüße mit den Jungs und Mädchen aus, während ich mich langsam meinem Ziel näherte. Mein Blick verlinkte sich, die Automatik übernahm und ich schoss direkt auf sie zu: Megumi.
„Frohe Weihnachten, Megumi“, hauchte ich ihr ins Ohr. Ich hatte erwartet, meine Stimme, so nah neben ihr, würde sie erschrecken oder wenigstens etwas aus der Fassung bringen.
Stattdessen tat sie lange Zeit überhaupt nichts, bevor sie sich endlich bequemte, zu mir herüber zu sehen. „Oh. Du bist es, Akira. Gibt es einen Grund für die gute Laune?“
Für einen Moment hatte ich große Lust, verärgert zu sein. Aber schlagartig setzte meine gute Laune wieder ein. „Natürlich. Eben gerade hat Hina-chan zugesagt. Damit habe ich alle unter einem Hut. Das wird ein Fest. Eierpunsch, deutschen Christstollen, viele Weihnachtslieder, ein bunt geschmückter Baum, viel zu essen…“
Für einen Moment lächelte Megumi sanft. „Ich merke es schon, du planst eher westliche Weihnachten.“
„Sommersonnenwende, schon mal davon gehört? Es ist ein westliches Fest“, erwiderte ich.
„Schon gut, schon gut.“ Sie seufzte leise. „Warum darf ich dir eigentlich nichts schenken? Das wird das erste Weihnachtsfest sein, das wir seit langer Zeit zusammen verbringen.“
Das brachte mich dazu, geradezu zu strahlen. „Weil“, begann ich und hob dozierend den Zeigefinger, „diesmal nur ich Geschenke verteile. Ihr seid alle meine Gäste, meine Freunde und mein Leben. Und zu diesem Weihnachtsfest will ich euch alle glücklich machen.“
Wieder lächelte Megumi kurz. Es war ein sehr schönes, sanftes Lächeln, dass mich bezauberte.
„Nur für dich habe ich noch nichts. Gibt es irgendetwas, was sich Lady Death, die Hoffnung der Menschheit zu Weihnachten wünscht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, soweit habe ich alles. Danke.“
„Und wie sieht es mit Megumi-chan aus, meiner Freundin?“
Kurz wurde sie rot. „Du redest wieder, Akira.“ Ihr Blick glitt aus dem Fenster hinaus.
Ich folgte ihrem Blick und sah das satte grün der belaubten Büsche und die knorrigen Skelette der entlaubten Bäume. Ein kalter Wind trieb über den Schulhof und fegte ein paar braune Blätter zusammen.
„Du könntest es für mich schneien lassen“, hauchte sie leise.
„Na, nun bleib mal realistisch. Wie wäre es mit einem Diamantring?“, fragte ich mit einem Zwinkern.
Interessiert sah sie zu mir herüber. „Diamantring? Diamonds are a Girls best Friends. Willst du vielleicht für etwas Wichtiges üben, Akira?”
Ich zwinkerte ihr zu. „Wer weiß, wer weiß. Lass dich überraschen.“
„Idiot“, sagt sie und wandte den Blick wieder nach draußen. Auf ihren Wangen stand tiefe Röte. „Eigentlich wünsche ich mir nur das, was du mir ohnehin schon gibst. Das Fest mit dir feiern.“
„Dann ist für uns beide ein Wunsch in Erfüllung gegangen“, sagte ich leise.
Bevor die Szene peinlich werden konnte, hob ich die Rechte zum Kopf und salutierte spöttisch. „So, ich muß wieder in meine Klasse. Frohe Weihnachten und bis heute Abend!“, rief ich und ging wieder auf den Flur.
**
„Frohes Fest!“, rief Akari, als Kenji und Hina durch den Vordereingang eintraten. Hinter ihnen schob sich Ami in den Flur.
Kenji Hazegawa warf dem Oni einen schiefen Blick zu. „Okay, die rote Pudelmütze mit der weißen Bommel lasse ich mir noch gefallen. Aber dieses Weihnachtsmann-Minirockkleid ist doch etwas gewagt, oder?“
Akari lächelte verlegen. „Ich bin zwar nur ein Oni, aber Yoshi-sama meinte, deswegen könnte ich trotzdem mal meine tollen Beine zeigen. Und zu Weihnachten wäre das nicht unüblich… Hat er gesagt…“
„Stimmt“, kommentierte Ami Shirai und schälte sich aus ihrem Mantel. Sie trug ein ähnliches rotes Kleid, das nur unwesentlich länger war und kurze Ärmel hatte. Dabei strahlte sie mit dem Oni um die Wette. „Frohe Weihnachten, Akari.“
Kenji seufzte leise. „Vielleicht hätte ich doch als Weihnachtsmann verkleidet kommen sollen. Was ist mit dir, Hina? Kommst du nicht?“
„Äh“, machte das blonde Mädchen und öffnete ihren Mantel. Kenji schlug sich eine Hand vor den Kopf, als er ein ähnliches Kleid an Hina sah. Nur war ihres tief ausgeschnitten und ärmellos.
„Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Komm schon, Hina“, ermunterte Kenji sie.
In diesem Moment kam ich aus meinem Zimmer, von wo aus ich die Ankunft der drei mitbekommen hatte.
Kenji seufzte erleichtert, als er sah, dass ich kein Weihnachtsmannkostüm trug.
Dennoch hob er misstrauisch eine Braue. „Ein Smoking, Akira? Gibt es heute eine Kleiderordnung?“
Ich grinste. „Nicht wirklich. Kommt, das Essen beginnt gleich und es sind auch schon alle da.“
**
Nah einem Opulenten Mahl und einigen Weihnachtsliedern, die hauptsächlich nach dem Motto: Besser laut als Richtig gesungen worden waren, bat ich um Ruhe. Doitsu, der ausgelassen wie selten ein neues Lied anstimmen wollte, verstummte mitten im Satz.
„Liebe, gute Freunde“, begann ich. „Erstmal freut es mich sehr, dass Ihr alle gekommen seid. Sonst hätte ich das viele Essen nie geschafft.“
Leises Gelächter antwortete mir.
„Und dann möchte ich noch einmal erklären, warum niemand Geschenke mitbringen sollte.
Heute beschenke nur ich. Damit will ich niemanden beschämen oder belohnen. Ich will einfach den Menschen, die ich liebe, eine große Freude machen. Das ist eigentlich sehr egoistisch von mir, aber gönnt mir das bitte.“
Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und sah in feucht schimmernde Augen oder peinlich abgewendete Gesichter.
„Leider habe ich mir nicht zu jedem so viele Gedanken machen können, aber meine Geschenke kommen alle von Herzen.“

Ich erhob mich, ging kurz in mein Zimmer und kam mit einem Sack wieder.
„Eeeh?“, rief Akari aufgeregt. „Vorhin war aber noch keiner in deinem Raum, Akira-sama!“
„Hast du etwa nach den Geschenken gesucht?“, tadelte ich den Oni, was aber im allgemeinen Gelächter unterging.
Ich lächelte sanft und griff in den Sack. „Da du dich vorgedrängelt hast, hier dein Geschenk.“
Der Oni sah mich überrascht an. „Meister. Du schenkst mir auch etwas?“
Sie nahm das kleine Päckchen entgegen und öffnete es. „Ist das schön. Das ist wirklich für mich?“
Verlegen legte ich eine Hand in den Nacken. „Ich weiß ja, wie vernarrt du in Klamotten bist. Aber ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob dir ein weißer Yukata mit roten Kirschblüten gefallen würde. Der Stoff ist jedenfalls richtig teuer.“
„Danke, Akira-sama“, rief der Oni und fiel mir um den Hals.
„Na, na“, kommentierte ich amüsiert.

„Der Nächste ist Daisuke. Es ist sehr schwierig für dich irgendetwas zu finden. Aber Sarah hat gepetzt. Hier.“ Ich reichte ein schlankes Päckchen an den Mechapiloten.
Er öffnete es und sah sofort erstaunt zu mir herüber. „Der Portefolio über die Hawk-Entwicklung! Die einzige Nummer die mir fehlt. Woher hast du…“ Er verstummte. Dann verneigte er sich leicht. „Danke, Akira. Du machst mir eine große Freude.“
Sarah Anderson, die neben ihm kniete, kicherte leise.
„Und für Sarah habe ich etwas, was mir Daisuke verraten hat. Es war eigentlich ganz einfach, euch gegeneinander auszuspielen“, bemerkte ich amüsiert und zog ein weiteres längliches Buch hervor. Sie warf ihrem Nachbarn einen verwirrten Blick zu, bevor sie das Päckchen mit einem Lächeln entgegen nahm und öffnete.
„Wow. Zehntausend Schachpartien der Großmeister zum nachspielen. Inklusive der Titelkämpfe aller russischen Weltmeister. Ich weiß gar nicht, wem ich um den Hals fallen soll.“
„Im Zweifelsfall Daisuke. Er hat mir den Tipp gegeben“, erwiderte ich grinsend.
Sarah wurde rot. „Später vielleicht.“
Diese Bemerkung ließ nun den Mechapilot erröten…

„Für Sakura-chan habe ich was ganz besonderes: Französische Unterwäsche. Merkwürdigerweise habe ich eines Morgens auf meiner Türschwelle einen Zettel mit dem Namen eines Geschäftes, der Größe und der Farbe von drei Sets gefunden.“
Sakura nahm die kleine Tüte entgegen und erwiderte trocken: „Bevor du mir irgend etwas schenkst…“
Ich lächelte und sah zu Makoto. „Das gleiche habe ich übrigens für dich, mein lieber Cousin.“
„Momomoment!“, rief er über das begeisterte Kreischen der Mädchen hinweg. „Das kannst du mir nicht antun!“
„Stimmt“, erwiderte ich und reichte ihm einen eingewickelten Gegenstand. „Hier, ein neues Shinai für unsere gemeinsamen Kendo-Übungen.“
„Das ist nur recht und billig, Akira“, rief er lachend, während einige der Damen doch enttäuscht wirkten, „immerhin hast du das alte auf dem Gewissen!“
Ich lachte ebenfalls. Und sah zu Yoshi herüber. „Hier. Ein neuer Sportbogen. Ich habe eine Halterung anbringen lassen, eine Art Haken für deine Bannsprüche.“
Der Freund packte sein Geschenk aus. „Danke, Akira. Ich habe dir zwar keinen Zettel auf die Schwelle gelegt, aber das ist genau der Bogen, den ich mir gewünscht habe. Woher wusstest du das?“
„Ach, eine achtlos aufgeschlagene Sportzeitung ist oftmals wie ein Wink mit dem Zaunpfahl“, erwiderte ich.
„War keine Absicht“, beteuerte Yoshi.
„Akane. Für dich etwas zu finden ist so schwer. Erst dachte ich an eine Reitgerte, damit du die Schüler in Zukunft noch besser antreiben kannst.“
Leises Gelächter bestätigte mich. „Doch dann fand ich, dass das hier besser zu dir passt.“
Akane öffnete die Packung mit stoischer Gelassenheit. Doch als sie den Inhalt sah, schmolz sie dahin. „Gesammelte Texte über die Spezielle Relativitätstheorie, mit Originalkommentaren von Einstein. Danke, Akira. Das wollte ich schon immer mal lesen.“
Ich winkte ab. „Schon gut, schon gut. Habe ich wen vergessen? Ne? Dann lasst uns weiterfeiern. Ja, ist ja gut. Ich habe euch nicht vergessen“, rief ich, als die Unbeschenkten laut protestierten.

„Lilian, du hast hier bei uns viele Hobbys entwickelt. Aber dein liebstes sind Konsolenspiele. Deshalb habe ich gedacht, ich gebe dir was zu tun. Diese zehn Spiele werden dich mindestens zehn Tage beschäftigen“, scherzte ich und konnte ihr gar nicht das Paket reichen.
Sie hatte mich sofort umarmt. „Danke, großer Bruder. Danke.“

„Habe ich noch wen vergessen? Hina. Für dich etwas eher Einfaches.“
Das blonde Mädchen öffnete das kleine Päckchen und sah mich entrüstet und erschrocken zugleich an. „Aber Akira-san, das ist doch…“
„Ja, das ist der Orden, den ich erhalten habe, als du mich gerettet hast. Ich wünsche mir, dass du ihn behältst. Er ist vielleicht nicht das richtige Geschenk für ein Mädchen, aber glaube mir, dass er mir sehr viel bedeutet. Ich gebe ihn nicht leichtfertig her.“
„Ich weiß das, Akira-san“, hauchte sie mit feucht schimmernden Augen. Sie erhob sich, kam zu mir und drückte mich kurz. „Mir bedeutet dieser Orden jetzt auch sehr viel. Danke, Akira-san.“

„Es freut mich, das er dir gefällt“, erwiderte ich. Dann fiel mein Blick auf Kenji. „Was schenkt man dem Mann, für den kein Geschenk passt? Tut mir Leid, aber mir ist nichts Besseres für dich eingefallen.“ Langsam zog ich ein großes Bündel aus dem Sack.
„Boxhandschuhe?“, argwöhnte der Riese, als er ihn öffnete.
Ich nickte. „Wie ich schon sagte, ich wusste nicht, welches Geschenk bei dir passt. Also habe ich diese Neun Unzen-Boxhandschuhe besorgt und einen Gutschein für zehn Trainingsstunden.“
Kenji lachte entgegen seiner Art laut auf und klopfte sich auf den muskulösen Bauch. „Das passt, Akira. Ich drohe ohnehin etwas zu fett zu werden. Da kommt mir die Übung gerade recht.“

„Und wieder jemanden glücklich gemacht“, bemerkte ich augenzwinkernd. Ich sah zu den letzten beiden herüber. Ami und Doitsu.
„Ami-chan. Ich kann mich gar nicht entscheiden, was sinnvoller für dich ist. Eine Handfeuerwaffe oder ein Erste Hilfe-Koffer.“
„Sehr witzig“, brummte sie als Antwort, während die anderen kicherten.
„Stattdessen habe ich mich hierfür entschieden.“ Diesmal zog ich einen großen Packen hervor. „Drei Kilo Shojo-Mangas.“
Die kleine Ami Shirai wirkte plötzlich völlig aufgeregt. „Gib her, gib her, das muß ich sehen. Sind Titel dabei, die ich noch nicht kenne?“
Sie riss mir die Bücher beinahe aus der Hand und ging sie durch. „Ooooh, alles neu. Akira, du bist ein Schatz!“

„Natürlich ist alles neu. Einiges davon erscheint eigentlich erst im Januar“, erwiderte ich. Es war ein wunderschönes Gefühl zu schenken. Und heute fühlte ich mich großartig.
Mein Blick traf Doitsu. „Für dich habe ich auch etwas.“
„Irgendwie habe ich das erwartet“, spottete er.
Ich grinste schief und zog einen weiteren länglichen Gegenstand hervor.
Er wickelte ihn aus und staunte. „Wow. Das ist eine fünfunddreißig Zentimeter lange Bowieklinge mit Überlebensausrüstung. Komplett mit Kompass, Angelhaken und Schnur, Streichhölzern, GPS-Sender und, und, und…“
„In Deutschland gefertigt“, kommentierte ich. „Dort stellen sie nach Japan die besten Messer her.“
„Genau das Richtige für mein nächstes Wochenende in den Bergen, Akira. Du kommst doch mit, oder?“, fragte er mit einem Augenzwinkern.
„Na, jetzt, wo wir dank des GPS-Senders nicht mehr verloren gehen können…“, erwiderte ich schmunzelnd.

Ich schlug mir auf die Schenkel. „So, das war es. Der Sack ist leer.“
„Hey. Wo bleibt denn Megumis Geschenk?“, protestierte Lilian aufgeregt. „Kriegt sie nichts?“
Megumi senkte den Blick.
„Sie bekommt ihr Geschenk nachher. Aber jetzt lasst uns erst mal feiern.“
Ein dünnes Lächeln spielte um Megumis Mund, als sie unmerklich den Kopf hob. „Moment, Akira. Da gibt es noch etwas. Du hast zwar gesagt, du willst heute der einzige sein, der etwas verschenkt. Aber das geht doch nicht. Deshalb haben wir alle uns zusammen etwas überlegt. Etwas, was dir wichtig ist. Was dir etwas bedeutet. Worüber du dich freuen würdest.“
Sie erhob sich und ging auf den Flur. Kurz darauf sah ich sie wieder, wie sie mit aller Kraft an etwas zog. Kurz darauf kam ein Arm in mein Blickfeld. „Nun stell dich nicht so feige an, ja?“, rief Megumi laut.
Mit einer letzten Kraftanstrengung hatte sie den dazugehörigen Körper vor die Tür gezogen.
Ich erstarrte und mein Magen verwandelte sich in eine Kohlegrube.
„Frohe Weihnachten, alle miteinander“, sagte Eikichi Otomo und lächelte verlegen. „Akira, ich hielt es ja für keine gute Idee, aber Megumi-chan, Sakura-chan und die anderen haben mich so lange belagert, bis ich zugesagt habe…“
Ich erhob mich mechanisch und ging auf die Tür zu. Dort löste ich Megumis Griff um Eikichis Arm – sanft natürlich.
Die nächste Bewegung kam für Vater sichtlich überraschend. Ich schloss ihn in die Arme. „Willkommen Zuhause, Vater. Jetzt kann Weihnachten erst richtig beginnen.“
Ich legte einen Arm um Eikichis Schultern und zog ihn mit mir ins Wohnzimmer. „Danke. Danke euch allen. Ihr macht mir eine Riesenfreude. Wirklich eine Riesenfreude. Und dabei wollte ich heute doch der einzige sein, der tolle Geschenke macht.“
Ich spürte, wie mir die Tränen liefen. Die anderen lachten und pfiffen. Yoshi stimmte ein Weihnachtslied an, in das alle einfielen. Ich inbegriffen.
**
Eine Stunde später stand ich im Garten und pfiff das Weihnachtslied weiter, das ich in der Schule gepfiffen hatte. Dabei starrte ich in den Himmel. Kurz sah ich auf meine Uhr, danach pfiff ich weiter und musterte die Sterne.
„Akira?“, erklang Megumis Stimme hinter mir.
Ich lächelte. „Komm her, Megumi.“
Leise trat sie neben mich. Sie trug kein Weihnachtskostüm, wenn man von der roten Jacke und der roten Mütze absah.
Sie sah nach oben. „Ein wundervoller Anblick in dieser sternenklaren Nacht. Das All wirkt so friedlich.“
„Ja. Wir wissen es besser, aber dieser Anblick ist so wundervoll. Dieser Teppich aus Licht, das ist reine Magie. Ich wünschte mir, ich könnte sie aus der Nähe sehen.“
Megumi legte ihren Kopf auf meine Brust. „Mir wäre es lieber, wenn du hier bleiben würdest“, hauchte sie.

Ein lautes Brummen in der Luft erweckte unsere Aufmerksamkeit. Ich sah nach Osten.
„Nanu? Das ist eine Fregatte der YAMATO-Klasse. Was macht die im Tiefflug über Tokio?“, argwöhnte Megumi und löste sich von mir.
Ich erwiderte nichts, zog stattdessen ein handliches Funkgerät aus meiner Hosentasche. „Der Kurs ist gut, EDO. Vorgehen nach Plan.“
Megumi sah mich an. „Was hast du vor? Soll die EDO Salut schießen? Aber für ein Feuerwerk ist es doch etwas früh, was?“
Ich lächelte sie an. „Das ist mein Geschenk für dich, Megumi. Das beste, was mir eingefallen ist. Also sei bitte gnädig.“
Sie verzog das Gesicht zu einer spöttischen Miene. „Also, einen Fregattenkapitän dazu überreden, so tief über Tokio hinweg zu fliegen, dass er die Spitze des Towers fast mitnimmt, ist schon eine grandiose Leistung. Nicht unbedingt das übliche Geschenk, Akira“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

Die Fregatte flog wirklich verdammt dicht über den Boden dahin. Für einen Augenblick wirkte es wirklich so, als wolle sie den Tokio Tower rammen, aber das war nur eine optische Täuschung. Schließlich flog sie über uns hinweg, und obwohl sie wusste, dass die Besatzung sie nicht sehen konnte, winkte Megumi der Fregatte hinterher.
Sie lächelte zu mir herüber. „Ich muß sagen, das war ein sehr imposanter Anblick. Da hast du wirklich etwas geleistet, Akira. Ich…“
Irritiert betrachtete sie ihre Nasenspitze. „Was ist das denn? Asche?“
Dann sah sie nach oben. Das Licht, welches aus dem Haus fiel, fiel auf Dutzende weiße Punkte, entriss sie der Finsternis. Aus Dutzenden wurden Hunderte, dann Tausende, bis der ganze Himmel weiß zu sein schien.
„Ho, ho, ho. Frohe Weihnachten, Akira!“, kam die Stimme von Jeremy Thomas über Funk.
„Frohe Weihnachten, Sensei. Und vielen Dank“, antwortete ich, während ich Megumi dabei beobachtete, wie sie durch das weiße Glitzern tanzte.
„Schnee! Das ist Schnee! Richtiger, echter Schnee!“
Sie schaute in den Garten, der mittlerweile von einer weißen Schicht bedeckt war. „Das ist… Das ist…“
Ihr Blick kehrte zu mir zurück. „Akira. Du hast es für mich schneien lassen. Du hast mir weiße Weihnachten geschenkt!“
Stürmisch lief sie auf mich zu, fiel mir um den Hals und trieb uns beide zu Boden.
„Frohe Weihnachten“, hauchte ich und spürte, wie ihre Freudentränen auf mein Gesicht rannen.
„Frohe Weihnachten“, erwiderte sie und gab mir einen langen Kuss.

„SCHNEEBALLSCHLACHT!“, hörte ich Yoshis Stimme rufen und spürte im nächsten Augenblick, wie ein Schneeball an meinem Kopf zerplatzte.Lachend kam ich auf die Beine und half Megumi hoch. Dann bückte ich mich, um einen eigenen Schneeball zu formen. „Den kriegst du wieder!“, rief ich. Neben mir hatte auch Megumi einen Ball geformt. Wir besahen uns kurz das quirlige Treiben unserer Freunde, die sich mittlerweile alle im Garten eingefunden hatten. „Wir tauchen auf der fünf ein und schalten gezielt die Asse aus. Bleib an meiner Seite, ja?“, kommandierte ich.
„Verstanden!“, rief sie und wir stürzten uns lachend ins Gefecht.

Thorsten Kerensky gewidmet, einem guten Freund, Mitautor und Ideengeber.
^^ Frohe Weihnachten, und einen guten Rutsch ins Jahr 2005!!!

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