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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Themenstarter Thema begonnen von Ace Kaiser
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Anime Evolution
Episode sechs

1.
In meinem Leben in der Animekonstruktwelt waren mir ja schon einige verrückte Sachen passiert, ganz davon abgesehen, dass ich im Weltraum gewesen war – mehrmals - einen Oni in meinen Dienst gezwungen und mich diverse Male duelliert hatte.
Aber das, was mir eine Woche nach Doitsu Atakas Einzug bei mir Zuhause passierte, war wirklich nicht das, was man als das durchschnittlich ungewöhnliche Erlebnis in dieser Welt ansehen konnte.
Eigentlich hielt ich mich für stark. Für geschickt und klug. Für schnell. Und für Kampferfahren. Aber all das wurde deklassiert.
Und seit langer Zeit schmeckte ich die Bitterkeit in meinem Mund, die nur eine drohende Niederlage bringen konnte.

Akira Otomo, so hieß ich hier, hatte ein sehr schweres Leben hinter sich. Und vielleicht ein noch viel schwereres vor sich.
Unwillkürlich berührte ich die kleine Narbe auf meiner linken Schläfe, die jene Stelle anzeigte, an der ein neuronaler Anschluss gesessen hatte. Damals, als dieser Körper in einem Überlebenstank gesteckt hatte, angeschlossen an einen Supercomputer. Mittels einer Überladung hatten die Kronosier, in deren Auftrag ich gefangen genommen worden war, mich töten wollen. Mehr als ein Zufall hatte mir damals das Leben gerettet. Aber wertvolle Erinnerungen hatte ich bereits verloren. Und lebensgefährlich verletzt hatte ich lange Zeit in diesem Tank bleiben müssen.
Nun, das waren nicht meine Erinnerungen. Eine Gottheit hatte dieses Universum für mich erschaffen und mir diese Erinnerungen aufgeprägt. Aber sie waren so real, so echt, dass mich schauderte und ich glaubte, bei dem Gedanken den Geschmack meines verschmorenden Fleisches zu schmecken, während ich in der bernsteinfarbenen medizinischen Flüssigkeit schwebte.
Jede Erinnerung, die ich mir wieder zugänglich machte, war ähnlich intensiv. War so gut wie wirklich erlebt. Aber dennoch gab es Erinnerungen, um die ich noch immer kämpfte. Die mir immer noch nicht wieder zur Verfügung standen.
Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. Ich hatte sehr viel nachzudenken.

Seit einigen Tagen dachte ich intensiv, sehr intensiv darüber nach, wie ich und mein Freund Yoshi, der ebenfalls in diese Welt gezogen worden war, wieder in die Realität zurückkehren konnten. Aber mir fiel leider kein Weg ein. Wenn wenigstens das superdeformte Mädchen aufgetaucht wäre, welches meine Gedanken als Wunsch fehl interpretiert hatte, dann hätte ich wenigstens eine Ansprechpartnerin gehabt.
Langsam, sehr langsam entkrampfte ich meine Hände wieder.
Wollte ich wirklich hier weg? Gewiss, die Erinnerungen an die Zeit im Tank waren hart. Gewiss, die Schlachten, die ich schon geschlagen hatte, waren immer begleitet gewesen von der Angst, in ihnen sterben zu können. Gewiss, die vielen Clubaktivitäten gingen mir mächtig an die Nieren.
Aber dann gab es wieder so viel Gutes in dieser Welt. Ich dachte an Megumi-chan und meinen Cousin Makoto. Mir würde wirklich was fehlen ohne die beiden.
Von den anderen Mal ganz zu schweigen.

Also begann ich, zumindest dieses Leben auf die Reihe zu bringen und mir ein wenig mehr Zeit zu verschaffen. Aus der Schülerzeitung war ich schon ausgestiegen. Meine Zeit ließ einfach nicht zu, dass ich mich wirklich mit allem beschäftigte, was Akira Otomo an Aktivitäten hatte. Mir war ohnehin schleierhaft, wie irgendjemand das hätte schaffen sollen.
Das nächste würde Kendo sein, obwohl mir dieser Sport viel Spaß gemacht hatte.

So kam es, dass ich mir den Zorn meiner Sempais, der älteren Schüler zuzog, als ich meinem Sensei erklärte, dass ich mit Kendo aufhören würde.
„Du bist sehr begabt, Otomo-kun“, sagte der Lehrer nachdenklich. „Es ist eine Schande, dieses Talent nicht zu fördern.“
Kurz dachte ich daran, wie ich in Blue Lightning gesessen und die riesigen Herkules-Schwerter benutzt hatte. Dann verbeugte ich mich. „Verzeihung, Sempai. Aber mein Entschluss steht fest.“
Ogame-sensei seufzte leise. „Wenn du dich schon entschlossen hast, kann ich wohl nichts mehr daran ändern. Komm wieder, wenn du wieder mehr Zeit für deinen Sport hast.“
Wieder verneigte ich mich und verließ die Halle.

„Otomo, du Bastard!“, rief jemand hinter mir. Ich drehte mich um und ging schnell noch einen Schritt nach hinten und entging so knapp einem Shinai, dem Bambusschwert, das für Kendo verwendet wurde. „Wie kannst du es wagen, einfach so auszusteigen?“
Mein Sempai griff wieder an und erneut tanzte ich den Schlag aus. „Weil ich es so will“, antwortete ich leise und vergrub meine Hände in den Hosentaschen.
„ARH!“, rief der Ältere und schlug erneut nach mir. Diesmal wich ich nicht aus. Das Shinai krachte mit voller Wucht auf meinen Kopf. Ein dünner Faden Blut rann von meiner Stirn herab. „Bist du jetzt zufrieden, Sempai?“, fragte ich leise.
Ungläubig betrachtete er sein Shinai, dann mich. Langsam nahm er es hoch. Er riss sich den Men vom Kopf, den Helm, und starrte mich an. „Geh, Otomo. Geh einfach. Und komm nie wieder.“
Ich lächelte freudlos. Danach wandte ich mich um und ging.
Ich hatte einfach keine Zeit, um auch noch nebenbei fünfzehn Stunden die Woche zu trainieren. Nicht, wenn ich die UEMF an der Backe hatte.
„Autsch. Das gibt bestimmt ne Riesenbeule“, brummte ich wütend.
**
Nach einer notdürftigen Versorgung der Beule und der kleinen Platzwunde sowie einer Aspirin und der Versicherung, dass es mehr brauchte, um meinen Dickschädel zu erschüttern als einen einfachen Treffer mit einem Shinai, egal wie schmerzhaft er war, wollte ich das Gelände verlassen.
Auf meinem Weg spielte ich mit dem Gedanken, auch die Schülervertretung aufzugeben, was mir erneut Zeit einbringen würde. Zeit, die an Bord eines Hawks sicher sinnvoller investiert war. Vielleicht.
Ich hatte gerade den halben Hof hinter mir gebracht, als ein roter Sportwagen vor dem Tor hielt. Ich kannte mich mit diesen Dingen nicht so gut aus, aber es erschien mir ein offener Ferrari zu sein.
Makoto setzte sich gerade auf den Sitz und winkte zu mir herüber. „Akira-chan! Kommst du?“
Ich betrachtete meinen Cousin genauer. Nach einigen Tagen relativer Ruhe, in denen Sakura ihn nicht gezwungen hatte, Frauenkleider zu tragen, schien er Entzugserscheinungen zu haben. Anders konnte ich es mir nicht erklären, warum seine Bekleidung derart feminine Noten aufwies. Das rosa Hemd war ein Stück weit herunter geknöpft und knapp über dem Bauchnabel verknotet. Und bot somit erstklassigen Blick auf eine abgeschnittene Jeans, in denen die Beine Makos sehr gut zur Geltung kamen.
Ich grinste schwach. Da hatte Sakura ja was Schönes angerichtet. Den würden wir nie wieder hinkriegen.
Während ich mich auf dem Weg zum Wagen machte, spürte ich Blicke in meinem Rücken. Irritiert sah ich mich um und erkannte mehrere männliche Schüler, die mich mit ihren Blicken aufspießten. Ich würde ein ernstes Wort mit Mako-chan reden müssen, nahm ich mir vor.

Als ich mich wie selbstverständlich auf den Beifahrersitz sinken ließ, ging ein wütendes Raunen durch das männliche Publikum. „Wehe, du drückst mir einen Kuss auf oder so etwas“, raunte ich Makoto zu. „Dann kette ich dich hinter den Wagen und fahre auf die nächste Autobahn.“
Makoto warf mir einen irritierten Blick zu. „Was ist denn mit dir los? Warum hast du so schlechte Laune?“
„Heute schon mal in den Spiegel gesehen? Du gehst mal wieder total als Frau durch“, beschwerte ich mich.
Makoto glitt sich mit der Rechten durch sein halblanges, rostrotes Haar. „Was kann ich dafür, dass ich so bin?“
„Nicht so viel wie für die Hose und das rosa Hemd, oder?“, fragte ich ärgerlich. „Und jetzt gib Gas oder lass mich wieder aussteigen.“
„Du bist heute irgendwie nicht du selbst“, maulte Makoto, legte aber gehorsam einen Gang ein, fuhr ein paar Meter rückwärts, machte einen Hundertachtzig Grad-Turn und schaltete dann in den Ersten um.

Während wir auf einer der Hauptstraßen fuhren, warf ich Mako einen schrägen Blick zu.
„Warum holst du mich eigentlich ab?“
„Das ist geschäftlich, Akira.“
„Na immerhin etwas. Worum geht es genau?“
„Es geht um Yoshi. Ich habe ihn die letzte Woche ein paar Mal mitgenommen und wir haben zusammen im Eagle trainiert. Er ist gut. Ich meine wirklich gut. Ich bin sicher, wenn er ein oder zwei Jahre trainieren könnte, würde er einer unserer besten Piloten werden. Was seine Fähigkeiten als Sniper angeht, nun, er lernt erschreckend schnell und hat eine Trefferquote von fast hundert Prozent.“
„Das ist doch positiv“, bemerkte ich und streckte eine Hand über die Windschutzscheibe, um den Fahrtwind zu genießen. Für die Jahreszeit war es beachtlich warm.
„Ja. Nein. Ja. Es ist nur so. Ich bin mir nicht sicher, ob das auch das Richtige für ihn ist, Akira. Klar, er macht es freiwillig. Aber tun wir das Richtige, indem wir ihn in unseren gefährlichen Beruf lassen? Tun wir das Richtige für Yoshi?“ Makoto sah mich aus großen Augen an. Irrte ich mich oder schimmerten sie feucht?

„Du magst ihn, richtig?“, stellte ich fest.
„Was?“, rief Mako aufgeregt und hätte beinahe das Steuer verrissen.
„Du magst ihn und du machst dir Sorgen um ihn. Das ist nichts Schlechtes“, stellte ich fest. „Aber vielleicht hat Yoshi da auch ein gewisses Mitspracherecht.“
Makoto biss sich auf die Unterlippe. „Akira. Seit wir dich damals in den Daishi gesetzt haben, schiebe ich einen Komplex vor mir her, groß wie ein Haus. Damals war es schon, als würden wir dich missbrauchen. Und heute sollen wir es mit Yoshi wieder tun? Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, ihm zu sagen, dass er das Militär vergessen soll.“
„Falls du dich erinnerst“, kommentierte ich amüsiert, „war ich der einzige lebende Mensch, den man in der kurzen Zeit finden konnte, der nicht Gefahr lief, vom Kontakt mit dem Computer des Daishi das Gehirn Medium gebraten zu kriegen. Oder sehe ich das falsch?“
„Es stimmt schon. Von sechstausend Menschen, die wir getestet hatten, warst du der einzige, der genügend Synchronisation erreichte, um den Mecha zu steuern. Und du hast sehr großes Talent offenbart. Vielleicht das größte Talent, dass je jemand auf diesem Planeten hatte.“ Makoto senkte den Kopf und fuhr den Wagen links an den Straßenrand. „Aber Yoshi ist nicht du. Yoshi ist nicht Yo…“ Makoto verzog schmerzhaft das Gesicht.
„Yoshi ist nicht Yo? Yo, was?“, fragte ich leise.
„Schon gut.“ Makoto winkte ab, für mich eine Spur zu heiter. „Es reicht, wenn wir feststellen, dass er nicht soviel Talent hat wie du.“
„Aber er ist lernfähig. Und solange er nur den Schützensitz in deinem Eagle einnimmt, solltet Ihr zusammen ein sehr schlagkräftiges Team abgeben. Du solltest dankbar dafür sein, vor allem, weil du seit der Mars-Sache Probleme hast, selbst ein Geschütz abzufeuern.“
„Trotzdem hat es was von ausnutzen“, erwiderte Makoto wütend. „Und ich will nicht schon wieder für Leben verantwortlich sein, wenn ich nicht hundert Prozent sicher sein kann, dass ich alles getan habe, was mir möglich war.“
Makoto stieg aus und trat auf den Bürgersteig. „Willst du im Wagen übernachten oder kommst du?“
Ich sah zu ihm herüber. „Wo willst du denn hin?“
„Wohin wohl? Ich will dich zum essen einladen. Wenn du natürlich keinen Hunger hast…“
Hastig erhob ich mich. „Ich habe immer Hunger.“
Makoto grinste schief. „Das wusste ich.“
**
Makoto hatte sich ein verdammt feines Restaurant ausgesucht, in dem ich in meiner Schuluniform und er in seinem extrem legeren Outfit auffielen wie bunte Hunde im Schnee. Aber es wunderte mich eigentlich nicht, dass wir problemlos eingelassen wurden und auch noch einen der besten Tische bekamen. Zudem war noch nicht so viel los und ich konnte hoffen, dass es ein ruhiges Essen wurde. Und nicht zu irgendeinem, zu meinem jetzigen Leben passenden Zwischenfall kam.
Der Gedanke amüsierte mich.
„Danke, ich nehme das große Steak. Blutig, bitte“, sagte Makoto leise und wehrte die Karte des Obers ab.
„Natürlich, Ino-sama. Darf es das übliche zu trinken sein?“
„Ja, danke.“
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ino-sama?“
Mein Cousin schmunzelte leicht. „Äh, ich esse öfter hier, wenn ich in der Stadt bin?“
„Guter Versuch“, bemerkte ich grinsend und nahm die Karte dankbar entgegen.
„Die Muscheln sind heute besonders zu empfehlen“, bemerkte der Kellner mit einem freundlichen Lächeln. „Fangfrisch aus Okinawa.“
Argwöhnisch blickte ich über den Rand der Karte auf.
Makoto wedelte mit einer Hand und grinste von einem Ohr zum anderen. „Bestell was du willst, kleiner Bruder. Ich bezahle.“
„Kleiner Bruder?“, erwiderte ich amüsiert. „Gut, dann nehme ich die Muscheln.“
„Darf ich dazu einen weißen australischen Chardonnait empfehlen?“
Ich zuckte mit den Achseln. „Ich bin sicher, in diesen Dingen kennen Sie sich besser aus als ich. Also ist es eine gute Entscheidung, Ihrem Rat zu folgen.“
Der Kellner verneigte sich leicht. „Sie ehren mich, Colonel.“
Vor Schreck ließ ich die Karte fallen. Krachend landete sie auf dem Tisch und ließ Teller und Besteck tanzen. Mit eben diesem Schrecken im Gesicht sah ich zu Makoto herüber, der wieder mit der Hand wedelte. „Mach dir keine Sorgen, mach dir keine Sorgen. Corporal Inari gehört zu unserem Verein, genauer gesagt zu unseren Geheimen, genau wie der Rest hier im Laden. Außerdem habe ich uns heute angekündigt, nicht, Inari-san?“
Wieder verneigte sich der Kellner leicht. „Ja, Ino-sama. Und es ist uns eine besondere Ehre, Blue Lightning heute als Gast bewirten zu können.“
„Siehst du, absolut kein Problem“, kommentierte Makoto und nickte dem Kellner zu. „Das war alles, Inari-san.“
Der Kellner verbeugte sich erneut und ging.

„Dieses Restaurant wird vom Geheimdienst betrieben?“, fragte ich leise.
„Nicht ganz ohne Grund. Abgesehen davon, dass hier hohe UEMF-Offiziere relativ gefahrlos speisen können dient das Restaurant auch als Anlaufstelle für Agenten und zum sammeln von Informationen. Abgesehen davon wirft es als eines der besten Häuser in der Gegend einen beachtlichen Profit ab. Und besser als der Kasernenfraß ist das Essen allemal.“
„Das bringt mich irgendwie auf einen Gedanken“, bemerkte ich nachdenklich. „Seit ich wieder aktiv bin, ist es sicher die Ränge rauf und runter gegangen, dass ich als Colonel offiziell das Kommando über die Mechas auf OLYMP übernommen habe. Ich frage mich, wann diese Information zu den Medien durchsickert. Oder noch schlimmer, meine Schulkameraden davon hören.“ Nachdenklich kratzte ich mich an der Schläfe. „Vielleicht wäre es am einfachsten, wenn ich sage, was ich tue.“
Makoto warf mir einen bösen Blick zu. „Das, mein Lieber, lässt du schön bleiben. Nicht umsonst wird dreißigtausend Soldaten eingeschärft, auf Heimaturlaub kein Wort über die zu verlieren. Nicht umsonst schweigt sich unsere Pressestelle über Blue Lightning aus. Nicht umsonst wurde Sakura in deiner Schule postiert.
Nicht umsonst bietet sich Megumi als Köder an.
Verdammt, Akira. Denkst du auch mal nach? Du bist extrem wichtig für die Erdverteidigung. Seit du wieder in deinen Mecha gestiegen bist, wird das deutlicher als jemals zuvor.
Wir können es uns nicht leisten, auch nur den geringsten Verdacht darauf fallen zu lassen, dass der verwöhnte Sohn von Eikichi Otomo, der jeden Kontakt zum Vater abgebrochen hat, mit dem Offizier identisch ist, der den Angriff des ZULU beinahe alleine abgeschlagen hat.
Mal ganz davon abgesehen, dass Eikichi vor drei Jahren den Befehl gegeben hat, dir ein normales Leben zu ermöglichen. Und ich nicht einsehe, dass drei Jahre der Mühe vergebens sein sollen, nur weil du Lust hast, Zielscheibe zu spielen.
Hat das Colonel Akira Otomo eingesehen?“
Wütend stützte sich Makoto auf dem Tisch ab und starrte zu mir herüber.
„Ja, ja, ja. Nun reg dich ab, Kleiner. Von mir kommt kein Wort über meine Lippen, bis eine Horde Reporter mit Blitzlichtern über mich herfällt und ich nicht mehr lügen kann. Okay?“
Mako beruhigte sich beinahe sofort und setzte sich wieder.

Inari brachte die Getränke und bot diverse Vorspeisen an, die wir aber beide ablehnten.
„Also, warum gehen wir essen?“, fragte ich geradeheraus.
„Ach, da gibt es mehrere Gründe“, wich Makoto aus.
„Zum Beispiel?“
„Nun, wenn du so direkt fragst… Wann wirst du achtzehn?“
„Das weißt du doch ganz genau“, tadelte ich meinen Cousin. „Denn das ist der Termin, an dem du normalerweise bei mir Zuhause einfällst und dich festsetzt. Der vierte Februar.“
Makoto nickte ernst. „Hm. Und du weißt, was passiert, wenn du achtzehn wirst?“
„Ich darf Auto fahren?“
Mein Cousin grinste. „Zum Beispiel. Aber da ist noch etwas anderes. Welchen Rang bekleidest du gerade?“
„Als wenn du das nicht wüsstest. Ich bin Colonel“, erwiderte ich ärgerlich. Warum betete Mako-chan nur diese Offensichtlichkeiten herunter?
„Und weißt du auch, was ein Colonel der UEMF so verdient, ohne Einsatzzulage, Schichtzulage, Abschussprämien, Bergungsprämien und Solderhöhungen?“, platzte es aus ihm heraus.
Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf. „Ne Menge?“
„Du hast es erfasst“, erwiderte Makoto und nippte an seinem Bier. „Und weißt du, warum du davon noch nie einen einzigen Yen gesehen hast?“
„Weil ich noch keine achtzehn bin?“
„Kluger Junge. Was meinst du also wird passieren, sobald du achtzehn geworden bist? Mit all dem Geld welches du als Offizier verdient hast, das dir aber nicht ausbezahlt wurde, sondern treuhänderisch in Eikichis Hände ging? Und danach, Monat für Monat, Jahr für Jahr?“
„Ich kriege eine Menge Asche und einen hohen Sold?“, argwöhnte ich.
„Genau“, erwiderte Mako und lächelte.
„Na, das sind aber mal gute Nachrichten“, brummte ich.

Das Essen kam und schweigend begannen wir. Ich aß meine Muscheln und Makoto kämpfte mit einem Riesensteak. Wobei ich keine Zweifel hatte, dass der schmächtige Mann gewinnen würde. Irgendwie hatte er ein paar zusätzliche Mägen oder so.
Endlich nahm Mako den Faden wieder auf. „Du solltest wissen, dass es wirklich ein Batzen Geld ist. Es ist locker genug, um eine Eigentumswohnung zu kaufen, voll zu möblieren und auf Jahre hinaus die Nebenkosten zu bezahlen. Wolltest du nicht schon lange Zuhause ausziehen?“
Für einen Moment dachte ich da ernsthaft drüber nach. Ja, das war meine Idee gewesen. Raus aus dem kalten Haus. Fort von Vater. Weg. Einfach nur weg.
Aber wenn ich jetzt drüber nach dachte, mochte ich den alten Kasten eigentlich sehr gerne.
„Okay, das wäre es. Aber wäre die Wohnung auch groß genug, um euch alle mitzunehmen?“
Makoto schmunzelte. „Vielleicht.“
„Vielleicht ist nicht gut genug. Dann bleibe ich doch lieber Zuhause bei euch“, erwiderte ich.
Makoto grinste zufrieden. „So gefällst du mir. Du verstehst aber hoffentlich, dass ich es erwähnen musste, oder?“
Ich nahm einen Schluck Weißwein und zwinkerte. „Dafür bist du ja da, Mako, oder?“
„Gut erkannt. Wenn ich nicht auf dich aufpasse… Apropos aufpassen. Da ist noch mehr, was ich dir sagen will.“

Es folgte eine lange Pause, in der nur das Gleiten eines Messers über Porzellan zu hören war, während Makoto sich Stück für Stück durch sein Steak kämpfte.
„Und?“, fragte ich endlich.
„Nun hetz mich nicht“, erwiderte Makoto störrisch. „Ich esse.“
Ich verdrehte verzweifelt die Augen. Was wiederum Makoto resignieren ließ. „Na gut. Inari-san.“
Der Kellner trat leise näher und reichte mir erneut die Karte. Aber als ich sie aufklappte entpuppte sie sich als Dossier. Als Dossier über die Magical Youma Slayer.
Ich war mehr als überrascht.
„Nach den Aktionen auf Titanen-Plattform und dem OLYMP ist die militärische Führung zu einer Entscheidung gelangt.“ Makoto unterbrach den ungleichen Kampf mit dem armen Steak und stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, um sein Kinn auf seine ineinander gefalteten Hände zu betten. „Wir haben uns dazu entschlossen, die Youma Slayer als mächtig einzustufen. Als sehr mächtig.“
Meinen schnellen Konter wischte Mako mit einem Kopfschütteln beiseite. „Aber da sie uns bereits zweimal geholfen haben, wurden sie auch als potentiell freundlich eingestuft. Das ist doch eine gute Nachricht, oder?
Ach, und da die Slayer jedes Mal dir geholfen haben, wie es scheint – sei es Zufall oder nicht – und die Slayer sogar bei dir Zuhause aufgetaucht sind, bei meiner Folter, bekommst du hiermit einen neuen Befehl.“
Folter? War doch noch nicht Hopfen und Malz verloren? Wenn er die Modenschau als Folter angesehen hatte, dann… „Was für Befehle?“
„Nun, Eikichi hält es für wahrscheinlich, dass die Slayer über kurz oder lang wieder mit dir zusammen treffen. Oder das du sogar weißt, wer die Slayer sind. Er will, dass du ihnen eine Zusammenarbeit anbietest. Schaffst du es, mit vier hübschen Mädchen zu verhandeln?“, fragte Makoto grinsend.
Kurz dachte ich an Hina. Und senkte den Blick um mein Schmunzeln zu verbergen. „Wir werden sehen.“

In diesem Moment trat Inari wieder an den Tisch heran. „Major Ino, es besteht Gefahr. Bitte gehen Sie. Schnell! Sie auch, Otomo-sama!“
Ich sprang automatisch auf. „Hinterausgang?“, fragte ich nur.
Inari nickte. Makoto warf einen wehmütigen Blick auf das letzte Viertel seines Steaks. „Ich hätte gerne aufgegessen“, maulte er.
„Nun jammere nicht, ich kaufe dir nachher einen Cheeseburger“, sagte ich und setzte mich Richtung Küche in Bewegung.
Makoto erhob sich nun auch. „Mein Wagen wartet ebenfalls hinten?“
„Ich war so frei, dafür zu sorgen, Ino-sama.“
„Danke, Inari-san. Sie haben einen gut bei mir.“ Makoto klopfte dem Größeren gönnerhaft auf die Schulter und folgte mir dann.
„Welcher Art ist die Gefahr?“, fragte ich beim Marsch durch die Küche. Ich riss die Tür auf und wurde geblendet. Blitze zuckten, wieder und wieder.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!
03.01.2005 23:35 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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„Otomo-san!“ „Akira-kun, bitte…“ „Otomo-kun, auf ein Wort!“
Ich erstarrte, fassungslos bei dem Anblick, der sich mir bot. Vor der Hintertür des Restaurants, ausgerechnet vor der Hintertür, hatte sich eine Horde Reporter und Fotografen eingefunden. Dazu die Kamerateams von mindestens fünf Stationen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Inari aus einem Wandschrank eine Waffe nahm, aber ich winkte ab. Gehorsam hielt sich der Kellner und Geheimagent im Hintergrund.
„Otomo-san, bitte sagen Sie doch ein paar Worte zur Tokio Times!“ „Hier, Akira-kun, sehen Sie bitte hierher! Wir sind nun Live hinter dem LA CRÉME D´EUROPE und sehen gerade Akira Otomo, wie er das Restaurant durch die Hintertür verlässt!“
Makoto sah mich entsetzt an. Ich selbst spürte wie mein Magen plötzlich das Bedürfnis hatte, zwischen meinen Eingeweiden zu steppen. Es war aus. Die ganze Geheimhaltung, mein Privatleben, die Schule, es war aus.

„Otomo-san, bitte sagen Sie uns doch bitte, wie lange Sie schon mit Joan Reilley befreundet sind!“ „Akira-san, bitte erzählen Sie doch unseren Zuschauern, wie Ihr einander begegnet seid!“
Ich blinzelte erschrocken. Einerseits, weil das Blitzlichtgewitter in den Augen schmerzte, andererseits, weil ich absolut nicht verstand, was hier vorging. Okay, Joan Reilley war mir ein Begriff. Sie war ein Idol. Ein japanisches Idol. Nein, sie war eigentlich Amerikanerin, aber sie hatte das Unmögliche geschafft, in Japan berühmt zu werden, ohne dies auch in der Heimat zu sein. Eine sehr erfolgreiche Schauspielerin, Sängerin, Komponistin, und dem Thai-Boxen sollte sie auch nicht abgeneigt sein.
„Joan Reilley? Ich?“, fragte ich erschrocken.
Die Fragen verstummten. Alle Blicke, so sie nicht schon sowieso auf mir ruhten, gingen zu mir.
Durch die Menge der Reporter ging ein kollektives Lachen.
„Er ist wirklich gut“, bemerkte jemand und löste weitere Lacher aus.
„Leugnen ist zwecklos, Otomo-san. Die Pressesprecherin von Reilley-chan hat vor einer Stunde Details über eure Beziehung heraus gegeben“, stellte der Reporter der Tokio Times fest.
„Unserer… Beziehung?“ Verzweifelt legte ich eine Hand vor mein Gesicht und wehrte mit der anderen die Reporter ab. „Moment mal, Auszeit. Das muß ich erst mal verdauen.“
Makoto sah mich erstaunt an. „Du hast was mit der Reilley?“
„Nein, habe ich nicht“, zischte ich leise. „Und ich würde wirklich gerne wissen, wieso sie solche Gerüchte in die Welt setzt! Ich kenne sie ja nicht mal.“
„Aber dagegen hättest du doch wohl nichts, oder? Klein, rothaarig, gut proportioniert, in deinem Alter…“, erwiderte Makoto, allerdings eher wütend als amüsiert.
„Red nicht so einen Quatsch, Mako. Hilf mir hier lieber wieder raus!“
„Akira-san. Wir würden gerne wissen, wie Ihr zwei euch kennen gelernt habt. Die Pressesprecherin von Reilley-chan hat zwar gesagt, dass du sie Backstage nach einem ihrer Konzerte besucht hast, aber da gibt es doch sicher mehr zu erzählen, oder?“
„Leute“, rief ich und wunderte mich darüber, dass plötzlich die Stelle schmerzte, die mein Sempai in der Sporthalle mit den Shinai getroffen hatte, „nun denkt doch mal nach. Warum sollte ein Star wie Joan Reilley ausgerechnet mit mir ausgehen?“
Einer der Reporter fühlte sich herausgefordert. „Nun, zum einem bist du der Sohn von Eikichi Otomo, dem Oberbefehlshaber der OLYMP-Plattform. Ihr Vater ist angeblich ebenfalls auf der Plattform als Offizier angestellt, aber das sind nur Spekulationen. Außerdem bist du aktuell Neuntbester der Landeswertung in deinem Jahrgang. Ihr könntet euch also nicht nur auf der Plattform getroffen haben, Ihr seid auch beide gute Partien. Vor allem füreinander.“
Meine Augen blitzten zornig auf. Hätte dieser Typ nicht die Klappe halten können?

Nachdenken, ich musste nachdenken. Warum wollte Joan Reilley mich unbedingt als ihren Freund darstellen? Ich kannte sie nicht, war ihr nie begegnet und auch auf keinem ihrer Konzerte gewesen. Die Daten des Reporters klangen plausibel. Sehr plausibel. Wollte Joan auf diese Weise von ihrer wirklichen Beziehung ablenken? Mit einem gut getimten Manöver für die Presse?
Ein hämischer Gedanke huschte durch meinen Kopf. Na, das würde ich ihr ordentlich versalzen!
„Mako“, raunte ich zur Seite, „du musst mir helfen.“
„Sofort“, flüsterte er zurück. „Ich bestelle eine Kompanie Infanterie, dazu zwei Hawks, Straßensperren der Polizei, Panzereinheiten sowie einen Helikopter für unsere Flucht.“
„Das meine ich nicht“, sagte ich leise und umfasste die Schultern meines Cousins, um ihn an mich zu ziehen. „Spiel einfach mit.“

Da stand ich also, hatte Mako an mich gedrückt, grinste wie ein Idiot in die Menge und legte gerade verlegen einen Arm an meinen Hinterkopf. „Ach, das muß ein Irrtum sein. Ich will doch gar nichts von Reilley-san. Ich bin ja so schon genug ausgelastet.“
Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihe der Reporter. Wieder begannen die Blitzlichter aufzuflammen und nun uns beide abzulichten.
„Ist das deine Exfreundin?“, rief jemand. „Wie fühlt sie sich, wenn sie gegen jemand wie Reilley-chan verliert?“
Mako, der anfangs eher überrascht gewesen war, wurde plötzlich wütend. Er starrte den Reporter an und erwiderte: „Wer verliert hier, hä?“
Leise flüsterte er mir zu: „Das kostet dich aber was, klar? Und glaub ja nicht, dass du hier raus kommst, ohne mächtig Federn zu lassen.“
„Ich werde dich nicht als Mädchen bezeichnen, okay? Aber improvisier einfach was“, flehte ich leise.
Über Makotos Augen ging ein dunkler, dämonischer Schimmer. „Gerne.“
Entsetzt starrte ich meinen Cousin an. Ich spürte dunkle Schatten über meinem Leben aufziehen.

Makoto legte einen Handrücken vor den Mund und lachte. Es klang weiblich. Sehr weiblich.
„Ach, Aki-chan hat doch gar keine Zeit für eine Affäre mit einem Filmsternchen. Er hat doch soviel zu tun. Ich meine, seine vielen Freundinnen in der Schule, die kosten doch soviel Zeit.
Und dann sind es ja schon alleine bei ihm Zuhause vier gut aussehende Frauen. Da bleibt nun wirklich keine Zeit für noch ein Frauenzimmer.“
Makoto lächelte zu mir hoch, drückte sich an mich und patschte mir mit der flachen Hand auf den Brustkorb. „Nicht, mein Großer?“
Seit einigen Minuten spürte ich meine Beine nicht mehr. Starb ich gerade? Schaltete mein Kreislauf gerade die rudimentären Gliedmaßen ab, um wichtiges Blut für die Hauptorgane Herz, Lunge und Gehirn aufzusparen? „Musst du mich zum Weiberhelden abstempeln?“, raunte ich mit stockender Stimme.
„Ich habe mit keinem Wort erwähnt, dass du was mit den Frauen hast“, erwiderte Makoto grinsend.
„Also, verstehen kann ich sie ja. Aki-chan ist groß, gut aussehend, kommt aus einer wichtigen Familie, ist intelligent, sportlich… Nur kann sie ihn leider nicht haben.“
Wieder flammten die Blitzlichter auf. Ich glaubte sogar in den ersten Augen Zweifel zu sehen. Ich konnte ihre Gedanken förmlich hören. Was, wenn sie einer Ente aufsaßen, während das wirkliche Geschehen irgendwo anders stattfand? Was, wenn ihnen gerade eine Story entging?

Erst war es nur ein Reporter, der sich umwandte. Doch damit löste er eine Reaktion aus, die einen zweiten, einen dritten und schließlich den ganzen Kordon erfasste.
Verblüfft sah ich dabei zu, wie die Horde nach und nach abzog. „Ich schulde dir echt was“, brummte ich zu Makoto herüber.
„Danke, ich habe mich schon göttlich amüsiert“, erwiderte Mako grinsend.
Plötzlich geriet die Front der Reporter ins Stocken. Wieder flammten die Blitzlichter auf.
Inari tauchte hinter uns auf und sagte: „Es ist besser, wenn Sie jetzt rein kommen, Sir. Ein Hubschrauber wird Sie über das Dach ausfliegen.“
Hubschrauber? Dach?
Vor mir teilte sich die Traube der Reporter und ließ ein junges Mädchen durch. Sie hatte langes, glattes rotes Haar, ein hübsches, wenngleich verheultes Gesicht und trug eine wirklich niedliche Kombination aus Hemd, Cardigan und Minirock. Sie sah mich an und unendliche Trauer lag in ihrem Blick. „Warum, Aki-chan? Warum sagst du so was? Ist das alles wahr? Ist sie deine neue Freundin?“ Das Mädchen deutete auf Makoto, der aschfahl wurde. „Joan… Reilley…“
Ich schluckte hart. DAS war Reilley persönlich? Natürlich, ich hatte sie auf Fotos nie mit verheulten Augen gesehen. Aber was machte sie hier?
Die junge Frau aus Amerika kam mit zögernden Schritten auf mich zu, die fotografierenden Reporter immer einen Meter hinter sich.
„Aki-chan. Es war doch nicht gelogen. Es war doch nicht alles gelogen, oder? Ich meine, wir… Ich… Du… Aki-chan, ich hätte doch niemals… Sag mir, dass das nur ein Traum ist, ein böser Traum. Sag mir noch mal, dass du mich liebst...“
Sie sah mich flehentlich aus ihren verheulten Augen an, während ein Teil der Kameras wieder auf mich umschwenkte. Was passierte hier eigentlich? Als mich die Kameras erwischt hatten, hatte ich geglaubt, als Blue Lightning entlarvt worden zu sein und nicht als neueste Beziehung eines Idols!

Wieder trat sie einen Schritt näher auf mich zu. Ihr taxierender Blick fiel auf Makoto. „Wer ist sie? Was hat sie, was ich nicht habe? Kann…“ Joan schluckte hart, bevor sie weiter sprach. Neue Tränen liefen über ihre Wangen. „Kann sie dir das geben, was wir hatten? Aki-chan, so sag doch etwas. Du kannst uns doch nicht vergessen haben. Du kannst es doch nicht vergessen wollen!“
Fieberhaft kramte ich in meiner aufgeprägten Erinnerung. Gab es da etwas in der Zeit, bevor ich offiziell in dieser Welt aufgewacht war? Eine gemeinsame Zeit mit diesem Idol?
Nein, sagte ich mir. Das konnte nicht sein. An die letzten beiden Jahre erinnerte ich mich beinahe lückenlos.
Was also plante diese Frau? Was hatte sie vor? Und warum zeigte sie diese schauspielerische Glanzleistung für die Presse?

Ich dachte einen Moment nach, den Joan benutzte, um wieder einen Schritt näher zu treten. Sie hatte beide Hände vor der Brust gefaltet und sah zu mir hoch.
Langsam streckte sie eine Hand nach mir aus. „Bitte, Aki-chan. Warum… Warum können wir nicht einfach… Warum vergessen wir das nicht einfach alles und wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben? Erinnerst du dich noch? Du hast mir gesagt, dass du mich liebst, und ich habe gesagt, ich liebe dich viel mehr und…“
Dies war der Moment, wo mir der Kragen platzte. Abrupt wandte ich mich zur Seite um. Nun stand Makoto direkt vor mir. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und warf Joan Reilley einen Blick zu, der all meinen Zorn enthielt. „Ich weiß nicht, was du vorhast, Filmsternchen“, zischte ich wütend, „aber ich spiele da bestimmt nicht mit.“
„Aki-chan“, hauchte sie leise und berührte mich an der Schulter.
„Fass mich nicht an!“, blaffte ich. Hier und jetzt musste ich eine klare Grenze ziehen, um dieses Spiel, oder was immer sie plante, überleben zu können.
Erschrocken riss sie ihre Hand wieder zurück. Wieder füllten Tränen ihre Augen. Dann sank sie ganz langsam zu Boden, auf die Knie. Sie legte beide Hände vor ihr Gesicht und weinte herzzerreißend.
Es war derart ergreifend, dass die Fotografen nicht ein einziges Foto schossen.
„Aki-chan“, schluchzte sie heulend. „Was ist mit dir? Warum bist du so anders?“
„Ich…“, sagte ich leise, „kenne dich nicht.“
Joan Reilley warf mir einen Blick zu, der Stein geschmolzen hätte. Taumelnd kam sie auf die Beine. Die Tränen flogen nun geradezu. Mit einem letzten, schmerzerfüllten Blick sah sie mich an. Dann wandte sie sich ab und floh schluchzend durch die Reportertraube. „Aki-chaaaan!“

Erleichtert atmete ich auf. Diese Runde hatte ich gewonnen. Zu einem verdammt hohen Preis, weil ich nun sicherlich als Selbstverliebter, ungerechter und egoistischer Frauenheld gelten würde. Aber das war mir allemal lieber, als eine Beziehung aufgezwungen zu kriegen. Und wer wusste, was immer die Schauspielerin und Sängerin alles vorgehabt hatte?
Kurz inspizierte ich die Stelle an meiner Schulter, an der sie mich berührt hatte. Nein, sie hatte dort nichts befestigt. Aber sicherheitshalber wischte ich sie mehrfach mit der Linken ab.
Das war der Moment, wo mich der erste brennende Blick traf. Ihm folgten weitere.
Ich sah auf und erkannte die Reporter. Die kaltherzigen, sensationsgeilen Reporter. Sie starrten mich wütend, manche sogar hasserfüllt an.
„Wie kalt“, kommentierte eine Fotografin und wandte sich brüsk um.
Die anderen folgten ihrem Beispiel und ich fühlte, wie mir kalter Schweiß auf die Stirn trat.
Doch bevor ich etwas Idiotisches tun konnte wie zu versuchen mich zu erklären, spürte ich einen sehr harten Griff am Kragen meiner Uniformjacke. Bevor ich mich versah, stampfte Makoto bereits mit wütenden Schritten davon, mich dabei mitziehend – und halb erwürgend.
„Mako, was soll das? Mako, nicht so ziehen!“
Mein Cousin zerrte mich bis zu seinem Wagen, griff noch einmal richtig nach und warf mich dann – ja, warf – in seinen Wagen, genauer gesagt auf den Beifahrersitz.
Ich stöhnte auf vor Schmerz. „Ein einfaches steig bitte ein hätte es auch getan.“
Makoto kletterte auf den Fahrersitz und drückte mein rechtes Bein weg, das quer über dem Lenkrad lag. Mit einem Gesicht, das eine hervorragende Oni-Maske abgegeben hätte, startete er den Ferrari und trat aufs Gas.
**
Wir waren bereits ein paar Minuten gefahren und ich hatte endlich Gelegenheit gehabt, meine Beine wieder zu ordnen, als Makoto wirklich wütend zu mir herüber sah. „Was sollte dieser Mist, hä? Wer hat es da auf dich abgesehen?“
Bei seinem ersten Wort hatte ich mir schon erste Antworten zurecht gelegt wie: Ich kenne sie wirklich nicht. Oder: Ich bin Opfer eines Komplotts. Aber das war anscheinend nicht nötig.
„Zugegeben, das war eine Glanzleistung. Und würde ich dich nicht so gut kennen, mein lieber Cousin, dann wäre ich da glatt drauf reingefallen. Ich kenne dich doch so gut, oder?“
Abwehrend hob ich beide Hände. „Du kennst mich so gut. Ich habe sie heute zum ersten Mal gesehen, Mako-chan.“
Zufrieden grunzte der Ältere. Makoto warf einen Blick in seine Außenspiegel, in den Innenspiegel und sah kurz in den Himmel. „Wir werden nicht verfolgt. Gut.“
Er öffnete das Handschuhfach und zog ein Handy hervor. „Major Ino hier. Ich melde mich wegen… Was? Sie haben schon… Es lief auf zehn Sendern? Auf drei live? Wir sollen was? Nein, wir evakuieren nicht nach OLYMP. Colonel Otomo ist im Recht und… Ja, ich fand auch, dass das sehr echt aussah, was Miss Reilley da gezeigt hat. BETONUNG AUF ECHT AUSSAH! Was weiß ich, warum? Sie sind der Geheimdienstmann! Finden Sie es heraus! Und checken Sie ab, wer den Reportern den Tipp gegeben hat, wo wir zu finden sind! Ich will eine Spur, und das so schnell wie möglich!“
Makoto schaltete ab und sah zu mir herüber. „Jetzt bist du wirklich ein Star, Akira. Allerdings nicht, weil du Blue Lightning bist, sondern weil du die ach so arme Joan so mies behandelt hast. Dieses Biest. Wenn ich herausfinde, was sie vorhat, und wenn es ein Angriff auf die UEMF ist, dann werde ich… Dann werde ich…“
„AUF DIE STRAßE SEHEN!“, blaffte ich, griff ins Steuer und lenkte den Wagen auf die richtige Seite, was der entgegenkommende Toyota dennoch mit einem Hupkonzert kommentierte.

Makoto war für einen Moment kreidebleich, aber der Schreck holte seine Kreativität zurück. Er fuhr nun vorsichtiger und begann zu spekulieren.
„Wenn es ein Angriff auf deine integere Person ist, dann hat er vollen Erfolg gehabt. Nicht nur, dass der Schüler Akira Otomo nun diskreditiert ist. Nein, auch der Offizier dürfte eine schlechte Publicity kriegen, falls wir ihn jemals ans Licht der Öffentlichkeit lassen.
Falls es ein Angriff gegen deinen Vater war, dann wurde er nicht minder brillant vorgetragen. Es kann sein, dass sich Eikichi nun dazu äußern muß. Und egal, was er tut, er wird verlieren. Stützt er dich, dann stützt er dein vermeintliches Lotterleben. Tadelt er dich, stößt er seinen Sohn vor den Kopf.“
„Ein Teufelskreis“, brummte ich leise.
„Mach keine drittklassigen Witze. Bete lieber, Akira. Bete, dass Zuhause nicht ein Dutzend Übertragungswagen lauern.“
Ich schluckte hart. Na, das würde ja was werden. Schlimmer aber würde, so dachte ich, die Reaktion der Mädchen ausfallen.

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2.
Ich hatte Glück. Oder besser gesagt, wir hatten Glück. Es lauerten keine Übertragungswagen auf uns. Nur ein paar Paparazzi schlichen gerade gedemütigt und geprügelt von dannen. Ein Weiterer fiel gerade ohne ersichtlichen Grund aus einem Baum nahe dem Grundstück und machte recht harte Bekanntschaft mit dem Erdboden. Der Mann rieb sich den schmerzenden Hintern, griff zur Kamera, die auf seiner Brust baumelte und sah entsetzt dabei zu, wie sie in ihre Einzelteile zersprang. Erschrocken kam er auf die Beine und sammelte die Teile ein.
Ich grinste unterdrückt. „Na, wenigstens eine Frau im Haus scheint mich noch zu mögen.“
Neben dem Wagen erschien Akari. Sie verneigte sich. „Willkommen Zuhause, Akira-sama. Ich habe mir erlaubt, einige unerwünschte Personen aus der Nähe des Hauses zu vertreiben.“ Ihr höfliches Lächeln hatte etwas Spitzbübisches. „Ich war nett. Niemandem wurde etwas gebrochen.“
Ich schmunzelte dazu. „Gute Arbeit, Akari. Solltest du noch jemanden sehen, dann spiel weiter.“
Akari wurde rot. „Aber Meister, es ist nicht gerade so, als hätte es mir Spaß gemacht!“
Verlegen sah der Oni zur Seite. „Na ja, etwas vielleicht.“

Ich grinste immer noch, während sich vor uns das Tor zum Grundstück öffnete. Hier fuhr ich eigentlich nie durch, weil ich stets zu Fuß zurückkam.
Ich stutzte, als ich die offene Garage sah. „Mako-chan. Sag mir nicht, das dieser Ferrari…“
„Doch, es ist Eikichis Wagen.“
„Du fährst Vaters Wagen? Aber wieso?“, rief ich.
„Nun, Eikichi hat mir gesagt, wenn ich vor Ort bin, soll ich ihn etwas bewegen. Er kommt ja so selten dazu, ihn zu fahren“, erklärte Makoto.
Verärgert stieg ich aus und steckte die Hände tief in die Hosentaschen. „Und warum darf ich ihn nicht bewegen?“
„Erstens, weil du von Autos soviel Ahnung hast wie ein Delfin vom Stepptanzen. Und zweitens: Du hast noch keinen Führerschein“, erwiderte er grinsend.
„Das mit dem Delfin hätte echt nicht sein müssen“, brummte ich beleidigt und ging ins Haus.

Sakura kam auf mich zugestürmt. Ich schluckte hart und wappnete mich auf jede mir bekannte Form der Auseinandersetzung, angefangen bei verbaler bis hin zu lethaler Körperkunst.
Doch ich schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Sie schoss an mir vorbei, direkt auf ihren Bruder zu und stürzte vor ihm auf die Knie. Ihre Hände zuckten vor und rissen den verdutzten jungen Mann an sich. Mit ihrem Kopf auf seinem Bauch begann sie zu weinen. „Mako-nii-chaaaaaan!“
Peinlich berührt starrte Makoto auf seine Schwester herab. Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. „Äh, Schwester…“
„Oh, mein kleiner Mako, du warst ja so tapfer. Ohne Rücksicht auf dich selbst hast du den armen Akira gegen diese Schlange verteidigt und sogar dein Geschlecht verleugnet.“
Verlegen grinste Makoto zu mir herüber. Die Szene schien glimpflich für ihn abzulaufen.
„Nii-chaaaan, du hast so eine tolle Frau abgegeben. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, dann hätte ich dir sofort geglaubt. Das war ja so eine tolle Glanzleistung. Ich bin so begeistert.“
Makoto seufzte zum Steine erweichen. Er sah zu mir herüber und winkte. „Geh schon mal vor, Akira. Das hier wird dauern.“
Ich zuckte mit den Achseln. „Falls du mein Katana brauchst…“
Makoto nickte. „Ich melde mich.“
„Nii-chaaaan!“

Und wieder ließ ich ihn im Stich. Sakura war aber auch ein fieser Mensch, wenn sie es drauf anlegte. Makoto war immer ihr kleiner Bruder gewesen, aber seit sie ihn einmal, nur ein einziges Mal in Mädchenklamotten gesteckt hatte, da war sein Schicksal besiegelt gewesen. Unbewusst hatte sie sich immer eine kleine Schwester gewünscht. Und Mako musste diesen Komplex nun bei jeder Gelegenheit ausbaden.
Aber er sah nun wirklich süß in diesen Sachen aus.
Wütend schüttelte ich den Kopf. Das letzte was ich wollte war, Makoto in den Rücken fallen.

So, zwei von vier weiblichen Mitbewohnerinnen hatte ich überstanden. Blieben noch zwei. Und meine drei männlichen Mitbewohner.
Yoshi traf ich als erstes. Er sah von seinem Sandwich auf, als ich in die Küche kam, nickte kurz und widmete sich wieder seiner Lektüre.
Erleichtert atmete ich auf und wollte in mein Zimmer gehen, als er fragte: „Wenn du Joan nicht haben willst, kannst du mir dann vielleicht ihre Nummer geben?“
Langsam wandte ich mich um. Yoshi feixte mir zu.
„Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Warum fällst du mir in den Rücken?“, klagte ich.
„Schon gut“, erwiderte Yoshi nonchalant. „Mir ist klar, dass zwischen euch nichts läuft. Deshalb unterstütze ich dich vorbehaltlos. Wie immer, Akira.“
Ich sah seinen ernsten Blick und war gerührt. „Yoshi-kun…“
In diesem Moment platzte Kei ins Zimmer. Er betrachtete fünf Fotos, die er aufgefächert in der Linken hielt, kratzte sich mit der Rechten am Hinterkopf und sagte: „Hör mal, Yoshi, die Vorlagen für die gefaketen Kussfotos von Akira und Joan Reilley sind zu dunkel. Das kann ich nicht so ohne weiteres ausgleichen. Ich habe zwar einen ersten Fünfersatz fertig, aber wenn wir Geld damit verdienen wollen, müssen wir noch drei bis vier Ausweichsätze machen. Du hast nicht vielleicht ein paar Fotos aus eher dunklen Räumen von… Oh, hallo Akira. Ist das Wetter nicht wunderbar?“
Wütend starrte ich den kleinen Mann an, der erst in mich hatte hineinlaufen müssen, um meine Anwesenheit zu bemerken. Es war bemerkenswert, wie schnell ihn seine Gesichtsfarbe verließ.
Vorwurfsvoll sah ich von einem zum anderen. „Das ist es also? Das ist eure Hilfe? Ihr fallt mir so offen in den Rücken? Was seid Ihr nur für Freunde. Und nein, Kei, erzähl mir nichts von Wenn wir es nicht tun, tun es andere, ja? Ihr seid echt das Letzte. Anscheinend kann ich mich hier nur auf Doitsu verlassen!“

Wütend stapfte ich aus der Küche heraus. Die Tür zu meinem Zimmer stand einladend einen Spalt offen. Nur ein paar Meter, nur wenige Schritte.
„Äh“, sagte eine Stimme neben mir, die im höchsten Maße verlegen klang, „ich weiß, dein Privatleben geht mich nichts an, Akira-sama.“
Ich sah zur Seite und erkannte Lilian. „Aber?“
„Aber… Wenn ich dir eine Frage stellen darf? Akira-sama, das stimmte doch alles gar nicht, was die Frau im Fernsehen gesagt hat, oder? Ich meine, die Tränen und alles, ich weiß nicht, warum sie es getan hat, aber es stimmt doch nicht, ja?“
Als ich in ihre großen, traurig schimmernden Augen sah, schluckte ich meine Wut herunter. Anstatt sie anzufahren, wie es meiner Laune eher entsprochen hätte, lehnte ich mich leicht vor und tätschelte ihren Kopf. Was ihr sichtlich gefiel.
„Nein, natürlich nicht, Lilian. Ich bin ihr noch nie begegnet, außer vorhin vor dem Restaurant. Und ich habe auch keine Ahnung, warum sie das getan hat.“
Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. „Trotzdem werden die nächsten Tage ziemlich schwierig, vielleicht sogar die nächsten Wochen. Und das Schlimme ist, die Presse könnte euch alle da mit reinziehen. Das tut mir sehr Leid, Lilian. Aber wenn Ihr mir beisteht, wenn Ihr nicht glaubt, was die anderen sagen, dann kann ich es durchstehen. Dann können wir es durchstehen. Hilfst du mir, Lilian?“
Die Kronosierin sah mich wieder mit ihren großen, feucht schimmernden Augen an. Übergangslos fiel sie mir um den Hals. „Ich vertraue dir, Akira-sama. Das weißt du doch.“
Ich spürte einen dicken Kloß im Hals. „Danke“, hauchte ich und drückte die junge Frau kurz.

„Ich habe Stimmen gehört. Ist Akira wieder… Beim heiligen Buddha, Akira, was machst du da?“, rief Doitsu vom Eingang seines Zimmers herüber.
Ich warf einen Blick über meine Schulter zurück. „Ich umarme Lilian.“
Der junge Bursche mit der Brille wurde rot. „Das sehe ich. Ich meine, warum umarmst du sie?“
„Weil sie mich zuerst umarmt hat“, erwiderte ich und löste mich von ihr. Wenn ich in ihre Augen sah, dann wusste ich, auf sie konnte ich mich verlassen.
Doitsu schob seine Brille in einer dramatischen Geste die Nase hinauf. „Das ist eine Erklärung. Offensichtlich hat sie dir Treue geschworen und mit der Umarmung unterstrichen. Was für eine ehrliche und reine Einstellung.“
Doitsu sah auf, dabei ging ein schimmernder Reflex über seine Gläser. „Entschuldige, dass ich den Medien geglaubt habe, wenn auch nur für einen Moment. Ich wollte dir nur sagen, dass ich ebenfalls zu dir stehe, und ich bin sicher, Kenji und die anderen auch. Die nächsten Tage werden schwer. Aber wir stehen hinter dir.“
Ich verzog mein Gesicht wie unter Schmerzen. „Die anderen sehen sich gerade die ersten Fake-Fotos von mir und Joan Reilley an.“
„Was? Die sind fertig?“ Hastig eilte Doitsu durch den Gang und drückte sich mit einer Entschuldigung an mir vorbei in die Küche.
Ich ließ den Kopf hängen. Soviel zu wir stehen hinter dir…
Neben mir trat nun auch Lilian unruhig von einem Bein aufs andere. „Akira-sama, ich… Darf ich mal durch?“
Als auch die Außerirdische in der Küche verschwand, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich entschied mich dafür stumm zu leiden und ging in mein Zimmer.
Gut, gut, die gefaketen Fotos waren noch lange kein Indiz dafür, dass sie nicht hinter mir standen, wenn es drauf ankam.

„Da hast du dir ja einen schönen Mist eingebrockt, Akira“, erklang eine Stimme von meinem Schreibtisch. „Oder soll ich dich lieber Aki-chan nennen?“
Ich sah herüber. Megumi saß auf meinem Schreibtischstuhl und sah kalt zu mir herüber.
„Megumi-chan, ich…“
„Sag nicht chan zu mir“, fauchte sie. „Es ging über alle Kanäle. Es gibt Sondersendungen. Meinungsumfragen. Wiederholungen der Szene, wie du ihr das Herz gebrochen hast. Hervorragend gemacht, Colonel Otomo. Wenn du einen Todfeind wolltest und nebenbei die ganze Bevölkerung Japans gegen dich aufbringen willst, gratuliere, das hast du dann wohl geschafft.“
Innerlich atmete ich einen Moment auf. Gut. Sie glaubte Joan Reilley auch nicht. „Megumi-chan…“
„Hör auf, rumzusülzen. Überleg dir lieber mal, was du angerichtet hast. Musstest du so abweisend sein? Musstest du gleich eine klare Grenze ziehen? Es wäre taktisch klüger gewesen, erst auf sie einzugehen, anstatt entweder sie zur Lügnerin oder dich zum kaltherzigen Ladykiller zu stempeln! Du bist doch ein Mann. Fällt es dir so schwer, auf eine hübsche Frau reinzufallen? Du hättest auf diese Weise wertvolle Hintergrundinformationen sammeln können, Akira. Hast du daran gedacht?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Mein einziger Gedanke war: Lass dich nicht missbrauchen. Ich… Ich will nicht ihr Spielball werden.“
„Da haben wir ihn wieder. Den ehrlichen, direkten und von Grund auf anständigen Akira Otomo. Wann lernst du endlich, dass dir dein Charakter manchmal im Weg steht?“, erwiderte sie wütend. „Du wurdest urplötzlich mit einer unbekannten Gefahr konfrontiert und hast nicht gerade subtil reagiert. Das war nichts, worauf du stolz sein kannst!“
Trotzig sah ich sie an. „Ich konnte und wollte nicht vor der Presse sagen oder auch nur andeuten, dass sie meine Freundin ist. Oder werden könnte. Das ging einfach nicht!“
„So, so. Und warum ging das nicht, Mister Extraehrlich?“ Langsam erhob sie sich und kam auf mich zu.
„Weil… Weil…“, verlegen sah ich zur Seite.
„Ich höre, Akira.“
„Weil… sie eine wirklich grässliche Musik macht. Und ich wollte nicht, dass die, die meine Lieblingsmusik machen, glauben, dass ich Joan Reilley ihnen vorziehe“, haspelte ich hervor.
„Was? Musik?“, fragte Megumi mit weit aufgerissenen Augen.
Ich sah immer noch weg und spürte, wie sich meine Wangen röteten. „Außerdem hat sie angedeutet, ich und sie hätten… Nun… Wir hätten…“
„Hör auf, rumzustammeln. Sie hat angedeutet, ihr beide hättet Sex gehabt. So sah es jedenfalls für mich aus. Und?“, fragte Megumi.
„Das ist eine ungeheuerliche Behauptung, die ich niemals zugelassen hätte.“ Ich hatte noch mehr sagen wollen, mehr erklären, begründen, aber es kam kein weiteres Wort über meine Lippen. Ich wandte ihr wieder den Kopf zu und sah zu Boden. „Verzeihung.“
Megumi war für einen Moment unschlüssig. Dann landete ein harter Schlag auf meinem Hinterkopf. „Trottel. Nun ist das Malheur angerichtet. Sehen wir eben zusammen zu, wie wir da wieder rauskommen, ja?“
Sie trat noch einen Schritt vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Verwirrt sah ich auf. „Wofür war der?“
Sie lächelte mich an. „Der war dafür, dass du Mister Extraehrlich bist.“
Ich fühlte mich unendlich erleichtert. Meine Freunde standen zu mir – mehr oder weniger. Megumi stand zu mir. Was auch immer auf mich wartete, ich würde es überstehen. Mit ihnen.

3.
Hatte ich auch nur jemals geglaubt, das, was auf mich lauerte, überstehen zu können?
Der Weg zur Schule war bereits ein Spießrutenlaufen gewesen. Kameras, giftige Blicke der Mädchen und teils verehrende, teils nicht weniger giftige Blicke der Jungen waren nur ein Teil dessen gewesen, was mich erwartet hatte.
Ich ging alleine, hatte darauf bestanden und meine Freunde vorgeschickt. Im Nachhinein eine mehr als dumme Idee.
Aber ich hatte es ertragen, den ganzen weiten Weg bis zur Schule.
Nur um das Schultor drei Minuten vor der Zeit vor der Nase zugeschoben zu bekommen.
„Was soll denn der Mist?“, klagte ich die beiden Mädchen an, die das Tor geschlossen hatten.
„Du bist zu spät. Das gibt eine Strafarbeit“, rechtfertigte sich die Wortführerin.
Ich war kurz davor zu explodieren. Außer mir waren noch andere Schüler ausgesperrt worden. Aber anstatt ebenfalls wütend zu sein wirkten sie eher schadenfroh auf mich.
„Das Tor wurde drei Minuten zu früh geschlossen. Macht es wieder auf“, sagte eine ruhige Stimme hinter den beiden Mädchen.
„Akane-sempai“, hauchte eine von ihnen erschrocken. „Aber das ist…“
„Das ist ein Mitglied der Schülervertretung, und? Nun macht das Tor wieder auf. Oder soll ich euch melden?“, blaffte Akane.

Betreten sahen die beiden zu Boden und schoben das Tor wieder auf. Erleichtert betrat ich den Hof. „Danke, Sempai. Du hast mir sehr geholfen.“
Akane warf mir einen undefinierbaren Blick zu. „Takashi will dich sehen. Nach der Schule.“
Erschrocken zuckte ich zusammen. Mizuhara-sempai alias Takashi, die Graue Eminenz, mischte sich selten in den Alltag der Schule ein. Er überließ die anfallenden Arbeiten in der Schülervertretung lieber Akane Kurosawa, seiner Stellvertreterin, und den Klassensprechern wie mir und Yoshi. Wenn Takashi mich einbestellte, konnte das nichts Gutes bedeuten. „Ich werde da sein.“
„Gut“, erwiderte Akane und ging ins nächste Gebäude.
Ich sah ihr einen Moment nach, bevor ich beschloss, ebenfalls weiter zu gehen. Trotz der tausend brennenden Augen, die auf mir lasteten.
Ich hatte eine viel größere Sorge an diesem Morgen. Was, wenn Joan Reilley an meiner Schule auftauchte?
**
Zwischen den Stunden, Sakura hatte uns gerade in die Geheimnisse der Dunklen Materie und ihrer Bedeutung für die Ausdehnung und das Alter des Universums eingeführt, hatte ich vorgehabt, mich wenigstens bei Megumi zu bedanken, die mich vorbehaltlos unterstützte.
Im Gegensatz zu gewissen Freunden, die falsche Fotos von mir verkauften.
Ärgerlich schob ich meine Hände tiefer in die Hosentaschen und stapfte durch den Gang.
Als ich in Megumis Klasse gehen wollte, versperrten mir drei Mädchen den Weg. Die Wortführerin, eine große, braunhaarige junge Frau, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte wütend zu mir hinauf. „Du brauchst dir gar nicht erst die Mühe zu machen, Akira-san. Megumi-chan ist nicht an dir interessiert.“
„Vor allem nicht nach allem, was Gestern passiert ist“, fügte die Schwarzhaarige mit dem Kurzhaarschnitt links von ihr hinzu.
Die dritte, mit ebenfalls schwarzem, aber sehr langen glatten Haar, nickte dazu zustimmend.
„Moment“, warf ich ein. „Ich will zwar zu Megumi, aber ich will sie nicht…“
„Das tut nichts zur Sache!“, erwiderte die Erste wieder. „Du hast absolut keine Chance bei ihr.“
Ich warf einen Blick zu Megumi herüber, die am Fenster stand und hinaus sah. Sie schien mich nicht bemerkt zu haben.
„Genau“, ereiferte sich die rechts von ihr. „Wir haben nämlich alle gesehen, auf der OLYMP-Plattform, wie Megumi-chan von diesem tapferen Hawk-Piloten gerettet wurde, diesem Blue Lightning. Und wir sind uns ziemlich sicher, dass sie in ihn verliebt ist!“
Die anderen beiden nickten zur Bestätigung.
Ich senkte den Kopf. Es fiel mir schwer, nicht sofort laut los zu lachen.
„Na, wenn das alles ist…“, sagte ich und wollte mich an den dreien vorbei drücken.
Doch die Vordere wich nicht einen Zentimeter beiseite. „Das ist noch nicht alles, Akira-san. Dieser Pilot, Blue Lightning, der uns alle gerettet hat, er ist Schüler dieser Schule.“
„Ach“, machte ich und biss mir für die unbedachte Bemerkung auf die Zunge.
„Ja, glaub es nur. Und wir wissen sogar, wer er ist“, mischte sich die Rechte wieder ein. „Hitomi hier hat nämlich einen Liebesbrief von ihm an Megumi überbracht.“
Entsetzt riss ich die Augen auf.
„Jawohl, er ist einer unserer Sempais aus den höheren Klassen. Und ein Held und Lebensretter passt viel besser zu Megumi-chan als ein Weiberheld wie du!“, fügte besagte Hitomi zu.

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Gab es da wirklich jemanden, der sich als der Mecha-Pilot Blue Lightning ausgab? Oder hatten die Mädchen hier nur eine Menge Fakten wild durcheinander gewirbelt?
Wie dem auch sei, Megumi kannte die Wahrheit. Und sie würde doch nicht auf so einen dämlichen Liebesbrief reinfallen…
Oder doch?
Nachdenklich strich ich mir über mein Kinn. „Wie heißt denn der liebe Herr Mecha-Pilot?“
„Warum sollten wir dir das sagen?“ Hitomi streckte mir die Zunge raus.
Einen Moment war ich versucht, mich durch diese Barrikade zu drängeln. Okay, ich hatte nichts dagegen, dass Megumi Liebesbriefe von Männern erhielt. Aber sie als allererste wusste doch zu genau, dass dieser Sempai – wer immer er war – nicht Blue Lightning sein konnte.
„Lasst ihn, bitte“, erklang Megumis Stimme. Sie hatte sich mir endlich zugewandt.
Die drei Mädchen sahen zu ihr herüber. „Aber er…“
„Es ist schon in Ordnung. Was willst du, Akira?“
Sie kam ein paar Schritte herüber. Und noch immer gaben die drei ihre Blockade nicht auf.
„Du hast einen Liebesbrief bekommen?“, fragte ich geradeheraus.
Übergangslos wurde sie rot und sah zur Seite. „W-was geht das dich an?“
„Von Blue Lightning?“
„Nicht von Blue Lightning“, erwiderte sie.
„Und? Wirst du dich mit ihm treffen?“, hakte ich nach.
Sie linste kurz zu mir herüber. „Ja, ich dachte schon.“
„So, da du jetzt ja alles weißt und die Klasse gleich anfängt“, begann Hitomi wieder und schob mich langsam aber sicher aus der Tür heraus, „kannst du wieder rüber gehen. Hier ist jedenfalls alles gesagt.“
Also, ich fand das ja nicht. Aber… Das Bild war einfach zu verlockend. Drei Mädchen, die sich um die eher stille und abweisende Megumi kümmerten. Hatte sie durch ihren Einsatz auf OLYMP letztendlich doch Freundinnen gefunden?
Bei diesem Gedanken fiel es mir schwer, noch weiter nachzubohren.
Mürrisch steckte ich meine Hände noch tiefer in die Taschen und schlenderte in meine Klasse zurück.

3.
Wie befohlen kam ich in der großen Pause ins Zimmer der Schülervertretung.
Aber niemand war da. Nur ein riesiger Gorilla, der in den Fernseher starrte, der im Zimmer stand.
Moment mal, Gorilla? Ich schluckte hart, als ich mir bewusst wurde, wen ich da in Gedanken so bezeichnete. Takashi Mizuhara. Den Chef der Schülervertretung. Die lebende Judo-Legende.
Über eins neunzig groß, gewiss neunzig Kilo schwer, von denen das meiste auf die Muskeln entfiel, bot der Schüler aus dem Abschlussjahrgang einen Furchterregenden Anblick.
„Akira, bist du das?“, fragte er ohne sich umzudrehen.
„Ja, Sempai.“ Langsam kam ich näher. Im Fernseher lief eine Trickfilmserie, ein Anime, den ich relativ gut kannte. Es ging um eine Art Rollenspielwelt, in der eine Gruppe aus einem Zwerg, einem Elfen und zwei Menschen verschiedene Abenteuer erlebte.
„Kenne ich die Folge?“, fragte ich und wollte mich neben Takashi setzen, aber dessen Kopf ruckte zu mir herüber. Eine Falle! Es war eine Falle!

Fünf Minuten später saß Takashi auf meinen Schulterblättern und zog mit einer gehörigen Portion Kraft an meinen Beinen. Einen Moment lang glaubte ich, meine Wirbelsäule würde nachgeben. „Hast du jetzt endlich genug?“, rief er wütend.
Nach dem Doppelnelson und einer wirklich gemeinen Beinschere war das nun schon die dritte Variante, in der mich der Ältere quälte. Aber die Alternative, aufgeben, hätte bedeutet, zuzugeben, dass ich der Schule mit meinem Verhalten Schande gemacht hatte. Und das ich die anderen Schüler nicht um die Chance hätte bringen dürfen, das Idol Joan Reilley persönlich kennen zu lernen, indem sie als meine Freundin auf diese Schule kam.
Aber ich hatte nichts falsch gemacht. Ich wollte sie gar nicht zur Freundin.
„Niemals“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Übergangslos ließ Takashi meine Beine los.
Verdutzt registrierte ich meine neue Freiheit, während mein Sempai wieder aufstand. Aber wer dachte, mein Martyrium hätte damit ein Ende, sah sich getäuscht. Die Attacke wechselte nur von körperlich auf verbal.

Takashi trat zu einem der Tische und zog zwei Handtücher hervor. Eines warf er mir zu, aber ehrlich gesagt ergab ich mich lieber den Schmerzen meines malträtierten Körpers und wusste es nicht recht zu schätzen.
Sempai trocknete sich das schweißbedeckte Gesicht ab und grinste zu mir herüber. In dem eher groben Gesicht eine mehr als ungewohnte Regung. „Du bist ein zäher Brocken, Akira. Die meisten anderen hätten schon beim Doppelnelson darum gebettelt, alles tun zu dürfen, was ich ihnen auftrage.“
„Ich bin eben nicht wie die meisten anderen“, erwiderte ich und griff nun doch zum Handtuch. Verdammt, gab es einen Muskel in meinem Körper, der nicht wehtat?
„Das will ich meinen.“ Er kam zu mir zurück und ging vor mir in die Hocke. Bevor ich mich versah, hatte er meinen linken Arm gestreckt und in Richtung Rücken gedrückt.
Ein leises Knacken kündete von seinem Erfolg. Schlagartig ließen die Schmerzen in diesem Teil meines Körpers nach.
„Hör mal, Akira. Was ist so schlimm daran, wenn eine der hübschesten Frauen des Showbiz dich auserkoren hat, mit ihr zu gehen? Ich meine, hast du sie dir mal angesehen? Diese Frau hat Klasse!“
„Was daran schlimm ist? Ich will sie nicht“, erwiderte ich ernst.
„Du willst sie nicht? Hast du bereits eine Freundin?“, fragte Takashi.
„N-nein“, gestand ich.
„Dann hast du eine in Aussicht?“
„Auch nicht“, gab ich widerstrebend zu.
„Woran liegt es dann, Akira? Hoffnungslos verliebt, oder was? Dann lass dir mal was gesagt sein. Wenn du zu lange und zu intensiv hoffnungslos liebst, dann verpasst du am Ende alle Chancen auf Glück. Und wenn dann zufällig ein so hübsches und berühmtes Mädchen wie Joan vorbei kommt, der Traum aller Jungen auf dieser Schule, und ausgerechnet dich haben will, dann siehst du deine Chance nicht und verpasst sie. Willst du das wirklich?“
Ich atmete aus und langsam wieder ein. „Sempai. So wie sie sich verhalten hat, muß ich eher annehmen, dass sie Teil eines Komplotts gegen mich oder Vater ist. Aber doch kein Mädchen, das mir einen ungewöhnlichen Liebesbeweis gegeben hat. Sie wollte mich quasi dazu zwingen, mit ihr zusammen zu sein! Soll ich meinen Vater erpressbar machen, auf welche Weise auch immer?“
Für diese Frage bekam ich einen derben Schlag auf den Hinterkopf. Was hatten die Leute nur alle mit meinem Kopf zu schaffen? Ich hatte auch noch Bauchmuskeln und einen Solar Plexus zum malträtieren.
„Trottel. Hast du schon mal eine Sekunde daran gedacht, dass es war, wonach es aussah? Das Joan Reilley mit dir zusammen sein wollte?“, knurrte Sempai.
„Sicher. Und ich bin Pilot eines Hawks und verteidige die Menschheit als Blue Lightning“, spottete ich.
Takashi warf mir einen Blick zu, der in mir das Gefühl aufkeimen ließ, dass er über mich Bescheid wusste. Ich schluckte hart.
„Einen Augenblick lang erschien mir der Gedanke ganz plausibel, vor allem nachdem ich gehört habe, dass du auf OLYMP die Lounge verlassen hast, bevor Blue Lightning aufgetaucht ist. Aber dann hättest du das bestimmt nicht so gesagt, oder?“
„N-natürlich nicht!“
„Dann ist ja gut. Nun, vielleicht musst du bei Joan etwas vorsichtig sein. Aber bei welchem Mädchen ist das nicht so? Ich finde jedenfalls, dass du kaum eine so gute Partie finden kannst. Und dann so problemlos. Sie kommt zu dir. Vielleicht solltest du deine Einstellung ihr gegenüber überdenken. Vielleicht hat sie es übertrieben, vielleicht hat sie geschauspielert und gelogen, aber eventuell war das, was es zu gewinnen gab, wertvoll genug dafür?“ Takashi grinste mich gewinnend an.
„Auf wessen Seite stehst du eigentlich, Sempai?“, blaffte ich wütend.
„Auf der Seite von dem, der versprochen hat, dass Joan ein Exklusivkonzert in der Schule geben wird, wenn ich mit dir spreche und dir ins Gewissen rede.“
Mit einem freudlosen Grinsen schüttelte ich den Kopf.
„Alles, was ich sagen will ist, denk noch mal drüber nach. Meinetwegen prüfe vorher, ob sie wirklich wegen der UEMF oder deinem Vater hinter dir her ist. Aber gib ihr dann wenigstens eine Chance. Immerhin geht es hier um das Glück unserer Schule. Wenn wir das Live-Konzert kriegen, werden die Neueinschreibungen im nächsten Schuljahr nur so in die Höhe schnellen. Und ich kann die Schule ruhigen Gewissens an Akane übergeben…“ Takashi lächelte mich an. „Kannst du das für uns tun?“
„Sempai, du bist ein widerlicher Materialist“, schimpfte ich und erhob mich.
„Danke“, sagte Takashi, als ich gerade durch die Tür gehen wollte. Verdammt, er hatte mich tatsächlich dazu gebracht, ernsthaft über Joan nachzudenken.

Wütend warf ich die Tür wieder zu und ging den Gang entlang. Die junge Frau, die mir mit tief ins Gesicht gezogener Baseballmütze entgegen kam, beachtete ich gar nicht. Bis sich eine Hand, stark wie ein Schraubstock, um mein rechtes Handgelenk legte.
Erschrocken blieb ich stehen und sah sie an. Wir waren alleine auf dem Flur, was ich dankbar zur Kenntnis nahm. Joan Reilley stand neben mir.

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Eine Zeitlang standen wir schweigend beieinander. Sie starrte unter ihrem Baseballcap starr geradeaus. Ihr langes rotes Haar hatte sie darunter versteckt.
„Schön, dich zu sehen, Aki-chan“, sagte sie leise.
„Entschuldige bitte, wenn ich das nicht erwidern kann“, flüsterte ich zurück.
„Bist du etwa böse mit mir?“, fragte sie.
„Wer wäre das nicht? Nach der Show, die du Gestern abgezogen hast, bin ich der meistgehasste Mann an dieser Schule.“
„Selber Schuld. Was bist du auch so starrköpfig. Warum bist du nicht einfach auf mich eingegangen?“, warf sie mir tadelnd vor.
„Warum sollte ich?“, blaffte ich lauter als geplant.
Ein dünnes Grinsen zierte ihr Gesicht. „Hör auf zu meckern, Blue Lightning. Benimm dich bitte wie jemand, der einen ZULU im Alleingang vernichtet hat und nicht wie ein pubertierender Junge.“
Geschockt schwieg ich einige Zeit. Woher wusste sie das alles?
Sie sah zu mir hoch. Ihre herrlichen blauen Augen blitzten. „Woher ich das weiß, fragst du dich sicher gerade, ja?“
„Nein, ich überlege gerade, wie schnell ich dich verhaften lassen kann“, konterte ich.
„Aber, aber, Aki-chan. Du wirst doch nicht etwa willkürlich einen landesweit bekannten Star verhaften lassen, nur weil dein Vater Eikichi Otomo ist und du dich von mir genervt fühlst.“
Widerwillig musste ich anerkennen, dass es sicherlich darauf hinaus laufen würde. Anderseits, welche Alternative hatte ich? Woher bezog sie ihr Wissen? Die Kämpfe mit dem ZULU waren zwar allgemein bekannt. Aber außerhalb des Militärs gab es nur eine Handvoll Leute, die wussten, dass ich Blue Lightning war.
Entsetzt atmete ich aus, als mir die Erkenntnis kam. Das fehlende Puzzlestück war einfach. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, wer Blue Lightning war. Der Rest war nur zusammenreimen von offiziellen Fernsehberichten.
„Ich habe mich schon seit einiger Zeit gefragt, wann du wieder aktiv wirst“, hauchte sie leise und lächelte zu mir hoch. „Und als dann die Nachrichten von den neuesten Kämpfen kamen, da dachte ich, wenn es für dich an der Zeit ist, in einen Hawk zurückzukehren, dann ist es auch an der Zeit, meine Pläne zu verwirklichen, Aki-chan.“
„Deine Pläne?“, fragte ich leise.
Joan stellte sich auf ihre Zehenspitzen und kam meinem Gesicht ein beachtliches Stück näher. „Deine Gene, Aki-chan. Ich will deine Gene.“
Erschrocken riss ich die Augen auf. „Was? Du willst meine DNS extrahieren?“
„Nein, doch nicht so was kompliziertes. Ich dachte eher an direkt fortpflanzungsfähige DNS“, erwiderte sie schmunzelnd.
Mir wurde heiß und meine Wangen begannen zu glühen. „Warum willst du meine… DNS haben?“
„Das, Aki-chan“, hauchte sie leise und gab mir einen Kuss auf mein Kinn, „ist eine lange Geschichte.“
Der Kuss war wider erwarten mehr als angenehm gewesen, was mich noch mehr irritierte.
Ich lebte immerhin mit mehreren Schönheiten in einem Haus, musste aber meinen Instinkten harte Zügel anlegen. Dass Joan mir gerade so nahe war, empfand ich rein sexuell nicht gerade als hilfreich.

„Ich habe Zeit“, erwiderte ich ernst. Zumindest so ernst, wie es mir gerade möglich war. „Und vor allem, warum nimmst du dir nicht einfach eine Probe und gut ist? Warum ziehst du so eine Show ab?“
Joan brummte verstimmt. Ihre Lippen wanderten etwas an mir herauf und drückten sich auf meine Unterlippe. „Eigentlich dachte ich, wir probieren es mit der traditionellen Methode, Aki-chan.“
Entsetzt löste ich mich von ihr und beugte mich etwas nach hinten. „D-du meinst heiraten?“
Schalk glomm in ihren Augen. „Das wäre ein Bonus. Aber ich dachte eher an den technischen Vorgang.“ Sie versuchte erneut, mich zu küssen, aber ich beugte mich noch weiter nach hinten. Seufzend gab sie schließlich auf.
„Ich gebe zu, mein erster Versuch ist fehlgeschlagen. Aber ich gebe nicht auf, Aki-chan. Ich bekomme dich, egal was ich dafür tun muß. Und ich beweise dir, dass ich mehr wert bin als deine Kronosierin oder deine Elitepilotin.“
Wenn es in Puncto Entsetzen eine Steigerung gab, erlebte ich sie gerade. „W-woher weißt du das alles?“, stammelte ich.
„Aki-chan, Aki-chan. Ich passe schon so lange auf dich auf. Es wundert mich, dass du das nie gemerkt hast. Ich weiß über alles, was in deinem Leben vorgeht Bescheid. Über wirklich alles. Wollen wir nicht ein paar richtige Fotos machen, damit Kei nicht diese gefälschten verkaufen muß?“ Wieder kam sie mir näher. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. „D-das geht mir viel zu schnell.“
„Oh. Na gut. Ich vergesse immer, dass du zwei Jahre jünger bist als ich.“ Sie hob ihre Rechte und streichelte meine Wange. Bevor ich mich versah, hatte sie ihre Hand in meinem Nacken gekrallt und meinen Kopf mit unglaublicher Kraft zu sich herunter gezogen.
Ihr Kuss war im ersten Moment hart, aber danach schlicht und einfach unglaublich.
Als sie sich wieder von mir löste, starrte ich sie an, im Innern aufgewühlt wie selten bevor.
„Nun, Aki-chan, ich gebe nicht auf. Ich kriege dich, und wenn ich dafür fair kämpfen muss. Ich gebe zu, Gestern ist etwas überhastet gelaufen. Auf Zwang reagierst du nicht wirklich gut. Na, bei dem Vater ist das verständlich.
Aber gibst du mir die Chance, noch einmal ganz von vorne anzufangen?“
Entsetzt stellte ich fest, dass ich nicht wirklich Herr meines Willens war. In meinem Kopf rauschte heißes Blut und meine Knie wackelten erbärmlich. „O-okay. Wenn du meinen Ruf wiederherstellst. Ich will nicht länger als Monster dastehen.“
Sie nahm ihre Hand aus meinem Nacken und lächelte mich an. „Das wird meine leichteste Übung, Aki-chan. Du wirst sehen, deine Schule frisst mir schon bald aus der Hand.
Nur eine Chance. Mehr verlange ich nicht.“

Joan rückte ihr Baseballcap zurecht und ging weiter. Im Türrahmen der Schülervertretung erwartete sie bereits Takashi, der sie mit Handschlag begrüßte. Bevor sie mit ihm das Zimmer betrat, sah sie noch einmal zu mir. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sah, dass ich sie immer noch beobachtete. Sie warf mir einen Kussmund zu und lächelte mir noch einmal zu, bevor sie im Raum verschwand.
Zurück blieb ich. Irritiert, verwirrt und im wahrsten Sinne des Wortes vor den Kopf gestoßen. Woher wusste sie so viel über mich? Warum wollte sie meine Gene? Und warum auf die natürliche Art? DER Punkt bereitete mir die meisten Probleme, gestand ich mir ein.
Der Gedanke elektrisierte mich geradezu, und das machte mir Angst.
Ich versuchte wie immer meine Hände in den Hosentaschen zu versenken, aber es gelang mir erst beim vierten Versuch. Mit gesenktem Kopf schlich ich den Gang entlang.
Toll. Die nächste Stunde hatte natürlich schon begonnen. Und der Ärger, den ich von Sakura wegen meiner Verspätung kriegen würde, war kaum geringer als der, der mir mit Joan Reilley bevorstand.

4.
Nachdenklich betrachtete ich meinen rechten Arm. Fünf kleine, dunkelblaue Blutergüsse zeichneten sich darauf ab. Sie waren oval und ziemlich eindeutig angeordnet. Dieser Gedanke erschrak mich.
„Was hast du denn gemacht?“, raunte mir Yoshi zu. „In deinem Nacken sind Blutergüsse – sooo groß.“
Ich grinste verhalten. „Ich habe versucht, mit Megumi zu sprechen.“
„Ist die andere Klasse so rabiat?“, murmelte er. „Hätte ich nicht erwartet.“
Innerlich schwitzte ich Blut und Wasser. Auch im Nacken? Das waren die beiden Stellen, an denen mich Joan gepackt hatte. Was hatte das zu bedeuten? Warum war dieses zarte Mädchen nur so stark?
Und das wichtigste: Wie wollte sie meinen Ruf wiederherstellen?
„Akira-san!“, rief Sakura. „Erst kommst du zu spät und dann folgst du nicht dem Unterricht.“
„Sensei“, rief ich. „Ich bin ab sofort voll da.“
„Gut, dann kannst du den anderen ja erklären, warum die Dunkle Materie trotz ihrer eher theoretischen Existenz so essentiell für die Berechnung des wahrscheinlichen Alters des Universums ist.“
„Sensei. Das wahrscheinliche Alter des Universums wird mit zwanzig Milliarden Jahren angenommen.
Allerdings ist die Masse der sichtbaren Materie nicht ausreichend, um die jetzige Expansion, soweit wir sie erfassen können bei der Materieverteilung im Universum zuzulassen. Daher wird angenommen, dass ein Großteil der Materie, die für dieses Modell vorausgesetzt wird, von uns nicht erfasst werden kann. Sprich: Es handelt sich an Masse, die weder Lichtquelle Erster noch Zweiter Ordnung ist. Also Dunkle Materie.
Man nimmt an, dass die Dunkle Materie in etwa das dreifache Volumen der sichtbaren Materie hat.“
Ein leises Raunen ging durch die Klasse.
Verlegen legte ich eine Hand an den Hinterkopf. „Äh, ich habe schon mal ein paar Seiten im Lehrbuch vorweg gelesen.“
Das Stundenende erlöste mich vorerst.

Während ich mich auf die nächste Stunde vorbereitete, kam Yoshi zu mir herüber. „Was ist los mit dir, Kumpel? Du stehst irgendwie neben dir.“
„Takashi hat mich in die Mangel genommen, damit ich netter zu Joan Reilley bin.“
„Hat er wieder den Doppelnelson angewendet? Er kann echt ein Tier sein, wenn er will“, brummte Yoshi mit einem Nicken.
„Aber das ist noch nicht alles. Ich wollte wirklich rüber zu Megumi, und da haben mir doch drei Mädchen aus ihrer Klasse den Weg versperrt. Sie sagten, Megumi will nichts von mir weil…“
„Weil?“
„Weil sie angeblich in den Piloten verliebt ist, der sie beim Angriff des ZULU-Kreuzers gerettet hat.“
Yoshi lachte laut auf. Als er die Blicke der anderen spürte, murmelte er eine Entschuldigung.
„Aber was ist daran problematisch?“
„Sie hat von ihm einen Liebesbrief gekriegt.“
„Du hast ihr einen Liebesbrief geschrieben? Gehst du jetzt aufs Ganze?“, fragte Yoshi erstaunt.
„Nein, du verstehst nicht. ER hat ihr einen Liebesbrief geschrieben.“
Es dauerte einige Zeit, bis die Erkenntnis zu Yoshi durchsickerte. „Ah. So, so. Was? Aber DU bist doch…“
„Der Brief stammt angeblich von einem Sempai aus den höheren Klassen“, fügte ich hinzu. „Ich frage mich wirklich, wer so dämlich ist und erwartet, dass Megumi ihren Kommandierenden Offizier nicht persönlich kennt.“
„Mach dir darum keine Sorgen, Akira. Sie wird mit dem Bastard Schlitten fahren und das war es dann“, meinte Yoshi und wedelte mit der Rechten.
„Mir macht etwas anderes viel mehr Sorgen. Sie weiß es. Klar. Aber sie wird auf den Liebesbrief antworten.“
„Was?“, rief Yoshi entsetzt. Dann aber winkte er erneut ab. „Ach, Akira, es gibt so viele hübsche Frauen auf dieser Welt, es muß ja nicht Megumi sein, oder?“
„Ja, klar, als wenn ich hinter ihr her wäre“, brummte ich wütend.
„Nein, natürlich nicht. Du hast nur dein Leben riskiert, um ihren abstürzenden Mecha zu retten“, konterte er.
Ich zerbiss eine Verwünschung und starrte ihn wütend an. „Das hätte ich auch für dich getan.“
„An dieser Stelle hättest du besser gelogen“, kommentierte Yoshi amüsiert. „Sonst wird das nie was mit euch.“
„Vielleicht“, warf Lilian ein, „vielleicht will Megumi-sama dir auch nur einfach nicht im Weg stehen, wenn du mit Joan Reilley zusammen kommst, Akira-sama?“
Erschrocken fuhr ich auf. Yoshi griff sich ans Herz. „Wo kommst du denn so plötzlich her?“
„Ach“, meinte die weißblonde Frau und lächelte niedlich, „ich höre schon eine ganze Weile hier zu. Äh, mein Gehör ist ein wenig besser als das eines normalen Menschen.“
„Schon klar“, kommentierte ich. Freie Bahn bei Joan Reilley, hm? Was für ein amüsanter Gedanke.

„Akira!“, erklang es vom Eingang her. Ich sah herüber und spürte, wie meine Kinnlade herab sackte. „Mako?“
Mein Cousin betrat die Klasse, nachdem er mich entdeckt hatte und hielt auf mich zu wie eine ferngesteuerte Rakete. „Keine Fragen. Obwohl ich bereits einen Abschluss habe, hat mich Sakura dazu gezwungen. Ich gehe in den Abschlussjahrgang. Obwohl ich hier selbst unterrichten könnte.“ Mit einem feinen Lächeln legte Makoto eine Hand an seine Schläfe. Die Geste löste ein kollektives Seufzen bei den Mädchen in der Klasse aus.
„Okay, du lässt dich wieder mal von Sakura gängeln. Und?“
„Na, deswegen bin ich nicht hier… Aki-chan“, sagte er grinsend. „Joan Reilley ist im Gebäude.“
Ich grinste abfällig. „Das weiß ich. Ich bin ihr schon begegnet.“
„Kann nicht sein. Ich habe nichts von einer herzzerreißenden Szene gehört“, erwiderte Makoto.
„Sie ist hier?“, rief Yoshi erstaunt.
„Wo? Wo? Ich gehe hin und zerlege sie in Einzelteile. Meinen Akira-sama so vorzuführen, die kann was erleben“, sagte Lilian und wollte sich in Bewegung setzen.
Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Lilian… Lass es. Sie wird mittlerweile schon wieder fort sein. Sie ist zur Schülervertretung. Soweit ich weiß, hat sie mit Takashi verhandelt. Wenn er mir dazu bringt, sie besser zu behandeln, gibt sie ein Livekonzert an der Schule.“
„Waaas? Joan gibt ein Livekonzert an unserer Schule? Wundervoll!“
„Lilian, wolltest du sie nicht gerade in die Einzelteile zerlegen?“, fragte ich amüsiert.
„Das hat doch noch Zeit bis nach dem Auftritt“, rechtfertigte sie sich.
Ich schüttelte nur den Kopf. „Ihr wollt mich umbringen, gebt es ruhig zu.“
„Nicht mehr als sonst auch“, erwiderte Yoshi grinsend.

„Ach, bevor ich es vergesse, Akira“, raunte Makoto mir zu, „es gibt noch einen Grund, warum ich gekommen bin. Wir müssen heute Abend auf den OLYMP. Ich will dir was zeigen.“
„Hm?“, machte ich uninteressiert. „Was denn?“
„Das“, sagte Makoto und grinste mich frech an, „ist ein Geheimnis… Aki-chan.“
„Spötter“, kommentierte ich mit einem dünnen Schmunzeln.
„Oh, die Klasse geht weiter. Ich bin raus. Tschüß“, sagte Mako und ging hinaus.
Irrte ich mich oder sahen ihm die meisten Mädchen hinterher?
„Er hat gar nicht mit mir geredet“, brummte Yoshi beleidigt.
„Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um dich, Kumpel“, sagte ich leise.
„Ooooh, ein Konzert von Joan Reilley“, sagte Lilian leise. Ihre Augen strahlten dabei.
„Warum muß das alles immer mir passieren?“, stöhnte ich. „Warum?“

5.
Als ich nach dem Abendessen gemütlich im Wohnzimmer saß und ein wenig Schach mit Yoshi spielte, wartete ich eigentlich nur darauf, dass Makoto den Marschbefehl erteilte.
Das Schachspiel diente eigentlich nur dazu, um die Zeit tot zu schlagen.
Obwohl, ich war am gewinnen.
Als dann der stille Alarm los ging und mich darüber informierte, dass Eindringlinge über den Luftraum in den Garten gelangt waren, sprangen Yoshi und ich auf – wobei er, natürlich vollkommen zufällig, das Brett umwarf. Er entschuldigte sich mit einem Lächeln, um seinen Bogen zu holen. Ich griff nach meinem Katana.
Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, hockte Akari dort auf dem Fußboden und verneigte sich in meine Richtung. „Akira-sama, du hast Besuch.“
Ich ließ mein Katana sinken und trat in den Garten hinaus.
Dort knieten vier junge Mädchen auf dem Boden und hatten die Köpfe gesenkt. Ich kannte sie alle mehr oder weniger. Red Slayer. Black Slayer. Orange Slayer. Blue Slayer.
Blue Slayer war ganz vorne. Sie hatte eine Faust als Stütze auf den Erdboden gelegt und sah auf, als ich sie anblickte. „Akira-san. Wir möchten um einen Gefallen bitten.“
Ich nickte. „Ich werde ihn mir anhören.“
Blue sah an mir vorbei. Dann wieder zu mir. Yoshi, der gerade herangehetzt kam, ließ seinen Bogen wieder sinken. „Was ist denn hier los? Kenne ich euch Hübschen nicht?“
Black und Red kicherten bei diesen Worten, wurden aber von Blue mit einem schnellen Seitenblick ermahnt. „Akira-san. Kommt Akari raus zu spielen?“ Blue wurde rot, als sie merkte, was sie gerade gesagt hatte. Das war sicherlich nicht die Wortwahl gewesen, die sie ursprünglich geplant hatte, ging es mir durch den Kopf.
„Natürlich. Akari. Wenn du willst, kannst du mit den Youma Slayern gehen. Aber komm in einem Stück wieder.“
„Wirklich?“, rief Akari aufgeregt und trat in den Garten hinaus. Als sie vor den vier Mädchen stand, umgab sie plötzlich ein Wirbel aus Lichtimpulsen. Auf diese Weise verwandelte sich ihr Kimono in die Uniform der Slayer. Sie wurde White Slayer.
„Danke, Akira-san“, sagte Blue und sprang in die Luft. Die anderen, Akari eingeschlossen, folgten ihr.
„Wusste ich es doch“, murmelte ich grinsend. „Die ganzen Gesten sind überhaupt nicht notwendig. Alles nur Show.“
**
Eine Stunde später befand ich mich auf OLYMP. Nachdem Vater mir einen zehnminütigen Vortrag über den richtigen Umgang mit der Presse gehalten hatte, konnte mir Makoto endlich zeigen, wofür er mich in den Weltraum geschleppt hatte.

Wir gingen in den Hangar. Die Reparaturen an Lady Death und Blue Lightning waren fast abgeschlossen. Auch die Wiederaufbauarbeit an den Hekatoncheiren machte immense Fortschritte. Fünf neue Piloten, das war beinahe so, wie ganz von vorne anzufangen…
Makoto führte mich zu einer Bay, einem abgeschotteten Bereich, in dem die Mechas gelagert wurden, solange sie nicht im Einsatz waren. Er nickte einem der Techniker zu.
Kurz darauf öffnete sich die Bay und der Inhalt fuhr heraus.
Ich fühlte, wie mir die Kinnlade herab sackte. „Das… Das ist…“
„Richtig, Akira. Das ist der Primus.“
Der Daishi Primus. Der erste Mecha, der den Menschen in die Hände gefallen war. Der Mecha, den ich gesteuert hatte, um gegen die Angreifer zu kämpfen. Der Mecha, der zerlegt worden war, um anhand seines Beispiels eigene Mechas zu entwickeln. Blue war eines der ersten Designs nach diesem Vorbild.
Dies war der erste Mecha der Menschheit, so wie ich ihr erster Pilot war. Ehrfürchtig trat ich näher und strich über das glatte Material der Panzerung.
„Die Wissenschaftler und Ingenieure haben die Analysen beendet. Sie meinen, mehr können wir nicht mehr über ihn lernen. Also haben sie ihn wieder zusammensetzen lassen. Der Primus wird hier oben als Reservemaschine dienen. Wir haben die Panzerung natürlich auf den neuesten Stand gebracht. Und die Bewaffnung der Zeit angepasst.“
Noch immer strich ich über das Material. Es war fast wie beim ersten Mal, als ich diesen Mecha gesehen hatte. Mit diesem Ding, so altmodisch er im Vergleich zu unserer aktuellen Technik auch war, hatte ich mehreren tausend Menschen das Leben gerettet, vielleicht sogar zehntausenden. Die Invasion zurückgeschlagen. Ehrfürchtig ging ich auf ein Knie nieder. „Dieser Daishi ist etwas ganz besonderes“, hauchte ich leise. „Er gehört in ein Museum, und nicht auf das Schlachtfeld.“
Ich sah hoch zum Kopf mit den Sensoren. „Kumpel, wir verdanken dir soviel. Du hast deine schlimme Zeit hinter dir. Du solltest nicht mehr kämpfen müssen.“
„Er… Kann dir nicht antworten. Wir haben die künstliche Intelligenz für den Nachbau zerlegt. Sie konnte nicht wieder reinitiiert werden“, stellte Makoto bedauernd fest.
„Primus ist mehr als die Summe seiner Schaltkreise“, bemerkte ich leise.
Bedauernd richtete ich mich wieder auf. Ich berührte das Metall ein letztes Mal. „Machs gut, Großer.“
Danach nickte ich dem Techniker zu, der den Daishi wieder in die Bay zurückfuhr.
„Du hast mir eine Riesenfreude gemacht, Mako.“
Mein Cousin nickte ernst. „Die habe ich auch mir selbst gemacht. Es ist schön, dass sie den alten Primus nicht verschrottet haben. Schön, dass er wieder in einem Stück ist. Auch wenn wir ihn nie brauchen werden.“
„Und falls doch“, sagte ich leise, „könnte das bedeuten, dass wir in schweren Zeiten leben.“

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09.01.2005 21:38 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Anime Evolution
Kapitel sieben

1.
„Nein!“, rief ich wütend. „Ich will nicht und ich werde nicht! Niemals! Ihr könnt mich töten, ihr könnt mir was brechen, aber ihr könnt meinen Willen nicht beugen!“
Eigentlich war es lächerlich, so hochtrabend zu sprechen, während ich am Kragen meiner Schuluniform gepackt und von zwei kräftigen Männern über die Straße geschleift wurde.
„Nun stell dich nicht so an, Akira!“, rief Yoshi ohne den Griff zu lockern. „Es ist nur Karaoke!“
„Ich HASSE Karaoke! Warum gehen wir nicht in die Spielhallen? Oder ein Bier trinken?“
Das letzte Argument schien zu wirken. Für einen Moment blieben sie stehen und diskutierten meine Vorschläge. Doch als es wieder anruckte, wusste ich, es hatte nicht geklappt.
„Nein, geht nicht. Leider kennen wir kein Lokal, in dem wir als volljährig durchgehen würden, Akira“, sagte Yoshi bedauernd.
„Also doch Karaoke“, bestimmte Doitsu.
„Jungs, das könnt Ihr mir doch nicht antun. Freunde. Kameraden. Waffenbrüder!“, flehte ich.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du dich anstellst wie ein Kind?“, brummte Yoshi beleidigt.
„Und hat dir schon mal jemand gesagt, dass die Art, in der Ihr mich hier wegschafft, aussieht wie eine Entführung?“, blaffte ich zurück.
„Ah, Futabe-kun. Schön, dich zu sehen. Ataka-kun, guten Tag. Na, wollt Ihr mit Otomo-kun wieder zum Karaoke?“, sagte eine alte Frauenstimme.
„Richtig, Frau Kubo“, bestätigte Yoshi grinsend.
„Otomo-kun ist aber manchmal auch störrisch wie ein kleines Kind. Na, viel Spaß noch, Ihr drei.“
„Danke, Frau Kubo“, sagten die beiden im Chor. Ich winkte zumindest aus meiner unbequemen Haltung.

Kurz darauf ging der Zug weiter.
„Es ist so lächerlich. Da bekämpfe ich die Kronosier, vernichte Dämonen, greife den Mars an, befreie mich selbst aus einem biologischen Computer und gelte als die ultimative Hoffnung der Menschheit, und dann wetze ich mir den Hosenboden ab, weil Ihr mich hinterher schleift.“
Doitsu seufzte zum Steine erweichen. „Das hatten wir doch schon. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, um dich zum Karaoke zu bringen. Entweder bewusstlos schlagen oder hinterher schleifen. Denn freiwillig kommst du ja doch nicht mit. Und glaub ja nicht, wir fallen wieder auf die Masche rein: Ja, ich bin vernünftig und kann alleine gehen.“
Wütend brummelte ich ein paar zusammenhanglose Flüche. Das wäre in der Tat mein nächster Schritt gewesen.
Wieder stoppten wir. Ich drehte mich um und sah mich nach einem neuen Gesprächspartner um, aber deswegen hielten wir nicht.
„Wir sind da“, stellte Yoshi fest. Er wechselte einen schnellen Blick mit Doitsu, dann griffen sie zu und stellten mich auf die Beine.
„Du wirst wie ein anständiger Mensch durch diese Tür gehen. Du wirst dich nicht am Rahmen festhalten. Du wirst weder nach vorne, noch nach hinten und erst Recht nicht zu den Seiten flüchten, klar? Du rennst nicht an der Kasse vorbei und versuchst auch nicht, über das Toilettenfenster zu entkommen. Und du blamierst uns nicht vor den Mädchen, indem du vorgibst nicht singen zu können.“
„Ja, ja, schon gut“, brummte ich ärgerlich. „Mädchen? Was für Mädchen?“
„Na, was denkst du, warum wir dich mitgeschleppt haben. Wir haben ein paar Mädchen von unserer Schule angesprochen und zum Karaoke eingeladen. Und da du ja so ein Einsiedlerleben führst, haben wir eben beschlossen, dich mitzunehmen.“ Yoshi grinste mich an. „Aber keine Bange, es sind nicht Megumi mit ihrer neuen Clique.“
„Ist doch sowieso egal. Sobald sie mich sehen, nehmen sie eh Reißaus. Oder hast du schon meinen schlechten Ruf vergessen?“
„Es ist doch sowieso egal. Sobald sie sehen, dass ich es bin, die Stellvertretende Schülersprecherin, werden sie sowieso wieder verschwinden!“, hallte es uns entgegen, als die Automatiktür aufging. Akane-sempai trat auf die Straße hinaus.
Ein Mädchen aus ihrer Begleitung schlang beide Hände um ihren Arm. „Ach komm, Akane-chan, gib der Sache doch eine Chance, uns zuliebe.“
„Von mir aus gerne, aber das Resultat steht sowieso schon fest“, sagte sie mit vor Zorn blitzenden Augen.
Ich erstarrte. Mein Hals bewegte sich so hölzern und steif wie bei einer schlecht geschmierten mechanischen Puppe, als ich den Kopf zu Yoshi drehte. „Du… hast Kurosawa-sempai zum Karaoke eingeladen?“
„Nicht Akane-sempai. Aber die Mädchen sagten schon, dass sie sie mitbringen wollten. Sie führt nämlich genauso ein Einsiedlerleben wie du“, erklärte er grinsend
Akane starrte mich erschrocken an. Ich erwiderte den Blick für einen Moment.
Beide senkten wir dann den Kopf und murmelten hastig eine Entschuldigung.
Doitsu lächelte die anderen beiden an. „Hiroko-sempai, Azumi-sempai, wir sind hier wie versprochen.“
Azumi, ein kleines, schlankes Mädchen mit zwei langen Zöpfen, lächelte Doitsu an. „Ich habe nicht eine Sekunde daran gezweifelt, Doitsu-chan.“
Der schwarzhaarige Mann lächelte verlegen und schob seine Brille wieder die Nase hinauf, was einen kurzen Reflex auf den Gläsern auslöste. „Ich pflege meine Versprechen zu halten, Azumi… chan.“
Die junge Frau lächelte und streckte Doitsu eine Hand entgegen. „Wollen wir dann?“
Der Sohn aus strengem Haus erwiderte das Lächeln und ergriff die Hand.
Yoshi war da schon etwas direkter. Er legte einen Arm um Hirokos Schulter und ging mit ihr in den Karaoke-Club. Hiroko schien es zu gefallen, sie kicherte leise.
Yoshi sah zu mir und Akane zurück. „So, der Rest liegt bei euch. Kommt rein oder lasst es bleiben.“

Nachdem die Automatiktür sich wieder geschlossen hatte, glaubte ich, einen leichten Wind zu verspüren, der verwelktes Laub über den Gehsteig beförderte. Die Szene hatte etwas von Trostlosigkeit.
Akane sah noch immer zu Boden.
„Tja“, murmelte ich leise. „Da stehen wir nun.“
„Ja. Da stehen wir nun“, erwiderte sie ebenso leise. „Verlassen, verraten und verkauft.“
Unschlüssig sah ich sie an. Dies wäre eine sehr gute Gelegenheit gewesen, um sich vor dem Karaoke zu drücken. Einfach umdrehen und abhauen. Ganz simpel.
Aber das hätte womöglich noch die Gerüchte über mich und Joan Reilley verstärkt.
Ich streckte eine Hand aus. „Es ist nur Karaoke. Wollen wir, Akane-chan?“
Sie sah auf. Zögernd ergriff sie die dargebotene Hand. „Vollkommen unverbindlich?“
„Nun, du musst schon eine Erklärung unterschreiben, dass du mich nicht für den Hörsturz verklagst, den mein Gesang auslösen wird, aber ansonsten vollkommen unverbindlich.“
Sie lachte leise über den Scherz.
„Also. Gehen wir, ja?“
Vor uns öffnete sich die Automatiktür.

2.
„Da hast du uns ja was schönes eingebrockt, Akira“, sagte Yoshi und feixte mir zu. „Es hätte nicht viel gefehlt und Hiroko hätte gefragt ob sie dich managen darf.“
Doitsu grinste leicht. „Gut, dass du dich zurück gehalten hast, sonst wäre sie dir gleich mit Haut und Haaren verfallen.“
„Das hätte ich nicht wirklich gut aufgenommen“, brummte Yoshi. „Immerhin war sie diesen Abend mein Mädchen.“
Ich lachte leise. „Haben die Mädchen kein Mitspracherecht bei der Verteilung?“
„Nein!“, riefen beide Freunde zugleich.
„Ihr seid mir ja Gentlemen“, bemerkte ich leise.
Doitsu stieß mir einen Ellenbogen in die Seite. „Na, hat sich da etwa jemand amüsiert? Du hattest deinen Spaß heute, nicht wahr, Akira?“
Ich wehrte mit einer Hand ab. „Ging so, ging so. Es war nicht halb so schlimm wie ich befürchtet habe.“
„Na, das sah aber ganz anders aus. Das Duett mit Akane-chan war jedenfalls Klasse.“ Yoshi legte vertraulich einen Arm auf meine Schulter und grinste mich an. „Ihr habt gut zusammen harmoniert.“
„Zugegeben, sie hat ne tolle Stimme“, erwiderte ich.
„Nicht nur ne tolle Stimme. Auch noch einen tollen Notendurchschnitt und einen aufregenden…“, begann Doitsu, bevor ich ihm das Wort abschnitt.
„Jungs. Wollt Ihr mich etwa mit Akane-chan verkuppeln?“
„Hörst du? Er nennt sie schon chan“, bemerkte Doitsu grinsend.
„Es war jedenfalls offensichtlich“, rief Yoshi und klopfte mir auf den Rücken, „dass sie die Zeit mit uns genossen hat. Und besonders mit dir, Akira. Denk doch mal nach, ein völlig normales Mädchen. Keine Hawk-Pilotin, die so kalt ist wie das Nordmeer, keine Durchgeknallte Popdiva, die dich als Privateigentum betrachtet. Kein Magical Girl, dass dir die Küsse stielt.“
Mist, hätte ich ihm doch nur nie von Blue Slayer erzählt.
„Einfach nur ein hübsches, kluges, kaum kompliziertes Mädchen mit tollen langen Beinen und einer ansehnlichen Figur. Bei der du vielleicht mal die Chance hast, dich zu ver…“
„Danke für deine Anteilnahme“, sagte ich hastig. „Vielleicht sollte ich wirklich mal über… diesen Abend nachdenken.“
„Das solltest du wohl. Und das am besten gleich. Los, dreh deine Runde. Wir gehen schon mal vor“, kommentierte Doitsu und klopfte mir ebenfalls auf den Rücken.
Die beiden ließen mich stehen und winkten noch mal nach hinten. „Bis dann, Akira.“
„Ja. Bis dann, Jungs.“
Da stand ich nun, wie ein begossener Pudel und musste mit einer Erkenntnis fertig werden: Karaoke konnte auch Spaß machen.

Meine Hände hatten einen neuen Platz gefunden. Ich hatte sie unter meiner Jacke in den Gürtel auf meinem Rücken eingehakt. Mit nachdenklichem Blick ging ich durch die abendliche Stadt. Yoshi und Doitsu hatten Recht. Es gab viel zum nachdenken für mich.
Hatte Akane wirklich Interesse für mich gezeigt? Nun, sie hatte darauf bestanden, ein Duett mit mir zu singen. Was für die eher kühle und zurückhaltende junge Frau schon ein mittlerer Temperamentsausbruch war. Und dann war da noch die Sache auf dem Schulweg, als sie sich mit Megumi gestritten hatte. Und mir dabei fast den Arm ausgerissen hätte.
Dass sie mich mochte, daran zweifelte ich nicht. Aber war da mehr?
Wütend schüttelte ich den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben. Ich wollte doch…
Ja. Was wollte ich eigentlich? Eine unterkühlte Mecha-Pilotin, die dachte, dass ich sie nur als Schwesterersatz wollte? Ein Magical Girl, dass auftauchte, wann es wollte und wo es wollte? Oder eine Sängerin, die mich bis auf die Knochen blamiert hatte?
Vielleicht doch die strebsame, hübsche Schülerin im Jahrgang über mir, die bisher nie etwas anderes im Sinn gehabt hatte als mein Wohl, wie sie oft genug bewiesen hatte?
Ich war verwirrt. In diesem Moment war ich dankbar dafür, dass ich meinen Oni Akari, Lilian und Sensei aus dieser Gleichung vorbehaltlos streichen konnte.
Was wollte ich? Akira Otomo? Auf keinen Fall ewig ohne Freundin bleiben, das war klar. Aber ansonsten? Liebte ich eines dieser Mädchen? Oder hatte ich die Chance, mich in eines von ihnen zu verlieben?
In Gedanken versunken blieb ich stehen. Mein Blick kehrte in die Wirklichkeit zurück. Direkt vor mir befand sich eine Haltestelle des Stadtverkehrs. Ich hatte die Linie nach Roppongi erreicht. In de Stadtviertel stand der Tokio Tower. Abends hatte man einen wirklich tollen Blick auf das Lichtermeer der Zwölf Millionen-Stadt.
Kurz entschlossen stieg ich ein und machte die Fahrt mit.
Als ich ausstieg, hatte ich zumindest einen Entschluss gefasst: Auf die Obere Aussichtsplattform des Towers zu fahren und die Lichter der Stadt auf mich wirken zu lassen.

Anderthalbtausend Yen ärmer stand ich auf der unteren Plattform und sah in die Nacht hinaus. Es war verhältnismäßig warm für die Jahreszeit, und es würde noch einige Zeit so bleiben. Ich war dankbar dafür. Ich wollte mich nicht schon wieder erkälten und hatte vom letzten Mal wirklich noch genug.
Ich legte beide Arme auf das Geländer und bettete mein Kinn auf die Hände. Meine Nase berührte dabei fast die Scheibe. Die Lichter der Stadt, die sich bewegenden Scheinwerferkolonnen der Automassen, sie hatten etwas Beruhigendes.
Eine beinahe hypnotische Wirkung.
Hatten nicht einige Menschen früherer Tage eine Art Rausch herbeigeführt, um zu höheren Erkenntnissen zu gelangen? Die hypnotische Stille schien einen ähnlichen Effekt auf mich zu haben, denn ich spürte, wie sich mein Herzschlag verlangsamte und meine Atmung flacher wurde. Für einen Moment war ich versucht, an Ort und Stelle einzuschlafen. Aber das wäre nur eine Verzögerung gewesen. Eine Verzögerung der wichtigen Entscheidung, was ich tun würde. Ob ich überhaupt was tun würde.
Musste Joan Reilley in die Liste der Frauen aufgenommen werden, die mich interessierten?
Ich betrachtete kurz meinen rechten Unterarm und dachte an die Blutergüsse, die ich davon getragen hatte. Interessant war sie zweifellos.
Und Akane? Wir hatten uns gut amüsiert, aber reichte das? War da mehr für sie als dass ich sie mochte?
Megumi? Die von mir enttäuschte Megumi, die ich einfach nicht davon überzeugen konnte, dass… Ja. Wie konnte ich sie von etwas überzeugen, wenn ich selbst nicht sicher war?
Liebte ich sie oder nicht? Eine der anderen vielleicht? Und was zog mich an Blue Slayer an? Ich war mir nicht mal sicher, ob sie und Hina identisch waren. Hina Yamada musste nicht zwangsläufig Blue Slayer sein. Dabei mochte ich das tollpatschige Mädchen mit den überragenden Fähigkeiten eigentlich sehr gerne. Grinsend erinnerte ich mich daran, wie sie mich mit einem Judogriff außer Gefecht gesetzt hatte. Wenn ich daran dachte, wie ihr harter Armeestiefel meine Hand mit der Pistole an die nächste Wand genagelt hatte, konnte ich nicht anders und sie interessant finden.
Irgendwie wollte ich sie beschützen. Auch wenn sie diesen Schutz sicher nicht brauchte.
Was, wenn Hina eine andere Slayer war? Black Slayer war blond wie sie, während Blue langes rotes Haar hatte. Es war aber auch ein Kreuz, dass man sich nicht an die Gesichter der Slayer erinnern konnte und auch keine Fotos machen konnte. Was wenn Hina nun Black Slayer war? Und Blue Slayer mit den roten Haaren… Joan?

„Worüber denkst du nach, Aki-chan?“, erklang eine leise Stimme neben mir.
Ich sah auf. „Was machst du denn hier, Joan?“, fragte ich leise. Ich war viel zu sehr in Gedanken vertieft, um mit ihr zu streiten.
„Ich sagte doch schon, ich passe auf dich auf, Aki-chan.“ Sie lehnte sich ebenfalls auf das Geländer und bettete ihren Kopf so auf die Arme, dass sie mich ansehen konnte. „Du bist nun mal der einzig wahre für mich.“
„Nicht, dass mir das nicht schmeicheln würde. Ich bin ein Mann, und Männer sind eitel“, erwiderte ich. „Aber warum ich? Warum Akira Otomo?“
„Weil du du bist, Aki-chan. Darum“, erwiderte sie lächelnd.
„Das muß ich jetzt nicht verstehen, oder?“, bemerkte ich amüsiert.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Aki-chan. Aber du wirst es verstehen. Bald. Ich… beobachte dich schon sehr lange. Seit du dich aus dem Supercomputer befreit hast. Seit diesen Tagen beschütze ich dich.“
„Du beschützt mich?“, fragte ich leise. Plötzlich begannen die Blutergüsse in meinem Nacken wieder zu schmerzen.
„Es würde zu weit führen, es dir haarklein zu erklären. Das meiste wirst du ohnehin verstehen, wenn die Zeit reif ist. Aber hier und jetzt reicht es vollkommen, wenn ich dir sage, dass ich… dich liebe.“

Vor Schreck wäre ich beinahe von meinen Armen gerutscht. „Sag das noch mal.“
„Ich liebe dich, Aki-chan“, hauchte sie und wurde rot.
„Ja, aber… Wieso?“
„Das weiß ich auch nicht. Kannst du erklären, wann und warum du verliebt bist?“, fuhr sie mich leise an. „Mein ursprüngliches Ziel waren deine Gene. Aber seit ich dich beobachte, seit ich dich jeden Tag aufs neue erlebe, da… Da habe ich erkannt, dass ich etwas für dich fühle, was ich für keinen anderen Mann zuvor gefühlt habe. Ich weiß nicht, ob es Liebe ist, aber ich hoffe es. Als du mit Doitsu diesen Schwertkampf veranstaltet hast, blieb mir beinahe mein Herz stehen, solche Angst hatte ich um dich.“
„Danke. Aber du weißt schon, dass dein Verhalten etwas von einem Stalker hat?“, erwiderte ich grinsend.
„Natürlich hat es das. Wahrscheinlich bin ich sogar ein Stalker. Zumindest, wenn man es nicht so genau nimmt.“
„Die Anklage spricht dich frei“, brummte ich leise. „Und freu dich. Ich habe dich vorhin in die Liste möglicher Lebenspartner aufgenommen.“
Verblüfft sah sie mich an. „Das ging ja einfach.“
„Tja, mein Problem ist, du bist reichlich süß. Da kann ich dir nicht mal das Hinterherspionieren verübeln. Auch wenn mir das Angst macht. Etwas, zumindest.
Also, solange du nicht versuchst, mir deinen Willen aufzuzwingen und stattdessen wie jede andere Frau langsam und nachdrücklich brichst, ist die Welt in Ordnung…“
Joan lachte leise. „Du hast ja eine merkwürdige Sicht von der Welt, Aki-chan.“
Ich winkte mit einer Hand ab. „Ach, ich hatte nur einen merkwürdigen Tag. Eine merkwürdige Woche und ein merkwürdiges Jahr. Meine Abwehr ist schlicht und einfach im Keller. Ich habe keine Lust auf noch einen Feind.“
Ich sah ihr in die Augen. „Ich kann dir nicht versprechen, dass du das Rennen machen wirst, sonst wäre es ja langweilig. Aber ich kann dir versprechen, dass du im Rennen bleibst, nachdem du meinen Ruf wiederhergestellt hast, okay? Mehr verlange ich gar nicht.“
„Heißt das, du gehst auch mal mit mir essen?“, fragte sie lächelnd.
„Sicher. Wenn du bezahlst.“
„Hey!“, beschwerte sie sich.
„Du hast nicht gefragt, ob ich dich einlade“, erwiderte ich amüsiert.
„Ich dachte, du wolltest mich nicht zum Feind machen“, sagte sie mit gespielt böse Miene und knuffte mir schmerzhaft gegen die Schulter.

Sie rutschte auf der Stange näher zu mir herüber. Unsere Köpfe trennte nun nur noch eine Handspanne.
„Apropos Feinde, Aki-chan. Weswegen ich eigentlich hier bin. Du wirst verfolgt“, flüsterte sie mir zu.
„Ja, von dir“, sagte ich leise.
„Du verstehst mich falsch. Du wirst von Kronosianern und deren Söldnern verfolgt. Drei plus acht. Bewaffnung sind Pistolen und Maschinenpistolen. Sie agieren als Team. Zwei Viererteams stehen bereit, um dich seitlich zu packen. Die Kronosier warten im Hintergrund und werden dich an einer Flucht zu den Fahrstühlen hindern.
Tja, wenn ich die Bewaffnung richtig einschätze, wollen sie dich tot sehen. Und sie werden zuschlagen, sobald der letzte Zeuge – also ich – fort ist.“
Ihr Kopf rückte noch ein Stück näher an mich heran. „Aber keine Angst, Aki-chan. Meine Leute stehen schon bereit. Du wirst zwanzig bis vierzig Sekunden durchhalten müssen, aber dann komme ich dir zu Hilfe.“
„Langsam kriege ich Angst vor dir“, brummte ich und küsste sie. Diese Frau war etwas zu gut informiert. Wenn es stimmte, dann wollten die Kronosier entweder meinen Vater treffen, indem sie Eikichis Sohn töteten, oder sie wussten, dass ich Blue Lighthing war und wollten das Topas der Erdverteidigung eliminieren. Und dazu agierten sie zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt. Wenn ich alleine und unbewaffnet war.
„Wofür war der?“, fragte Joan erstaunt.
„Als Glücksbringer“, erwiderte ich leise. „Als Glücksbringer.“
„Nimm lieber das hier“, flüsterte sie amüsiert und zog eine schlanke Beretta 92 aus ihrem Ärmel hervor. „Fertig geladen. Fünfzehn Schuss im Magazin. Eine im Lauf. Kannst du damit umgehen?“
Ich ließ die Waffe in meinem rechten Ärmel verschwinden. „Ja. Und jetzt sieh zu, dass du aus der Schusslinie kommst.“
„Machst du dir Sorgen um mich, Aki-chan?“, fragte sie amüsiert.
„Ich würde lügen, wenn ich nein sage“, erwiderte ich mit einem dünnen Lächeln.
Sie gab mir wieder einen Kuss, und als ich überrascht die Lippen einen Spalt weit öffnete, spürte ich ihre Zunge in meinem Mund. „Zwei Glücksbringer sind besser als einer“, hauchte sie.
„Ich weiß nicht, was ich mehr fürchten soll, die Kronosianer, oder ein paar Paparazzi, die uns bei so einer Aktion fotografiert haben könnten“, brummte ich amüsiert.
„Fürchte die Kronosier. Die kannst du nicht verklagen“, hauchte sie zurück, gab mir einen Klaps auf den Hintern und ging mit einem Lächeln.

Ich sah ihr einen Moment hinterher und starrte dann wieder aus dem Fenster. Dabei zog ich vorsichtig die Beretta hervor und überprüfte den Ladezustand. Tatsächlich steckte eine Kugel im Lauf und das Magazin war voll geladen. Ich brauchte nur den Sicherungshebel umlegen, um feuern zu können. Und natürlich brauchte ich ein Ziel. Aber wenn Joan Reilley Recht hatte, würde ich davon bald mehr als genug haben.
Für einen Moment, für einen winzigen Moment sah ich in der Scheibe vor mir einen blauen Punkt, der auf mein Spiegelbild zuwanderte. Dieser Augenblick reichte mir, um zu reagieren. Ich warf mich zur Seite und zog die Beretta hervor. Neben mir zersplitterte die Scheibe, als eine Kugel durch sie hinaustrat. Ich wirbelte herum, sah einen Mann mit einem MP mit Zielvisier im Anschlag auf mich. Ich schoss automatisch, bevor der blaue Laserpunkt mich erneut erfassen konnte. Die Wucht des Aufpralls warf den Gegner nach hinten. Wieder fuhr ich herum, nur um zu sehen, dass auch von der anderen Seite Gegner kamen. Ich feuerte ohne nachzudenken eine schnelle Serie von vier Schuss ab und traf zwei der Angreifer, woraufhin die anderen beiden wieder in Deckung gingen. Eine Kugel von der anderen Seite pfiff so knapp an meinem Ohr vorbei, dass ich befürchtete, es würde mir abgerissen werden, erinnerte mich an die andere Front, die man gegen mich eröffnet hatte. Und dabei hatten die drei Kronosianer von den Aufzügen noch gar nicht eingegriffen.
Ich hatte hier überhaupt keine Deckung und auch keine Möglichkeit, schnell eine zu erreichen. Mir blieb nur, in Bewegung zu bleiben, um meinen Gegnern das treffen so schwer wie irgend möglich zu machen. Fünf Schuss hatte ich abgegeben und drei Gegner getroffen, eventuell erledigt. Ein schlechter Trend, denn wenn es so weiter ging, musste ich für meinen letzten Feind genau einen Schuss benötigen. Sonst war ich verloren.

Ich rollte mich über die Schulter ab, kam auf ein Knie und hob die Waffe an, sicherte die Stabilität zusätzlich mit der Linken ab und gab zwei schnelle Schüsse ab. Ein Angreifer wurde in Brust und Hals getroffen. Er fiel und drückte dabei den Abzug seiner MP durch. Der Schalldämpfer verhinderte ein Geräusch, aber die Glasfront wurde arg in Mitleidenschaft gezogen, bis das Magazin leer war. Ich hatte diesen Moment der Überraschung genutzt, um anzugreifen. Dabei hatte ich schon befürchtet, die MP würde auf mich herum rucken, aber ich hatte Glück und traf auf meine letzten beiden Gegner auf dieser Seite, die entsetzt auf ihren Kameraden starrten. Ich sprang in die Luft, zog das linke Bein hoch, um Schwung aufzubauen und trat hart mit dem rechten zu. Die Schuhspitze traf einen der Gauner direkt an der Kinnspitze. Er fiel um wie eine abgesägte Eiche.
Der andere hatte seinen Schock überwunden und richtete seine Waffe auf mich. Ich sah die Mündung wie in Zeitlupe auf mich zu kommen, sah die Entschlossenheit in seinem Blick – und drückte ab.
Der Mann blickte mich entsetzt an und fiel auf seine Knie. Ungläubig berührte er seine Bauchwunden, aus denen dunkles Blut sickerte. Ich musste Organe oder Arterien erwischt haben.
Erschrocken sah ich dabei zu, wie der Attentäter langsam zur Seite kippte, unfähig mich zu bewegen.
„Das war es dann wohl, Otomo“, sagte eine selbstgefällige Stimme neben mir.
Ich sah auf und erkannte meinen Fehler. Ich hätte laufen sollen, anstatt meinem letzten Feind beim sterben zuzusehen. Nun war ich im Nachteil, starrte in die Mündungen von zwei Walther P92.
Ich sah, wie sich die Hähne spannten und machte mich bereit, auszuweichen, egal wie viel es nützte oder nicht. Bis plötzlich dieser Wirbelwind über die beiden hinweg fegte. Zwei Arme schlugen die Läufe der Pistolen Richtung Decke, danach trafen zwei Ellenbögen zielsicher die Sonnnengeflechte meiner Gegner. Als beide gekrümmt zu Boden gingen, traf jeden eine nach hinten schlagende Faust auf dem Nasenbein. Ich hörte Knochen knacken.
Sprachlos starrte ich auf die Schwarzgekleidete Gestalt, die so schnell zwischen die beiden Gegner getreten war. Der Bodystocking ließ keinerlei Spielraum für Spekulationen, wen ich da vor mir hatte. Und die schwarze Gesichtsmaske konnte das Schmunzeln nicht verbergen, dass bis zu ihren Augen reichte.
Hinter Joan Reilley sackten die beiden Männer zu Boden. Ich war mir nicht sicher, aber es konnte sein, dass sie einen oder beide so präzise getroffen hatte, dass die Splitter des Nasenbeins ins Gehirn getrieben worden waren – was definitiv tödlich war.

Ich erwachte aus meiner Starre, als beide Körper mit leisem Laut zu Boden fielen. Schnell trat ich einen Schritt vor und ergriff Joan am Arm. „Komm, die Kronisianer fehlen noch!“
Sie lachte laut und löste die Gesichtsmaske. „Keine Angst, um die kümmern sich meine Leute.“
Neben uns öffnete sich eine Tür und zwei groß gewachsene Männer traten ein. Sie trugen graue Geschäftsanzüge, aber sie wirkten eigentlich eher wie Söldner denn Dressmen. Einer trug unverkennbar einen Kronosianer unter dem Arm, helles Haar, dunkle Augen, die blicklos ins Leere starrten, ungewöhnlich schlanker Wuchs.
Der andere hatte die anderen beiden Kronosier am Kragen gepackt und schliff sie hinter sich her.
„Alle erwischt?“, fragte der eine, ein Riese mit einem bis auf einen Irokesenschnitt glatt rasierten Schädel.
Joan lächelte in seine Richtung. „Ich musste nicht mehr viel tun. Aki-chan hatte die meisten schon ausgeschaltet.“
Die beiden Riesen sahen mich an und nickten respektvoll. „War nicht anders zu erwarten, Colonel, Sir.“
„Ich glaube, die Zahl derer, die wissen, was ich in meiner Freizeit mache, hat sich gerade drastisch erhöht“, erklärte ich tonlos.
Joans Miene wurde ernst. „Ich habe dir gesagt, dass ich auf die aufpasse. Denkst du, ich würde das alleine tun? Nein, es gibt genügend Leidensgenossen wie mich und dich, die nur zu gerne dabei helfen, die Kronosier von dieser Welt zu vertreiben.“

Sie trat an mich heran. „Du bist unverletzt. Nur etwas erschöpft. Das ist gut. Aki-chan, wir werden jetzt verschwinden und den Rest der Polizei und dem Militär überlassen. Vielleicht können sie aus den Überlebenden noch ein paar Informationen pressen, wer weiß? Ich kann dich nach Hause bringen, wenn du willst.“
„Ja, das wäre nett. Gehen wir, bevor ich noch unangenehme Fragen beantworten muß. Die Überwachungskameras?“
„Er denkt wirklich an alles“, brummte der andere Riese anerkennend. Er trug einen gewaltigen blonden Zopf, der ihm weit bis auf den Rücken reichte. „Die Kronosier haben das Kamerasystem vor der Aktion abgeschaltet. Es wird sich erst wieder aktivieren, wenn jemand die Leitungen repariert, Colonel.“
„Gut. Das erspart mir Ermittlungen der Polizei. Aber eine Sache gibt mir noch zu kauen, Joan-chan.“
Der Irokese gab dem Zopf einen derben Stoß in die Rippen. Dabei gluckste er wie ein kleines Mädchen und flüsterte: „Hörst du, er nennt sie schon chan.“
„Stell deine Frage, Aki-chan“, sagte Joan freundlich. Auf ihrer Stirn aber trat deutlich sichtbar eine Ader hervor.
„Meine Frage ist simpel. Was haben wir alle gemein? Wir vier und wer weiß noch wie viele?“
Joan sah mich einen Moment erstaunt an. Dann nickte sie wissend. „Das ist leicht beantwortet. Du weißt, dass die Kronosianer auf der Erde operieren, nicht wahr? Wir, ich meine du, ich, Earl und Spence, wir sind alle vier Opfer dieser Kronosianer und des menschlichen Abschaums, dass mit uns Experimente gemacht hat.“
Joan betrachtete ihre Arme, ausgiebig, nachdenklich. „Furchtbare Experimente.“
Ich trat einen Schritt vor, legte eine Hand in ihren Nacken und bettete ihre Stirn auf meiner Schulter.
„Was wird das denn, Aki-chan? Ich brauche keinen Trost“, bemerkte sie amüsiert.
„Sssch. Als ich aus dem Tank befreit wurde, habe ich tagelang geheult wie ein Schlosshund.“
„Aber ich brauche wirklich keinen Trost. Das ist alles so lange her das… Das…“
Übergangslos schossen ihr die Tränen in die Augen. Und diesmal waren sie nicht gefälscht.
„Wir müssen jetzt los“, meldete sich der Irokese zu Wort. „Die Wache meldet, dass die Polizei auf dem Weg ist.“
Ich nickte und hob Joans Stirn von meiner Schulter. „Du darfst dich jederzeit bei mir ausweinen, hörst du?“
„Danke“, hauchte sie.
Ich nickte leicht.
„Wir nehmen das Treppenhaus. Sicher ist sicher“, kommandierte ich.
„Ja, Sir!“, erwiderten die beiden.

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3.
„Ich bin wieder da“, sagte ich laut, als ich das Haus betrat. Ich hatte gerade meine Schuhe ausgezogen und gegen Schlappen ausgetauscht, als mir ein silbernes Schemen entgegen flog. Bevor ich reagieren konnte, hatte ich Lilian am Hals. „Willkommen daheim!“, rief sie aufgeregt.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte ich die Kronosierin. Aufgekratzt erlebte ich sie öfter, aber im Moment schien sie besonders zufrieden und glücklich zu sein.
„Ich war nach der Schule mit Makoto-chan auf der OLYMP-Plattform. Wir haben auf den Mechas trainiert. Und Onkel Eikichi meinte, ich würde mich hervorragend für den Sparrow eignen.“
„Makoto… chan? Onkel Eikichi?“, fragte ich ungläubig. „Sonst nennst du doch alles und jeden sama, Lilian.“
Verlegen ließ sie mich wieder los und verbeugte sich leicht. „Makoto-sama und Otomo-sama haben darauf bestanden, sie so zu nennen. Aber wenn du es wünschst, Akira-sama, werde ich sie in deiner Gegenwart entsprechend titulieren.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nee, lass mal. Wenn die beiden dich dazu gebracht haben, dass du sie nicht mehr sama nennst, sollte ich mir eher Tipps geben lassen, wie sie das hingekriegt haben. Sind Megumi oder Makoto da?“
„Megumi-sama ist in ihrem Zimmer. Sie hat sich dort eingesperrt, nachdem Yoshi-chan und Doitsu-chan nach Hause gekommen sind. Oh, Verzeihung, auch die beiden und Kei-chan haben darauf bestanden, dass ich sie nicht mehr sama nenne.“
„Ist schon in Ordnung. Seit die zwei Zuhause sind, hm? Und Mako?“
„Er ist in der Küche und telefoniert. Ist irgendetwas mit Megumi-sama?“, fragte sie erstaunt.
„Das kann ich so nicht sagen“, erwiderte ich und trat in die Küche.

„Akari!“
Der Oni erschien neben mir. „Akira-sama?“
„Akari, gehst du heute wieder mit den Youma Slayern?“
„Wenn du es wünschst, Akira-sama, werde ich heute nicht mit ihnen gehen“, bot der Oni an.
„Nein, das ist es nicht. Geh ruhig, habe deinen Spaß. Ich nehme an, Ihr patrouilliert die Umgebung auf Youmas, die Menschen befallen, hm?“
„Nicht nur, Akira-sama.“ In die Augen meines Onis trat ein auffälliges Funkeln. „Wir suchen auch nach der Quelle.“
„Der Quelle?“, fragte ich und betrat die Küche. Makoto empfing mich mit einem Winken, hatte aber immer noch das Telefon am Ohr.
„Was für eine Quelle?“, wollte Lilian wissen.
„Nun, Lilian-sama, Akira-sama, die Youma, die Menschen befallen und anschließend andere Menschen ihrer Lebensenergie berauben, entstehen nicht willkürlich. Es ist Magie im Spiel. Und Technik. Seit den Vorgängen auf OLYMP ist sich unser Leader, Blue Slayer, sehr sicher, dass die Herren der Youma und die Kronosier eng zusammen arbeiten. Orange Slayer meinte dazu, dass der ZULU-Schlachtkreuzer, den du, Akira-sama, vernichtet hast, von gestohlenem KI betrieben wurde. Deshalb konnte er ein derart riesiges Tarnfeld aufbauen. Genauer gesagt hat er vier Generatoren an Bord gehabt, die vier aufeinander abgestimmte Tarnfelder emittiert haben. Und deshalb konnte auch die Kanone so schnell hintereinander feuern.
Ebenso die Lichtblitze, die sich selbst steuern konnten und die Megumi-sama getroffen haben, müssen von den Youma geliefert worden sein.
Ich… Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, diese Lichttorpedos trugen ein menschliches Bewusstsein.“
Erschrocken hielt ich inne. Lilian bekam einen solchen Schreck, dass sie sich auf dem Boden wieder fand. „Sie haben… Seelen an Waffen gebunden?“, rief sie erschrocken.
„Moment mal, bitte. Geht gleich weiter. Akari, was hast du da gerade gesagt?“, meldete sich Makoto zu Wort.
„Die Lichttorpedos trugen ein menschliches Bewusstsein.“
Makoto fiel die Kinnlade herab. Nur langsam schloss sie sich wieder.
„Okay, hören Sie, es hat sich etwas Neues ergeben, die Lichtwaffen der Kronosier betreffend. Ich komme sofort hoch auf den OLYMP. Schicken Sie mir einen Hubschrauber direkt zu mir nach Hause. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ino aus.“
Makoto klappte sein Handy ein und starrte den Oni lange Zeit an. „Akari, weißt du, was du da gerade gesagt hast? Technisch ist das eigentlich unmöglich.“
„Es ist Magie im Spiel, Makoto-sama“, erwiderte der Oni und verneigte sich leicht.
„Das habe ich gemerkt. Akira, kann ich Akari mit auf den OLYMP nehmen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Sie würde dir in technischen Fragen überhaupt nichts nützen. Einmal ganz davon abgesehen, dass du den Laden da oben komplett auf den Kopf stellst, wenn du einen Oni mitbringst. Nein, sie hat heute einen Einsatz mit den Magischen Youma Slayern und den wird sie wahrnehmen.
Aber da ist noch etwas Wichtiges. Ich war heute Ziel eines Anschlages und bin nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Wir müssen uns darum kümmern.“
„Ach, nun übertreib mal nicht so, Akira“, erwiderte Makoto und winkte mit der Rechten. „Was kann dir schon gefährlich werden?“
Lilian steckte ihren rechten Zeigefinger in meine Jacke. Auf der Innenseite trat er wieder aus. „Kaliber neun Millimeter, würde ich sagen“, stellte sie fest.
Makoto wurde bleich. „Entschuldige. Willst du Personenschutz?“
„Nein. Ich wurde angegriffen, als ich alleine im Tokio Tower war. Wenn ich einsame Orte meide, sollte ich sicher sein, solange niemand auf die Idee kommt, mich auf achthundert Meter Entfernung mit einem Scharfschützengewehr zu erledigen. Aber du kannst dafür sorgen, dass der Geheimdienst ermittelt, wo die Kronosier und ihre angreifenden Söldner ihr Nest haben. Ich denke, die Überlebenden Angreifer vom Attentat werden gerade von der Polizei oder der UEMF verhört, das könnte auch ein paar Hinweise bringen.“ Ich schüttelte den Kopf als ich das Loch in meiner Jacke betrachtete. „Wusste gar nicht, dass es so knapp war.“

„Bist du verletzt?“, hauchte eine aufgeregte Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und erkannte Megumi. In ihren Augen stand Entsetzen. „Akira, bist du verletzt?“
Hilflos hob ich die Arme. „Nein, ich denke nicht, Megumi-chan.“
„Bist du sicher? Hast du das überprüft? Kein Streifschuss, kein heimlicher Giftpfeil?“ Resolut griff sie mir in den Nacken und zog mich auf den Flur hinaus.
„Autsch“, entfuhr es mir. Sie hatte genau die Stellen erwischt, die ich Joan verdankte.
Kurz zog sie meinen Kopf tiefer und besah sich die blauen Stellen. Ihre Augen schimmerten für einen Augenblick feucht.
Dann griff sie nur noch fester zu und zog mich in Richtung Bad.
„Moment mal, was hast du vor, Megumi-chan?“, rief ich überrascht.
„Na, was wohl? Ich will nachsehen, ob mein unvorsichtiger Vorgesetzter unverletzt ist!“
„Megumi, ich… Megumi, da bin ich kitzlig!“
**
Fünf Minuten später stand ich vor ihr, bis auf ein paar Boxershorts nackt. Sogar die Socken hatte ich ausziehen müssen. Megumi umrundete mich nun schon das dritte Mal. Von hinten griff sie nach meinem linken Arm und hob ihn an. „Streifschuss Nummer zwei. Akira, du hast mehr Glück, als du dummer Esel überhaupt verdienst!“, tadelte sie mich, während sie sich vor mich stellte, um besser Jod auf den roten Striemen streichen zu können.
„Autsch“, murmelte ich leise und wurde dafür mit einem Schlag auf den Hinterkopf belohnt. „Stell dich nicht so an! Dafür, dass du hättest sterben können, ist das ein kleiner Preis, oder?“
„Zugegeben“, ächzte ich. „Küsst du die Stelle noch, damit sie besser heilt?“
„Das hättest du wohl gerne, was?“, konterte sie amüsiert.
„Ja“, erwiderte ich und schlang meine Arme um sie. „Das hätte ich gerne.“
Kurz sah sie mir in die Augen, bevor sie sich aus meiner Umarmung wand. „Dafür frag mal besser Akane-sempai. Ich bin sicher, sie wird das mit Freude für dich tun… Oder Joan Reilley.“

Ich senkte den Kopf, in einer Mischung aus Verzweiflung, Zorn und Hilflosigkeit. „Du hast Blue Slayer vergessen“, sagte ich leise.
„Blue Slayer? Du willst was von Blue Slayer?“ Wieder traf mich ein Klaps auf den Hinterkopf. „Nun werde nicht albern. Nicht jede Frau, die dich kennt, ist automatisch hinter dir her.“ Ein taxierender Blick traf mich. „Oder ist Herr Akira diesmal in Eigenregie unterwegs?“
„Ich will nur dich“, brach es aus mir hervor.
„Das hatten wir doch schon, Akira. Ich glaube dir nicht.“ Sie legte ihre Arme um ihren Körper als würde sie frieren. „Und das werde ich nicht, solange du nicht den Tod deiner Schwester überwunden hast…“
„WAS?“, rief ich. Entsetzt starrte ich sie an. „Megumi, welche Schwester?“
Sie sah zu mir herüber. Ihr Blick war nicht weniger entsetzt als meiner. „Ich… ich… Tut mir Leid, Akira.“ Tränen schwammen in ihren Augen. „Ich dachte nur, wo Sarah doch deine Erinnerungen geweckt hat, dass… Tut mir Leid, tut mir Leid, tut mir Leid.“
Tränen verschleierten meinen Blick. Ich wusste nicht wieso. Ich hatte keinerlei Erinnerungen an eine Schwester. Aber dennoch begannen sie zu fließen.
Megumi schluchzte leise. Sie verdeckte ihr Gesicht mit der Rechten, während sie den linken Arm noch enger an sich legte. „Was bin ich doch nur für ein Trottel… Akira, verzeih mir.

Ich konnte nichts mehr sehen. Die Tränen verdeckten meine Sicht. Langsam brach ich in die Knie ein. „Megumi-chan“, hauchte ich. „Ich… Ich erinnere mich nicht. Ich weiß nichts über sie. Ich… Ich bin…“
Ich spürte, wie sich ein warmer, weicher Körper an mich drängte. Ein Kopf legte sich an meine Brust. „Es tut mir Leid, Akira. Es tut mir Leid.“
Ich schlang meine Arme um Megumi und weinte. „Ich erinnere mich nicht…“
„Ich bin so ein Idiot. Vielleicht ist es das Beste, wenn ich das Haus verlasse“, begann Megumi und wollte sich von mir lösen.
„Trottel!“, blaffte ich sie an und drückte sie wieder an meine Brust. „Du bist doch das Wichtigste, was ich habe. Was soll denn aus mir werden wenn ich nicht mehr weiß, wo du bist? Ohne dich bin ich doch nichts wert…“
„Tu mir das bitte nicht an, Akira. Tu mir das bitte nicht an“, hauchte sie.
„Bleib einfach bei mir. Versprich mir das. Egal, was passiert. Bleib bei mir.“
Langsam wand sie sich unter meinen Armen hervor. „Ich… werde hier wohnen bleiben. Und ich werde an deiner Seite kämpfen, Akira. Das verspreche ich dir.“
Ich sah sie durch den Tränenschleier an. Damit ließ sie eine Menge Spiel für Dinge, die sie mir nicht versprach. „Warum, Megumi? Warum kann es nicht einfach für uns sein?“, fragte ich verzweifelt.
„Das war es noch nie. Warum sollte es für uns jemals anders gehen?“, erwiderte sie mit einem dünnen Lächeln. Sie wandte sich zur Tür, wollte sie öffnen und verharrte. „Akira.“
„Ja.“
„Ich werde dir von ihr erzählen. Du wirst alles erfahren, was ich über Yohko weiß. Vielleicht weckt es deine Erinnerungen.“ Langsam schob sie die Tür auf. Ein letztes Mal lächelte sie zu mir herüber. „Es ist eventuell nicht die schlechteste Idee, deine Ersatzschwester zu sein.“

„Das ist nicht, was ich will, Megumi“, hauchte ich, als sie das Badezimmer verlassen hatte.
Auf dem Gang standen meine Freunde. Sie ließen Megumi anstandslos passieren.
Lilian hatte geweint, das sah man an ihren fleckigen Wangen.
„Ihr habt gelauscht? Der Lauscher an der Wand hört die eigene Schand, kennt Ihr das Sprichwort?“, murmelte ich amüsiert. Amüsiert? Kannte ich dieses Gefühl denn noch?
Yoshi sah mich verzweifelt an. „Ich… Yohko… Ich meine, wo sie den Namen gesagt hat…“ Abrupt wandte er sich um und ging. „Tut mir Leid, Akira.“
Lilian kam ins Bad und umarmte mich. „Darf ich deine neue Schwester sein, Akira-sama?“
Ich spürte, wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. „Das bist du doch schon, Lilian-chan.“ Sanft drückte ich sie an mich.

Doitsu putzte verlegen seine Brille und versuchte nebenbei seine Wangen trocken zu wischen.
Makoto starrte mich an und murmelte: „Es war zu früh. Viel zu früh.“
„Äh“, meldete sich Akari zu Wort, „ich weiß nicht, wie es heutzutage gehandhabt wird, aber ein lediger Mann, der nicht mehr trägt als ein wenig Unterkleidung und ein unverheiratetes, minderjähriges Mädchen umarmt, war zu meiner Zeit nicht gerade üblich…“
Ich konnte nicht anders, bei diesen Worten musste ich lachen. Oh, es tat gut. Lachen. Einfach nur lachen.
„Außerdem kommen Kei-sama und Sakura-sama gerade zur Tür rein“, fügte Akari hinzu.
Ich schluckte hart. „Mir bleibt heute aber auch nichts erspart.“
„Wir sind wieder daha!“, rief Kei fröhlich vom Eingang her.

4.
Als die Magischen Youma Slayer in meinem Garten landeten und in meine Richtung verbeugten, winkte ich energisch ab. „Lasst den Quatsch, bitte. Wir sind hier Gleiche unter Gleichen. Und wir haben denselben Feind. Blue Slayer, kann ich dich sprechen? Alleine?“
Die rothaarige Frau mit dem blauen Minirock sah auf. „Akira-san?“
Ich hockte auf einer Tatami auf der Holzterrasse im Garten. Neben mir lag eine weitere Matte. Dazwischen standen zwei große Becher Tee. „Nur für einen Moment.“
Zögernd erhob sie sich, während sich Akari verwandelte und zu den anderen Mädchen trat, die aufgeregt mit ihr zu schwatzen begannen. Der Oni fühlte sich sichtlich wohl und ich überlegte ernsthaft, sie aus meinen Diensten zu entlassen. Aber da war dieses Gefühl, dass ich sie noch brauchen würde.
Blue ließ sich neben mir nieder und nahm dankbar den Becher mit grünem Tee entgegen. Hinter uns kam Yoshi in den Garten. Er trug ein großes Tablett mit weiteren gefüllten Tassen.
Als ich Blues erstaunten Blick sah, sagte ich: „Ja, denkst du, ich trinke hier was mit dir und lasse die anderen verdursten?“

Wir nahmen einen Schluck Tee und ich sah zum Himmel auf. „Hast du über das Angebot nachgedacht, Hina?“
„Darüber, dass wir uns verbünden? Die UEMF und wir Slayer? Nun, wenn wir das Nest ausheben, wäre eine gemeinsame Aktion vielleicht nicht die Schlechteste. Und kompletter Zugang zu den Computersystemen der UEMF würde Black Slayer helfen, das Suchgebiet einzugrenzen und die menschlichen Partner der Kronosier zu identifizieren“, erwiderte sie leise. Sie schenkte mir ein feines Lächeln. „Wer bitte ist Hina, Akira-san?“
„Zu spät geschaltet“, erwiderte ich schmunzelnd.
Blue Slayer stöhnte gequält auf. „Akira-san, ich…“
„Daran habe ich es zuerst gemerkt. Nur Hina nennt mich Akira-san.“

„Akira-san, es ist nicht so, dass ich…“
„Die roten Haare, sie entstehen bei der Verwandlung, richtig? Und dass Ihr nicht fotografiert werden könnt, das ist Magie, oder? Es hat also doch mit etwas mehr zu tun als mit Youmas“, stellte ich fest.
„Akira-san, ich wollte dich nie täuschen, aber wir sind noch weit verwundbarer als du und…“
Ich sah sie an. „Letztendlich bin ich aber froh, Hina. Froh, dass Blue Slayer und Hina Yamada eine Person sind. Sonst wären es ja zwei Frauen gewesen, die ich mag.“
Blue Slayer wurde rot. „Häh?“
„Nun sag bloß, das hast du nicht gemerkt?“, erwiderte ich amüsiert.
Sie sah nach vorne und krallte ihre Hände in den Saum ihres Rocks. „Gemerkt habe ich es nicht…“
„Das klingt nach einem Aber, Hina-chan.“
Ihr Blick glitt zurück zu mir. Sie fixierte meine Augen. „Akira-san, ich bin tollpatschig und vorlaut. Meine Noten sind zwar gut, aber dieses Doppelleben als Slayer macht aus mir nicht gerade einen guten Menschen.“
„Das würde ich so nicht sagen, Hina-chan. Wie viele Menschen habt Ihr bereits gerettet? Wie viele Youmas habt Ihr schon vernichtet? Du hast vier Freundinnen, die mit dir in den Kampf ziehen. Ich weiß nicht, ob das einen guten Menschen aus dir macht. Aber einen anständigen, den ich tief respektiere.“
Wieder senkte Blue den Kopf. „…aber ich habe es gehofft“, setzte sie den Satz von vorhin fort.
„Heißt das, du magst mich auch?“, fragte ich mit einem Lächeln.
Erschrocken sah sie mich an. „Akira-san!“
„Ja, oder nein? Ich meine, ich als Mann verstehe nur klare Antworten.“
Verlegen drückte sie die Zeigefinger zusammen. „Ich… respektiere dich auch sehr, Akira-san. Und ja, ich mag dich. Aber ich weiß nicht, ob… Entschuldige mich!“
Hastig sprang sie auf.
„Blue Slayer!“, rief ich, worauf sie verharrte. „Blue. Wenn du mich brauchst, rufe mich. Egal wann, wo und warum. Du hast mein Wort.“
„Und du, Blue Lightning“, erwiderte sie, ohne sich umzudrehen, „brauchst nur uns zu rufen, und wir stehen dir bei.“
Kaum war die letzte Silbe verklungen, da lief sie bereits zu ihren Freundinnen. Die anderen Slayer riefen Yoshi noch einen schnellen Abschiedsgruß zu, bevor sie eine nach der anderen in die Luft sprangen – sehr hoch in die Luft – und dort verschwanden.

Yoshi kam langsam auf mich zu. „Kei hat versucht, die Slayer zu fotografieren. Er sagte, er hätte ein neues Programm, damit könnte man die Bilder zumindest rendern und man würde die hübschen Beine sehen können. Was für ein Idiot.“
„Nicht so ein großer Idiot wie ich“, bemerkte ich leise. Ich warf Yoshi einen ernsten Blick zu. „Und das redest du mir nicht aus.“
Der hob abwehrend die Hände. „Wie käme ich dazu? Aber kann ich dich mal was fragen, Akira? Wegen dem Harem, der…“
„Harem? Ist es schon so weit, dass man glaubt, ich sammle die Mädchen um mich?“
„Wer reden denn von dir?“, erwiderte Yoshi empört. „Ich rede von meinem Harem. Du bist ja nur in der Lage, die Mädchen zu verschrecken und zu vergraulen.“
„Du hast einen Harem?“
Verlegen grinste Yoshi. „Vielleicht ist Harem das falsche Wort. Aber es gibt da eine Gruppe Frauen, die mich interessiert und bei der ich sicher bin, dass sie sich auch für mich interessiert. Ami-chan zum Beispiel ist verrückt nach mir. Sie hat mir tatsächlich einen Liebesbrief in die Schuhbox getan. Und Lilian, du weißt, wie vernarrt sie in mich ist.“
„Lilian ist vernarrt in dich? Das ist mir neu“, bemerkte ich amüsiert.
„Stimmt, du weißt es ja doch nicht.“ Yoshi griff sich an sein Kinn und grinste breit. „Tatsächlich hat sie mich schon geküsst. Ein regelrechter Überfall war das.“
„Wahrscheinlich hat sie uns beide verwechselt“, bemerkte ich grinsend.
„Und dabei Yoshi, Yoshi gemurmelt, hm? Du bist ihr großer Bruder. Das warst du schon, als sie hier einzog. Aber von mir will sie wirklich was.
Und dann ist da noch Hiroko-sempai. Sie… Ist ziemlich eindeutig geworden.“
„Schön für dich. Such dir eine aus und fertig.“
„So einfach ist das nicht, denn Makoto auf meiner Liste ist…“
„Makoto ist ein Mann!“, erwiderte ich entsetzt.
„Ich sage ja, es ist nicht einfach“, erwiderte Yoshi und wurde rot. „Er sieht nur immer so süß aus, wenn Sakura ihn zwingt, Frauenkleider zu tragen, ich bin dann jedes Mal vollkommen verwirrt. Und wenn wir uns alleine im Haus begegnen, dann werde ich rot wie eine Tomate. Ihm geht es auch nicht besser, deshalb gehen wir uns meistens aus dem Weg…“
„Na, Klasse. Da hast du wirklich einen Harem, hm?“ Ich klopfte ihm hart auf die Schulter. „Aber was Mako angeht, tja, da kann ich dir weder einen Rat geben noch helfen. Ihr seid beide fast erwachsen und Ihr solltet im Gegensatz zu mir wissen, was Ihr wollt.
Wenn es dich so sehr belastet, solltet ihr euch mal aussprechen, ne?“
„Soweit habe ich auch schon gedacht. Aber ich traue mich nicht. Ich meine, Makoto ist auch ein guter Freund, den ich nicht vor den Kopf stoßen will.“
„Vor allem nicht, wenn auch noch Sakura dazu kommt, die Nummer fünf auf deiner Liste, was?“
Yoshis Augen bekamen einen idiotischen Glanz. „Oh, ja, Sensei. Aber das ist hoffnungslos. Absolut hoffnungslos.“ Er seufzte leise. „Bei dem Altersunterschied…“
Ich grinste breit. „Nicht, dass ich da nicht auch mal drüber nachgedacht habe…“
„Du… Und Sensei? Aber sie ist deine Cousine.“
„Wir sind aber nicht blutsverwandt“, wandte ich ein.
„Das weiß ich. Aber hast du keine Moral? Du Perverser“, schimpfte Yoshi. Aber in seinen Augen glomm Schalk. Langsam lehnte er sich vor und legte mir einen Arm auf die Schulter. „Erzähl mal, an was denkst du so, hm?“
Ich lachte leise. „Willkommen zum Workshop: Tauschen wir Phantasien über unsere Lehrerin aus. Den Vorsitz hat der Ehrenwerte Akira Otomo. Sein Stellvertreter Yoshi Futabe führt das Protokoll.“
Yoshi fiel in das lachen ein. „Wir sind erbärmlich, oder?“
„Das“, erwiderte ich mit einem Schmunzeln, „hat uns noch nie aufgehalten, oder?“
Wieder lachten wir. Und es tat gut…

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5.
Sie hatte ihr Versprechen wirklich wahr gemacht. Ich konnte es kaum fassen. Takashi stand hinter mir und hatte beide Pranken auf meine Schultern gelegt. Damit ich nicht abhauen konnte? Zuzutrauen war es Mizuhara-sempai.
„Das hast du gut gemacht, Akira“, brummte der Riese zufrieden.
Die Aula der Schule war gut gefüllt. Etwas zu gut. Ich erkannte mehrere Uniformen von anderen Schulen, die sich ebenfalls im Saal befanden. Hätten es die Brandschutzbestimmungen nicht verboten, wären sich noch gut hundert Schüler mehr in die Aula geströmt.
Auf der Bühne der Aula stand tatsächlich Joan Reilley und sang schon das vierte Lied. Die Stimmung im Saal war wirklich am kochen. Vor allem nachdem sie angekündigt hatte, hier weltexklusiv ihr neuestes Lied vorzutragen.
„Wie man es nimmt“, erwiderte ich amüsiert.
Der Irokese war tatsächlich in ihrer Band, war mir früher nie aufgefallen. Er drosch das Schlagzeug, und unwillkürlich fragte ich mich, wie viel das arme Instrument wohl aushielt, bevor es zerfetzt wurde.
Zopf spielte den Bass, und soweit ich es sagen konnte, gar nicht mal so schlecht.

Für einen Moment schweiften meine Gedanken zurück zum Morgen, an den Frühstückstisch.
Während Akari das Frühstück servierte, hatte sie aufgeregt von ihrem Abend mit den Slayern berichtet. Sie hatten tatsächlich ein Nest ausgehoben, allerdings nur eine Nebenstelle. Dennoch wurde in ihr gestohlene KI-Energie gespeichert. Ich konnte das Glück der komatösen Menschen kaum fassen, zu denen diese Energie nach der Vernichtung des Speichermediums tatsächlich zurückgekehrt war.
Manchmal lief eben doch alles, wie es sollte.
Megumi gab sich verlegen und Lilian war übertrieben fröhlich. Beide schienen mir gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben.
Was wiederum Sakura irritierte, die von alledem nichts mitbekommen hatte. Sie las lieber in der Morgenzeitung und fluchte was von Bandenkriegen, die gefälligst den Tokio Tower in Ruhe lassen sollten.
Bei diesem Gedanken musste ich grinsen. Die paar Scheiben, Blutflecken und Kugeln in den Wänden waren doch kaum die Aufregung wert. Immerhin stand das Ding noch.

„Ihr alle“, hörte ich Joan nach dem Lied ins Mikro sprechen, „Ihr seid ein tolles Publikum. Es macht wirklich Spaß für euch zu singen.“
Mit diesen Worten löste sie einen Begeisterungssturm aus, der sie dazu zwang, drei Minuten lächelnd dazustehen, bis die Leistung der Lautsprecher die der Menge endlich wieder übertraf.
„Bitte. Ich möchte etwas sagen. Die meisten von euch, nein, seit einiger Zeit alle, kennen Akira Otomo.“
Es wurde still im Saal. Vereinzelt trafen mich böse Blicke. Pfiffe wurden laut. Ich lüftete meinen Kragen ein wenig. Er drohte mir zu eng zu werden.
„Wie Ihr alle wisst, sind er und ich heftig aneinander geraten…“
Die bösen Blicke vermehrten sich. Ich fühlte mich unwillkürlich seziert. „Joan, was machst du da?“, fragte ich leise.
„Aber das ist nicht Akiras Schuld.“ Bei dieser Feststellung ging ein unruhiges Raunen durch den Saal.
Joan lächelte in die Runde. „Die meisten von euch wissen doch, dass Akira eine schwere Amnesie hinter sich hat. Er musste fast alles von Grundauf neu erlernen, um in sein normales Leben zurück zu finden.“ Joan senkte den Blick. Tränen flossen ihre Wangen herab. „Es war absolut vermessen von mir zu glauben, dass er, wenn er schon alles andere vergessen hatte, sich wenigstens noch an mich erinnerte. Es war mein Fehler. Ich war viel zu fordernd, viel zu erwartend. Wie konnte ich nur so arrogant sein?“
„Joan-chan!“, riefen einzelne Schüler. „Gib nicht auf.“
Ihr Kopf ruckte wieder hoch. Ein strahlendes Lächeln ging über ihr Gesicht. „Aber das ist Vergangenheit. Ich habe mich bei Akira entschuldigt. Er kann ja überhaupt nichts mehr über uns wissen. Doch das hindert mich nicht daran, wieder mit ihm von vorne zu beginnen.
Ich weiß nicht, ob es klappt oder ob er mir überhaupt noch mal eine Chance gibt, aber ich gebe mein Bestes.“
Lauter Jubel klang auf.
„Und wer weiß, vielleicht erinnert er sich ja irgendwann wieder an mich.“
Ich legte eine Hand vor mein Gesicht und schüttelte nur stumm den Kopf. Dieses Luder. Dieses verdammte Luder. Meinen Ruf sollte sie wiederherstellen, nicht zum Halali auf mich blasen. Jubel klang auf. Na, wenigstens waren die Blicke, die mich trafen, nun nicht mehr so feindlich. Offenes Bedauern überwog.
„Wollt Ihr mir dafür Glück wünschen?“, rief Joan.
Was zur Folge hatte, dass der Saal zu kochen begann. Spontan bildete sich ein Sprechchor, der Joan Reilley anfeuerte.
Mein Reflex, mich aus dem Griff des Sempai zu befreien, ihn zu tacklen und blitzartig den Saal zu verlassen wurde dadurch verhindert, dass ich ein paar Zentimeter in der Luft schwebte und keinen Bodenkontakt mehr hatte.
Nach einigen erfolglosen Schritten durch die Luft sah ich nach hinten. „Du bist ein verdammter Verräter, Sempai“, klagte ich Takashi an.
Der Riese grinste nur. „Ich wollte lediglich verhindern, dass du ihr neues Lied verpasst.“
„Danke. Danke, Ihr alle, für eure Unterstützung. Ich kann nicht sagen, ob ich und Akira das wieder erreichen, was wir hatten, oder ob es nicht wenigstens eine Freundschaft wird… Oder ob nichts zwischen uns bleibt. Aber ich werde es versuchen. Ich werde hartnäckig sein und nicht aufgeben.
Deshalb widme ich Akira auch mein neuestes Lied: Never give up!“
Als die Takte zu ihrem neuen Song erklangen und die Drums einsetzten, erkannte ich, dass es entgegen ihres eher harten Musikstils eher eine etwas zu hastige Ballade werden würde. „Na gut, das kann ich mir ja noch anhören“, brummte ich.
„Das ganze Konzert, Akira-kohai“, erklärte Takashi bestimmt und stellte mich wieder auf den Boden.
„Gut. Dann eben das ganze Konzert.“
**
Zwei Stunden später hatte Joan ihre fünfte Zugabe gegeben. Der Saal war immer noch am kochen und ich konnte nicht anders als ihre professionelle, und doch sehr herzliche Art zu bewundern.
Mit einem VIP-Pass war es mir gelungen, hinter die Bühne zu kommen, natürlich über einen kleinen Umweg, damit keine meiner Mitschüler mich sah und wilde Gerüchte in die Welt setzte. Aber immerhin war ich da, als die Band von der Bühne kam.
Joans Augen leuchteten auf, als sie mich sah. Dennoch ging sie ohne den Blick zu wenden an mir vorbei. Als wir auf gleicher Höhe waren, spürte ich, wie sich ihre Linke in meiner Jacke vergrub. „Komm mit“, murmelte sie und zog mich hinter sich her. Gehorsam folgte ich ihr.
In ihrem Umkleideraum angekommen schnappte sie sich zuerst etwas zu trinken. Sie war vollkommen durchgeschwitzt. Kein Wunder, so viel wie sie über die Bühne gerannt war.
„Auch was?“, fragte sie lächelnd.
Ich wehrte ab. „Nein, lass ruhig. Ich war ja nur Zuschauer. Respekt. Du hast da wirklich eine tolle Show abgeliefert. Ich bin schwer beeindruckt. Vielleicht sollte ich mir auch mal eine CD von dir kaufen.“
„Was? Du hast noch keine von mir? Bist du nicht mein Fan?“, fragte sie enttäuscht.
Verlegen sah ich zur Decke. „Ehrlich gesagt, nein.“
„Du hättest auch lügen können“, tadelte sie mich lächelnd. Sie ließ sich in einen Sessel fallen und streckte alle viere von sich. „Ah, das tut gut. Wenn ein Auftritt gut gelaufen ist, dann möchte man, dass das Glücksgefühl niemals endet. Aber nach der Show ist immer vor der Show. Es gibt ein nächstes Mal, worauf man sich freuen kann. Und noch ein nächstes Mal. Und dann ein neues Lied, ein neues Album, ein Musikvideo…“ Sie seufzte nachdrücklich. „Wenn ich da an die Anfänge denke… Als Sechzehnjährige alleine ins Showbiz, ein störrisches Publikum, dass mir überhaupt nichts zugetraut hat… Dann die ersten Erfolge in den kleinen Clubs, die größeren Gigs. Die erste eigene Single. Es war ein weiter Weg bis zu einer Halle, die vor Begeisterung fast birst, nur weil ich auf der Bühne stehe.“
„Ich sehe, du hattest es hart“, murmelte ich mitfühlend.

Ihr Blick fixierte meinen. Langsam erhob sie sich und stellte ihr Getränk ab. Sie kam auf mich zu. „Aki-chan. Das ist nichts im Vergleich zu dem, was wir zusammen durchmachen mussten.“
Interessiert horchte ich auf. „Rückst du jetzt mit Details raus? Erzählst du mir jetzt etwas über die Kronosier?“
„Wenn du diesen romantischen Moment gerne mit Arbeit abwürgen willst, Blue Lightning, dann gerne“, bemerkte sie mit einem Zwinkern.
„Ich befürchte, ja. Und so romantisch war der Augenblick nun auch nicht“, erwiderte ich.
Joan stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Na gut, weil du es bist. Und weil du nachher eifrig meine CDs kaufen willst, nicht wahr?“
Ich nickte amüsiert. „Das stimmt.“
Sie drehte sich um und ging zu ihrem Sessel zurück. „Gut. Du willst etwas über die Zeit davor wissen, Aki-chan. Bevor du aus dem Tank befreit wurdest. Und damit etwas über unseren Gegner. Die Kronosier.“
Ich kam näher, setzte mich neben ihrem Sessel auf den Schminktisch.
„Gib mir mal die Metalldose da“, meinte sie beiläufig.
Ich reichte ihr das Gewünschte und sah ungläubig dabei zu, wie sie die Dose mit nur einer Hand zu einem unförmigen Klumpen Metall zerquetschte.
„Wow. Hast du dir schon mal überlegt, damit im Fernsehen aufzutreten?“, sagte ich beeindruckt.
„Nicht wirklich, Aki-chan.“ Ihr Blick wurde traurig. „Weißt du, Aki-chan, dass ich dir dieses Leben verdanke? Du hast ja keine Ahnung, was für Bestien die Kronosier wirklich sind.
Dadurch, dass unsere Luftüberwachung noch so lückenhaft ist, gelingt es ihnen immer wieder – alleine oder mit Hilfe von Verrätern – Transporte vom Mars zur Erde und umgekehrt durchzuschleusen. Sie haben überall auf der Erde ihre Basen, und wenn sie erst einmal gelandet sind, können sie unsere regulären Verkehrsmittel nutzen, um von einer zur anderen zu wechseln.
Was denkst du, wie viele Kronosier gibt es gerade auf der Erde?“
Ich grinste matt. „Seit Gestern Abend drei weniger.“
Sie schmunzelte bei diesen Worten. „Abzüglich der drei sind es etwas über zehntausend. Dazu kommen zwei- bis dreihunderttausend Söldner, die für sie arbeiten.“

Ich schluckte hart. Das war weit mehr als ich erwartet hatte. Wir brauchten wirklich dringend ARTEMIS und APOLLO.
„Sie agieren meist aus dem Untergrund, und bleiben in ihren Basen. Ab und an ein Anschlag wie der Gestern Abend im Tower, aber das war es auch schon. Ansonsten bleiben sie in ihren Verstecken und spielen. Spielen mit den Menschen.“
Mir wurde für einen Moment eiskalt. „Wenn sie weitere Stützpunkte auf der Erde haben, liegt der Gedanke nahe, dass sie auch dort Supercomputer betreiben, die mit Hilfe von menschlichen Gehirnen effizienter sein sollen“, stellte ich tonlos fest.
„Zum Beispiel. Oder sie versuchen, aus einem normalen Menschen mit Hilfe von bionischer Technik eine Superwaffe zu machen“, sagte Joan leise. „Bei mir sind es bionische Implantate, die meine Geschwindigkeit und meine Kraft verzehnfachen, wenn ich sie mit meinem Willen aktiviere. Meine Knochen wurden künstlich verstärkt, um diese Belastung auszuhalten, und mein Stoffwechsel kann auf Befehl ums dreifache beschleunigt werden. Wodurch ich sehr schnell Wunden ausheilen kann. Ich bin, wenn du so willst, ein Cyborg.
Und jetzt kannst du mich gerne hassen und verachten.“
Ich runzelte die Stirn. „Wieso? Nur weil du diese Implantate im Körper hast? Werde nicht albern. Ich war selbst Monatelang Teil eines Supercomputers. Ich kann ahnen, was du durchmachen musstest. Aber warum solltest du eine Art Supersoldat werden?“

Joan schwieg sehr lange. „Aki-chan. Ich war damals so etwas wie… Ein Prototyp. Ich wurde entführt, weil meine genetischen Anlagen eine große Aussicht auf Erfolg aufwiesen, die Implantierung zu überleben. Ja, zu überleben. Mehr hatten sie mit mir nicht vor.
Aber der Versuch ging überraschend gut aus. Also begann man, mich zu schulen. Genauer gesagt wurde mein Wille gebrochen. Die Kronosier dressierten mich.
Ich… wurde eine vollkommen willenlose Kampfmaschine.“
Sie starrte blicklos in den Raum. „Dann kamst du ins Spiel. Die Wissenschaftler versuchten, das Experiment mit mir zu wiederholen, aber alles was sie taten waren Tote und Krüppel zu produzieren. Sie suchten nach einem effizienten Weg, den Erfolg mit mir zu wiederholen. Und stießen dabei auf deine DNS.
So wurden wir beide das erste Mal zusammengebracht. Ich weiß noch, wie ich Stundenlang vor deinem Tank stand und nichts weiter tat als dich zu beobachten, während die Wissenschaftler verschiedene Möglichkeiten diskutierten, wie meine und deine DNS kombiniert werden könnte. Der eine versprach sich viel von genetischer Umprogrammierung der Probanden durch manipulierte Retroviren. Der andere wollte es mit Wachstumsbeschleunigten Klons versuchen. Und der Nächste wollte nach Frankensteinmanier aus uns beiden zwei neue Krieger basteln.
All das brannte sich in mir fest. Unauslöschlich tief in meinem schwachen Geist hallte der Befehl in mir wieder, dass ich deine Gene brauchte.
Dann bist du ausgebrochen und ich hatte keinen Zugriff mehr auf dich.
Ich weiß nicht, was passiert ist. Immerhin befand ich mich auf einer Basis, die tausende Kilometer von der entfernt war, auf der man dich damals gefangen hielt. Aber ich erfuhr davon, dass du fort warst.
Und es geschah etwas Unglaubliches. Ich wollte dir folgen. Und brach selbst aus.“

Lange Zeit schwieg Joan. Sie sah mich schließlich wieder an. „Ich landete irgendwo in einer japanischen Stadt, mit nicht mehr als einer vagen Erinnerung, was ich zu tun hatte und was mit mir passiert war. Sicherlich hätte ich so lange rastlos nach dir gesucht, bis ich tot umgefallen wäre. Zum Glück aber hatte ich bei meinem Ausbruch so viel Unheil angerichtet, dass sich auch andere Probanden der Kronosier befreien konnten.
Sie… kümmerten sich um mich und halfen mir nach und nach, in ein Leben zurück zu kehren. Meinen Willen wieder zu entdecken. Ich… Wurde wieder ein Mensch. Und mit meinen Freunden schwor ich, dass ich den Kronosiern niemals verzeihen würde.
Heute bekämpfe ich sie, wo ich auf sie treffe. Ich danke für die Fähigkeiten, die sie mir verliehen haben, denn sie werden zu ihrem Tod.
Bald schon aber erkannte ich, dass ich alleine vom Gedanken an Rache nicht leben konnte. Das ich mehr brauchte. Nicht nur zu essen und zu trinken, sondern eine Herausforderung. Und eine möglichst unauffällige Ausrede, um viel und oft zu reisen.
Mit meinem neu entstandenen Willen arbeitete ich an meinen Talenten, ging ins Showbiz, wurde berühmt. Den Rest kennst du.“

Ich nickte schwer. Ihr Schicksal war nicht weniger schwer als meines. „Und du hast mich beschützt?“
„Ich… bin den Gedanken nie losgeworden, dass ich deine Gene brauche. Irgendwie, egal was ich tat, war es immer noch mein Ziel. Als hätten die Kronosier es mir mitten ins Gehirn gebrannt. Deshalb war ich sehr froh, als ich erfuhr, dass du noch lebtest. Und es war ein schöner Tag, als du dein altes Leben auf der Erde wieder aufnahmst.
Ich verstand, wie viel ich deinem Beispiel verdankte. Ich war dankbar dafür. Und ich beschloss, auf dich Acht zu geben. Acht zu geben, bis die Zeit reif war für…“
Sie lächelte mich an. „Für einen völlig idiotischen und überzogenen Akt, mit dem ich dich überrumpeln und an mein Herz binden wollte. Es tut mir Leid, Aki-chan.“
Ich schmunzelte. „Immerhin hast du dich mir mit dieser Aktion unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt, Joan-chan.“
Ich kam zu ihr herüber, beugte mich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich verstehe dich. Ich verstehe dich nur zu gut.“
Sanft strich ich über ihr Gesicht. Sie sah mich wehmütig an und lehnte ihr Gesicht an meine Hand an.
„Gibt es eine Chance?“, hauchte sie. „Ich meine, wenn wir das alles hier überleben, gibt es dann eine Chance für den Elitesoldaten und die biologische Kampfmaschine?“
„Es gibt immer eine Chance, Joan-chan“, erwiderte ich leise.

„Aber ehrlich gesagt schwirrt mir gerade der Kopf. Das sind zu viele neue Informationen, die ich verdauen und weitergeben muß.“
Ihr Blick kehrte in die Wirklichkeit zurück. Es tat mir weh, die Magie des Moments zu zerstören. Aber es war wichtig. Ich hasste mich, wenn ich pragmatisch war.
„Weiß die UEMF von dir und der Existenz deiner Freunde?“, fragte ich.
„Sicherlich. Sie werden nicht unsere Namen kennen, aber wenn mal wieder ein Stützpunkt der Kronosier entdeckt und verwüstet wurde, werden sie sich ihren Teil zusammen reimen.“
Ich nickte. „Würdest du vielleicht mit uns zusammen arbeiten?“
Joan lächelte. „Eigentlich nicht. Eure Vorschriften und Bestimmungen würden mich und meine Leute zu sehr einengen. Aber wie hat doch diese wirklich hübsche Magische Youma Slayerin zu dir gesagt: Ruf uns und wir sind da.“
„Mehr kann ich wohl nicht verlangen“, erwiderte ich.
Langsam richtete ich mich auf. „Ich sollte wieder in meine Klasse gehen. Du hast wirklich einen super Auftritt hingelegt. Darauf kannst du stolz sein, Joan-chan.“
„Na, na, nun sülz mal nicht soviel“, kommentierte sie grinsend. „Verschwinde lieber in deiner Klasse und kauf dir nachher meine CDs, hörst du? Und vergiss nicht, mich zum Abendessen einzuladen.“
„Vielleicht mache ich das sogar mal“, erwiderte ich schmunzelnd.
„Wer es glaubt“, kommentierte Joan leise. „Wahrscheinlich muß ich dann bezahlen.“
Ich lachte leise und sie fiel ein. Ein schönes Geräusch, fand ich.

Ich verabschiedete mich mit einem letzten Lächeln und verließ den Umkleideraum. Draußen erwartete mich ein Spalier aus Bandmitgliedern. Der Irokese und der Zopf waren auch dabei.
Ihr Grinsen sprach Bände, aber ich ließ mich nicht davon beeindrucken. „Was?“, rief ich. „Wir haben nur geredet.“
„Na, dann aber gleich wieder zurück mit dir“, scherzte eine große, schwarzhaarige Frau, die als einzige aus dieser Runde aus Japan zu stammen schien. Ein pfeilförmiges Tattoo auf ihrem Brustansatz war deutlich zu erkennen. Nun, wäre es noch deutlicher zu sehen gewesen, hätte ich wahrscheinlich auch noch ihren Bauchnabel sehen können. Sie hatte Keyboard gespielt.
Ich winkte ab. „Kommt Zeit, kommt Gelegenheit. Sagt mal, seid Ihr alle…?“
Der Irokese grinste und nickte heftig. „Sind wir, Colonel. Alle fünf.“
Ich sah mir die anderen beiden Mitglieder der Band an, die E-Gitarre gespielt hatten. Einen hageren Kerl, der ungefähr meine Größe hatte. Seine blonden Haare bildeten einen spitzen Haaransatz am Hinterkopf, der mir unwillkürlich bekannt vorkam. Ich verpasste ihm den Namen Blondie. Der andere war klein und bullig und seine wurstigen Pranken schienen überhaupt nicht dazu geeignet zu sein, die sensiblen Saiten einer Gitarre zu spielen. Aber er hatte es drauf gehabt. Definitiv. Mir drängte sich geradezu der Vergleich mit Tolkiens Klassischer Erzählung um den Ringkrieg auf. Hätte der Kleine noch einen struppigen Bart gehabt, wäre mir der Vergleich noch leichter gefallen. Andererseits war er für einen Zwerg viel zu groß. Nur entsprechend massig. In einem Anflug von Ironie nannte ich ihn bei mir Elb.
Die fünf erwiderten meine Musterung.
„Sie wären ein würdiger Partner, Sir“, stellte Blondie fest.
Ich legte einen Zeigefinger vor meine Lippen. „Nicht so oft benutzen. Die Wände haben in einer Schule Ohren.“ Ich wandte mich um und winkte. „Wir sehen uns, Leute.“
„Und? Geht ihr miteinander aus?“, rief mir die Frau mit dem Pfeil hinterher.
„Erst mal gehe ich mir ihre aktuelle Scheibe kaufen“, erwiderte ich, ohne mich umzudrehen.
**
Nach der Schule stellte ich etwas Erschreckendes an mir fest: Ich war plötzlich paranoid. Es war doch etwas vollkommen anderes, vom Andruck in die Gurte getrieben zu werden als plötzlich links und rechts Kugeln pfeifen zu hören.
Während ich einkaufen ging, beobachtete ich jeden Schatten auf meinem Weg. Jede hastige oder schnelle Bewegung, die ich aus den Augenwinkeln erhaschte, fesselte meine Aufmerksamkeit. Nicht, dass ich Angst hatte. Aber ich war vorsichtig. Übervorsichtig, zweifellos.
Dennoch konnte ich mich nicht gegen das Gefühl wehren, dass ich verfolgt wurde.
Während ich Joans neue CD bezahlte, sah ich mich aufmerksam im Laden um, aber von einem Verdächtigen war nichts zu erkennen. Hier und da liefen Schüler rum, aber allgemein war wenig los.
Ich entdeckte allerdings schnell Akane-sempai, die durch die Regale stöberte.
„Klassischer Brit-Pop, oder lieber etwas Modernes?“, fragte ich sie.
Mit einem Lächeln wandte sie sich zu mir um und hielt mir eine CD hin. „Beatles.“
„Auf die Idee kannst du jedenfalls nicht heute gekommen sein, Sempai“, erwiderte ich grinsend. „Joan Reilley ist stellenweise viel härter als das da.“
„Ach, die haben auch ihre schnellen Stücke. Mizuhara-sempai war übrigens sehr zufrieden. Zufrieden mit dir und mit dem Konzert. Wir haben damit viel Aufmerksamkeit erregt, genau so, wie Mizuhara-sempai es wollte.“ Amake widmete sich wieder ihrer Suche und förderte ein Stones-Album zutage. „Und, wie hat es dir gefallen?“, fragte sie beiläufig. „Ihre kleine Ansprache hat eine ganze Reihe Mädchen zum heulen gebracht, weißt du?“
Ich winkte verlegen ab. „Ach, das ist mir egal. Hauptsache, ich stehe nun nicht mehr als der große böse Frauenhasser da. Mehr verlange ich gar nicht vom Leben.“
Übergangslos wirbelte sie zu mir herum. „Gehst du mit ihr aus?“
Diese Wendung verstand ich nun wirklich nicht. Sprachlos starrte ich Akane an.
„Also gehst du mit ihr aus“, murmelte sie enttäuscht.
„Es ist nicht so, als hätten wir uns verabredet“, rechtfertigte ich mich.
„Aber das heißt nicht, dass Ihr es nicht tut, oder? Na ja, warum soll man da was ändern? Sie ist sehr erfolgreich. Sehr berühmt. Eine tolle Partie, nicht? Und sie ist ja hin und weg von dir, Akira-kohai. Ich bin sicher, du hast leichtes Spiel bei ihr“, sagte sie wie beiläufig und suchte weiter zwischen den CDs.
„So… So einer bin ich aber nicht, Sempai“, beschwerte ich mich.
„Ach, bevor ich es vergessen, Akira“, sagte sie und hielt eine CD der Lords hoch, um das Cover besser betrachten zu können, „ich habe da etwas für dich zu tun. Komm doch Morgen nach der Schule in den Raum der Schülervertretung, bitte.“
Diese Wendung verstand ich noch weniger. „Nach dem Unterricht, okay.“
Akane suchte munter weiter. Nach einiger Zeit wandte sie sich um und sah mich an. „Du bist immer noch da? Ich will dich wirklich nicht länger aufhalten, Akira.“
„Du hältst mich doch nicht auf“, erwiderte ich.
Sie seufzte. „Hör mal, Akira. Der Karaoke-Abend war ja ganz nett, aber das heißt doch nicht, dass du mit mir Zeit verbringen musst. Und es heißt auch nicht, dass ich mit dir Zeit verbringen muß.“
Der hatte gesessen. Für eine Sekunde fühlte ich mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weg gezogen.
ch wartete, aber sie nahm ihre Worte nicht zurück. „Verstehe“, brummte ich und wandte mich zum gehen.
Aus dieser Frau sollte mal einer schlau werden.

6.
„Akira-chan!“, erklang es hinter mir.
Erstaunt wandte ich mich um und erkannte Lilian, die winkend auf mich zugelaufen kam. „Hast du mich gerade chan genannt?“, fragte ich.
„Soll ich es lassen?“ Vor Schreck riss Lilian die Augen auf.
„Nein, nein. Ich finde, das klingt gut. Richtig gut. Willst du mit mir zusammen nach Hause gehen?“
Die Kronosierin nickte eifrig. „Ja, wenn ich darf.“
Ich tätschelte ihr den Kopf. „Du doch immer, kleine Schwester.“
Das schien ihr zu gefallen. Sie kicherte leise.
„Erzähl doch mal“, fragte ich, während wir uns wieder in Bewegung setzten, „wie war die Stunde auf dem Sparrow?“
„Ein Mecha von ungewöhnlicher Flexibilität. Die geringere Panzerung ist ein Nachteil, aber die Agilität und die gute Bewaffnung gleichen das wieder aus. Gegenüber dem Daishi Delta, den ich geflogen habe, hat der Sparrow einen eindeutigen Geschwindigkeitsvorteil. Das Prinzip des Fusionsreaktors, aus dem er seine Kraft bezieht ist außergewöhnlich, besser als bei den Daishis. Viel besser. Wenn man ihm nur genügend Geschwindigkeit für lange Distanzen entlocken könnte, wäre er eine erstklassige Fernwaffe. Seine Späherfähigkeiten wären mit einer Antiortung nicht zu schlagen.“
Erstaunt sah ich sie an. „Du hast dir ja richtig Gedanken über den Sparrow gemacht.“
Lilian senkte den Blick und lächelte schüchtern. „Danke, Akira-chan. In den Sparrow zu klettern ist für mich wie ein kleines Nachhausekommen. Es ist, als wäre er extra für mich entwickelt worden. Makoto-chan war sehr zufrieden mit mir.“
„Na, das klingt doch hervorragend. Ich bin sicher, wir werden noch mal ein tolles Team bilden.“
Lilian sah wieder auf und lächelte mich an. „Ja, Akira-chan.“

„Akira!“, erklang hinter mir ein weiterer Ruf. Ich blickte zurück und erkannte Sarah Anderson. Sie winkte eifrig zu mir herüber. Neben ihr ging Daisuke. Er wirkte wütend, während er, die Schultasche auf den Rücken gelegt, neben ihr her ging.
„Sarah. Daisuke. Haben wir den gleichen Weg?“, fragte ich überrascht.
„Für einen Teil der Strecke ja, Colonel“, antwortete der Mecha-Pilot. Er sah Lilian misstrauisch an. „Ist das die Zivilistin, die auf einem Sparrow trainiert?“
Ich nickte. „Lillian Jones, das sind Sarah Anderson und Daisuke Honda. Sarah ist eine Escaped. Sie war wie ich in einem kronosischen Supercomputer vernetzt und wurde befreit, hat aber einen Großteil des Wissens behalten. Daisuke hat sie befreit. Er ist übrigens ebenfalls Mecha-Pilot.“
Lilian verbeugte sich tief vor den beiden. „Ich bin sehr erfreut, euch kennen zu lernen, Sarah-sama, Daisuke-sama. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit.“
„Ist es nicht gefährlich, soviel Wissen mit einer Zivilistin zu teilen, Colonel?“, beschwerte sich Daisuke bei mir.
Ich winkte ab. „Das ist in Ordnung. Lilian wird eine unserer Top-Piloten werden. Bereits jetzt ist sie eine der allerbesten. Ich stelle dir gerne die Auswertungen von Major Ino zur Verfügung.“
Misstrauisch fixierte Daisuke das Mädchen neben mir. „Der erste Eindruck täuscht manchmal“, stellte er leise fest.
Ich grinste dazu. „Sie wird eine Elite. Das verspreche ich dir.“
„Ich werde Sie beim Wort nehmen, Colonel“, erwiderte Daisuke mit einem dünnen Grinsen.

Eine Zeitlang starrten wir uns in die Augen. Ich weiß nicht, ob er einfach nur höflich war oder etwas ahnte, jedenfalls sah Daisuke als Erster weg. Sein Blick glitt zur Straße. Ich sah, wie sich seine Augen zu Schlitzen verengten. Seine Rechte fuhr unter seine Uniformjacke, während er mit der Linken nach Sarahs Taille griff, umschlang und sie zu Boden riss. „VORSICHT!“
Ich wirbelte herum und erkannte ein schnell vorbei fahrendes Auto. Und die Uzis, die aus den Fenstern von Beifahrer und Rückbank gehalten wurden. Mit einer schnellen Bewegung, griff ich zu und hielt Lilian genau hinter mir, als schon die ersten Kugeln flogen. Ich spürte die Einschläge, hörte sie zudem links und rechts von mir über den Gehweg fliegen.
Es war, als würde jemand ein Stakkato an Schlägen auf meine Brust los lassen. Es war zu viel für mich. Mein Blick begann sich zu verschleiern, drohte dunkel zu werden. Haltlos fiel ich in die Tiefe. Ich fiel und fiel und irgendwann begrub ich Lilian mit meinem Gewicht unter mir.
Ich hörte ihre entsetzte Stimme, aber ich hatte nicht die Kraft, mich zu entschuldigen. In meinem Blickfeld tauchte Daisuke auf. Er hatte seine Glock19 gezogen und feuerte eine Serie von Schüssen hinter den Wagen her.
„Akira-chan!“, rief Lilian. Sie versuchte, sich unter mir hervor zu winden. Es tat mir Leid, dass ich mit vollem Gewicht auf ihr lastete, aber ich konnte es nicht ändern. Das atmen tat weh, so verdammt weh.

Ein Geräusch, als würde man Stahl über Beton ziehen, ließ mich aufsehen. Ein Eagle war direkt auf der Straße gelandet, nahm Maß und feuerte eine einzelne Rakete ab. Kurz darauf ging der fliehende Wagen in einem Flammenball unter. Ich war froh, dass die Straße gerade nicht befahren wurde.
Daisuke erschien über mir. „Colonel, sind Sie verletzt?“
Mühsam hob ich eine Hand. „Hi…Hilf mir hoch, Kumpel. Ich…“ Ein Hustenanfall unterbrach mich kurz. „…bin etwas schwer für das zarte Mädchen.“
„Nicht bewegen!“, flehte Lilian verzweifelt. „Du darfst ihn nicht bewegen! Wir müssen auf den Notarzt warten!“
Der Hawk beugte sich zu uns herab. Snipers Stimme war zu hören. „Colonel, alles in Ordnung?“
Wütend sah ich auf, während Daisuke mir wieder auf die Beine half. „Wenn das einer gehört hätte, Sniper.“
Der Deutsche klang verlegen, als er antwortete. „Ja, Sir. Gut, dass ich gerade in der Nähe war.“
„Akira-chan!“, rief Lilian aufgebracht. „Du darfst nicht sterben!“
Ich stand zwar etwas wacklig und das atmen tat mir noch mehr weh, aber immerhin war ich wieder auf meinen eigenen Beinen. Daisuke und ich griffen zu und zogen sie auch wieder auf die Füße. „Keine Angst, Lilian. Ich trage seit Gestern eine Weste.“
Erstaunt sah sie mich an. „Eine was?“ Mit einem gehörigen Maß an Entsetzen zählte sie die Löcher auf Brust und Bauch. „Fünf Löcher. Das sind aber mehr als Gestern. Du hast dann nur noch eine Schuluniform, Akira-chan. Blutest du nicht wegen der Weste?“
„Das ist richtig, Lilian-chan“, meldete sich Sarah zu Wort. Mit Daisukes Hilfe richtete sie sich wieder auf. Dabei hielten sie einander weit länger an den Händen als notwendig gewesen wäre. „Danke, Daisuke.“
Der Mecha-Pilot wurde rot, machte aber keinerlei Anstalten, die Hand fahren zu lassen.
„Wenn du sie nicht bald los lässt, musst du sie heiraten, Daisuke“, bemerkte ich amüsiert.
Erschrocken öffnete er die Hand, als hätte er glühendes Eisen angefasst.
„Nun übertreib mal nicht so“, beschwerte sich Sarah. „So schlimm wäre es nun auch nicht, mich zu heiraten.“
Daisuke wurde noch eine Spur mehr rot.
Sarah öffnete meine Uniformjacke und das weiße Hemd darunter. Unter den Löchern waren die platt gedrückten Metallkugeln und das schwarze Kevlar der kugelsicheren Weste zu sehen. „Das ist die Weste, Lilian-chan. Sie stoppt die kinetische Energie der Kugeln, sodass es zu keinen inneren Verletzungen kommt.“
„Abgesehen von der kinetischen Energie, die dennoch durchschlägt, und gerade die Zahl meiner blauen Flecken erhöht hat“, bemerkte ich amüsiert.
Übergangslos fiel mir Lilian um den Hals. „Es geht dir gut, großer Bruder. Es geht dir gut. Ich hatte solche Angst um dich.“
„Es ist ja nichts passiert“, murmelte ich leise. „Wollen wir dann weiter gehen?“
„Willst du nicht auf die Polizei warten?“, fragte Sarah erstaunt?
„Was? Und zu Protokoll geben, dass diese Typen was getan haben? Auf einen Oberschüler mit kugelsicherer Weste geschossen? Sniper, übernimm das und lass dir was plausibles einfallen.“
Der Hawk salutierte. „Geht klar, Sir.“

Langsam setzten wir uns wieder in Bewegung, wobei ich soweit es ging vermied, die Löcher in der Jacke zu deutlich zu zeigen.
„Ein Glück, dass gerade in der Straße nichts los war“, brummte ich nachdenklich.
„Sehr ungewöhnlich für Tokio“, brummte Daisuke leise. „Ob man Sie als Köder missbraucht hat, Colonel?“
„Nenn mich Akira, ja? Denkbar wäre es. Aber dann würde ich das jemandem sehr übel nehmen.“
„Der Hawk von Sniper spricht jedenfalls dafür. Dann liegt auch der Gedanke nahe, dass die Straße heimlich von Zivilisten geräumt wurde.“
„Vielleicht sind das auch zwei verschiedene Fälle“, murmelte ich nachdenklich, „und unser Feind hat dafür gesorgt, dass keine Zivilisten in der Straße waren. Auf jeden Fall war das eine eindeutige Warnung. Und eine Bedrohung.“
„Meinst du nicht, Akira, dass man dich gewarnt hätte, wenn dies eine Falle für Attentäter gewesen wäre?“, brummte Daisuke nachdenklich.
„Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“ Ich sehnte mich danach, in einer einfacheren Welt zu sein, in Blues Cockpit mitten in einer großen Schlacht gegen zwanzig oder dreißig Daishis aller Klassen.
**
Nah diesem Vorfall hatte Makoto darauf bestanden, dass der Nahbereich des Hauses stärker überwacht und ich mit Megumi fortan von einem gepanzerten Wagen zur Schule gefahren wurden. In der Schule selbst hatte er keine besonderen Vorkehrungen getroffen.
„Das ist auch nicht nötig“, hatte er gesagt, „denn die Schule ist erstens sowieso eine permanent überwachte Einrichtung und jeder Schüler wurde mehrfach durchleuchtet. Und zweitens haben wir ja genügend Agenten in der Schule, die dich, Megumi-chan und Sarah-chan beschützen. Ach, und drittens habe ich eine Fregatte über Tokio geparkt, die als Träger für sechs Hawks fungiert. Sie können innerhalb von fünf Minuten jeden Ort in Tokio erreichen.“
Ich grinste matt. Akane-sempai hatte also Recht gehabt. Es gab versteckte Bodyguards für einen VIP, der heimlich an unserer Schule studierte. Nur war es nicht ein Bodyguard, es waren drei.
Diese und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich auf das Ende der Schule wartete. Mein Leben hatte bereits einiges an Fahrt. Und eine Besserung war nicht in Sicht. Dass die Erlebnisse der letzten Tage nun in zwei offenen Anschlägen mündeten, hätte ich niemals erwartet. Die Vernichtung des ZULU musste den Gegner mehr verletzt haben als ich dachte, wenn sie nun zu jedem einzelnen Strohhalm griffen, der sich ihnen bot. Nur eine offene Invasion stand noch über Terroranschlägen an Angehörigen der Erdverteidigung.
Makotos Bericht war in meiner Tasche. Die Überlebenden des Tokio Tower-Gemetzels hatten übereinstimmend ausgesagt, dass der Sohn von Commander Otomo angegriffen und eliminiert werden sollte.
Was mich erleichterte. Nicht Colonel Otomo war das Ziel gewesen.

Der Schlussgong riss mich aus meinen Gedanken. Allzu viel hatte ich vom Unterricht nicht mitbekommen, aber wer konnte mir das verübeln, nachdem in nicht einmal vierundzwanzig Stunden zweimal auf mich geschossen worden war? Sogar Sakura-chan hatte sich zurück gehalten und mich nicht getadelt.
Ich blickte nicht links und nicht rechts, als ich durch die Gänge der Schule schlich. Mein Brustkorb schmerzte höllisch und die Bauchmuskeln fühlten sich auch nicht gut an. Da hatte ich eine satte Portion Prügel bezogen.
Na, immer noch besser als sterben.
Ich betrat den Raum der Schülervertretung. „Hallo, Sempai.“
Für einen Moment wunderte ich mich, dass die Vorhänge zugezogen waren. „Schließ bitte hinter dir ab, Akira-kun“, sagte sie leise.
Mechanisch schloss ich die Tür. Was wollte sie mir so wichtiges sagen, dass es diese extreme Geheimhaltung erforderte?
„Komm her, Akira-kun.“
Langsam ging ich auf sie zu. „Können wir das schnell hinter uns bringen? Mein Kopf summt wie ein Bienennest, Sempai.“
„Wir können“, erwiderte sie. Akane zog den Reißverschluss ihres Rocks auf und ließ ihn zu Boden fallen. Danach knöpfte sie ihre Bluse auf.
Ich bemerkte erst, was sie tat, als ich verstand, dass ich auf den Rock am Boden starrte. Als ich aufsah, konnte ich gerade noch erkennen, wie auch die Bluse zu Boden glitt.
„S-Sempai“, stammelte ich, „g-geht das nicht etwas schnell?“
„Ich will nur nicht, dass die Sachen kaputt gehen“, erwiderte sie mit matter Stimme. „Sie sind gerade so schön eingetragen.“
Nachdenklich sah sie an sich herab. „Was bin ich für dich, Akira? Bin ich hässlich? Bin ich dumm? Uninteressant? Nur eine von vielen? Was?“
„S-Sempai, du weißt, dass ich dich mag.“
„Ja, und du magst eine Menge Frauen. Das reicht mir nicht. Akira. Ich habe dich beschützt. So lange Zeit beschützt. Verhindert, dass sie dich bekommen. Verhindert, dass du getötet wirst. Aber wenn du jetzt… Wenn du jetzt mit diesem Flittchen Joan Reilley… Wenn du… Ach, ich habe keine Kraft mehr. Ich kann nicht mehr, verstehst du das? Ich muß aufgeben. Bitte verzeih mir. So lange habe ich auf dich geachtet, und nun das…“
Sie sah zu Boden. Weinte sie etwa?

Plötzlich sah sie wieder auf und lächelte mich an. „Können wir dann anfangen?“
Sie legte beide Hände auf ihren Rücken und löste den BH.
„S-Sempai, kannst du es vielleicht etwas langsamer angehen?“, rief ich entsetzt.
Und einen Moment darauf war ich richtig entsetzt, als Akanes Verwandlung einsetzte. Sie wuchs um zwei Köpfe in die Höhe. Eine grüne Schuppenhaut überdeckte ihren Körper. Die Schultern wuchsen proportional dazu in die Breite. Ihre Hände wurden schlanker und länger, machten jeden einzelnen Fingernagel zur tödlichen Waffe.
Ihre Augen verwandelten sich zu Katzenaugen und in ihrem Mund wuchsen scharfe Reißzähne. Ihr Haar begann zu wachsen und um sie herum zu peitschen, als hätte es einen eigenen Willen.

Ich begriff. Ich verstand mit einem Entsetzen in meiner Brust, wie ich es noch nie zuvor gespürt hatte. Sempai Akane war mein Feind. Nicht gerade mein Hauptfeind. Aber sie war mit den Kronosiern verbunden. Ihre Verwandlung erinnerte stark an die Infektion mit einem Youma. Nur dass sie diese Verwandlung bewusst herbeigeführt hatte. Oder ihr zumindest bis jetzt hatte widerstehen können.
„So sieht das also aus“, murmelte ich enttäuscht.
„Ich kann es nicht ändern, Akira. Ich… Ich wollte immer nur dich. Das gab mir Kraft, Kraft, diesem Fluch zu widerstehen. Aber jetzt, mit dieser Enttäuschung... Es war schon schwer gegen Miss Megumi Superpilot zu konkurrieren. Aber gegen die Reilley… Was bin ich schon gegen sie? Ich werde jetzt meinen Auftrag ausführen. Ich werde dich töten, Akira.“
Ich nickte verstehend. Was musste sie gelitten haben? Wie lange trug sie schon diesen Dämonen in sich und widerstand ihm? „Akane-chan. Ich danke dir“, hauchte ich leise. „Und es tut mir sehr Leid.“
„Was tut dir Leid?“, fragte sie.
Doch da hatte ich bereits mein KI in beiden Händen konzentriert, sodass es aussah, als ständen beide Arme in Flammen.

Dies war für sie das Signal zum Angriff. Ihre Rechte zuckte vor, die rasiermesserscharfen Krallen schlugen nach mir und zerfetzten einen Teil meiner Jacke. Na Klasse, nun hatte ich gar keine Uniform mehr.
Ich sprang etwas zurück.
Wieder griff sie an, schlug diesmal mit links. Ich blockte mit einer Hand, dann nahm ich die zweite zu Hilfe, weil ihre Kraft zu groß für mich war. Dies ließ ihr eine Eröffnung für die Rechte.
Ich sah, wie sie die Hand hob, die Fingerspitzen zusammen legte… Und wie sie niederfuhren.
Ein dumpfer Laut erklang, als sie einschlugen…

So standen wir da, eine lange Zeit. Das KI um meine Arme, mit denen ich die rasiermesserscharfen Krallen ihrer Linken blockte, verblasste langsam. Ihr schwerer Körper lastete auf mir. Tränen füllten ihre Reptilienaugen.
„Es…“, hauchte sie, „…tut mir Leid, Akira-chan. Es tut mir so Leid. Ich war nicht stark genug. Ich war nicht stark genug.“
Langsam löste ich beide Hände von ihrem Arm und umfasste ihr Gesicht. Ich sah in ihre endlos traurigen Augen. „Du warst stark genug, Akane-chan. Ich wusste es. Du bist sehr viel stärker, als du glaubst.“
„Aber ich…“, begehrte sie auf und zog ihre Rechte aus der Wand hinter mir, die sie anstelle meines Körpers zerstört hatte.
„Nein, Akane-chan. Nein.“ Sanft drückte ich meine Lippen auf ihre. Und während das geschah, verwandelte sie sich wieder zurück. Ein silbernes Schemen löste sich aus ihr. Es schien mir als würde es vor Wut und Zorn aufheulen. Doch bevor es entkommen konnte, verließ ich meinen Platz, ließ erneut die KI-Energie um meine Hände aufleuchten und attackierte den Youma. Bereits mein erster Hieb teilte die Lichtgestalt in zwei Hälften. Mit einem grauenhaften Schrei verging der Youma.
Erleichtert sackte ich zu Boden. Endlich klappte mal wieder was in meinem Leben.

Akanes schriller Aufschrei ließ mich herumfahren. „Bist du in Ordnung, Sempai?“
„Warum bin ich nackt? Wo bin ich überhaupt? Was machst du hier, Akira-kun?“
„Was?“, fragte ich verwirrt. „Du… Du weißt es nicht mehr?“
Akane hockte am Boden, beide Hände schützend um ihren Busen geschlungen.
Als ich merkte, dass ich sie schon wieder anstarrte, sah ich schnell weg. Ich erhob mich und sammelte ihre Sachen auf. Es war eine sehr gute Idee von ihr gewesen, diese vorher abzulegen.
Ohne hinzusehen reichte ich die Sachen weiter.
„Wehe, du drehst dich um“, fauchte sie wütend.
So stand ich da, starrte an die gegenüberliegende Wand und wartete, bis sie sich wieder angezogen hatte.
„Jetzt kannst du wieder gucken“, murmelte sie schließlich und ich wandte mich um.
„Akira“, sagte sie ernst, „kannst du mir das erklären?“
Ich folgte ihrer Hand und erkannte das Loch in der Wand, welches sie als Youma produziert hatte. „Soll ich es dir denn erklären?“
Akane schien darüber einen Moment nachzudenken. Schließlich legte sie beide Hände um ihren Körper, als würde sie frösteln. „Ich… Ich weiß nicht. Es ist so als… Als würde ein Schatten auf meinen Gedanken liegen. Als hätte ich die letzten vier Wochen wie in einem Traum gelebt. Nein, ich will es nicht wissen. Es würde mir nicht gefallen, oder?
Ich fühle mich so schwach, so unendlich schwach.“
Ich schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Akane. Du warst stark. Stärker als die meisten. Und stärker als ich bestimmt. Ich bin sehr stolz auf dich.“
„Was?“, rief sie überrascht.
„Nach mehr solltest du nicht fragen“, sagte ich leise, trat an sie heran und umarmte sie.
„Und wenn ich doch mehr fragen will?“
„Es gibt bestimmt einen Tag, an dem werde ich dir alles erzählen, Akane.“ Ich drückte sie noch einmal und wandte mich dann zum gehen.
„Akira“, rief sie mir nach.
„Ja, Sempai?“
„Akira… Du bist Blue Lightning, oder? Ich habe doch Recht.“
Ich wandte mich ihr zu. „Woher weißt du das?“
Sie lächelte schüchtern. „Das ist das einzige aus den letzten Wochen, was mir nicht wie ein böser Traum erscheint…
Entschuldige, ich rede Unsinn.“
„Nein, redest du nicht“, erwiderte ich lächelnd. „Wir sehen uns dann Morgen wieder in der Schule.“
„Einverstanden, Akira-chan.“ Sie zwinkerte mir zu.
„Soll ich dich mitnehmen? Ich werde abgeholt“, bot ich an.
„Ich hole nur schnell meine Tasche!“
Ich schmunzelte. Sempai war ein ganz schön zähes Ding.

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Anime Evolution
Kapitel acht.

1.
Ich saß auf dem harten Stahl der Boarding Bay. Mein Helm mit den blauen Blitzen lag neben mir auf dem Boden. Ich ließ meine Beine über den Rand baumeln und starrte blicklos in die Tiefe. Ab und zu verließ eine Träne mein Gesicht. Wie viele waren es nun schon? Ich hatte sie nicht gezählt.
Ich hatte heftig geheult, leise geschluchzt, etwas gejammert und still geweint. Ich hatte alle Formen der Trauer hinter mir. Dennoch hörten die Tränen nicht auf zu fließen.
„Akira“, hauchte Yoshi und berührte mich an der Schulter. „Akira, es ist nicht zu ändern.“
„Was verstehst du schon?“, fuhr ich ihn an, ohne den Kopf zu wenden. „Was verstehst du schon?“ Die letzten Worte gingen in einem erneuten Schluchzen unter.
Mein Verlust war groß, so unendlich groß. Ich spürte, wie er in mir nagte, riss und mich verzweifeln ließ. Ich griff mir an mein Herz, weil ich dachte, es müsse mir bersten.
„Ich wusste nicht, dass es etwas gibt, das so sehr wehtut“, hauchte ich leise.
Die Hand auf meiner Schulter verstärkte ihren Druck. „Akira. Du konntest nichts tun.“
„Natürlich hätte ich etwas tun können! Ich hätte schneller sein können! Stärker! Gewandter! Genauer! Ja, ich hätte genauer sein können. Ich hätte die fünf angreifenden Daishis Gamma mit einem einzigen Angriff vernichten müssen. Dann hätte ich Zeit für die beiden Korvetten und den Zerstörer gehabt! Ich… Ich…“
Eine Hand traf mich hart im Gesicht. Der Schmerz ließ mich aufsehen.
Neben mir hockte Makoto und holte erneut aus. „Du Trottel! Du dämlicher, eigennütziger Trottel! Ist es das was du tun willst? Hier sitzen bleiben und jammern? Meinst du, das es das richtige ist, was du nun tun solltest?“ Wieder landete seine Rechte in meinem Gesicht. „Reiß dich zusammen, Akira. Die Welt ist nicht untergegangen!“
„Nein, ist sie nicht“, hauchte ich leise. „Aber warum fühle ich mich dann so elend?“
„Lasst ihn“, sagte eine leise Frauenstimme. Die Hand auf meiner Schulter verschwand. Makoto richtete sich auf und ging.
Dann umfassten mich zwei Arme und drückten mich fest an einen warmen Körper.
„Nimm dir die Zeit, die du brauchst, Akira“, flüsterte Megumi und bettete meinen Kopf auf ihrem Brustkorb. „Blue war wie ein alter Freund für dich. Das weiß ich.“
Wieder begannen meine Tränen zu fließen. Wieder erlebte ich den schrecklichen Moment…

Der OLYMP war angegriffen worden. Erneut. Es schien mir fast, als wollte uns der Feind einfach nicht zur Ruhe kommen, keinen Atem schöpfen lassen.
Ich war draußen gewesen, zusammen mit Megumi, Makoto und Yoshi. Wir hatten Briareos bei der Abwehr der angreifenden Daishi unterstützt.
Es war ein kurzer Kampf geworden, sie hatten nicht wirklich eine Chance gehabt. Doch dann hatte ich die fatale, die falsche Entscheidung getroffen, als der Zerstörer auf meiner Ortung aufgetaucht war. Ich hatte mich dazu entschieden, den Träger anzugreifen.
Doch es war eine Falle gewesen. Zwei getarnte Korvetten hatten mir aufgelauert. Direkt mir.
Und nur mir.
Fünf Daishi Gamma schränkten meine Bewegungsfreiheit ein und die Korvetten drängten meine Kameraden ab.
Dann hatte der Zerstörer begonnen zu feuern. Salve auf Salve war in Blue eingeschlagen.
Ich hatte mich befreien wollen, aber die Beschädigungen von Blue waren bereits zu groß gewesen.
Im Geiste hallten noch immer die Worte des Bordcomputers nach, während er sich zusammen krümmte, um mir den allerbesten Schutz zu bieten und den breiten Rücken mit den starken Schildern in Richtung Feind wandte: „Sie müssen überleben, Colonel. Meine Existenz ist nicht so wichtig.“
Erneut spürte ich, wie die Erkenntnis in mir hochschoss, dass seine Existenz doch wichtig war! Für mich! Und erneut erlebte ich die schrecklichen Momente, in denen auf der Schadensanzeige Blues langsames Sterben dokumentiert wurde. Der Sensorkopf. Die Arme. Beide Beine. Dann die Schulterschilde. Die Rückenpanzerung. Und letztendlich… Letztendlich sogar sein Reaktor. Blue hatte ihn Ziel gerichtet gesprengt, um die Sensoren des Zerstörers zu blenden… Und um seinen Überresten, in denen ich mich befand, einen Bewegungsimpuls mit zu geben, der mich fort brachte. Fort von der Schlacht.
Die letzten Worte der künstlichen Intelligenz waren: „Leben Sie, Colonel.“
Dann waren die Kontrolllichter erloschen, eines nach dem anderen.
Ich schrie und tobte, aber damit verbrauchte ich nur meinen eigenen Sauerstoff, der nun nicht mehr aufbereitet wurde. Ich verlegte mich aufs Flehen, aber auch das brachte mir keine Antwort.

Nun saß ich hier, von Megumi umschlungen und starrte die Boarding Bay hinab, wo man alles, was von Blue noch nicht verglüht war, abgelegt hatte.
Das größte Objekt war mein Cockpit. Und selbst da hatte es an ein Wunder gegrenzt, dass es eine Atmosphäre hatte halten können.
„Blue war… Blue war mein Freund.“
„Ich weiß, was du fühlst. Wenn mir jemand Lady Death wegnehmen würde, dann…“, hauchte sie, „…würde es sich genauso anfühlen wie damals mit Yohko.“
Yohko. Der Name brachte eine Saite in mir zum klingen. Als Megumi mir neulich gesagt hatte, dass ich eine Schwester gehabt hatte, die Yohko hieß, da war nur Leere in mir gewesen. Leere und Tränen.
Aber nun, in diesem Moment der Trauer, da war es, als würde ich einen Lichtblitz in der absoluten Finsternis sehen. Und er wurde größer. Größer. GRÖßER!
Und schwemmte mich fort…

2.
Anime Evolution präsentiert:
Rückblende: Angriff auf den Mars. Der verzweifelte Versuch der Menschheit, das unvermeidbare Ende des Krieges mit den Kronosiern noch etwas hinaus zu zögern.

Schattenhafte Erinnerungen gingen durch meinen Geist. In diesem Zustand zwischen schlafen und wachen war ich am empfindlichsten für diese Erinnerungen. Ich sah sie und erlebte sie erneut. Wieder und wieder. Was wünschte ich mir, dass ich sie einfach hätte vergessen können. Aber das ging nicht. Denn ich war ein Krieger. Der wichtigste Krieger, den die Menschheit hatte. Ich musste durch dieses Martyrium gehen, soviel erleben, soviel durchstehen, damit andere ein einigermaßen friedliches Leben haben konnten.
Ich war Mecha-Pilot. Nicht irgendein Mecha-Pilot. DER Mecha-Pilot. Der erste, den die Menschheit gehabt hatte. Der einzige, der von dem erbeuteten Daishi als Pilot akzeptiert worden war. Derjenige, der mit Hilfe von zwanzig Staffeln regulärer Düsenjäger in eben diesem Daishi verhindert hatte, dass Berlin zerstört worden war. Das New York eingeäschert worden wäre. Das Tokio in die Steinzeit gebombt worden wäre.

Ich sah neben mir eine U.S.-amerikanische Harrier explodieren, während der Senkrechtstarter des Marine Corps noch Raketen mit einem Daishi Alpha austauschte, dem Spähertyp. Der Pilot hatte keine Zeit mehr zum Absprung gehabt, und ich bezweifelte, dass diesen Feuerball irgendjemand hatte überleben können.
Wieder spürte ich, wie ich meinen Daishi, den ich Primus, den Ersten, getaugt hatte, voran trieb und den gegnerischen Scout mit einem einzigen Hieb vernichtete. Gleichzeitig löste ich vier Raketen aus und schoss sie auf den Daishi Beta, der seinerseits eine volle Salve auf mich feuerte. Meine Augen fixierten jeden einzelnen flammenden Punkt für einen kurzen Moment. Kurz darauf startete das Lasergestützte Raketenabwehrsystem, welches wir in den Daishi eingebaut hatten und vernichtete vier von fünf anfliegenden Raketen.
Eine vorbei fliegende TomCat der SARATOGA half mir mit einer Flaire aus, einer Raketenabwehr, die eine große Hitzequelle entwickelte, welche die Hitzesuchende Rakete des Daishis vor mir von der Bahn und zur Explosion brachte.
Vier Tornados der Luftwaffe und des Britischen Air Force legten sich links und rechts von mir in die Luft. „Ihre Befehle, Sir!“, schnarrte der Anführer mir zu.
„Öffnen Sie mir eine Tür zur Fregatte“, befahl ich.
„Verstanden, Sir! Fox two!“ Von allen vier Tornados stiegen je zwei Mavericks auf und schossen auf die drei Daishi Beta zu, die den Träger bewachten. Den Träger, der von uns als Fregatte klassifiziert worden war und zwanzig Daishis in den Luftraum über München gebracht hatte.
Die Daishis spritzten auseinander. Zwei Tornados ließen ihre Nachbrenner aufflammen und schossen an mir vorbei. Kurz darauf folgten die anderen beiden. „Brechen Sie durch, Sir. Wir spielen mit denen solange.“
„Verstanden. Sterben Sie mir bloß nicht, ja?“, antwortete ich und beschleunigte die Düsen des Primus bis zum Anschlag.
„Wir können Lightning doch nicht den ganzen Ruhm alleine ernten lassen“, erhielt ich zur Antwort. Kurz darauf explodierte einer der Daishis. „Wen Ihr wohl Lightning nennt“, murmelte ich schmunzelnd und warf Primus in eine mehrfache Fassrolle, um den Laserimpulsen des Flakfeuers auszuweichen. Dieses Baby würde nie wieder zum Mars zurückkehren!
Ich griff direkt an, kam über den Rumpf und – starrte direkt in eine riesige Kanone. Ich…

„O-nii-chaaaaan!“, brüllte mir jemand ins Ohr. Sofort war ich hellwach. „Was? Wo? Wer?“
Yohko hockte neben meinem Bett und streckte mir die Zunge raus. „Schön, dass du noch wach bist. Ich will dich doch noch was fragen.“
Verwirrt starrte ich auf meine kleine Schwester herab, die neben meinem Bett hockte und zu mir hoch lächelte, als könne sie kein Wässerchen trüben.
Ich sah mich in meinem Zimmer um. „Was hast du denn, Yohko, um… Drei Uhr Morgens?“
Verlegen sah sie zur Seite. „Es… Es geht um Morgen. Ich…“
„Yohko“, sagte ich und tätschelte ihren Kopf, „wenn du nicht willst, dann brauchst du es nur zu sagen. Keiner, nicht einmal Vater kann dich zwingen, in einen Hawk zu steigen und dein Leben zu riskieren. Absolut keiner. Dafür sorge ich.“
Das Gesicht der Dreizehnjährigen verzerrte sich vor Wut. „So meine ich das nicht!“, blaffte sie wütend. „Es… Es ist nur so, dass… O-nii-chan, du nimmst mich doch mit, ja? Ich habe so viel trainiert, ich habe so viele Gegner abgeschossen. Du weißt doch, dass ich fast so gut bin wie du oder Megumi, ja?“
Ich senkte den Blick. Was hätte ich dafür gegeben, wenn das kleine freche Mädchen mit den schulterlangen braunen Haaren gesagt hätte, dass sie Angst hatte und auf der Erde hatte bleiben wollen. Alles. Einfach alles.
„Hey“, sagte ich stattdessen, „du bist doch Kottos. Eine wichtige Stütze für die Hekatoncheiren. Wir können einfach nicht auf dich verzichten. Onkel Jerry hat neulich erst gesagt, dass wir nur mit dir eine Chance haben.“
„Nun übertreibst du aber“, erwiderte sie, musste aber lächeln.
Irgendwie war sie so kindlich. Nicht wie eine Dreizehnjährige sein sollte. Ich wusste, so verhielt sie sich nur, wenn ich, ihr großer Bruder in der Nähe war. Ansonsten war sie sehr direkt und wusste genau, was sie wollte. Aber bei mir, da war es, als wollte sie unbedingt die alte Zeit wieder heraufbeschwören, als Mutter noch gelebt und Vater noch Zeit für uns gehabt hatte.
Ich musste für einen Moment meinen Kopf halten, weil ich dachte, er würde mir zerspringen. Was tat ich hier eigentlich so großspurig? Als ich das erste Mal in Primus geklettert war, da war ich nicht viel älter gewesen als sie. Und hatte kurz darauf in Schlachten gesteckt, wie sie grauenhafter nicht hatten sein können. Wollte ich ihr das ersparen? So wie ich auf die harte Tour erwachsen zu werden? Zu spät. Sie hatte bereits selbst zu viele Kämpfe gesehen. Und um mich zu schützen hatte sie schon vor Wochen ihren ersten Kronosier getötet.

Ich hasste es, das zuzugeben, aber Yohko war ähnlich fähig wie ich, Makoto oder Megumi.
Ohne sie hatten die Hekatoncheiren und Zeus eine weitaus geringere Chance, den Angriff sicher durchzuführen. Vor allem erfolgreich durchzuführen.
Was dachte ich nur, was dachte ich nur? Andere in meinem Alter freuten sich darauf, zur Schule gehen zu können. Mit den Mädchen zu flirten, die Lehrer zu ärgern. Aber ich?
Ich lachte freudlos. Seit über einem halben Jahr sorgte ich dafür, dass sie das auch weiterhin tun konnten.
„Was macht Ihr denn hier für einen Lärm“, murmelte Makoto schlaftrunken vom Eingang her.
Mein Cousin hatte lediglich einen Yukata angezogen, bevor er in mein Zimmer gekommen war. „Es ist drei Uhr Morgens, wisst Ihr das nicht? Und im Gegensatz zu euch gibt es Leute hier im Haus, die ihren Schlaf brauchen.“
„Jawohl, Zeus, Herr der Götter“, rief Yohko und salutierte karikiert für ihn.
„Na, du bist ja schon richtig drin in der Materie, hm? Freust du dich schon auf Morgen?“, fragte Mako mit einem feinen Lächeln. Mann, ich konnte es kaum erwarten, bis Mako endlich achtzehn oder älter war. Im Moment sah er aus wie ein Mädchen, wenn er lächelte. Ein kräftiger Wachstumsschub würde ihm sicherlich gut bekommen.
„Ja!“, rief Yohko begeistert. „Ich freue mich schon. Schade nur, dass wir geheim halten müssen, dass wir zum Mars fliegen. Ich würde zu gerne die Gesichter von Ami und Hina sehen, wenn ich wieder komme und ihnen davon erzähle, dass wir auf dem Mars waren.“

„Das ist gut“, murmelte Makoto und gähnte herzhaft. „Da das nun geklärt ist, gehen wir alle wieder schlafen, ja?“
„Nein, das geht noch nicht“, erklärte Yohko bestimmt. „Nicht bevor dieser Trottel von großem Bruder mir nicht verspricht, dass er mich nicht aus Versehen vergisst oder so.
Wer soll denn auf ihn aufpassen, wenn er alleine zum Mars fliegt?“
„Ach, so läuft der Hase“, murmelte Makoto. „Ich kann dich beruhigen, Yohko. Wir werden Morgen früh als Allererstes Helens Grab besuchen. Und dann machen wir uns geschlossen auf den Weg zum OLYMP. Du siehst, er kann dich gar nicht hier lassen.“
„Hast du gehört, O-nii-chan? Du kannst mich gar nicht zurück lassen“, brummte sie und knuffte mich gegen meinen Oberarm.
„Ist ja gut, ist ja gut. Klar nehme ich dich mit. Das weißt du doch“, brummte ich widerwillig.
„Wirklich?“, fragte sie mit leuchtenden Augen. Kurz darauf fiel sie mir um den Hals. „Danke, O-nii-chan. Danke, danke, danke.“
„Na also“, murmelte Makoto und verließ mein Zimmer wieder.
„O-nii-chan?“, fragte Yohko leise.
„Was ist denn noch? Ich habe dir doch gerade versprochen, dass du mitkommen wirst.“
„Was anderes. Darf ich bei dir schlafen?“
„Du bist dreizehn Jahre alt. Du wirst ja wohl alleine in deinem Zimmer schlafen können“, platzte es aus mir heraus.
„Ich habe ja gar keine Angst. Aber… Ich will bei dir bleiben, Onii-chan. Einfach nur bei dir bleiben.“
„Sieh mal“, sagte ich und tätschelte ihren Kopf. „Du bist ein großes Mädchen, nachdem sich die Männer schon umdrehen. Was würde Yoshi denn von dir halten, wenn er hört, dass du wie eine Achtjährige zu deinem Bruder ins Bett gekrochen bist?“
„Das ist gemein, dass du Yoshi erwähnst“, hauchte sie. Langsam erhob sie sich. „Du bist so ein Trottel. Ich wollte doch nur bei dir sein.“
„Yohko“, murmelte ich leise. Da hatte sie mein Zimmer aber schon verlassen. „Na toll. Echt toll gemacht, Akira. Du bist ein wirklich guter großer Bruder.“
Den Rest der Nacht lag ich wach und dachte nach.

3.
Als wir vor dem Grab standen, schämte ich mich dafür, dass uns nicht mehr Zeit blieb als Blumen abzulegen und ein kleines Gebet zu sprechen. Sicher, Mutters Volk hatte einige andere Riten ihre Toten betreffen als Japaner, und es war mindestens genauso respektlos diese auszulassen wie die japanischen nicht richtig auszuführen. Aber die Zeit drängte. Auf einer Wiese in einem nahen Park wartete bereits ein Hubschrauber, um mich, Makoto und Yohko nach Titanen-Basis zu bringen – oder vielmehr zu dem, was von ihr bereits fertig war.
Titanen-Basis und OLYMP bildeten einen so genannten Weltraumfahrstuhl, eine Einrichtung, die half, die Erdanziehung relativ kostengünstig zu überwinden. Das war auch notwendig, denn seit zwei Monaten hatten wir begonnen, auf dem Erdmond Helium3 abzubauen. Das Helium-Isotop war für die Energieversorgung unserer neuen Fusionsreaktoren essentiell. Und auch die Weltwirtschaft, die sich erstaunlich schnell an diese besonders ergiebige Energiequelle angepasst hatte, lechzte nach jedem Gramm.
Ständige Starts und Landungen großer Schiffe hätten nur permanente Stürme nahe der Häfen verursacht. So aber glitten die aufbereiteten Materialien auf zwei der bereits fertigen Lifte ungestört in die Erdatmosphäre und wurden von dort normal ausgeflogen.

„Und habe bitte ein Auge auf Akira. Er ist ja immer so unvorsichtig, weißt du noch, Mama?“, hörte ich Yohko sagen.
Das riss mich aus meinen Gedanken. „Wer ist hier unvorsichtig, hä?“
Yohko grinste mich fies an und hob dozierend den Zeigefinger. „Na, neulich wieder erst, als du diesen neuen Daishi-Typ, den Gamma so maßlos unterschätzt hast und Makoto kommen musste, um dich zu retten und dann den anderen Tag als… Auuuuuu. Du bist so brutal, O-nii-chan.“
„Wie kannst du das alles Mutter petzen, hä?“, tadelte ich sie und rieb ihr mit der Faust auf dem Kopf herum. „Du bist mir ne schöne Schwester.“
„Ich lasse es ja, nur hör auf damit. Das tut weh, O-nii-chan.“
„Nun kommt endlich, ja?“, hörte ich Makoto sagen. „Der Pilot wartet nicht ewig. Unglaublich. Zwei der vier besten Piloten der Menschheit sind nicht nur kleine Kinder, sie benehmen sich auch so.“
„Danke, der hat gesessen. Hey, wo gehst du hin? Der Landeplatz ist da hinten.“
„Vergesst mich nicht! Mako-chan, O-nii-chan, ich will auch mit.“
Makoto sah mich schief an. „Weißt du nicht, was heute für ein Tag ist, Akira? Wir holen jemanden ab.“

Wir gingen in einen anderen Teil des Friedhofs. Er war Militärangehörigen vorbehalten. So früh morgens war natürlich noch nicht viel los, nur ein hübsches Mädchen stand vor einem Doppelgrab und betete.
Respektvoll warteten wir, bis sie fertig war. Ich empfand es schon als schlimm, dass Yohko ohne ihre Mutter aufwachsen musste und Vater so selten sah.
Aber wie Megumi Uno ohne beide Elternteile aufzuwachsen war bestimmt noch um einiges schlimmer.
„Hallo, Megumi“, begrüßte ich sie und vermied es sie anzusehen.
Das junge Mädchen lächelte zu uns herüber. „Hallo, Akira, Makoto-kun, Yohko-chan. Wollen wir dann mal los und die Welt retten?“ Leichtfüßig lief sie zu uns herüber und hakte sich bei mir ein. Ich wusste nicht wieso, aber sie hatte einen wahren Narren an mir gefressen. Nicht, dass mir das nicht gefiel. Sie war nach mir die zweitbeste Pilotin der Erdstreitkräfte für Mechas, sie war hübsch und klug. Sie als Freundin zu haben wäre bestimmt keine schlechte Idee gewesen. Und vielleicht rannte ich damit bei ihr offene Türen ein.
Aber ich konnte sie nicht ansehen. Denn ich fühlte mich schuldig, dass ihre Eltern gestorben waren. Der Angriff, der ihren Vater, einen Jägerpiloten und ihre Mutter, Offizierin im Garnisonsstab getötet hatte, ich hatte ihn miterlebt. Ich hatte in Primus gegen die Kronosier gekämpft. Und trotzdem hatte ich nicht verhindern können, dass sie durch unsere Abwehr gebrochen waren, das Hauptquartier vernichtet hatten.
Wir hatten sie letztendlich besiegt, ja. Aber unsere Verluste waren gewaltig gewesen. Spätestens nach dieser Schlacht war allen klar, dass wir mehr eigene Mechas brauchten. Sehr viel mehr eigene Mechas und eigene Piloten.

Für mich war es so, als hätte ich ihren Vater persönlich vom Himmel geholt und ihre Mutter mit den Beinen von Primus zertrampelt. Ich fühlte mich schuldig. Und das war ich ja auch.
Aber sie warf es mir nie vor. Nicht eine Sekunde. Nicht einmal, nachdem ich ihr gestanden hatte, dass ich der Pilot von Primus gewesen war und in dieser entscheidenden Schlacht versagt hatte.
Sie warf es mir nie vor und weinte auch nicht. Aber sie lächelte fast nie. Nur wenn sie mit mir oder Yohko zusammen war, kam die Welt in den Genuss ihres süßen Lächelns.
Und das war das größte Verbrechen, welches ich an ihr begangen hatte. Warum gehörte ihr Lächeln nicht allen? Warum nur mir? Und Yohko, zugegeben.
„Träumst du, Akira?“, fragte Makoto und hielt mir aus dem Hubschrauber eine Hand entgegen, um mir beim einsteigen zu helfen.
Ich ignorierte die Hand und sprang aus eigener Kraft an Bord. „Ein wenig.“
Wir wandten uns beide um und zogen nacheinander erst Yohko und dann Megumi an Bord.
Nachdem wir uns festgeschnallt hatten, hob der Hubschrauber ab.

Unter uns versank der Park, danach der Stadtteil und letztendlich ganz Tokio. Wie oft hatte ich diesen Flug bereits gemacht? Ich konnte es nicht sagen. Aber Yohko und Megumi konnte ihm immer wieder etwas Positives abgewinnen.
„Da ist der Tokio Tower“, rief Yohko aufgeregt und deutete aus dem Fenster herab. „O-nii-chan, wollen wir nicht alle da hin gehen, wenn wir vom Mars zurückkommen?“
„Das ist eine gute Idee. Am besten abends. Der Ausblick soll dann wirklich super sein“, kam ihr Megumi zu Hilfe.
„Nicht wahr? Nicht wahr?“, kommentierte Yohko nickend. Die beiden jungen Frauen grienten sich an und kicherten dazu.
„Mako-chan, du kommst doch auch, ja?“
Makoto nickte eifrig. „Natürlich komme ich auch. Wo Ihr zwei Hübschen hingeht, da bin ich doch nicht weit.“
„Und du, O-nii-chan?“, fragte Yohko hoffnungsvoll.
„Na, wenn ich nicht auf dich und Megumi aufpasse, dann geratet Ihr ja doch nur in irgendwelchen Schlamassel“, brummte ich ärgerlich. „Klar komme ich mit.“
Wieder kicherten die Mädchen. „Das ist ein Versprechen, nicht wahr, O-nii-chan?“, fragte Yohko bestimmt.
„Okay, es ist ein Versprechen. Sobald wir alle vier heile vom Mars zurück sind, gehen wir in den Tokio Tower und genießen die schöne Aussicht.“
Innerlich aber schalt ich mich einen Narren. Immerhin hatte ich für mich selbst schon lange beschlossen für die Mission zu sterben, falls das nötig werden sollte.
**
Die Titanen-Station war bereits viel weiter als ich erwartet hatte. Drei der fünf Materiallifte arbeiteten schon und die Personenlifte waren bereits im Bau. Nebenbei waren die Hangars bereits voll ausgebaut, um die neuartigen Atmosphäregebundenen Jäger vom Typ HAWKEYE zu unterstützen, die speziell für den Kampf gegen Daishis entwickelt worden waren. Es war unglaublich, was wir in nur einem halben Jahr geleistet hatten. Und das alles nur, weil die gesamte Menschheit das erste Mal in ihrer Geschichte vorbehaltlos zusammen arbeitete.
Die Technik, die wir aus Primus und den abgestürzten Raumschiffen der Kronosier eruiert hatten, hatte uns einen Schub beschert, den wir auf Jahre nicht würden ausschöpfen können.
Noch war alles neu und ungewohnt, aber ich war mir sicher, schon bald würden die HAWKEYE die MiG29, welche bisher die Titanen-Basis beschützten, verdrängt haben.

Kurz nach unserem Einschleusevorgang verließen wir den Hubschrauber, nur um von einem überwältigenden Applaus empfangen zu werden. Männer und Frauen ließen ihre Arbeit stehen und liegen und applaudierten uns. Mittlerweile besaß die Erde vierzehn Mecha-Piloten und zwanzig Maschinen der Klassen Hawk und Sparrow, aber wir waren nicht nur die jüngsten Piloten, wir waren die besten.
Diese Anerkennung tat gut, sogar sehr gut. Wenn ich so etwas erlebte, dann wusste ich wieder, warum ich all das durch machte. Warum ich tötete, warum ich innerlich bereit war, mein eigenes Leben zu opfern.

Im Lift waren wir nicht alleine. Doktor Hendrikson vom Komitee für Erdverteidigung ließ es sich nicht nehmen, uns zu begleiten und für die bevorstehende Mission das Beste zu wünschen. Der groß gewachsene Blondschopf starrte mich stumm an und ich verstand es als stumme Entschuldigung dafür, dass die Erde gezwungen war, Kinder in die Schlacht zu schicken. Ich schüttelte als Antwort leicht den Kopf. Wir waren die Hekatoncheiren Briareos, Gyes und Kottos. Wir und Zeus, der über uns wachte, waren die wichtigste Verteidigung der Menschheit. Das brachte ich mit meinem Kopfschütteln zum Ausdruck.

Oben angekommen überraschte mich der Fortschritt der Arbeiten enorm. Um es auf den Punkt zu bringen, OLYMP sah aus, als wäre die Plattform nicht nur einsatzbereit, sondern… fertig.
Vater empfing uns und den Doktor persönlich. Yohko warf sich ihm natürlich um den Hals. Sie war schon immer das Papakind gewesen.
Ich nahm mir die Zeit, Eikichi genauer zu beobachten. Er hielt sich gerade und seine Augen funkelten stolz, aber seine Schläfen waren in den letzten Monaten grau geworden.
Ich hatte ihn gefragt, ob er nicht färben wollte, aber seine Antwort war salopp gewesen: Lieber grau als gar keine Haare.
Mir schüttelte er stumm die Hand. Für mich hatte er schon lange keine Worte mehr. Ab und zu ein derber Scherz, ansonsten nur Stolz und stumme Entschuldigung in seinem Blick.

Eikichi führte uns in einen Konferenzraum. Dort erwarteten uns bereits das restliche Komitee sowie fünf Offiziere der Neugegründeten Raummarine. Ich kannte sie alle. Es waren die Kapitäne der YAMATO, der Namensgeberin der Neuentwickelten Fregattenklasse für den Raumkampf, der OSAKA, der AKAGI, der FUJI und der KAZE. Weitere drei Fregatten lagen bereits auf Rumpf und warteten darauf, fertig gebaut zu werden.
Natürlich waren die Fregatten selbst noch etwas blank. Bis auf Waffen, Panzerung, Rahmen und Antrieb enthielten sie nicht besonders viel. Die Zeit war zu knapp gewesen und die Notwendigkeit, Transporte vom Mond zur Erde zu beschützen zu wichtig, um etwas für die Inneneinrichtung der Fregatten zu tun.
Bis auf die YAMATO, die für zwei Monate in die Werft zurückgekehrt war, um voll ausgerüstet zu werden. Mit ihr, unter dem Kommando von Commander Jeremy Thomas würden wir den Mars attackieren.

„Guten Morgen, meine Damen und Herren vom Komitee, meine Damen und Herren von der Raummarine. Liebe Mecha-Piloten“, begann Vater seinen kleinen Vortrag.
„Wie Ihr alle wisst, begann der Konflikt mit den Kronosiern unprovoziert. Sie waren plötzlich da und versuchten, unsere militärischen Ressourcen zu vernichten. Sich auf der Erde festzusetzen. Uns zu unterwerfen. Das dies nicht gelang liegt nicht zuletzt an unseren tapferen Luftwaffen, die hunderte von Maschinen und Piloten verloren, um genau das zu verhindern.
Letztendlich aber wäre diese Anstrengung vergeblich gewesen, wäre es nicht gelungen, einen Daishi Beta zu erbeuten und ihn mit einem Menschen zu bemannen. Der einzige Mensch, der dafür in Frage kam, war mein eigener Sohn Akira.
Seit dieser Zeit steht er zwischen uns und den Kronosiern und verteidigt die Erde. Ihm verdanken wir es, dass wir nun eigene Mechas bauen können. Ihm verdanken wir es, dass wir noch keine kronosianische Kolonie sind.
Dafür, dass er sein Leben aufgegeben hat, dürfen die anderen Menschen in Freiheit leben.
Aber wir sind nicht sicher. Noch lange nicht. Unser Kampf geht noch weiter.“

Vater setzte sich und aktivierte einen großen Monitor hinter sich. „Dies sind die Aufnahmen der Cassini-Sonde, die wir zum Mars umgelenkt haben. Sakura, bitte.“
Sakura Ino, mein Cousine und eine fähige Wissenschaftlerin erhob sich und trat neben den Bildschirm. „Wie Sie sehen können, gelang es der Cassini-Sonde, uns eine enorme Datenflut zu übermitteln, bevor sie vernichtet wurde.
Dabei haben wir erschreckende Kenntnisse gewonnen.“
Auf dem Bildschirm erschien eine Projektion vom Mars.
Das Bild zoomte näher, bis es den Nyx Olympus zeigte, den größten Vulkan im ganzen Sonnensystem. Zumindest soweit wir bisher wussten. Mit über zwanzig Kilometer war er aber auf jeden Fall ein Gigant.
„Wie Sie sehen können, ist die Umgebung des Mount Olympus begrünt worden. Genauer gesagt eine Fläche von zweitausend Quadratkilometern. Die Kronosier beginnen den Mars zu kultivieren, was wir Wissenschaftler Terraformprozess nennen. Dies ist ein sehr sicheres Zeichen dafür, dass sie sich langfristig festsetzen wollen.
Doch das ist noch nicht alles.“
Wieder zoomte das Bild und entriss metallene Strukturen aus der Umgebung des Vulkans.
„Wie Sie sehen können, entstehen große Werftanlagen und Lagerhallen im Gelände um den Berg. Genauer gesagt sind viele der Einrichtungen bereits aktiv. Was Sie hier sehen sind zwei fertige Automatenfabriken, die nach unserem Erachten Mechas herstellen. Daishis.
Und hier, in diesem Komplex, werden die Fregatten gebaut, welche uns bereits so viel Ärger gemacht haben. Dazu kommen weitere Komplexe, die darauf hindeuten, dass die Kronosier größere Schiffe planen. Zerstörer, Panzerschiffe, Kreuzer. Wir haben auch Hinweise darauf gefunden, dass sie reguläre Bodeneinheiten aufbauen. Panzerverbände, atmosphäregebundene Jäger und Hubschrauber. Mobile Festungen. Alles, was man für eine groß angelegte Eroberung braucht.
Sakura Ino sah in die Runde. „Aber das Schlimmste kommt erst noch. Hier, ab dieser Aufnahme, wurde die Sonde abgeschossen. Zu unserem Glück versagten die Kameras nicht. Und auch der Funk hielt lange genug stand, um uns diese Aufnahmen zu ermöglichen.“
Wieder wechselte das Bild und zeigte eine rasante Kamerafahrt, die sich rasch dem Gebäudekomplex am Vulkan näherte. Als die Sonde fast die Oberfläche erreicht hatte, hielt Sakura die Aufnahme an.

Ich sprang entsetzt auf. Das letzte Bild zeigte… „Menschen!“, rief ich erstaunt. „Das sind Menschen!“
„Richtig, Akira. In dem Komplex arbeiten Menschen. Ob freiwillig oder gezwungen können wir nicht sagen. Aber uns ergeben sich daraus zwei Erkenntnisse.
Erstens, die Kronosier unterhalten auf der Erde geheime Stützpunkte, von denen aus sie auf der Erde rekrutieren oder entführen.“
„Und zweitens sind ihre Terraform-Maßnahmen so weit fortgeschritten, dass sie einem Menschen gestatten, sich ohne Schutzanzug und Sauerstoffgerät im Freien aufzuhalten“, ergänzte Megumi.
„Das ist richtig, Megumi-chan. Um es mal zusammen zu fassen: Wenn diese Entwicklung so weiter geht, dann werden ihre Industriekapazitäten unsere bald überholen. Und was das für uns bedeutet, brauche ich wohl keinem zu sagen. Wir müssen sie aufhalten, zurück werfen. Verhindern dass ihre Werften früher fertig sind als dass wir nicht mindestens drei Zerstörer und zwanzig Fregatten zur Verfügung haben. Sonst haben wir keine Chance gegen sie.“

Das Bild wechselte und zeigte die beiden Trümmermonde Phobos und Deimos, die den Mars umkreisten. „Und wir müssen verhindern, dass das hier fertig wird.“
„Was ist das?“, rief ich entsetzt und sprang auf.
„Das ist eine Werft.“
„Unmöglich! Wenn ich die Größenverhältnisse richtig im Kopf habe, dann müsste das Schiff, dass in dieser Werft Platz finden soll, über einen Kilometer groß sein.“
„Ja, du hast Recht, Akira. Aber das Schlimme daran ist: Es ist keine Konstruktionswerft. Es ist eine Reparaturwerft. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dieser Werftblock komplett isoliert werden kann, was für eine Neukonstruktion nach unserer Auffassung enorm wichtig ist. Das bedeutet, dass die Kronosier ein oder mehrere Schiffe erwarten, die auf den Marsmonden repariert werden sollen.“

Für einen Moment versuchte ich mir die Schiffe vorzustellen, die dort hinein passen sollten. Ich schüttelte den Kopf. „Also darf dieser Werftkomplex niemals fertig werden.“
„Danke, Sakura“, sagte Vater und erhob sich wieder. „Sie alle sehen, ein erfolgreicher Schlag ist unsere einzige Möglichkeit, um Zeit zu erkaufen, um weitere Produktionen auf der Erde auf das für uns immens wichtige Raumverteidigungsprogramm umzustellen. Wir brauchen Schiffe, wir brauchen Mechas. Und vor allem brauchen wir Zeit.
Dazu kommt ein nicht weniger wichtiger Faktor. Wir brauchen Wissen. Wissen über das, was die Kronosier da bauen. Wissen, wie wir es vernichten können.
Und Wissen, wer diese Menschen sind.“
Für einen Moment sah Vater alt aus. Alt und müde. „Und damit das gelingt, senden wir vier Kinder und eine Fregatte aus.
Akira. Du musst zum Mars fliegen. Du musst die Werft auf Phobos zerstören. Du musst die Werften am Boden vernichten. Du musst jedes mögliche Fitzelchen an Daten sammeln, an das du kommst. Und du musst mit all dem wiederkommen. Ich kann, ich muß es dir befehlen, als dein Vater und Erdenbürger. Die YAMATO wird…“
„Moment Mal, was ist denn mit uns? Wir sind ja auch noch da“, beschwerte sich Megumi. „Wo O-nii-chan hingeht, gehe ich auch hin“, erklärte Yohko resolut.
Vater schluckte schwer. „Das ist euer letztes Wort?“
Die beiden Mädchen nickten heftig.
„Makoto?“
„Was siehst du mich an, Eikichi? Du kennst die beiden Dickköpfe. Wenn sie etwas nicht wollen, versuch du sie mal aufzuhalten. Ich habe es schon lange aufgegeben. Und nur für den Fall: Ich komme auch mit. Ohne mich als Rückendeckung sind die Hekatoncheiren doch nichts wert.“

Eikichi senkte stumm den Kopf. Schließlich erhob er sich und verbeugte sich vor uns, sehr tief und sehr lange. „Entschuldigt, dass wir von euch Kindern verlangen, was wir Erwachsenen nicht tun können“, flüsterte er gepresst.
Nun erhoben sich auch die anderen Männer und Frauen und verbeugten sich vor uns.
Ich musste zugeben, die Szene verursachte mir eine Gänsehaut.
„Schluss mit dem Quatsch“, rief ich ärgerlich. „Lasst uns lieber einschiffen und loslegen. Da ist eine Werft, die ich vernichten muß.“
Ich spürte, wie mir jemand in die Wange kniff. „Du wolltest doch sicher sagen, eine Werft die wir vernichten müssen, oder?“, fragte Megumi mit einem düsteren Lächeln.
„JaAUUU!“

4.
Jerry Thomas stand auf seiner Brücke und starrte in den Sternenhimmel hinaus. Nun würde es nur noch wenige Stunden dauern, bis die YAMATO ausschleuste.
Leise trat ich hinter ihn. „Einschleusevorgang ist beendet, Kapitän. Blue Lightning ist als Letztes an Bord gekommen.“
Der Skipper der YAMATO sah mich ernst an. „Du hast den Hawk Blue Lightning genannt?“
Ich grinste verlegen. „Früher, als ich noch mit Primus gekämpft habe, hat mich ein deutscher Pilot so genannt. Erst war es nur Lightning, aber dann hat irgendjemand gemeint, mein Mecha würde blaue Striemen in der Luft hinterlassen, wenn ich richtig aufdrehe. Blue Lightning also.“
Ich trat neben meinen vorgesetzten Offizier und Lehrmeister. „Jetzt, wo Primus zerlegt ist, erschien es mir… Passend, eine letzte Verbindung zu ihm zu haben.“
„Ich verstehe. Du bist noch immer nicht so ganz los gekommen, hm? Du vermisst Primus noch immer.“
„Versteh mich nicht falsch, Sensei. Blue ist ein toller Mecha. Schneller, wendiger, besser bewaffnet und vor allem stärker gepanzert als Primus. Wir beide zusammen sind eine tödliche Waffe. Ich bin sicher, wir schreiben Geschichte.“
„Aber er ist nicht Primus, richtig?“, schmunzelte der Ältere.
„Er ist nicht Primus, ja. Aber da ich Primus nicht wieder bekommen werde, muß ich mich eben mit Blue arrangieren. Das heißt, eigentlich habe ich das schon. Die Synchronisierung mit ihm ist dreimal so gut wie mit dem Daishi. Ich liebe die Hawk-Klasse.“
„Das freut mich zu hören, Akira-chan.“ Jerry begann damit, meinen Kopf zu tätscheln.
Ich ließ es über mich ergehen, immerhin meinte er es ja nur nett.

„Was macht eigentlich der neue Prototyp, den Makoto-chan mitgebracht hat? Glaubst du, der Eagle taugt etwas?“, fragte Jerry und stellte dankenswerterweise das tätscheln ein.
„Nun, eigentlich ist er als Zweisitzer konzipiert, aber Mako meinte, es würde zu lange dauern, um einen neuen Piloten oder gar einen Bordschützen zu trainieren. Andererseits ist seine Langstreckenbewaffnung ideal für Unterstützungsfeuer. Zeus wird effektiver denn je über die Hekatoncheiren wachen, während wir uns ins Getümmel stürzen.“
„Gut, gut“, brummte Sensei leise. „Was meinst du, Akira-chan. Kommt Ihr zurück? Überlebt Ihr?“
„Hey“, sagte ich ernst und zeigte mit dem Daumen der rechten Hand auf meine Brust, „so sieht nur ein wahrer Held aus. Natürlich kommen wir wieder zurück. Sorge du nur dafür, dass wir eine Fregatte haben, die uns wieder nach Hause fliegt, dann bringe ich meinen Teil schon.“ Ich grinste gewinnend. Doch es erstarb schnell.
„Oder sorg zumindest dafür, dass die YAMATO wenigstens noch die Daten weiter schicken kann, die ich auf dem Mars erbeuten werde.“
Kapitän Thomas legte mir eine Hand auf die Schulter. Er sagte nichts. Nur das Gewicht lastete auf mir. Ich nickte nur dazu.

„Ich wünschte mir nur, ich hätte Megumi und Yohko da irgendwie raushalten können“, murmelte ich leise.
„Ich weiß. Sie bedeuten dir beide sehr viel. Aber stell bitte keinen Blödsinn an wie für die zwei zu sterben, ja? Du bist unser wichtigster Pilot.“
„Nicht mehr, wenn der Angriff erfolgreich war, Skipper.“
„Auch, wenn der Angriff erfolgreich war, irgendwann brauchen wir Gyes wieder. Briareos und Kottos können diese Last nicht alleine tragen. Nicht für immer, Akira-chan.“
Ich nickte. „Sensei?“
„Ja, Akira?“
„Hörst du auf, mich chan zu nennen?“
Der Ältere lachte. „Keine Chance, Kleiner. Keine Chance.“
„Mist“, murmelte ich, was ihn dazu brachte, noch lauter zu lachen.
**
Als die YAMATO abdockte, waren an den Fenstern der Werftlounge über fünftausend Soldaten und zivile Mitarbeiter versammelt. Als das Schiff seine Hymne spielte, salutierten sie.
Die Crew auf der Brücke erhob sich und erwiderte den Salut.
Die Schwesterschiffe OSAKA und AKAGI schossen Salut.
Die YAMATO war auf ihrer schwersten Fahrt unterwegs.
Wir würden drei Tage brauchen, um uns an den Mars heran zu schleichen. Drei Tage, bis wir angreifen und den Gegner stellen würden.
Und unser erstes Ziel würde die Werft werden.
Ich stand ebenfalls auf der Brücke, neben mir meine drei Kameraden. Auch wir salutierten und ich wunderte mich darüber, wie ernsthaft meine beiden Mädchen sein konnten.
„Wir haben soeben die Werft verlassen“, meldete Sakura Ino, die an Bord als taktischer Offizier fungierte.
Applaus klang auf, an dem wir Piloten uns beteiligten.
„Also dann, meine Damen und Herren. Nächster Stopp ist der Mars. Und dort treten wir mal ein paar Invasoren in den Arsch!“
Ich reckte meine Faust hoch. „Verdammt richtig, Skipper. Zahlen wir es diesen Bastarden heim!“
Jubel brandete über die Brücke. Wir alle waren hoch motiviert. Und bereit. Ich war sogar bereit, mein Leben zu lassen.

5.
Als Blues Füße den felsigen Boden von Phobos berührten, atmete ich erleichtert auf. Ich war nicht bemerkt worden. „Der Hawk ist gelandet“, sagte ich zu mir selbst.
„Soll ich die Funkstille brechen und diese Meldung weitergeben, Sir?“, meldete sich der Bordcomputer.
„Hey, wer hat dich denn auf Sarkasmus trainiert, Blue?“
„Sie, Sir. Nachdem ich endlich das Prinzip von Ihrem skurrilen Humor verstanden habe kann ich nicht anders, als ihn ab und an zum Besten zu geben.“
Ich lachte leise. „Warum auch nicht?
Hast du Ortungen im Nahbereich?“
„Negativ, Sir. Es ist noch immer alles sauber.“
„Dann los.“ Ich begann die Mechabeine zu bewegen. Blue begann über die felsige Landschaft zu klettern. Schnell erreichten wir die Konstruktionsanlage der Werft.
„Blue, gib mir doch mal ne Übersicht. Haben wir jetzt eine Feindortung?“
„Nein, Sir. Die Anlage wird nicht bewacht. Wir haben keine Mecha-Aktivität und keine Wachschiffe. Die Kronosier scheinen nichts zu ahnen.“
„Das wird sich bald ändern“, stellte ich knurrend fest. „Spätestens, nachdem wir hier Ärger gemacht haben.“
Ich bewegte Blue noch näher an die Werft heran. „Na, wo ist denn mal was Nettes… Kannst du erkennen, was die Lagerhallen enthalten, Blue?“
„Munition, Sir. Wahrscheinlich sollen damit die erwarteten Riesenschiffe aufmunitioniert werden, wenn sie hier ankommen“, meldete die künstliche Intelligenz.
„Dann mach mir mal ein paar gute Scans von den Dingern. Vielleicht können wir damit Rückschlüsse daraus ziehen wie die Waffe aussieht, in die sie geladen werden soll.“
„Nehme die Scans vor. Sir, wir sollten uns auch die Werft genauer ansehen. Dadurch erlangen wir auch Rückschlüsse auf Form und Größe der zu wartenden Schiffe.“
„Gut, ein paar hundert Meter mehr schaden wohl nicht.“

„Das war es, Sir, die Scans sind abgeschlossen. Wir können dann.“
„Gib mir ein gutes Ziel“, sagte ich leise.
Im Gebäudekomplex wurden vier Stellen optisch hervorgehoben. Die Lagerhallen mit der Munition, zwei Kraftwerke und ein besonders fragiles Stück der Konstruktion.
„Alle vier erfassen. Volle Salve.“ Ich drückte ab. Neun Raketen verließen meinen Mecha und hielten auf die vier anvisierten Punkte zu.
Ich trat sofort den Rückzug an, aktivierte die Schubdüsen und entfernte mich mit hoher Geschwindigkeit von der Werft.
In diesem Moment meldete die Ortung zwei Daishi Alpha, die gerade das Werftgelände verließen, um mich zu verfolgen.
„Scheint, als hätte es einen Alarm gegeben, hm?“, murmelte ich und gab noch mehr Schub.
Kurz darauf explodierten die ersten Raketen in der Konstruktion. Das Gebilde begann sich zu neigen und zur Seite zu kippen, gehorsam der geringen Schwerkraft von Phobos folgend.
Doch die Explosion der Munitionshallen wirbelte die Fragmente herum, zerriss sie zusätzlich.
Die durchgehenden Reaktoren gaben ihnen schließlich den Rest. Die Werft verging in einem Feuerball.

„Atomraketen“, murmelte ich abfällig. „Wer braucht die schon?“
Die beiden Daishi, die mich hatten verfolgen wollen, waren noch in den Ausläufern der Explosion und wurden von ihr verschlungen.
Ich fragte mich für einen Moment, wie viele Kronosier und wie viele Menschen gerade umgekommen waren. Aber für Mitleid war dies hier der falsche Ort. Und ich war der falsche Mann.
„Wir kehren zurück zur YAMATO, Blue.“
„Verstanden, Sir. Darf ich die beiden Daishi Alpha auf Ihre Abschussliste setzen?“
„Tu was du nicht lassen kannst“, murmelte ich amüsiert.
Auf meinem Rückflug passierte ich Yohko und Megumi, die mir notfalls den Rückmarsch gedeckt hätten. Kurz darauf kamen wir an Makoto vorbei, der seinen riesigen Eagle herum warf und uns folgte. „Erster Schlag war ein Erfolg, wie ich sehe“, funkte er mir auf kürzester Distanz mit geringer Leistung herüber. „Gratuliere.“
„Danke. Aber ab jetzt wird es nicht mehr so leicht. Denn jetzt sind sie gewarnt.“
„Keine Angst, O-nii-chan“, sagte Yohko fröhlich, „ich beschütze dich doch.“
„Na, wer wohl wen beschützen wird“, gab ich zurück.
„O-nii-chan, du bist so ein fieser Trottel“, beschwerte sie sich.
Ich konnte nicht anders, ich lachte leise. Noch lief alles gut. Noch lief alles für uns…

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

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Wie ich erwartet hatte, war den Anflug auf die grüne Region des Mars nicht annähernd so leicht. Die Zerstörung der Phobos-Werft war erst wenige Stunden her, und wir hatten die Kronosier bereits aufgescheucht wie ein Hund, der im Hühnerhof tobte.
Uns erwarteten drei Fregatten im stationären Orbit über dem Nyx Olympus.
Wenn ich die Geheimdienstberichte richtig im Kopf hatte, verfügten die Kronosier in unserem Sonnensystem nach ihren letzten Verlusten gegen uns noch über acht Fregatten und vier Zerstörer, die bereits irgendwann einmal in Aktionen gegen uns in Erscheinung getreten waren.
Ich hatte keine Ahnung, inwieweit und wie intensiv die Schiffe der Kronosier Patrouille flogen, ergo mit wie vielen Schiffen wir hier noch zu rechnen hatten, je nachdem wie lange wir uns noch hier aufhalten mussten.
Ganz zu schweigen, wie viele Daishis uns hier noch erwarteten. Die Verluste bei den letzten Attacken gegen uns waren für die Kronosier enorm hoch gewesen, aber wir wussten einfach nicht, über wie viele Mechas und Piloten sie noch verfügten.
„Ein Himmelfahrtskommando“, murmelte ich leise. Ich hatte es gewusst, von vorne herein. Zu Anfang hatten die Jagdflieger und Raketenbasen unseren Kampf unterstützt, später hatte die weiterentwickelte Technik unserer Mechas gegriffen und unsere Überlegenheit gesichert.
Ich war mir sicher, mit zehn bis zwölf Daishi Alpha den Boden aufzuwischen. Und die YAMATO würde aus einer Raumschlacht gegen die Fregatten der NOVEMBER-Klasse als Sieger hervorgehen. Nur, was wenn es mehr Daishi waren? Was wenn die YAMATO beschädigt aus der Schlacht hervorging und sofort wieder in die Schlacht musste?
Ich war versucht Sakura zu sagen, sie solle lediglich mich und Makoto ausschleusen lassen, um die Leben der Mädchen zu schonen. Aber ich hatte nicht den Mut dazu. Makoto und ich würden die Feuerkraft der beiden Hawks noch dringend brauchen. Ohne Lady Death und Thunderstrike hatten wir keine nennenswerte Chance.

„Jetzt wären ein paar Atomraketen doch ganz nett“, murmelte ich. Damit hätten wir das gesamte Gelände hochjagen können, aber zugegeben auch keinen Einblick in die Technik der Kronosier erlangen können. Wir hätten den Konflikt nur auf später verschoben. Und in der zweiten Runde hätten wir erst Recht nicht gewusst, was uns erwartete.
„Akira, wir eröffnen das Feuer. Macht euch bereit, im Deckschatten zur Marsoberfläche abzutauchen. Das Gelände in der grünen Zone hat optimales Wetter bei plus acht Grad. Wenig Wind. Die Sonne wird für zwei Stunden optimal im und nahe des Zenits stehen. Benutzt es als zusätzliche Deckung für den Anflug.“
Eine Erschütterung ging durch das Schiff. „Übrigens schießen die Kronosier gerade zurück.“
„Das habe ich gemerkt. Viel Glück, Cousinchen. Die Hekatoncheiren und Zeus warten auf den Countdown.“
Zur Antwort öffneten sich die Schotts des Schiffs. Innerlich straffte ich mich. Nun war ich bereit. „Ich zuerst“, sagte ich auf der Frequenz unserer Mechas und trat auf die Katapultspur.
„Gyes auf Katapult bereit zum Start“, meldete ich an die Hangarmannschaft.
„Bereit auf Katapult. Viel Glück, Lieutenant. Fünf…vier… drei…zwei…eins… Start!“
Blue wurde hart beschleunigt und verließ den Hangar. Außerhalb des Schiffs zündete ich meine eigenen Düsen, beschleunigte aber noch nicht voll.
„Kottos auf Katapult, bereit zum Start“, meldete Yohko. Es war erschreckend, wie ernst meine kleine Schwester in solchen Momenten klingen konnte.
„Bereit auf Katapult. Komm heil zurück, Yohko-chan. Fünf.. vier…drei…zwei…eins… Start!“
„Flirtet Ihr mit meiner Schwester?“, beschwerte ich mich amüsiert.
„Natürlich, Sir, das machen wir immer, wenn Sie außer Waffenreichweite sind“, kam die kesse Antwort.
„Na wartet, wenn ich wiederkomme legen wir mal ne Runde Kendo ein.“
„Dazu müssen Sie aber zurückkommen, Lieutenant. Ich freu mich schon drauf.“
Ich grinste. Der Chief der Hangarmannschaft war jung, aber ein feiner Kerl. Ich hoffte wirklich, ihn mit meinem Shinai noch ordentlich vermöbeln zu können.
„Briareos auf Katapult, bereit zum Start“, hörte ich Megumis Meldung, während Yohko auf meine Position aufholte.
„Bereit auf Katapult. Second Lieutenant, gute Jagd. Fünf.. vier…drei…zwei…eins… Start!“
„Was denn, Chief, mit mir flirten Sie nicht?“, kam ihr amüsierter Kommentar, während sie raus geschossen wurde.
„Meine Überlebenschancen sind wesentlich höher, wenn ich mit der Schwester des Lieutenants flirte, und nicht mit seiner Freundin.“
„Was?“, kam die überraschte Stimme von Makoto über Funk. „Läuft da was zwischen euch beiden und ich habe es nicht mitgekriegt? Zeus auf Katapult, bereit zum Start.“
„Natürlich läuft da nichts zwischen uns!“, rief Megumi und holte mit Lady Death zu mir und Yohko auf. „Leider.“
„Bereit auf Katapult. Captain, geben Sie den Kronosiern Späne. Mann, wenn ich euch so höre, möchte ich auch noch einmal unter Zwanzig sein. Fünf.. vier…drei…zwei…eins… Start!“
„Chief, wir werden uns in der Sporthalle ausführlich unterhalten“, drohte ich mit gespieltem Ernst.
Makoto schloss in seinem Eagle schnell zu uns auf.
Ich führte die Rautenformation unserer Mechas an. Was hatte Megumi nur mit leider gemeint?

„Wir werden wahrscheinlich erwartet“, sagte ich leise, während wir dem Mars entgegen fielen. „Makoto, wenn du mir nicht wieder den Quatsch von wegen einem Ranghöheren gibt man keine Befehle erzählst, hätte ich eine lauschige Ecke nahe des Vulkangipfels, von wo aus du das gesamte Gelände abdecken kannst, um uns mit deiner Ari zu beschützen.“
„Wann habe ich je die Weisheit und die Erfahrung der Hoffnung der Menschheit in Frage gestellt, Akira? Ich sehe die Stelle. Gute Wahl. Zeus dreht bei.“
Die gedrungene Gestalt des Zeus scherte aus und nahm direkten Kurs auf den Mount Olympus.
„Hergehört, Mädchen“, sagte ich leise. „Wir müssen mit Flak und angreifenden Mechas rechnen. Ihr kennt den Plan. Haltet euch nicht lange mit Kämpfen auf. Macht die Scans und vernichtet die Fabriken so gründlich wie möglich.“
„Was ist mit den Kronosiern und Menschen?“, wollte Yohko wissen.
„Lass Gott die Guten von den Bösen trennen“, murmelte ich wütend.
„Was? Das verstehe ich nicht.“
„Du sollst keine Rücksicht nehmen. Alles da unten ist der Feind. Hast du verstanden? Schieß auf alles, was sich gegen dich erhebt. Zerstöre, was dir möglich ist. Und dann verschwindest du, als hätte es dich nie gegeben.
Yohko, Megumi, sollte es hart auf hart kommen, die Notfallfluchtroute führt auf den Olympus. Auf diese Weise kann Mako uns Deckung geben. Und wenn es wirklich übel kommt, kann er einen Passagier an Bord nehmen. Falls Ihr also aussteigen müsst, tut das so nahe wie möglich an seiner Position.“
„Verstanden“, hallte es mir doppelt entgegen.

Blues Bordcomputer zeichnete mir in die Realsicht die Bolzen von Laserbeschuss ein. Mein Instinkt und meine Erfahrung übernahmen sofort und ich umtanzte die Lichtenergiesalven, ohne Schaden zu nehmen. Auch für Yohko und Megumi war das eher eine leichte Aufwärmübung.
„Fünf Kilometer. Seht zu, dass Ihr die Sonne in eurem Rücken behaltet. Viereinhalb. Sehr schön. Der geringere Luftdruck kommt uns hier ja richtig gelegen. Wir gehen fast ohne Reibung runter. Vier.“
„Sir, angreifende Mechas. Drei Daishi Beta“, meldete Blue.
„Makoto?“
„Bin noch nicht in Position. Du wirst mit ihnen spielen müssen.“
„Ihr habt Mako gehört. Dann wollen wir doch mal!“ Ich erfasste den vordersten Mecha und entsandte eine Dreiersalve Raketen auf ihn ab. Neben mir tanzte Yohko weit aus dem Kurs. Thunderstrike löste ebenfalls eine Dreiersalve aus, die sich korkenzieherartig auf einen der Gegner zu bewegte.
Hinter mir brach Lady Death hervor und feuerte ihre schwere Kanone ab. Ihr Gegner explodierte als Erster. Nummer zwei war das Ziel meiner Schwester. Meiner war der härteste Brocken. Ihm gelang es, Abwehrmaßnahmen auszustoßen und seinerseits eine Raketensalve auf mich abzufeuern. Ein Zehnerschwarm raste auf mich zu.
Ich fixierte alle zehn Rauchfahnen, Blue schaltete mit. Kurz darauf trat mein Anitraketenlaser in Aktion und fegte die Sprengköpfe vom Himmel. Unter mir verging nun auch mein Gegner, als die beiden Raketen, die nicht auf seine Abwehrmaßnahmen hereingefallen waren einschlugen und den Daishi auf Schrottwert reduzierten.
„Zwei Kilometer. Wir machen einen ersten Überflug, danach übernimmt Yohko die Luftsicherung. Megumi und ich landen. Mako, bist du da?“
„Bereit auf dein Zeichen“, meldete mein Cousin.
„Gut. Warte, bis ich aufgesetzt habe. Dann schieß alles ab, was nicht aussieht wie ein Hawk.“
„Einverstanden. Zwei Raketenplattformen und zwei Glattrohrkanonen warten nur darauf, ein wenig Sperrmüll zu produzieren.“

„Achthundert Meter. Wir beginnen mit dem Parabelflug! Leicht abbremsen!“
Wieder kam Flakfeuer auf, aber auch diesmal gelang es dem Feind nicht, uns zu treffen. Ich zoomte auf das Gelände herab und erkannte mehrere Panzer, die zu uns hoch feuerten. Nicht mit uns. Nicht mit mir.
Ich zog den Mecha knapp über dem Boden in die Waagerechte und raste in fünf Meter Höhe über das grüne Land hinweg. Kurz bevor ich die Panzer passierte, löste ich meine Raketen aus. Yohko und Megumi lösten sich in Winkeln zu fünfundvierzig Grad von meinem Kurs und bombardierten eigene Ziele.
Vor mir explodierten die fünf anvisierten Flakpanzer. Blue brach ohne Probleme durch den Explosionsball. Dahinter erwartete mich ein eilig herbei laufender Daishi Alpha. Ich grinste abfällig, streckte die Rechte aus und riss dem Alpha im Vorbeiflug den Sensorkopf herab. Diesen neuen Ballast warf ich in eine der Lagerhallen, wo er hoffentlich etwas Verwüstung anrichten würde.
Ich zog eine Schleife und setzte meinen Mecha auf dem Boden auf. Blue ging leicht in die Knie, dann stand der Hawk sicher. Hinter mir erfolgte eine Serie an Explosionen, als zwei Zwanzigersalven Raketen einschlugen und fünf Panzer vernichteten.
„Zeus schleudert seine Blitze“, meldete Makoto konzentriert. „Vorsicht, Gyes, es sieht ganz so aus, als würden in der Halle hinter dir Daishis bemannt. Yohko, halte etwas Abstand vom Boden und komm mehr in meine Richtung. Megumi, du hast einen Beta am Heck. Zieh ihn an der länglichen Fabrik hinter dir her. Dann erwische ich ihn.“
Megumis Lady Death sauste nur wenige Meter an mir vorbei, den Daishi im Schlepp. Als sie die Fabrik passierten, verging der Beta in einem Feuerball.
„Die Kanonen sind gut“, meldete Mako zufrieden.

Ich wandte mich der Fabrik zu und feuerte eine Raketensalve. Schwere Explosionen erschütterten das Gebäude. „Blue, was machen die Scans?“
„Wir arbeiten daran, Sir. Darf ich empfehlen, dass wir die Fabrik noch nicht zerstören, bis die Scans beendet sind und uns stattdessen um die Daishis kümmern, die gerade den Hangar verlassen?“
Ich murmelte eine Verwünschung, während die Fabrik von Sekundärexplosionen erschüttern wurde und warf meinen Hawk herum. Gerade rechtzeitig, um einem Stakkato an Lichtlanzen zu entgehen. Elf Gamma kamen aus dem Hangar hervor. Ein Teil startete, andere liefen auf dem Boden entlang. Einer der startenden Daishis wurde mitten im Sprung getroffen und explodierte.
„Megumi! Yohko! Wir kriegen Gesellschaft! Beeilt euch und macht auch die Panzerfabrik platt!“, blaffte ich und feuerte eine volle Neunersalve mit Raketen ab.
Acht Raketen trafen, hielten die Daishis aber nicht nennenswert auf. Weitere Mechas kamen dazu, Alphas hauptsächlich. Was die Zahl noch mehr zu meinen Ungunsten verschob. Ich hob beide Arme und feuerte meine eigenen Laser. Sie zerschlugen die Brustpanzerung eines Alphas im Sturmlauf.
Langsam zog ich mich zurück, während erneut Raketen auf mich niederfuhren. Ich fixierte wieder jeden einzelnen Kondenzstreifen und das Raketenabwehrsystem erwachte zum Leben. Mit der Rechten drohte ich in Richtung der näher rückenden Daishis, mit der Linken nahm ich die Fabrik hinter mir unter Dauerfeuer.

„Sir, ich messe eine große Explosion im Orbit an. Das Transpondersignal von der YAMATO ist jedenfalls noch aktiv“, meldete Blue.
„Gut, dann hat es einen der anderen drei Bastarde erwischt. Mako, ich kann hier Hilfe gebrauchen. Yohko, Megumi, Bericht.“
„Kottos hier. Mir geht es gut. Die Daishis sind nicht annähernd wendig genug, um mit mir mithalten zu können. Ich habe mir schon drei Abschüsse geholt.“
„Briareos hier. Die Fabrik ist beinahe platt. Aber Panzer und Daishis beginnen mich einzukreisen.“
„Setz dich ab, Megumi. Gib ihr Deckung, Yohko. Mako, vernichte du den Rest der Fabrik. Und gib auch ein paar beherzte Schüsse in die Werften ab, ja?“
„Verstanden.“ „Okay.“ „Bin schon weg.“
Wieder flogen Raketen auf mich zu. „Wird Zeit für mein neues Spielzeug. Blue, löse die Schwerter.“
Ich sprang hinter die Fabrik, duckte mich unter der Mauer und registrierte zu meiner vollen Zufriedenheit, wie die meisten Raketen in ihr einschlugen und nur ein Teil über mich hinweg zog.

Auf dem Rücken von Blue löste sich ein schwarzer Kasten. Er klappte automatisch auf, kaum dass er den Boden berührt hatte. Ich öffnete ihn ganz. Und zog zwei lange Klingen hervor.
„UEMF-Pilot. Du kannst nicht entkommen. Gib auf und ich garantiere dir eine faire Behandlung!“, klang eine Lautsprecherdurchsage auf.
Ich zündete kurz meine Düsen, um über die vollkommen verwüstete Fabrik hinweg zu setzen. „Wer will hier denn entkommen?“
„In den Nahkampf! Auf die lange Distanz ist er uns überlegen! Stellt ihn und zerstört ihn! Gib lieber auf, Junge!“
Nahkampf. Die Trottel spielten mir ja richtig in die Hände. Als ich landete, waren zwei Gamma im Weg. Kaum berührte ich den Boden, hatte ich bereits beide Schwerter, die ich zuvor gekreuzt vor der Brust gehalten hatte, weit von mir gestreckt.
Neben mir fielen die zerteilten Gammas zu Boden. Stück für Stück.
Ein erschrockenes Raunen erklang über meine Außenmikrofone.
„Was sind das für Waffen? Welche Schwerter können eine Daishi-Panzerung zerteilen?“
„Ultrahochverdichtetes Karbon, welches im Futteral superfrequent vibriert. Damit schneide ich alles. Soll ich es noch mal demonstrieren?“
Ich trat mit Blue einen Schritt vor und die Front der Daishis bewegte sich geschlossen einen zurück. Nur der vorderste Daishi Gamma blieb stehen. „Interessant. Warum seid Ihr uns Zuhause nur immer einen Schritt voraus? Was ist euer Geheimnis?“, erklang die Lautsprecherstimme aus diesem Daishi.
Zuhause? Hieß das, der Pilot des Daishi war ein Mensch wie ich? Nein, nicht wie ich. Ein Verräter. „Wir glauben an etwas.“
„Moment mal. Du bist doch nicht etwa… Du bist dieser junge Bursche, den sie nach den ersten Angriffen in einen erbeuteten Daishi gesteckt haben, richtig? Ein schöner Glaube ist das. Kinder in einen Krieg schicken.“
„Es würde keinen Krieg geben, wenn Abschaum wie du die Kronosier nicht auch noch verstärken würde!“, rief ich und griff an. Meine Linke mit der Neuentwickelten Herkules-Klinge sauste an der Stelle herab, an der sich der Gamma gerade noch befunden hatte.
Ich nutzte die Gelegenheit, um die andere Klinge einem Beta einmal quer in die metallenen Eingeweide zu treiben, bevor ich dem Gamma hinterher setzte.

„Whoa! Nicht so hastig, Kleiner!“, rief der Gamma-Pilot und wich meinen Waffen spielerisch aus. Ich konnte nicht umhin festzustellen, dass dieser Mann gut war. Richtig gut.
„Die anderen Daishis verhalten sich defensiv, Sir“, meldete Blue.
Verwundert sah ich auf. Wieso ließen sie mich einen nach dem anderen vernichten, griffen mich aber nicht an? Hatten sie Schiss vor mir? Unwahrscheinlich. Wollten sie ihren Kameraden den Vortritt lassen und konnten sich nicht entscheiden? Auch unwahrscheinlich.
Ich lächelte kalt. Sie wollten mich lebend und den Hawk unversehrt. „Lautsprecher aus. Blue, aktiviere die Selbstvernichtung. Wenn wir hier in fünf Minuten nicht raus sind, jag uns hoch.“
„Sir, dem kann ich nicht zustimmen. Wir…“
„DU TUST, WAS ICH DIR SAGE! Öffne den Lautsprecher wieder.“
„Verdammt, Akira, mein Computer meldet, Blue hätte die Selbstzerstörungssequenz eingeleitet! Was machst du da? Die Fabriken sind Trümmerhaufen und die Werften haben alle einen mitgekriegt. Wir haben auch die meisten Scans. Zieh dich zurück!“, rief Makoto.
„Geht gerade nicht. Ich bin eingekreist“, murmelte ich leise genug, um die Mikrofone für die Außenlautsprecher nicht zu aktivieren.
„Wir holen dich da raus. Kottos, Briareos, Absetzmanöver beenden. Gyes hat Schwierigkeiten!“
„Verstanden!“ „Schon unterwegs!“
„Makoto“, flüsterte ich. „Bringt euch in Sicherheit. Ich komme schon klar.“
„Tut mir ehrlich weh, Kleiner, aber wir lassen dich nicht im Stich.“

Ein müdes Lächeln spielte über meine Lippen. „Blue, Countdown für Selbstzerstörung abbrechen. Stattdessen jagst du uns hoch, sobald ich Tora sage. Verstanden?“
„Verstanden, Sir.“
Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder meiner Umgebung. Zu den Daishis gesellten sich nun auch noch Panzer und Infanterie. Ich bemerkte ihre Bewaffnung. Sie schien speziell auf den Kampf mit Mechas eingestellt zu sein. Was für eine Idee. Mehr als Kanonenfutter waren die Fußtruppen doch nicht, solange die großen Jungs spielten.
„Wer bist du, Kumpel?“, rief ich und deutete auf den Gamma, der mir so gut ausgewichen war.
„Henry William Taylor, ehemals United States Marine Corps. Zu euren Diensten, Hekatoncheire“, kam die mehr als saloppe Antwort.
Ich richtete das linke Schwert auf einen neben mir stehenden Alpha, der angstvoll zurückwich. „Und was hat dich dazu bewogen, dein Volk zu verraten, Henry William Taylor?“
„Nun, die Krankenleistungen sind wirklich hervorragend. Der Zahnersatz übernimmt hundert Prozent der Kosten, ich habe vierzig Tage Urlaub im Jahr, doppelte Bezüge bei Überstunden und überhaupt das dreifache Gehalt. Dazu kommen Weihnachtsgratifikationen, dreizehntes Monatsgehalt, Sonderzulagen, Risikoausgleich, Kost und Logis ist frei sowie…“
„Schon gut, schon gut“, rief ich abwehrend und wedelte mit der anderen Klinge herum. „So genau wollte ich es nun nicht wissen. Aber das ist ein anständiger Leistungskatalog. Ich bin wirklich beeindruckt.“

Der Gamma vor mir schien zu grinsen. „Das ist noch nicht alles. Auf die Fähigsten unter uns wartet noch etwas Besonderes. Einige von uns, und hoffentlich ich auch erhalten die Gift.“
„Es heißt das Gift, und ich glaube nicht, dass das ein Vorteil ist“, erwiderte ich.
Der Gamma trat einen Schritt vor und schüttelte die voll modellierte Faust. „Kannst du kein englisch? Die Gift. Gift wie Geschenk.“
„Phhh. Da war der Zahnersatz schon interessanter“, erwiderte ich.
„Du hast ja überhaupt keine Ahnung, du unwissender kleiner Mensch. Du weißt ja gar nicht, was Unglaubliches dich erwarten würde, wenn du an unserer Seite kämpfen würdest und die Gift erhalten könntest“, erwiderte der Verräter leise.
Irrte ich mich oder beugten sich die anderen Mechas auch vor? Kanten sie das Geheimnis der Gift etwa auch nicht? Was war es? Ein besonders elitärer Status?
„Hast du vielleicht Interesse an einem Bewerbungsgespräch? Ich meine, das ist doch besser als sterben, oder? Jetzt wo deine Kameraden dich im Stich gelassen haben.“
In einem hatte Taylor Recht. Das Leistungspaket, wenn denn alles wahr war, schlug das der UEMF um Längen. Um Zeit zu gewinnen, zog ich das rechte Schwert wieder zurück und murmelte nachdenklich: „Das wäre vielleicht eine Alternative…“

„O-nii-chan, du Blödmann!“, blaffte Yohko laut genug, dass mir die Ohren klangen. „Du wirst doch nicht auf dieses dämliche Angebot hereinfallen?“ Neben mir schlugen neun Raketen ein. Thunderstrike zog dicht über den Boden hinweg und feuerte eine Salve Laserimpulse auf einen Daishi Alpha.
Ich löste die Aufladung des Schwerts in meiner Linken aus. Kurz darauf verließ ein Energiestoß die Klinge, die den anvisierten Alpha komplett vernichtete.
„Nicht wirklich, Yohko.“
„Ich sehe. Die Verhandlungen sind also vorbei. Tötet sie, aber lasst von den Mechas genügend für die Forscher übrig.“
Vor mir stieß Megumi mit Lady Death wie ein Falke au Raubzug zu Boden. Die neuartige Lanzenwaffe in ihrer Hand schlug in einen Beta ein. Mit der schweren Last setzte sie wieder vom Boden ab, bevor jemand reagieren konnte. Über unseren Köpfen explodierte der Feindmecha. „Diese neuen Spielzeuge sind gut“, stellte sie fest.
Ich warf mich nach vorne, zerteilte einen vorwitzigen Gamma, der mich hatte frontal rammen wollen und stand vor dem Verräter Taylor. Einschläge in meinem Rücken bewiesen mir, dass ich nicht unendlich Zeit hatte. Neben mir fuhren großkalibrige Kugeln in das Erdreich, wühlten es auf. Dutzende Raketen wanden sich korkenzieherartig in die Luft und zogen ihre Bahn in meine Richtung. Zwei Beta richteten ihre integrierten Armwaffen auf meinen Mecha aus.

„To…“
Neben und vor mir entstanden mehrere Explosionen, als Makoto von seiner Position aus eine volle Salve abgab. „Du hast jetzt Luft, verdammt! Starte durch!“
Sofort jagte ich die Schubdüsen auf Volllast und hob den Mecha mit einem Gewaltstart vom Boden ab. Die Raketen verfolgten mich weiterhin, aber es gelang mir, etwa die Hälfte mit dem Raketenabwehrsystem zu vernichten und vom Rest einen Teil mit den beiden Klingen abzuwehren. Der Rest, etwa acht Stück jagten mir auf die breiten Schulterschilde und in den Torso.
„Bist du in Ordnung, Akira?“, klang Megumis besorgte Stimme auf. „Ich bin in Ordnung. Lass uns hier verschwinden. Mann, haben wir ein Glück gehabt, dass sie gerade keine Schiffe in der Werft hatten. Deren Flakfeuer hätte uns am Boden echt Schwierigkeiten gemacht.“
„Akira, gib mal etwas Stoff und verzieh dich. Du ziehst gerade mehr Unglück an, als du wert bist“, meldete sich Makoto erneut.
„Was habe ich angestellt?“
„Du erinnerst dich an die Werft, die du auf Phobos vernichtet hast?“
„Ja, was ist mit ihr?“
„Nun, der Mars hat ab sofort nur noch einen Mond. Der andere ist zerbrochen. Und die Trümmer streuen gerade fein säuberlich in die Marsatmosphäre.“
„Lass mich raten. Der dickste Brocken kommt genau über uns runter?“
„Nicht gerade der dickste, aber ein Kilometer Durchmesser reicht doch, oder?“, erwiderte Makoto. Unter mir explodierten zwei Alpha die mich verfolgt hatten.
„Ich muß meine Position aufgeben. Die ersten kleineren Trümmer fallen schon und ich stehe hier wie auf dem Präsentierteller.“
„Verschwinde schon. Wir sind ja fast weg. YAMATO, wie sieht es bei euch aus?“
„Major Ino hier. Wir haben die zweite Fregatte angeschlagen und die dritte dreht bereits bei. Allerdings nur, um sich mit zwei Zerstörern zu vereinigen, die ihr gerade zu Hilfe kommen. Wenn es irgendwie geht, dann komm in den nächsten fünfzehn Minuten zurück“, gab meine Cousine durch.
„Verstanden. Wir sind schon auf dem Weg. Wir…“
„Hey, Fliegerjunge!“, erlang eine Stimme über den offenen Kanal. Ich erkannte sie sofort.
„Taylor! Was willst du?“
„Erst mal Glückwunsch für deinen tollen Überfall. War ja wirklich gigantisch. Aber nicht ganz so erfolgreich, wie du vielleicht wolltest. Zoom noch mal runter zur Oberfläche.“
Ich wusste, ich sollte es nicht tun und lieber mehr Höhe gewinnen. Tatsächlich befand ich mich schon in einem Kilometer Höhe und schoss weiter steil hinauf.
Ich zoomte also auf die Region, in der ich gekämpft hatte und erstarrte. Im offenen Gelände begann sich der Boden zu verschieben. Riesige Luken öffneten sich.
„Wie sieht es aus, Fliegerjunge. Noch ne Runde, um die eigentlichen Fabriken zu erwischen?“
Ich grinste matt. Die Scans und die Phobos-Werft waren unser Hauptziel gewesen. Das da unten konnte mich nicht locken. „Vergiss es. Wir… YOHKO!“

Thunderstrike sauste an mir vorbei in die Tiefe. „YOHKO! STOPP!“
„Nein, O-nii-chan. Du willst doch nur selber gehen! Das lasse ich nicht zu. Du wärst vorhin schon einmal fast gestorben!“
„Yohko, stopp, ich habe gar nicht vor, da unten anzugreifen! Außerdem kommt hier gleich ein riesiger Brocken von Phobos runter!“
„Ich glaube dir nicht, O-nii-chan! Du hattest auf der YAMATO so einen merkwürdigen Blick. Aber du darfst nicht sterben. Du bist zu wichtig!“
Ich warf Blue herum, ging wieder tiefer. „YOHKO! Hör auf mich, verdammt!“
„Ein Angriff. Nur ein Angriff!“
Megumi ließ Lady Death fallen und raste an meine Seite. „Wir können ihr nur Deckung geben!“, rief sie, während erneut Flakfeuer aufkam.
Ich nickte entschlossen und visierte einen Beta an, der ihr zu nahe kam. Ich feuerte eine volle Raketenbreitseite ab, die den Beta erst einmal beschäftigte.
Über uns leuchtete es auf. Makoto hatte eine volle Raketensalve abgeschossen. „Es wird eng, Akira! Verdammt eng!“
Ich sah kurz auf, erkannte die ersten verglühenden Trümmerstücke. In der Ferne, weit in der Ferne explodierte die besiegte Fregatte auf dem Marsboden.
Ich stürzte weiter in die Tiefe, als ich die riesige Fackel bemerkte, die direkt auf den Fuß des Mount Olympus zuhielt. „Knapp ist das falsche Wort!“, rief ich zur Antwort.
Yohko hatte sich mittlerweile durchgekämpft. Ihr Mecha hatte einiges an Schäden geschluckt, aber sie jagte eine volle Raketenbreitseite in eines der offenen Schotte. Mehrere Sekundärexplosionen belohnten sie dafür.
„Ich habe es geschafft, O-nii-chan! Ich komme jetzt hoch!“
Erleichtert beobachtete ich, wie Thunderstrike wieder stieg. „Wir geben dir Feuerschutz!“
„Nicht so hastig, Fliegerjunge!“, klang erneut Taylors Stimme auf. Bevor ich mich versah, umschlang sein Daishi Gamma Thunderstrike und versuchte, den Mecha zurück auf den Boden zu ziehen. „Der bleibt hier.“
„YOHKO!“, rief ich und trieb Blue erneut hinab. „Yohko, steig aus! Ich fange dich und dann setzen wir dich zu Makoto in den Eagle! Lass Thunder hier!“

Mittlerweile war das Trümmerstück schon fast da. Es schoss geradezu auf die Basis hernieder. Die Druckwelle, die es auslöste, wirbelte Mechas wie Puppen davon. Selbst in meiner Höhe hatte ich noch zu kämpfen.
Yohko hatte Glück. Durch den Gamma taumelte sie kaum und bekam tatsächlich Gelegenheit, sich raus zu sprengen.
Ich sah die schlanke Gestalt im dunkelroten Druckanzug heraus schießen, während unter den beiden Mechas eine gewaltige Explosion entstand. Der Feuerball der Explosion stieg hoch, höher und hüllte Thunderstrike und den Gamma ein, während Yohko weiter in die Höhe schoss. Ich stürzte herab und streckte die Arme aus, um nach ihr zu greifen.
Da geschah das Unfassbare. Eine Mechahand kam aus der Flammenwand hervor und umschloss meine kleine Schwester. „Ich sagte doch, du bleibst hier!“

Ich konnte es immer noch sehen, als wäre es gerade erst passiert. Wie die gigantische Hand aus der Höllenglut aufgetaucht war, Yohko umschlossen hatte. Wie sie flehentlich ihre Hände nach mir ausgestreckt hatte und doch in die Flammenglut eintauchte, Meter für Meter.
Ich flog zu ihr herab, wollte sie retten oder wenigstens mit ihr sterben, aber Megumi hielt mich mit Lady Death so gut es ging zurück. Als dann der Eagle von Makoto eingriff und ich mir die Kehle nach meiner Schwester wund geschrieen hatte, ging es aufwärts, fort von den Explosionen, die den Feuerball sich immer wieder aufbäumen ließen.
Ich sah hinab und fühlte meine absolute Hilflosigkeit. Ich hatte sie nicht retten können! Ihr großer Bruder hatte Yohko nicht beschützen können!
Ich fühlte mich elend.

Die weitere Kommunikation mit der YAMATO übernahm Makoto. „Hekatoncheiren und Zeus im Anflug. Erbitte Leitstrahl für die Landung.“
„YAMATO hier. Hekatoncheiren, Zeus, wir erkennen nur drei Mechas. Was ist passiert?“
Es folgte eine lange Pause, in der niemand etwas sagte. Der Leitstrahl kam und wir flogen auf die sich öffnenden Hangartore zu. Endlich fand Mako seine Stimme wieder. „Wir… Second Lieutenant Yohko Otomo und ihr Mecha Thunderstrike müssen als Verlust geführt werden…“
Ein entsetztes Keuchen kam über die Leitung. „Wenn wir sofort eine Rettungsmission starten, dann…“
„Sinnlos, Sakura“, flüsterte ich. „Sie war in der Explosion, die das Trümmerstück von Phobos verursacht hat. Sie… Sie kann das nicht überlebt haben.“ Leise begann ich zu weinen.
„Außerdem müssen wir hier weg. Der Feind kommt näher“, mischte sich die Stimme meines Senseis ein. Akira, Megumi, Makoto, trotzdem, gute Arbeit. Wir haben weit mehr erreicht als erwartet. Auch wenn der Preis zu hoch war…“
Ich hörte es und schluchzte leise. Warum hatte es nicht mich erwischen können? Warum hatte ich mich nicht früher selbst getötet? Dann wäre das alles nie passiert. Dann würde Yohko noch leben.

Ich merkte kaum, wie mein Mecha in der Bay eingestellt wurde. Wie man mein Cockpit öffnete und sich mir helfende Hände entgegen streckten. Da war nur ein Gedanke, immer wieder ein Gedanke: Yohko war tot.
„Ich wünschte, ich wäre an ihrer Stelle gestorben“, murmelte ich matt. Die Gesichter der Techniker waren mit Tränen übersäht. Sie alle hatten meine Schwester gekannt und sehr gemocht. Trotzdem war ich allein, der einsamste Mensch in diesem Universum. Verdammt, es war meine Pflicht gewesen, sie zu beschützen! Ich hätte sie niemals mitnehmen dürfen! Niemals in einen Mecha steigen lassen! Ich war Schuld. Ich alleine.
„Ich wünschte, ich wäre an ihrer Stelle…“
Weiter kam ich nicht, denn der Schlag mit dem Handschuh eines Druckanzugs war verdammt hart. Ich fühlte, wie mein Kopf hart herum ruckte. Der Schmerz in meiner Wange war enorm. Ich sah auf und erkannte Megumi. Sie stand vor mir, die Augen mit Tränen gefüllt und starrte mich wütend an. „Wie kannst du so etwas sagen, Akira? Wie kannst du so etwas auch nur denken? Sie ist tot, ja, aber soll ich dich auch noch verlieren?“
Übergangslos fiel sie mir in die Arme. „Du darfst nicht auch noch gehen. Du bist doch jetzt alles, was ich noch habe…“
Langsam, sehr zögernd schloss ich meine Arme um sie. Meine Schwester war fort. Aber sie war nicht der einzige Mensch, der mich brauchte.
Ich drückte Megumi fester an mich. „Ich gehe nicht, Megumi. Ich bleibe hier, bei dir. Ich gehe nicht, versprochen.“
In mir wühlte der Schmerz um meinen Verlust. Er drohte mir den Verstand zu rauben, aber Megumi in den Armen zu halten, half. Ich war nicht der einsamste Mensch. Noch lange nicht.
Makoto stand neben uns. Auch seine Augen schimmerten feucht. Aber er hielt respektvoll Abstand zu uns.
Ich zögerte nicht lange und zog meinen Cousin zu uns heran.
Eine lange Zeit standen wir drei so da, hielten uns umfasst und weinten.
Die Hekatoncheiren waren nicht mehr. Kottos war gefallen.

6.
„Es war für uns eine Riesenüberraschung zu erfahren, dass die Kronosier auch über weitläufige unterirdische Anlagen verfügen. Um es mal präzise auszudrücken, wir haben absolut keine Ahnung, wie groß diese Anlagen sind und wie gut sie gegen eine Katastrophe gesichert sind. Es kann durchaus sein das ein Großteil davon noch existiert“, referierte Vater.
„Daraus resultiert eine wichtige Erkenntnis. Die Kronosier müssen schon mehrere Jahre hier sein. Wir haben eine unglaubliche Leistung in einem halben Jahr vollbracht, aber hinter uns steht ja auch die Wirtschaftskraft von sechs Milliarden Menschen. Die Kronosier aber haben eine eher geringe Zahl. Um diese Leistung zu erreichen, müssen sie schon eine lange Zeitspanne Menschen auf der Erde rekrutieren. Schlimmer noch, sie müssen die Erde seit Jahren unterwandern. Die nächsten Kämpfe gegen die Kronosier und ihre menschlichen Söldner werden wir seltener im All und in Mechas führen. Wir werden auf der Erde gegen sie antreten, Mann gegen Mann. Geheimdienst gegen Geheimdienst.
Die Scans der Einsatzgruppe YAMATO werden uns dabei eine sehr große Hilfe sein. Diese Daten sind für uns weitaus wertvoller als die Zerstörung der oberirdischen Anlagen.
Auch die Vernichtung der Phobos-Werft müssen wir als großen Erfolg ansehen.
Übrigens, Akira, es gibt da eine Horde Astronomen, die dir am liebsten dafür die Leviten lesen würden, dass du einen der beiden Marsmonde vernichtet hast.“
Ich lachte leise. Zwar nur kurz und knapp, aber ich konnte es schon wieder. Dennoch fühlte ich mich so alt, so erschöpft.

„Ein weiterer wichtiger Punkt ist das, was der Verräter Taylor über die Kronosier gesagt hat. Ich meine jetzt nicht den Zahnersatz. Die Gift. Wir müssen unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hat. Ich sehe darin die größte Gefahr für uns Menschen. Die allergrößte Gefahr.
Das war es soweit von mir über die Mission. Außerdem lade ich alle Anwesenden dazu ein, im Anschluss an das Briefing an der Gedenkfeier für meine Tochter und die zwölf Raumfahrer der YAMATO teilzunehmen.
Besprechung beendet.“

Wir erhoben uns. Die anderen verließen den Konferenzraum, aber ich wartete auf Vater.
„Es tut mir Leid. Es ist meine Schuld. Ich hätte sie nicht in einen Mecha steigen lassen dürfen“, empfing Eikichi mich.
Ich schüttelte trotzig den Kopf. „Wollen wir uns jetzt darum streiten, wer von uns mehr Schuld an ihrem Tod hat?“, erwiderte ich gequält.
Stumm fixierte Vater mich. Dann sagte er leise: „Wir werden die Hekatoncheiren neu aufbauen. Diesmal in Bataillonsgröße. Sie werden aus drei Kompanien bestehen, Akira. Und eine dieser Kompanien wird den Namen Kottos tragen. Und sie wird ihn mit Stolz tragen!“
Ich nickte dazu. „Sie wird sicherlich die Elitetruppe der Streitkräfte sein.“
Vater sah mich unschlüssig an. „Was hast du jetzt vor? Um die Welt reisen und die vielen Orden einsammeln, die dir verliehen werden sollen?“
„Meinst du, es geht mir um die Orden?“, blaffte ich wütend.
„Verzeihung, so habe ich es nicht gemeint.“
Ich sah verzweifelt zu Boden. „Wie soll ich das nur Mutter beibringen? Ich konnte sie nicht beschützen. Ich habe versagt, ich…
Vater. Ich brauche Zeit zum nachdenken. Ich… werde mein Offizierspatent für einige Zeit ruhen lassen. Du hast selbst gesagt, die nächsten Kämpfe werden unter den Geheimdiensten ausgefochten. Dazu brauchst du mich nicht.“
Eikichi legte eine Hand auf meine Schulter. „Nimm dir alle Zeit, die du brauchst. Aber lass Megumi nicht zu lange allein hier oben. Sie wird es schwer haben, die Hekatoncheiren ohne dich aufzubauen, jetzt wo Makoto aussteigt.“
Überrascht sah ich auf. „Makoto?“
„Er will raus aus der kämpfenden Truppe und in den Stab gehen. Ich habe es bereits genehmigt. Gehen wir zur Trauerfeier, ja?“
Ich nickte.
**
Nach der Zeremonie und den Beileidsbekundungen nahm ich Makoto beiseite. „Was ist los mit dir? Willst du nicht der neue Kottos werden, oder was?“
Die Augen meines Cousins schimmerten feucht. „Akira, ich weiß, du komst mit Yohkos Tod nicht klar. Aber ich doch auch nicht! Ich meine, ich… Ich hätte den Gamma abschießen können, Yohko befreien – aber ich habe es nicht getan! Ich hatte ein recht gutes Schussfeld, aber ich konnte nicht auf sie schießen! Stattdessen habe ich dabei zugesehen, wie… Wie sie in den sicheren Tod stürzte. Ich rühre nie wieder eine Waffe an. Ich tauge zu nichts, Akira.“
Kräftig klopfte ich meinem Cousin auf die Schulter. „Na, na. Du wirst drüber hinweg kommen, so wie ich drüber hinweg kommen werde, Mako. Alles was du brauchst ist Zeit. Komm schon, du bist der Mutigere von uns beiden. Das warst du schon immer. Und hör auf zu heulen, du siehst ja aus wie ein Mädchen.“
„Mistkerl!“, murmelte Makoto.
„Und du schimpfst ja schon wie eines. Hat dich Sakura wieder gezwungen, Frauenkleider zu tragen?“, erwiderte ich lachend.
„Stell dir vor, ich sollte in einem schwarzen Mini zur Trauerfeier kommen. Eikichi hat mich gerade so vor dem Gong gerettet…“
„So ein verrücktes Huhn“, kommentierte ich amüsiert. Und hatte plötzlich zwei Zeigefinger im Mund, die meine Mundwinkel weit auseinander rissen. Das zornige Gesicht von Sakura tauchte vor mir auf, während sie die Mundwinkel noch weiter auseinander riss. „Wer ist hier ein verrücktes Huhn, Akira?“
„GARGL!“ Wie erwartet ließ sie es als Argument nicht durchgehen.
Makoto lachte neben mir, und es tat gut, das zu hören.
**
Ich fand Megumi auf der Boarding Bay im Hangar. „Hey“, sagte ich.
„Hey.“ Ich setzte mich neben sie und reichte ihr einen frisch aus dem Automaten gezogenen Becher Kaffee. „Mit extra Zucker, wie du ihn magst.“
„Danke“, murmelte sie.
So saßen wir da und betrachteten den ruhig vor uns liegenden Hangar.
„Du willst mich auch verlassen?“, fragte sie leise.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich will einfach nur… Ich will die Pause nutzen, etwas ausspannen, mit Yohkos Tod fertig werden, meine Gedanken ordnen. Ich komme definitiv zurück, Megumi.“
Sie sah mich an. „Wann, Akira? Wann? Wie lange muß ich auf dich warten?“
„Ich weiß es noch nicht. Ich weiß es wirklich noch nicht. Eine Woche, vielleicht zwei. Wenn es hochkommt einen Monat. Teufel, wenn ich wiederkomme, hast du wahrscheinlich schon die Briareos-Kompanie aufgebaut.“
„Was, wenn es länger dauert, Akira? Was wenn es ein halbes Jahr wird? Ich kann nicht so lange hier oben alleine bleiben. Ich weiß nicht, ob… Ob ich stark genug bin.“
Ich legte eine Hand um ihre Schulter und zog sie zu mir heran. „Doch. Du bist stark genug. Viel stärker als ich. Du bist meine Megumi. Außerdem, wenn ich doch länger brauche, weil ich mir selbst so sehr Leid tue, dann überlasse ich es dir, mich am Kragen zu packen und wieder in einen Mecha zu schleifen. Ich hoffe, dass ich dann wieder in Blue klettern kann.“
Sie lächelte mich an und legte ihren Kopf auf meine Schulter. „Ich werde dafür sorgen, Akira.“
„Das ist gut zu hören, Megumi-chan“, sagte ich leise und begann gedankenverloren ihr Gesicht zu streicheln.
„Das gefällt mir“, stellte sie fest.
Ich musste schmunzeln. „Vielleicht finden wir irgendwann einmal heraus, was dir noch so alles gefällt.“
Ich hatte eine entsetzte Antwort erwartet, einen bissigen Kommentar. „Ja. Irgendwann.“
Verblüfft sah ich in ihr Gesicht. Sie hatte die Augen geschlossen und wirkte glücklich. Egal, was ich tat, ich würde sie niemals im Stich lassen. Und wenn es mich diesmal wirklich mein Leben kostete.

7.
„Hey, hier ist kein Schlafplatz“, fuhr mich eine Stimme an. „Geh lieber in dein Quartier, Superpilot. Und nimm deine Matratze besser gleich mit.“
Müde öffnete ich die Augen, blinzelte mehrfach und sah einen grauhaarigen Techniker, der sich über mich gebeugt hatte und auf mich herab sah. Mit einem wirklich miesen Grinsen.
„Matratze?“, murmelte ich. Ich sah an mir herab und sah, dass Megumi mich noch immer umschlungen hielt. Wir mussten eingeschlafen sein, während ich in meiner Erinnerung geschwelgt hatte.
„Hilf mir hoch, Karl“, murmelte ich und reichte dem Techniker eine Hand.
Der zog mich mit beachtlicher Kraft in die Höhe. „Das mit Blue tut mir Leid. Aber du kannst in einer Woche einen neuen Mecha haben. Es gibt da ein neues Modell des Hawk. Opel hat ihn entwickelt. Das Ding soll heiß sein.“
„Schon gut, Karl, du brauchst mich nicht zu trösten. Das hat Megumi schon getan.“
Ich beugte mich über die Freundin und streichelte sanft ihr Gesicht. Sie begann zu lächeln und öffnete die Augen. „Das mag ich.“
„Ich weiß“, erwiderte ich und half ihr auf die Beine.
„Karl, wie lange haben wir hier gelegen?“
„Lang genug, dass die Nachtwache schon Sanis schicken wollte“, erklärte der alte Techniker grinsend. „Jetzt beginnt die Frühschicht, also könnt Ihr hier nicht mehr rum liegen. Geht in eure Kabinen oder meinetwegen in eine, das ist mir egal.“
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. „KARL!“
„Was? Ihr seid ja wohl alt genug um zu wissen, was Ihr dürft und was nicht, oder? Und jetzt raus aus meinem Hangar. Los, los, los.“
„Du hast dich in den letzten vier Jahren wirklich nicht geändert“, beschwerte ich mich grinsend.
„Warum sollte ich auch?“, erwiderte der alte Mann und schob mich und Megumi an den Schultern aus den Hangar.

Kaum hatten wir die Tore passiert, als die Frühschicht an uns vorbei in den Hangar strömte. Die Arbeit auf OLYMP kannte Pausen, aber sie endete nie.
Megumi streckte sich neben mir. „Kann nicht schlafen. Was hältst du davon, wenn wir duschen und frühstücken?“
„Gute Idee. In fünfzehn Minuten in der Kantine, ja?“
„Ist gut“, murmelte sie und trat in den Gang hinaus.
„Ach, Megumi.“
„Ja?“
„Was hältst du davon, wenn du, ich und Makoto mal zu Tokio Tower fahren? Nur wir drei, die Hekatoncheiren und Zeus.“
Unschlüssig sah sie mich an. Dann kam sie wieder auf mich zu und ergriff meine Hände. „Willkommen zurück, Akira-chan.“
Es folgte ein sehr flüchtiger Kuss, den ich vermisst und herbei gesehnt hatte und der mich elektrisierte wie kaum etwas sonst in meinem Leben.
„Die Dusche wartet“, stellte Megumi fest und ließ meine Hände los.
„Was denn, was denn, wieso gehst du so schnell?“, rief ich ihr hinterher.
Megumi wandte sich kurz wieder um und erwiderte mit einem dünnen Lächeln: „Muss leider sein. Sonst kommt einer von uns beiden noch auf die dumme Idee, herauszufinden, was ich sonst so alles mag. Bis nachher in der Kantine, Akira-chan.“
Für einen Moment fühlte ich meine Beine weich wie Gummi werden. Ich hielt mich an der nächsten Wand fest. Diese Frau. Sie war einfach unglaublich.

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Anime Evolution
Episode 9

1.
Es war eine mehr als präzise getimte Operation. Der Ansturm verlief unbemerkt, die neuen Tarnanzüge bewahrten uns vor optischer Erfassung. Die Spezialausrüstung erkannte Laserbarrieren und Bewegungsmelder und half, diese kritischen Punkte zu überbrücken.
Dann waren die Elitetruppen an den Türen und Fenstern, legten die Sprengladungen. Durch die Fenster würden Viererteams gehen, die Türen würden mit jeweils zwei Vierer-Squads genommen werden.
Ich starrte mit brennenden Augen auf das im Hologramm dargestellte Gebäude. Der alte Bau war riesig und weitläufig und wir hatten noch immer nicht alle unterirdischen Fluchtmöglichkeiten entdeckt und gesichert. Vom Fluchtweg Luft ganz zu schweigen. Ich wusste nicht, ob die gesamte Kottos-Kompanie der legendären Hekatoncheiren reichen würde, deshalb stand sogar noch Captain Uno mit ihrem Hawk Lady Death in Reserve.
Nach und nach glommen auf dem Hologramm vor mir Grünzeichen auf. Jedes einzelne stand für ein vermintes und aufzusprengenden Fenster oder eine Tür.
Schließlich meldete Makoto: „Wir sind soweit.“
Ich nickte schwer. Langsam löste ich mich vom Anblick des Hologramms und ergriff ein Mobiles Funkgerät. Es war auf die Frequenz der Greiftruppe eingestellt.
Ich drückte die Sprechtaste fünf Sekunden, sagte aber nichts. Danach drückte ich sie schnell noch zweimal. Dies war das Zeichen, die Funkstille zu brechen und anzugreifen.

Übergangslos flackerte das Hologramm, als der Computer versuchte, die vielfältigen Explosionen mit einzuzeichnen, in denen die Türen und Fenster verschwanden.
Gewehrfeuer klang auf und die ersten Meldungen kamen rein.
„Alpha hier. Lobby gesichert. Rücken weiter vor.“
„Charly hier. Starkes Gegenfeuer. Drei Tote, keine eigenen Verluste. Rücken weiter vor.“
„Foxtrott hier. Zweiter Stock ist gesichert. Dringen weiter nach unten vor.“
Endlos zogen sich die einzelnen Meldungen der fünfzig Einsatzgruppen hin und ich nickte dazu. Eine erste Auswertung ergab, dass wir bereits neun Menschensöldner und einen Kronosier gefangen genommen hatten, weitere fünf plus eins getötet.
Wir hatten tatsächlich ein Nest gefunden. Wie groß es war und wie erfolgreich der Einsatz bleiben würde wussten wir allerdings noch nicht.
„Mayday, Ecco hier. Wir haben einen Schwerverwundeten. Wir evakuieren.“
„Mike soll euch ablösen. Sanitäter vor zu Ecco“, befahl Makoto. Er sah kurz zu mir herüber, aber ich enthielt mich eines Kommentars.

Dann explodierte ein Teil der Fassade. „Charly hier. Der Feind setzt Youmas ein! Ich wiederhole, der Feind setzt Youmas ein.“
Ich erhob mich langsam und griff nach meinem Schwert. „Wie viele Youmas?“
„Wir erkennen nur einen. Es ist kein, ich wiederhole, kein besessener Mensch!“
„Halten Sie so lange wie es geht die Stellung, aber lassen Sie sich auf kein Gefecht ein, Charly“, befahl ich. „Hilfe ist unterwegs.“
Blue Slayer erhob sich von ihrem Platz. Ihr und den anderen Slayers juckte es in den Fingern, immerhin hatten sie dieses Nest entdeckt und wollten etwas tun – irgendetwas.
Aber ich schüttelte den Kopf. „Nein, Blue. Ihr wartet noch. Ich rechne mit weiteren Youmas, auch solchen, die Menschen beherrschen. In dem Fall müsst Ihr zur Stelle sein.“
Blue Slayer nickte unwillig. „Na gut. Aber wehe wir kriegen nichts zu tun.“
Ich konnte sie verstehen. Es war die erste offizielle Zusammenarbeit zwischen der UEMF und den Magischen Youma Slayern. Sie wollten sich beweisen.
Akari tauchte neben mir auf. „Soll ich mitkommen, Meister?“
Ich schüttelte den Kopf. „Dein Platz ist hier bei den Youma Slayern, Akari. Dein Einsatz kommt noch früh genug.“
Ich wandte mich um, ergriff mein Katana und verließ den Kommandowagen im Laufschritt. Neben mir tauchte Yoshi auf, seinen Bogen griffbereit in der Hand.
„Das wird hart, das weißt du hoffentlich!“, rief ich ihm im laufen zu.
Yoshi grinste zu mir herüber. „Hey, ich bin nicht so wahnsinnig zu glauben, ich könnte mit Kommandosoldaten mithalten. Aber einen Youma vernichten, das kriege ich noch hin. Außerdem bist du ohne meine Hilfe doch verloren, oder?“

Hundert Meter von uns entfernt brach im weitläufigen Komplex ein Dach auf und ein Daishi Alpha stieg auf flammenden Düsen in den Himmel. Ein Beta folgte ihm und wollte Höhe gewinnen, doch da stießen bereits drei Hawks der Kottos-Kompanie herab und zerlegten den Alpha in seine Einzelteile. Der Beta überlegte es sich anders und verlegte sich auf Tiefflug. Doch er lief direkt in eine Geschützbatterie Luftabwehrpanzer und wurde von den großkalibrigen Kanonen regelrecht aus der Luft gefetzt. Als zerknülltes, brennendes Häuflein Schrott ging der einst mächtige Daishi zu Boden.
Ich lächelte leicht. Die Aktion war gut vorbereitet worden. Sehr gut vorbereitet worden.
Während ich durch das nächste Fenster hechtete, um die Position von Charly zu erreichen, sicherte Yoshi meinen Sprung mit seinem Bogen. Als ich unbeschadet landete, kam er nach. Wir orientierten uns kurz und liefen dann dem Geräusch feuernder Waffen nach.

„Charly, zwei Mann kommen von hinten rein. Nicht feuern“, meldete ich über mein Kehlkopfmikrofon.
„Colonel, sind Sie das? Wird höchste Zeit! Das Ding hat sich Charly zwo geschnappt und durch die halbe Halle geworfen!“
„Bin ja schon da!“, rief ich und kam in besagter Halle an. Die restlichen drei Kommandos der Charly-Gruppe hatten sich hinter Möbeln verbarrikadiert und feuerten mit allem was sie hatten auf einen riesigen Dämon. Das Biest sah aus wie eine Mischung aus Stier und Gottesanbeterin. Und gerade griff es nach dem Bein eines bewusstlos am Boden liegenden Kommandosoldaten.
Ich knurrte unwillig und zog meine Klinge. Während dieser Bewegung wich ich seitlich nach Rechts aus, um Yoshi das Schussfeld freizumachen. Sofort schoss der Freund einen Pfeil mit einem Bannspruch ab, der den Youma in der Brust traf. Für einen Moment sah es so aus, als würden vom Pfeil Elektroschocks ausgehen, die über den gesamten Körper der Bestie jagten.
Ich nutzte diesen Moment für eine Attacke und zog die blanke Klinge über den rechten Arm des Monsters. Der Körperteil fiel ab und verpuffte, als wäre er nur Rauch gewesen.
Ein weiterer Pfeil Yoshis traf den Youma am Kopf, worauf die schreckliche Kreatur sich vor Schmerz krümmte.
Ich ließ mein KI wandern, tauchte meine Klinge in dieser Kraft und holte zu einem kraftvollen Karatake aus.
Dann sprang ich die Bestie an und führte meinen Streich über ihren Rücken.
Ich spaltete den Youma längs. Als ich auf dem Boden landete und in die Hocke ging, um meinen Sprung abzufangen, verging der Feind vollends.
Aufgeregtes Raunen der Kommandosoldaten erklang.

Ich stürzte zu dem Verletzten und checkte die Medoeinheit an seinem Hals. Puls und Atmung waren noch da, aber beides relativ schwach. „Lightning hier. Charly braucht einen Sanitäter. Lebenszeichen von Charly zwo sind stabil, aber schwach. Schwere Verletzung nicht ausgeschlossen.“
„Verstanden. Schicken Rettungstrupp.“
Ich nickte Yoshi zu, der auf meine Höhe aufschloss, während die Kommandos bis zum Eintreffen der Sanis die Eingänge sicherten.
„Lightning hier. Bericht.“
„Wir haben drei Viertel des Gebäudes erobert. Die Kellerräume werden noch verteidigt und im Erdgeschoss gibt es am Innenhof noch mehrere Räume, die hart umkämpft sind“, meldete Makoto. „Unsere Computerspezialisten haben mittlerweile mehrere Terminals des Internen Netzwerk des Nestes gefunden und angezapft. Die Kronosier löschen gerade ihre Daten, aber wir halten dagegen und ziehen so viel wie irgend möglich runter.
Ach, auf der Nordseite sind vermehrt Youmas aufgetreten. Die Kronosier werden dort vielleicht einen Ausfall versuchen. Ich habe die Slayer hingeschickt.“
„Achte auf weitere Youma-Aktivität. Ich rücke mit Yoshi weiter vor.“
„Sei vorsichtig und lass die Hauptarbeit die Profis machen“, murmelte Makoto ärgerlich.
„Bin ich etwa kein Profi?“, erwiderte ich amüsiert.
„Schuster, bleib bei deinen Leisten, sage ich da nur.“
Als die Sanis mit der Squad November eintrafen, einer der Ersatz-Squads, nickte ich und drängte weiter vor.
„Noch ein Daishi, diesmal ein Gamma. Er durchbricht unseren Absperrgürtel!“
„Keine Chance!“, hörte ich Megumis Stimme. Kurz darauf erklang neben dem Sperrfeuer eine Explosion von draußen. Ich grinste matt. Lady Death wurde ihrem Namen wieder einmal gerecht.

Ich deutete auf die Novemberleute und dann auf den weiter führenden Gang.
Der Anführer nickte und bedeutete zweien seiner Männern, langsam vorzurücken.
Yoshi und ich hielten uns hinten. Zwar waren wir durch unsere Tarnanzüge nicht schlechter geschützt als die Kommandos, aber wir hatten weder deren Erfahrung noch ihr Training. Hätten wir nicht mit Youmas gerechnet, dann wären wir beide hier nie zum Einsatz gekommen.
„Delta hier. Wir haben einen getarnten Zugang zum Keller gefunden. Kein Widerstand bisher.“
„November hier. Wir sind knapp hinter euch. Kommen hinzu.“
Ich runzelte die Stirn. Die Stimme kannte ich doch. Führte etwa Daisuke das November-Squad an? War der Junge wirklich so gut?
Wir erreichten die Stellung von Delta, die tatsächlich ein Loch in der Wand bewachten. „Hier geht es definitiv in den Keller hinab“, meldete Delta eins.
November eins schob ein Fiberglasendoskop in das Loch. „Ein geheimer Notausstieg. Wir können ihn benutzen. Ich gehe vor.“
Was nun folgte war ein Paradebeispiel für Geschwindigkeit und Exaktheit.
Daisuke nahm ein Seil aus seiner Ausrüstung und hakte es in seinem Gürtel ein. Dann ließ er sich kopfüber in den Gang gleiten, seine Waffe sicher im Anschlag. Zwei Mann von Delta griffen zum Seil und ließen ihn langsam herab. Ein November sah den Schacht hinunter und sicherte seinen Kameraden. Der Rest sicherte die Umgebung.
„Langsam jetzt“, hauchte Daisuke, als er kopfüber den oberen Rand des Fluchtausstiegs erreicht hatte. Wieder setzte er sein Endoskop ein. „Sicher.“ Er drehte sich an dem Seil um die eigene Achse und setzte leicht auf dem Boden auf. Dann trat er einen halben Schritt auf den Gang hinaus. Und keuchte erschrocken auf.

Ich zögerte nicht länger, schoss in den Gang hinein und rutschte an der Leiter des Notausstiegs hinab.
Unten angekommen sah ich noch, wie mir zwei weitere Kommandos schon folgten, bevor ich hinter Daisuke trat.
Und dann erkannte ich, was ihn zum aufkeuchen gebracht hatte. Ich erstarrte selbst für einen Moment und musste mit meinem Magen kämpfen. Der Anblick brachte alte Erinnerungen hoch. Erinnerungen, die ich überhaupt nicht mochte.
Wir waren in einem länglichen Kellerraum gelandet. Und in diesem Kellerraum standen Biotanks. Zwölf Stück. In jedem einzelnen Tank schwebte ein nackter Mensch.
„Das weckt Erinnerungen, was?“, flüsterte ich salopp und klopfte Daisuke auf die Schulter. Das löste ihn aus seinem Entsetzen. Er reagierte nun wieder wie ein Profi und schlich mit vorgehaltener Waffe zur Tür.
Ich besah mir die Tanks genauer. Die Insassen lebten, zweifelsohne. Und es sah auch nicht danach aus, als würde jemand die Anschlüsse an ihren Körpern überladen, um sie zu töten. Für den Moment schienen sie sicher zu sein.
Es gab noch einen dreizehnten Tank, der im Hintergrund stand. Als ich ihn betrachtete, glaubte ich, mein Herz würde aufhören zu schlagen. In dem Tank schwebte tatsächlich ein Kronosier. Was war er? Ein Verräter? Oder ein Freiwilliger, der auf diese Weise seinem Volk dienen wollte?
War er Teil dieser Batterie, die zweifellos zu einem organischen Computer gehörte? Oder war er lediglich aus medizinischen Gründen in dem Tank?
„Lightning hier. Ich melde eins drei Personen in Biotanks, einer davon Kronosier. Erbitte Verstärkung und medizinische Versorgung.“
„Verstanden, Lightning. X-Ray, October und Sanitäter sind auf dem Weg.“

In diesem Moment feuerte Daisuke. Die Tür schwang auf und der eindringende Mensch konnte nur noch verwundert auf die roten Blumen starren, die auf seiner Brust entstanden und sein Ende verkündeten. Der nachfolgende Mensch feuerte ebenfalls und traf Daisuke auf dem Brustpanzer. Die kinetische Energie warf den jungen Mechapiloten zurück.
Ich zog mit der Linken meine Beretta92 und feuerte meinerseits auf den zweiten Söldner. Ich traf ihn in Brust und Schulter. Daisuke hatte sich wieder gefangen und gab dem Verletzten einen Hieb mit dem Kolben seiner Waffe mit. Dann winkte er die beiden Delta-Kommandos vor und bedeutete ihnen, den Gang zu sichern. Kaum waren sie hinaus getreten, als sie auch schon in beide Gangrichtungen feuerten.
Kurz besah ich mir den Raum. Es gab nur zwei Zugänge und keine Fenster. Durch den einen Zugang waren wir gekommen. Durch den anderen wollten wir tiefer in den Keller eindringen.
„GRANATE!“, rief einer der Kommandos. Die beiden Männer drängten wieder in den Raum hinein, als hinter ihnen eine Explosion erklang. Der Druck warf sie zu Boden.
Daisuke erwiderte den Gruß und zog je eine Granate vom Gürtel. Er entsicherte sie und warf nach fünf Sekunden in jede Richtung eine. Kurz darauf erklangen die Explosionen. Danach sah er wieder auf den Gang hinaus und gab kurze Feuerstöße in beide Richtungen ab, bis die beiden Delta-Kommandos ihm wieder helfen konnten.
„Das Feuer ist zu schwer! Wir kommen hier nicht ohne weiteres weg, Colonel!“, rief Daisuke mir zu.

„Vorsicht!“, klang Yoshis Warnung auf. Ich wandte mich um und konnte gerade noch sehen, wie ein Pfeil haarscharf an meinem Kopf vorbei schoss. Beinahe glaubte ich, dass die Federn am Pfeilende meine Gesichtsmaske berührten. Ich folgte der Flugbahn des Pfeils und sah eine Geheimtür, die sich langsam öffnete. Ein Söldner mit gezogener Waffe fiel wieder nach hinten, als der Pfeil in seine Kehle fuhr. Ich reagierte sofort, trat die Tür ganz auf und stürmte in den hinteren Raum. Ein weiterer Söldner erwartete mich dort, aber er schien viel zu geschockt über das Schicksal seines Kameraden zu sein, um zu reagieren. Ich zog die Klinge meines Katanas über ihn hinweg und wandte mich dann dem Ausgang dieses Raumes zu. Auch hier standen Biotanks, aber diesmal schienen sie nur Menschen zu beherbergen.

Der Ausgang dieses Raums endete nicht auf dem Gang, der so hart umkämpft war. Ich lugte hinaus und erkannte rechts von mir mehrere Söldner, die das Gangende sperrten und hinein feuerten, um Daisuke und seine Kommandos im Raum zu halten. Es waren genau drei.
Für einen Moment dachte ich daran, auf die Verstärkung zu warten, die Profis diese Arbeit tun zu lassen. Aber wirklich nur für einen Moment.
Als ich Yoshi hinter mir ahnte, warf ich mich in den Gang, feuerte die Beretta ab. Singend verließ ein Pfeil die Sehne von Yoshis Bogen und traf den vordersten Menschen. Ich erwischte einen der Söldner auf der anderen Seite. Kurz darauf stand ich vor dem Letzten. Er sah die Gefahr, riss seine Waffe herum, feuerte sie ab. Die Feuergarbe schien auf mich zuzuwandern. Ich zog mein Katana hoch zu einem Sakakaze, einem Aufwärtsschlag. Die Klinge traf voll und mein Gegner sackte zu Boden, den Zeigefinger um den Feuerknopf gekrümmt, bis das Magazin seiner Waffe leer war.

Schwer atmend stand ich neben den drei Toten.
Die Kommandos hatten diese unerwartete Entwicklung genutzt und die andere Sperrstellung ausgelöscht.
„Lightning hier“, meldete ich mit rauer Stimme. „Weitere eins zwo Biotanks gesichert. Rücken… Rücken weiter vor.“
**
Am Ende einer langen Nacht sah ich mir die Bilanz des Gemetzels an. Wir hatten zweihundert Mann in fünfzig Teams eingesetzt, dazu die Kottos-Kompanie und Lady Death. Die zwanzig Luftabwehrpanzer nicht zu vergessen, die das Gelände weiträumig gesperrt hatten.
Die Mechas waren mit leichten Beschädigungen davon gekommen, ebenso die Panzer.
Bei der Infanterie hatten wir drei Tote und über zwanzig Verletzte, zwei von ihnen schwer.
Aber wir hatten vierzig menschliche Söldner getötet, weitere vierundzwanzig gefangen genommen, auch wenn drei von ihnen die Nacht wohl nicht überleben würden.
Dazu kamen vierzehn tote und sechs lebende Kronosier, die fünf Toten in den fliehenden Daishis, die wir abgeschossen hatten, noch nicht mit eingerechnet.
Außerdem hatten die Slayers acht Youmas ausgeschaltet, ich und Yoshi einen.
Wir hatten hier wahrhaftig in ein Wespennest gestochen und die Operation hätte noch viel verlustreicher ausfallen können. Sehr viel verlustreicher. Wir hatten enormes Glück gehabt.

Makoto reichte mir einen Becher Kaffee und ich nickte dankbar. Die Auswertungen der aus dem Netzwerk extrahierten Informationen liefen noch, aber wir konnten beinahe mit Sicherheit sagen, dass wir das wichtigste Nest in Japan ausgehoben hatten.
Wir hatten bereits jetzt Hinweise auf mehr als acht Scheinfirmen und weitere vier Nester, die gerade in diesem Moment von der UEMF angegriffen wurden.
Dazu kamen zwei Daishi Gamma, die uns unbeschadet in die Hände gefallen waren sowie sechzig Menschen in Biotanks, die just in diesem Moment von erfahrenen UEMF-Ärzten geweckt und befreit wurden. Auch von ihnen erhofften wir uns wichtige Informationen.
Aber am meisten interessierte mich das Schicksal des einzelnen Kronosiers aus dem Biotank. Was war mit ihm? Welche Informationen konnte er uns geben? War er freiwillig in diesen Tank geklettert? Oder hatten wir hier den ersten Fall eines Kronosiers, der gegen die anderen gehandelt hatte und bestraft worden war?
Ich nippte an dem Kaffee und bemerkte mit Wohlbehagen, dass er noch warm war.
Mit etwas Glück konnten wir in dieser Nacht die gesamte Operation der Kronosier in Japan ausheben. Dann würde ich es mir sparen können, mich zur Schule fahren zu lassen und wieder zu Fuß gehen.
„Es wäre wohl etwas früh zu sagen, dass wir die Kronosier in Japan zerschlagen haben“, brummte Makoto müde, „aber es spricht zumindest alles dafür, dass wir ihnen einen derben Schlag versetzt haben. Ich werde vorschlagen, dass deinen Slayer-Mädchen Orden verliehen werden. Dieser Tipp hier war goldrichtig gewesen. Und ohne sie hätten wir gegen diese Dämonen wirklich alt ausgesehen.“

„Danke, Makoto-san“, sagte Blue Slayer, als sie herein kam und sich in einen Sessel fallen ließ. Sie sah von mir zu Makoto und brummte dann: „Uns geht es gut. Danke der Nachfrage.“
„Gut zu wissen“, kommentierte ich. „Kaffee?“
Blue Slayer winkte ab. „Nein, danke. Es ist drei Uhr Morgens, und ich will nachher noch schlafen können. Immerhin haben wir Morgen Schule, oder?“
Schule? Bei diesem Wort rutschte mir beinahe der Becher aus der Hand.
„Ich bin auch nur kurz rein um zu fragen, ob wir hier fertig sind.“
Makoto stand auf und ergriff beide Hände von Blue Slayer. „Hina-chan, wir bedanken uns sehr für eure Hilfe. Wir haben den Kronosiern einen wirklich harten Schlag versetzt und das nur dank euch.“
Entsetzt starrte die Slayer Makoto an. Dann ging ihr Blick zu mir. „Hina… chan?“
Abwehrend hob ich beide Hände. „Ich habe nichts verraten!“
Makoto grinste fies. „Es war nur eine Vermutung. Danke, dass du sie bestätigt hast, Hina-chan. Und nein, für heute war es das. Wir räumen noch auf und gehen dann auch.
Dank einer gewissen durchgeknallten Schwester muß ich ja auch wieder in die Schule.“

Unwillkürlich duckte ich mich und erwartete, dass Sakura-chan durch die Tür in die Mobile Einsatzzentrale gestürmt kam, um ihren Bruder heftig zu quälen. Dann erinnerte ich mich daran, dass sie ja gerade auf dem OLYMP war.
Aber ich war sicher, hätte ich dieses Wort im Zusammenhang mit ihr in den Mund genommen, wäre sie direkt neben mir entstanden und hätte meinen Mund mal wieder auf Dehnfähigkeit getestet.
„Du redest aber nicht sehr nett über deine große Schwester“, stellte Blue Slayer fest.
Makoto sah sie an, als hätte ihm gerade jemand einen Kübel Eis in den Nacken gegossen.
„Hina-chan, du wirst ihr doch nicht etwa…“
Blue Slayer reckte sich und gähnte. „Weiß ich noch nicht, Makoto-san. Vielleicht ja, vielleicht nein. Allerdings, wenn du…“
„Ja? Sag es. Wenn ich was? Egal was, ich tu alles. Nur verpetz mich nicht!“, rief Mako hastig.
Ich schüttelte stumm den Kopf. Das musste ja daneben gehen.
„Wirklich?“, rief sie aufgeregt. „Wirklich alles?“
Nun musste Makoto schlucken. „W… wirklich alles.“
„Das ist schön!“, rief sie mit leuchtenden Augen. „Ich würde dich zu gerne mal in einer Slayer-Uniform sehen und…“
Makoto wandte sich mit verzweifeltem Gesicht mir zu, aber ich schüttelte nur den Kopf.
„Du weißt doch, in der Not ist sich jeder selbst der Nächste.“
„Also, ich bringe die Sachen dann mal am Wochenende mit und wir machen wieder so ne Party wie neulich, ja? Ich geh schlafen.“ Blue lächelte uns noch einmal zu und verließ das Mobile HQ wieder.

„Aaaaaakiraaaaaaaaa“, jammerte Mako.
„Dummkopf. Pass halt auf, was du sagst“, erwiderte ich und stand auf. „Ich gehe auch schlafen. Hey, Yoshi, Daisuke. Pennen könnt Ihr auch Zuhause.“
Die beiden öffneten die Augen. „Und dafür weckst du uns?“, erwiderte Yoshi und gähnte. „Ist gerade so bequem.“
„Es ist drei Uhr“, bemerkte ich trocken.
„Sarah!“, rief Daisuke erschrocken. „Verdammt, sie wartet ja auf mich! Also, bis Morgen, Jungs!“ Der Mecha-Pilot stürzte an uns vorbei.
Ich runzelte die Stirn. „Na, Schwamm drüber. Ich bin zu müde, um da noch drüber nachzudenken. Kommst du, Mako?“
„Ne halbe Stunde brauche ich hier wohl noch. Geht schon mal vor.“
„Meinetwegen“, erwiderte ich und gähnte nun auch.

Vor dem Wagen erwartete uns Akari. Wortlos schloss sie sich uns an und folgte uns zu einem Wagen der Fahrbereitschaft. „Zu mir nach Hause“, murmelte ich verschlafen.
„Natürlich, Colonel Otomo.“
Die letzten Worte hörte ich kaum. Ich fiel in einen dämmrigen Halbschlaf.

2.
Wider Erwarten schlief ich relativ gut. Die Augen der Toten dieser Nacht verfolgten mich nicht bis in meinen Schlaf und die Gewissensbisse hielten sich in Grenzen.
Es war zwar etwas anderes, statt in einem Mecha gegen andere Mechas anzutreten direkt Mann gegen Mann zu kämpfen, aber man musste wohl nur ausreichend übermüdet sein, um dennoch schlafen zu können.
Als der Wecker klingelte war es doch wieder viel zu früh, und entsprechend mürrisch drehte ich mich auf die andere Seite. Ich hatte gerade in einer geheimen Operation gesteckt. Ich war erschöpft. Ich war müde. Konnten nicht mal andere zur Schule gehen? Konnte ich nicht mal einen Tag blau machen und mich richtig erholen?

„O-nii-chan, aufstehen. Du musst zur Schule.“
Mürrisch wälzte ich mich herum. „Ich geh heut nicht. Ich schlafe aus“, brummte ich und zog die Decke höher.
„O-nii-chan, wenn ich dich nicht wecke, dann macht es Sakura-chan. Und das willst du doch nicht, oder?“
„Und wenn es das verdammte Komitee ist, es ist mir egal“, brummte ich. „Und jetzt lass mich weiterschlafen, Yohko.“
Ich hatte es kaum gesagt, da tat es mir Leid. Meine Brust begann zu schmerzen und die Augen füllten sich mit Tränen. Ich war schlagartig wach.
Langsam drehte ich mich wieder auf die andere Seite und sah Lilian neben meinem Bett hocken. Sie sah mich aus wässrigen Augen an. „Es tut mir Leid, dass ich nicht Yohko sein kann“, brachte sie mit erstickender Stimme hervor.
Ich zwinkerte meine Tränen weg und tätschelte der Kronosierin den Kopf. „Schon gut, Lilian. Es ist mein Fehler. Aber für einen Moment, für einen winzigen Moment dachte ich wirklich, sie sei wieder da. Das ist nichts Gutes und nichts Schlechtes. Aber es zeigt, dass du eine tolle kleine Schwester bist.“
„Wirklich?“, fragte sie argwöhnisch.
Ich wischte ihre Tränen fort und lächelte sie an. „Natürlich. Sonst würde ich es ja nicht sagen, oder? Habe ich dich jemals angelogen?“
„Nein“, murmelte sie und schniefte leise.

Mürrisch schlug ich die Decke zurück. „Mist, jetzt bin ich wirklich wach. Dann kann ich ja auch aufstehen, oder?“
Ich richtete mich in meinem Bett auf. Die Rippen schmerzten immer noch ein wenig von dem Attentat auf der Straße, aber wenigstens waren bei der Operation letzte Nacht keine neuen Verletzungen hinzugekommen. Dennoch gab ich einen herzhaften Fluch zum Besten, als ich aufstand. Meine Brust schillerte garantiert noch wie ein Regenbogen. Und dabei waren die Streifschüsse aus dem Tokio Tower noch nicht mal verheilt.
„Geht es dir gut, O-nii-chan?“, fragte Lilian ängstlich.
„Besser als Gestern“, beruhigte ich sie und tätschelte wieder ihren Kopf, was ihr ein Lächeln entlockte.

„Sag mal“, fragte ich wie beiläufig, während ich einen Morgenmantel überwarf, „es geht mich ja nun wirklich nichts an, aber hast du wirklich Yoshi geküsst?“
Übergangslos wurde die Außerirdische rot. „Woher weißt du das?“
„Ach, ich habe meine Quellen. Und es ist ja dein Leben und deine Sache, was du tust, Lilian. Aber du weißt schon, dass Yoshi…“
„Ja?“, fragte sie und sah mich aus großen Augen an.
Verdammt, konnte ich nicht mal meinen besten Freund bei meiner Schwester anschwärzen? Ihr erzählen, dass er meinem Erachten nach ein Weiberheld war, der nie lange irgendwo blieb, weil ihn dann schon die nächste Herausforderung lockte? Wofür ich ihn übrigens beneidete, wenn ich ehrlich war.
„Yoshi ist ein sehr beliebter und begehrter junger Mann“, sagte ich und zog Lilian auf die Beine. „Ich meine, wenn du etwas für ihn empfindest was stärker ist als für den besten Freund deines großen Bruders, dann wirst du dich sehr anstrengen müssen, damit aus euch beiden was wird. Falls du das überhaupt willst.“
Lilian wurde rot und sah zur Seite. „Ich… Ich… Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich für Yoshi-chan so etwas fühle.“
Ich runzelte die Stirn. „So? Dann ist ja gut.“

„O-nii-chan?“, hielt sie mich zurück.
„Was ist denn, Lilian?“
„O-nii-chan, wie… wie fühlt es sich an, wenn man liebt?“
Entsetzt sah ich sie an. „Woher soll ich das denn wissen?“
„Aber du… Ich meine du… Da sind so viele tolle Mädchen, die dich haben wollen, ich dachte, du würdest eine von ihnen lieben. Dann kannst du mir doch sagen, wie es sich anfühlt.“
Ich schüttelte den Kopf. „Dein großer Bruder ist in dieser Beziehung der größte Idiot auf diesem Erdball. Die Frau, die er liebt, kann ihm um den Hals fallen, aber er würde es nicht merken dass er sie liebt, bis es wirklich zu spät ist.
Ich bin wirklich der Falsche, wenn es um Liebe geht. Du solltest jemand anderen fragen.“
„Und wen?“, fragte sie unruhig. „Yoshi-chan kann ich das doch nicht fragen. Kei vielleicht?“
„Schlechte Idee. Soweit ich weiß, liebt er seinen PC, aber das war es dann auch schon.“
„Wie ist es mit Sensei? War Sensei schon mal verliebt?“
Nachdenklich strich ich mir übers Kinn. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Du kannst sie ja mal fragen.“
„Ha! Ich habe es. Ich frage Megumi-chan. Die weiß es bestimmt!“, rief Lilian mit einem glücklichen Lächeln. Sie hob den rechten Zeigefinger. „Wenn nicht sie, wer dann?“
„Wieso ausgerechnet Megumi?“, fragte ich irritiert.
Lilian sah mich erstaunt an. Schließlich nickte sie. „Ich glaube, du hast Recht, O-nii-chan. In der Beziehung bist du wirklich der größte Idiot auf diesem Erdball.“
Sich das selbst zu sagen oder es gesagt zu bekommen – und dann noch von einem kleinen Mädchen – war ein himmelweiter Unterschied. Ich spürte, wie meine Wangen zu brennen begannen. Und ich wusste, ich war vollkommen unfähig, jemals etwas daran zu ändern.
„Kommt Ihr endlich?“, rief Sakura von der Küche herüber. „Die Waffeln werden sonst kalt.“
„Jahaaa!“, rief Lilian und ging voraus.
Nachdenklich, mit einem dünnen Lächeln strich ich mir übers Kinn. „Akira, du Blödmann. Es sieht ganz so aus, als wäre dir deine kleine Schwester meilenweit voraus.“
**
Der Weg zur Schule war herrlich. Ich meine, endlich wieder ganz normal zu Fuß hingehen, ohne zu befürchten, dass ein Sniper mir auf achthundert Meter von irgend einem Dach eine Kugel verpasste, ohne dass eine Horde Schießwütiger während einem Drive By versuchte, mich an Bleivergiftung sterben zu lassen. Ohne das ich befürchten musste, dass das nächste parkende Auto neben mir explodierte. Und das an einem wirklich warmen Tag. Ja, es war nicht zu leugnen. Wir ließen das Frühjahr nach und nach hinter uns und starteten direkt in den Sommer durch.
Das einzige, was das friedliche Bild dieses Morgens störte, waren die drei Halbtoten, die Zombies mit Gelenkschmerzen hinter mir her tappten. Wenn wenigstens Lilian nicht mit Hina und Ami vorgegangen wäre, dann hätte dieses Bild nicht ganz so erschreckend gewirkt…

Ich sah kurz nach hinten und schmunzelte nur. „Mann, seht Ihr übel aus“, kommentierte ich.
Yoshis Augen blitzten wütend auf. „Klappe! Was bist du überhaupt schon so frisch, hä? Du hast auch nicht mehr Schlaf bekommen als wir. Und Megumi musste sogar erst noch durch die halbe Stadt fliegen, um ihren Mecha einzustellen, während du schon im Bett lagst!“
Makoto warf dem Kumpel einen bösen Blick zu. „Geht das auch leiser? Ich habe Kopfschmerzen.“
Megumi indes hatte von der Unterhaltung gar nichts mitgekriegt. Im Halbschlaf war sie weiter gegangen. Und lief direkt in mich hinein.
„Tschuldigung“, murmelte sie und setzte erneut an, um weiter zu gehen. Sie stieß wieder gegen mich. „Tschuldigung.“
Seufzend machte ich ihr Platz. Sie schlurfte an mir vorbei.
„Akira-kun!“, erklang eine Stimme aus der Seitenstraße neben uns. Ich wandte den Kopf und erkannte… „Akane-chan! Guten Morgen.“
Als hätte ich einen Dämon beschworen, schien Megumi plötzlich eine unheilvolle Aura zu umgeben. Sie blieb stehen und ihr Kopf ruckte herum. Der Blick ihrer Augen war so stechend, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurück wich. „Akane… chan?“
„Ist etwas, Megumi-kohai?“, fragte die Stellvertretende Schülersprecherin erstaunt. „Guten Morgen, Makoto-sempai. Guten Morgen, Yoshi-kun.“
„Morgen“, erwiderten die beiden verschlafen.
„Was ist denn mit euch los? Zu lange gelernt?“, fragte sie.
„Nur die Welt gerettet“, erwiderte ich und ließ meine Zähne aufblitzen.
„Verstehe“, erwiderte sie. „Playstation oder Gamecube?“
Ich sah sie erstaunt an. Dann wandte ich mich abrupt ab. „Wird Zeit, dass wir zur Schule kommen.
„Das war doch nur Spaß, Akira“, sagte Akane und gesellte sich neben mich. „Ach, und noch mal danke wegen neulich.“
„Keine Ursache“, brummte ich, schon wieder fast besänftigt.
„Was bitte war neulich?“, fragte Megumi.
Wie konnte sie das gehört haben? Sie war uns doch schon fast fünfzig Meter voraus.
„Ach“, erwiderte Akane und wedelte mit der Rechten, „Akira-kun hat mir nur dabei geholfen, den… Raum der Schülervertretung aufzuräumen.“
„Etwas in der Art, ja“, bestätigte ich mit einem Schmunzeln.
Megumi musterte mich wütend. Dann wandte sie sich abrupt um und ging weiter.
„Na“, murmelte ich nachdenklich, „wenigstens ist sie jetzt wach.“

__________________
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3.
Nach der vierten Stunde schlug die Müdigkeit auch über mir zusammen und ich erwischte mich dabei, wie ich nach einem kräftigen Kaffee gierte. Oder nach einem Aufputschmittel. Oder nach beidem. „Otomo-kun, vor die Tür!“ Die Stimme von Nginata-sensei drang kaum bis zu mir durch. Nickend erhob ich mich. Als ich am Lehrerpult vorbei kam, fragte mich der Sprachlehrer: „Was ist los mit dir, Otomo-kun? Warum hast du diese Einbrüche in letzter Zeit? Willst du deinen Notenschnitt mit Gewalt versauen und dir deine eigenen Zukunft verbauen? Warum konzentrierst du dich nicht auf die wirklich wichtigen Sachen?“
Unwillkürlich ballte ich die Hände. Die wirklich wichtigen Sachen…
Die Menschheit zu beschützen, für sie wieder und wieder das Leben zu riskieren, damit es auch in Zukunft einen weiteren Jahrgang Schüler geben konnte, die auf die Uni wechseln würde, waren das nicht die wichtigen Sachen? Okay, mein eigenes Leben blieb dabei mehr oder weniger auf der Strecke. Aber war es das nicht wert? Ich verbeugte mich knapp vor meinem Lehrer. „Ja, Sensei. Ich werde mich auf das wichtige in meinem Leben konzentrieren.“
Danach verließ ich den Klassenraum.

Na Klasse, rausgeworfen zu werden wie ein Grundschüler, das konnte auch wieder nur mir passieren…
Unwillkürlich äugte ich zu unserer Parallelklasse herüber, um zu sehen, ob Megumi ebenfalls rausgeworfen worden war. Und tatsächlich stand dort auch jemand. Allerdings war das kleine blonde Mädchen nicht Megumi.
Ein knappes Lächeln ging über mein Gesicht, als ich sie erkannte. Das unscheinbare Ding mit den großen, unschuldigen Augen hatte doch dieses Foto gehabt, von mir und Yoshi, wie wir uns küssen.
Sie sah zu mir herüber und erschrak fürchterlich. Mit hochrotem Kopf starrte sie geradeaus. Aber ab und an warf sie mir einen scheuen Blick zu.
Ich schmunzelte dazu. Als ich sie wieder mal bei einem scheuen Blick erwischte, zwinkerte ich ihr zu, was dazu führte, das sich ihre Gesichtsfarbe von rot auf vollreife Tomate änderte.
Amüsantes Spiel.
Ich lehnte mich gegen die nächste Wand und verschränkte die Arme ineinander. Herrlich. In dieser Haltung hätte ich sofort einschlafen können.

„Äh“, erklang neben mir eine zarte Stimme, „Akira-kun?“
Ich sah auf. „Ja?“
Das blonde Mädchen stand nun direkt vor mir und drückte verlegen die Zeigefinger aneinander. „Akira-kun, ich… Äh… Ist es eigentlich wahr, dass du mit… Joan Reilley schläfst?“ Verlegen und mit heftigen geröteten Wangen sah sie fort von mir.
Ich spürte, wie mir heiß und kalt zugleich wurde. Was, bitte? „Wieso? Willst du Fotos?“, erwiderte ich.
„Falsch, falsch, falsch!“, rief sie aufgeregt. „Ich habe das wohl nicht richtig ausgedrückt. Andererseits, wenn es welche gibt…“
Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich wütend werden oder laut auflachen sollte. Im Angesicht dieses niedlichen kleinen Mädchen mit den großen Augen entschied ich mich dann doch für lachen.
„Hast du denn kein eigenes Leben?“, murmelte ich amüsiert.
Wieder sah sie verlegen weg. „Ich… Ich will dich nicht nerven, Akira-kun. Natürlich habe ich ein eigenes Leben, aber ich… Ich habe nur Freundinnen. Welcher halbwegs anständige Junge würde auch mit einem blassen und unsicheren Ding wie mir reden?“
„Also, im Moment machst du das schon ganz gut. Immerhin redest du mit mir, oder?“, bemerkte ich.
Sie sah auf und winkte mit beiden Händen ab. „Nein, nein, Akira-kun, du verstehst das schon wieder falsch. Das ich mit dir reden kann liegt doch daran, dass ich nichts von dir will! Ich meine, die Fotos von dir sind wirklich toll, aber du bist…“
Ich schmunzelte. Endlich mal ein Mädchen, dass sich nicht für mich interessierte. Zumindest nicht auf die Weise.
„Wie heißt du eigentlich?“
„Emi Sakubara. Ich gehe mit Megumi-chan in eine Klasse.“
Ich tätschelte dem kleinen Mädchen den Kopf. „Das weiß ich. Aber ich habe dich nie nach deinem Namen gefragt. Hm, es will mir nicht einleuchten, dass ein niedliches Ding wie du keinen Freund hat. Woran mag das liegen?“
Sie wehrte sich nicht gegen das tätscheln, aber es schien ihr auch keinen Spaß zu machen. Stattdessen begannen ihre Augen feucht zu schimmern. „Ich bin dumm, Akira-kun. Furchtbar dumm. Und ungeschickt. Und unkonzentriert. Selbst bei meinen Freundinnen bin ich die Schlechteste. Ich meine, ich… Sie nehmen mich nicht wegen meiner Kräfte mit, sondern nur aus Mitleid.“
„Aber, aber“, erwiderte ich und fragte mich ernsthaft, was sie wohl mit Kräften gemeint hatte. „Das kann ich nun nicht glauben. Hina ist tollpatschig und unkonzentriert. Gegen sie musst du im Verhältnis Balletttänzerin sein.“
„Hina-chan ist nicht tollpatschig! Sie ist nur…“, verteidigte Emi meine Klassenkameradin. „Sie ist nur sehr beschäftigt und gibt auch außerhalb der Schule immer ihr Bestes.“
Misstrauisch beäugte ich das junge Mädchen vor mir. „Du bist doch nicht etwa ein Slayer?“
„W-was? Ich? W-wieso…“
„Ihr Slayer habt mir gegenüber einen Riesenvorteil! Ihr wisst ganz genau, wer ich bin und was ich tue. Aber rückt Ihr mal mit euren Karten raus? Nein. Und dann muß ich mir mühsam alles selbst zusammen reimen. Also, welcher Slayer bist du? Orange? Red?“
Emi senkte den Kopf. „Tut mir Leid, Akira-kun, aber du liegst falsch. Ich bin kein Magischer Youma Slayer. Verzeih, dass ich dich angesprochen habe.“
Sie wandte sich zum gehen um.
„Jetzt habe ich es. Du bist Blue!“
„Nein, Hina ist doch…“, entfuhr es ihr und ich musste grinsen.

Emi drehte sich erneut vor mir um. Ihr Gesicht glühte regelrecht. „Verzeihung, Akira-kun, dass ich gelogen habe. Ich meine Colonel Otomo.“
„Akira-kun hat mir besser gefallen. Du bist Black, nicht wahr?“, fragte ich sanft und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Emi nickte nur. „Du leistest eine wirklich gute Arbeit. Ihr fünf habt Gestern acht Youmas vernichtet. Acht. Das kann euch keiner so schnell nachmachen. Und Ihr wart genauso lange im Einsatz wie ich. Stehst du deswegen hier draußen? Weil du im Unterricht eingeschlafen bist?“
Langsam nickte die junge Frau.
Ich begann leise zu lachen. „Ich auch“, gestand ich.
Emi sah wieder auf und musste lachen. „Nächstes Mal sollten wir mehr Kaffee trinken.“
„Ja, vielleicht sollten wir das. Hm, Monster vernichten und die Welt retten sollte eigentlich von der Schulzeit abgezogen werden können, nicht wahr?“
Emi nickte. „Ja, das wäre nicht schlecht.“
Ich nahm meine Hand wieder zurück und legte nachdenklich eine Hand an mein Kinn. „Hm. Doitsu wäre nicht schlecht. Vielleicht auch Kei. Aber du hast ja diese Fotos von mir und Yoshi, oder?“
„Was?“, fragte sie erstaunt. „Worüber redest du, Akira-kun?“
„Ich überlege gerade, ob ich dich mit einem meiner Freunde verkuppeln kann. Welcher ist dir lieber? Der direkte Kei oder der stille Doitsu?“
„Verkuppeln? Mich? Akira-kun!“
Ich winkte ab. „Lass das alles meine Sorgen sein, bitte. Also, welcher ist dir lieber? Oder willst du mit beiden ausgehen? Vielleicht kann ich auch was arrangieren mit…“
„KENJI-KUN!“, entfuhr es ihr.
Ich runzelte die Stirn. „Das wird schwierig. Er ist immer so schweigsam. Ich komme ja selbst kaum an ihn ran, obwohl wir Freunde sind.“
„Nein, nein, das verstehst du schon wieder falsch, Akira-kun. Kenji-kun steht hinter dir.“

Ich wirbelte herum und erkannte, wie der Freund gerade die Tür des Klassenzimmers hinter sich schloss. „Akira“, sagte er mit ernster Stimme, „wir müssen reden.“
Entsetzt riss ich die Augen auf. „Äh… Okay…“
„Nicht hier.“ Kenji kam auf uns zu. Seine Miene war ernst und undurchdringlich. Dann beugte er sich plötzlich vor und strahlte das Mädchen mit einem verlegenen Lächeln an. „Entschuldige bitte, Emi-chan, dass ich dir diesen großen Hohlkopf entführe, bitte.“
„Nicht doch, nicht doch, Kenji-kun. Nimm ihn nur mit. Ich habe ihn lange genug in Anspruch genommen“, erwiderte sie mit einem leisen Kichern.
„Danke. Du bist immer so verständnisvoll, Emi-chan. Schon seit der Mittelschule…“
Verlegen sah Kenji beiseite und auch Emi schien das Wort Mittelschule einige Erinnerungen zu entlocken.
Wieder lachte Kenji auf und sagte: „Entschuldige uns, Emi-chan.“

Übergangslos wurde der Riese wieder ernst. Eine Hand landete in meinem Nacken und zog mich den Gang hinunter.
„Hey, nicht so grob, Kenji. Was machst du überhaupt hier draußen? Die Stunde dauert doch noch zehn Minuten.“
Kenji antwortete nicht und schleppte mich ins Treppenhaus und von da aufs Dach.
„Akira“, sagte er ernst.
„Sag mal, du kennst Emi-chan? Ihr scheint ja sehr familiär miteinander zu sein, was?“, versuchte ich abzulenken.
„Wir… sind alte Freunde. Aber deswegen habe ich dich nicht gebeten, mitzukommen“, sagte der Riese.
„Gebeten mitzukommen ist gut“, murmelte ich und rieb mir den schmerzenden Nacken. „Was gibt es?“
„Hast du eigentlich schon mal über uns nachgedacht, Akira?“, eröffnete er. „Ich meine, wir haben eine wirklich merkwürdige Freundschaft. Meistens, wenn du in der Nähe bist, dann komme ich mir vor wie ein Statist ohne Sprechrolle. Dann stehe ich im Hintergrund. Oft stundenlang. Hast du einfach diese Ausstrahlung? Oder liegt es am Drehbuch?“
Erstaunt musterte ich den Freund. „So fühlst du dich, wenn wir zusammen abhängen?“
„Das ist ja noch nicht alles. Erinnerst du dich noch, wie wir uns kennen gelernt haben? In unserer ersten Sportstunde hier an der Schule, da hatte ich diesen fürchterlichen Krampf im Bein. Du hast mir geholfen, ohne zu zögern.
Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann kommt mir das so vor wie in der Geschichte mit dem Löwen und der Maus, wo der Löwe sich einen Dorn eingetreten hatte und die Maus ihn raus zog. Und der Löwe ihr versprach, sie fortan zu beschützen. Es hat etwas lächerliches, oder?“
„Kenji, ich wusste ja nicht, dass…“
„Akira. Ich weiß, was du tust“, eröffnete er mir übergangslos. „Ich weiß, dass du Pilot der UEMF bist. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du dieser Blue Lightning bist.“
Überrascht starrte ich ihn an. „Kenji!“
Der Riese winkte ab. „Keine Bange, ich werde es nicht verraten. Ich weiß es auch nur deshalb, weil… Ich war Teil des Synchronisationsprogramms.“

Übergangslos fühlte ich mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen fort gezogen. Das Synchronisationsprogramm. Diesen Begriff hatte ich seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr gehört.
Im Fakt umschrieb es den verzweifelten Versuch der Menschen, einen der ihren zu finden, der mit Primus synchronisieren konnte. Und in der Folge die wenigen Menschen zu finden, die man in einen Hawk setzen konnte.
Durch dieses Programm hatte Vater herausgefunden, dass ich der einzige der vielen getesteten Menschen war, der Primus steuern konnte.
Ich erinnerte mich noch genau an die Verzweiflung in seiner Stimme, als er mir das Ergebnis verkündet hatte.
An die vielen harten Drills unter Jerry, in denen er mir so viel taktisches Wissen wie irgend möglich ins Hirn gepresst hatte, damit ich überlebte.
Das Bewegungstraining mit Primus, die vielen Kämpfe.
Und dann die Suche nach geeigneten Piloten für weitere erbeutete Mechas und später für die eigenen, auf der Erde entwickelten Typen.
Yohko war damals allererste Wahl gewesen, weil sie als meine Schwester über eine ähnliche Hirnwellenstruktur verfügt hatte.
Makoto hatte sich damals ebenfalls als geeignet erwiesen. Sakura war aus dem Programm geflogen, nachdem der Versuch der Synchronisation beinahe mit ihrem Tod geendet hätte.
In der Folgezeit hatten sich die Wissenschaftler hauptsächlich auf junge Menschen zwischen dreizehn und siebzehn konzentriert, um mit ihnen die neuen Mechas zu bemannen.
Erst später, Monate nach meiner Rückkehr vom Mars, war man dazu übergegangen, mittels eines neuen neuronalen Verfahrens vermehrt erwachsene Piloten verwenden zu können.
Daisuke war einer jener jungen Männer und Frauen gewesen, die in dieser Zeit die neuen Hawks, Sparrows und Eagles bemannt hatten, um die Erde im offenen Konflikt zu verteidigen.
Und wie es aussah, war Kenji ebenfalls einer von ihnen.

„Was ging schief?“, fragte ich leise.
„Nun, ich bestand die Tests, hatte meine Einwilligungserklärung schon unterschrieben. Dann kam dieses neue Verfahren, dass es auch Erwachsenen erlaubte, einen Hawk zu steuern. Ich stand auf der Liste zu weit unten und mein Platz wurde einem erwachsenen Piloten übergeben. Ich habe zwar die Option nach meiner Volljährigkeit zum Mecha-Piloten ausgebildet zu werden. Aber ich hatte die Chance meines Lebens verpasst.“
Blicklos starrte er an mir vorbei ins Leere.
Ich konnte ihn verstehen. Bei all dem Tod, der Vernichtung und der Gefahr für mein Leben und die Sicherheit meiner Freunde, es war etwas besonderes, einen Hawk zu steuern. Schmerzhaft wurde ich mir wieder des Verlustes von Blue bewusst. All dies entging ihm, unter anderem auch vollkommen übermüdet in der Schule zu erscheinen und auf der Straße Opfer eines Attentats zu werden. Aber das war es wert. Da war es einfach wert.

„Ich… Ich will auch. Ich will kein Komparse sein. Ich will etwas bewegen können. Und ich will diese Mechas steuern. Seit ich während der Tests in den Simulatoren gesessen habe, kann ich es nicht mehr vergessen. Ich erinnere mich jeden Tag daran und jeden Tag tut es mir weh. Es fühlt sich an wie ein großer, schmerzhafter Verlust, Akira.“ Die Augen des Riesen füllten sich mit Tränen.
Ich nickte schwer. „Ich verstehe dich, Kenji. Ich verstehe dich nur zu gut. Ich weiß nicht, ob ich etwas für dich tun kann, aber vielleicht kann ich arrangieren, dass du in ein Vorbereitungsprogramm aufgenommen wirst und wenigstens Trainingsstunden auf einem Mecha fliegen kannst. Wer weiß, vielleicht haben wir einen so motivierten Piloten noch einmal bitter nötig.“
„Danke, Akira. Ich weiß das zu schätzen.“
In diesem Moment ging die Stunde Zuende. Ich klopfte dem Großen auf die Schulter. „So, so. Nachdem das geklärt ist, sollten wir in die Klasse zurückgehen und uns was zu essen holen. Ich habe einen Mörderhunger.“
„Nur um dann wieder hier her zurück zu kommen“, kommentierte Kenji mit einem trockenen Grinsen.
Ich lachte leise. Recht hatte er.
**
Nach dem beschwerlichen Weg hinab in die Klasse und dem mühsamen Treppensteigen zurück aufs Dach saß ich neben dem Schutzgitter und hatte mich gegen das kalte Metall gelehnt. Es wurde mittags an schönen Tagen schon reichlich warm, und ehrlich gesagt hätte ich nichts gegen Sport gehabt im Moment – vor allem nicht gegen schwimmen.
Ich nahm einen Schluck aus meiner Getränkedose und seufzte leise. Mit der ganzen Bande zum Strand… Schwimmen gehen… Das Wasser würde zwar noch reichlich kalt sein, aber der Anblick der Badeanzüge würde dafür entschädigen.
Mit einem erneuten Seufzer machte ich mich wieder an meine Arbeit und tippte meinen letzten Bericht fertig. Dieser ganze Anforderungskram ging mir gewaltig auf die Nerven. Und die Verwaltungsarbeit für ein Bataillon drohte mich in den Wahnsinn zu treiben. Selbst ohne Papierformulare war der Papierkrieg eine enorme Plage und der einzig wahre Feind jeder modernen Armee! Verdammt, ich wollte doch nur einen neuen Hawk! Was war so schwer, mir einen zuzuteilen?

„Was machst du denn da?“, fragte Kei und schnappte sich mein Datapad.
„Vorsicht, das ist…“
„Da ist ja gar nichts drauf. Nur so ein Flimmern“, murmelte er und berührte die Oberfläche. „AUTSCH!“
Langsam kam ich auf die Beine, ging zu Kei und klopfte dem frechen Bengel auf die Finger. „Das ist ein Datapad. Das allerneueste in der Entwicklung. Es ist auf mich abgestimmt. Deshalb kriegt jeder, der damit nichts anfangen soll, einen gewischt.“
„Quark mich nicht voll. Dein teures Datapad funktioniert ja nicht mal“, maulte Kei.
Ich lächelte dünn. „Das liegt daran, dass das Pad die Abbildungen in einer bestimmten Frequenz vibrieren lässt, in der ausschließlich meine Sehnerven die Daten erfassen und mein Vorderer Cortex sie interpretieren kann. Hier, dieser Sensor an meiner Schläfe übernimmt das.“
„Wow.“
„Ich sagte doch, es ist das Neueste vom Neuesten“, kommentierte ich amüsiert und haute dem Computerfreak erneut auf die Finger, als er nach dem Sensor greifen wollte. „Und es gehört nicht in Kinderhände.“
„Kinderhände. Na klar. Und warum hast du dann so ein Spielzeug?“
„Weil ich damit zwischen den Stunden noch schnell den Papierkram für die Hekatoncheiren durch gehen kann und nicht meine kostbare Freizeit dafür opfern muß“, murmelte ich leise.
Kei zog ein verächtliches Gesicht. „Du erwartest jetzt doch hoffentlich nicht von mir, dass ich die Hände über dem Kopf zusammen schlage und so etwas sage wie: Was? Wieso denn die Hekatoncheiren? Was hast du denn mit denen zu tun?“ Kei grinste überlegen. „Ich wohne nicht umsonst schon nen Monat bei dir, Akira.“
Ich winkte gönnerhaft ab. „Schon gut, schon gut, ich dachte es mir. Hauptsache, du hältst die Klappe.“
„Ja, klar, deine kostbare Geheimidentität ist bei mir in besten Händen, du Superheld“, maulte Kei erneut.
„Aber auch nur weil du sie nicht als Foto verkaufen kannst“, kommentierte Doitsu und lachte.
Wir fielen ein.

„Sagt mal, Jungs“, murmelte ich, während ich einen weiteren Bericht abschloss, „weiß einer von euch wie viel Grad das Meer schon hat?“
„Wieso das Meer? Willst du schwimmen gehen?“, argwöhnte Yoshi. „Kommt Sensei dann auch mit?“
„Ich habe drüber nachgedacht, ja. Aber alles unter achtzehn Grad wäre zu kalt…“, murmelte ich nachdenklich und löste den Sensor an meiner Schläfe wieder.
Einen Moment später schnappte ich Pad und Sensor gerade noch rechtzeitig weg, bevor Kei sich beides unter den Nagel reißen konnte. „Du Idioooot. Das ist auf mich abgestimmt! Selbst wenn du dir den Sensor an die Schläfe pinnst, kriegst du höchstens noch einen Stromschlag!“
„Och, Menno“, murmelte Kei. „Will auch so was haben.“

„Also, ich bin dabei“, sagte Kenji und beendete seine Mahlzeit. „Darf ich eine Freundin mitbringen?“
„Was fragst du mich? Am Strand habe ich nicht das sagen“, erwiderte ich leise.
„Ich würde auch mitkommen, wenn das Wetter gut ist. Selbst wenn das Wasser noch zu kalt ist, können wir uns in die Sonne flätzen und so richtig schön braun werden.“ Diotsu grinste. „Außerdem könnte ich ein paar Übungskatanas mitbringen und eine Trainingseinheit einlegen, Akira.“
„Nicht die schlechteste Idee“, erwiderte ich.
„Ich komm nicht mit“, murmelte Kei leise. „Ihr mögt mich ja alle gar nicht mehr.“
„Schade“, kommentierte ich leise. „Ich wollte Hina und Ami auch fragen, ob sie Zeit haben.“
Der schmächtige Kei Takahara wurde rot. „Äh…“, machte er leise.
„Wusste ich es doch. Er mag eine von den beiden“, murmelte ich grinsend. „Und wer kommt noch mit? Wollen wir Mako fragen?“
„Was ist mit deinem Youma?“, fragte Yoshi. „Soll Akari auch mit? Sie macht bestimmt eine tolle Figur im Badeanzug. Und Megumi-chan möchte ich auch gerne mal in so einem Outfit sehen.“
„Wenn sie Lust haben, mitzukommen, wieso nicht? Sakura wird sowieso mitkommen wollen, da sei mal nicht Bange drum.“
„Yahaaa!“, rief Yoshi glücklich.
„Und Lilian… Sie hat mir Gestern erzählt, sie und Sakura haben ihr vor ein paar Tagen einen Bikini gekauft. Bin gespannt, wie sie darin aussieht.“
„Gute Idee“, kommentierte Doitsu.
„Sie macht sicher eine tolle Figur“, bestätigte Kenji.
Yoshi wurde bleich. „Du… Du willst unsere liebe kleine Lilian wirklich in einen Hauch von Nichts stecken und dann diesen Wölfen zum Fraß vorwerfen? Was bist du denn für ein großer Bruder, hä?“
Verwundert sah ich den Freund an. „Wölfe? Fraß? Übertreibst du nicht etwas, Yoshi?“
„Siehst du die Sache nicht etwas zu harmlos, Akira?“, beschwerte er sich.
Ich winkte ab. „Du kannst ja auf sie aufpassen, wenn du möchtest. Ich jedenfalls würde mich lieber amüsieren.“
„Und ob ich das werde! Darauf kannst du dich verlassen!“, blaffte Yoshi wütend, erhob sich und stampfte davon. „So ein Trottel von großem Bruder. Also, ich würde nicht so verantwortungslos sein. So unsensibel. Die arme Lilian. Wie kann er dieses zarte Wesen nur dieser Gefahr aussetzen? Aber was habe ich auch anderes erwartet? So ist er nun mal…“

Ich sah Yoshi hinterher, bis er im Treppenhaus verschwand.
„Hey, Akira, hängt sich Yoshi da nicht etwas zu sehr rein?“, fragte Doitsu leise.
Ich lächelte ihn schief an. „Soll mir nur Recht sein. Muss ich nicht auf Lilian aufpassen.“
„Sagte der Schäfer und machte den Wolf zu seinem Stellvertreter“, kam es leise von Kenji.
„Also dann, Jungs, wie wäre es mit Samstag Nachmittag, wenn sich das Wetter hält?“, hakte ich nach.
Ich erntete bestätigendes Nicken. „Gut, dann ist das beschlossen.“
Seufzend erhob ich mich wieder. „So, die Klasse fängt gleich wieder an. Lasst uns gehen.“

4.
Der Strand… Die herrliche See… Die wundervolle Luft… Der Sonnenschein…
Zufrieden räkelte ich mich auf meinem Strandtuch. Das erste richtige Sonnenwochenende des Jahres war ein voller Erfolg. Ich schob meine Sonnenbrille ein klein wenig die Nase herab um dabei zusehen zu können, wie ein paar der Mädchen mit Doitsu und Daisuke Melonenspalten spielen wollten. Ihr Fehler war, die beiden gleichzeitig einzusetzen, was nach wenigen Sekunden zu einem erbitterten Wettstreit mit Doitsus Übungskatanas führte.
Ich schmunzelte dazu nur und angelte nach meiner Tasche, in der eine gekühlte Cola steckte.
So konnte man wirklich mal einen entspannten Nachmittag verbringen.
„O-nii-chan!“ Neben mir warf sich Lilian in den Sand. Dabei wirbelte sie eine beträchtliche Menge auf, die natürlich auf mir landete. Das schien dem kleinen kronosianischen Wirbelwind aber nicht zu stören. Sie griff nach meiner Hand und versuchte mich auf die Beine zu ziehen. „O-nii-chan. Lass uns ins Wasser gehen!“
„Was denn, was denn, bedeutet dir das Leben denn nichts mehr?“, kommentierte ich amüsiert.
„Du weißt, was ich meine“, belehrte sie mich. „Lass uns schwimmen gehen. Ich habe den Bikini extra für dich gekauft!“
Wieder lugte ich über meine Sonnenbrille hinweg. Der blautürkise Zweiteiler stand ihr wirklich gut. Zum Glück hatte Sakura etwas Anstand bewiesen und den Stoff zwar auf ein Minimum beschränkt, aber zumindest keinen Tangabikini besorgt.
„Ich würde ja gerne. Ich würde ja wirklich gerne. Aber ich habe mich noch nicht eingecremt. Und du weißt doch, wie schnell ich einen Sonnenbrand kriege.“
„Oh“, machte sie. Übergangslos begann sie zu strahlen. „Soll ich dich eincremen? So richtig von Kopf bis Fuß?“
„Nein, geh ruhig schon mal ins Wasser vor. Ich lasse die Creme nur einziehen und komme dann nach. Yoshi, gehst du mit ihr?“
Von der Decke neben mir kam nur ein mürrisches Grunzen. „Will nicht.“
Ich stöhnte leise. Er nahm es mir immer noch übel, dass ich Lilian nicht dazu überredet hatte, ihren Schulbadeanzug anzuziehen.
„Dann musst du mit Doitsu schwimmen gehen. Hey, Doitsu!“
„Ist ja schon gut. Wenn du nicht auf deine kleine Schwester aufpassen kannst, muß ich das ja tun, oder?“, murrte Yoshi, sprang auf die Beine und streckte Lilian die Hand entgegen.

Die sah ihn aus großen Augen an – und erteilte ihm eine Abfuhr. „Nee.“
„Wie, nee?“
„Nee, du willst doch gar nicht mit mir ins Wasser. Du musst dich ja überreden lassen.“ Eingeschnappt sah sie weg.
Ich musste an mich halten, um nicht laut aufzulachen. Eine herrliche Szene.
Verlegen rieb sich Yoshi den Nacken. „So habe ich das doch gar nicht gemeint. Es ist nur so, ich spiele nicht gerne die Zweite Geige. Immerhin hast du zuerst Akira gefragt und nicht mich…“
Erstaunt sah Lilian ihn an. „Wärst du etwa mitgekommen, wenn ich dich zuerst gefragt hätte?“
„Aber sofort, ohne zu zögern. Und wenn ich das sage, dann… WHOA!“
Bevor Yoshi seinen Wortschwall beenden konnte, war Lilian bereits aufgesprungen und hatte seine Hände ergriffen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu laufen.
Ich grinste breit. „Na, da bin ich aber mal gespannt, Ihr zwei.“
„Gespannt auf was, hm?“, fragte Makoto und ließ sich neben mir auf das Strandtuch fallen. Er grinste mich frech an, während er mit der Linken das V-Zeichen formte.
„Gespannt, wie die beiden sich anstellen.“
„Welche beiden? Yoshi und Lilian? Tja, die Wetten stehen im Moment noch zwei zu eins gegen sie.“
„Hm?“, machte ich und richtete mich auf. „Hast du einen Wettpool eingerichtet?“
„Na hör mal“, beschwerte sich mein Cousin, „immerhin ist dies hier der Strand. Ich habe zwanzig mögliche Paaraufteilungen aufgestellt und entsprechend bewertet. Du und Megumi steht wegen dem ganzen Zoff in letzter Zeit auf fünf zu eins. Daisuke und Sarah hingegen haben eine Quote eins zu vier. Und wenn sich der Idiot heute wieder so dämlich anstellt, als würde er nichts mitkriegen, gehe ich rüber und trete ihm mal kräftig in den…“
„Mako!“, tadelte ich. „Soso, Megumi und ich haben also eine Quote fünf zu eins, was?“
„Ja, vor allem, weil sie einen aus den oberen Klassen mitgebracht hat. Er soll der geheimnisvolle Schreiber dieses Liebesbrief sein, wegen dem du neulich so derbe geflucht hast.“
„Ach, der falsche Blue Lightning.“
„Das haben die Mädchen in ihrer Klasse nur so aufgebauscht. Sie meinen halt, dass es für ihre Megumi-chan nur einen einzig wahren geben kann – den Mann, der sein eigenes Leben riskiert hat, um sie zu retten.“
„Ach, wie süß. Und dann kommt sie mit einem Sempai aus den höheren Klassen zum Strand?“, hörte ich Joan Reilley hinter mir sagen. Kurz darauf spürte ich, wie sich etwas Weiches auf meinen Rücken legte und mich zwei Arme sanft umschlangen. Ihr Kopf legte sich auf meine Schulter. „Wie steht denn unsere Quote so, Herr Major?“
„Ah, Miss Reilley. Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass du heute kommst. Aber da habe ich unsere Spionageabwehrabteilung wohl unterschätzt.“
„Ach, Spionage, ich hatte nur Lust, mit meiner Band einen Tag am Strand zu verbringen“, erwiderte sie und winkte verlegen ab. „Also, wie würde unsere Quote so aussehen?“
Makoto musterte sie. „Bei dem Badeanzug wünsche ich mir gerade, Akira zu sein. Spontan würde ich sagen, eins zu achtundzwanzig, aber mein Cousin ist ein richtiger Dickschädel. Das wird nicht leicht, Mädchen.“
„Was soll daran nicht leicht werden? Ich sehe hier nur kleine Mädchen ohne Format und ohne Hingabe für Aki-chan. Und diese Megumi bringt auch noch ihren eigenen Lover mit. Außerdem hat sie wahrscheinlich sowieso nur ihren Schulbadeanzug dabei. Nee?“

Ich warf einen Blick zur Seite. Makoto kämpfte sichtlich darum, Joan Reilley nicht zu genau anzusehen. Das machte mich neugierig auf ihren Badeanzug. Sie trug doch einen Badeanzug?
„Aki-chan, hast du dich schon eingecremt? Wenn nicht, ich habe eine ganz neue Technik, um die Sonnencreme von Körper zu Körper aufzutragen – ganz ohne Hände.“
Ich schluckte hart. Was ich nun brauchte, war ein verdammtes Wunder. „Warum tust du mir das an, Joan-chan?“
„Ach komm, Aki-chan, ich kann dir noch ganz andere Sachen antun, wenn du mich nur lässt. Im Gegensatz zu den kleinen Mädchen hier bin ich eine richtige Frau, nicht?“
Wieder musste ich hart schlucken.
„Also, Akira, wenn du nicht willst, ich nehme sie gerne“, kommentierte Mako mit rotem Kopf.
„Oh, du bist aber ein Süßer, mein kleiner Major. Ich komme drauf zurück, falls Aki-chan heute zu störrisch ist.“ Sagte sie und drückte mich noch enger an sich.
„K-keine Cyborgkräfte, bitte. Meine Rippen sind immer noch wund von dem…“
„Ich weiß, Aki-chan. Ich habe gedacht sie geben nach dem Attentat im Tower Ruhe. Ich habe es zu spät mitgekriegt. Zum Glück ging alles gut. Verzeih mir, dass ich versagt habe“, flüsterte sie leise.
„Schon gut“, erwiderte ich und legte eine Hand auf ihre Linke, die auf meiner Brust lag. „Ich war ja selbst vorbereitet.“

In diesem Moment hatte ich das Gefühl, jemand würde die Luft um mich herum systematisch um zwanzig Grad herabkühlen. Ich bekam eine Gänsehaut.
Ich sah zur Seite und erkannte Megumi, die sich gerade umgezogen hatte. Sie warf mir einen Blick zu, wie er frostiger nicht sein konnte. Doch dafür hatte ich keinen rechten Blick, denn der schwarze Bikini, den sie trug, raubte mir den Atem. Der schwarze Stringbikini mit den raffinierten dünnen Trägern stand ihr wirklich hervorragend. Vor allem dass das Höschen mit dem hohen Beinausschnitt konnten nur Frauen mit einer wirklich guten Figur tragen. Hatte ich das etwa all die Wochen übersehen, wenn sie wieder einmal in ihrem engen Druckanzug vor mir gestanden hatte? Oder war ich einfach blind gewesen?
„Na, na, versucht sie mir etwa die Show zu stehlen?“, kommentierte Joan und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Mako-chan, du solltest die Wettquoten noch mal überdenken. So, ich muß jetzt meiner Band helfen. Wir haben etwas mehr aufzubauen. Aber wenn ich dich eincremen soll, komme ich sofort rüber, Aki-chan“, sagte sie und stand auf.
Ich sah ihr kurz nach und musste das dritte Mal heftig schlucken. Sie trug einen Bikini. Zwar keinen String, aber der gewagte Schnitt des gelben Badeanzugs mit dem sehr hohen Bein und der allgemein sparsamen Verwendung von Stoff sah an ihr… Sehr gut aus.
Verlegen sah ich zur Seite. Und bekam noch mit, wie Megumi lachend einen jungen Mann hinter sich her zog.
„Akira, kann es sein, dass du gerade eine bösartige Aura um dich aufbaust?“, fragte Makoto.
„Wer… ist… dieser… Kerl?“
„Der da? Der hinter Megumi? Dem sie immer so zulächelt? Nicht so fest in den Nacken fassen, Akira! Das ist einer meiner Klassenkameraden. Mamoru Hatake. Einer der besten im Jahrgang. Sehr intelligent, sehr freundlich und höflich. Aber ich kann es mir nicht erklären, wie der an Megumi gekommen sein soll. Er ist eher so einer wie du. Ertrinkt in Frauen und kriegt nichts auf die Reihe.“

„Mist“, schimpfte ich und schlug in den Sand neben dem Badetuch. „Ich hatte auf einen Frauenheld gehofft, einen oberflächlichen Idioten, den ich mal eben… So richtig schön ungespitzt in den Boden rammen könnte.“
„Hm“, murmelte Mako und musterte mich ernst. „Wenn du so für sie fühlst, warum redest du dann nicht mal mit ihr?“
Ich verdrehte die Augen. „Weil sie denkt, ich sage das alles nur, weil ich sie als Schwesterersatz sehe. Ach, ich weiß auch nicht. Ich meine, sie ist nicht die einzige Frau am Strand. Oder in meinem Leben. Oder überhaupt.“
„Trotz ist jetzt vielleicht die falsche Reaktion. Aber du hast Recht. Es gibt genügend Frauen hier. Joan Reilley zum Beispiel, die dort drüben mit ihrer Band irgendetwas aufbaut, was an eine Bühne erinnert. Oder Akane, auch wenn sie gerade etwas zu konzentriert Beachvolleyball mit Takashi spielt.
Oder Hina, die sich bestimmt langsam fragt, wann du ihren Badeanzug lobst.“
Mako erhob sich und klopfte mir auf die Schulter. „Also, entweder cremst du dich jetzt langsam ein oder du holst dir einen Sonnenschirm, ja? Ich jedenfalls gehe schwimmen.“
Mako winkte mir zu und ging. „Ach, und bevor ich es vergesse. Ich kenne Mamoru nicht allzu gut. Aber ich denke, er wird ein nein verstehen, wenn er eins hört.“
„Was bedeutet, dass er auch ein ja versteht, oder?“, blaffte ich wütend zurück.

„Na, na, was bist du denn so wütend, Akira-chan?“, erklang Sakuras Stimme neben mir. Auch sie hatte sich mittlerweile umgezogen. Zwar trug sie einen mitfarbenen Einteiler, aber der hohe Beinausschnitt und die sehr spärliche Verwendung von Stoff war gut zu erkennen. Tatsächlich waren Vorderseite und Rückseite nur durch drei hauchdünne Stränge verbunden und die Nackenbindung wies auf einen extrem tiefen Rückenausschnitt hin. „Schwimmen dir mal wieder alle Felle weg, oder kannst du dich nicht entscheiden?“
Besorgt musterte sie mich. „Du hast dich ja noch gar nicht eingecremt. Sakura-chan macht das mal für dich. Beug dich vor.“
Ergeben fügte ich mich in mein Schicksal. „Joan hat mir eine Technik angeboten, Sonnencreme ohne Hände aufzutragen, Cousinchen“, berichtete ich lachend, während die kalte Creme auf meinen Rücken verteilt wurde.
„Ach, das ist doch nichts Besonderes. Das kann ich auch“, erklärte sie fröhlich.

„Hoffentlich nicht beim Colonel, Sakura. Sonst werde ich noch eifersüchtig“, erklang eine männliche Stimme hinter mir.
„Ach, du. Willst mich ja nur rot werden lassen“, schmunzelte sie.
Ich sah auf und erkannte einen meiner Hekatoncheiren. „Sniper. Dann war das neulich kein Zufall, dass Sie in Tokio waren?“
„Nennen Sie mich außerhalb des Dienstes ruhig Thomas“, erwiderte der Deutsche. Er schien kaum älter als ich zu sein. Jedenfalls wirkte er sehr jugendlich und voller Energie. Hastig fügte er hinzu: „Sir.“
„Das mit dem Sir lassen Sie mal schnell weg, Thomas. Es gibt hier einige, die nicht wissen, was ich tue.“
„Hm, und genügend die es doch wissen. Ist das da hinten nicht First Lieutenant Honda mit einer unserer Escaped?“, bemerkte Sniper nachdenklich. „Und das da hinten Captain Uno und Traineé Lilian Jones? Dein Bruder ist ja auch da, Sakura. Die halbe UEMF ist ja hier versammelt.“ Der Deutsche zwinkerte mir zu. „Zumindest ein großer Teil der Elite.
Sakura, soll ich schon mal vorgehen? Du bist ja noch mit bemuttern beschäftigt, oder?“
„Setz dich schon mal hin, Tom. Mit Akira-chan bin ich gleich durch. Dann kommst du an die Reihe. Ich bin ziemlich gut in der Technik, Sonnencreme ohne Hände aufzutragen“, sagte sie mit unschuldigem Augenaufschlag.
Sniper schlukte hart und ließ sich neben mir zu Boden fallen. „Ich habe Zeit. Ich kann warten.“
Ein Grinsen huschte über mein Gesicht, bis geschah, was ich befürchtet hatte: Joan war erkannt worden. Und das sorgte nun dafür, dass sie nicht nur die Aufmerksamkeit meiner Freunde, sondern auch die der anderen Strandbewohner erregte.
Ich erhielt einen derben Klaps auf den Rücken. „So, fertig. Nun geh schon, Akira-chan.“
Ich erhob mich, nickte meiner Cousine dankbar zu.
Dann sah ich zu Megumi und diesen Mamoru herüber. Von dort glitt mein Blick zu Joan. Wütend schüttelte ich den Kopf. Wenn ich so weiter machte, würde ich nie auf einen grünen Zweig kommen…

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5.
Ich konnte es immer noch nicht glauben. Joan Reilley hatte tatsächlich ein spontanes Konzert am Strand veranstaltet und dafür wirklich einen kleinen Park an Instrumenten aufgebaut.
Sie hatte zwar nur sieben Stücke gespielt, war aber gefeierter Mittelpunkt des Tages gewesen.
Na, immerhin hatte sie mit keinem Wort auf mich gewiesen. Was ich persönlich als Erleichterung empfand, obwohl mit Dutzende wissende Blicke trafen.
Den Rest des Nachmittages hatten sie und ihre Band verbracht wie alle anderen Strandbesucher auch. Abgesehen davon, dass sie egal wo sie war begeisterter Mittelpunkt wurde.
Was es mir glücklicherweise unmöglich machte, bis zu ihr durchzukommen.
Vorerst.
Irgendwann hatte ich dann endlich auch den Weg ins Wasser gefunden. Und etwas Ruhe, als ich mich dreißig Meter vom Strand entfernt einfach in die Brandung legte und treiben ließ.

„Ob es hier wohl Haie gibt, die Menschen anfallen?“, murmelte ich in Gedanken. Die Sonne brannte ganz schön herab. Und durch die Reflexion der Wasseroberfläche würde ich nicht mehr allzu lange bleiben können, ohne mir doch noch einen Sonnenbrand zu holen, wie ich mit Bedauern registrierte. Aber diese Ruhe, diese himmlische Ruhe… Der sanfte Schlag der Wellen… Das ferne Kreischen der Seevögel… Die Berührung an meinem rechten Unterschenkel…
Entsetzt schreckte ich hoch, verlor den Halt auf dem Wasser und sank ein paar Meter in die Tiefe. Unter Wasser sah ich mich hastig um. Etwas hatte mich tatsächlich berührt, da war ich mir sicher. Aber ich konnte nichts erkennen. War es etwa wirklich ein Hai gewesen?
Schnell glitt ich zurück an die Oberfläche. Wie war noch mal die erste Regel im Umgang mit einem Hai? Nicht als Beute erscheinen? Nicht zu hastig schwimmen? Oder doch schneller schwimmen? Aber gegen einen Räuber der Meere? Auf welche Weise hatte ich da eine Chance?

Wieder wurde ich am Bein berührt. Nur wurde ich diesmal gepackt und in die Tiefe gerissen.
Was, wenn es kein Hai war, sondern diesmal ein kronosisches Kommando, um mich zu töten?
Ich wirbelte herum, bereit, mein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, egal ob gegen Menschen oder Söldner. Und erlebte eine Attacke, gegen die ich gar nichts ausrichten konnte.
Joan drückte sich lächelnd an mich und gab mir einen Kuss. Verblüfft atmete ich aus. Was dazu führte, dass meine Atemluft nach oben stieg. Ich wollte hinterher, zurück zur Oberfläche.
Doch Joan hielt mich noch immer fest. Wieder küsste sie mich. Dabei drückte sie einen Schwall Luft in meinen Mund. Genug, um einen Teil meiner Lungen wieder zu füllen.
Ich sah sie erstaunt an. Wie konnte diese Frau es immer wieder schaffen, mich zu überraschen?

Langsam löste sie sich von mir, stieß sich von mir ab und musterte mich kritisch. Eine Hand legte sie an ihr Kinn, die andere bedeutete mir, mich im Kreis zu drehen. Gehorsam drehte ich mich langsam um mich selbst. Als ich wieder in Joans Richtung sah, nickte sie anerkennend.
Sie warf mir einen Kussmund zu und schwamm davon. Mit einer Geschwindigkeit, die mich aus der Fassung brachte, Cyborg hin, Cyborg her.
Und das Schlimmste war, sie hatte mich tatsächlich auf körperliche Attribute kontrolliert. Dieses Biest. Zum Glück schien sie aber zufrieden gewesen sein.
Nachdenklich trieb ich wieder an die Oberfläche.
Von dort machte ich mich gemächlich auf in Richtung Strand. Joan war zweifellos etwas Besonderes.

Am Strand hustete ich mich erst einmal ausgiebig aus. Ich hatte tatsächlich Wasser geschluckt. Und Salzwasser schmeckte nicht wirklich gut.
„Danke“, murmelte ich, als mir jemand eine Wasserflasche reichte. Ich trank ein paar Schlucke, um den schrecklichen Geschmack los zu werden. Dann gab ich die Flasche zurück.
Und erkannte meinen Helfer.
Ich runzelte die Stirn. „Kennen wir uns?“
„Ich weiß nicht, Otomo-kun. Aber wir haben etwas gemeinsam“, sagte er leise.
Ich folgte seinem Blick und erkannte Megumi, die auf einem Strandtuch lag und sich sonnte.
„Du bist der Typ, den sie mitgebracht hat?“
„Danke für den Typ. Ich habe einen Namen“, beschwerte er sich. „Mamoru Hatake. Und ich bin zwei Jahre über dir.“
„Aha. Das waren jetzt Informationen, die ich unbedingt brauchte“, erwiderte ich zynisch.
„Sie tun ja auch nichts zur Sache“, sagte Mamoru gönnerhaft. „Aber das!“
Ich sah den Schlag kommen, wehrte ihn aber nicht ab. Ich ließ ihn auf mein Kinn treffen und ging kaum mit dem Schlag mit, was ihm einiges an Wucht genommen hätte. Der Hieb war kräftig genug, um mich von den Füßen zu holen. Hart schlug ich auf dem Sand auf.
Mamoru stellte sich über mich und starrte mit geballten Fäusten zu mir hinab. „Und jetzt kommt eine Information, die du wirklich unbedingt brauchst. Hast du schon mal dran gedacht, dass du schlecht für Megumi bist? Hast du schon mal dran gedacht, dass sie an dir zerbrechen könnte? Was bist du, Akira? Nein, was glaubst du, was du bist? Nur weil dein Vater OLYMP kommandiert und Megumi ihm unterstellt ist, glaubst du wirklich, dass…“
Ich spielte einen Moment mit dem Gedanken, mich mit ihm zu prügeln. Immerhin hatte er angefangen. Aber seine Worte, diese verdammten Worte, sie taten mir weh. War ich wirklich schlecht für Megumi? Tat ich ihr alleine durch meine Existenz weh?

„Warum tust du uns nicht beiden einen Gefallen und hältst die Klappe, ja? Du hast absolut keine Ahnung, was ich in den letzten vier Wochen erlebt habe. Und du wagst es, an mir herum zu meckern?“
„Okay, ich weiß nicht, was du durch machen musst. Aber ich weiß, was Megumi leisten muß, und das seit drei verdammt langen Jahren! Für uns, für die Welt. Ja, sogar für so einen Idioten wie dich!“
Ich lachte leise. Teils aus Schmerz, teils aus Wut. Er hatte einerseits Recht, konnte aber nicht wissen, durch welche Hölle ich gegangen war. „Vielleicht hast du sogar Recht damit. Niemand, der nicht auch einen Mecha steuert, kann auch nur ansatzweise wissen, was es bedeutet, dort oben zu kämpfen.“

Ich rieb mir das schmerzende Kinn. „Also, wie geht es weiter? Wollen wir uns prügeln oder bist du fertig?“
Wütend ballte er die Fäuste noch ein wenig fester. Dann wandte er sich um und murmelte: „Du bist es nicht wert, Akira.“
DAS brachte mich für einen Moment in Rage. Ich sprang auf und rief: „Und du? Glaubst du vielleicht, du bist gut für sie?“
„Zumindest bin ich da für sie, wenn sie mich braucht. Das ist eine Menge mehr, als ich von dir behaupten kann!“, blaffte er zurück.
„Du weißt gar nichts!“, schrie ich. „Überhaupt nichts!“
Mamoru wirbelte wieder herum. So standen wir uns gegenüber, mit geballten Fäusten und vor Wut schnaubend.
Schließlich öffnete ich meine Hände langsam wieder, um jeden Millimeter musste ich kämpfen. „Okay“, murmelte ich leise, „du meinst es gut. Das sehe ich ein. Deshalb lasse ich es diesmal gut sein. Aber wir kriegen unsere Gelegenheit, Mamoru.“
Auch er entkrampfte seine Hände wieder. „Das will ich doch schwer hoffen.“
Wir starrten uns noch einen Moment lang wütend an, dann wandten wir uns zugleich um und stapften in verschiedene Richtungen davon.
Mir lagen ein paar Worte auf der Zunge, die Mamoru Hatake sehr viel näher mit dem Tierreich brachten. Und sein Wortschatz hatte sich sicherlich gerade um ein paar Schimpfwörter erweitert, in denen Akira vorkam.
Ich rieb mir das schmerzende Kinn. „Na, warte, das kriegst du wieder.“

Auf meiner Decke angekommen ließ ich mich einfach fallen. Wütend kramte ich in meiner Tasche. Natürlich hatte ich keine Waffe mitgenommen, ich Glückspilz. Ob ich mir eines von Doitsus Übungskatanas ausleihen sollte? Oder doch besser gleich eine Kompanie der Hekatoncheiren anfordern?
Wütend schüttelte ich den Kopf. Ich musste mich nur beruhigen. Einfach nur beruhigen.
„Na, Akira, wird das etwa ein Sonnenbrand?“, rief Makoto fröhlich und klopfte mir auf den Rücken. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als würde mir bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und das blanke Fleisch mit Salz eingerieben werden. Entsetzt schrie ich auf.
„Wusste ich es doch“, brummte Makoto und warf mir mein Shirt zu. „Hier, bevor es zu spät ist.“
Mit Tränen in den Augen starrte ich ihn an. „Das wirst du büßen.“
„Stell mal deine Rachegelüste zurück. Mit einem pro Tag hast du schon mehr als genug zu tun“, erwiderte mein Cousin schmunzelnd. Er warf mir mein Datapad hin. „Hier.“
„Ich habe meine Arbeit schon erledigt, Mako“, beschwerte ich mich.
„Ich habe ein Update aufgezogen. Sie haben den Kronosier aus dem Biotank verhört. Ich dachte, du willst mal ins Protokoll rein schauen, oder?“

Übergangslos wurde ich ruhig. „Danke, Mako. Ich schau gleich mal rein.“
„Und vergiss nicht das Shirt anzuziehen“, sagte er, sprang aber schnell genug außer Reichweite, damit ich ihn nicht mehr erwischen konnte. Die Rückensache war noch nicht vergessen!
In Rachegedanken versunken, die zwei Männern an diesem Strand die Qualen bereitet hätte, die sonst nur eine Ehe bot, legte ich den Sensor an die Stirn an und begann den entsprechenden Text zu suchen.
Ich wurde sehr schnell fündig. Und atmete entsetzt aus. Was ich da zu lesen bekam, war wirklich harter Tobak. Der Kronosier war mehr als kooperativ gewesen. Kein Wunder, behauptete er doch steif und fest von sich, ein Mensch zu sein, genauer gesagt ein Undercover-Agent des französischen Geheimdienstes, der mit dem Auftrag losgeschickt worden war, die Kronosier zu infiltrieren.
Ich setzte das Pad einen Moment ab. Konnte das sein? Eine Fußnote hatte mich darüber belehrt, dass es den Namen Michel Valjean im französischen Geheimdienst tatsächlich gab und das dieser seit zwei Jahren als vermisst geführt wurde.
Weiter spekulierte die Fußnote darüber, dass eventuell die Erinnerung des Agenten auf den Kronosier übertragen worden war, um sich sein Wissen anzueignen. Ein winziger Satz ließ die These aufkommen, der Kronosier könne wirklich Michel Valjean sein, aber sein Erbgut war bereits untersucht und als eindeutig kronisianisch bestätigt worden.
Was wurde gespielt? Für einen Infiltrationsversuch war die Vorgehensweise zu plump. Vielleicht sollte sie deswegen funktionieren?

Was der vermeintliche Michel weiter zu Protokoll gegeben hatte, ließ mir beinahe das Blut in den Adern erstarren. Nachdem er aus dem Biotank befreit worden war, hatte er sofort einen Termin bei einem höheren Offizier gefordert, um ihn zu warnen.
Was er danach detailliert weiter gegeben hatte, las ich nun atemlos.
Laut Michel Valjean hatten die Kronosier einen kombinierten Angriff aufgestellt, der die vier Plattformen OLYMP, Titanen-Station, ARTEMIS und APOLLO zum Ziel hatte.
Nach seinen Worten hatten die Kronosier vorgehabt, zuerst Titanen-Station mit einer Atomexplosion zu vernichten und anschließend mit Hilfe eines modifizierten ZULU-Kreuzers den OLYMP so schwer wie irgend möglich zu beschädigen.
Danach sollte die ARTEMIS-Plattform, auf der die neuen Kreuzer gebaut werden sollten, mit Hilfe einer neuen Waffe unschädlich gemacht werden.
Über deren Natur hatte der Kronosier aber nichts berichten können. Sie war, als man ihn in den Tank verfrachtet hatte, noch experimentell gewesen.
APOLLO würde anschließend von einem Großangriff vernichtet werden, nachdem das Gros des menschlichen Verteidigungspotentials vernichtet worden war.
Zwei der Angriffe waren schon erfolgt und abgeschlagen worden. Aber die Waffe, die neue unbekannte Waffe machte mir Angst.

Warum er im Tank gelegen hatte, war aber so unglaublich gewesen, dass ich das Pad mehrfach absetzen musste, um meine durcheinander wirbelnden Gedanken zu ordnen.
Angeblich waren seine Dienste so wertvoll gewesen, dass er dazu ausersehen worden war, die Gift zu erhalten.
Ich ersparte mir die näheren Angaben über den Vorgang an sich und versuchte eine Linie in das Chaos zu bringen, dass ich gerade meine Gedanken schimpfte.
Wenn das wahr war, wenn das wirklich stimmte, dann…
Hastig atmete ich ein und aus. Was hätte ich jetzt nicht alles für einen harten Schnaps gegeben. Die Gift war auf eine skurrile Art und Weise tatsächlich eine Belohnung. Ich legte das Pad beiseite.
Mein neues Wissen musste ich erst einmal verdauen.

Langsam stand ich auf und ging ein paar Schritte. Dann noch ein paar. Und bevor ich mich versah, lief ich auch schon den Strand hinunter. Kurz darauf stand ich in der Brandung und starrte auf das Meer hinaus. Was für eine verrückte Welt.
„O-nii-chan. Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Lilian leise.
Ich sah zur Seite und winkte sie zu mir heran. „Komm her.“
Sanft nahm ich sie in den Arm und drückte sie an mich. „Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?“
„Seit heute Morgen nicht mehr“, erwiderte sie amüsiert. „Was ist los, O-nii-chan?“
Ich sah der Kronosierin in die Augen. „Lilian. Versprich mir, dass du dich an eine Sache immer erinnern wirst. Ich liebe dich wie meine Schwester. Nicht weil du ihr irgendwie ähnlich bist oder weil ich mich nach einer kleinen Schwester gesehnt habe. Sondern weil du du bist.“
„Aber das weiß ich doch“, antwortete sie.
Ich drückte sie noch etwas fester an mich und legte ihren Kopf auf meine Brust. „Das ist gut, Lilian. Das ist sehr gut.“
„O-nii-chan?“
„Was? Drücke ich dich zu fest? Bin ich dir vielleicht peinlich vor deinen Freundinnen?“
„Nein, das ist es nicht. Kannst du mich noch etwas länger drücken?“, fragte sie leise.
„Was? Gefällt es dir so gut?“
„Nun, das auch. Aber wenn du mich noch etwas drückst, dann hat Yoshi uns erreicht“, erklärt sie listig.

„WAS TUST DU DA, AKIRA?“, rief Yoshi hinter mir aufgebracht.
„Deine Freundin umarmen?“
Übergangslos wurde mein bester Freund bleich. „Meine… Meine was?“
„O-nii-chan, du bist ein Trottel!“, beschwerte sich Lilian, löste sich aus meiner Umarmung und lief weg.
Ich sah ihr hinterher.
„Das ist deine Schuld, nur deine Schuld, Akira. Ich hoffe, du bist jetzt glücklich, ja?“, murrte Yoshi wütend.
„Also“, erwiderte ich und grinste, „ich laufe ihr nicht hinterher.“
„Äh…“ Sprachlos starrte Yoshi mich an. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er begann zu laufen. „Darüber sprechen wir aber noch mal, hast du kapiert?“
„Ja, aber erst Morgen“, brummte ich amüsiert. „Erst Morgen.“
**
Drei Stunden später, wir waren schon lange vom Strand in ein großes Landhaus der UEMF umgezogen, nahm ich mir die Zeit den Bericht zu Ende zu lesen. Ich wollte gerade anfangen, als mein Oni hereingestürmt kam und atemlos berichtete: „Meister, schnell, sie haben Makoto-sama dazu gezwungen, Frauenbadeanzüge zu tragen!“
Ich lächelte gering schätzend. „Ach, und ich soll ihn jetzt retten, was?“
„Nein, nein. Die Fotos sind gerade ausgedruckt worden!“
Ich unterdrückte ein lautes Auflachen. Mako musste also mal wieder richtig leiden, was?
Ich stand auf. „Na gut, dann wollen wir uns das doch mal ansehen, oder?“
Ich folgte meinem Oni aus meinem Raum in das große Wohnzimmer. Das Stimmengewirr ließ auf eine ausgewachsene Party schließen.
Akari schien sich richtig zu freuen, hierher zurückkehren zu können. Ich hatte sie eigentlich fast immer fröhlich erlebt, aber im Moment schien sie sich ihrem verlorenen Menschsein näher zu fühlen als je zuvor.
Ich hatte sie am Strand gesehen, wie sie mit den Slayers Volleyball gespielt hatte. Und es brach mir das Herz, dass es nicht in meiner Macht stand, sie wieder zu einem Menschen zu machen.

Als ich das Zimmer betrat hatte ich für einen Moment das Gefühl, dass irgendetwas gerade mächtig falsch lief. Statt der Badeanzüge trugen alle nun leichte Sommersachen, Snacks waren über den Boden verstreut und jemand hatte sogar eine Akustikgitarre organisiert, auf der der Zopf gerade herumklimperte.
Soweit erschien mir alles in Ordnung. Nur Makoto war unter dem Wust an Mädchen kaum noch zu erkennen. So wie ich es sah, knuddelten und liebkosten die Mädchen den Mecha-Piloten gerade. Und es schien bei ihm nicht gerade auf Ablehnung zu stoßen.
„Wie macht er das bloß?“, wollte Daisuke wissen. „In dem einen Moment kriegt er fast einen Schlaganfall, weil er Megumis Bikini tragen soll, und im nächsten Moment… Na, ich will gar nicht wissen, wo die Mädchen überall ihre Hände haben.“
Frustriert, wie die meisten Männer im Raum, trank Daisuke einen langen Schluck aus dem Wasserglas neben ihm.
Ich wollte meinen Blick schon abwenden, als ich sah, wie Doitsu ihm und sich selbst nachschenkte. Aus einer bauchigen Sakeflasche.
Na, das konnte ja was werden.
Im Übrigen erklärte es vielleicht, warum die Mädchen so ausgelassen waren.

„Oh, du bist ja so ein Süßer“, hörte ich die Stimme von Joan über die der anderen Mädchen hinweg. Ich sah wieder zurück und erkannte, wie die Popdiva, die übrigens ein sehr leichtes und kurz geschnittenes Sommerkleid trug, meinen Cousin an ihre Brust drückte.
„Diese Fotos sind ja einfach hinreißend. Oh, ich möchte die einfach nur drücken, drücken, drücken…“
Ich schlug mir mit einer Hand vor mein Gesicht. „Makoto, soll ich dich retten?“, fragte ich.
Mein Cousin sah mich böse an. „Das tust du ja sonst auch nicht, oder? Also stehe ich das hier durch wie ein Mann!“
„Ja, wie ein Mann“, lachte ich leise.
„Aki-chan!“, rief Joan aufgeregt als sie mich entdeckte. „Komm, setz dich zu uns!“
Joan hielt in der Hand eines dieser Wassergläser. Nur war es fast leer.
Ich schluckte kräftig, als der Ärmel ihres Sommerkleides verrutschte und den weißen Streifen ungebräunter Haut ihres Bikini-Oberteils offenbarte. Makoto, dieser kleine, widerliche…
Joan trug keinen BH, deshalb ertrug er das Knuddeln und kuscheln wie ein Mann. Entschlossen wollte ich mich setzen.
Da berührte mich eine Hand an der Schulter. „Akira-san, hast du einen Moment für mich?“
Ich sah zur Seite und erkannte Daisuke. „Natürlich, Kumpel.“
Bedauernd winkte ich Joan zu. „Nachher, ja?“

Ich folgte dem Mecha-Piloten und seit neuestem auch Freund auf den Balkon.
„Akira-san, ich will es kurz machen. Was soll ich tun? Ich meine, was würdest du tun?“
„Was genau?“, fragte ich.
„Na, das! Das mit mir und Sarah-chan und überhaupt und…“ Verlegen legte Daisuke beide Hände an seinen Schädel. „Tut mir Leid, ich rede Unsinn. Ich hätte den Sake nicht trinken sollen. Es ist nur, ich… Ich schaff es einfach nicht. Ich meine, ich will Klarheit. Ich will nicht, dass Sarah denkt, sie wäre mir egal. Aber ich kann es einfach nicht. Ich kann es nicht sagen.“
„Kannst was nicht sagen?“, fragte ich ernst.
„Das ich…“ „Ja?“ „Das ich sie…“ „Nur weiter.“
Daisuke ließ die Schultern hängen. „Schon gut, Akira-san. Ich danke dir.“

Wenn Daisuke geglaubt hatte, so davon zu kommen, hatte er sich geirrt. Bevor er sich versah, hatte ich ihm meine Faust auf den Bauch gerammt. Mit einem erstaunten Keuchen ging er zu Boden, wo er sich vor Schmerz zusammen krümmte.
Ich rieb mir die schmerzende Faust. Soweit, so gut. Mann, was hatte der Kerl nur für Muskeln? Oder war das bereits die Panzerung eines Hawks?
Ich überzeugte mich davon, ihn richtig erwischt zu haben und wandte mich zum gehen.
Als ich im Wohnzimmer zurück war, berührte ich Sarah am Arm, die gerade über zwei besonders gut gelungene Fotos von Mako lachte. „Sarah, Daisuke ist draußen zusammen gebrochen. Ich…“
Weiter kam ich nicht. Mit Entsetzen im Blick war sie aufgesprungen. Bevor ich mich versah, eilte sie schon an mir vorbei.
Ich lief hinterher. Diese Show ließ ich mir nicht entgehen.

„Daisuke! Daisuke, geht es dir gut?“, rief sie verzweifelt. Sie wagte es kaum ihn zu berühren, aber ihre Sorge war in ihrer Stimme deutlich zu hören.
„So wird das nichts“, brummte ich aus dem Hintergrund. „So wird das einfach nichts. Hast du denn keine Erfahrung in Erster Hilfe? Weißt du denn nicht, was nun zu tun ist?“
„Anstatt kluge Sprüche zum Besten zu geben könntest du mir helfen“, erwiderte sie ernst.
„Warum sollte ich dir in deiner Unfähigkeit auch noch helfen?“, erwiderte ich und legte Sarkasmus in meine Stimme. „Wenn du nicht mal das schaffst, wundert es mich nicht, dass es keinen Mann gibt, der dich wirklich liebt!“
Sie sah mich an und in ihren Augen lag Verzweiflung und Zorn. Der Blick tat weh.
„Das stimmt nicht!“, kam es von Daisuke. Mühsam wälzte er sich herum und kam auf die Knie, gestützt von Sarah. „Ich liebe sie.“

Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht triumphierend aufzulachen. Dann wartete ich ein paar Sekunden, bis den beiden ins Bewusstsein tropfte, was der Pilot gerade gesagt hatte.
„Daisuke“, hauchte Sarah leise. „Meinst… Meinst du das ernst?“
Mit entsetzt aufgerissenen Augen starrte er das Mädchen an. „Ich… Du… Wir…“
Er senkte den Kopf und mied ihren Blick. „Du bist meine Schutzbefohlene. Ich muß dich beschützen. Ich wollte nie etwas anderes, als meinen Auftrag ausführen. Ich wollte niemals die Nähe zu dir ausnutzen. Ich wollte dich nie ausnutzen. Ich wollte nie, dass du glaubst, deinen Beschützer etwas schuldig zu sein.“ Langsam kam er auf die Füße. „Ich werde Morgen meine Versetzung beantragen.“
Er erhob sich, aber dieser Erfolg blieb nicht von langer Dauer. Sarah hatte sein Shirt ergriffen und ihn wieder auf die Knie gezerrt. Zornig funkelte sie ihn an.
„Daisuke! Wenn du glaubst, dass ich nach deinem Geständnis die Hände in den Schoß lege und dir noch hinterher winke, wenn du gehst, dann hast du dich geschnitten! Weißt du, wie lange ich darauf warte, dass du endlich meine Gefühle erwiderst? Du bist mir immer so nahe und doch so weit entfernt! Weißt du was das für eine Hölle ist? Du hast mich aus dem Tank gerettet. Du hast Akira-chan davor bewahrt, getötet zu werden! Du hast mich beschützt, unzählige Male und immer dein eigenes Leben hinter meines gestellt. Ich kenne dich vollkommen. Und ich will nicht ohne dich leben. Kapierst du das?“
„Äh. Nein.“
„Okay, und das?“, fragte sie und verschloss seine Lippen mit einem langen Kuss.
Für einen Moment war Daisuke mehr als überrascht, aber sein Widerstand schmolz dahin wie Butter in der Sonne.

„Wow“, staunte ich, „mit Zunge auch noch.“
Ich fühlte mich an meinem Kragen gepackt und zurück in den Gang gezogen.
„Nicht spannen, Akira“, erklang Megumis Stimme hinter mir.
Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Wow. Wofür war der denn?“, fragte ich erstaunt.
Megumi lächelte mich an und zog mich zurück zum Wohnraum. „Der war dafür, dass du etwas wirklich Gutes gemacht hast. Außerdem gewinne ich so bei Makotos Wettpool.
Und auch dafür, dass du Mamoru nicht zurück geschlagen hast. Er ist gut, aber er hat nicht deine Ausbildung.“
„Ich hatte ihn eh verdient“, sagte ich leise.
„In der Tat“, kommentierte Megumi leise. „Komm, wir gehen zurück. Außerdem sollten wir den Balkon zur Sperrzone erklären.“
Ich spitzte für einen Moment die Ohren und musste grinsen. „Eine sehr gute Idee, Megumi.“
Abgesehen von einem malträtierten Rücken, einem schmerzenden Kiefer und der Tatsache, dass ich beinahe ertrunken wäre, fühlte ich mich richtig gut.
Megumi in ihrem wirklich netten Sommerkleid vor mir hergehen zu sehen halb dabei übrigens sehr…

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Anime Evolution
Episode zehn

1.
Es war noch recht früh am Morgen. Eigentlich zu früh am Morgen für mich. Und eigentlich hätte ich mich mit Kopfschmerzen und Übelkeit noch einige Zeit auf meinem Futon wälzen müssen, denn das siebte oder achte Glas Sake war definitiv schlecht.
Dennoch stand ich hier, beinahe nüchtern und bis in meine Seele tief erschüttert.

Ich stand in dem Zimmer, dass Megumi bekommen hatte und sah auf sie herab. Da es sehr warm war, hatte sie ihre Decke fortgestrampelt und lag nun selig schlummernd vor mir, mit nicht mehr bekleidet als dem üblichen Shirt.
Natürlich erleichterte mich der Gedanke, dass sie alleine in ihrem Zimmer war. Natürlich war ich froh, dass ich keine Spur eines Mannes entdecken konnte, der eventuell in diesem Zimmer einen Teil der Nacht verbracht haben könnte.
Aber das waren nur Äußerlichkeiten, rangierten an zweiter Stelle.
Nach außen hin war ich ruhig, vollkommen gefasst und wirkte sicherlich nüchtern. In meinem Innern aber brodelte mein Blut, meine Emotionen fuhren Achterbahn und ließen meinen Atem stocken.
Langsam legte ich eine Hand auf meine Stirn. Was tat ich hier eigentlich? Warum war ich mit dem Hauptschlüssel in ihr Zimmer gekommen? Warum starrte ich auf sie hinab und beobachtete, wie sie friedlich wie ein Engel schlief?

Ich machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Bevor ich mich versah, stand ich neben ihrem Futon.
Langsam ließ ich mich auf die Knie nieder. War zwischen ihr und Mamoru irgendetwas gelaufen? Als Joan mich so richtig in der Mangel gehabt hatte, da war sie einige Zeit nicht im Zimmer gewesen – und dieser Möchtegernbeschützer auch nicht!
Mühsam entkrampfte ich meine Hände. Das sollte mir im Moment reichlich egal sein!
Aber das war es nicht. Das war es einfach nicht.
Ich ermahnte mich selbst nicht zu vergessen, weshalb ich hier eingebrochen war.
Und das war bestimmt nicht um zu versuchen, Megumi in den verrutschten Ausschnitt ihres Shirts zu sehen.

Ich musste sie wecken. Allzu viel Sake hatte sie hoffentlich nicht getrunken, sie würde mir sicherlich zuhören können.
Doch wie bekam ich sie wach?
Tausend Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Vielleicht mit einem Kuss wie im Märchen? Vielleicht mit stummer Geduld und einem Lächeln, wenn sie erwachte?
Sie mochte es, wenn ich ihr Gesicht streichelte. Wieder ballten sich meine Hände zu Fäusten. Deswegen war ich nicht hier.
Letztendlich entschied ich mich für einen eher effizienten Weg, um sie zu wecken.

„Captain Uno“, sagte ich leise.
Übergangslos hörte Megumi auf, sich im Schlaf zu räkeln. Sie öffnete die Augen und musterte mich blinzelnd. „Akira. Was machst…“ Ein kräftiges Gähnen unterbrach sie.
„Captain“, sagte ich wieder. „Es ist dienstlich.“
Sie musterte mich amüsiert. „Um diese Uhrzeit? Nach der Party? Oder wolltest du einfach nur kontrollieren, ob ich alleine schlafe?“
Meine Hände begannen zu zittern. Ich versuchte sie in den Griff zu kriegen, aber es funktionierte nicht. „Es ist mein Fehler. Verdammt, es ist mein Fehler. Hätte ich den Bericht Gestern schon zuende gelesen, dann wäre ich vorhin nicht mit dickem Schädel aufgewacht und hätte versucht, mich irgendwie zu beschäftigen.
Ich weiß, es ist noch sehr früh, aber wenn ich es dir nicht sage, dann platze ich oder werde gleich wahnsinnig!“
„Worum geht es, Colonel?“, fragte sie ernst und richtete sich in ihrem Bett auf.
„Taylor lebt“, sagte ich tonlos.
Megumi streckte sich und gähnte dabei herzhaft. Verschlafen sah sie sich um und inspizierte ihre Sachen vom Vorabend, die über den halben Raum verteilt waren. „So, so“, murmelte sie leise und griff nach ihrem Kleid.

Plötzlich hatte ich beide Hände an meinem Kragen. Megumi zog mich zu sich auf Augenhöhe herunter. „DAS IST NICHT DEIN ERNST!“
„Doch, er lebt. Die Quelle ist nicht die Sicherste, aber…“
„Akira!“, flüsterte sie mit Schmerz in der Stimme, „wir beide und Mako haben gesehen, wie er in der Explosion verschwand! Wie er… Wie er Yohko mit ins Verderben riss. Akira, wie kann er das überlebt haben?“
Ich schluckte hart. „Er… Laut der Aussage von Agent Valjean, der die Kronosier infiltriert hat, begegnete ihm Taylor diverse Male. Er bekleidet mittlerweile eine ziemlich hohe Stufe in der Hierarchie. Es heißt, da er nur in den Ausläufern der Explosion war, habe ihn die Panzerung des Daishi vor Schlimmeren bewahrt. Danach haben die Kronosier ihn ein halbes Jahr in einen Biotank gepackt und ihn komplett wieder geheilt.“
„Akira! Sag mir, dass das nicht wahr ist! Das kann und darf nicht sein! Dieses Schwein hat Yohko getötet!“ Wütend funkelte sie mich an. „Und er hätte beinahe dich erwischt! Und so einer darf noch leben?“
Ich senkte den Kopf. „Ich… Ich war mir sicher, so sicher. Es… Es war mir immer ein Trost, dass dieser Bastard zusammen mit Yohko gestorben war.“
Ich spürte, wie Tränen aus meinen Augen rannen. „So dachte ich zumindest. Aber jetzt…“

Megumi sah mich aus großen Augen an, aus denen jede Wut gewichen war. Sie begannen feucht zu schimmern. Langsam ließ sie meinen Kragen los und legte ihren Kopf auf meine Brust. „Das ist nicht fair“, schluchzte sie leise. „Das ist einfach nicht fair. Warum darf ein Schurke wie er überleben? Warum konnte es ihn nicht anstelle von Yohko erwischen? Das ist nicht fair.“
Langsam schloss ich meine Arme um sie und drückte sie eng an meine Brust. „Danke“, hauchte ich ihr ins Ohr und genoss den Duft ihres Haares.
„Wofür?“, hauchte sie zurück und vergoss Tränen in mein Shirt.
„Danke, dass ich es nicht alleine ertragen muß. Das du es dir angehört hast. Das ich in dir Halt habe. Ich dachte, mich zerreißt es, als ich es gelesen habe. Aber jetzt, mit dir…“
Ich spürte, wie sich Megumis Arme um meinen Rücken legten. Sanft drückte sie mich. „Du musst das nicht alleine ertragen, Akira. Yohko war genauso meine kleine Schwester wie deine. Du hattest sogar die Pflicht es mir zu sagen.“
Ich schwieg ergriffen. Bei all dem Durcheinander in unserer Beziehung stand sie dennoch vorbehaltlos zu mir. Ich drückte sie noch ein wenig mehr und genoss den Geruch ihrer Haare und ihrer Haut. Ihre Wärme tröstete mich mehr als ich sagen konnte.
„Akira“, hauchte sie. „Versprich mir, dass wir beide schwören.“
„Was schwören?“
„Schwören, dass einer von uns lange genug am Leben bleibt, um diesen Bastard doch noch in die Hölle zu schicken.“
„Ja“, erwiderte ich leise. „Einer von uns beiden wird Henry William Taylor erwischen. Einer kriegt ihn!“
„Das passt zu heute“, sagte sie leise und drückte sich etwas von mir fort.
Sie musterte mich mit einem gequälten Lächeln. „Heute ist es genau drei Jahre her, dass Yohko auf dem Mars geblieben ist.“
„Ein guter Tag, um ihrem Mörder Rache zu schwören“, murmelte ich leise.
Megumi nickte. „Einer von uns beiden wird ihn erwischen. Ich weiß es.“

Schweigend sahen wir uns lange Zeit in die Augen. „Megumi, ich…“
„Nein, Herr Akira, danke für die Nachricht. Ich ziehe mir den Bericht nachher von deinem Datapad rüber. Aber jetzt gehst du besser, bevor noch ein Unglück geschieht.“
Nur mühsam löste ich meine Hände von ihr. Verdammt, ich wollte sie nicht loslassen. Ich wollte einfach nicht. Dennoch tat ich es und spürte, wie ihre Hände von meinem Rücken herab glitten.
Ich erhob mich. „Nach dem Frühstück werden wir mit Makoto darüber sprechen. Er hat den Bericht selbst noch nicht gelesen.“
„Ja, ja, was immer du meinst“, sagte sie, stand auf und schob mich vor sich her.
Schnell landete ich auf dem Gang. Hinter mir schnappte das Türschloss und ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass sie den Schlüssel hatte stecken lassen, damit ich mit dem Nachschlüssel nicht mehr hinein kam.
„Akira?“, fragte sie leise.
Ich legte eine Hand an die Tür. „Ich bin noch hier, Megumi.“
„Ich… ich wollte nur Danke sagen. Danke, dass du diesmal für uns beide stark genug warst.“
Entsetzt starrte ich auf die Tür. Das Blut begann mir in den Ohren zu rauschen und mein Blick verringerte sich auf eine Art Tunnel, durch den ich einen winzigen Spot fixierte, hinter dem ich Megumis Gesicht zu erkennen glaubte.
„K-keine Ursache“, stammelte ich und wandte mich ab.
Statt der versäumten heißen Dusche nach dem Aufstehen würde es wohl diesmal eine kalte sein. Eine sehr lange und ausgiebige kalte Dusche…

2.
Als ich tropfnass, aber genügend herunter gekühlt in meinem Zimmer stand und verzweifelt nach einem Handtuch suchte – das ich natürlich vergessen hatte, bevor ich in die Dusche stieg – ging ich in Gedanken den Ablauf des Tages durch. Wir würden noch den Mittag und den Rest des Nachmittages hier verbringen, bevor unser Zug zurückging. Das bedeutete mindestens noch acht Stunden Zeit am Strand.
Acht Stunden, in denen alles Mögliche passieren konnte. Mir schwante schreckliches.
Als ich endlich ein Handtuch fand und mich abzutrocknen begann, stutzte ich. Nachdenklich betrachtete ich meinen Rücken im Zimmerspiegel. Tatsächlich, er hatte sich stark gerötet. Ich war wohl knapp an einem richtigen Sonnenbrand vorbei geschlittert. Aber in die Sonne sollte ich den Teil meiner Haut wohl besser nicht mehr halten.
Wieder begann ich meine Suche, nur diesmal nach der After Sun Repair.
Nachdem ich diese großzügig aufgetragen hatte, seufzte ich schwer. Wenn doch nur alles in meinem Leben so einfach gewesen wäre, wie dieses Spray aufzutragen und zu entscheiden, nur noch mit Shirt herum zu laufen.
Aber das konnte ich sicher nicht erwarten.

Leise verließ ich mein Zimmer. Trotz meines Besuchs bei Megumi und der langen Dusche war es immer noch weit vor acht Uhr. Und auf einem Sonntag so früh schon herum zu lärmen empfand ich im höchsten Maß unhöflich.
Ich betrat die Küche des Gasthauses und begrüßte Akari freundlich, die bereits mit dem Frühstück beschäftigt war.
Zu meinem Erstaunen war ich nicht der erste. Am großen Tisch saßen bereits Daisuke und Sarah. Hm, alle würden wir sowieso nicht zugleich an den Tisch passen, da war es sicher sinnvoll, nacheinander zu frühstücken.
„Meister“, hauchte mir Akari zu, „irgendetwas ist merkwürdig mit den beiden. Sie sehen so furchtbar müde aus, als wenn sie die ganze Nacht kein Auge zubekommen hätten, aber ihre Stimmung ist so… So…“
Ich grinste still. „Das geht schon in Ordnung, Akari. Das hat sicher seine Richtigkeit. Ich hoffe nur, sie waren nicht die ganze Nacht auf dem Balkon.“
Ich ergriff eine Tasse voll mit heißem, dampfendem und tiefschwarzem Kaffee und wollte mich gerade setzen, als Akari mich erschrocken anstarrte. „Meister!“
„Was ist denn, Akari?“
„Akira-sama, ich… Daisuke-sama ist irgendwie merkwürdig. Er hat sein Gesicht so merkwürdig verzogen. Es sah beinahe aus wie… Da, schon wieder!“
Ich hatte Mühe, ein lautes Lachen zu unterdrücken, als ich dem Blick des Oni folgte und den Grund für sein Entsetzen fand. Von den Gästen wussten die meisten über ihr Naturell Bescheid, die anderen hielten sie, solange sie sichtbar war, für eine Verwandte meines Vaters.
Das war, so fand ich, eine sehr gute Ausrede. Aber anscheinend brauchte sie noch etwas Training, denn etwas so offensichtliches wie ein Lächeln nicht zu erkennen war…
Moment, hatte Daisuke etwa gelächelt? Entsetzt tauschte ich einen Blick mit Akari aus.
„Ob er von einem Youma besessen ist?“, fragte sie mit Schalk in den Augen.
„Vielleicht ist er auch ein feindlicher Agent, der nur Daisukes Platz eingenommen hat“, erwiderte ich übertrieben ernst.

Ich spürte, wie mich eine starke Hand am Kragen meines Shirts ergriff und Richtung Tisch zog. „Setz dich, Colonel, und ärger mich nicht!“, blaffte Daisuke Honda.
„Guten Morgen, Akira-chan“, sagte Sarah fröhlich. Nein, es war eher so, als würde sie die Worte singen.
„Guten Morgen, Ihr zwei. Das Gestern Abend tut mir Leid. Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt, Daisuke?“, fragte ich vorsichtig.
Der Mecha-Pilot sah mit mürrischer Miene von mir fort und brummelte etwas Unverständliches.
Woraufhin ihn die Faust von Sarah auf der Schulter traf. „Daisuke“, sagte sie scharf.
„Isjaschongut. Nein, Akira-san, du hast mich nicht verletzt. Im Gegenteil, ich bin… Ich… Da… Da… Da…“
„Dan…“, half ich ihm aus.
Der Lieutenant der UEMF schluckte hart. „Danke, dass du mir altem Holzkopf auf die Sprünge geholfen hast.“
Ich staunte, und das zu Recht. Solch ein Geständnis aus dem Mund von Daisuke war ein richtiges Wunder. Ich hatte ihn immer für Pflichtversessen und steif gehalten, aber anscheinend steckte auch in ihm ein kleiner Mensch, der Spaß haben wollte und Verständnis forderte. „Nicht der Rede wert. Aber sagt mal, wart Ihr den ganzen Abend auf dem Balkon?“
Sarah begann zu grinsen. Ich fand, dass es im Gegensatz zu ihrem üblichen Auftreten sehr provokativ wirkte. Auch Sarah hatte sich verändert. Sie war schon immer die Führungskraft gewesen, die Lenkerin. Aber nun schien sie auch energischer geworden zu sein. „Nicht den ganzen Abend, Akira-chan. Wozu hat man denn ein Zimmer?“
Daisuke wurde knallrot im Gesicht, wie ich amüsiert feststellte. Aber wieder huschte ein Lächeln über seine Züge.
„Ach so. Nun, ich hoffe, Ihr… habt dran gedacht?“, stocherte ich vorsichtig.
Daisuke, der gerade hatte einen Schluck Kaffee nehmen wollen, prustete vor Schreck in seine Tasse. Sarah hingegen grinste nur noch breiter. „Ich war ja vorbereitet. Im Gegensatz zu diesem Sturkopf hatte ich ja immer mal die Hoffnung, dass er doch noch sieht, was er an mir hat.“
Ich nickte bestätigend und musste wieder mit einem Lachanfall kämpfen.
„Okay, dein Punkt, aber ansonsten kannst du dich doch nicht beschweren, oder?“, fragte Daisuke plötzlich.
Nun war es an Sarah, zu erröten. „Nein, natürlich nicht. Du warst…“
„Schon in Ordnung, schon in Ordnung, keine Details bitte. Ich habe gerade schon eine kalte Dusche hinter mir. Eine zweite brauche ich wirklich nicht“, warf ich hastig ein, um Sarah abzuwürgen.
Aber anscheinend war mein Einwurf unnötig gewesen, denn die beiden begannen gerade, sich intensiv zu küssen.

Höflich sah ich weg und umklammerte meine Tasse. Na toll, der positive Effekt meiner Dusche hatte sich damit wieder erledigt. Wer hatte das auch ahnen können? Gut, zwischen den beiden schien nun endlich alles so zu laufen wie es hatte sein sollen. Aber damit erinnerten sie mich schmerzhaft an all die verpassten Chancen und Gelegenheiten, die ich gehabt hatte, um meinen Hormone abzubauen. Und um Klarheit in mein völlig konfuses Herz zu bringen.
„Meister!“, sagte Akari ernst.
„Das ist vollkommen normal, Akari“, sagte ich und winkte gönnerhaft. „Lass den beiden ihren Spaß.“
„Das ist es nicht. Ich spüre eine Präsenz, die… Jetzt ist es weg. Ich… Ich weiß nicht. Es war so ein warmes Gefühl, aber so mächtig. Ich…“ Sie sah mich aus großen Augen an. „Eier oder Waffeln, Akira-sama?“

Ich wollte darauf antworten, aber übergangslos war ich nicht mehr in der Küche, geschweige denn in dem Gasthaus der UEMF.
Ich stand in einer düsteren Höhle, deren ferne Wände ich nur erahnen konnte. Schwaches Licht schien direkt aus der Decke zu schimmern, aber es war bei weitem nicht genug, um mehr zu erkennen als ein paar Steine, die sinnlos verstreut auf dem Boden lagen.
„Akira-sama!“, rief Akari neben mir.
Ich wandte mich ihr zu und sah Entsetzen in ihrem Gesicht.
Sie deutete die Höhle hinunter.
Als ich ihrem Blick folgte, spürte ich ebenfalls Entsetzen. Was dort im Halbdunkel auf uns zukam war… Eine riesige Spinne! Groß! Achtbeinig! Haarig! Mit einem gewaltigen, umso behaarterem Hinterleib! Eine Gigantin, wie aus einem Horrorfilm entsprungen!
„Wow!“, entfuhr es mir.

Akari begann neben mir aufzuglühen. „Meister, zieh dich zurück. Ich halte sie auf!“
Die Spinne schien übergangslos ihre Augen zu öffnen. Anstatt in zwei Viererreihen schwarzer Knopfaugen sahen wir in sechsunddreißig zornig leuchtende rote Lichter.
Von ihnen ging ein heller Schein aus, der Akari erfasste, in die Luft hob und gegen die Decke warf. Sie schlug hart dagegen und fiel haltlos in die Tiefe.
„Akari!“, rief ich, spurtete los und versuchte meinen Oni vor dem Sturz zu bewahren.
Etwas schoss auf mich zu, ich tanzte es aus, als wäre ich an Bord meines Mechas und versuchte die Luftabwehr einer Fregatte auszutanzen.
Ein schneller Blick offenbarte mir, was mich da beinahe getroffen hätte. Ein Netzfaden.
Ich fing meinen Oni und bettete ihn hinter mir zu Boden.
Akari atmete heftig. Ihr Gesicht war vollkommen vor Angst verzerrt. „M-Meister! Dies ist kein Oni oder einer der üblichen Youmas! Dies ist…!“
„SCHWEIG!“, donnerte eine laute und dunkle Stimme durch die Höhle.
Akari zuckte zusammen. „Akira-sama, bitte flieh. Ich versuche, den Dämon aufzuhalten solange ich kann!“

„Willst du das wirklich versuchen?“, donnerte die gleiche Stimme von eben wieder. „Willst du dich wirklich von mir besiegen lassen, du vorlautes Halbgeschöpf? Hären kannst du nicht. Aber vielleicht schmeckst du ja ganz passabel. Ist es das, was du willst? Für diesen Menschen gefressen werden?“
Akari starrte mich an. Ihre Lippen bebten, ihre Hände verkrallten sich in meinem Shirt. „Meister, ich… Ich…“
„Ist schon gut, Akari. Ich will nicht, dass du vernichtet wirst. Ich will dich weiter in meinem Dienst haben. Bleib du hier. Ich werde mit dem Biest schon fertig.“
Ich erhob mich langsam aus meiner hockenden Position und wandte mich dem Dämon zu.
Doch bevor ich etwas sagen konnte, erhob sich Akari neben mir. Doch sie stand kaum gerade, als die Augen wieder aufglühten und sie meterweit davon schleuderten. Selbst ich konnte sie diesmal nicht schnell genug erreichen um sie aufzufangen.
Akari wurde wie eine Gliederpuppe zu Boden geworfen, überschlug sich und kam schließlich vollkommen verdreht zur Ruhe.
„AKARI!“, bellte ich und wollte zu ihr eilen. Aber diesmal erwischte mich das Netz der Riesenspinne.
Akari indes erhob sich wieder und kniete sich hin. „Dai-Kuzo-sama, bitte verschont diesen Menschen und nehmt mich stattdessen.“

Ich starrte meinen Oni entsetzt an. Sie wollte sich tatsächlich für mich opfern?
Der Spinnendämon oder große Spinne, wie Akari sie genannt hatte, ignorierte mich und stapfte an mir vorbei. Bei der Kraft und der Masse dieses riesigen Geschöpfs wurde mir wirklich anders.
Andererseits, es ging ein herrlicher Duft nach Vanille von der Gigantin aus.
Die Spinne stapfte direkt bis vor den Oni, der sich nun tief verbeugte und die Handspitzen parallel zueinander auf dem Boden aufgesetzt hatte.
„So, so. Du willst also anstelle dieses Menschen sterben? Ist er es denn wert? Weißt du nicht, welchen Preis zu bezahlst, wenn du dich für ihn opferst? Du bist bereits einmal gestorben, schwacher Mensch. Wenn du nun vernichtet wirst, dann verlässt du den Zyklus der Wiedergeburt für immer und landest in der tiefsten Finsternis, in der ewiglicher Wahnsinn auf dich wartet.“
Akari begann zu zittern. Aber sie gab ihre Haltung nicht auf.
„Nun, wenn du es so sehnlich wünschst…“, raunte der Gigant und fuhr die Fresswerkzeuge aus, die gigantischen Mandibeln.
Damit strich die Spinne dem Oni über Gesicht und Kopf. Die behaarten Hauer fuhren ihren Rücken herab und Akari begann erschrocken zu schreien. Aber sie rührte sich nicht.
Dann erhoben sich die Mandibeln wie Schwerter bereit zum Schlag.
Ich sprintete los, obwohl ich keinerlei Ahnung hatte, was ich gegen diesen Dämon ausrichten konnte. Aber ich wollte Akari nicht aufgeben, nicht verlieren. „AKARI!“
Ein Bein der Riesenspinne fegte heran, fintierte und folgte meinem schnellen Ausweichmanöver. Der fintierte Hieb saß und warf mich zur Seite, wo ich mich mehrfach überschlug und für eine Sekunde benommen liegen blieb.
Dann sausten die Hauer der Riesenspinne herab.
Akari schrie angsterfüllt auf.

Langsam erhob ich mich. Der Sturz war schwer gewesen, aber ich hatte ihn einigermaßen weg gesteckt. Ich taumelte langsam auf meinen Oni zu und ging neben ihm in die Knie. Dann zog ich den leblosen Dämonen an mich und bettete den Kopf auf meiner Brust.
Übergangslos begann Akari zu weinen. „Verzeih mir, Akira-sama. Ich wollte stark sein. Ich wollte dich beschützen. Ich wollte für dich sterben. Aber ich hatte solche Angst. Ich hatte doch solche Angst. Ich habe versagt.“
„Pssst“, sagte ich leise und strich dem Oni über das lange, schwarze Haar. „Du hast gegen einen übermächtigen Gegner gestanden und bist nicht geflohen. Als dein Meister hätte ich nicht mehr von dir verlangen können als du gerade gegeben hast. Ich bin sehr stolz auf dich.“
Akari sah zu mir hoch und verkrallte sich in meinem Shirt. „Dennoch. Ich habe versagt. Ich hatte solche Angst vor der schwarzen Leere. Ich… ich wollte fliehen, aber meine Beine trugen mich nicht. Ich habe dich im Stich gelassen, Akira-sama.“
„Das hast du nicht, Akari. Das hast du nicht. Du hast mehr getan als irgendjemand von dir verlangen darf.“ Ich starrte den Spinnendämon wütend an. „Egal wer.“

Die Spinne schüttelte sich und brummte dazu. Wurde sie gerade von einem Lachanfall erschüttert?
Wieder bewegten sich die Mandibeln und hoben Akaris Gesicht an. „Kleiner Oni. Du warst sehr tapfer. Du hast nicht alles gegeben, ja, aber dein Meister hat Recht. Du hast mehr geleistet als man von dir verlangen kann. Geh wieder. Geh mit dem Segen von Dai-Kuzo, der großen Spinne.“
Akari verschwand in meiner Umarmung. Nein, sie wurde nicht einfach nur unsichtbar, sie wurde entstofflicht und war fort.
„Was ist mir ihr?“, rief ich entsetzt.
„Ruhig, Akira-tono. Ruhig. Ich habe sie nur zurück gebracht. Aber wir beide müssen noch reden.“

Übergangslos veränderte sich meine Umgebung. Die düstere Höhle verschwand und machte einem Lichterfüllten Wald Platz. Ich kniete vor einem Tempel und die Morgensonne schien stark auf mich herab.
Vor mir stand eine junge Frau in einen weiten schwarzen Gewand und weißem Gürtel. Die langen schwarzen Haare erinnerten ein wenig an die Spinnenbeine, das Gesicht war schneeweiß und die Lippen blutrot. „Du bist Akira Otomo“, stellte Dai-Kuzo fest.
Ich hatte nicht einen Moment einen Zweifel daran, dass die Frau vor mir und die Spinne ein und dieselbe Person waren.
Langsam trat die Frau vor und berührte mich auf der Stirn.
Ich verharrte respektvoll. Außerdem hatte ich eine gehörige Portion Angst, denn es war erst kurze Zeit her, dass die Frau vor mir eine gigantische und superstarke Riesenspinne gewesen war.
„So. Ja. Aha“, sagte sie und nickte kurz. „Nun gut, ich kenne nun dein Wesen, Akira-tono.“
„Warum bin ich hier, Dai-Kuzo-sama?“, fragte ich geradeheraus.
Die Frau lächelte und kniete sich vor mir nieder. „Du bist hier, weil ich es so will.“
„Das habe ich auch schon gemerkt. Aber warum hast du mich angegriffen? Meinen Oni angegriffen?“
Dai-Kuzo lächelte verlegen. „Nun, es war… erforderlich. Um euer beider Herzen zu prüfen. Dein Oni ist stark, viel stärker als er selbst glaubt. Doch Akari-san hat nicht die Kraft, diese Energie selbst zu wecken. Noch nicht. Ich fand es interessant zu wissen, wie weit sie gehen würde, wenn ich dich bedrohe. Und wie sehr sie zu dir steht. Du kannst zufrieden sein, Akira-tono. Du hast eine sehr löbliche Gefolgsfrau in Akari, die dich wirklich von Herzen liebt.“
„Das hätte ich auch ohne deinen Test gewusst“, erwiderte ich ernst.

Wir starrten uns einige Zeit in die Augen. „Welches ist deine wahre Gestalt?“, fragte ich plötzlich. „Diese hier oder die Spinne?“
„Wieso?“, fragte die Spinnendämonin. „Ist Aussehen so wichtig für euch Menschen?“
„Nein, das siehst du falsch. Aussehen ist für uns Menschen ein wichtiger Hinweis, ob wir mit jemandem Kontakt schließen. Aber der Charakter ist es, der uns entscheiden lässt, ob wir diesen Kontakt danach halten. Was ich wissen will ist, ob du wirklich ein Trugbild brauchst, weil du mich unterschätzt oder dich selbst nicht magst.“
Die Spinnendämonin lachte laut auf. Es klang, als würden silberne Glöckchen gespielt. „Du bist mir ja einer Akira-tono. Geradeheraus direkt ins Ziel. Kein Wunder, dass du so ein berühmter Krieger bist.“ Dai-Kuzo lächelte mich an. Wieder hatte ich den Geruch von Vanille in der Nase, was jeden Zweifel ausräumte, mit wem ich es zu tun hatte.
„Akira-tono, du denkst in zu engen Maßstäben. Natürlich sind beide Körper echt. Sobald ich es will.“
Ich nickte. „Verstehe. Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, in dieser Form zu bleiben, Dai-Kuzo-sama?“
„Wieso? Gefällt dir der Körper so gut?“, erwiderte sie.
„Das auch. Aber ehrlich gesagt, nach dem Hieb mit deinem Hinterbein hätte ich ein Problem mit dir zu reden, wenn du als Riesenspinne auftrittst“, erwiderte ich.
Wieder lachte die Dämonin. „Du bist mir ja einer. Ehrlich und geradlinig. Das gefällt mir.“
Sie beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Und so tapfer. Ich denke, es war eine gute Idee, mit dir reden zu wollen. Gehen wir dann?“, fragte sie und erhob sich.
„Wohin?“, fragte ich und stand ebenfalls auf.
„Es redet sich leichter wenn man etwas geht.“
„Worüber?“, hakte ich nach.

Wir waren schon einige Meter in den Wald gegangen, als es hinter und neben mir im Gebüsch knisterte. Dai-Kuzo lächelte. „Mein Volk. Es ist neugierig. Neugierig auf den Ningen-Krieger, der so sehr von sich reden macht.“
„Noch mehr Spinnen?“, fragte ich leise.
„Auch, aber nicht nur“, erklärte sie lächelnd und winkte in Richtung einer raschelnden Hecke.
Dies war das Zeichen für einen gewaltigen Wolf, hervor zu springen. Auf seinem Kopf landete ein kleiner Fuchs, der erhebliche Schwierigkeiten hatte, sich dort festzuhalten.
Wolf und Fuchs starrten mich an, das heißt der Fuchs erst, nachdem er endlich Halt gefunden hatte. „Das ist er also?“, fragte der Fuchs enttäuscht. „Ich hatte ihn mir größer vorgestellt.“
„Sei still, Kitsune-kun“, knurrte der Wolf. „Du gehst von Äußerlichkeiten aus. Aber siehst du nicht seine Aura? Es ist die eines Kämpfers. Eines großen Kriegers. Und seine Augen. Es sind die eines fairen Mannes.“
„Boah, alter Okami, da haben sich ja wieder zwei gefunden, was? Warum gehst du nicht mit ihm jagen oder so und tust irgendetwas um mit ihm Männerfreundschaft zu schließen?“, grummelte der Fuchs.
Der Wolf verwandelte sich in einen alten, grauhaarigen, aber kräftigen Mann, der Fuchs wurde zu einem quirligen Mädchen, das hastig von seinem Kopf sprang und sich aus der Reichweite der Arme des Wolfs rettete.
Sie versteckte sich hinter der Spinnendämonin. „Dai-Kuzo-sama, rette mich.“

Die Spinnenfrau lächelte sanft. „Dies sind zwei meiner wichtigsten Untergebenen. Dai-Okame, der Herr der Wölfe. Und Dai-Kitsune, die Herrin der Fuchsdämonen.“
„Angenehm“, erwiderte ich und deutete eine Verbeugung an.
Kitsune verzog den Mund und blähte die Wangen auf. „Trotzdem. Der soll dieser große Krieger sein? Ist doch wieder nur viel heiße Luft.“
Der Wolf griff zu und bekam die Füchsin diesmal zu packen. Er ballte ein Faust und rieb damit auf ihrem Kopf. „Was sage ich dir seit fünftausend Jahren? Erst nachdenken, dann denken, dann sprechen!“
„Auuu, ist ja gut. Dai-Kuzo-sama, hilf mir!“
„Es ist genug, Okame“, sagte die schwarzhaarige Frau mit einem Lächeln. „Akira-tono war neugierig auf euch, das ist alles. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr uns auf unserer Besprechung begleiten.“
Der Fuchs begann übergangslos zu strahlen. „Die ehrwürdige alte Frau erlaubt uns, mit ihr zu gehen? Super!“
„Wer ist hier alt?“, blaffte Dai-Kuzo und ließ eine Faust senkrecht auf Kitsunes Schädel niedergehen.
„Auuuu. Nie verstehst du die Wahrheit“, brummte die Füchsin und ging sicherheitshalber vor einem weiteren Schlag hinter Okame in Deckung.
Übergangslos begann Dai-Kuzo wieder zu lächeln. Mit sanfter Stimme fragte sie: „Wollen wir weitergehen, Akira-tono?“

Mit den beiden Dämonen im Schlepp durchquerten wir den Wald. Noch immer raschelten die Büsche links und rechts, aber weitere Geschöpfe traten nicht hervor.
„Du willst wissen, warum du hier bist“, erinnerte mich die Spinnendämonin.
„Richtig. Was tue ich hier? Warum wurden mein Oni und ich getestet?“
Dai-Kuzo sah hinauf in den Morgenhimmel und seufzte leise. „Weißt du, wie alt ich bin, Akira-tono? Weißt du, wie vielen Menschen wie dir ich schon begegnet bin? Es erscheint mir endlos lange her, dass ich geboren wurde.“
„Endlos ist das richtige Wort“, murmelte Kitsune, kassierte einen wütenden Blick der Spinnendämonin und verschanzte sich hinter Okame.
„Jedenfalls leben Menschen und Dämonen meistens getrennt voneinander. Wir haben unsere Welt und Ihr habt eure Welt. Ab und an gibt es mal einen Informationsaustausch, oder einige von uns toben sich in eurer Welt ein wenig aus. Manche aus Spaß, manche aus Boshaftigkeit.
Auch ich habe in jungen Jahren Dinge getan, auf die ich heute nicht sehr stolz bin. Ganze Häuser einspinnen, Kühe in die Bäume hängen, Wände beschmieren… Ich war halt jung.
Jedenfalls haben wir Dämonen es dabei belassen. Ihr Menschen entwickelt euch rasant und entfernt euch von uns. Der Tag, an dem Ihr unsere Existenz ignoriert ist nicht mehr fern und wir alle können mit einer absoluten Trennung sehr gut leben.
Aber es gibt da etwas, was uns Sorgen bereitet. Denn obwohl wir selten in eurer Welt erscheinen, so sind wir doch immer recht gut über sie informiert.“
Ich sah Dai-Kuzo an. „Du spielst auf die Kronosier an.“
„Ja. Die Kronosier und ihr Verbündeter. Akira-tono. Was du Dämonen nennst, sind in Wirklichkeit Daimon. Naturgeister. Wir existieren, weil die Natur existiert. Wir sind eins und ebenso Teil der Menschen. Auch wenn wir uns nicht ins weltliche Leben der Menschen einmischen, so sind wir doch in Sorge um das spirituelle Wohl unserer Brüder und Schwestern. Denn je mehr Ihr euch vom Weg der Vollkommenheit abwendet, umso mehr Sorge tragen wir, dass Ihr dennoch den Weg in die Glückseligkeit findet, anstatt auf ewig wiedergeboren zu werden.
Na ja, und dann sind da noch mehr Probleme, denn eure Umweltverschmutzung bereitet uns auch einige Sorgen. Die Natur zu bekämpfen ist genauso wie uns zu bekämpfen.“

„Menschen lernen dazu“, entschuldigte ich mich.
„In der Tat, das tun sie. Das tun sie. Und genau deswegen nehmen wir nur sanften Einfluss auf die Menschen. Anstatt etwas Dummes zu tun wie die Welt zu erobern.
Wo war ich gerade? Irgendwie habe ich den Faden verloren.“
„Bwahahahahahaa!“, rief der Fuchsdämon und kringelte sich am Boden. „Den Faden verloren! Aus dem Mund eines Spinnendämons! Ein guter Witz, Sama!“
Dai-Kuzo ignorierte den Ausbruch der Füchsin. „Jedenfalls, die Kronosier sind für uns eine unbekannte Größe. Wir haben kein Interesse daran, dass sie die Macht auf der Erde übernehmen. Wir wollen unseren schleichenden Einfluss zugunsten der Natur nicht vollkommen neu aufbauen.
Außerdem wildert der Verbündete der Kronosier mitten im Herzen der Natur, fast schon in meinem Gefolge.“
„Die Youmas, die Menschen befallen und Lebensenergie stehlen“, stellte ich fest.
„Vor allem die Youmas. Das sie Lebensenergie stehlen ist aber ebenso besorgniserregend. Das KI darf nicht genommen werden. Es kann tödlich enden.“
„Das kann ich mir denken, Dai-Kuzo-sama. Deshalb hast du also die Slayer erschaffen?“
Die Spinnendämonin lächelte. „Du bist klug, Akira-tono. Ja, die Slayer sind Teil des schleichenden Einfluss, den wir auf die Menschenwelt nehmen. Und nun, da alle sechs erwacht sind…“
„Ich zähle nur fünf“, warf ich ein.
„Vertrau mir, Akira-tono. Es sind sechs. Und es war nicht schwer, Mädchen zu finden, die ihr Herz hergeben würden, um anderen das Schicksal zu ersparen, welches sie beinahe erlitten hätten.
Die Youmas, die sie bekämpfen, sind Hybriden. Entstanden aus der natürlichen Magie der Natur, einer pervertierten Magie, die nur ein Mensch erfunden haben kann… Und der Technik der Kronosier. Wir Dämonen können die Existenz dieser leidenden Lebensformen nicht dulden. Aber es ist nicht in unserer Natur, mehr einzugreifen als nötig. Außer in unseren Sturm- und Drangzeiten“, murmelte die Spinnenfrau belustigt.
„Die sie schon lange hinter sich hat“, brummte Kitsune und blieb sicherheitshalber gleich hinter Okame.

„Jedenfalls, Akira-tono, habe ich gesehen, wie du gegen die Kronosier und die Youma gekämpft hast. Du hast mich sehr beeindruckt. Und auch wenn wir nicht direkt eingreifen, so will ich doch, dass du die Zusammenarbeit mit meinen Slayern fortsetzt. Finde den sechsten Slayer. Dies soll der Anteil unserer Welt zum Schutz der Erde sein.
Finde sie und nimm alle sechs mit dir zum Mars. Wir können nicht länger dulden, dass die Natur durch diese unnatürliche Magie pervertiert und geschändet wird. Wir dürfen dieser Technik, die Seelenenergie und ganze Bewusstseine schändet, nicht länger erlauben zu existieren.“
Ich stoppte und sah der Spinnendämonin fest in die Augen. „Ich tue was ich kann. Und wenn es in meiner Macht liegt, vernichte ich unseren gemeinsamen Feind.“
„Das habe ich von dir erwartet, Akira-tono“, sagte sie leise. „Doch auf deinem Weg sehe ich einen Schatten. Deine Herkunft, sie wird dich vor eine schwere Wahl stellen. Deshalb nimm dies. Falls du dich entscheiden kannst, wird es dir helfen.“
Dai-Kuzo trat an mich heran und drückte ihre Lippen auf meine. Ich spürte, wie heißer Atem in mich eindrang und meine Lunge erfüllte. Für einen Moment, einen winzign Moment fühlte ich mich, als würde ich unbesiegbar sein. Danach fiel ich in ein bodenloses Loch. Als ich daraus wieder empor kam, begann mein ganzer Körper zu kribbeln, was wiederum in einer totalen Entspannung endete. Ich spürte, wie mir die Knie weich wurden.
Bevor ich fallen konnte, waren Kitsune und Okame da und fingen mich auf.
Die Fuchsdämonin griente mich an. „War gut, was?“
„Fast so gut wie Sex“, erwiderte ich ächzend. Ich schluckte hart. Wie war doch der Rat, den Dai- Okame Dai-Kitsune gegeben hatte? Erst nachdenken, dann denken, dann sprechen.

Dai-Kuzo lächelte mich an. „Na, das hört man doch alle Jahrhunderte wieder gerne.“ Sie tätschelte mir den Kopf wie einem kleinen Jungen. „Sogar sehr gerne.“
Ich spürte, wie sich mir die Kehle zuzog. Gesellte sich da etwa noch eine Frau in mein Leben?
„Dai-Kitsune. Dai-Okame. Ihr begleitet ihn ab jetzt. Und sorgt dafür, dass die Menschen siegen.
Ich werde nicht noch einmal direkt eingreifen, Akira-tono. Aber du hast alles bekommen, um in deiner Welt zu bestehen. Geh jetzt.“
„Jaaa!“, kreischte die Füchsin. „Endlich mal wieder etwas Spaß!“
Okame grummelte unverständlich, schien aber sehr zufrieden.
Ich stand etwas wacklig auf meinen Beinen, als Okame mich wieder alleine stehen ließ. Vorsichtig verbeugte ich mich. „Dai-Kuzo-sama, ich bedanke mich. Vor allem dafür, dass du mir zwei Aufpasser an die Seite gestellt hast.“
„Das hast du gut erkannt, Akira-tono. Und fürchte dich vor der Entscheidung.“ Die Spinnendämonin lächelte mich hintergründig an.

Bevor ich etwas erwidern konnte, stand ich am Strand. Ich blinzelte in die Morgensonne. Irgendwie erschien mir dieses Erlebnis so unwirklich, so abgehoben. Hatte ich das wirklich erlebt? War ich wirklich in der Höhle, in diesem Wald gewesen? Ich konnte es nicht wirklich sagen.
„Also, wenn du nichts Besseres vorhast, wie wäre es, wenn wir was essen? Mir hängt der Magen auf den Knien“, vernahm ich eine Frauenstimme hinter mir.
Ich wirbelte herum und sah Dai-Kitsune und Dai-Okame. Die beiden grinsten mich an.
Die Unwirklichkeit der Erinnerung verging. Ich akzeptierte das Geschehen als Wirklichkeit. „Also, ich hatte auch noch nichts zum Frühstück. Lasst uns gehen“, erwiderte ich grinsend und winkte sie in Richtung des Landhauses.

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3.
Es hätte mich eigentlich nicht wundern dürfen. Eigentlich nicht. Aber dennoch zweifelte ich heimlich am Verstand meiner Freunde, als sie die beiden Fremden so problemlos akzeptierten. Das konnte doch nicht nur daran liegen, dass ich sie mitgebracht hatte?
Selbst Joan und ihre Band brachten Kitsune und Okame kein Misstrauen entgegen.
Nun, der Umstand, dass nach dem Frühstück nach und nach der Strand gestürmt wurde und in der Sonne braten den höheren Stellenwert einnahm, war dabei sicherlich hilfreich.

Neben mir nahm Kitsune ihre Fuchsgestalt an und schüttelte sich, dass der Sand nur so aus ihrem Fell flog. „Hey, Akira-tono, amüsierst du dich nicht?“
Eine Faust flog auf den kleinen Fuchs herab und traf ihn hart am Kopf. „Auu! Was soll das denn, du dämlicher Wolf?“
Okame knurrte wütend. „Du sollst dich in Gegenwart von Menschen nicht verwandeln. Akira-tono hat für uns Fürsprache gehalten, da sollten wir ihn nicht noch in Verlegenheit bringen!“
„Ist ja gut, alter Knacker. Reg dich wieder ab!“ Kitsune verwandelte sich zurück.
Ich sah mich unauffällig um, aber niemand schien die kurze Episode bemerkt zu haben.

Als ich so über meine Freunde blickte, antwortete ich der Füchsin. „Ich habe mir Gestern auf dem Rücken einen Sonnenbrand zugezogen. Deshalb werde ich den Rest des Tages hier verbringen, mit einem Shirt.“
„Das ist ja lahm“, murmelte Kitsune und blies wieder die Backen auf. Sie sah plötzlich zu mir herüber und strahlte mich an. „Was denkst du, Akira-tono? Soll ich den Sonnenbrand heilen? Dann kannst du mit mir schwimmen gehen.“
Ich warf der Herrin der Füchse einen amüsierten Blick zu. „Glaub mir, das willst du nicht wirklich. Wenn ich mit noch einem hübschen Mädchen gesehen werde, kriege ich mein Leben gar nicht mehr in den Griff.“
„Hast du gehört? Er hat hübsches Mädchen gesagt, alter Griesgram“, sagte Kitsune und lachte hinter vorgehaltener Hand.
„Danke, Akira-tono. Das darf ich mir jetzt den Rest des Tages anhören. Und du wirst sie nicht mehr loswerden“, brummte Okame.
„Entschuldigt mich einen Moment“, sagte ich und erhob mich.
Kitsune, die ebenfalls aufstehen wollte, winkte ich zu. „Nein, ich muss alleine gehen. Es scheint so, als hätte Akari den Test nicht wirklich gut verkraftet.“
Die Füchsin folgte meinem Blick und erkannte meinen Oni, der am Wasser stand und einfach bewegungslos in die Leere starrte.
Missmutig stützte sie ihr Gesicht auf beiden Händen ab. „Ist gut. Geh schon, Akira-tono. Amüsiere ich mich eben mit dem alten Griesgram hier.“
Ich betrachtete die Füchsin mit einem kleinen Lächeln. Das geheimnisvolle Talent, Körper nach belieben zu formen hatte Kitsune dazu verwendet, in ihrer menschlichen Gestalt in einem Badeanzug aufzutreten. In einem Badeanzug, in dem man sich nicht erklären konnte, warum er überhaupt an ihrem Körper haftete. Denn träger oder Verbindungen zwischen Vorderseite und Rückenteil gab es nicht.
Okame hingegen trug vor allem seinen breiten Brustkorb und die kräftigen Muskeln zur Schau.

Ich winkte den beiden noch einmal zu und ging langsam auf Akari zu.
Sie schien meine Nähe zu spüren, denn als ich sie fast erreicht hatte, wandte sie sich um und sah mich mit traurigen Augen an. „Eine schöne Dienerin bin ich.“
Ich trat neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Mach dir darum keine Gedanken. Dai-Kuzo-sama hat gesagt, dass du mehr geleistet hast, als man von dir erwarten durfte.“
„Das ist es nicht. Akira-sama, ich hatte vielleicht die Möglichkeit, die Riesenspinne zu vernichten. Ich hätte nur meine Existenz aufgeben müssen. Aber… Aber ich konnte es nicht. Ich hatte die Chance, mein Leben zu geben, um deines zu retten. Aber ich tat es nicht. Wenn ich all meine Kraft, mein ganzes Ich konzentriert hätte, dann hätte ich für einen Augenblick, einen winzigen Augenblick die Kraft erlangt, sie zu töten und dich zu retten.“
„Gut, dass du es nicht getan hast“, sagte ich leise. „Dai-Kuzo ist unsere Verbündete.“
„Aber das konnten wir da noch nicht wissen. Es wäre meine Pflicht als Dienerin gewesen, für meinen Herrn zu sterben, ewiger Wahnsinn in der Dunkelheit mal außen vor gelassen.“
Ich drückte den Oni an mich. „Ich bin froh, dass du es nicht getan hast. Ich meine, ich habe es nicht geschafft, dich zu beschützen. Warum soll es dir da besser gehen?“
Akari lächelte für einen Moment. „Danke, dass du versuchst, mich aufzumuntern, Meister.“
„Hey“, sagte ich, „wir sind mehr als Diener und Meister. Wir sind Freunde. Oder siehst du das anders?“
„Ehrlich gesagt nein. Aber deswegen bist du dennoch mein Meister. Und weil wir Freunde sind, sollte ich erst Recht bereit sein, für dich zu sterben“, sagte Akari fest.
Ich schüttelte den Kopf. „Nun sei da mal nicht so versessen drauf. Ich brauche dich als Mitglied der Slayer. Du und die anderen werden mir bei meiner Marsmission helfen. Und in meinem Cockpit als Fokus der anderen wirst du für die Menschheit einen unschätzbaren Dienst erweisen. Dazu musst du nicht sterben. Aber du musst dafür weiterleben.“
„Danke, Meister“, erwiderte Akari. „Wer hätte das gedacht, dass sich unsere Beziehung einmal so entwickeln wird? Als ich versuchte, dich zu vertreiben, weil du meinen Schrein zerstört hatte, habe ich das jedenfalls nicht.“
„So? Ich dachte, du wolltest mich töten.“
„Was soll ich sagen? Oni übertreiben gerne.“
Ich schmunzelte und Akari lächelte dazu.

„Ich denke, ich lasse euch beide jetzt besser alleine“, sagte sie plötzlich wand sich unter meinem Arm hervor und ging den Strand runter zu den anderen Slayern, die schon beim Volleyball waren.
„Euch?“, argwöhnte ich, als mir eine Hand auf die Schulter klopfte. Megumi stand hinter mir. Sie trug keinen Badeanzug, aber eine nette Rock und Bluse-Kombination. In der anderen Hand hielt sie ihre Tasche. „Ich wollte noch Tschüss sagen, Akira. Ein Heli kommt gleich und holt mich ab. Eine Übung mit Briareos.“
„Eine Übung mit Briareos? An unserem Wochenende? Wer hat das denn angeordnet?“
„Das weiß ich nicht genau, aber der Befehl trug deine Unterschrift, Akira“, kommentierte sie amüsiert.
Ich dachte einen Moment nach. „Mist, ja, da war ja noch was. Oh, ich bin ein Idiot. Tut mir Leid, dass ich das Wochenende versaue.“
„Tut es dir nicht“, konterte sie lächelnd. „Du bist doch ganz froh, dass Mamoru und ich deshalb den Rest des Tages nicht verbringen können.“
„Das bin ich in der Tat“, gestand ich leise.
„Das hast du nett gesagt.“ Megumi sah zu mir auf. Ihr Lächeln verschwand und machte einer wehmütigen Miene Platz. „Warum kann es nicht einfach sein?“
„Du machst es kompliziert“, warf ich ihr leise vor.
„Nein, du machst es kompliziert. Wenn du mir sagst, dass du mich liebst, dann fühlt es sich nicht wahr an. Vielleicht wird es das eines Tages. Aber bis dahin lass mich meinen eigenen Weg gehen. Bitte.“
Ich sah ihr in die Augen. „Megumi. Verlass mich nicht.“
„Ich muß. Ich habe eine Übung. Okay, ein schlechter Scherz. Ich habe dir gesagt, dass ich bei dir bleibe, weil ich dich brauche. Es gibt niemanden, der dich ersetzen kann. Seit meine Eltern gestorben sind, bist du alles, was nach Yohkos Tod noch eine Familie für mich ergibt. Du hast mal gesagt, ohne mich bist du nur die Hälfte wert.
Ich bin ohne dich überhaupt nichts. Du bist mein Maß. Du bist meine Inspiration. Und wenn du dich eines Tages entscheiden würdest…“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Wenn du dich entscheidest und ich deine Wahl bin, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden.“

Ich sah sie an, einfach nur an. Dann hob ich mit der Rechten ihr Kinn an. „Megumi. Deine Eltern, ich…“
„Nein, Akira. Nicht das alte Thema. Du hast versucht den Angriff zurück zu schlagen, der ihnen das Leben gekostet hat. Aber sie sind nicht als einzige gestorben. Es wären jedoch mehr als siebenundzwanzig Soldaten gewesen, wenn du nicht da gewesen wärst. Es wären tausende Zivilisten dazu gekommen. Außerdem waren sie beide Soldaten und kannten…“
„Megumi!“, blaffte ich sie an. „Erzähl mir jetzt nicht so einen Scheiß wie sie waren Soldaten und kannten das Risiko! Verdammt, sie waren deine Eltern! Und ich habe sie nicht beschützen können! Sag mir, dass du das verstehst. Ich will nicht deine Vergebung, nicht deinen Segen. Ich will nur, dass du es verstehst.“
Sie schluckte hart, sah mich an. „Akira. Das kann ich nicht. Wenn… Wenn ich jemals anfange, dich so zu sehen, dann…“ Ihre Hand strich über meine Wange. „Das kann ich einfach nicht.“
Ich genoss die Berührung ihrer Hand, legte mein Gesicht hinein. „Ich liebe dich.“
„Du liebst jeden hier am Strand“, erwiderte sie. „Und du weißt, dass ich Recht habe.“

Als das Geräusch eines landenden Helikopters erklang, sah ich auf. Ich hatte die Ankunft der Flugmaschine nicht bemerkt. „Ich muß gehen“, sagte Megumi ernst und nahm ihre Hand zurück. Sie drehte sich um und ging auf den Hubschrauber zu.
„Akira“, sagte sie laut, ohne sich umzudrehen. „Einer von uns beiden, versprochen?“
„Einer von uns beiden“, antwortete ich ernst und laut genug, um den relativ leisen Rotor des Hubschraubers zu übertönen. Einer von uns beiden würde Taylor erwischen, ja.
**
„Habe ich dich nicht gewarnt?“, erklang eine Stimme hinter mir, kaum dass ich den Hubschrauber mit Megumi an Bord aus den Augen verloren hatte.
Ich stöhnte verzweifelt auf. „Mamoru.“
„Ja. Mamoru. Der gleiche Mamoru, der dich gestern gewarnt hat. Der gleiche Mamoru, der dir heute dafür in den Arsch treten wird!“
Ich fuhr herum, gerade rechtzeitig genug um meinen linken Arm zu einem Block hochzureißen. Sein rechter Fuß krachte dagegen.
Mamoru nahm den Fuß wieder zurück und tänzelte außerhalb meiner Reichweite.
„Respekt, guter Kick. Karate?“, fragte ich.
„Thai-boxen, wenn du es wissen willst. Im siebten Jahr.“
„Das ändert auch nichts“, stellte ich fest, verschränkte eine Hand hinter dem Rücken und winkte ihm mit der anderen zu, doch bitte näher zu kommen.

Er kam näher, griff mit einer Links-Rechts-Kombination an, die an meinem Block scheiterte. Ich ließ mich vom Schwung seines Schlages ein wenig zur Seite werfen, nutzte die Eigenbewegung und wirbelte mit erhobenem Fuß um die eigene Achse. Knapp vor seinem Gesicht wischte er durch die Luft.
„Auch nicht schlecht. Aber noch lange nicht gut genug!“
Wieder griff er an. Ich verteidigte mein Gesicht und die Kehle, ließ Bauch und Brust ungeschützt. Mamoru nahm die Einladung an und versetzte mir ein paar schnelle Gerade auf den Bauch. Ich nutzte die Eröffnung, die mir eine Konzentrationslücke nach dem vierten Schlag bot und schlug schnell und hart nach seinem Kiefer.
Mamoru taumelte einen Schritt zurück und starrte mich an. „Verdammt hart da unten.“
Ich spreizte meine Linke und ballte sie wieder. „Wollte ich auch gerade sagen. Hast du deinen Kiefer mit Beton ausgegossen?“
Mein Gegenüber grinste. Wieder wischte sein Fuß durch die Luft, traf mich seitlich auf Höhe der Nieren. Ich zog mich einen Moment aus seiner Reichweite zurück. „Autsch.“
„Es wird gleich noch ein wenig schmerzhafter, versprochen“, sagte Mamoru grinsend.
Wir tauschten darauf hin mehrere schmerzhafte Trittkombinationen aus, die vor allem darauf abzielten dem anderen wehzutun. Was Mamoru vortrefflich schaffte. Und was ihm auch gelang, wie ich anhand meiner anwachsenden Schmerzen merkte.

Erneut griff er an, ließ eine schnelle Kombination auf meine Deckung prallen. Ich wich zurück. Den zusätzlichen Platz wollte er für einen Tritt mit seinem Knie nutzen, aber ich war schnell wieder einen Schritt vorgetreten, hatte ihn am Kragen seines Shirts gepackt und ließ mich zu Boden fallen. Ich stemmte ein Knie auf seinen Magen und warf ihn über mich hinweg. Ich hörte seinen Aufschrei, als er hart aufschlug. Sofort spannte ich meinen Körper an, riss die Beine hoch, und versuchte mit Schwung auf die Füße zu springen.
Leider hatte Mamorus Ferse etwas dagegen und wischte mir den sicheren Stand fort.
Ich stürzte hart zurück. Der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen. Verzweifelt rang ich nach Atem, wertvolle Sekunden, in denen ich absolut wehrlos war.

Aber sein erwartetet Angriff kam nicht. Ich wandte den Kopf, erkannte ihn, wie er nicht weit von mir am Boden lag. Er japste nach Atem. „Scheiße. Bist du stark.“
„Du bist auch nicht gerade von Pappe, Mann“, erwiderte ich und versuchte mich aufzurichten.
Langsam kam auch Mamoru hoch.
Dann standen wir uns gegenüber. Stumm sahen wir uns in die Augen. „Ich mag Megumi wirklich sehr“, stellte er fest. „Alles was ich will ist, dass sie glücklich ist. Sie hat schon viel zu viel zu tun, wenn sie ständig gegen die Kronosier fliegen muß. Verstehst du das nicht?“
Ich schüttelte stumm den Kopf. „Ich will ihr doch gar nichts Böses. Im Gegenteil. Ich glaube, ich liebe sie.“
Mamoru schüttelte nur trotzig den Kopf. „Tut mir Leid, Junge. Aber das kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen. Ich weiß nicht genau, wie du es schaffst ihr immer so viel Schmerz zuzufügen. Aber Liebe kann es nicht sein. Sie ist absolut verknallt in diesen Superpiloten. Diesen Blue Lightning.“
Heiser lachte ich auf. „Ich BIN…“
Ich ließ den Kopf hängen. „Ich bin ein Riesenidiot, der nicht weiß, was er denkt und fühlt.“
Langsam streckte ich meine Rechte aus. „Fangen wir noch mal von vorne an?“
Mamoru betrachtete die Hand. Schließlich ergriff er sie.

„Du bedienst ganz schön das Klischee, Akira“, sagte er, als wir zu den anderen zurückgingen. „Zwei Männer, die Verständnis füreinander entwickeln, nachdem sie sich geprügelt haben ist ein alter Hut, oder?“
Ich grinste den anderen an. „Aber hat funktioniert, oder? Deine sieben Jahre Kickboxen haben sich jedenfalls gelohnt.“
„Dein Training aber auch. Aikhido, Karate, Judo, dazu weiß ich das du Kendo betreibst…“
Ich winkte ab. „Ich mache nur Cross-Training. Und Kendo habe ich aufgegeben. Sag mal, wie hast du Megumi kennen gelernt?“
Mamoru lachte leise. „Du weißt, dass es verdammt schwer ist, von ihr wahrgenommen zu werden, selbst wenn man mit ihr auf eine Schule geht? Ich habe über zwei Monate gebraucht, bevor sie mich überhaupt angesehen hat.“
Ein harter Schlag traf mich an der Schulter. „Dabei war es nicht sehr hilfreich zu sehen, wie du mit ihr munter drauf los schwatzt wie alte Freunde.“
Ich grinste verlegen und rieb mir die schmerzende Stelle. „Wir sind alte Freunde.“
„Hm. Ja. Das erklärt einiges“, murmelte Mamoru nachdenklich. Er sah mich an. „Denkst du, ich habe eine Chance bei ihr? Ihr Kuss Gestern Abend war jedenfalls sehr zurückhaltend.“
„Kuss?“, rief ich überrascht.
„Hallo? Wir sind erwachsen! Tu nicht so aufgeregt, immerhin ist nichts weiter passiert. Also, was denkst du?“
Ich rieb mir nachdenklich das Kinn. „Sie mag dich. Sie mag dich definitiv. Ich meine, ich würde sie gerne für mich haben, aber sie hat dich bemerkt.“
„Akira-sama, Sie sind zu gütig zu mir“, erwiderte Mamoru mit Sarkasmus in der Stimme.

Ich ließ mich in den Sand sinken und starrte aufs Meer hinaus. Neben mir setzte sich Mamoru hin. „Es ist genau drei Jahre her, da starb meine Schwester. Von diesem Moment an war Megumi alles, was mir von ihr geblieben war. Das wäre die Grundlage für eine Beziehung gewesen. Aber dann entführten die Kronosier den Sohn von Eikichi Otomo und führten ein paar schaurige Experimente mit ihm durch.“
„Du redest von dir“, stellte Mamoru fest.
„Natürlich rede ich von mir. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass Eikichi noch einen Sohn hat“, brummte ich. „Jedenfalls löschten diese weißhaarigen Bastarde Teile meines Gedächtnisses.
Sie stahlen mir mehr als ein halbes Jahr meines Lebens.
Und als ich in dieses Leben zurückkehrte, hatte ich so viel verloren, so viel vergessen. Okay, alleine auf den Pott gehen konnte ich immer noch. Und den Großteil meiner Mangas konnte ich deswegen noch mal lesen. Das war aber auch das einzig Positive gewesen.
Dennoch. Ich hatte sehr viel vergessen. Über Menschen. Über meine Erlebnisse. Ich… Ich bin sehr dankbar, dass ich nichts über Megumi vergessen habe.
Aber… Drei lange Jahre war ich für sie nicht mehr als ein Freund, weil ich nicht mehr wusste, wie ich für sie gefühlt habe. Drei lange Jahre wusste ich nichts mehr von meiner Schwester. Und das war genauso wie Megumi zu vergessen.
Ich war für sie alles, was sie auf der Welt noch hatte. Und sie war für mich meine letzte Verbindung zu Yohko. Das war ausradiert. Weggewischt. Fort.
Und damit war aus unserer Beziehung, aus unserer familiären Bindung… ein Nichts geworden.“
„Akira. Ich hatte ja keine Ahnung…“
„Schon gut. Du hast ja in vielem Recht. Das ist ja das Schlimme“, murmelte ich leise.
„Das ist es also, was sie so verwirrt. Von heute auf Morgen ist der Akira zurück, der mit ihr um Yohko getrauert hat. Es ist doch klar, dass sie mit dieser Situation nicht klar kommt.“
Mamoru erhob sich. „Du bist ein Arschloch, Akira Otomo. Aber wenn es dich tröstet, du bist ein Arschloch ganz nach meinem Herzen. Ich mag dich.
Und ich kann dich nicht so einfach ausschalten. Erstens will ich nicht und zweitens kann ich nicht. Ich werde mich ab sofort aktiv um Megumi bemühen. Und falls du dich endlich mal zu einer Entscheidung durchringst, werden wir Rivalen sein.“
Mamoru ging ein paar Schritte, sah zurück. „Darauf freue ich mich schon, Akira.“
Ich nickte schwer. „Du bist nur halb so ein Rindvieh wie ich gedacht habe. Ich freue mich, dass ich dich kennen gelernt habe. Und ich freue mich, dich zum Gegner zu haben.“
„Dann ist es abgemacht“, sagte er leise und ging weiter.
Ich sah ihm nach. Wie hatte es so enden können? Welch ironisches Schicksal hatte mich nun dazu verdammt, diesen Kerl zu mögen?
Aber ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, es änderte nichts. Ich mochte ihn wirklich. Außerdem tat mein Kiefer immer noch vom gestrigen Schlag weh.

„Akira-tono“, sagte Kitsune und strich in der Fuchsgestalt zwischen meinen Beinen durch. „Ein Wort von dir und ich schmuggle ihn einen kalten, toten Fisch in die Tasche.
Ich grinste und tätschelte dem Fuchs den Kopf. „Nett von dir, aber Freunden tue ich so etwas nicht an.“
„So, so. Das ist ein Freund? Dann würde ich gerne mal einen Feind von dir kennen lernen.“
Ich lachte leise. „Das wirst du, Dai-Kitsune. Das wirst du.“

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23.01.2005 21:20 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Das Mittagessen zelebrierten wir mit einem Barbeque, für das Joan sorgte. Blondie und der Zopf grillten, was das Zeug hielt. Dai-Okame versuchte sich tatsächlich beim Volleyball. Was dazu führte, dass dem armen Makoto beinahe die Arme gebrochen wurden, als er versuchte einen Schlag vom Wolf zu baggern.
Hina steckte den Kopf mit Kei zusammen und kicherte mit ihm. Da hatten sich ja zwei gefunden.
Ami hing die ganze Zeit an Doitsu, dem dieser Umstand durchaus zu gefallen schien. Irgendwie hatte er immer ein Faible für das blasse Mädchen gehabt – vor allem seit er sie bei der Prüfung zum braunen Gürtel gesehen hatte.
Kenji hingegen spielte mit Yoshi Go. Die beiden ließen sich dabei von nichts und niemandem stören, und unterbrochen wurde die stille Konzentration nur ab und an von Yoshis lauten Flüchen, wenn er einen gesetzten Stein im Nachhinein als Fehler erkannte.
Ehrlich gesagt amüsierte mich dieser Anblick. Nein, amüsieren war das falsche Wort. Ich freute mich darüber. Fast erschien es mir so, als wäre das große, leere Haus, in dem ich so lange gewohnt hatte, für immer verschwunden. Es hatte sich gefüllt. Mit Freunden gefüllt. Ich wollte dort nie wieder allein leben. Ich wollte immer mit diesen Menschen zusammen bleiben.
Auf meine ganz eigene Art liebte ich sie alle…
Nun, nicht alle auf die gleiche Art, aber im Prinzip stimmte das schon.

„Und jetzt“, hörte ich Joan Reilley rufen, „kommt der große Limbo-Kontest. Dazu haben wir hier das original jamaicanische Hindernis aufgebaut. Sinn der Geschichte ist es, unter der Querstange hindurch zu kommen ohne die Hände zu benutzen, sich vorzubeugen oder hinten über zu fallen. Earl, dein Part!“
Der Irokese griff nach dem Rekorder neben sich und schaltete ihn ein. Unvermittelt hatte ich das Gefühl, neben einer Bassbox zu sitzen. Der Riese entschuldigte sich und dreht etwas leiser, kurz darauf erklang Steeldrum-Musik.
„Gewonnen hat, wer beim niedrigsten Stand der Stange noch unter durch kommt! Und der Sieger darf sich was wünschen! Aki-chan, was möchtest du gerne sein, Teilnehmer oder Wunsch?“
Ich grinste breit. Spielverderber war ich noch nie gewesen. „Beides, Joan.“
„Na, das ist doch ein Wort! Ich mache es mal vor.“

Joan trat an die Stange heran und begann sich zu der Musik zu bewegen. Nach und nach beugte sie sich zurück und manövrierte sich langsam, aber sehr geschmeidig unter der Stange durch.
„Wenn sie jetzt atmet, schmeißt sie die Stange runter“, hörte ich Makoto neben mir sagen. Seine Stimme klang reichlich heiser. „So ein Vorbau sollte verboten werden.“
In diesem Moment rutschte auch der letzte Rest Joan Reilley unter der Stange durch und die Anwesenden applaudierten. Vor allem die Männer, aber ich bezweifelte, dass die meisten wirklich auf den ganzen Vorgang geachtet hatten.
„Wer will jetzt?“, rief Joan in die Runde.
Niemand meldete sich, also erhob ich mich seufzend. „Ich komme schon freiwillig, bevor du mich herbei schleifen musst.“
Erstaunt sah sie mich an. „Kannst du seit neuestem meine Gedanken lesen?“
„Was, wenn ich es kann?“, neckte ich sie.
„So? Dann lies meine Gedanken jetzt mal“, sagte sie mit blitzenden Augen. Ihre Zunge leckte leicht über ihre Oberlippe.
Ich schluckte hart.
„Du kannst ja wirklich Gedanken lesen, Aki-chan“, neckte sie mich.
Ich senkte den Kopf und atmete tief durch, sehr tief durch. Als ich glaubte, mich wieder im Griff zu haben, trat ich an die Stange heran. „Du bist ein ganz schönes Biest, weißt du das?“, hauchte ich ihr zu.
Die Amerikanerin lächelte zu mir herüber und streckte ihre Zunge kurz zum linken Mundwinkel raus. „Aki-chan, du darfst jederzeit herausfinden wie viel Biest ich bin.“
„War das eine sexuelle Anspielung?“, fragte ich amüsiert.
„Das waren alles sexuelle Anspielungen“, erklärte sie mit einem süßen Lächeln.
Unwillkürlich wurde mir sogar der Kragen meines weiten Shirts zu eng.

„Na, dann wollen wir doch mal. Los, Aki-chan“, rief sie, „zeig uns was du kannst!“
Irokese schaltete die Musik wieder an und ich versuchte mich an den Rhythmus der Musik anzupassen. Als ich das richtige Feeling entwickelt hatte, begann ich mich langsam nach hinten zu biegen und dabei unter der Stange durch zu manövrieren.
„Los, Akira-san!“, hörte ich Hina rufen.
„Genau, Akira, das schaffst du“, fügte Kei hinzu.
„Du bist als nächster dran, Kleiner“, versprach ich dem Computerfreak.
Ich war fast unter der Stange durch, als Kitsune auf mich zu gelaufen kam und schwer atmend neben mir stehen blieb. „Akira-tono. Ärger.“
Erschrocken richtete ich mich auf und riss dabei die Stange herunter.
Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Reihe meiner Freunde.
„Was für Ärger?“, fragte ich ernst.
„Das können wir nicht sagen. Aber etwas Gewaltiges ist passiert. Etwas, was vollkommen gegen den Willen des Natürlichen geschieht.“ Kitsune sah mich an und ich glaubte, in den grünen Augen der Daimon Angst zu sehen.

Vom Strand her hörte ich das vertraute Geräusch der Transporthubschrauber der UEMF.
Zwei von ihnen, Bell-Transporter, huschten auf den Strand zu und begannen eine Landeoperation. Infanterie, schwer bewaffnet und sichtlich zu allem entschlossen, jeder mit einem UEMF-Zeichen auf der Brust, stürmte den Strand. Eine Gruppe ging auf weite Sicherung von Strand und Hubschrauber. Die andere stürmte zu unserer Limbo-Party.
Von den zwanzig Mann stürmten zehn an uns vorbei, warfen sich in den Dreck und suchten die Umgebung nach Gefahren ab.
Ihr Anführer, ein Lieutenant, salutierte vor mir. „Sir. Sie müssen sofort mitkommen.“
In meinem Innern tobte das Entsetzen. Was war passiert, dass die Daimon es spüren konnten? Was war passiert, dass die UEMF die eherne Regel brach, mich nicht zu enttarnen? Und was war, wenn es ein blinder Alarm war?
„Identifikation, Lieutenant“, forderte ich ernst.
Der Offizier sah mich erstaunt an, nickte dann aber. Aus einer Tasche auf seinem Oberarm zog er eine Plastikkarte. Er brach sie auf. „Lima, Mike, Ecco.“
Ich nickte. Genau dieser Code war vereinbart worden. Genau für diesen Fall. Wenn Soldaten mich auf den OLYMP bringen sollten, ohne dass ich vorweg informiert werden konnte.
„Bestätigt. Was ist passiert?“
„Akira, was ist los? Was wollen die Soldaten von dir?“, rief Kei.
Doitsu trat neben mich. „Wenn Ihr ihn mitnehmen wollt, dann müsst Ihr euch aber eine Menge Mühe geben.“ Er legte seine rechte Faust in die linke Hand und massierte sie, bis die Knöchel knackten.

Ich legte eine Hand auf Doitsus Schulter. „Danke, aber das ist nicht nötig. Reden Sie, Lieutenant.“
„Sir. Das ist eine Information, die Streng Geheim unterliegt. Nur Sie, Major Ino und Lt. Colonel Ino haben die Qualifikation, diese zu hören. Bestimmt nicht die Zivilisten hier.“
„Akira, was ist los? Sollen wir dir einen Anwalt rufen?“, fragte Hina aufgeregt.
Ich sah sie an, dann wieder zum Lieutenant. Langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein. Das braucht Ihr nicht. Mein… Vater lässt mich nur zu sich kommen. Es… Es scheint sehr wichtig zu sein. Tut mir Leid, aber Ihr müsst ohne mich zurück fahren.“
Ich nickte dem Offizier zu. „Wir rücken ab.“
„Ja, Sir. Abrücken. Den Colonel in die Mitte nehmen.“
Die Soldaten formierten sich. Und ich hatte das dringende Bedürfnis, dem Lieutenant so lange den Magen zu malträtieren, bis er kotzen musste. Da hatte ich schon eine tolle Ausrede gefunden, warum mich Militär abholte, und dann warf er das Wort Colonel ein. Ich konnte nur hoffen, dass niemand auf die Abzeichen achtete, und eins und eins zusammen zählte.

Makoto gesellte sich wortlos dazu. „Ich komme mit. Wenn es so wichtig ist, gehöre ich auf meinen Posten.“
Ich nickte. „Einverstanden.“
Sakura tauchte auf meiner anderen Seite auf. „Ich komme ebenfalls mit. Keine Widerrede, sonst musst du nächst Woche nachsitzen.“
„Auch das noch, Willkür“, scherzte ich.
„Akira-sama!“, rief Lilian hinter mir, tanzte durch die Reihen der Soldaten und kam neben mir an, bevor auch nur einer von ihnen reagieren konnte. „Ich und Yoshi wollen auch mit. Vielleicht brauchst du uns.“
Ich sah sie an und nickte. Dann wandte ich mich um und sah Yoshi, der mit einem Soldaten der Begleitmannschaft diskutierte. „Komm ran, Yoshi, wir haben nicht alle Zeit der Welt!“
Triumphierend grinsend ging der Freund an dem Soldaten vorbei und reihte sich ein.

„Ich hoffe, das war es dann. Oder kommen noch mehr mit?“, brummte der Lieutenant ärgerlich.
„Das sind alles Angehörige der UEMF. Ich autorisiere es“, sagte ich scharf, während wir den Hubschraubern immer näher kamen. „Sag mal, will Thomas gar nicht mit, Sakura?“
„Sniper“, erwiderte sie ernst, „musste Gestern Abend schon gehen, weil irgend jemand seine Kompanie, die Briareos heute Nachmittag zu einer Übung eingeteilt hat.“
„Oh“, machte ich und beschloss, zu dem Thema zu schweigen. Da konnte ich nur verlieren.
„Und was ist mit den beiden?“, fragte der Offizier resignierend, und deutete auf unseren Hubschrauber, vor dem ein junges Mädchen und ein älterer, aber sehr kräftiger Mann standen, „gehören die auch zur UEMF?“
Ich musste lachen. „Nein, sie gehören nicht zur UEMF. Aber ich autorisiere es ebenfalls.“
Ich betrat den Hubschrauber und winkte den beiden zu. „Dai-Kitsune-sama, Dai-Okame-sama, seid meine Gäste.“

Die letzten Infanteristen kletterten an Bord. Kurz darauf hob der Transporter ab. Ich sah hinaus und erkannte meine Freunde am Strand. Tja, die Party hatten wir nachhaltig ruiniert.
Joan Reilley stand unten und sah hoch, fixierte meinen Blick. Ihre Lippen formten Worte, während sie sich eine Strähne ihres roten Haars aus der Stirn strich: Komm bitte wieder.
Ich nickte ihr zu. „Ich verspreche es“, murmelte ich leise.

4.
Der Flug ging direkt zur Titanen-Station. Bereits zwanzig Kilometer vor der Station nahmen die Patrouillen von Hawks, HAWKEYE-Kampfjets und Sparrows massiv zu. Dazu patrouillierten Kampfhubschrauber vom Typ ERASER den Luftraum. Als ich auf das Meer hinab sah, glaubte ich für einen Moment, einen Flugzeugträger zu erkennen.
Ich wusste, dass die Amerikaner daran arbeiteten, mehrere ihrer Träger zu Mecha-Trägern umzurüsten und das angeblich eine Umrüstung, die der ENTERPRISE abgeschlossen sein sollte. Aber ich fand es doch etwas merkwürdig, dass die Trägergruppe, der komplette Kampfverband Kurs auf die Titanen-Station nahm.

Wir schleusten ein und innerhalb des Hangars erwartete uns eine ähnliche Betriebsamkeit wie außerhalb. Wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen liefen Piloten, Infanteristen und Techniker durcheinander.
Ich verließ den Hubschrauber sofort nachdem sich die Luke geöffnet hatte. Commander Sikorsky selbst stand zu meinem Empfang bereit.
„Gut, dass Sie da sind, Colonel. Bei uns ist echt die Kacke am dampfen! Kommen Sie, kommen Sie!“
Wir folgten dem Offizier tiefer in die Station.
„Die Lage ist wie folgt: OLYMP wurde mit einer unbekannten Waffe angegriffen. Ich nehme an, Sie kennen den Geheimdienstbericht über Agent Valjean? Er ist authentisch. Oder um es noch direkter auszudrücken: Die Waffe, die ARTEMIS hatte ausschalten sollen, hat nun den OLYMP erwischt.
In diesem Moment leisten fünf Mechas der Hekatoncheiren verzweifelten Widerstand gegen neun angreifende Kronosierschiffe. Fünf Fregatten, ein Kreuzer, zwei Korvetten. Ein Zerstörer. Dazu zweihundert Mechas aller Klassen.
Die YAMATO, die AKAGI und die KOBE befinden sich derzeit im Gefecht mit ihnen. Die WESTPOINT und die MIDWAY laufen mit Höchstfahrt zurück, um sie zu unterstützen, werden aber frühestens in einer Stunde eintreffen. Weitere vier Fregatten und zwei Zerstörer folgen.“
„Warum nur fünf Mechas?“, fragte ich ernst. „Was ist mit den anderen Hekatoncheiren? Wurden sie vernichtet?“

Sikorsky antwortete nicht. Stattdessen hielt er übergangslos an. Wir waren an einem der Lifte angekommen. Neben dem Lift waren fünf menschliche Körper mit Tüchern abgedeckt.
Ich sah den Commander an. Schließlich fasste ich mir ein Herz und lüftete eine der Decken.
Ich hatte schon Tote gesehen, aber dies war das erste Mal, dass ich jemanden sah, dessen Haut im Tode zu Stein geworden zu sein schien. „Dai-Okame-sama“, sagte ich leise.
Der Wolf trat vor und legte eine Hand auf die Stirn des Toten. „Er starb vor etwa einer Stunde. Es war ein natürlicher Tod. Und doch wieder nicht.“
„Wen haben Sie denn da mitgebracht? Na, egal. Er wird schon die erforderlichen Bestimmungen erfüllen.
Was Sie hier sehen sind fünf Techniker, die uns von der Notbesatzung des OLYMP mit einem Lift herab geschickt wurden. Sie starben lange bevor sie hier unten ankamen.
Die Kommunikationsspezialisten, die ihre Fahrstuhlkabine überwacht haben, mussten mit schwerem Schock eingeliefert werden. Ihr Todeskampf muß grausam gewesen sein.
„Jetzt habe ich es, Akira-tono“, sagte Okame. „Ihr Leben wurde verlangsamt. Und dann auf ein Mehrfaches beschleunigt. Kein Wunder, dass sie daran gestorben sind. Ihre Herzen müssen in ihren Leibern geradezu explodiert sein.“
Sikorsky starrte mich an. „Das wollte ich doch erzählen! Jedenfalls wird der gesamte OLYMP von einem Satelliten in einer Art Feld festgehalten. Innerhalb dieses Feldes erstarren die Menschen. Und wenn sie gezwungen werden, es zu verlassen, sterben sie.
Einzig Captain Uno und vier weitere Piloten der Hekatoncheiren sowie vierzig Mann der Stammbesatzung sind dagegen immun. Sie waren es auch, die uns diese Techniker herunter geschickt haben. Leider vergebens.“

„Was haben diese Leute gemeinsam, Commander? Wieso widerstehen sie dem Feld? Wieso wurde ihre Zeit nicht gestoppt?“, fragte ich ernst.
„Nun, der offensichtlichste Gedanke wäre ihr Alter. Sie alle haben eines gemein. Sie sind jünger als fünfundzwanzig Jahre. Aber das ist nicht fix, denn es gibt nach einer kleinen Recherche auch jüngere Menschen, die dem Einfluss des Feldes unterliegen.“
„Wie verläuft die Spanne, Commander?“, fragte ich geradeheraus. „Wie lautet das Differenzalter?“
„Nun, wir haben Vierundzwanzigjährige, genauer gesagt den Briareos-Piloten Sniper, der immun gegen das Feld zu sein scheint. Und wir haben Ensign Watson von der Zentralebesatzung, die mit einundzwanzig Jahren dem Feld unterliegt.“
„Also haben wir eine Toleranz von einundzwanzig bis vierundzwanzig. Hiermit ordne ich an, dass niemand, der über zwanzig Jahre alt ist, versucht in dieses Feld hinein zu kommen.“
„Colonel! Ist es nicht gewagt, davon auszugehen, dass diese These stimmt? Was wenn auch jüngere Leute vom Feld betroffen sind?“, rief Sikorsky aufgebracht.
Ich öffnete die Fahrstuhltüren und trat ein. „Genau das finde ich jetzt heraus. Ihr bleibt so lange hier. Vor allem du, Sakura. Viel Glück.“
„COLONEL!“, rief Sikorsky entsetzt.
Aber da ruckte der Fahrstuhl schon an.

Tausend Gedanken jagten mir durch den Kopf. Was war das für eine Waffe? Warum schien sie nicht auf junge Menschen zu wirken? Würde ich unter ihren Einfluss fallen? Wie sah es mit anderen aus? Und außerdem, dieser massive Angriff, konnten wir ihn zurück schlagen?
„Gibt es denn keine Aufzugmusik?“, maulte Kitsune neben mir.
Erschrocken fuhr ich zusammen – und stieß gegen Okame.
Kitsune sah mich grinsend an und winkte. „Keine Sorge, keine Sorge, dieses Feld kann uns nichts anhaben. Okame meinte, dass dieses technische Objekt den Fluss des KI verlangsamt – extrem verlangsamt, bis es beinahe still steht. Das kann uns nicht passieren, da wir keinen KI-Fluss in unseren Körpern haben.“
„Dann ist ja gut“, sagte ich erleichtert.
„Wir bestehen zur Gänze aus einer Abart des KI.“
„WAS?“ Ich ergriff die Füchsin an ihren Schultern und schüttelte sie. „Was, wenn Ihr zwei auf das Feld reagiert? Was wenn Ihr explodiert? Was wenn ich Dai-Kuzo-sama erklären muß, warum ich euch beide verloren habe?“
Bei meinen Bemühungen wurde Kitsunes Kopf hin und her geworfen. „Be-beruhige dich, Akira-tono“, stotterte sie. „Wi-wi-wir explodieren nicht. Bestenfaaaaals erstarren wir auch.“
Ich nahm meine Hände von ihren Schultern und sah sie ärgerlich an. „Das beruhigt mich nicht im Mindesten!“
„Aber du akzeptierst, dass wir neugierig auf die Beantwortung dieser Frage sind, oder?“, fragte Okame leise.
Zögerlich nickte ich. „Das verstehe ich.“
Ich musterte die beiden. „Könnt Ihr bitte aufhören, in Badesachen herum zu laufen? Das dürfte da oben etwas Misstrauen erregen.“
Übergangslos steckte Kitsune in einer schmucken UEMF-Uniform. Wenngleich der Rock zu viel Bein zeigte.
Okame setzte sich gerade die Schirmmütze auf. „Passt“, kommentierte er.
Ich nickte zufrieden. „Sehr gut. Wirklich sehr gut.“
„Hier“, sagte die Füchsin und hielt mir einen blauen Druckanzug hin. „Du auch.“
„Was? Wo habt Ihr den denn her?“, rief ich verwundert.
„Ach, wir haben so unsere Möglichkeiten“, erwiderte sie grinsend.
„Diese Möglichkeiten könnten noch sehr hilfreich werden“, murmelte ich und zog den Druckanzug an.
**
Die letzten Meter bis zum OLYMP zitterte ich am ganzen Körper. Ich hatte Angst, einfache ehrliche Angst. Was, wenn ich Unrecht hatte und ebenfalls erstarrte? Was wenn die beiden Dämonen neben mir vergingen? Was wenn ich vergessen hatte, den Wasserhahn in der Küche zu zudrehen?
Der Aufzug hielt mit einem Rucken. Unwillkürlich hatte ich die Luft angehalten und beide Augen fest aufeinander gedrückt. Vorsichtig öffnete ich sie nun wieder einen Spalt. „Noch alle bewegungsfähig? Ist jemand explodiert?“
„Also, ich noch nicht“, murmelte der Fuchsdämon.
„Das ist gut, Dai-Kitsune-sama. Wie sieht es bei dir aus, Dai-Okame-sama?“
„Das ist doch absoluter Quatsch, Akira-tono! Nenn mich einfach Kitsune, okay?“, murrte die Füchsin. „Bevor du dir noch die Zunge verknotest.“
Ich nickte der Dämonin zu. „Okay. Kitsune-chan. Und wie soll ich dich nennen?“, fragte ich den Wolf.
„Dai-Okame-sama!“, brummte er.
Kitsune trat einen Schritt vor und landete eine heftige Gerade im Magen des großen Mannes.
Okame beugte sich leicht vor und verzerrte das Gesicht.
„Alter Sturkopf! Wer nicht hören will, muß fühlen. Also, wie nennt Akira-chan dich ab jetzt?“
„Okame-tono.“ Die Füchsin knurrte wütend. „Okame-kun?“
„Schon besser.“
„Dann ist es abgemacht“, fügte ich lächelnd hinzu. Meine Angst war verflogen. Ich fühlte mich wieder wagemutig und kampfbereit.
Ich öffnete die Tür, die auf den OLYMP führte.

Der junge Mann vor mir hatte Angst, bodenlose Angst. Er schwitzte und war sichtlich erleichtert mich zu sehen. Er salutierte. „Sir, Second Lieutenant Rodriguez. Ursprünglich Ortungsabteilung. Bis eben aber ranghöchster aktiver Offizier auf OLYMP.“
Ich nickte. „Gut. Hiermit übernehme ich das Kommando. Wo ist Captain Uno?“
„Sie ist draußen im Feld, Sir. Zusammen mit Sniper und drei weiteren Piloten. Sie…retten ihre Kameraden“, sagte der junge Offizier heiser. „Alle anwesenden Hekatoncheiren waren in Reichweite des Feldes, als es aktiviert wurde. Dreißig Piloten wurden ebenso gelähmt wie die übrigen fünfzigtausend Mann an Bord. Captain Uno und die anderen versuchen unter Lebensgefahr, ihre Kameraden zu bergen, bevor sie aus dem Feld heraus driften.
Was dann mit ihnen passiert, haben Sie sicherlich da unten gesehen, Sir.“
„Ja, ich weiß. Das sind meine beiden Begleiter, Lieutenant Kitsune und Captain Okame. Sie werden Ihnen zur Hand gehen, wo immer dies möglich ist.
Was wissen wir über die Waffe?“, fragte ich.
„Sir. Ist der Captain nicht… etwas alt? Warum unterliegt er nicht dem Feld?“, fragte der Lieutenant erstaunt.
Ich erstarrte. Ich konnte dem Jungen ja kaum erzählen, dass er einen Dämon vor sich hatte. „Captain Okame ist erst zweiundzwanzig.“
„Hört, hört, du wirst gelobt“, spottete Kitsune grinsend.
„Zweiundzwanzig? Aber er…“
Ich trat an den Lieutenant heran und flüsterte eindringlich: „Hören Sie Wolf Okame hat das Methusalem-Syndrom. In fünf Jahren wird er aussehen wie sechzig und in zehn ist er ein verschrumpelter Greis und wenn er Glück hat tot. Dennoch tut er hier seine Pflicht. Nehmen Sie das zur Kenntnis. Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihn nicht drauf ansprechen. Er zählt sein Leben zwar nach Erlebnissen und nicht nach Tagen. Aber ich an seiner Stelle würde nicht gerne daran erinnert werden, dass der Schnitter mich bald holt. Klar?“
„Glasklar, Sir“, erwiderte der Lieutenant.
„Gut.“ Ich trat aus dem Lift und ging zur nächsten Kommunikationstafel. „Akira hier. Es hat geklappt. Kommt nach. Aber lasst Sakura unten, ja?“
„Akira-chan! Warum soll ich hier unten bleiben? Da oben nütze ich doch viel mehr!“, begehrte meine Cousine auf.
„Du bist zu alt! Du wirst erstarren! Dann nützt du uns gar nichts!“, blaffte ich wütend.
„Thomas ist auch schon vierundzwanzig, und er ist nicht erstarrt“, schimpfte sie.
„Du hast eine eins zu drei-Chance gegen dich! Sieh das ein, Sakura! Sieh das als direkten Befehl, Lieutenant Colonel! Makoto, du passt auf, dass sie nicht mit hoch kommt. Beeilt euch. Da draußen können wir ein paar Mechas mehr gebrauchen.“

Ich schaltete ab und wandte mich dem Lieutenant wieder zu. „Also, die Hekatoncheiren retten ihre Kameraden, während sich drei unserer Fregatten mit dem Feind balgen.“
„Ja, Sir. Zusätzlich setzen wir die Primärbewaffnung von OLYMP ein. Das war eine Riesenüberraschung für den Gegner, dass es noch jemanden gab, der es abfeuern konnte.
Aber Captain Uno und die anderen werden auf Langstrecke beschossen. Es ist sehr ernst. Außerdem hatten wir noch keine Zeit, die Waffe selbst näher zu untersuchen.“
Ich dachte einen Moment nach. „Es wird hoffentlich ein einsatzbereiter Hawk im Hangar stehen, Second Lieutenant. Ich gehe raus und unterstütze Captain Uno und die anderen. Meine Piloten sollen mir folgen so schnell sie können. Und schicken Sie eine Nachricht an die Titanen-Station. Sie sollen mir jeden verdammten Mecha-Piloten schicken, der jünger als einundzwanzig ist. Anfangen sollen sie bei First Lieutenant Daisuke Honda. Er ist bei den SpecOps.“
„Verstanden, Sir.“
„Und nehmen Sie Lieutenant Kitsune und Captain Okame mit in die Zentrale. Sie werden Ihre Arbeit so gut es geht erleichtern.“
„Sofort, Sir.“
„Ach, und sorgen Sie dafür, dass jemand einen Kaffee aufsetzt. Dies wird ein verdammt langer Tag. Und wenn wir ihn nicht überstehen, dann haben wir alle verloren.“
„Werde ich machen, Sir.“
„Ja, sind Sie noch nicht fort?“, blaffte ich. Der arme Junge konnte ja nichts dafür, aber ich spürte ein verhängnisvolle Wut in mir ansteigen, die ich irgendwie kanalisieren musste. Wenn nur Blue noch existieren würde!

Ich kannte den Weg in meinen Hangar wie meine Mangasammlung. Ich stürmte in die Halle und sah nur wenige Techniker und Soldaten, die dabei waren, Mechas der Hekatoncheiren zu verankern und die Bewegungsreduzierten Piloten zu bergen. Die meisten Mechas trugen Kampfspuren und waren nicht mit meiner favorisierten Bewaffnung ausgestattet. Aber einer würde es tun müssen.
Ich fühlte mich plötzlich fixiert. Am Rand einer Boarding Bay stand Karl. Er hatte meinen blauen Helm in der Hand und grinste in meine Richtung. Hatte der alte Knacker etwa…?
Nein, er war erstarrt. Aber das mit dem Helm empfand ich als hilfreich.
„Danke, Opa“, sagte ich grinsend und nahm meinen Helm entgegen. Dabei entdeckte ich einen Zettel in seiner rechten Hand. Ich zog ihn hervor und erstarrte. „Dieser alte Bastard! Dieser verrückte Hund!“ Wäre Karl nicht erstarrt gewesen, ich hätte ihn umarmt. So aber tätschelte ich dem alten Knaben nur den Kopf. „Gut gemacht. Sehr gut gemacht.“
Ich trat zu einem der Bedienungsfelder und fuhr eine der wenig frequentierten Lagerbays auf.
Ein schneeweißer Mecha fuhr daraus hervor. Ihm fehlten die für den Hawk so typischen Schulterschilde, aber dafür wirkte er, als stecke er in einer klobigen Rüstung. Der Torso klappte auf und schien nur nach mir zu rufen.
Ich legte meinen Helm an, sprang ins Cockpit und rief: „Hallo, Blue. Wie gefällt es dir in deinem neuen Körper?“
„Bitte schnallen Sie sich an, Colonel. Heute hat wohl niemand Zeit, Ihnen dabei zu helfen. Außerdem habe ich mit den Resten der Künstlichen Intelligenz dieses Mechas kommuniziert. Wir sind einstimmig der Meinung, dass der ehemalige Daishi-Mecha Primus und die Künstliche Intelligenz des Hawk-Mechas Blue Lightning etwas Neues bilden.
Wir, das heißt eigentlich ich… Ich nenne mich ab sofort Prime Lightning.“
„Habe ich nichts gegen“, erwiderte ich fröhlich und schloss die letzten Anschlüsse. „Cockpit versiegeln… Prime. Wir greifen ein.“
„Ja, Colonel. Es tut gut, Sie gesund und munter zu sehen.“
„Du glaubst ja nicht, was es mir bedeutet, das zu hören, Prime.“ Kurz fiel mein Blick auf den Zettel von Karl: Habe mich um alles gekümmert. Viel Spaß mit Primus. Karl.
**
Als ich aus dem Hangar schoss, zwei Herkules-Schwerter in den Händen des humanoiden Mechas, begrüßte mich ein erstaunter Schrei. „Das ist Primus!“
„Ich bin es, Megumi! Akira! Wie kann ich helfen?“, rief ich.
„Hier nicht, wir kommen schon klar. Aber du solltest unsere Schiffe unterstützen. Die werden nach und nach zusammen geschossen, weil sie alle Salven abzufangen versuchen, die auf uns gerichtet sind.“
„Bin schon auf dem Weg!“, rief ich und ging auf volle Beschleunigung.
„Blue Lightning in Prime Lightning hier. AKAGI, haben Sie ein Ziel für mich?“
„Hier AKAGI. Sind Sie das, Colonel Otomo? Wir haben eine Verteidigungslinie mit unseren zwanzig Mechas und den jeweils zwanzig der KOBE und der YAMATO aufgebaut, aber wir müssen mächtig Federn lassen. Wenn Sie vielleicht diesen verdammten ZULU kalt stellen können wie neulich, würde uns das schon helfen.“
„Captain Mbasa, nicht? Ich benutze Ihre Fregatte als Deckung. Sehen Sie zu, dass ich von Ihrem Feuer nicht erwischt werde, wenn ich vorbei komme.“
„Verstanden. Wir schießen vorsichtig Sperrfeuer.“

Die AKAGI kam schnell näher. Auch die YAMATO, das Schiff, mit dem ich damals zum Mars geflogen war, vergrößerte sich schnell. Es hatte schwer gelitten und eine Menge Treffer eingesteckt. Große Teile der Oberfläche glühten bereits rot auf.
Okay, spätestens jetzt war ich sauer!
Die AKAGI huschte wie ein Schemen unter mir hinweg, als ich sie passierte. Der Kenianer hielt sein Wort und gab Sperrfeuer, vermied aber freundliches Feuer. Ich erreichte die Sperrlinie unserer Mechas, bestehend aus Hawks, Sparrows und ein paar Eagles. Ehrfürchtig machten die UEMF-Mechas mir Platz und entließen mich mitten in die Reihen der angreifenden Daishis.
Ich passierte diese Linie, zog dabei meine Schwerter durch. Zwei Gammas explodierten hinter mir.

„Akari!“, blaffte ich.
„Ich bin hier, Meister.“
„Das weiß ich. Du wirst mir wieder helfen müssen. Und diesmal muß es auch ohne die Slayer gehen. Wir müssen diesen Kreuzer vernichten.“
Akari lächelte mich an. Sie trug erstaunlicherweise die Slayer-Uniform. „Da habe ich aber eine gute Nachricht, Akira-sama. Blue und die anderen haben bereits einen Kreis errichtet, unten auf der Erde. Sie fokussieren ihre Energie und senden sie zu mir hoch.“
„Das sind doch mal gute Nachrichten!“, rief ich und lud beide Klingen mit meinem KI auf. Ich flog direkt durch das Sperrfeuer der Fregatte, glitt über ihre Oberfläche hinweg und zog eines meiner Schwerter über die vorstehende Brücke des Feindschiffs, während ich sie passierte. Trottel. Wer baute eine Zentrale auch an einem derart verwundbaren Teil des Schiffs auf?
Hinter mir zersprangen die Panzerung und das Schutzglas und entließen Schiffsatmosphäre ins Vakuum des Alls.

Dann tauchte der ZULU vor mir auf. Entsetzt sah ich, dass die Hauptwaffe auflud. Das Glimmen wirkte nicht so gewaltig, nicht so mächtig wie bei dem ZULU neulich, der Seelenenergie verwendet hatte. Aber es würde reichen, der YAMATO, der guten alten YAMATO den Gnadenstoß zu versetzen. Zudem erwarteten mich mindestens dreißig Daishi der unteren drei Klassen.
„Meinetwegen“, knurrte ich wütend und ließ den Hawk wieder taumeln, um aus dem Beschuss raus zu kommen, den mir der ZULU entgegen schickte.
Zehn Alphas flogen mir entgegen, feuerten aus allen Rohren auf mich. Mehrere Schüsse trafen, aber Prime registrierte keine Schäden. Wow. WOW! Die neue Panzerung war enorm!
Dann passierte ich die Alphas und vernichtete drei von ihnen mit den Schwertern. Blieben noch vierzehn Betas und sechs Gammas.

Übergangslos brannte um mich herum das All. Ein Beta explodierte, danach ein zweiter.
Wieder hörte ich diesen wilden Triumphschrei, den ich bereits einmal zu schätzen gewusst hatte.
„Ich bin der Beste! Der Allerbeste!“, rief Yoshi aufgeregt.
„Flieg weiter, Akira. Wir geben dir Deckung!“, hörte ich Makoto rufen.
„Und wir sorgen dafür, dass du auch heil wieder zurück kommst!“, erklang Lilians Stimme hinter mir. Ein Blick auf die Ortung verriet mir, dass sie sich mit ihrem Sparrow mit zwei Alphas angelegt hatte… Mit einem Alpha… Das sie gerade die Linie durchbrach und das mit enormen Erfolg.
Ich erinnerte mich an ihre begeisterten Worte: Es wäre so, als wenn der Sparrow extra für sie gemacht worden wäre.
Vielleicht hatte sie Recht.
„Ich bin auch noch da, Akira“, klang Megumis Stimme auf. „Lilian und ich halten dir die Tür auf. Und die Hekatoncheiren decken unseren Rückzug!“
„Danke. Ich liebe dich!“, rief ich und stieß dank Yoshis präzisen Feuers immer tiefer auf den ZULU zu.
„Hast du gerade gesagt, dass du Megumi-sama liebst?“, fragte Akari erstaunt.
„Ja, aber sie glaubt es mir sowieso nicht“, erwiderte ich. „Beginne jetzt.“
Der Oni erwachte aus seiner nachdenklichen Starre und nickte.

Akari begann neben mir im Cockpit zu schweben. Sie entwickelte eine lichtintensive Aura, deren Licht durch das Cockpit wanderte und die Schwerter erreichte. Die Klingen verlängerten sich auf über hundert Meter.
Ich passierte den ZULU mit nur wenigen Zentimetern Abstand, wirbelte mit meinem Mecha herum und löste eine Salve Raketen aus, die einen feindlichen Geschützturm vernichteten. Raketen. Endlich wieder Raketen, nachdem sie so lange aus der Mecha-Gefechtsdoktrin der UEMF verschwunden waren.
Dann kreuzte ich die Arme und damit die Schwerter vor der Brust. Kam in die richtige Position. Und schlug zu.

„WESTPOINT hier! Wir kommen gerade mit Höchstfahrt vom Mond um Ihnen zu helfen, Blue Lightning“, klang eine amüsierte Stimme über Funk auf. „Aber wie man anhand eines explodierenden ZULU-Kreuzers sehen kann, kommen Sie ja ganz gut alleine klar.“
„Keineswegs, WESTPOINT. Räumen Sie doch bitte hinter uns auf. Es gibt noch mehr als genügend Ziele. Ich eskortiere die YAMATO aus dem Kampfgebiet heraus. Und geraten Sie nicht in das Feld.“
„Wir haben davon gehört, Sir. Wir passen schon auf. Und sobald die MIDWAY hier ist…“
Der Captain der WESTPOINT sprach es nicht aus, aber wir wussten alle, was er meinte. Dann lag die Kräfteverteilung wieder klar bei uns.
Übergangslos feuerten die schweren Geschütze des OLYMP und vernichteten eine Korvette.

„Danke für eure Hilfe, Leute“, rief ich erleichtert, als ich die Linie meiner Freunde erreichte. „Bringen wir die gute alte YAMATO hier raus. Und dann kümmern wir uns um ein wirkliches Problem.“
„Verstanden!“, hallte es mir entgegen.

5.
Schwerelos, nur mit meinem Druckanzug geschützt, schwebte ich vor der vier Meter durchmessenden Sonde, die das Feld emittierte.
Vorsichtig öffnete ich eine Abdeckung und sah hinein. Akari, die neben mir schwebte, meinte: „Da schwirrt aber eine Menge KI herum, Meister.“
„Wir müssen einen Weg finden, das Mistding abzuschalten, Akari.“
„Das würde ich nicht tun“, erklang eine Stimme über den offenen Kanal. „Fliegerjunge, du bist es doch, oder? Wir haben ja ne kleine Ewigkeit nicht mehr miteinander gesprochen.“
„TAYLOR!“, knurrte ich wütend.
„Richtig. Dein guter alter Freund Henry William Taylor mit der guten Krankenversorgung. Die habe ich dank dir auch gebraucht. Wer konnte denn ahnen, dass du nachtragender Bastard gleich einen ganzen Mond nach uns wirfst?
Jedenfalls beweise ich dir jetzt, dass ich in die Zukunft sehen kann. Du willst die Sonde mit dem Temporalresonator abschalten, richtig? Genauso gut kannst du auch alle Schleusen auf ARTEMIS öffnen. Das tötet die Menschen wesentlich gnädiger.
Du musst anders heran gehen. Du musst dafür sorgen, dass die Leistung des Resonators abnimmt. Nach und nach. Sagen wir, dass sie in einem dreiviertel Jahr bei null angelangt ist. Stellst du sie schneller ein, tötest du die Besatzung von ARTEMIS. Stellst du sie langsamer ein… Nun, das wirst du freiwillig niemals tun, oder? Ich werde dir genau erklären, was du zu tun hast.
Warum ich dir das sage? Weil du mir dann noch einen Gefallen schuldest. Nachdem ich dir schon dein Schwesterlein zurück geschickt habe, dachte ich, könntest du etwas konstruktive Hilfe brauchen. Also. Entweder verschwindest du jetzt oder du schuldest mir zwei Gefallen.“

Die Stimme verstummte. Und meine Gedanken rasten. ARTEMIS? Ging der Bastard davon aus, dass die Waffe auf ARTEMIS angesetzt wurde? Wie Valjean sagte, der dritte Angriff.
Ich grinste. Ja, ich würde ihm zuhören.
„Du bist noch da, Fliegerjunge. Dann sperr die Lauscher auf. Onkel Henry erklärt das jetzt nur einmal…“
**
Erschöpft lehnte ich mich gegen die nächste Wand. Ein dreiviertel Jahr würde es dauern. Ein dreiviertel Jahr, bis die Strahlung auf null war. Ich hatte die berechtigte Hoffnung, dass die Besatzung schon lange vorher ihr altes Zeitniveau erreichte.
Insoweit war ich dankbar für Taylors Hilfe. Ich sah nach Rechts, wo Megumi und Lilian saßen. Die beiden wirkten erschöpft, aber entschlossen. Makoto sprach leise mit Sniper und Colt, einem Kottos-Piloten.
Und Yoshi saß neben mir und grinste. „Wird man nach fünf Abschüssen eigentlich ein Aß?“
„Eigentlich…“, begann ich, wurde aber unterbrochen.
„Akira-chan“, sagte Kitsune. Sie war lautlos neben uns getreten. „Das kam gerade herein. Die Kronosier haben ARTEMIS bombardiert. Der Angriff konnte abgeschlagen werden.
Aber der Rumpf der BISMARCK brannte aus. Die anderen beiden Schiffe wurden schwer beschädigt.“
Die Kreuzer! Entsetzt fuhr ich hoch. Nein… Nein! NEIN!

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

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Anime Evolution
Episode 11

1.
Schweigend saß ich in dem Büro, meinen Kopf in den Händen gebettet und dachte nach. Dieser Ort, er war für mich immer etwas Besonderes, beinahe heiliges gewesen.
Dies war Vaters Büro.
Eikichi… Er war mir immer so mächtig vorgekommen, so gewaltig. Ich musterte das erstarrte Gesicht meines Vaters, den kleinen Kinnbart, die grauen Strähnen in seinem schwarzen Haar. Ob er ahnte, was gerade mit ihm geschah?
Die wenigen aktiven Sanitäter an Bord hatten gesagt, dass die Herzen der Menschen binnen einer Stunde nur einmal schlugen. Das war schlimmer als Koma, ihr Zeitempfinden war drastisch reduziert worden. Ich verstand, was Kitsune mit unwirklich gemeint hatte.
Die Sonde operierte mit KI-Energie. Geraubter Seelenenergie. Sie erzeugte ein gewaltiges Feld, in dem anderes KI in Resonanz trat. Und extrem verlangsamt wurde. Damit verlangsamte sich auch das zeitliche Empfinden der in ihm gefangenen Menschen.

Ein langes, ein sehr langes dreiviertel Jahr würde kein Erwachsener, der älter als zwanzig Jahre war, den OLYMP betreten können, ohne das Risiko einzugehen, ebenfalls zu erstarren.
Wir hatten den Angriff der Kronosier-Schiffe abgeschlagen. Aber konnten wir weitermachen? Fünfzigtausend Menschen dienten auf dieser Plattform. Sie waren alle erstarrt, bis auf fünf Hekatoncheiren und rund vierzig weitere Soldaten aus allen Bereichen. Dazu kamen ich und meine Freunde. Achtundvierzig für eine Aufgabe, die fünfzigtausend erledigt hatten.
Das war Wahnsinn. Purer Wahnsinn.
Dazu kamen die Schäden an ARTEMIS. Die Inspekteure waren noch bei der Bestandsaufnahme, aber die BISMARCK, die eigentlich das Flaggschiff der Marsmission sein sollte, war schwer mitgenommen worden, eigentlich völlig ausgebrannt. Es würde mehr als ein Jahr dauern, aus dem Wrack wieder ein Schiff zu machen. Bei der HINDENBURG und der GRAF SPEE sah es nicht viel besser aus. Sie waren lange nicht so übel erwischt worden, aber immer noch schwer genug.

Ohnehin erschien mir der Angriff auf den Mars in weite Ferne gerückt. OLYMP war ausgeschaltet worden und damit die Versorgung der Menschheit mit Helium3. Einiges konnten wir über ARTEMIS leiten, aber längst nicht alles. Die Ironie war, dass das Feld nur auf Menschen wirkte. Nur auf Menschen. Die Technik funktionierte weiterhin.
Und das war der Knackpunkt. Den Angriff auf den Mars konnten wir vergessen, falls die Kronosier eine weitere Sonde dieser Art in Besitz hatten. Jedes Schiff, dass in dieses Feld geriet, würde mit Minderjährigen besetzt sein müssen.
Verdammt, die UEMF bestand eben NICHT aus Kindern wie Daisuke und mir.
Es waren gut ausgebildete Soldaten und Offiziere aus aller Welt, die mit ihrem Herzen und ihrem Verstand und guten Jahren an Ausbildung die Menschheit verteidigen wollten!

Ich erhob mich langsam, ging auf meinen Vater zu. Er sah direkt auf seinen Computerbildschirm. Seine Hände lagen auf der Tastatur. Er hatte sogar während des Angriffs gearbeitet. Wie hatte ich jemals schlecht über ihn denken können?
Zögerlich berührte ich seine Wange. Sie war kühl, aber nicht kalt.
Für die Opfer der Sonde würde sich nichts ändern. Am Ende der neun Monate, wenn das Feld erlosch, würden für sie bestenfalls fünf Minuten vergangen sein. Eher weniger.
„Vater“, hauchte ich. „Was soll ich tun? Was soll ich tun?“

„Zentrale hier. Sind Sie im Büro des Commanders, Colonel Otomo?“
Ich aktivierte die Verbindung. „Otomo hier. Sprechen Sie.“
„Lieutenant Honda ist nun da und fährt zusammen mit Lieutenant Colonel Ino im Fahrstuhl zum OLYMP hoch.“
„Sehr gut. Wir können jede helfende Hand gebrauchen. Wir… Moment mal, Sakura macht was?“, blaffte ich.
„Lt. Colonel Ino sagte, sie hätte Befehl, Lieutenant Honda zu begleiten, Sir. Ist das falsch?“, kam die ängstliche Frage.
„Natürlich ist das falsch! Sie ist in der Grauzone!“, erwiderte ich scharf. Grauzone, jener Bereich zwischen einundzwanzig und vierundzwanzig, in denen das Feld auf die Menschen wirken konnte, aber in manchen Fällen nicht tat. Was fiel diesem Biest ein?
„Stellen Sie mich in den Fahrstuhl durch!“
„Sofort, Colonel. Verbindung steht.“
„Sakura, was zum Teufel tust du da? Warum kommst du in das Feld?“, rief ich erzürnt.
„Erstens kannst du jede Hilfe brauchen, die du da oben kriegen kannst“, erwiderte sie ernst. „Und zweitens will ich Thomas wieder sehen. Auf ihn wirkt das Feld nicht.“
„Du hast nur eine Chance drei zu eins gegen dich, Sakura“, erwiderte ich. „Wenn du erstarrst, nützt du uns gar nichts.“
„Es ist zu spät. Der Fahrstuhl kann nicht mehr gestoppt werden. Ich bin in fünf Minuten oben“, erwiderte sie leise und ich konnte ihr schelmisches Grinsen direkt vor mir sehen.
„Wenn es dich erwischt, Sakura, dann ziehe ich deinem erstarrten Körper den Hosenboden dermaßen stramm, dass du es die vollen neun Monate spürst“, brummte ich ärgerlich.
„Hast du schon mal mit einem Psychologen über diese sexuellen Phantasien gesprochen, Akira-chan?“, konterte sie.
Ich schüttelte den Kopf. So war sie eben. Meine Cousine. Für einen Moment wusste ich, dass sie nicht erstarren würde.
„Daisuke. Wir beide müssen uns ebenfalls unterhalten.“
„Hey, Akira-san, ich habe davon nichts gewusst. Ich bin vollkommen unschuldig. Außerdem ist Ino-sensei meine Vorgesetzte und…“
„Nicht deswegen“, beruhigte ich ihn. „Nicht deswegen. Ich empfange euch am Fahrstuhl.“

Mit einem letzten Blick in Richtung Vater verließ ich das Büro.
Merkwürdig. Hatte ich nicht einen komischen Schimmer gesehen, als ich die Tür geschlossen hatte?
**
Als sich die Fahrstuhltür öffnete, fühlte ich, wie sich mir das Herz verkrampfte. Daisuke stand mit gesenktem Kopf da und murmelte eine Entschuldigung.
Sakura war erstarrt. Sie sah an mir vorbei ins Leere.
„Dummkopf“, murmelte ich. „Du Dummkopf. Auf der Titanen-Station hättest du uns doch auch genützt.
„Ich mach doch nur Spaß“, sagte sie plötzlich und grinste mich an.
„Tut mir Leid, Akira-san, ich wollte sie noch aufhalten“, murmelte Daisuke.
Ich spürte, wie die Wut in mir zu kochen begann. Zornig und mit gerötetem Gesicht trat ich auf meine Cousine zu, die zum ersten Mal in ihrem Leben vor mir zurück wich.
„Äh, Akira-chan. Nur Spaß. Du verstehst?“
Ich trieb sie vor mir her bis an die Wand des Lifts. Übergangslos schloss ich sie in die Arme. „Sakura. Mach doch nicht solche Sachen mit mir. Ich hatte gerade wirklich Angst um dich. Wie kannst du so etwas tun? Ich dachte, mein Herz bleibt stehen.“
Überrascht starrte sie mich an. „Es tut mit Leid, Akira-chan.“
Langsam löste ich mich wieder von ihr. „Mach so was bitte nie wieder, ja?“
„Das kann ich dir nicht versprechen“, erwiderte sie mit einem aggressiven Grinsen.
Mist, wie hatte sie so schnell wieder Oberwasser bekommen können?

„Na, wer macht sich denn da an meine Freundin ran?“, hörte ich Snipers Stimme hinter mir.
„Thomas!“, rief meine Cousine, stürzte an mir vorbei und fiel dem Mecha-Piloten in die Arme. Der arme Junge war mehr als überrascht. „Moment, Sakura. Moment.“
„Ich dachte, dich hat es auch erwischt. Ich dachte, ich sehe dich das nächste dreiviertel Jahr nur als Statue“, hauchte sie und starrte den Deutschen aus großen, traurigen Augen an.

„Nun“, sagte ich leise, „da dieses Abenteuer gut ausgegangen ist, widmen wir uns wieder unserer Arbeit. Sie, Sniper, bleiben hier solange stehen, wie Lieutenant Colonel Ino es wünscht, verstanden?“
Verzweifelt sah Sniper mich an. „Sir. Das kann Stunden dauern.“
„Und Sie sollten jede Sekunde davon genießen“, erwiderte ich grinsend. „Wenn nicht, denke ich vielleicht doch noch darüber nach, was es bedeutet, dass sie und ich nicht blutsverwandt sind.“
„Was?“, rief er überrascht und umarmte meine Cousine erschrocken.
„Genau so“, brummte ich mit einem amüsierten Grinsen.
Ich winkte Daisuke, mir zu folgen.

Es war ein merkwürdiges Schauspiel. Wir begegneten auf den Gängen hunderten Leuten. Soldaten, Technikern, Ingenieuren. Männern und Frauen. Aber alle waren genau in der Pose erstarrt, die sie inne gehabt hatten, als das Feld sie erfasst hatte.
Es war, als würde man durch ein gigantisches Puppentheater gehen.
„Es sieht schlimm aus“, murmelte Daisuke. „Aber vermutlich dürfen wir dankbar dafür sein, dass die Kronosier den OLYMP nicht schon ausgeschaltet hatten und die Waffe hier eingesetzt haben. Anstatt auf ARTEMIS, wie es geplant gewesen war.“
Ich hob fragend die Augenbrauen.
Daisuke winkte ab. „Sakura, ich meine Ino-sensei hat mich in den längsten acht Minuten meines Lebens informiert.“
„Gut. Dann weißt du ja um die Scheiße, in der wir drin stecken.“
„Bis zum Hals. Und der Boden ist noch nicht erreicht.“

Ich hielt an. Daisuke prallte gegen mich und stoppte dann.
„Kumpel, hör mal. Ich will von dir eines wissen. Kommst du mit?“, fragte ich ernst.
„Ich folge dir doch, oder etwa nicht?“, murmelte er.
Ich drehte mich um und sah ihm in die Augen. „Kommst du mit? Bis zum bitteren Ende? Ganz bis zum Schluss? Durch das ganze Chaos?“
Daisuke musterte mich einige Zeit. Schließlich nickte er. „Ja, Akira-san. Ich komme mit. Bis zum bitteren Ende.“
„Danke“, sagte ich erleichtert. „Das bedeutet mir viel.“
Wieder setzten wir uns in Bewegung.

In der Zentrale angekommen sagte ich: „Du wirst einen Hawk fliegen um die Station zu verteidigen. Aber wen du das nicht tust, übernimmst du diese Zentrale. Da wir knapp an Leuten sind, bediene bitte die Kommunikation.“
„Verstanden.“
Ich nickte ihm noch einmal dankbar zu und ging wieder in Vaters Büro.
„Colonel, ich habe hier eine Direktverbindung von Commander Thomas von der ARTEMIS-Plattform.“
„Durchstellen“, sagte ich leise.
Die Stimme meines alten Lehrmeisters erklang. „Akira. Geht es dir gut?“
„Ja, Sensei. Den Umständen entsprechend. Was kann ich für dich tun?“
„Was kannst du für mich tun? Was ich für dich tun kann, das ist hier die Frage. Ich habe fünfhundert Freiwillige auf meiner Plattform, die zu dir überwechseln wollen. Alle sind durch die mehrfache Prüfung gegangen und werden dir da drüben helfen so gut es geht. Sie sind alle unter einundzwanzig. Dazu kommen dreiundachtzig Freiwillige in der Grauzone, aber ich würde das Risiko ungern eingehen, sie alle in Statuen zu verwandeln. Oder auch nur einen Teil.“
„Das sind bessere Nachrichten, als ich erwartet habe.“ Nachdenklich setzte ich mich in den Besuchersessel des Büros und faltete die Hände ineinander.
„Soweit die guten Nachrichten, Akira-kun. Jetzt kommen die Schlechten. Ein Großteil des Rates und dein Vater sind da oben gefangen. Deshalb diskutiert man nun in der Führungsspitze über eine Neuverteilung der Aufgaben. Die Amerikaner machen bereits mächtig Druck und wollen ihren Außenminister als neuen Commander der Erdverteidigung etablieren. Die Deutschen stehen noch hinter dir, aber die Franzosen und Russen haben ebenfalls eigene Kandidaten. Die Lybier und die Nil-Anrainer kochen ebenfalls ihr eigenes Süppchen und sprechen von religiöser Diskriminierung. Es brodelt an allen Ecken und Enden, vor allem, da die Südafrikaner und die Inder nun darauf pochen, dass einer der Ihren einen der Kreuzer kommandieren soll.“
Ich schlug die Hände vor mein Gesicht. Diese Hyänen. Eikichi war nicht einmal tot, und schon kamen sie zum Leichenschmaus. Wenn sie so weitermachten, würde die gesamte Erdverteidigung im Chaos enden. Die UEMF würde auseinander brechen. Und der nächste Angriff würde uns brechen…

„Jerry“, hauchte ich leise, „du musst mir einen Gefallen tun. Vertraust du mir?“
„Natürlich vertraue ich dir. Ich habe dich ausgebildet“, antwortete der Ältere entrüstet.
„Bestätigst du mich in meinem Kommando?“
„Was?“
„Ich habe den Oberbefehl über OLYMP übernommen. Damit habe ich Eikichis Posten und den Vorsitz über die Erdverteidigung. Mir schmeckt das nicht, aber verdammt, Jerry, bevor alles auseinander diskutiert wird, müssen wir etwas tun. Wenn das Feuer jetzt nicht erstickt wird, dann wird es ein Flächenbrand.“
Schweigen antwortete mir, eine sehr lange Zeit.
„Jerry?“, fragte ich mit Angst in der Stimme.
„Moment, hetz mich nicht. Ich stelle gerade ein Schreiben auf, indem ich dich bestätige. Viel helfen wird es aber nicht. Aber ohne den Rat oder deinen Vater können dich die UEMF immer noch klein reden. Blue Lightning hin, Blue Lightning her.“
„Ich weiß ja, ich weiß!“, rief ich wütend. „Aber habe ich eine andere Wahl?“
Müde massierte ich meine Nasenwurzel. „Den Angriff auf den Mars können wir wohl erstmal vergessen. Das Wichtigste ist nun, den OLYMP wieder zum laufen zu bringen. Wir brauchen die Fahrstühle, wir brauchen die Werften. Wir brauchen junge Leute. Es wird doch weltweit genügend Angehörige des UEMF geben, um diese Plattform wieder funktionieren zu lassen?“
„Ich jage es bereits durch meine Computer. Aber erwarte nicht zuviel. Du willst dir immerhin keine kronosischen Agenten an Bord holen, also werden die meisten potentiellen Kandidaten mehrfach durchleuchtet werden, bevor sie überhaupt die Titanen-Station sehen können.“

„Ich weiß ja, ich weiß. Der einzige Ort auf der Welt, wo es genügend junge Leute gibt, die bereits mehrfach durchleuchtet wurden ist… Vergiss es, keine Soldaten.
Jerry, ich brauche mehr, noch viel mehr. Taste bei den aktiven Kapitänen vor. Frage sie, ob sie mich unterstützen. Wenn sie zu mir stehen, dann kann ich die UEMF eine Zeitlang beschwichtigen.“
„Ich leite es in die Wege. Aber du weißt, du brauchst jede verdammte Stimme, die für dich spricht.“
„Worauf willst du hinaus?“, fragte ich gereizt.
„Es wird Zeit, Akira. Es wird Zeit für dich.“
„Ich wusste, dass dieser Tag eines Tages kommen würde“, murmelte ich leise. „Tu es.“
„Ja. Es tut mir Leid, Akira-kun. Es tut mir so Leid“, hörte ich ihn mit ehrlichem Bedauern sagen.
Ich ließ mich verzweifelt nach vorne sinken. „Warum springe ich nicht gleich aus einer Luftschleuse?“
„Nun übertreib mal nicht. Vergiss nicht, für wen du das alles tust, ja? Commander Thomas aus.“

Nun war es geschehen. Die Identität des Piloten Blue Lightning würde offenbart werden. Die Identität, seine Leistungen, seine Schlachten, diverse Auszeichnungen, familiärer Hintergrund. Einfach alles. Ich hoffte inständig, dass es helfen würde, die Welt zu retten.
„Colonel“, erklang Daisukes Stimme. „Admiral Richards von der UEWN ENTERPRISE fragt gerade an, ob er mit seinem Mecha-Träger die Verteidigung des OLYMP verstärken soll.“
„Gib ihn mir durch. Admiral, hier ist Colonel Otomo. Sir, ich bin dankbar für Ihre Hilfe und ich könnte sie auch gebrauchen. Aber Sie sollten sich mit Ihrer Regierung in Verbindung setzen und deren Entscheidung abwarten.“
„Jetzt hör mir mal zu, mein Junge. Ich sage dir was. Ich diene in der Navy seit dreißig Jahren und habe es zu diesem Kommando geschafft, weil ich nie Mühen gescheut habe. Aber in all der Zeit habe ich nicht einmal annähernd soviel erlebt oder durchmachen müssen wie du.
Denkst du nicht, dass jeder Brocken Last, den man dir von der Schulter nimmt, gut ist?
Richte deine Strategie darauf ein, dass die Mechas der ENTERPRISE ab sofort weite Sicherung um den OLYMP einnehmen. Ich roliere meine dreißig Mechas in Achtstundenschichten.“
„Ihre Regierung dürfte etwas sauer werden“, warf ich ein.
„Junge“, sagte der Admiral leise, „es gibt jetzt nichts Wichtigeres als den OLYMP und damit die Erde zu verteidigen. Wenn meine Regierung das nicht einsieht, werde ich sie dazu zwingen!“

Ich schwieg überrascht. Ich hatte viel erwartet, aber nicht gerade die Unterstützung der Amerikaner.
„Colonel Otomo“, fuhr der Admiral fort. Ich bemerkte die veränderte Anrede. „Colonel. Wir haben bereits einmal zusammen gedient. Damals war ich noch Kapitän dieses Schiffes. Die Kronosier haben New York angegriffen und die Linien meiner Jets durchbrochen. Ich sah die Stadt schon in Flammen aufgehen, da kamst du mit zwei Dutzend Russen und einer Staffel in Kanada stationierter Deutscher.
An dem Tag hast du die Stadt gerettet. Und als ich mein Bestes gab, um alle Jets zu unterstützen, die da durch die Luft kurbelten, da begriff ich eines. Wir werden entweder zusammen siegen. Oder getrennt fallen. Vergiss die Politik. Ich tue das, was richtig ist. Admiral Richards Ende und aus.“

Einer. Das war nur einer von vielen. Ein Mecha-Träger, mehr nicht. Dennoch war ich tief berührt von den Worten des Admirals. Für einen Moment spürte ich einen gewissen Stolz in mir.
„Einkommende Anfragen“, erklang wieder Daisukes Stimme. „Die YAMATO, die KOBE und die AKAGI sowie die MIDWAY und die WESTPOINT erbitten Befehle.“
Fünf Schiffe. Immerhin.
„Keine besonderen Anweisungen. Sie sollen normalen Dienst verrichten.“
„Verstanden, Colonel. Und was soll ich der LOS ANGELES und der KAZE sagen? Beide Schiffe wollen mit voller Fahrt vom Mond rüber kommen, um die Verteidigung der Erde zu verstärken.“
Überrascht sah ich auf. Sieben Schiffe. Sieben! „Negativ. Sie sollen weiterhin die Frachterrouten patrouillieren. Wir brauchen die Erze und das Helium3.“
„Commander Sikorsky ist nun in der Leitung. Himmel, das hört ja gar nicht mehr auf!“
„Durchstellen. Was kann ich für Sie tun, Commander?“
„Was kann ich für Sie tun, Colonel? Hier unten sind einhundert Freiwillige, die unbedingt zu Ihnen hoch wollen. Dazu kommen elf aus der Grauzone, die es gerne riskieren möchten. Ich schicke sie Ihnen gerne hoch.“
„Danke. Ich bedanke mich. Wir können jeder zusätzliche Hand gebrauchen.“
„Haben Sie sonst noch Befehle für mich, Colonel?“, fragte Sikorsky in geschäftsmäßigem Ton. Mir schnürte sich die Kehle zu als ich erkannte, was er wirklich gesagt hatte.
„Nein, Commander. Versehen Sie Ihren Dienst wie bisher. Otomo Ende.“

Langsam erhob ich mich und ging um den Schreibtisch herum. Gut, ich hatte jetzt Unterstützung. Zwei der drei Kommandeure der anderen Plattformen standen hinter mir.
Übergangslos spürte ich das Gewicht, von dem der Admiral gesprochen hatte. Ich fühlte es schwer auf mir lasten, mich in die Knie drücken.
„Vater“, hauchte ich, „kann ich das schaffen?“
Wieder sah ich dieses Leuchten, das mir schon zuvor aufgefallen war. Eikichis Finger glühten für einen Moment auf und bewegten sich dabei wie in Zeitlupe auf die Tastatur vor sich. Erstaunt sah ich Eikichi an. Er konnte sein KI konzentrieren?
Ich sah auf den Bildschirm. Vater nutzte sein KI, um die Trägheit des Feldes zu überwinden. Er schrieb etwas! Für den Vorgang hätte er normalerweise Wochen gebraucht, aber beschleunigt durch das KI schaffte er einen Buchstaben in der Stunde.
„Hiermit...“, las ich bedächtig. „Vater, was soll das werden? Was willst du schreiben?“
Eikichi wusste es! Er wusste, was mit ihm passiert war! Übergangslos verließ ich sein Büro.

2.
Nach anstrengenden zwanzig Stunden Dienst auf OLYMP hatte ich mir die Freiheit genommen, Zuhause in meinem eigenen Bett zu schlafen.
Ich erinnerte mich noch dunkel daran, dass mir applaudiert worden war, als ich auf die Titanen-Plattform herab gekommen war.
Wie ich einigen die Hände hatte schütteln müssen.
Ich erinnerte mich daran, wie vier Hawks der ENTERPRISE meinen Hubschrauber bis in den japanischen Luftraum begleitet hatten. Und wie ich dort von einer Staffel HAWKEYE übernommen worden war.
Danach wusste ich nur noch, dass ich so wie ich war in mein Bett gefallen war und schon geschlafen hatte, bevor ich die Decke berührt hatte.

Es war ein traumloser Schlaf gefolgt, aus dem ich schon vier Stunden später, mehr gerädert als erholt erwacht war. Dennoch quälte ich mich hoch. Ich hatte eine gute Zeit erwischt, es war später Nachmittag. Meine Mitbewohner waren alle daheim.
Ich grüßte sie müde, als ich am Wohnzimmer vorbei kam. Merkwürdigerweise ignorierten sie mich. Die ganze Bande hing am Fernseher und kommentierte was sie sah mit staunenden Ohs und Ahs.
Doch das kümmerte mich nicht wirklich in diesem Moment. Ich bevorzugte eine heiße Dusche anstatt einer Erklärung.

Als ich fertig war, fing mich Yoshi auf dem Flur ab. „Akira. Du wirst doch nicht ohne mich gehen, oder?“
Ich musterte den Freund erstaunt. „Ohne dich? Hör mal, du bist nun offiziell als Ensign der UEMF eingestuft. Du hast den neuen Schichtplan und steigst zusammen mit Mako in einen Eagle, um den OLYMP zu verteidigen.“
„Das meine ich nicht“, sagte Yoshi und grinste überlegen. „Ich rede vom Angriff auf den Mars.“
Sprachlos starrte ich ihn an. Schließlich schüttelte ich den Kopf. „Es… wird auf lange Zeit keine Marsmission geben, Yoshi.“
„Mag sein, mag sein. Aber falls doch, denk bitte daran, das ich auch noch da bin, ja?“
„Meinetwegen. Gibt es denn überhaupt jemanden, der dich jemals kennen gelernt hat und dich vergessen konnte?“, scherzte ich.
„Nur Ino-sensei“, erwiderte er amüsiert.

Wir betraten zusammen das Wohnzimmer. Ich orientierte mich kurz. Megumi saß zwischen Sakura und Akari, daneben hockte Kei und stieß Doitsu wegen irgendwelcher nervigen Zwischenfragen an. Und Großvater unterhielt sich leise mit Lilian.
Noch immer müde ließ ich mich am Tisch nieder. „Nabend“, brummte ich leise.
Moment mal, Großvater?
„Opa! Was machst du denn hier?“, rief ich überrascht.
Michael Berger grinste mich an. „Ich besuche meine Enkel. Ist das verboten?“
Ich musste mich für einen Moment am Tisch festhalten, um das Schwindelgefühl los zu werden, welches mit überfiel. Opa Michael, der deutsche Vater meiner Mutter. Er und Oma Eri lebten seit vierzig Jahren in Kanada und waren dort für ein japanisches Unternehmen tätig. So hatten sie sich kennen gelernt. So waren sie zusammen gekommen. Und durch Omas japanische Familie, die Yodamas, hatten sich dann Eikichi und Helen kennen gelernt.

„Opa, es ist ja nett von dir, dass du mich besuchst, aber die Zeit ist gerade sehr schlecht. Wir haben gerade mächtig viel Ärger und…“
„Ich weiß. Du musst den OLYMP von Eikichi übernehmen. Ich ahnte, dass so etwas passieren würde, nachdem du wieder in einen Mecha gestiegen bist. Du bist ein Unsicherheitsfaktor, den die Kronosier eben nicht ignorieren können. Wahrscheinlich hast du all ihre Pläne alleine dadurch durcheinander gebracht, weil du wieder in einem Mecha sitzt.“ Der grauhaarige Deutsche grinste mich an.
„Wo-woher weißt du das alles, Opa?“
„Ach, weißt du, wenn man zu dem Konzern gehört, der ein Viertel des Helium3 vom Mond kauft, raffiniert und weiterverarbeitet, baut man ein paar nützliche Kontakte auf. Ich bin eigentlich immer sehr gut darüber informiert, wie es dir, Eikichi und Yohko geht.“
Entsetzt starrte ich ihn an. War das das erste Einsetzen von Altersschwachsinn? „Yohko ist…“, sagte ich und schluckte hart.
Michael tätschelte Lilian den Kopf. „Sie ist ganz schön groß geworden, oder? Und dann dieser Einfluss der Gift, das lässt sich vielleicht nie wieder rückgängig machen. Aber das Weißblond steht ihr, findest du nicht?“
„Was redest du da?“, rief ich erschrocken.
Megumi starrte erst mich, dann Lilian wie Geister. „Was? Yohko? Aber… Wir sahen sie sterben!“
Michael drückte Lilian an sich, die verwirrt zu dem großen Deutschen aufsah. „Michael-sama?“

Der griff neben sich und holte eine Akte hervor die er schwungvoll auf den Tisch warf.
„Hier, alle Berichte und Erkenntnisse, die es über die Gift gibt.
Agent Valjean war in seiner Tarnidentität so erfolgreich, dass man ihm die Gift gewährte.
Defacto die Umprogrammierung der eigenen DNS durch Retroviren.“
„Umprogrammieren in was?“, fragte ich mit Entsetzen in der Stimme und starrte Lilian an. Geahnt hatte ich es schon eine ganze Zeit. Die Anspielungen waren einfach zu viel und zu eindeutig gewesen.

„Na, in was wohl?“, meldete sich Kitsune zu Wort.
Ich zuckte zusammen. „Wo kommst du denn plötzlich her?“
„Von draußen, woher sonst? Oder willst du wissen, wie ich entstanden bin? Also, wenn sich eine Fuchsdämonin und ein Fuchsdämon sehr, sehr lieb haben, dann…“
Eine Faust landete auf ihrem Kopf und die Füchsin zuckte zusammen. „AUTSCH. Blöder Wolf!“
„Bleib bei der Sache. Michael-tono, entschuldige die Unterbrechung.“
„Nicht doch, nicht doch, Okame-tono. Lass Kitsune-chan ruhig fortfahren“, brummte der alte Mann amüsiert.
Damit bekam Kitsune wieder Oberwasser. Sie grinste in die Runde. „Die Kronosier machen es sich sehr einfach, um sich die Loyalität ihrer Leute zu sichern. Sie setzen sie nicht einfach über die Menschen, die sie beherrschen wollen. Sie benutzen bei einigen eine Kur mit Retroviren, um deren DNS umzuschreiben. In Kronosische DNS. Also, wenn ihr so wollt, steigen diese Menschen auf eine Stufe mit den Kronosiern. Sie werden Kronosier. Kann man leichter sicher gehen, dass die Untergebenen einem treu bleiben?“
Erstaunt keuchten die Anwesenden am Tisch auf. Auch ich glaubte, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen und stützte mich schwer am Tisch ab. Nur Michael lächelte verhalten.

„Verdammt, das bedeutet ja, dass die Kronosier eigentlich nur einen einzigen von ihrer Art zu schicken brauchen, ausgestattet mit Know How und genügend Technik für den Start. Und dann braucht dieser Kronosier“, hauchte Yoshi, gefangen in Ärger und Ehrfurcht, „nur genügend Zeit, um eine Welt wie die Erde zu erobern.“
„Das ist richtig. Aber wir nehmen an, dass es am Anfang etwa hundert Kronosier waren, die auf dem Mars eine erste Station eingerichtet haben. Aber nach und nach wurden es mehr“, fügte Michael hinzu.
„Wir?“, fragte ich überrascht.
„Der UEMF-Geheimdienst. Wer sonst sollte über diese Information verfügen?“, erläuterte er.
„Und Agent Valjean hat die Gift erhalten“, murmelte Yoshi und schüttelte den Kopf.
„Agent Valjean, Akiras Lieblingsfeind Taylor vielleicht. Und unsere kleine Yohko hier auch. Aber ihre Behandlung wurde mittendrin abgebrochen. Deshalb hat sie eine merkwürdig gemixte DNS und nur einige Merkmale der Kronosier übernommen wie die Haarfarbe.“
Lilian starrte Großvater an. Sie legte beide Hände vor die Brust. „Was? Ich? Ich…“
Michael tätschelte ihren Kopf. „Lilian-chan, woran erinnerst du dich, wenn du an den Mars denkst?“
„Da… Da ist nicht viel. Ich meine, da war die Einweisung auf den Delta, das Missionsbriefing und ansonsten nur diese merkwürdige Farbe um mich herum. Das Gefühl, zu schweben und dieses rote Licht um mich herum. Nein, es war eher bernsteinfarben. Tut mir Leid, aber mehr weiß ich davon nicht.“

Entsetzt war ich aufgesprungen. „Das klingt nach einem Biotank“, hauchte ich.
„Aber… Aber… Wir haben es doch gesehen! Wir sahen doch, wie sie in der Faust des Mechas in die Flammenglut hinab gerissen wurde!“, rief Megumi und erhob sich ebenfalls.
Auch Makoto sprang nun auf. „Yohko?“
„Denkt doch mal nach! Taylor hat überlebt und ein halbes Jahr im Biotank verbracht! Yohko muß in der Faust einigermaßen geschützt gewesen sein. Ihre Zeit im Biotank aber muß viel länger gewesen sein, vielleicht Jahre. Vielleicht wurde sie nur heraus gelassen, um diesen Angriff zu fliegen? Vielleicht hat man ihr die Gift nur gegeben, um ihr das Leben zu retten?“, sagte ich leise. Ich spürte wie mir die Tränen die Wangen herab liefen.
„Vielleicht haben die Kronosier ihr Gedächtnis gelöscht?“, fragte Megumi mit Entsetzen in der Stimme.

Ich begann am ganzen Leib zu zittern. Yohko. Ich hatte es geahnt, aber ignoriert so gut ich konnte. Neben mir sackte Yoshi der Kiefer herab.
„Das Gedächtnis gelöscht? Na, das ist aber kein Problem. Darf ich, Michael-tono?“, fragte Kitsune fröhlich.
Opa nickte. „Nur zu, nur zu. Ich hätte dich ohnehin danach gefragt.“
Die Füchsin rutschte zu Lilian herüber. „Keine Angst, das tut nicht weh.“
Sie legte beide Hände auf ihre Stirn. Übergangslos umgab die Hände ein weißer Schimmer, der sich schnell ausbreitete und schließlich den ganzen Raum erfüllte.
„Und?“, fragte die Daimon freundlich. „Erinnerst du dich?“
Lilians entsetzter Blick traf und fixierte meine Augen. Ich spürte, wie sich mein Körper verkrampfte. Diese Augen, dieser Blick. Yohko. Yohko! YOHKO!
„Yohko-chan“, hauchte Megumi und brach in Tränen aus.
„Cousinchen!“, rief Mako, kam so schnell es ging um den Tisch herum und umarmte sie.
Dies war auch das Zeichen für Megumi, zu ihr zu gehen und sie an sich zu drücken. „Yohko-chan! Yohko-chan! Ich dachte, ich hätte dich verloren.“
„Megumi-nee-chan“, hauchte Lilian. „Mako-nii-chan.“

Übergangslos rauschte meine Faust auf den Tisch nieder und zerschlug die Platte.
Die Blicke alle Anwesenden richteten sich auf mich.
Ich senkte den Blick. Tränen quollen hervor und benetzten die zersprungene Tischplatte. „Ich bitte um Vergebung, Schwester. Ich bitte um Vergebung.“
Ich erhob mich und verließ den Raum.
„O-nii-chan!“, rief Lilian mir hinterher. Oder sollte ich lieber Yohko sagen?
Kurz ging ich in mein Zimmer, nahm mein Katana und die alte Lederjacke. Danach verließ ich das Haus.
Warum lief ich weg? Meine Schwester war wieder da. Meine Schwester, die ich nicht hatte retten können. Die von meinem Feind geheilt worden war. Ich grinste kalt. Taylor hatte sie mir tatsächlich zurück geschickt. Dieser Bastard. Ahnte er auch nur, wie tief ich in seiner Schuld stand?
**
Ich wählte bewusst einen Kurs weitab des Publikums, die Einsamkeit. Ich brauchte Ruhe und Zeit zum nachdenken. Warum war ich wirklich fort? Hatte ich wirklich Gewissensbisse, weil ich Yohko für tot gehalten hatte? Nun, damals konnte ich noch nichts von der überlegenen Biotechnologie der Kronosier wissen, bis ich sie am eigenen Leib gespürt hatte.
Ich betrat einen der vielen Parks und ließ mich auf einer Bank nieder. Mir hatte man meine Erinnerung geraubt und ein Jahr meines Lebens. Aber Yohko hatte man drei gestohlen, ihr eine Bombe auf den Rücken geschnallt und losgejagt um die Titanen-Plattform hoch zu jagen.
Unwillkürlich verkrampften sich meine Hände.

Neben mir hielten mehrere Motorräder und ließen die Motoren aufheulen.
Ich sah auf. Eine Gang, schon wieder? Meine Hand glitt zu dem Katana neben mir.
„Akira-sama!“, rief der Anführer, stieg von seinem Bike und nahm den Helm ab.
Ich erkannte ihn wieder, es war der Dicke von neulich.
„Akira-sama. Nein, Colonel. Ich bin froh, dass wir uns erneut treffen. Das gibt mir Gelegenheit, mich noch einmal für mein unbedachtes Verhalten letzten Monat zu entschuldigen. Wenn ich daran denke, dass Blue Lightning wegen mir beinahe zu Schaden gekommen wäre…“ Der Dicke verneigte sich vor mir. „Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an.“
Verwirrt registrierte ich, dass auch die anderen Bandenmitglieder abstiegen, die Helme abnahmen und sich verneigten.
„Nanu?“
Der Dicke grinste mich an. „Nun, Akira-sama, wir… mögen ein wenig abseits der normalen Gesellschaft stehen. Aber dennoch ist uns diese Gesellschaft tausendmal lieber als eine, die von den Kronosiern bestimmt wird. Wir wissen sehr wohl zu schätzen, was Akira-sama und Megumi-sama für uns geleistet haben.“
„Ich bin nicht sicher, ob ich das verdiene“, murmelte ich leise.

„Warum solltest du nicht? Du hast Gestern deinen zweihundertsten Daishi vernichtet. Du bist das Top-Aß der Streitkräfte“, sagte Yoshi leise und trat zu mir heran. Sein Bogen war nicht gespannt, aber er hielt mit dem Bogen auch einen Pfeil in der Rechten.
„Yoshi-kun!“, erkannte der Anführer erstaunt.
Der Freund grinste den Dicken an. „Hallo, Tetsu. Ihr kennt euch?“
Der Dicke wurde rot. „Ja, auf eine gewisse Weise.“
Yoshi zog die Augenbrauen hoch. „Muss ich oder will ich das nicht verstehen?“
„Äh“, machte der Dicke und verneigte sich erneut. „Wie dem auch sei, wir wollten Akira-sama nur viel Glück wünschen. Er hat unsere volle Unterstützung.“
Er sah nach hinten und gab eine leise Anweisung. Die Biker saßen wieder auf und verließen den Park.
„Du kennst ihn?“, fragte ich nachdenklich.
„Wie man es nimmt. Er hat früher auf mich aufgepasst, als ich noch nicht ganz so groß und stark war. Eigentlich war er immer ein sehr netter Kerl. Bis seine Mutter beim Angriff auf Tokio verletzt wurde und später starb. Dadurch rutschte er auf… Nun, eine merkwürdig schiefe Bahn. Wenn du so willst, sind die Kronosier daran schuld.“
Ich nickte schwer. „Die Kronosier sind an so vielem schuld, Yoshi. An so vielem. Wegen ihnen habe ich kein Leben mehr. Und ich habe meine Schwester verprellt, kaum dass sie in mein Leben zurückgekehrt ist.“
„Ach, die Sache mit der Tischplatte“, brummte Yoshi amüsiert.

Hinter mir erklang ein leises Knacken. „Peng. Aki-chan, du bist tot.“
Yoshi und ich sahen zurück. Tatsächlich stand Joan Reilley hinter mir. In der Hand hielt sie ein skurril verdrehtes Scharfschützengewehr. „Du solltest vorsichtiger sein, Aki-chan. Wenn ich nicht gewesen wäre…“
Sie ließ sich neben mir auf die Bank fallen. „Das ist doch hoffentlich ein Dankeschön wert.“
„Dankeschön?“
Joan griff mir in den Nacken, zog mich zu sich heran und küsste mich sanft.
„Ich dachte eher an so etwas, Aki-chan.“
Yoshi räusperte sich. „Geht es noch? Hallo, ich bin auch noch da.“
„Du kriegst keinen“, wies sie ihn lächelnd zurecht.
„So meinte ich das nicht. Hey, es gibt hier auch Menschen auf der Bank, die nicht die Gelegenheit haben, hübsche Frauen zu küssen. Also beschränkt das bitte auf ein Minimum.“
„Du kannst ja gehen“, antwortete sie zwinkernd.
„Was? Jetzt, wo alle Welt weiß, dass Akira Blue Lightning ist? Wo jeder Möchtegernattentäter im Telefonbuch seine Adresse nachschlagen kann? Wo er keinen einzigen Schritt ohne einen Hawk als Begleitschutz tun sollte?
Wo er womöglich mit dir allein ist? Kommt überhaupt nicht in Frage. Wer weiß, was Ihr zwei dann anstellt!“
„Also, ich hätte da durchaus ein paar Ideen“, hauchte sie mir ins Ohr. Ihre Linke glitt unter meine Jacke.

Übergangslos wurde sie ernst. „Ich habe gehört, was passiert ist, Aki-chan. Der ganze OLYMP, es ist kaum zu glauben. Falls du Hilfe brauchst, ich und Clive sind unter einundzwanzig. Clive ist außerdem ausgebildeter Kommunikationsoffizier. Er sollte mit UEMF-Standards gut zu recht kommen.“
„Danke, es tut gut, das zu hören“, murmelte ich und zuckte zusammen, als ihre Linke über meine Brust strich.
„Ich bin für dich da, das weißt du. Und falls du in nächster Zeit den Mars angreifen willst, da bin ich auch gerne dabei. Ich würde den Kronosiern zu gerne mal zeigen, wie gut ihre Konstruktion wirklich ist.“
„Und ich nehme an, sie ist auch noch voll funktionsfähig, was?“, warf Yoshi ärgerlich ein.
„Wenn du nach Hause gehen würdest, könnte Aki-chan das herausfinden, Yoshi-kun“, erwiderte sie mit einem sanften Lächeln.
Wieder spürte ich ihre Hand, diesmal in die andere Richtung. Ich brach vor Schreck ein Stück aus der Bank heraus.
„Joan-chan, es… Ich habe meinen Kopf gerade ganz woanders. Könntest du vielleicht…“
„Es ist nicht der Kopf, den ich will“, hauchte sie mir ins Ohr. Ihr warmer Atem streichelte über mein Gesicht. Ein sehr angenehmes Gefühl.
War ich nicht eigentlich ein Riesenidiot, weil ich diese Frau, die mich wollte, ganz und gar, nicht an mich heran ließ und einer anderen hinterher jammerte, die von mir absolute Liebe verlangte, ich sie ihr aber nicht geben konnte? Und dann waren da immer noch Hina und Akane, bei denen ich mir immer noch nicht klar war, was ich für sie empfand.

Mit einem lauten Krachen landete ein Hawk keine fünf Meter von meiner Bank entfernt auf dem Rasen.
„Blödmann!“, blaffte Daisuke Honda über die Außenlautsprecher. „Alle Welt weiß jetzt wer du bist, und du verlässt den gesicherten Bereich um das Haus, um alleine im Park spazieren zu gehen? Hast du Selbstmordabsichten?“
„Schade“, murmelte Joan und nahm ihre Hand wieder zurück. „Hätte was werden können.“
Yoshi wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Das war knapp. Noch eine Minute länger und ich hätte euch zwei tatsächlich alleine lassen müssen.“
Joan brummte enttäuscht. „Hörst du, Aki-chan? Eine Minute. Eine winzige Minute.“
Ich schluckte trocken. Und fühlte mich wie ein richtiger Trottel. Wieso ließ ich mich so weit auf sie ein? Wieso ließ ich mich nicht noch viel weiter auf sie ein?
Wenn ich in ihre Augen sah, dann erkannte ich diesen Glanz, dieses Feuer. Ich spürte es pulsieren, im Gleichklang mit meinem Herzen. Wo war mein Problem? Warum zog ich nicht einen Schlussstrich oder entschied mich endlich für sie?

Abrupt erhob ich mich. „Danke, ihr beiden. Danke für eure Unterstützung. Ihr seid alle beide sehr besondere Menschen für mich.“ Amüsiert ließ ich meinen Blick über sie hinweg schweifen. „Nicht unbedingt beide auf die gleiche Weise.“
„Das beruhigt mich jetzt ungemein“, kommentierte Yoshi grinsend.
„Mich auch, Yoshi-kun. Mich auch“, sagte Joan mit einem verschmitzten Lächeln.
„Ich… brauche etwas Zeit zum nachdenken, Leute. Etwas Zeit für mich alleine.“
„Und mich!“, rief Daisuke laut und vernehmlich. „Oder glaubst du, dieser Hawk wird dir noch mal von der Seite weichen, bis du wieder Zuhause bist?“
Ich schüttelte den Kopf. „Na, dann komm, Kumpel.“
**
„Wie ist es eigentlich zu lieben?“, fragte ich Daisuke.
„Hast du keine anderen Sorgen, Akira?“, fragte er zurück. „Gibt es da nicht eine Invasion für dich abzuwehren?“
Ich grinste zum Mecha hoch. „Nein, im Moment habe ich keine anderen Sorgen. Du bist doch verliebt. Und Sarah erwidert deine Liebe, oder? Also, wie ist das?“
Ich erwartete eine patzige Antwort. Stattdessen schwieg Daisuke eine lange Zeit.
„Es“, begann er leise, „ist wie fliegen. Nicht in einem Mecha. Nein, als hättest du Flügel und würdest aus eigener Kraft dahin schweben. Und während du fliegst, siehst du einen anderen Menschen, der auch Flügel hat. Und Ihr trefft euch, und haltet euch und fliegt zusammen.
Ich danke dir, Akira.“
„Warum das denn?“, fragte ich erstaunt.
„Wenn du mich am Strand nicht vollkommen übertölpelt hättest, dann… Dann wäre ich jetzt mit meiner neuen Pflicht auf OLYMP sicher abgestürzt in meinem Flug. Wäre auf den Gedanken gekommen, dass es gleich besser wäre, Sarah nicht wieder zu sehen.
Innerlich wäre ich gestorben. Einfach gestorben.“
Ich schwieg beeindruckt. „Das ist also Liebe.“
„Ja, und ich wünsche dir, dass du und Me… Dass du mit der Frau deiner Wahl dieses wundervolle Gefühl ebenfalls erlebst.“
„Das hast du nett gesagt, Daisuke“, sagte ich leise.
Inbrünstig hoffte ich, dass wir alle lang genug lebten, damit die beiden auch etwas von ihrer Liebe hatten.

„Also“, fragte Daisuke plötzlich geradeheraus. „Wann brechen wir auf?“
„Wohin?“, rief ich erstaunt.
„Na, zum Mars, du Dummkopf. Du weißt hoffentlich, dass wir genau jetzt die beste Chance haben. Wir haben die Überraschung auf unserer Seite.“
„Und der Feind hat den Temporalresonator“, warf ich sarkastisch ein.
„Ach, es gibt sicher eine Abwehrmaßnahme dagegen. Wir müssen sie nur finden“, erwiderte der Hawk-Pilot nonchalant.
„Na, du hast ja ein unerschütterliches Vertrauen in mich“, sagte ich amüsiert.
„Warum auch nicht?“, erwiderte er lachend. „Du in mich doch auch, Kumpel.“
Ich grinste schief. „Stimmt auch wieder… Kumpel.“
**
Als ich frühmorgens ins Haus zurückkam, schliefen die anderen schon. Kurz inspizierte ich mein Bett, aber bis auf Akari, die wieder meine Mangas wälzte war es leer. Für einen Moment hatte ich befürchtet, Joan hätte sich irgendwie hinein geschmuggelt. Das hätte zu ihr gepasst.
Im Wohnzimmer brannte noch Licht, und als ich eintrat, sah ich Großvater noch am Tisch sitzen.
„Ah, Akira, gut dass du zurück bist. Hast du die Antworten gefunden, die du gesucht hast?“
Ich nickte leise. „Ich werde mich bei Yohko entschuldigen. Und dann werde ich sie umarmen und eine Stunde nicht mehr los lassen. Ich kann gar nicht sagen, was mir da geschenkt wurde. Es ist einfach so großartig.“
„Na, dann bist du ja in der richtigen Stimmung für einen Schock, oder?“, fragte Michael und hielt mir ein Foto hin.
„Das ist die Phobos-Werft, die ich vor drei Jahren vernichtet habe“, stellte ich fest.
„Nein, Akira. Du hast leider nur einen Mond erledigt. Das ist Deimos. Der andere Mond. Sie bauen die gleiche Werft wieder. Und sie ist fast fertig. Du weißt, was für ein Gigantschiff dort fest machen kann?

„Wie viel Zeit haben wir noch?“, fragte ich ernst.
„Drei, maximal vier Monate. Dann ist sie betriebsbereit. Und dann müssen wir uns mit dem Gigantschiff herum schlagen. Das Schlimme ist, wir wissen nicht, was es sein wird. Ein Schlachtkreuzer mit einer Feuerkraft jenseits unserer Vorstellung. Oder ein Kolonistenschiff. Vielleicht sogar mehrere Schiffe dieser Klasse.“
„Das bedeutet, wir haben uns damals drei Jahre mehr Zeit erkauft. Und jetzt müssen wir erneut zuschlagen. Und das binnen von drei Monaten.“
„Ja, und die Kronosier haben den Temporalresonator, gegen den es kein Gegenmittel gibt“, erwiderte Michael ernst.
Ich wollte nicken, hielt aber in der Bewegung inne. Hatte Daisuke das Thema nicht ebenfalls angeschnitten?
„Das ist nicht ganz richtig. Es gibt ein Gegenmittel. Aber… Nein, das ist keine Option. Wenn ich jeden Soldaten zusammen ziehen würde, der zur UEMF gehört und unter einundzwanzig ist, dann müsste ich trotzdem ganz von vorne eine Ausbildung beginnen. Sie kämen aus unterschiedlichen Fachbereichen und müssten alles ganz von vorne lernen. Wie man ein Schiff fliegt. Wie man die Waffen bedient. Raumkampftaktiken. Mechakampftaktiken. Einfach alles.“
„Und dann ist da noch das Sicherheitsrisiko“, seufzte Opa leise. „Denn abgesehen von zwei Militärakademien weltweit gibt es keinen Ort, an dem so viele junge Menschen von der UEMF auf Herz und Nieren geprüft wurden.“
Ich lachte heiser. „Nur meine Schule. Weil Megumi und ich dort hingehen wird sie permanent mit dem höchsten Sicherheitsstandard überwacht und jeder Schüler Dutzendfach durchleuchtet. Aber das sind keine Soldaten.“
„Hm. Du sagtest doch, du würdest ohnehin von Anfang an mit ihnen trainieren müssen, oder?“, hakte Michael nach.
„Ich kann doch keine Kinder in die Schlacht schicken!“, blaffte ich gereizt.

Opa starrte mich lange an. „Wir haben es getan. Und es hat sehr geschmerzt. Aber du warst damals unsere einzige Chance. Jetzt tut es noch mehr weh, dies erneut von dir zu verlangen. Du gehst schon wieder in eine Schlacht. Und wieder, weil wir Erwachsenen nicht tun können, was du kannst. Akira. Denk drüber nach. Einige deiner Freunde auf der Schule würden dir sicher helfen und den Weg mit dir gehen.“
Ich dachte nach. „Kei und Doitsu vielleicht. Kenji ist auf der Warteliste. Hina und die anderen… Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich es verlangen darf.“
„Nein, Akira. Aber drum bitten kannst du. Drum bitten, dass sie dir einen Teil deiner Last abnehmen. Stellvertretend für die gesamte Menschheit.“
Ich bettete mein Gesicht in den Händen. „Ich schäme mich. Ich denke ernsthaft darüber nach. Ich bin da, um diese Kinder zu beschützen, nicht um sie in meinen Kampf zu zerren!“
Michael sah mich ernst an. „Und das macht es auch zu ihrem Kampf, Akira.“

Lange Zeit starrte ich ins Leere. „Der Mars also, was? Ob ich diesmal Vielfliegermeilen bekomme, Opa?“
Der alte Mann lachte, und ich fiel ein. Geschichte. Ich hatte gerade Geschichte geschrieben…

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3.
Ich erwachte kurz nach Mittag. Für einen Moment war ich verwundert, dass mich niemand geweckt hatte, aber ich glaube, allen war klar, dass ich nicht mehr wie ein normaler Schüler in die Oberstufe gehen konnte. Nie mehr.
In alter Gewohnheit wollte ich zu meiner Schuluniform greifen. Aber als ich den Stoff berührte hatte ich das Gefühl, als würde er unter meinem Griff zu Asche zerfallen.
Diese Episode meines Lebens war für immer dabei. Wenn ich jemals meinen Abschluss machen wollte und sogar studieren, würde dies nur noch militärisch möglich sein.
Stattdessen trat ich an den Schrank und nahm einen Bügel hervor, auf dem in Schutzfolie verpackt etwas hing, was ich nur ein einziges Mal in meinem Leben getragen hatte. Bei der Trauerfeier für meine Schwester.
Eikichi wusste es nicht, ging es mir durch den Kopf. Eikichi konnte es nicht wissen, dass seine Tochter noch lebte.
Und ich konnte es ihm nicht sagen. Oder doch?
Langsam entfernte ich die Schutzhülle und zog die UEMF-Uniform heraus. Die Abzeichen lauteten noch auf First Lieutenant, aber es sollte keine Schwierigkeiten, die beiden Silbersterne gegen drei Goldene auszutauschen. Ich brauchte nur Sakuras Uniformen zu plündern.
Sanft strich ich über das Baumwollmaterial. Die Uniform war schneeweiß mit goldenen Aufschlägen. Auch die Knöpfe waren golden. Sie orientierte sich aus Respekt und Dankbarkeit an den Uniformen der so genannten nassen Navy, der erdgebundenen Flotte der Menschen. Auf der rechten Brust prangte unübersehbar das emaillierte Namensschild Otomo.
Links hingen sieben Orden, unter ihnen Silver Star und Pour Le Mérite. Dazu kam der Star of Earth, die Auszeichnung, die ich für die Vernichtung des ZULU erhalten, aber noch nicht befestigt hatte.
Zur Uniform gehörte noch eine weiße Schirmmütze mit schwarzem Schirm und dem UEMF-Logo in Gold, einem Hawk-Mecha vor der Erdscheibe mit der Pazifikregion als Hintergrund.

Langsam zog ich mich an. Die Uniform hätte zu klein sein müssen. Immerhin war ich die letzten drei Jahre noch ne ganze Ecke gewachsen. Aber sie passte wie angegossen. Bis auf die linke Brust, die saß doch etwas klamm. Warum, fand ich heraus, als ich ein Päckchen aus der Innentasche der Uniformjacke hervor zog. Ich öffnete es und sah zwei Dreierleisten Goldsterne sowie die Mars Campaign Valor in Gold, den Orden, der nur an Mitglieder der ersten Marsattacke verliehen worden war. Es gab ihn in drei Stufen und Gold war meines Wissens nur Posthum an Yohko verliehen worden. Eigentlich.
Andererseits hatte ich mich immer gewundert, wo wohl mein Orden blieb.
„Damit du nicht an meine Sachen gehst. Habe mich um alles gekümmert. Kuss, Sakura“, las ich von dem beigelegten Zettel.
Cousinchen. Sie war manchmal echt Gold wert.
„Warte, ich helfe dir“, sagte mein Großvater vom Eingang her, löste die Schulterklappen und nahm die alten Abzeichen ab. Danach befestigte er die drei Goldsterne.
Er trat einen Schritt zurück und musterte mich. „Gut siehst du aus. Gib mir den Orden, ich bringe ihn an.
Hast du eigentlich daran gedacht, dass du eine zweite Jacke bräuchtest, wenn du all die Orden und Kampagnenbänder akzeptiert hättest, die dir verliehen werden sollten? Und wo ist überhaupt der Star of Earth?“
Ich deutete auf den Schreibtisch. Dort lag eine unscheinbare lila Schachtel.
Michael öffnete sie und zog die stilisierte fünfstrahlige Sonne an dem rotschwarzen Band hervor. „Für den finden wir auch noch einen Platz.“

Skeptisch musterte Opa mich. „Hm, du darfst jetzt nicht mehr laufen, sonst klapperst du wie ein Schellenbaum.“
Ich lachte leise über den Scherz.
„Und? Hast du dich entschieden, Akira?“
Mein Blick ging durch das ganze Zimmer, über meinen Schreibtisch, meine Sammlung. Schließlich nickte ich. „Ja, Opa. Ich werde dieses Haus eine ganze Weile nicht sehen. Ich richte mich im Büro neben Eikichi ein und versuche zu retten, was zu retten ist.
Vielleicht ist der Klimperkram dabei nützlich. Auf irgendeine Weise.“
„Das wird er, Akira. Das wird er. Ich habe einen Wagen bestellt. Er wird dich zur Schule bringen.“
Ich sah fort. „Es schmeckt mir immer noch nicht. Ich soll meine Freunde da mit reinziehen… Die Älteren sollten für die Jüngeren einstehen, nicht umgekehrt.
Verzeihung, Opa, ich weiß, dass Ihr das in diesem Fall nicht könnt. Ich bin unfair.“
„Nein, ich bin froh, dass du das gesagt hast, Akira.
Weißt du, wie Helen gestorben ist? Sie starb nicht, um dich oder Yohko zu schützen. Sie starb nicht, um uns zu beschützen, ihre Eltern. Nein, es war ein ganz banaler Autounfall, der ihr das Leben gekostet hat. Manchmal sitze ich Nachts wach und male mir aus wie es gewesen wäre, wenn ich nicht in Kanada, sondern hier in Tokio gewesen wäre. Wenn ich mich an ihrer Stelle vor den Wagen hätte werfen können. Wenn ich meiner Pflicht hätte nachkommen können. Sie zu beschützen.
Aber dann fällt mir immer eines ein, was sie zu sagen pflegte. Man sollte sich nicht jemanden aussuchen, den man beschützen will. Man sollte alle beschützen, die man liebt.
Denkst du nicht, dass deine Freunde auch jemanden haben, den sie beschützen möchten? Willst du ihnen nicht wenigstens die Wahl lassen?“
„Du redest wie ein Politiker, Opa“, spottete ich.
Michael reichte mir die Schirmmütze. „Unterschätze die junge Generation nicht, Akira. Du warst damals eine ziemliche Überraschung für die Kronosier.“
Ich nickte ihm zu. „In der Tat. Vielleicht bin ich es wieder.“

„Ist das alles? Willst du nichts einpacken?“, fragte Michael, als ich mich zum gehen umwandte.
„Ich nehme noch mein Katana mit. Alles, was ich brauche kriege ich von der UEMF.
Akari!“
Mein Oni erschien in der Tür, wie immer mit dem Kimono bekleidet, der ihr so gut gefiel. In der einen Hand hielt sie eine Tasche, in der anderen ihre Oni-Maske. „Ich habe mir erlaubt, einige Dinge einzupacken, Meister.“
„Meinetwegen. Opa, ich gehe jetzt.“
„Kommt gesund wieder. Ihr alle“, sagte er tonlos.
**
Die Fahrt zur Schule verbrachten wir schweigend. Akari war noch immer nicht über den Test hinweg, den Dai-Kuzo mit ihr zelebriert hatte. Und mir gingen tausend andere Gedanken durch den Kopf. Nach dem letzten Bericht dienten nun vierhundert immune Menschen auf dem OLYMP. Das war gerade mal genug, um einen Frachter sicher zu entladen und die Ware runter auf die Titanen-Station zu schaffen. Von einem regulären Dienstbetrieb war das noch sehr weit entfernt. Drei-bis Viertausend wäre erst eine richtige Notmannschaft gewesen. Und selbst da hätte es noch an allen Ecken und Enden gefehlt.
„Na? Was grübelst du so, Akira-chan?“, fragte Kitsune fröhlich.
Ich zuckte heftig zusammen. „Wo kommst du denn her?“
„Habe ich das nicht neulich erklärt? Also, wenn sich ein Fuchsdämon und eine Fuchsdämonin ganz, ganz furchtbar lieb haben, dann…“
„Schon gut, schon gut, Kitsune“, unterbrach ich sie hastig. „Ist ja auch egal. Wo ist Okame?“
„Der ist auf dem OLYMP. Da oben fühlt er sich recht wohl. Er hat sein Schlafbedürfnis ausgeschaltet und macht eine Schicht nach der anderen da oben. Mittlerweile sollte er das einlotsen von Mondfrachtern perfekt beherrschen“, erwiderte sie lächelnd.
„Gut zu wissen. Wir sind jedenfalls für jede Hilfe dankbar“, murmelte ich.
„Ach, deshalb fährst du zur Schule?“
„Wir holen nur jemanden ab. Ich wünschte nur, ich hätte ihnen mehr Zeit geben können. Dieser halbe Schultag ist viel zu wenig. Dafür, dass sie die Schule für eine lange Zeit nicht mehr sehen werden. Vielleicht nie mehr.“ Ich senkte den Kopf.
„Aber, aber, Akira-chan. Wenn du dabei bist, wirst du schon alle wieder zurück bringen“, sagte die Füchsin und lehnte sich auf mich. „Nicht? Nicht?“
„Du meinst wie das letzte Mal, als ich meine Schwester für tot hielt und sie drei Jahre lang in den Händen der Kronosier zurück ließ?“, konterte ich mit Ärger in der Stimme.
„Na gut, es gibt Ausnahmen“, räumte sie ein. „Aber die bestätigen doch nur die Regel.“
„Deinen Optimismus will ich haben“, brummte ich.

„Colonel, wir sind da.“
„Danke Stuart. Funken Sie jetzt den zweiten Wagen an, dass er ebenfalls kommen soll. Ich steige jetzt aus.“
„Moment noch, Sir. Wir sind noch nicht mit dem Check fertig. Okay, das ist das Grünzeichen. Keine Heckenschützen im gesamten Areal.“
Ich schob die Tür auf und stieg aus. Als ich auf dem Bürgersteig vor der Schule stand, setzte ich meine Schirmmütze auf. Mist, in der Verkleidung würde mich nicht mal mein Vater wieder erkennen!
Ein kurzer Blick auf die Schuluhr sagte mir, dass die nächste Pause kurz bevor stand. Besser hätte das Timing gar nicht sein können.
Langsam trat ich auf den Schulhof. Hinter mir stiegen Akari und die Fuchsdämonin aus. Eine Gruppe Jungs, die versteckt in einer Ecke rauchte, hustete plötzlich, als sie mich sah.
Ich grinste herüber. „Wer es nicht verträgt, soll es lassen.“
„Das… Das ist…“, stammelte einer von ihnen.

Als ich weiter in den Innenhof marschierte, schien ich damit ein Zeichen gegeben haben. Die Fenster stammten alle zu Laufgängen, dennoch öffneten sich mehrere von ihnen und erstaunte Schüler sahen heraus.
Ich blieb kurz stehen Was tat ich hier? Was tat ich hier bloß?
„Ist es also soweit?“, fragte mich Akane. Sie musste hinter der Mauer gestanden haben, als ich den Hof betreten hatte.
„Ist was soweit?“, fragte ich treu.
„Gehst du nun? Wirst du in den Kampf ziehen? Blue Lightning?“
Langsam wandte ich mich ihr zu und ebenso langsam nickte ich. „Ja. Es tut mir Leid, aber ich hole nur meine Kameraden ab.“
Sie musterte mich einen Moment. „Wann soll ich fertig sein?“
„Was, bitte?“, rief ich erstaunt.
„Du hättest Gestern da sein sollen“, erwiderte sie und lächelte mich an. „So ein Youma wollte mich doch tatsächlich erneut übernehmen. Aber damit war ich überhaupt nicht einverstanden. Tja, den Raum der Schülervertretung habe ich wohl den Rest gegeben. Aber die Uniform mit dem grünen Rock steht mir wirklich gut. Hina hat mich dann knapp und bündig über alles aufgeklärt, Akira. Hier stehe ich. Wann geht es los?“
Ich spürte, wie meine Kinnlade herab sackte. „Du? Was? Wer? Du bist ein Slayer?“
„Green Slayer, um genau zu sein. Ja. Ich bin etwas überrascht bei dieser Entwicklung. Aber ich bin auch froh. Ich meine, endlich gehöre ich irgendwo hin. Dazu. Ich bin Teil einer Gemeinschaft. Früher saß ich viel zu oft zwischen den Stühlen als Schülervertreterin oder Sempai. Aber nun habe ich… Ich habe Freunde. Und du willst mir doch nicht etwa sagen, dass ich diese Freunde nun ohne mich gehen lassen muß? Akira?“
Ich starrte betreten zu Boden. Und schämte mich für meine nächsten Worte. „Die Slayer werden heute Abend nach der Schule abgeholt, Akane. Sei dann bereit. Um Bekleidung brauchst du dich nicht sorgen. Wir haben alles da, was Ihr braucht.“
„Gut, dann ist das abgemacht“, erwiderte sie. Ein dünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Mittlerweile hatte es zur Pause geläutet und Schüler füllten nach und nach den Hof. Ach was, es sah eher so aus, als hätte jemand einen Wasserhahn angestellt und damit eine Überschwemmung verursacht, die nun geradezu aus dem Gebäude heraus schoss.
Die Menge raunte aufgeregt. „Ist das Akira-kun?“ „Ist das dieser Blue Lightning?“
„Ich kenne die Abzeichen. Sie bedeuten Colonel.“

„Militär hat hier nichts zu suchen!“, blaffte einer der Lehrer und kam eiligen Schrittes auf mich zu. „Verlassen Sie sofort das Gelände!“
Es war einer der Sportlehrer, ein großer, bulliger Kerl mit genügend Kraft, um einen Ochsen umzuwerfen.
Ich fixierte den Mann mit einem eiskalten Blick. „Mein Name ist Akira Otomo. Colonel Akira Otomo. In diesem Moment bin ich der Oberkommandierende der Erdverteidigung. Wir befinden uns in einer akuten Notlage, und deshalb hole ich jetzt meine Leute ab.“
„Oberkommandierender? Sie können uns viel erzählen.“
„Aber es ist wahr. Sehen Sie nie Nachrichten, Aihara-sensei?“, fragte Sakura, als sie durch die Menge nach vorne durch trat. Sie kam direkt zu mir und wollte salutieren, aber ich winkte ab.
„Sie sind nicht in Uniform, Lieutenant Colonel Ino. Regeln Sie Ihre Dinge in der Schule und folgen Sie mir später. Und nimm dir ruhig Zeit, Sakura.“
Meine Cousine lächelte mich an. „Ich habe bereits alles erledigt. Ich komme sofort mit. Oder glaubst du, ich lasse dich alleine?“
„Das ist gut zu hören“, erwiderte ich. Ein Stein fiel mir vom Herzen und verursachte eine Welle, die einen Großteil meiner Sorgen fort schwemmte.

„Major Makoto Ino!“, rief ich mit lauter Stimme. Kasernentonstufe vier von sieben übrigens.
Makoto drängte sich mit ernster Miene bis nach vorne durch. Er salutierte vor mir und sagte: „Colonel.“
Er wirkte überraschend ernst. Gefasst. Und männlich.
„Was machen Sie da bloß?“, rief der Sportlehrer. „Verteilen Sie jetzt schon Ränge, um die armen Kinder zur Schlachtbank zu führen?“
Makoto wandte sich um und fixierte den Sportlehrer mit einem eisigen Blick. Seine Augen schienen rot aufzublitzen. „Ich war einer der Piloten, die unter Colonel Otomo den Mars angegriffen haben. Ich bin schon länger in der UEMF und kämpfe für die Erde als dass Sie an dieser Schule unterrichten, Sensei.
Entschuldigen Sie meinen Ausbruch, Colonel. Ihre Befehle?“
„Rufen Sie die Angehörigen der United Earth Mecha Force heraus und lassen Sie Aufstellung nehmen“, befahl ich tonlos.
„Alle? Auch die Undercoveragenten?“
„Alle. Wir brauchen jeden, der unter einundzwanzig ist“, hörte ich mich sagen, aber die Worte klangen so, als würden sie von einem Fremden kommen. Ich hasste sie. Ich wollte sie nicht aussprechen!
„Verstanden!“ Hastig schloss Makoto den Kragen seiner Schuluniform. Dann ließ er den Blick über die Menge schweifen. „Captain Megumi Uno!“
„Wenn Sie glauben, ich lasse Sie schalten und walten, wie immer Sie dies wünschen, dann…“, rief Aihara und stürzte sich auf Makoto.
Der sah nur kurz zur Seite, huschte unter dem Schlag hindurch, drehte den Arm mit, als er auf den Rücken des Sportlehrers gelangte, ließ ihn vom eigenen Schwung zu Boden stürzen und verdrehte den Arm, bis der Mann vor Schmerz aufschrie. Leiser Applaus erklang für ihn.
„Ich bin zweimaliger Flottenmeister in Judo. Um mich zu erwischen müssen Sie schon etwas mehr bringen. Und wenn ich Sie darüber informieren darf, Sie behindern gerade eine staatliche Aktion. Genauer gesagt, Sie begehen gerade Hochverrat. Ich lasse Sie nur deshalb nicht verhaften, weil Sie sich um die Leben Ihrer Schüler sorgen!“

Makoto ließ den Sportlehrer wieder fahren und sah in die Runde. „Noch jemand?“
Ich starrte den Cousin tief erschüttert an. Makoto war plötzlich so… Männlich.
„Wow“, entfuhr es mir.
„Ja, er kann schon mal gemein werden wenn er muß“, murmelte Sakura schmunzelnd. „Dann ist er ein richtiges kleines Monster.“
Als sich niemand auf seine Herausforderung meldete, räusperte er sich und rief erneut: „Captain Megumi Uno.“
Megumi trat aus der Reihe der Schüler hervor. Sie salutierte vor Makoto, dann trat sie zu mir vor. „Colonel. Captain Uno meldet sich wie befohlen.“
„Treten Sie ein, Captain. Weitermachen, Major.“
„First Lieutenant Daisuke Honda.“
Zwischen den Büschen erhob sich ein Mecha der Hawk-Klasse. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ich hatte die riesige Maschine nicht bemerkt. „Anwesend und bereits im Einsatz für den Personenschutz von Colonel Otomo“, erklang seine Stimme über Außenlautsprecher.
Makoto nickte zufrieden. „Ensign Yoshi Futabe!“
Yoshi trat vor, salutierte kurz vor Mako und dann vor mir. „Vergiss nicht, Akira, ich bin dabei.“
„Ich habe es nicht vergessen. Treten Sie ein, Ensign. In spätestens einem Monat sind Sie Second Lieutenant.“
„First Lieutenant Yohko Otomo!“
First Lieutenant? War sie damals befördert worden?

Meine Schwester arbeitete sich langsam nach vorne, nach besten Kräften von ihren Freundinnen daran gehindert. „Wo willst du hin, Lilian? Du wurdest doch gar nicht gerufen“, sagte Hina.
Yohko sah ihr in die Augen. „Es ist eine lange und merkwürdige Geschichte, Hina-chan, Ami-chan. Aber ich bin Yohko. Ich bin Akiras kleine Schwester.“
Die beiden Mädchen ließen Yohko fahren. Sie trat durch eine Gasse vor Makoto. „Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, würde ich gerne bis auf weiteres Lilian Jones genannt werden.“
„Gut, First Lieutenant Jones. Treten Sie ein.“
Sie salutierte vor mir und ich musste sehr mit mir kämpfen, dass ich nicht einfach vortrat und sie die versprochene Stunde nur umarmte. Neben Yoshi reihte sie sich ein.
„Spezialist Sarah Anderson.“
Sarah trat durch die Reihen und lächelte Mako freundlich an. „Leider bin ich kein offizieller Militär, deshalb darf ich nicht salutieren.“
„Das geht in Ordnung, Sarah-chan. Stell dich einfach zu den anderen“, erwiderte Makoto und salutierte seinerseits.
Sarah nickte mir zu, dann warf sie dem Hawk einen Kussmund zu. Deutlicher hätte sie nicht sagen können, was sie fühlte.
„Pilot im Training Kenji Hazegawa.“
Der riesige Kenji trat vor, salutierte aber nicht.
„Pilot im Training, wir würden Sie gerne aktivieren. Sie können das jedoch ablehnen“, informierte Mako in leise.
„Bin ich verrückt?“, rief Kenji. „Das ist doch genau das, was ich immer wollte! Ich kann gar nicht erwarten, dass es losgeht!“
„Dann sind Sie hiermit offizielles Mitglied der UEMF. Sie dürfen salutieren.“
Kenji wurde übergangslos wieder ernst, salutierte vor Makoto und dann vor mir. „Danke, Akira.“
Ich knirschte mit den Zähnen. „Ich tue dir das nur ungern an.“

Makoto rief drei weitere Namen auf, die mir nichts sagten, wenngleich ich die Gesichter schon einmal gesehen hatte. Es waren Geheimdienstoffiziere in den Lieutenantsrängen. Ich war dankbar für jeden einzelnen.
Dann zog Makoto einen Zettel aus der Tasche. „Captain Mamoru Hatake!“
Ich zuckte bei diesem Namen zusammen. „WAS?“ Mein Kopf ruckte zu Megumi herum.
Die hob ratlos die Schultern.
Mamoru trat aus. Jeder Zoll Präzision und Gefasstheit. „War das wirklich nötig, Major Ino? Mussten Sie meine Deckung so vollkommen zerstören?“
„Es sind interessante Zeiten, Captain“, erwiderte Mako und salutierte.
Mamoru erwiderte den Salut und trat vor mich. „Mit dieser Entwicklung habe ich nie gerechnet, Colonel. Da ich Teil des Personenschutz bin und nicht auf OLYMP diene, hatte ich absolut keine Ahnung, dass Sie Blue Lightning sind. Das macht einige Sachen hier sehr kompliziert.“
„Du glaubst ja gar nicht wie kompliziert, Kumpel“, murmelte ich und salutierte scharf.
Mamoru erwiderte den Salut und ließ ein kurzes Lächeln über sein Gesicht huschen.

Makoto wandte sich mir zu. „Sir. Das waren alle UEMF-Angehörigen in dieser Schule. Ich habe noch siebzehn Piloten im Training auf meiner Liste. Aber ohne persönliche Willenserklärung und offizielle Aufnahme in die UEMF kann ich sie nicht aufrufen.“
Ich nickte ernst. „Das war es also. Lassen Sie ohne Tritt zu den wartenden Wagen gehen, Major.“
Ich wandte mich um. Der zweite Wagen war angekommen. Bewaffnete Soldaten in der UEMF-Uniform hielten die Türen auf.
„Zwölf?“, rief Kei Takahara plötzlich. „Du willst mit zwölf Leuten den OLYMP verteidigen?“
„Und den Mars angreifen, Kei“, sagte ich ernst.
„Ach, den Mars auch noch? Wer bist du, ein verdammter Gott?“
Ich wandte mich wieder um, um mich zu verteidigen, aber da war Kei schon heran. Er klopfte mir auf die Schulter und ging an mir vorbei. „Ich kann dich doch nicht alleine ins Verderben laufen lassen. Zu irgendetwas werde ich schon nütze sein. Du hast doch bestimmt Computer da oben, die ich rotieren lassen kann, oder?“
„Kei, ich…“
„Ach, komm schon, Akira! Ich bin jung genug, um vom Feld nicht versteinert zu werden! Du brauchst mich! Du brauchst jede Hilfe, die du kriegen kannst!“
„Kei! Wir ziehen in einen Kampf! Wir haben nur drei lächerliche Monate, um eine Operation vorzubereiten, die den meisten von uns das Leben kosten kann! Wenn es sein muß, werde ich sie alle opfern, nur um die Kronosier aufzuhalten!“
„Das ist es also? Akira, wie lange machst du den Job schon? Wie lange macht Megumi ihn schon? Du warst schon mal auf dem Mars und wärst fast gestorben. Verzeihung, aber denkst du nicht, ich habe das Recht, auch mal was für die Menschheit zu tun? Keine Widerrede. Vielleicht sterben wir. Aber wenn du das Risiko eingehen kannst, dann kann ich es auch. Ich verlange ja keinen Hawk oder so. Ich will nur eingesetzt werden, wo du mich brauchst.“

Ich schwieg betreten. Meine Lippen und Hände begannen zu zittern. „Kei…“
„Ach komm, Akira. Ihr seid zwölf! Ihr könnt jede helfende Hand brauchen!“, blaffte er. „Ich trete in deine Armee ein und kämpfe an deiner Seite. Für diese Schule. Diese Stadt. Diese Welt. Ist das verkehrt? Und wenn ja, warum darfst du es dann?“
Ich senkte resignierend den Kopf. „Willkommen an Bord, Spezialist Kei Takahara.“
Eine Hand legte sich schwer auf meine Schulter. Ich wandte mich um und erkannte Takashi Mizuhara, den Schülersprecher. „Akira. Ich bin einer der Piloten im Training. Ich will mitkommen.“
„Sempai, ich…“
„Colonel Otomo! Ich will helfen! Der OLYMP ist ausgefallen, aber das soll nicht das Ende der Menschheit sein! Wenn Kei sein Leben riskieren darf, warum dann nicht ich?“ Takashi griff hart zu und nahm mich in den Schwitzkasten. „Oder muß ich dich erst wieder durch die Mangel drehen?“
„Ist ja gut, Sempai. Du bist an Bord.“ Für einen Augenblick konnte ich lachen. Und ich hatte geglaubt, das nie wieder tun zu können.

„Warum warten, Akira-chan?“, fragte Akane leise. „Ich kann auch gleich mitkommen.“
Ich kratzte mich an der Schläfe. „Dann werden wir einen größeren Wagen brauchen.“
„Darum bitte ich. Ich komme auch mit. Oder hast du gedacht, ich reiße Akiras Zorn auseinander?“, fragte Doitsu Ataka und ging mit einem breiten Grinsen an mir vorbei.
„Ihr… Ich…“, stammelte ich fassungslos. Es tat gut. Es tat so unglaublich gut, die Zuneigung meiner Freunde zu spüren, ihre Opferbereitschaft. Ihre Hingabe.

„Na, was ist hier denn los? Rekrutierst du etwa Leute für ein Himmelfahrtskommando und denkst dabei überhaupt nicht an mich? Du bist mir ja einer!“, rief Joan Reilley lachend und winkte von den Autos herüber. Neben ihr stand Blondie, die Hände manierlich hinter dem Rücken verschränkt, aber mindestens so breit grinsend wie Doitsu.
„Joan, wir… Wir werden töten! Und wir werden getötet werden! Willst du das wirklich?“, fragte ich ernst.
Die Popdiva sah betreten zu Boden. „Weißt du, warum ich singe? Okay, ja, weil ich es kann. Das ist ein Grund. Aber der wichtigere Grund ist, es gibt da draußen Menschen, die mir zuhören. Und wenn ich will, dass sie meine Musik auch in Zukunft hören können, egal was die Kronosianer wollen, dann sollte ich etwas tun! Und ich kann etwas tun!“
Ich schluckte hart und vernehmlich. In meiner Kehle steckte ein Riesenkloß. „Danke, Joan-chan.“

„Ihr habt, was Ihr wolltet, nun geht endlich!“, rief der Sportlehrer. „Und Ihr, geht zurück in eure Klassen!“
Hina Yamada löste sich als erste aus der Reihe. „Akane hat Recht. Warum warten? Ich komme auch mit, Akira-san!“
Ich schüttelte den Kopf, aber ich konnte das Grinsen nicht verkneifen. „Wir sollten einen Bus anfordern.“
„Soll ich schnell einen holen?“, bot Daisuke in seinem Hawk an.
Ich lachte lauthals. Ein schönes Gefühl. Ein sehr schönes Gefühl. Hina kam heran gelaufen und ich nahm sie dankbar in die Arme. „Jetzt glaube ich, dass wir es schaffen können.“
„Was? Hast du das vorher nicht geglaubt, Blue Lightning?“, rief Yoshi in gespielter Entrüstung.

„Nun verschwindet endlich! Und Ihr geht zurück in eure Klassen!“
„Geh mal beiseite, Dicker“, rief Ami Shirai wütend und stapfte an den anderen vorbei. „Emi, wo bleibst du?“
„Ich komme ja schon, ich komme ja schon.“
„Wa… Was macht Ihr da? Zurück in eure Klassen! Ihr seid doch völlig normale Schüler!“, rief der Sportlehrer aufgebracht.
„Blue Slayer Power…“, erklang es neben mir. Übergangslos entstand ein Lichtblitz der mich geblendet die Augen schließen ließ. Neben mir rotierte Hina plötzlich in der Luft und verwandelte sich in Blue Slayer. „Wenn Akira-chan seine Identität aufgeben musste, kann ich es genau so gut. Ich bin Blue Slayer, und ich bin eine Verbündete der United Earth Mecha Force. Wir haben den gleichen Gegner und ich scheue meine Verantwortung nicht, mich ihm entgegen zu stellen! Hier, im Orbit oder sogar auf dem Mars!“ Trotzig sah sie in die Runde. „Und niemand, erst Recht kein Sportlehrer hält mich davon ab!“
„Black Slayer Power…“, erklang es von Emi. „Red Slayer Power…“, rief Ami.
„White Slayer Power…“ Irritiert wirbelte ich herum. Akari?
„Green Slayer Power…“ Ich sah zu Akane herüber. „Orange Slayer Power!“, erklang es nun hinter mir. Wieder fuhr ich herum und bekam gerade noch mit, wie Sarah in einem Lichtblitz verschwand. „Was? Sarah? Sarah Anderson?“
Wieder entstanden diese Lichtblitze, die Mädchen verwandelten sich. Ihre Macht wuchs enorm an, ich spürte es an ihren Auren. Sie waren mächtig, sehr mächtig, das erkannte ich wieder einmal. Dai-Kuzo-sama hatte gut vorgesorgt.
„Wenn du preisgibst wer du bist, dann tun wir das auch!“, erklärte Red Slayer trotzig.
Black nickte ernst dazu.
Red warf die Arme hoch. „Und jetzt lasst uns endlich mal ein paar Invasoren in den Arsch treten!“
„Gut gesprochen! Sehr gut gesprochen!“, rief Mamoru und klopfte Red auf die Schulter.

„Ja“, murmelte ich leise, „jetzt werden wir es schaffen.“
„Akira, was ist mit mir? Braucht Ihr nicht jeden unter einundzwanzig, der bereit ist, etwas zu lernen? Der helfen will?“ Hiroko trat an uns heran. „Kann ich nicht auch helfen? Ich weiß nicht, ob ich einen Mecha steuern kann, aber ich will gerne etwas tun.“
„Danke, Sempai, aber du könntest sterben.“
„Du doch auch, Akira! Und die anderen. Und Ihr geht trotzdem, sogar Akane-chan! Ich habe vielleicht nicht soviel Macht wie Blue Slayer, nicht so eine Erfahrung wie Megumi-kohai. Aber ich will mich nützlich machen!“
Mit diesen Worten hatte sie eine Welle losgetreten. Erst waren es nur ein paar, aber dann schien es, als würde eine riesige Flut an Schülern auf uns zuschwappen. Dutzende Namen fielen, weitere Piloten im Training meldeten sich zum Dienst.
Aihara-sensei ging in der Masse unter wie ein wrackes Schiff während einer Sturmflut.

Ich hob langsam die Arme und die Menge verstummte. „Es ist wahr, wir können jede helfende Hand unter einundzwanzig Jahren gebrauchen, wenn die Menschheit überleben soll.“
„Dann nimm doch uns!“, rief eine Mädchenstimme aus der Menge.
„Nichts täte ich lieber, denn ich kenne viele von euch. Und auch meine Untergebenen kennen viele mit Namen und begleiten sie schon ein halbes Leben. Aber wir ziehen in einen Krieg. Ein Krieg, in denen wir sterben können und ebenso jeder, der uns begleitet.“
„Alter Hut. Leg mal eine neue CD auf, die haben wir schon lang genug gehört!“, rief ein Junge aus der Menge. Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm.
„Okay, die Schüler dieser Schule sind mehrfach durchleuchtet worden. Immerhin ging es um Megumis und meine Sicherheit. Und ich würde für jeden, den ich kenne, meine Hand ins Feuer legen. Aber seid Ihr euch bewusst, was Ihr da fordert? Wir brauchen nicht nur Mecha-Piloten, nicht nur Bordschützen. Nicht nur Navigatoren. Wir brauchen auch Mediziner, Köche, Lademannschaften, Funker, Ortungsspezialisten und Infanteristen.
Und wir haben nur drei Monate Zeit, um die Ausbildung abzuschließen. Es wird sehr hart werden und wir werden erwartet werden. Ich bin kein Garant dafür, dass auch nur einer nach Hause kommen wird. Das war ich nie. Wenn Ihr das erwartet, dann bleibt besser hier.“
Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Menge.
„Dies ist kein Spiel. Und seht es auch nicht als solches. Es geht um Tod, um Verletzungen, um Vorherrschaft oder Sklaverei. Wenn Ihr das begriffen habt, dann schlaft eine Nacht darüber. Und Morgen früh kann jeder, der dies will, sich in meinem Namen in einem Rekrutierungsbüro in der Innenstadt melden. Versprecht mir, dass Ihr euch das bewusst macht. Bitte, denkt genau darüber nach!“

Stille antwortete mir. Ich nickte dazu und wandte mich langsam um. Mittlerweile waren zwei weitere Wagen dazu gekommen, und meine Freunde verteilten sich auf die Autos. Gerade als ich selbst einsteigen wollte, rief ein Junge aus der Menge: „Also bis Morgen, Blue Lightning!“
Lauter Jubel brach aus, bestätigte seine Worte. Ich lächelte ein letztes Mal und stieg ein.

Nervös massierte ich meine Nasenwurzel. „Wenn auch nur einhundert zu uns stoßen, wäre das eine große Hilfe. Eine sehr große Hilfe.“
Kitsune strahlte mich an. „Keine Sorge, keine Sorge. Wir schaffen das schon. Alle zusammen.“
Blue begann neben mir zu strahlen und Doitsu, der neben ihr saß und ihre Hand drückte, grinste noch immer. „Gut gesagt, Kitsune-chan. Zusammen schaffen wir das.“
„Zusammen!“, fielen die anderen ein.

4.
Ich richtete mir nach einer anstrengenden Verladeschicht von Heliumisotopen gerade mein eigenes Büro ein, als mich ein Anruf erreichte. „Rodriguez hier, Sir. Bitte kommen Sie herüber.“
„Ich bin unterwegs. Kommen endlich die Freiwilligen aus Europa?“
„Sehen Sie selbst, Sir.“
Neugierig machte ich mich auf den Weg und kam in die Zentrale. Dutzende Monitore und viele große Wandschirme zeigten verschiedene japanische und internationale Fernsehkanäle.
„Was ist das denn?“, rief ich erstaunt bei den Massen an Schuluniformen, die sich vor mehreren Rekrutierungsbüros der UEMF drängten.
Rodriguez drehte den Ton auf und Daisuke grinste zu mir herüber.
„…fast sämtliche Schüler der Fushida Oberstufe freiwillig für den Einsatz auf OLYMP, für den nur Menschen in Frage kommen, die unter einundzwanzig Jahren sind. Wie die UEMF mitteilt, sind alle bisherigen Bewerber für den Dienst tauglich und werden nach kurzer Prüfung vereidigt und in den aktiven Dienst übernommen. Nach bisheriger Zählung sind es bereits über zweihundert, und die Schlangen mit den Schuluniformen der Fushida Oberstufe reißen nicht ab.“
„…warum wir das tun? Ich kann nicht für die anderen sprechen. Aber die da oben haben uns drei Jahre lang beschützt, und jetzt brauchen sie unsere Hilfe. Megumi-chan ist in meiner Klasse und endlich kann ich etwas für sie tun.“
„…Akira Otomo Blue Lightning ist? Ich hatte total keine Ahnung. Er hätte das gar nicht geheim halten brauchen, wir hätten schon auf ihn aufgepasst. Nicht, Jungs?“
„…sterben können? Klar. Aber können Sie mir versprechen, dass die Kronosier uns nicht erobern und versklaven, nur weil die UEMF sie lieb drum bittet? Nein? Dann gehen Sie mal aus dem Weg. Ich bin nämlich dran.“
„…weil wir Geld dafür kriegen. Ist doch logisch. Nein Scherz beiseite. Mein Vater dient auf OLYMP und ist in diesem Feld, das seinen Zeitablauf anhält. Früher oder später wäre ich sowieso in die UEMF eingetreten. Jetzt ist es halt früher geworden, und das, weil ich meinen Vater beschützen will.“
„…ist sehr lustig in der Reihe, ja. Aber glauben Sie mir, niemand hier hat es sich leicht gemacht, sich in diese Reihe zu stellen. Wir alle wissen, dass wir eine gute Chance haben zu sterben. Das hat uns Colonel Otomo, ich meine Akira-kun Gestern klar gemacht. Aber wäre es Ihnen lieber, wenn Sie dafür Morgen von den Kronosiern vorgeschrieben kriegen, was Sie senden sollen? Wir werden gebraucht, und wir werden jetzt gebraucht. Akira-kun.“
„…hätten Sie sehen sollen, wie nach und nach mehr Soldaten aus den Reihen vorgetreten sind. Ich meine, bei Megumi-chan war das ja klar gewesen, aber bei Ino-sensei? Und die anderen wie Kenji und Sarah. Bei Honda-kun hat man so was ja schon geahnt, aber bei Yoshi? Jedenfalls, sollen sie den ganzen Spaß alleine haben? Nein. Bei irgendetwas werde ich helfen können, das weiß ich.“
„…die Slayer sind? Das glauben Sie doch nicht, dass Ihnen auch nur einer in der Reihe verrät, wer sich da verwandelt hat? Es reicht vollkommen, wenn Sie wissen, dass es Schülerinnen unserer Schule sind. Und das wir zu ihnen stehen, so wie sie uns vor diesen durchgeknallten Youmas beschützt haben!“

Ich schüttelte den Kopf, einfach nur tief beeindruckt den Kopf.
„Die ersten Hundert kommen gerade auf Titanen-Station an, Sir. Aber da es massive Proteste der Eltern gab, bieten wir jedem an, zurück zu fliegen. Doch anscheinend will keiner von ihnen freiwillig wieder gehen“, sagte Daisuke leise.
Er blinzelte mich an. „Sag mal, Akira, war es wirklich so einfach herauszufinden, dass ich zur UEMF gehöre?“
Ich lachte laut auf. „Ich habe es nicht gemerkt. Also keine Sorge.“

Die Kameras zeigten neue Bilder. Eltern versuchten ihre Kinder daran zu hindern, die Büros zu betreten. Andere machten gleich direkt vor den Soldaten der UEMF eine Szene. Dies nützte aber nur bei den Schülern etwas, die unter achtzehn waren.
Und von den Siebzehnjährigen, aus meinem Jahrgang, gab es nicht viele, die unter Tränen, aber auch Stolz verabschiedet wurden, bevor sie die Büros betraten. Es gab beide Extreme.
„Bald wird ihr Blut an meinen Händen kleben!“, keuchte ich.
„Dann wird es auch an meinen kleben“, sagte Megumi fest. „Aber du weißt so gut wie ich, dass wir sie brauchen. Oberstufenschüler mit guter Bildung und Intelligenz über dem Durchschnitt, nicht nur für den OLYMP und den Bordbetrieb, sondern auch für den Angriff auf den Mars.“
„Das macht es nicht leichter, Megumi-chan.“
„Das darf es auch nicht. Aber es macht die Sache verständlicher, oder?“
„Nicht sehr viel. Leider nicht sehr viel. Wann haben wir angefangen, Kinder in den Krieg zu schicken?“
„Hört, hört, wer da spricht. Ein kleiner Junge von siebzehn Jahren, noch nicht ganz achtzehn. Und er reißt nicht nur das Oberkommando an sich, er redet sogar schon wie ein Alter“, kommentiert Joan amüsiert vom Eingang her. Sie hatte ihr langes rotes Haar abgeschnitten und gegen einen Bürstenschnitt ausgetauscht. „Wenn du nichts dagegen hast, suche ich aus den Leuten hier an Bord die Besten raus, die sich für eine schnelle, starke und mobile Infanterietruppe eignen. Wenn wir die Kronosier diesmal schlagen wollen, und ich meine nicht nur für ein paar Jahre, dann, Akira, brauchen wir Infanterie. Dein Sempai Takashi ist mein erster Rekrut. Er wird einen hervorragenden Platoon Sergeant abgeben.“
„Das gleiche wollte ich auch gerade sagen“, sagte Megumi ernst. „Ich wollte mir die Piloten im Training schnappen und einige von den viel Versprechenden wie Doitsu, um eine Vorauswahl zu treffen und ein erstes Training zu veranstalten.“
„Beides genehmigt, Ladies. Aber vergesst nicht, nur weil dies alles Schüler unserer Schule sind, werden sie uns nicht alle zum Mars begleiten. Viele von ihnen werden auch hier auf OLYMP ihren Dienst tun müssen.“

„Akira!“, rief Daisuke herüber. „Commander Thomas ist in der Leitung.“
„Stell ihn durch.“ Einer der Bildschirme auf meinem Pult flammte auf und zeigte das Gesicht meines Lehrmeisters. Es hatte seine Vorteile, nicht nur über Audio zu verfügen. „Jerry. Hallo. Was für Hiobsbotschaften hast du für mich?“
Der alte Soldat grinste breit. „Ich nehme an, du sitzt.“
„Schon wieder Ärger mit der Kommission? Soll ich jetzt erst Recht wieder abgesägt werden?“, ächzte ich.
„Sitzt du?“
„Mach es nicht so spannend, Sensei“, schimpfte ich.
„Gut. Wenn du nicht sitzt, dann tu es endlich. Denn ich habe eine nette kleine Mail bekommen. Genauer gesagt ging sie an alle offiziellen Büros. In der Mail wird das Kommando über die Erdverteidigung auf dich übertragen.“
„So ein Quatsch. Abgesehen vom Komitee und einer Vollversammlung der UNO gibt es nur einen Menschen, der das tun könnte, und das ist…“ Überrascht sprang ich auf. „VATER!“
„Ja, Eikichi. Niemand sonst.“
Ich warf mich herum, sprintete aus der Zentrale. „Dieses Leuchten um seine Finger! Die KI-Energie! Das hat er also geschrieben!“
Megumi folgte mir. „Was ist los, Akira?“
Ich erreichte Vaters Büro, riss die Tür auf, rannte um den Schreibtisch herum und sah das Zeichen dafür, dass eine interne Mail verschickt worden war. Hastig klickte ich den Browser zurück und las die Mail.
„Hiermit übergebe ich das Amt als Executive Commander über die UEMF an Colonel Akira Otomo ab. Gezeichnet, Eikichi Otomo“, las ich laut vor.
„Das ist eine Überraschung, was?“, erklang Jerrys Stimme über die Kommleitung. Eine gnädige Seele hatte ihn rüber gestellt.
„Eine Riesenüberraschung. Er hat seinen Zeitablauf mit KI-Energie beschleunigt, damit die Mail noch in diesem Leben fertig wird. Verdammt, Eikichi, das erklärt, warum du Commander nur mit einem M geschrieben hast.“
„Keine faulen Witze, bitte. Damit wirst du nicht nur von den Kapitänen der Flotte getragen, sondern hast auch rechtlich gesehen das Oberkommando. Ich erwarte deine Befehle.“
„Einen Moment, Jerry.“
Ich rief ein Schreibprogramm auf und begann zu tippen. Danach ließ ich es offen. „Megumi, gib Anweisung, dass niemand den PC von Vater ausschaltet. Er wird mehr als eine Woche brauchen, um den Text, den ich ihm getippt habe, lesen und verstehen zu können.“
„Verstanden. Was hast du ihm denn geschrieben?“
Ich lächelte matt. „Dass Yohko und Lilian ein und dieselbe Person sind.“
Megumi streichelte mir durch mein Haar. „Du bist ein guter Junge.“

Zurück in der Zentrale setzte ich mich wieder zum Monitor. „Da ich jetzt unwiderruflich das Oberkommando habe, kommt hier mein Befehl. Jerry, wir führen den Angriff auf den Mars durch, allerdings in abgespeckter Version. Statt mit einer Armada werden wir mit zwei Fregatten, einem Zerstörer und einem Kreuzer fliegen. Welcher Kreuzer hat die geringsten Schäden erlitten? Welchen können wir innerhalb von drei Monaten einsetzen? Auf welchem können wir trainieren?“
„Die BISMARCK ist ausgebrannt, wie du weißt. Die HINDENBURG hat es auch übel erwischt, aber wir kriegen sie nie in drei Monaten flugbereit, geschweige denn dicht genug, um eine Atmosphäre zu halten“, informierte er mich leise. „Wenn wir die anderen beiden Schiffe in der Reparatur komplett zurück stellen, schaffen wir es vielleicht die GRAF SPEE rechtzeitig hin zu bekommen.“
„Jerry, ich habe eine Entscheidung getroffen. Konzentriere alle Energien auf die GRAF SPEE. Wir brauchen das Schiff in exakt drei Monaten. Ich bringe dir eine Crew rüber, bestehend aus meinen Mitschülern und Freiwilligen Soldaten rund um den Erdball“, sagte ich ernst.
„Und wer soll das Schiff kommandieren? Du wirst am Angriff teilnehmen wollen, aber nicht unbedingt an Bord bleiben, oder?“, tadelte mich mein Sensei.
Ich lächelte dünn. „Das hast du gut erkannt, Jerry. Sakura wird das Kommando übernehmen.“
„Hey, das ist eine gute Entscheidung. Sie könnte sogar einen Wal dazu bringen Stepptanzunterricht zu nehmen.“
Ich grinste dazu, und wurde sofort wieder ernst. „Ruf sofort die KAZE, die LOS ANGELES und die YAMATO nach ARTEMIS. Sie und die GRAF SPEE werden für den bevorstehenden Einsatz umgerüstet. Ich will bessere Schilde und stärkere Waffen. Nutze jeden verdammten Flecken an Bord aus, um das zu schaffen.“
„Wir haben nicht die Kapazitäten, alle vier Schiffe zugleich umzurüsten“, wandte Jerry ein.

„Schmeiß die BISMARCK und die HINDENBURG in den Atlantik.“
„Was?“
„Jerry“, sagte ich beschwörend, „es geht um unser aller Überleben. Wir müssen statt mit dreiundzwanzig Schiffen nun einen Angriff mit vier Schiffen ausführen. Dafür will ich die Chancen für uns so gut wie möglich machen. Wir brauchen den Platz. Und die Werften auf OLYMP zu benutzen halte ich für keine gute Idee.“
Im Gesicht von Jeremy Thomas arbeitete es. „Ich tu es. Wenn du mir einen offiziellen Befehl gibst.“
„Danke“, sagte ich erleichtert. „Ich komme rüber und verabschiede die beiden Schiffe.“
Jerry schüttelte unwillig den Kopf. „Deswegen fällt es mir nicht leichter.“
„Ich weiß. Otomo aus.“

Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück. Was hatte ich da gerade angeordnet? Ich würde eine Viertelmilliarde US-Dollar zu den Fischen schicken. Aber so sehr ich auch nachdachte, mir fiel keine bessere Lösung ein.
„Du hast richtig entschieden“, sagte Megumi. „Denn wir brauchen die Kapazitäten wirklich.“
„Das macht es nicht einfacher“, murmelte ich.
„Und solange das der Fall ist und du dich um Menschen und Material kümmerst und sorgst, höre ich auf dich“, fügte Joan hinzu und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Danke“, erwiderte ich. „Bitte gebt Kei Takahara und Sakura Bescheid. Sie sollen mit mir und euch beiden sowie Makoto im Hangar bereit stehen. Wir fliegen sofort rüber nach ARTEMIS.“
„Warum auch Kei?“, fragte Megumi erstaunt.
Ich lächelte. „Nun, der Chefkoordinator der GRAF SPEE sollte so früh wie möglich einen Blick auf seinen zukünftigen Arbeitsplatz werfen, oder?“

5.
Die GRAF SPEE hatte in der mittleren Werft gelegen. Deshalb hatte sie die geringsten Schäden erlitten. Die Rümpfe der anderen beiden Kreuzer hatten sie gewissermaßen beschützt.
Nun hatten zwei Zerstörer an ihnen fest gemacht, um sie aus der Werft zu schleppen und dann ins Meer stürzen zu lassen. Es würde zu lange dauern, ihnen funktionierende Antigravitation einzubauen. Da war es einfacher, die Gravitation von ARTEMIS für einige Zeit umzukehren und den Schiffen einen Abstoßeffekt mitzugeben.
Ich nickte einem Techniker zu. Der gab Gravitationsalarm. Nach dem fünften Ton musste jedermann an Bord einen festen Halt erreicht haben.
Ich selbst hielt mich am Geländer des Balkons fest, von dem aus wir einen perfekten Blick auf alle drei Werften hatten.
„Neunhundert Meter lang. Zweihundertachtzig stark. Dreihundertneunzigtausend Tonnen Eigengewicht. Zwölf Torpedorohre, dreißig Raketenwerfer. Partikelgeschütze und Schwere Laserwerfer. Ein Antrieb, der sie binnen von sechs Wochen zum Jupiter und zurück bringen kann. Die Möglichkeit, einhundert Mechas mitzuführen und einzusetzen. Jedes einzelne darauf ausgelegt, eine Flotte von zwanzig Schiffen zu koordinieren. Fertig gebaut sechshundert Millionen wert. Und wir werfen zwei Stück davon weg“, murmelte ich leise.
„Hey, Akira-chan, es war deine Idee“, hielt mir Jerry vor.
Ich schüttelte den Kopf. „Nur weil es meine Idee war, heißt das doch nicht, dass ich sie nicht bedaure, oder?

Das fünfte Signal erklang. Kurz darauf spürte ich, wie mein Körper leichten Auftrieb bekam.
„Okay, Jerry, die MIDWAY und die WESTPOINT sollen los legen.“
Der Commander gab die Befehle weiter. Kurz darauf setzten sich die verkohlten und verbogenen Rümpfe de BISMARCK und der HINDENBURG in Bewegung. Sie glitten nur wenige Meter über der Oberfläche dahin, gepullt von den kräftigen Zerstörern. Als sie unseren Aussichtsposten erreichten, salutierte ich stumm mit der Rechten, während die Linke noch immer die Stange umklammerte.
Neben und hinter mir salutierten die Offiziere ebenso.
Es war ein Anblick von majestätischer Schönheit, aber zugleich so erschreckend, dass er eine Gänsehaut verursachte, als die Schiffe immer mehr und mehr über den Rand von ARTEMIS hinaus trieben, die Schlepptaue gesprengt wurden und die langen Schiffsrümpfe über den Rand hinweg kippten.
Eine Trompete spielte einen Trauermarsch und wir verharrten im Salut, bis sie verstummte.
Als der Trompeter endete, nahm ich die Hand wieder ab. „Lassen Sie die WESTPOINT und die MIDWAY nun Salut schießen, Commander.“
„Verstanden, Executive Commander.“
Kurz darauf schossen beide Schiffe neun volle Breitseiten Salut für die Schwesterschiffe ab, die geopfert werden mussten, damit ihre dritte Schwester, die GRAF SPEE, die Menschheit rettete.

Nach dem Salut gab es wieder Gravitationsalarm.
Als die Schwerkraft wieder richtig funktionierte, wandte ich mich um. „Kapitän Ino. Darf ich Ihnen vorstellen? Ihr Kommando. Die GRAF SPEE!“
Zögerlicher Applaus erklang, der aber schnell stärker wurde.
„Na, dann sehen wir uns die Lady doch mal näher an“, sagte Sakura mit einem Glitzern in den Augen.

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Mein Name ist Yoshi, Yoshi Futabe. Ich bin siebzehn Jahre als und gehe in die erste Klasse der Oberstufe. Wie es aussieht, bin ich ein ganz normaler Schüler. Wenn man mal davon absieht, dass ich mein KI nutzen und in den Händen konzentrieren kann. Wenn man mal davon absieht, dass ich nicht nur ein meisterlicher Bogenschütze bin, sondern auch von meinem Großvater gelernt habe, wie man in Kanji wirksame Bannsprüche gegen böse Geister schreibt. Und wenn man mal davon absieht, dass ich eigentlich nicht wirklich Yoshi Futabe bin.
Denn dies ist eigentlich nicht meine Welt. Wie hat das mein Freund Akira so schön ausgedrückt? Es ist eine Anime-Konstruktwelt.
Ich erinnere mich noch genau. Wir saßen in unserer wirklichen Welt beieinander und diskutierten über dieses und jenes. Bis er die verhängnisvolle Frage stellte: Was wäre, wenn man in einer Anime-Welt leben würde? So mit Mechas, Magical Girls und dergleichen?
Unser Pech war, dass ein hinterhältiger kleiner Dämon in der Form eines zusammen gestauchten Mädchens seinen Gedanken gehört hat… Und als Wunsch interpretierte.
Schwups, verschlug es Akira in die Anime-Konstruktwelt.
Und dummerweise mich auch!

Ich hatte ganz schöne Mühen, mich in dieser Welt zu orientieren. Ich meine, das meiste Wissen floss mir ja zu, ich brauchte gar nichts dafür tun. Aber wieder in die Schule gehen zu müssen, und das in einer vollkommen verrückten Welt, in der es wirklich riesige Kampfroboter gab, in der Mädchen in bunten Kostümen gegen Dämonen kämpften, das war schon ein Hammer.

Mittlerweile habe ich mich ganz gut eingelebt, ich meine, Hey, Akira ist ja auch hier, und meistens zieht er den ganzen Ärger an, während ich ganz gut davon komme.
Aber das ist nicht immer der Fall.
Mögest du in interessanten Zeiten leben, lautet ein alter chinesischer Fluch. Seit ich in der Anime-Konstruktwelt lebe, kann ich interessante Zeiten exportieren…



Anime Evolution präsentiert: Yoshi Futabe, ein ganz normaler Tag.



Akira muß tatsächlich ab und zu in einen dieser Kampfroboter steigen, die im Weltall gegen eine außerirdische Rasse namens Kronosier kämpfen und verhindern, dass unsere Welt von ihnen unterworfen wird.
Bei seinem ersten Kampf im Erdorbit besiegte er Lonne, eine wirklich süße gegnerische Pilotin, die aber vor ihm mehr Angst hatte als vor seinem Mecha.
Ich weiß nicht, wieso er es getan hat, geschweige denn wie es gelingen konnte, aber er verhinderte nicht nur, dass Lonne verhaftet wurde, er hat sie sogar als Austauschstudentin aus Amerika ausgegeben. Sie hieß nun Lilian Jones und wohnte bei ihm im Haus.
Seine beste Freundin und die offizielle Nummer eins-Mecha-Pilotin Megumi Uno übrigens auch, seit er an diesem Tag mit dem Schulterschild seines legendären Hawk-Mechas genau ihr Appartement zerstört hatte.
Jedenfalls war Lonne bisher noch nicht aufgeflogen, und irgendetwas sagte mir, dass das noch eine lange Zeit so bleiben würde.
Das er nun alleine mit zwei jungen, bildhübschen Mädchen unter einem Dach lebt, hat dazu geführt, dass er sich seinen besten Freund als Verstärkung ins Haus geholt hatte.
Richtig. Ich meine mich.
Doch dabei ist es nicht geblieben.

Mein Tag beginnt eigentlich ganz normal. Ich stehe auf, warte, bis das Bad frei wird und dusche erst einmal. Ich bin eigentlich ein Morgenmuffel und komme nur langsam auf Touren. Entsprechend lange brauche ich im Bad. Vor allem, da ich als einer der Ersten aufstehe, lange bevor Akira auch nur dran denkt, unter seiner Decke hervor zu gucken.
Danach ziehe ich meinen Yukata an und setze mich draußen in den Garten, um zu meditieren. Das dauert meistens eine Stunde und hilft mir, meinen Geist zu fokussieren. Ich lasse meine Gedanken dabei frei schweifen, arbeite Erlebnisse der Vortage auf, treffe Entscheidungen oder verwerfe sie wieder. Diese Übung dient vor allem dazu, den Kopf frei zu bekommen.
Meistens, wenn ich die Meditation beendet habe, beginnt auch im Haus das Leben zu erwachen.

„Hier, Yoshi-sama. Ich habe dir Tee gemacht“, höre ich eine Stimme hinter mir.
Akari kommt gerade auf die Veranda heraus. In der Hand hält sie ein Tablett, auf dem ein großer Keramikbecher steht. Sie hat ziemlich schnell meine Lieblingssorte herausgefunden und serviert mir meinen Tee jeden Morgen um die gleiche Zeit. „Danke, Akari.“
Seit sie bei uns eingezogen ist, wurde sie quasi der gute Geist des Hauses. Das ist eigentlich eine ironische Formulierung, denn Akari ist ein Oni. Eine Art Geist, eine Mischung aus Dämon und Menschenseele, die vor über vierhundert Jahren verflucht wurde.
Ihr Vater hatte sie, als sie sich hatte rächen wollen, in einen Schrein gesperrt.
Diesen Schrein hat Akira neulich zerstört – während er mit seinem Katana gegen drei Yakuza gekämpft hat.
Ich habe nicht alle Details im Kopf, aber das Ergebnis war, dass sie ihm ihre Dienste angeboten hat. Und sie macht sich wirklich gut als Hausfrau.
Manchmal vergesse ich, was sie eigentlich ist. Es fällt aber auch zu leicht, wenn sie mal gerade nicht durch massive Wände schwebt, ihre merkwürdige Oni-Maske aufsetzt oder Wasser kocht, ohne den Herd anzuschalten. Dann wirkt sie wie ein ganz normaler Mensch von Anfang Zwanzig, der so glücklich lächelt, als wäre es eigens für ihn erfunden worden.

„Du machst wieder deine Übungen?“, fragt sie wie jeden Morgen.
Ich nicke dazu und spanne meinen Bogen. Auch das Bogenschießen gehört zu meiner Meditation. Ich schärfe meinen Geist, meinen Blick fürs Wesentliche. Meinen Fokus für die Welt.
Ein Pfeil liegt auf. Ich visiere das Ziel an, ein Streichholz in zwanzig Meter Entfernung.
„Das sind aber nur zwanzig Zentimeter mehr als Gestern“, stellt der Oni fachmännisch fest.
Ich lächle dazu. Akari hat einige Erfahrungen, was das Bushido angeht, das Handwerk der Krieger. Aber von Beharrlichkeit hat sie keine Ahnung. Erst wenn man eine Lektion vollständig beherrscht, kann man auf ihr aufbauen. Deswegen steigere ich mich jeden Tag ein wenig mehr. Mal wird das Ziel kleiner, mal entferne ich es etwas. Und erst wenn jeder einzelne Pfeil sitzt, kommt der nächste Schritt.
Ich lasse die Sehne los, der Pfeil schnellt davon. Ich brauche nicht hinzusehen um zu wissen, dass er lediglich den roten Zündkopf abgetrennt hat.

Hinter mir klatscht jemand leise.
Ich wende den Kopf und erkenne Megumi. Sie ist auch nicht gerade eine Frühaufsteherin, und dies ist überhaupt nicht ihre Zeit. Dennoch steht sie bereits hier draußen in der warmen Frühlingsluft und trägt bereits ihre Schuluniform.
„Nanu? Was hat dich denn aus dem Bett gescheucht?“, frage ich verwundert.
„Megumi-sama“, sagt Akari neben mir. „Ich bereite dein Frühstück vor.“ Der Oni neigt leicht das Haupt und geht wieder hinein.
Megumi sieht der Dämonin ärgerlich hinterher. „Erpressen müsste klappen“, murmelt sie.
„Erpressen?“, frage ich.
„Wenn ich sie erpresse, dann lässt sie vielleicht dieses dämliche Sama, Sama.“ Ihr Blick kehrt zu mir zurück. „Du bist besser geworden, Yoshi. Sehr viel besser.“
Ein Lob aus dem Mund der Frau, die als beste Hawk-Pilotin der Erde gilt – wenn man meinen Kumpel Akira nicht mit einrechnet – ist etwas sehr besonderes. Ich sehe verlegen zur Seite und streiche mir durch mein Haar. Mit dieser Geste habe ich schon Mädchen ohnmächtig werden lassen. „Ich danke dir, Megumi-chan. In der Tat arbeite ich sehr hart an mir, damit Mako-chan mit mir einen Bordschützen hat, auf den er stolz sein kann. Und den die Kronosier fürchten. Im Weltall sind die Ziele immer sehr klein und sehr weit entfernt. Vieles da oben ist Emotion und Instinkt. Aber ich will auch die Technik beherrschen.“
Megumi nickt dazu. „Das ist ein guter Vorsatz. Bereits jetzt bist du der beste Bordschütze, der jemals in einem Eagle gesessen hat. Von Makoto vielleicht einmal abgesehen, als er die Waffen noch selbst abgefeuert hat.“
Überrascht sehe ich auf. Makoto hat mal beide Jobs zugleich gemacht? Die Waffen abgefeuert und den Eagle gesteuert? Mein Respekt vor Akiras Cousin wuchs ein wenig mehr. Ich traue mir das jedenfalls nicht zu.
„Übrigens, der Chefingenieur fragt, ob er den Zielcomputer aus dem Eagle entfernen soll. Du benutzt ihn ja doch nie“, sagt Megumi leise und lächelt mich an.
„Das Ding hat einen Zielcomputer?“, scherze ich. Natürlich kenne ich mittlerweile nach über vierzig Stunden im Simulator und in einem realen Eagle die meisten Systeme in- und auswendig.
Megumi verzieht ihre Lippen zu einem Schmollmund. „Beinahe hätte ich dir tatsächlich geglaubt, Yoshi-chan.“
Sie dreht sich um und geht wieder ins Haus. „Kommst du frühstücken?“
**
Nach den Frühstück, das meistens immer dann im Chaos endet, wenn mehr als drei Bewohner unseres Haushaltes am Tisch sitzen – also so gut wie immer – mache ich mich auf den Schulweg. Meistens gehe ich mit Kei Takahara, einem meiner und Akiras besten Freunden. Ich könnte auch mit Akira gehen, aber das mache ich selten. Ich bin mein eigener Herr und habe meinen eigenen Willen. Ich muß ihm nicht überall und bei jeder Gelegenheit hinterher dackeln. In letzter Zeit begleitet uns Makoto auf dem Weg. Seine Schwester Sakura, die nebenbei auch bei uns im Haus wohnt und in der Schule unser Klassenlehrer ist – wenn sich das doch mal auf die Noten auswirken würde – hat ihn tatsächlich gezwungen, sich in der Dritten Klasse, dem Abschlussjahrgang einzuschreiben, weil sie ihn in Uniform so süß findet.
Aber süß ist für Mako-chan nicht das richtige Wort. Ich meine, das halblange, rostrote Haar, der niedliche Schnitt, das hübsche, etwas zu bleiche Gesicht und die kleine, wie zerbrechlich wirkende Statur machen ihn schon recht ansehnlich.
Tatsächlich zwingt ihn Sakura nur zu gerne, in Mädchenklamotten zu schlüpfen.
Ein entwürdigender Vorgang, bei dem auch noch Fotos gemacht werden. Viele davon kursieren sogar an unserer Schule und verhelfen Mako-chan zu einer zweifelhaften Popularität. Es war für mich eine ganz schöne Mühe, alle Sätze vollständig zu bekommen.

„Habe ich was im Gesicht?“, fragt Mako-chan unvermittelt. „Oder warum starrst du mich so an?“
Ich blinzle verwirrt. „Ich… Ich war nur in Gedanken. Wie hast du es eigentlich geschafft, Sakura davon zu überzeugen, dass du nicht in der Mädchenuniform zur Schule gehen musst? Ich meine, sogar Akane-chan hat sich eingeschaltet und eine Sondergenehmigung erwirkt.“
Mako-chan lacht hässlich auf. „Ich lasse ja vieles mit mir machen, aber irgendwo ist eine Grenze.“ Er wirft sich in Pose und lacht nur noch lauter. „Ich habe meine Beziehungen spielen lassen, jawohl.“
„Mit anderen Worten, du hast dich bei Akiras Vater ausgeheult und er hat Sakura verboten, dich in eine Mädchenuniform zu stecken“, stellte Kei fest.
Mako-chan sah betreten zu Boden. Eine regelrechte Aura an Depression ging dabei von ihm aus. „Ja, genau so war es.“
„Schade, ich hätte dich zu gerne mal in der Mädchenuniform gesehen“, murmele ich leise.
„Das hast du doch!“, beschwert sich Mako-chan bei mir. „Du hast dir sogar von Kei-kun Abzüge machen lassen!“
Erschrocken sehe ich ihn an. „Woher weißt du das denn?“
Mit einem überlegenen Grinsen wendet sich Makoto ab. „Kei hat es mir gesagt.“
Ich wirbele herum. „KEI!“
Der kleine Computerfreak hebt beide Arme. „Langsam, langsam, das musste ich doch. In der Provisionsabrechnung…“
„Provisionsabrechnung?“, hake ich nach.
„Na klar. Mako-kun kriegt fünfzig Prozent der Einnahmen bei jedem seiner verkauften Bilder.“
„Maaakoooo!“, brumme ich vom tiefsten Abgrund meiner Seele.
„Ach, ist es schon sooo spät? Ich wollte doch noch was mit Takashi-kun besprechen. Wir sehen uns!“
„Warum sollte er auch nicht daran verdienen? Es sind immerhin Bilder von ihm“, rechtfertigt Kei den davonlaufenden Mecha-Piloten.
„Und warum kriege ich dann keine Prozente, hä?“, bemerke ich verärgert. Immerhin kursieren von mir über vierzig Fotos, die meisten davon manipuliert, damit es aussieht, als würde ich irgendwelche hübschen Mädchen oder Männer küssen.
„Du posierst ja nie für mich“, beschwert sich Kei.
Mako-chan posiert? „Ich will da jetzt nicht drüber nachdenken. Ich will da wirklich nicht drüber nachdenken, ja? Sonst kriege ich nur Kopfschmerzen.“
„Aber ich habe da einen neuen Satz mit Bildern von ihm. Fünf Sachen, die du noch nicht kennst… Nur dreitausend Yen für dich.“
Mühsam spreize ich meine Hände. „Kei… Tausend, und keinen Yen mehr.“
„Einverstanden.“
**
Die Schule ist nicht allzu schwer. Ich meine, gleich nach Akira bin ich der beste Schüler in der Klasse. Ich könnte besser sein und an unserem Strahlemann vorbei ziehen. Aber das würde ja Arbeit bedeuten. Dann würde ich ja lernen müssen.
Ich komme auch so sehr gut zurecht. Und solange Sakura-chan nicht merkt, dass ich nur ein Drittel meines Potentials nutze, brauche ich mich auch nicht anstrengen.
Obwohl, mit Sakura-chan alleine im Klassenzimmer, wenn alle anderen schon gegangen sind, ihr beschwörender Blick, wenn sie mich anfleht, doch einfach alles zu geben, was ich habe…Schulisch natürlich.
Aber das kann ich ja nicht machen, wegen Supermann. Ich meine, Akira hat soviel um die Ohren, wenn er es sich gleich mit vier Frauen auf einmal verderben will. Dazu kommt noch die Arbeit in dem Hawk-Mecha. Die ewigen Angriffe der Kronosier. Ich kann ihm ja schlecht den ersten Rang streitig machen und ihm noch eine Sorge bescheren.
Was bin ich doch für ein netter Kerl. Einen solchen besten Freund bekommt Akira garantiert niemals wieder. Ha, ich bin ja eher mehr ein großer Bruder für ihn.
Ob er auch nur ansatzweise ahnt, was ich alles für ihn tue?

Zum Beispiel benutze ich meine Attraktivität dazu, um Akira den Ärger mit noch mehr Frauen zu ersparen. Ich meine, er hat ja schon vier oder mittlerweile sogar fünf, die er regelmäßig von sich stößt, enttäuscht oder sonst irgendwie ungewollt demütigt. Da kann er nicht noch mehr gebrauchen.
Denn, ich bin da ja ehrlich, er sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus. Nicht so gut wie ich, tja, aber doch ganz gut. Dazu seine ernste Miene und sein Image als wüster Schläger…
Ich meine, irgendwo muß die Begeisterung der Mädchen ja herkommen. Würde sonst eine Popdiva wie Joan Reilley zum Halali auf ihn blasen?
Würde sonst Megumi ihn heimlich beobachten und sich nach ihm verzehren?
Woher sonst würden all die heimlichen Blicke von Hina kommen?
Und das Wichtigste, warum würde Akane dauernd versuchen, mich mit Aufträgen zuzuschütten, wenn Akira und ich wegen irgendeinem Termin zu ihr müssen?
Wobei ich mir Letzteres nicht erklären kann. Ausgerechnet Akane. Ich meine, Megumi-chan ist schon ein richtiger Eisblock. Aber Akane, sie hat es zur Kunstform erhoben.
Meistens wirkt sie sowieso wie eine perfekte Porzellanskulptur, vollkommen in ihrer Schönheit und Unberührbarkeit. So eine Frau fällt nicht auf ein hübsches Gesicht herein. Ich muß es wissen, ich habe es ausprobiert.

„Sanae“, brumme ich leise und berühre das Mädchen, das an mir vorbei gehen will, sanft am Handgelenk, „lass es.“
Die zierliche Sanae, bei den Mädchen die drittbeste in der Klasse, sieht mich verwundert an.
„Aber Yoshi-kun, ich will doch nur mit Akira reden.“
Was soll ich ihr antworten? Das in der letzten Nacht jemand versucht hat, ihn zu erschießen? Das er heute Morgen extra eine schusssichere Weste angezogen hat? Das er zur Zeit mehr Probleme hat als alle Mädchen der Schule zusammen?
„Mit ihm reden, hm?“, frage ich stattdessen und greife auf ihren Rücken.
„Gib das wieder her!“, ruft sie und versucht, den rosa Umschlag wieder aus meiner Hand zu pflücken.
„Hm, parfümiert“, stelle ich fachmännisch fest.
Schamesröte schießt ihr ins Gesicht. Und ich kann mich nur wundern, dass Akira bei dem Lärm den wir veranstalten, nicht wenigstens einmal herüber sieht.
„Gib her!“, ruft Sanae verzweifelt.
Ich stehe nur auf und hebe den Arm. Damit bringe ich den Brief, der auf der Rückseite mit einem roten Herz versehen ist, effektiv außerhalb ihrer Reichweite.
Als sie aufgibt, danach zu greifen, reiche ich ihn zurück.
Verwundert sieht sie mich an. „Sanae-chan“, sage ich dazu leise, „du solltest es lassen. Es wäre sinnlos.“
Wütend pflückt sie mir den Brief aus der Hand und wendet sich brüsk ab. „Ach ja? Meinst du, ich habe Angst vor diesem Popsternchen? Meinst du, ich bin keine Konkurrenz für sie?“
„Genau das“, sage ich leise und lege ihr eine Hand auf die Schulter. „Steiger dich einfach nicht zu tief hinein. Wenn du dich zu sehr auf Akira einlässt, ist der Schmerz hinterher nur umso größer.“
Langsam dreht sie sich um. Mit großen, traurigen Augen sieht sie mich an. „Glaubst du das wirklich, Yoshi-san? Habe ich wirklich keine Chance? Nicht einmal eine kleine?“
„Sieh ihn dir doch an“, sage ich und deute auf Akira. Der starrt noch immer ohne zu zwinkern aus dem Fenster und bekommt von seiner Umgebung nichts mit. „Er ist doch schon bis über beide Ohren verliebt. Oder meinst du, er grübelt darüber nach, wie man die Invasion der Kronosier am effektivsten stoppt?“
Betreten starrt sie zu Boden. „Oh“, macht sie leise. „Da hätte ich mich ja ganz schön blamiert, was?“
Ich hebe ihr Kinn an und lächle. „Du warst beharrlich und bist so weit gekommen, wie es möglich war. Es wird einen anderen geben. Und wenn du dann genauso dran bleibst, dann wird es auch klappen.“
„Meinst du wirklich?“, fragt sie mit Schmerz in der Stimme.
„Natürlich meine ich es so. Und es ist auch richtig.“
Ich tätschle ihr wie einem kleinen Kind den Kopf, was ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubert und die düsteren Wolken wieder vertreibt.
Und wieder habe ich Akira erfolgreich vor weiteren Turbulenzen bewahrt.
Ich muß jetzt nur darauf achten, dass sich Sanae nicht sofort in mich verliebt und ich den Ärger an der Backe habe. Aber wenn ich sie zum Karaoke einlade und Juichiro dabei ist, der sie ohnehin schon dauernd angehimmelt hat, kann ich das sicher abwenden.

Kurz bevor die Stunde beginnt, geht Sanae wieder auf ihren Platz. Zufrieden lehne ich mich zurück. Weiß Supermann eigentlich wie schwer ich hier für ihn schufte?
„Du verstehst dich aber gut mit Sanae, was?“, sagt eine Stimme hinter mir. Ich wende mich um und starre in Lilians zorniges Gesicht.
„Du siehst das vollkommen falsch“, rechtfertige ich mich. „Sie will ja gar nichts von mir.“
„Umso schlimmer“, brummt sie und sieht demonstrativ in eine andere Richtung.
Ärgerlich wende ich mich der Tafel zu. Was glaubt die Kleine eigentlich, wer sie ist? Meine feste Freundin?
**
In der großen Pause bin ich entweder mit den anderen oben auf dem Dach oder streife auf eigene Faust durch die Schule. Die Sempais der höheren Klassen sehen in so einem Vagabunden meistens Freiwild und triezen ihn ein wenig, um die Rangfolge in der Schule klar zu stellen. Ja, japanische Jugendliche und Heranwachsende können grausam sein. Alles, was sie im ersten Jahr von ihren Sempais abgekriegt haben, geben sie nun mit Freude weiter.
Na, nicht alle. Aber einige machen das schon.
Nur nicht mit mir oder einem anderen aus meiner Gruppe. Wir haben uns gleich am ersten Tag unseren Respekt verdient.
Also, ich kann vollkommen ungefährdet durch die Gänge der höheren Klassen gehen – und werde zudem noch mit Respekt behandelt.
Meistens jedenfalls.

Doch heute ist vieles anders. Als ich das Treppenhaus in Richtung meines Ziels verlasse, klingt der Kampflärm bis zu mir durch.
Ich beginne unwillkürlich zu laufen. Und tatsächlich. Ein paar Burschen aus dem Abschlussjahrgang haben sich tatsächlich einen der Jüngeren geschnappt und vertrimmen ihn.
Na Klasse, es ist ausgerechnet mein Lieblingsfeind Daisuke.
Ich sehe Sarah, wie sie zitternd neben der Prügelei steht und immer wieder ruft: „Tu ihnen nicht weh, Daisuke.“
Was die Sempais irritiert und noch ärgerlicher macht.
Es steht fünf gegen einen, bei diesem Zahlenverhältnis muß er seinen Gegnern wehtun können, um da wieder raus zu kommen.
Aber der verliebte Trottel würde sich ja eher was brechen lassen, als Sarah zu enttäuschen.
„Hey!“, rufe ich und habe die Aufmerksamkeit der Anwesenden. „Was macht Ihr da mit meinem Spielzeug?“
„Klappe, du! Oder willst du auch ein paar?“, brüllt mich einer der Burschen von der Seite an.
Ich fixiere ihn mit meinem stechendsten Blick. „Hast du mir was zu sagen?“
„Und ob, du…“ Ich sehe eine Faust auf mich zurasen und weiche mit einem schnellen Schritt zur Seite aus. Der andere will nachsetzen, aber einer seiner Kumpel hält ihn fest. „Nicht, Junoi-kun! Das ist Futabe-sama!“
„Es ist mir egal, wie er heißt! Es ist doch nur einer!“
„Ja, aber wir sind nur zu fünft.“
„Das ist mir egal!“, blafft er, schüttelt die Hand seines Freundes ab und stürzt auf mich zu.
Ich nehme die Rechte aus meiner Hose und ergreife sein Gesicht. Er bleibt stehen, als wäre er gegen eine Mauer gerannt. Im Prinzip stimmt das auch, da ich meine Knochenstruktur mit meinem KI gerade um das Zehnfache verstärkt habe.
Ein hässliches Knirschen verrät mir, dass er sich dabei die Nase gebrochen hat.
Ich grinse überlegen und denke für einen Augenblick an die Möglichkeit, meine Haare mit meinem konzentrierten KI aufzustellen und aufleuchten zu lassen. Aber das wäre nur eine Spielerei gewesen, die zudem unnötig Kraft gekostet hätte.
Also nehme ich stattdessen nur die Hand wieder weg, wische das Blut angewidert an der Jacke meines Opfers ab und knurre wütend: „Haut ab!“

Kurz darauf ist die Legende von Akiras Zorn um eine Geschichte reicher. Und ich stehe mit Sarah und Daisuke alleine im Gang. Auch wenn die anderen, ich meine Akira und Doitsu noch überhaupt keine Ahnung haben, was sie mit ihrem KI phantastisches anstellen können und nicht annähernd so weit sind wie ich.
„Spielzeug, eh?“, blafft Daisuke wütend. „AUTSCH!“
„Nun halt doch mal still“, sagt Sara und tupft vorsichtig seine aufgesprungene Lippe ab.
„Die haben tatsächlich einen Treffer bei dir gelandet? Wirst du einfach alt, oder langsam?“, spotte ich. „Und wenn ich schon mal dabei bin, auf Sparring hast du bestimmt gerade keine Lust, was?“
„Ich und alt? Ich hätte jeden einzelnen drei- viermal töten können und wäre nicht mal ins Schwitzen gekommen. Ich – AUUU!“
Sarah funkelt ihn böse an. „Was habe ich dir gesagt, wie du dich schwächeren Gegnern gegenüber verhalten sollst?“
„Nachsichtig, denn sie wissen nicht, was sie tun?“
„Sehr gut“, murmelt sie zufrieden und fährt mit ihrer Aufgabe fort.
„Den hast du aber gut dressiert, Sarah-chan“, spotte ich und drehe mich um. „Na, dann eben ein andernmal. Sarah, Spielzeug…“
„Spielzeug? Ich gebe dir gleich dein Spielzeug!“, blafft Daisuke wütend.
Ich wende mich noch einmal um und grinse frech herüber. „Sag mal, Daisuke, du hast dich doch nicht etwa absichtlich treffen lassen, damit Sarah was zum versorgen hat?“
Der Mecha-Pilot wird blass und mein Grinsen verstärkt sich nur noch.
Sarah schmunzelt dazu und murmelt leise: „Halt still, Daisuke.“
Na, da haben sich ja zwei gefunden. Und ich habe meine gute Tat für heute getan.
**
Es ist nicht gerade einfach, den ganzen Tag begeistert zu sein und geradezu vor Glück zu strahlen, wenn ich Sakura-chan sehe. Ich meine, das ist wirklich harte Arbeit. Wenn ich in der Klasse sitze, dann erwartet sie einfach von mir, dass ich ihr auf die langen Beine starre, wie ein Honigkuchenpferd aus einem Atomreaktor strahle wenn sie mich anspricht und enttäuscht wirke, wenn sie an mir vorbei geht, ohne mich anzusehen.
Das hat sich einfach so etabliert. Aber ich kann einfach nicht damit aufhören. Nicht nur, weil es gut für Sakura-chans Ego ist. Nein, denn ihre Beine sind ansehnlich, sehr sogar. Und ich freue mich wirklich, wenn sie mich aufruft. Und wenn sie an mir vorbei geht, weil sie zum Beispiel einen Text liest oder Akira anlächelt, dann finde ich das wirklich nicht sehr nett.
Ich meine, wozu mache ich mir die ganze Mühe, wenn nicht für sie? Auch ich kann nicht permanent fröhlich sein, nicht einmal für Sakura-chan.

„Futabe-kun?“ „Hier, Sensei!“
„Kannst du Otomo-kuns Ausführungen noch etwas hinzufügen?“
„Ja, Sensei. Die massive Kontraktion des Universums wirkt sich natürlich direkt auf die Raumzeit aus. Raum und Zeit dehnen sich zusammen mit der Expansion der Materie aus, daher liegt der Gedanke nahe, dass sie sich beim Kollaps des Universums auch wieder zusammen zieht. Experten rechnen nicht nur damit, dass diese Kontraktion irgendwann stattfindet, sie sprechen auch von einer Stauchung der Raumzeit, andere sprechen von einer Umkehr des Zeitpfeils, sprich der totalen Umkehrung der Zeitgeschichte. Ob dies aber dazu führt, dass die Geschichte rückwärts läuft, nun, darüber können wir nur spekulieren, für die nächsten dreißig Milliarden Jahre, bevor wir es quasi live erleben können.“
Ich sehe in die Runde. Warum starren die mich alle so an? „Habe ich etwas vergessen, Sensei?“
Sakura-chan schließt ihren Mund wieder. „Äh, nein, Futabe-kun. Das ist alles. Du kannst dich wieder setzen.“
Nachdenklich nehme ich wieder Platz. Okay, meine Argumentation war lückenhaft. Und ehrlich gesagt nicht besonders präzise. Aber mussten mich die anderen deshalb so anstarren? Jeder macht mal Fehler.
Akira sieht müde zu mir herüber. „Solange die Größe des Universums nicht feststeht und die Masse an Materie nicht ermittelt ist, können wir einfach nicht sagen, wann es zur Umkehrung kommt, Alter. Dreißig Milliarden Jahre ist doch etwas willkürlich in den Raum geworfen.“
„Seit wann bist du Experte für die Expansion des Universums? Anhand des Dopplereffektes können wir heute sehr genau definieren, welche Eigengeschwindigkeit selbst entfernteste Cluster haben und damit errechnen, wann sich der Bewegungsimpuls aufzehrt und umkehrt.“
„Gravitatorischer Hickhack“, erwidert Akira. „Du gehst ja davon aus, dass die entferntesten Cluster bereits der Rand des Universums sind, wenn es einen solchen Rand überhaupt gibt. Und zudem glaubst du anscheinend, dass die Gravitation gleichmäßig im ganzen Universum den Bewegungsimpuls der Materie aufzehrt.“
„Was spricht dagegen? Sobald die Gravitation greift, wird die gesamte Materie zugleich zur Kontraktion gezwungen“, erwidere ich ernst.
„Und ich sage, die Kontraktion tritt unregelmäßig ein. Und zwar in Gebieten der Raumzeit mit mehr Materie schneller als in relativ materiearmen Regionen.“
„Phhh. Was für ein Blödsinn.“
„Futabe-kun, Otomo-kun, wollt Ihr die Klasse nicht an eurem Gespräch teilhaben lassen?“, fragt Sakura freundlich. Ich erhebe mich wieder und sage: „Ach, wir spekulieren nur ein wenig. Ich sage, dass die Kontraktion als universelles Ereignis eintritt und Akira beharrt darauf, dass die Kontraktion innerhalb einer gewissen Zeitspanne erfolgt und unterschiedlich schnell geschieht. Wenn man seiner Argumentation folgt, dann kann man auch annehmen, dass für einige Materiecluster, also Galaxien und dergleichen, niemals die Kontraktion eintritt, weil ihre Fliehkraft höher ist als die Gravitation.“
„Was ist so falsch daran?“, begehrt Akira auf.
„Weil dann ein Teil der Raumzeit theoretisch die Möglichkeit hätte, sich der Kontraktion zu entziehen. Was willst du machen? Neue Universen gründen, die sich als Galaxiencluster von dem alten Universum abnabeln und eine eigene Raumzeit entwickeln?“
Ich warf einen Blick in die Runde. „Habe ich was Falsches gesagt?“
„Äh, in Ordnung, Futabe-kun. Alles in Ordnung. Aber bitte folgt jetzt beide mehr dem Unterricht.“
Irritiert sehe ich zu Akira herüber. „Habe ich was im Gesicht, oder warum starren mich alle so an?“
Er zuckt mit den Schultern. „Liegt wahrscheinlich daran, dass unsere Gedankenexperimente so lückenhaft sind. Wir können sie ja nicht mal belegen. Wir sind schon zwei Theoretiker.“
„Das wird es wohl sein“, brumme ich leise.
**
Lilian ist wirklich sauer auf mich. Anstatt mit mir nach Hause zu gehen, dackelt sie lieber Akira hinterher. Ich verstehe überhaupt nicht, was ich ihr getan haben soll. Warum ist sie so wütend auf mich? Nur weil ich mich für ihren O-nii-chan aufopfere und ihm noch mehr Frauen vom Hals halte?
Verstehe einer die Frauen, ich tu es nicht. Ami zum Beispiel, ich komme einfach nicht dahinter, wie sie funktioniert. Ich meine, nach außen hin ist sie ein liebes, zerbrechlich wirkendes Mädchen mit viel zu blassem Teint. Und dann zerschlägt sie mal eben in der Karatestunde eine fünf Zentimeter starke Holzplatte.
Was erwarten die Frauen eigentlich? Und warum werde ich immer verlegen, wenn ich an Mako-chan denke? Ich meine, er ist nicht nur ein Mann, er ist auch noch der Mann, der meinen Hawk steuert. Aber wenn ich an diese Bilder von ihm denke, ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich mir wünsche, er wäre ein Mädchen.
Mag ich Sakura-chan deshalb so gerne? Weil sie ihm ähnlich sieht und definitiv ein Mädchen ist? Na, voll entwickelte Frau trifft es schon eher.
Und dann die Sache mit Hiroko-sempai. Sie weiß ziemlich genau, was sie will. Und irgendwie habe ich das Gefühl, ich stehe auf ihrem Speiseplan…
Aber immer wenn ich daran denke, wie sie mir beim Karaoke am Ohr geknabbert hat, dann muß ich auch daran denken, wie Lilian sich an mich drängt, leise meinen Namen flüstert und mich küsst…
Wütend schüttele ich den Kopf. Ich bin doch nicht etwa verliebt? Ich meine, ich bin nicht Akira. Ich darf doch wohl vorerst darauf verzichten, mich fest zu binden? Ich bin jung, erfolgreich, unabhängig, wild und talentiert. Muss ich da mein Herz an eine einzige Frau hängen?
Ich meine, wenn es passiert, dann passiert es, aber bitte doch erst weit in der Zukunft.

Derart in Gedanken versunken bemerke ich den Wagen beinahe zu spät, der auf mich zugerast kommt. Ich springe zur Seite, falle und rolle mich mehrfach ab, bevor ich still liege.
Wütend sehe ich auf. „Idiot! Hoffentlich erwischt es nur dich, wenn du weiter rast wie ein Verrückter!“
Entsetzt sehe ich dabei zu, wie der Wagen, der mich beinahe umgefahren hätte, explodiert.
Mein Kopf ruckt herum und ich sehe den Grund. Ein Hawk hat eine Rakete auf ihn abgefeuert. Und weiter die Straße runter sehe ich tatsächlich Akira am Boden liegen. Und sind das daneben nicht Sarah und Daisuke? Und Lilian, liegt die nicht unter Akira am Boden?
Mein Gehirn ist sicher nicht das Schnellste, aber ich begriff sehr schnell, was hier passiert war. Übergangslos lasse ich meine Tasche los, richte mich auf und renne auf die andere Straßenseite. Der kleine Park dort erscheint mir mehr als verdächtig. Ich laufe hinein, passiere den Waldrand. Und tatsächlich, nach wenigen Metern spüre ich etwas. Eine Aura der Bedrohung, des Hasses.
„Jetzt habe ich dich, du Bastard. Zwischen den Augen hast du jedenfalls keine Weste.“
Ich greife zu und entreiße dem unter einer Tarndecke liegenden Scharfschützen seine Waffe. Der Mann mit dem in tarnfarben angemalten Gesicht sieht erschrocken zu mir hoch, tastet nach seiner Hüftwaffe.
Ich konzentriere das KI in meiner rechten Hand und zerquetsche den Lauf seines Gewehrs.
„Gute Nacht, du Trottel!“, blaffe ich und schlage mit der anderen Hand, die ebenfalls von meinem KI umspült wird, hart und nachdringlich zu. Danach werfe ich die nutzlose Waffe weg, lausche für einen Moment. Aber anscheinend ist der Attentäter allein.
Aus meiner Jacke ziehe ich ein kleines Funkgerät. „Ensign Futabe hier. Ich rufe den Hawk vor mir.“
„Yoshi? Bist du das? Wo steckst du?“, kommt die Antwort.
„Ich stecke hier im Park. Sniper? Hör zu. Hier hat ein Attentäter gelauert, mit nem Scharfschützengewehr. Aber der hat die nächsten Stunden keine Lust mehr, auf jemanden zu schießen. Scheint so, als wollte sich unser Gegner doppelt absichern, falls der Drive-By nicht funktioniert.“
„Drive-By. Was du für Ausdrücke kennst. Soll ich dem Colonel Bescheid geben?“
„Nein, lass mal. Lass ihn einfach abholen. Das reicht vollkommen.“
„Verstanden. Ich schicke jemanden.“
„Okay, ich mach mich schon mal vom Acker. Das Wäldchen links von deinem Hawk, ja?“
„Bin ja nicht blöd.“
Ich grinse fies. Na, die Antwort darauf sollte ich ihm besser nicht geben.
Wütend starre ich auf den Scharfschützen runter. „Kannst froh sein, dass ich noch nett war.“
**
Eine halbe Stunde später sitze ich im Wohnraum vor dem Fernseher.
Ja, auch ich sehe ab und zu fern. Gebe mich dem sinnlosen Konsum hin. Tu etwas vollkommen Unproduktives.
„Yoshi“, höre ich Lilian leise sagen.
Ich sehe zu ihr herüber. „Hm?“
„Yoshi, bist du böse auf mich?“
Ich rücke ein Stück und hebe einladend einen Arm. Sie kommt, setzt sich neben mich und lässt sich an mich drücken. „Wie kommst du nur darauf, Lilian? Ich kann dir doch niemals böse sein.“
„Das ist gut“, seufzt sie erleichtert und legt ihren Kopf auf meine Schulter.
Ein angenehmes Gefühl. Beinahe zu angenehm.

„Äh, ist alles in Ordnung?“, fragt Akira vom Eingang her.
Ich grinse ihn an und klopfe auf meine rechte Seite. „Klar ist alles in Ordnung. Komm, hier ist noch Platz bei mir.“
Akira zuckt mit den Achseln, setzt sich neben uns. Als ich ihn ebenfalls umarmen will, grinst er nur. „Heb dir das für Lilian auf, Kumpel.“
Ich mustere seine Jacke. „Hast du Motten?“
Akira zuckt mit den Achseln. „Ja, Kaliber sieben Komma sechs zwo. Und bei dir, alles klar?“
Ich nicke. „Für mich war das ein vollkommen normaler Tag, Akira. In jeder Beziehung.“
Ich gähne leise. Kann denn nicht mal was Aufregendes passieren?

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Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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Anime Evolution
Episode 12

1.
Dreieinhalbtausend, ging es mir durch den Kopf. Dreieinhalbtausend junge Menschen hatte ich mittlerweile auf OLYMP versammelt. Dreieinhalbtausend, welche die strengen UEMF-Überprüfungen überstanden hatten und unter einundzwanzig oder vom Temporalresonator nicht betroffen waren.
Ich spürte, wie das heiße Wasser der Dusche auf mein Gesicht niederfuhr. Die Duschen im Sportbereich waren sehr hart eingestellt. Genau das, was ich nun brauchte.
Ich hatte zwar eine Dusche in meinem Quartier, aber da kam nur ein erbärmlicher Strahl raus wie bei allen privaten Duschen an Bord des OLYMP. Damit hatten die Konstrukteure verhindern wollen, dass die Glücklichen ihre Duschen über Gebühr strapazierten.
In öffentlichen Bereichen, so hatten die Psychologen argumentiert, war die Hemmschwelle zuviel Wasser zu verschwenden wesentlich höher.
Das hatte mich nicht daran gehindert, nach einem viel zu langen Arbeitstag mitten in der Nacht hierher zu kommen und mich so richtig durchweichen zu lassen.
Außerdem konnte ich so am besten nachdenken.

Das Gros der Neuen kam von den Europäern und den Amerikanern. Von Spitzbergen bis Palermo, von Kanada bis Chile hatten die Militärs aufgebracht, was sie an jungen Leuten entbehren konnten. Bei weitem nicht genug. Der zweite große Block stammte von meiner Schule. Über achthundert Schüler hatten sich freiwillig gemeldet.
Ich schämte mich dafür, diese Hilfe angenommen zu haben, zugleich aber war ich sehr stolz auf sie.
Ich hatte ihnen die ersten Tage wirklich zur Hölle gemacht, die Ausbilder angewiesen, ihnen sehr deutlich zu zeigen, was es bedeutet, tot zu sein. Dreckig im Weltall zu sterben.
Lehrfilme von Piloten, die in ihrem Hawk an Unterdruck starben waren ebenso gezeigt worden wie Raumfahrer, die während eines Gefechts aus Lecks in ihren Schiffen gesaugt wurden und dann erbärmlich in ihren Raumanzügen erstickt oder erfroren waren.
Da wirkte der Tod im Waffenfeuer noch geradezu gnädig.
Die jungen Menschen, die vom Militär zu uns gekommen waren, konnte ich damit kaum beeindrucken. Diese verdammten U.S. Marines, über dreihundert frisch ausgebildete Infanteristen hatten die Bilder sogar lustig gefunden, soweit ihre strenge Disziplin so etwas überhaupt kannte.
Aber meine Mitschüler wollte ich schocken, ängstigen. Auf das vorbereiten, was sie erwartete. Egal, ob sie einen Hawk steuerten oder in der Cafeteria arbeiteten. Tot war tot, egal wo man saß, wenn man getroffen wurde.
Keiner hatte bisher den OLYMP wieder verlassen, obwohl ich es jedem frei gestellt hatte.

Von den dreieinhalbtausend Freiwilligen hatten achtzig eine militärische Vorbildung für Mechas. Sie ersetzten gerade die Titanen-Bataillone und füllten so gut es ging die Reihen der Hekatoncheiren auf.
Weitere fünfzig hatten viel versprechende Anlagen und wurden von Megumi und den anderen Piloten bis zum umfallen gedrillt.
Ich stützte mich schwer an der Wand ab und atmete tief ein.
Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, den Mars mit dreiundzwanzig Schiffen anzugreifen. Unter ihnen die drei Kreuzer, von denen ich zwei im kalten Atlantik versenkt hatte.
Aber nun gab es keine Operation dieser Größenordnung. Anstatt zwanzigtausend erfahrene Raumfahrer und rund fünfhundert Mecha-Piloten, unterstützt von zwei Divisionen Bodentruppen in die Schlacht zu führen würde ich mit einer Notbesatzung für zwei Fregatten der YAMATO-Klasse, einen Zerstörer der MIDWAY-Klasse und das letzte überlebende Schiff der BISMARCK-Klasse auskommen müssen.
Dazu einem Minimum an Mechas und Bodeneinheiten.
An einen funktionierenden Panzerverband, Pioniereinheiten, Artillerie oder sogar Lufteinheiten über die Mechas der UEMF hinaus brauchte ich gar nicht zu denken.
Ursprünglich hatten zwei Staffeln HAWKEYE den Angriff sichern sollen, aber wie zum Henker sollte ich vierzig junge Menschen in nicht einmal einem Vierteljahr auf einem Jet trainieren? Einmal ganz davon abgesehen, dass ich sie woanders wesentlich dringender brauchte.
Wie groß war die Streitmacht, die ich aufstellen konnte? Die KAZE und die YAMATO, die LOS ANGELES, sie wurden gerade für den Einsatz umgerüstet. Die beiden Fregatten würden mit einer Notbesatzung von achtzig Mann auskommen, wenn die zwanzig Mechas nicht bemannt wurden und gewartet werden mussten.
Die LOS ANGELES würde schon ein Minimum an zweihundert brauchen, ebenfalls ohne ihre vierzig Mechas und deren Wartungspersonal.
Und die GRAF SPEE, unser letzter überlebender Kreuzer, er würde minimal dreihundertfünfzig Raumfahrer brauchen, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollten, den Mars zu erreichen.
Ich dachte hier wohlgemerkt über ausgebildete Raumfahrer nach, nicht über das, was wir uns in drei Monaten heran bilden konnten.
Und über die sechzig Mechas, die ein Kreuzer aufnehmen konnte, wollte ich nicht einmal nachdenken.

Ärgerlich drosch ich auf die Wand ein. Verdammt, die Verstärkungen reichten gerade einmal aus, um den OLYMP notdürftig am laufen zu halten. Dreieinhalbtausend verrichteten hier den Dienst von fünfzigtausend.
Manchmal, in wirklich schwachen Momenten dachte ich ernsthaft darüber nach, das Risiko einzugehen und den Zeitablauf der Sonde zu beschleunigen, die eine riesige Plattform lahm gelegt hatte. Das Risiko für fünfzigtausend Menschen einzugehen. Zu glauben, dass Taylor mich geblufft hatte.
Oder sie gleich alle zu opfern, damit normales Personal hier seinen Dienst antreten konnte!
In solchen Momenten ärgerte ich mich immer über mich selbst und rief mich einen Riesenidioten. Die Station würde in Blut schwimmen, und all dieses Blut von fünfzigtausend sterbenden Menschen würde an meinen Händen kleben.
Ich starrte meine Hände an. Tatsächlich floss Blut an ihnen herab. Die Wand war härter als meine Knöchel gewesen.
Kraftlos ließ ich mich gegen die Wand sinken und rutschte an ihr herab.
Es war zuviel. Einfach zuviel. Zuviel Verantwortung. Zuviel Arbeit. Zuviel Vertrauen! Ich konnte das alles nicht alleine tragen!
Ich war schwach, einfach nur schwach…

Betreten sah ich zu Boden, während der Wasserstrahl weiter auf mich niederprasselte. Ja, das war es wohl. Ich hatte das Kommando an mich gerissen, und nun kam ich nicht mehr damit klar. Ich riss die ganze UEMF in den Untergang und damit die Erde.
Die jungen Menschen, die hierher gekommen waren, weil sie an eine Zukunft geglaubt hatten, die mir vertraut hatten, ich würde sie bitterlich enttäuschen.
Und damit in die Sklaverei führen.
Jene, die nützlich für die Kronosier sein würden, die sich in die neue Gemeinschaft einfügen würden, konnten hoffen irgendwann einmal die Gift zu erhalten. Ihre DNS würde verändert werden und sie würden selbst Kronosier werden. Die neuen Herren.
Aber ich hatte keine Kraft dazu. Einfach keine Kraft, das zu verhindern.
Ich hatte nicht genügend Leute, um all die Schiffe zu bemannen, den OLYMP zu verteidigen und auch noch eine Invasion gegen den Mars zu führen.
Und ich würde sie niemals kriegen!

Verdammt, es gab über sechs Milliarden Menschen auf der Erde, von denen über ein Drittel unter zwanzig war! Warum konnte es nicht genügend geben? Warum kamen sie nur kleckerweise hier oben an? War das Auswahlverfahren der UEMF so hart? Oder sortierten sie die meisten schon von vorne herein aus?
Gab es nicht genügend Freiwillige? Noch standen wir am Anfang der Ausbildung! Noch hatten wir drei Monate, um unser Bestes zu geben, diese Kids soweit zu bringen, dass sie überlebten und wir mit ihnen siegten.
Noch war es nicht zu spät, sie auszubilden…
Ich zog die Knie an, legte meine Arme auf und vergrub mein Gesicht dazwischen.
Ich kannte die Lösung. Ja, ich kannte sie. Aber ich wollte es nicht tun. Ich wollte und ich durfte nicht. Ich durfte einfach nicht.

„Akira?“, hörte ich eine Frauenstimme fragen.
Ich sah auf. Megumi stand vor mir, nur mit einem langen Handtuch bekleidet. Aber ich war zu müde und zu deprimiert, um mehr zu tun als es zu registrieren.
„Akira. Du hast ein Problem.“
„Ich weiß“, hauchte ich müde. „Wir haben zu wenige Leute. Viel zu wenige. Die Dreieinhalbtausend hier auf OLYMP, wir prüfen bereits, ob sie sich für die Marsmission eignen, trainieren bereits einige dafür. Aber damit vernichten wir wieder den gerade erst zögerlich angelaufenen Betrieb auf der Plattform. Wir bräuchten noch mehr, sehr viel mehr. Wenn wir die Zahl der jungen Menschen verdoppeln könnten, dann würde ich den Angriff mit drei Monaten Ausbildungszeit wagen. Und ich würde gewinnen, selbst wenn ich dabei sterben müsste.
Ich würde so viele wie irgend möglich wieder nach Hause bringen.“
Ich sah sie an. „Es gibt eine Lösung. Aber ich will es nicht tun. Ich will es einfach nicht.“
„Akira“, sagte sie leise und setzte sich neben mich.
„Ich will es nicht, Megumi-chan. Ich will mich nicht vor die Kameras stellen, weltweit ausgestrahlt werden und von den jungen Leuten der Erde verlangen, sich der strengen UEMF-Auswahl zu stellen und auf den OLYMP zu kommen, wo sie vielleicht für den Marsangriff ausgewählt werden, auf dem sie ziemlich sicher sterben werden. Ich kann es einfach nicht.“

„Aber du weißt, das es das Richtige wäre, oder? Erinnerst du dich noch, wie wir angefangen haben? Wie der Himmel brannte, als sich die Luftwaffen gegen die Kronosier durchzusetzen versuchten? Als dieser Daishi herunter kam, direkt vor uns beiden, dachte ich wir würden sterben. Aber als der Pilot tot aus der Luke fiel, da war ich erleichtert und froh. Froh darüber, dass er gestorben war, aber nicht ich und du.
Von diesem Gefühl ist in den letzten Jahren nicht viel geblieben.
Erst bist du in diesen Mecha gestiegen, weil du der einzige warst, den er akzeptiert hat.
Und ich folgte dir Monate später, als die ersten Eigenbauten fertig waren. Als einer von wenigen Menschen, die mit den Künstlichen Intelligenzen synchronisieren konnten.
Damals stiegen wir in diese Maschinen, weil wir keine andere Wahl hatten. Wir mussten die Menschen beschützen. Meine Eltern waren gestorben, aber ich spürte keinen Hass. Ich wollte nur andere davor bewahren, den gleichen Schmerz erleben zu müssen.
Und ich wollte dich beschützen, Akira. So lange hattest du alleine da oben gekämpft, wärst so oft beinahe gestorben… Ich wollte dir soviel Last wie irgend möglich abnehmen.“
„Megumi“, hauchte ich erschrocken.

„Was ich sagen will ist, Akira, wir waren damals beide noch Kinder. Und nun sieh uns an. Wir haben den Mars angegriffen, wir haben Dutzende gegnerische Piloten getötet. Und du bringst es mit drei vernichteten Feindschiffen in den vierstelligen Bereich.
Warum tun wir das? Weil wir töten schön oder richtig finden?
Nein, Akira. Wir tun es auch nicht, weil es uns gesagt wird.
Wir tun es einzig, weil wir gesehen haben, was mit einer Stadt passiert, wenn niemand die Daishis aufhält. Wir tun es, weil niemand den Schmerz erleiden soll, den wir erfahren haben. Wir tun es, damit diese Welt keine Kolonie wird, in der Menschen versklavt werden.“
„Sklaverei gibt es auch heute schon auf der Erde“, warf ich ein.
„Ja, aber sie wird bekämpft. Unter den Kronosiern wäre sie vielleicht legal. Denn Menschen sind ihnen egal, das siehst du gut daran, wie sie ihre Piloten gegen uns immer wieder verheizen.
Nur sie selbst und jene, die für die Gift würdig sind, sind ihnen wichtig. Davor, alleine davor beschützen wir die Erde. Wir beide, das unschlagbare Paar.“
Ich lächelte knapp. „Du beschreibst mein Seelenleben ziemlich gut.“
Megumi zwinkerte mir zu. „Ich kenne dich eben lange genug.
Aber worauf ich hinaus will, denkst du nicht, dass Menschen, die keine vierzehn mehr sind, sondern achtzehn und älter das Recht haben sollten, sich für oder gegen den Kampf zu entscheiden? Akira, wir rekrutieren doch kein Kanonenfutter. Wir wollen doch niemanden verheizen. Das weiß ich nur zu gut, solange du das Kommando hast.
Im Grunde bist du ein guter Mensch. Ehrlich und aufrichtig durch und durch. Deswegen liebe ich dich.“

Ich sah ihr tief in die Augen. „Megumi…“
„Lass dir helfen, Akira. Lass dir von diesen Menschen beistehen. Du wirst überrascht sein, wie viel Beistand du erhalten wirst.“
Ergriffen sah ich sie an. Meine Megumi-chan. Was war sie doch für ein Prachtmädchen.
„Danke“, hauchte ich leise. „Du nimmst mir eine Riesenlast von den Schultern.“
Ich sah in ihre großen Augen und beugte mich langsam zu ihr herüber. Ihre Lippen, ihre herrlichen Lippen kamen immer näher, während ich in ihrem Blick tiefer und tiefer versank.
„Das löst aber nicht dein Problem, Akira“, erwiderte sie amüsiert, bevor ich sie küssen konnte.
„Noch ein Problem?“, echote ich.
Sie schmunzelte mich an. „Ja, noch eins. Das hier ist die Frauendusche.“
Übergangslos erstarre ich. Panik breitet sich in mir aus. Habe ich etwa, in Grübeleien versunken und mit mir selbst hadernd die Türen verwechselt?
Und das Ergebnis? Ich saß nackt auf dem Boden, ließ mich von einer Dusche durchwalken, während Megumi neben mir hockte und nur mit Mühe beim Anblick meines Entsetzens ein Lachen unterdrücken konnte.

„Na, das ist jetzt auch egal“, brummte ich und ließ meinen Kopf wieder auf die Knie rutschen.
„Gut, dass das geklärt ist. Nun aber raus mit dir, bevor noch jemand rein kommt“, sagte sie schmunzelnd.
Ich sah wieder auf, ein Funkeln in meinen Augen. „Und verpassen, wie du dich duschst? Nie im Leben.“
„Akira“, sagte sie entsetzt. Sie wurde rot und sah zur Seite.
Als ihre Hand an ihrem Handtuch nestelte, sprang ich auf als wäre ein Hawk auf meinem Fuß gelandet. „Ich… muß noch was Dringendes erledigen. Wir sehen uns, Megumi.“
Fluchtartig verließ ich die Dusche wieder und ließ mich im Umkleideraum gegen die Wand sinken. Verdammt, hatte Megumi wirklich drauf eingehen wollen? Warum war ich Idiot dann weg gelaufen? Konnte es etwas Dümmeres geben, als sie derart zu brüskieren?
„Ich“, murmelte ich leise, „wollte dich einfach nicht ausnutzen, Megumi-chan.“
„Das weiß ich“, hörte ich Megumi neben mir sagen.
Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Duschzeug vergessen. Und du, mein Lieber, solltest dich wieder anziehen, bevor du dich wieder erkältest, hm?“

Nachdrücklich schlug ich mir eine Hand vor die Stirn. Ich hatte sie einfach nicht verdient. Sie war so Klasse.
Nachdem sie ihr Shampoo gefunden hatte, wollte sie wieder in die Dusche zurück. Dabei musterte sie mich kurz. „Wenn du andererseits lieber da stehen bleiben willst, wird das für die Mädchen der Frühschicht eine ganz schöne Überraschung werden“, murmelte sie schmunzelnd.
Wieder wurde ich rot. Ich war ja immer noch nackt. Hastig griff ich nach meinem Handtuch.
„Zu spät“, flötete Megumi mit einem Zwinkern und ging zurück.
„Eins zu null für dich“, sagte ich leise. Und lachte. Was für ein Tag.

2.
Als ich nach einer viel zu kurzen Ruhepause wieder auf die Beine kam, war ich wieder einmal dankbar, dass ich mich nicht rasieren musste. Wahrscheinlich hätte ich mir in diesem Zustand sogar mit einem Elektrorasierer die Kehle aufgeschlitzt.
Müde musterte ich mein Spiegelbild, bevor ich mit dem Zähneputzen begann.
Danach malträtierte ich mein Haar mit mehreren Litern Wasser, bevor der Kurzhaarschnitt so lag wie ich es wollte.
Und dennoch stellten sich einige widerstrebende Strähnen wieder auf.
Ärgerlich verließ ich meine Kabine. Akari erwartete mich bereits.
„Guten Morgen, Akira-sama“, sagte sie ernst.
„Morgen, Akari. Leg los.“
Auf OLYMP trug der Oni eine offizielle Uniform und bekleidete den Rang eines Second Lieutenant. Und soweit ich es kontrollieren konnte, war Akari auch für jedermann immer sichtbar. Es irritierte vielleicht den einen oder anderen, der mit ihr Dienst tat, dass sie niemals schlief. Aber wir konnten es ja nicht jedem auf die Nase binden, dass sie ein Dämon war.
„Die Umrüstarbeiten auf der YAMATO gehen voran. Wir ersetzen die alten Torpedowerfer gegen neue Modelle und installieren eine feste Hauptwaffe. Dafür werden die Mechabays und ein Drittel der Mannschaftskabinen raus gerissen. Ihr Schwesterschiff KAZE wird dafür derweil umgebaut, um vierzig Mechas tragen zu können. Mit dieser Taktik werden wir die Kronosier hoffentlich überraschen können.
Die Werftarbeiten an der GRAF SPEE gehen gut voran. Kapitän Ino meldet, dass sie weit vor dem Zeitplan ist. Ihre Zentrale ist bereits fertig und sie führt mit einer Notcrew erste Simulationen durch. Trainée Takahara ist ihr dabei eine Riesenhilfe. Sie hat ihn zum XO ernannt. Seine Feldbeförderung zum First Lieutenant ist beantragt und bereits angesichts der Notlage genehmigt. Es fehlt nur noch das Einverständnis des Executive Commanders.“
Ich grinste leicht. „Dieser Kei. Hat doch mehr drauf, als ich dachte. Okay, leg es mir nachher auf den Schreibtisch. Ich unterschreibe die Beförderung dann.“
„Nicht nötig, Meister. Ich habe alles hier, was wir brauchen.“ Akari lächelte mich an und hielt mir das Formular und einen Schreiber vor die Nase.
Ich schmunzelte dazu, presste das Dokument gegen die nächste Wand.

Als ich den Stift ansetzen wollte, spürte ich plötzlich etwas, was… Es fühlte sich an wie ein sehr starker Herzschlag. Ein gigantisches Pochen, das so laut in meinen Ohren hallte, dass ich glaubte, unter einer Glocke gefangen zu sein, die just geschlagen wurde.
Die Welt um mich herum versank in Falschfarben. Meine Atmung setzte aus und wollte auch nicht wieder anspringen. Panik befiel mich. Ich war doch noch nicht mal achtzehn. War das etwa schon ein Herzinfarkt?
Als ich meine Hände plötzlich nicht mehr spürte, rang ich gierig nach Luft.
Tatsächlich füllten sich meine Lungen wieder, und die Falschfarben verschwanden.

Als ich wieder klar sehen konnte, blickte ich mich verwundert um. Ich stand noch immer an der Wand, den Stift in der Hand, das Dokument vor mir. Was war passiert?
Unwillig schüttelte ich den Kopf und unterschrieb den Befehl.
Als ich beides an Akari zurück reichte, fragte ich: „Hast du gerade etwas Ungewöhnliches bemerkt?“
Sie sah mich erstaunt an. „Nein, Meister.“
„Hm“, machte ich. Wenn das eben tatsächlich ein Infarkt war oder Schlimmeres, dann gefährdete es die ganze Mission.
„Planänderung“, sagte ich ernst. „Ich gehe heute Vormittag runter auf die Titanen-Station. Beruf eine Pressekonferenz ein, für… genau zwölf Uhr.“
„Zwölf Uhr auf der Titanen-Station. Thema?“
„Neue Rekrutierungen.“
**
„Und, Doc?“, fragte ich leise, während ich das Hemd meiner Uniform wieder anzog.
Captain Schneider, Armeearzt auf der Titanen-Plattform, musterte den Ausdruck des EEGs. „Tut mir Leid, Sir, aber ich kann nichts feststellen. Ihr Kreislauf funktioniert mustergültig, Ihr Herz ist kräftig und hat einen gesunden Rhythmus. Das Belastungs-EKG hat auch nichts festgestellt, außer, dass Sie eine Kondition wie ein freilaufender Stier haben. Meinem Erachten nach kommen für diesen Flashback, wie Sie es nennen also nur zwei Möglichkeiten in Frage. Entweder treten Sie entgegen all unserer Erkenntnisse nun doch mit dem Temporalresonator in Resonanz, oder es ist ein psychisches Problem. Wie dem auch sei, sollte es noch mal auftreten, zögern Sie nicht, mich aufzusuchen.“
„Das werde ich machen, Doc. Es wäre fatal, wenn mir so etwas während der Mars-Mission passiert. Und noch was, ich…“
Der Arzt hob die Arme. „Schon gut, schon gut. Halten Sie unbedingt geheim, dass ich hier war, niemand darf etwas davon erfahren, dass ich vielleicht ein so merkwürdiges Leiden habe, die Sicherheit der Welt hängt von mir ab. Das wollten Sie doch sagen, oder, Colonel?“
Ich nickte schwer. „Das, und haben Sie vielleicht eine Sportsalbe für mich? Ich habe meine verbraucht. Ich musste in letzter Zeit viel zu viel einstecken, ohne zurück beißen zu können.“

Der Arzt nickte, trat an einen Schrank und zog das Gewünschte hervor. „Wenn es Sie beruhigt, Colonel, ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht. Aber falls mich jemand fragt, werde ich ausnahmsweise mal frech lügen und behaupten, Sie hatten Ihren Routine-Checkup.“ Er warf mir die Salbe zu. „Hier, bleiben Sie fit. Mein kleiner Bruder ist bei Ihnen da oben und ich will, dass Sie ihn heile wieder zurück bringen.“
„Sie haben Ihren Bruder sich freiwillig melden lassen?“, fragte ich erschüttert.
Doktor Schneider sah betreten zu Boden. „Er… hatte sehr gute Argumente. Und sein Bestes war, warum ich überhaupt beim Militär bin. Man kann die jungen Leute so schlecht anlügen, wenn man selbst mit dem Herzen dabei ist. Aber wem erzähle ich das. Sie, die Legende, sollten das besser wissen als jeder andere sonst.“
Ich griff nach meiner Uniformjacke und steckte die Creme ein. „Vielleicht. Danke, Doc. Ich melde mich, falls der Flashback wieder auftritt.“
„Ich bitte darum. Und, Colonel Otomo?“ „Doktor Schneider?“
„Es ist mir eine Ehre, Sie kennen lernen zu dürfen.“
Stumm schüttelten wir uns die Hände. Der Mann meinte es so, wie er es gesagt hatte. Ich las es in seinen Augen.
**
Als ich den Konferenzraum um Punkt zwölf Uhr betrat, wunderte ich mich einen Moment über das Stimmengewirr. Pressekonferenzen auf der Titanen-Station waren nicht üblich und unterlagen zudem strengen Sicherheitsbestimmungen. Diese war darüber hinaus sehr kurzfristig anberaumt worden. Dennoch schien der Saal beinahe zu bersten.
„ACHTUNG!“, gellte der scharfe Ruf des Sergeants vom Dienst auf, als ich durch die Tür trat.
Die anwesenden Militärs erhoben sich und salutierten. Selbst Commander Sikorsky war unter ihnen, was ich mit Zufriedenheit zur Kenntnis nahm.
„Rühren, Gentlemen.“
Ich trat an das Pult heran, legte meine Mütze beiseite, sortierte ein paar Zettel vor mir und sah dann auf. „Können wir dann, Herrschaften?“

Auf Dutzenden Kameras glommen rote Lichter auf. Mehr als fünfzig Augenpaare richteten sich auf mich.
Für einen Moment hatte ich wirklich Lampenfieber. Doch ich schüttelte es so gut es ging von mir ab.
„Wie Sie alle wissen, bin ich der neue Executive Commander der UEMF und damit verantwortlich für die Erdverteidigung und unseren kommenden Angriff auf den Mars. Nein, für Fragen ist später noch Zeit. Und nein, es ist kein Nachteil für uns, wenn ich den Marsangriff anspreche. Wahrscheinlich wussten die Kronosier schon davon, bevor wir auf der Erde noch nicht mal Marsangriff ausgesprochen hatten.“
Leises Gelächter erklang.
„Solange sie nicht wissen wann und wie wir ihnen in den Arsch treten, ist es egal.
Jedenfalls wurde diese Pressekonferenz unter einem bestimmten Motto einberufen.
Neue Rekruten. Wie Sie alle wissen, haben sich vor wenigen Tagen die Schüler einer Oberstufe in Tokio beinahe geschlossen freiwillig gemeldet. Und wie Sie ebenfalls wissen, liegt OLYMP unter dem Einfluss einer Waffe, die jeden Menschen über vierundzwanzig erstarren lässt, wenn er dieses Feld betritt.
An dieser Stelle möchte ich diesen Schülern und ihren Eltern danken, dass sie in der Stunde der höchsten Not bereit waren, das Leben dieser jungen Menschen zu riskieren.
Das gleiche gilt für die vielen Freiwilligen, die überall von der Erde zu uns kommen.
Aber das reicht noch nicht.
Es tut mir unendlich Leid, aber hiermit gebe ich die UEMF-Rekrutierungsbüros frei für Jedermann.“

Übergangslos wurde ich in Blitzlichtern gebadet. Erschrockenes Raunen ging durch die Menge.
„Die Auswahlkriterien sind hart. Die Ausbildung auf OLYMP ist langwierig, kompliziert und viele werden sie nicht schaffen. Und genommen werden können nur junge Menschen zwischen achtzehn und einundzwanzig. Ab diesem Alter beginnt eine Grauzone, in der das Feld Einfluss auf Menschen haben kann. Aber nicht muß.
Wer in diesem Alter ist und meint, er wäre bereit sein Leben für die Erde zu riskieren, eventuell zu opfern, der soll sich anwerben lassen.
Haben Sie Fragen, Herrschaften?“

„Executive Commander. Wird dies das letzte Aufgebot der Erde?“
„Sicher nicht, wenn ich es verhindern kann. Sie, bitte.“
„Sir, Ihr Vater ist als kompromissloser Hardliner bekannt. Jetzt wo Sie das Kommando haben, sehen Sie da keine Chance auf Verhandlungen, eine friedliche Lösung des Konflikts? Kann es keine Kommunikation zwischen intelligenten Lebensformen geben?“
„Nun, Ma´am, vielleicht gäbe es das, wenn ich ihnen nicht vor drei Jahren Phobos auf den Kopf geworfen hätte. Worüber die Astronomen heute noch nicht hinweg sind.“
Wieder wurde leise gelacht.
„Aber Scherz beiseite. Nein, ich denke nicht, dass es einen Vertragsfrieden mit den Kronosiern geben kann. Dies sage ich mit absoluter Sicherheit und meiner Erfahrung. Ich kämpfe gegen sie seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Und eine Erkenntnis habe ich dabei bitter gewonnen. Die Kronosier kennen nur zwei Sorten Menschen. Die eine, die sie bedenkenlos wie Bauern beim Schach opfern können, und die andere, die ihnen im Weg ist. Dazwischen gibt es nichts. Für sie oder gegen sie.
Sie, bitte.“
„Colonel, ist das wirklich so? Oder pflegen Sie nur persönliche Animositäten gegen die Kronosier? Immerhin haben sie während des ersten Marsangriffs Ihre Schwester getötet, Sie nach der Rückkehr in einen Biotank gesperrt und Ihr Gedächtnis partiell gelöscht, versucht Sie zu töten und mehrmals Attentate auf Sie veranstaltet, davon alleine in letzter Zeit drei oder vier.“
Aufgeregtes Raunen ging durch den Raum.
„Nun, wer wäre da nicht sauer?“, stellte ich eine Gegenfrage. Sauer war da aber nicht das richtige Wort. Im Blutrausch wäre weit treffender gewesen. „Nein, Rache und Hass habe ich schon lange hinter mir gelassen. Alles, was mich antreibt ist die Gewissheit, dass die Menschen auf der Erde in Frieden leben dürfen sollten. Die letzten drei Jahre spielten sich die meisten Kämpfe im Erdorbit statt, nachdem sie ein Dreivierteljahr direkt über ihren Köpfen stattfanden.
In dieser Zeit hatten die Menschen weltweit Gelegenheit, ihre Leben so zu leben, wie sie dies wünschten.
Ich will ihnen nicht meine Werte aufdrängen oder von einem besonders erfolgreichen Regierungssystem überzeugen. Ich will, dass sie so leben können wie sie es bisher tun. Und die Chance haben, dieses Leben ändern zu können, wann immer sie es wollen.
Dafür lebe ich. Und dafür werde ich notfalls alleine zum Mars fliegen.“

„Otomo-sama, ist dieser Marsangriff wirklich nötig? Ich meine, wir haben jetzt, mit dem Ausfall von OLYMP doch genügend Probleme vor der eigenen Haustür, oder?“
Ich nickte Sikorsky zu. Hinter mir erwachte ein Bildschirm und stellte den nahen Marsorbit dar. „Was Sie da hinter mir sehen ist eine Wartungswerft der Kronosier, die auf Deimos, dem Mond den ich nicht vernichtet habe, errichtet wurde. Sie wird in etwas mehr als drei Monaten fertig sein und dann ein kronosisches Schiff warten können, dass größer ist als alles, was wir bis dahin gesehen haben. Wenn dieses Schiff in unseren Sonnensystem ankommt, oder vielleicht sogar eine ganze Flotte, und diese Schiffe die Chance haben, sich wieder aufzurüsten, Reparaturen durch zu führen und so gut wie neu die Erde anzugreifen, dann sind all unsere Anstrengungen hier müßig. Ich bin nicht bereit darauf zu vertrauen, dass die Kronosier ein Duplikat der Werft gebaut haben, die ich mit Phobos vernichtet habe, weil sie gerade Zeit und Spaß daran hatten. Und ich bin nicht bereit zu glauben, dass die dort ankommenden Kronosier andere Ziele haben als jene, gegen die wir bereits kämpfen.“
Stille antwortete mir. Ich sah in die Runde, aber niemand meldete sich mehr. „Wenn es das gewesen ist, dann entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe viel zu tun.“

Als ich den Konferenzraum verlassen hatte, stützte ich mich erst einmal an der nächsten Wand ab. Was hatte ich erwartet? Das die freie Presse mir applaudieren würde? Das sie meinen Namen skandierten?
Nun, zumindest eine Reaktion oder einen höflichen Applaus.
Commander Sikorsky legte mir eine Hand auf die Schulter. „Gut gemacht, mein Sohn. Es gab keine Nachfragen. Und die vorbereiteten Dossiers finden reißenden Absatz. Die meisten Stationen werden die Konferenz ungeschnitten senden. Fürs erste Mal eine beachtliche Leistung.“
Ich sah den erfahrenen Soldaten an und nickte müde. „Die Welt retten ist schwierig. Verdammt schwierig.“
„Mein Sohn, es war noch niemals leicht“, antwortete mir der Commander, klopfte mir noch einmal auf die Schulter und verschwand dann im Gang.
Drinnen wurden die ersten Stühle gerückt. Das bedeutete für mich, schnell zu verschwinden, bevor ich auch noch Interviews geben musste. Dafür hatte ich nun wirklich keine Zeit.

3.
„Akira-chan!“, rief eine Stimme neben mir.
Erschrocken fuhr ich zusammen. „Schleich dich doch nicht immer so an, Kitsune-chan!“
Die Fuchsdämonin verwandelte sich neben mir in einen Fuchs und strich mir um die Beine. Dann sprang sie mir auf den Schoß und leckte mein Kinn.
„Was soll das denn? Das kitzelt, Kitsune-chan.“
Der Fuchs sah zu mir herauf. „Ich dachte, du könntest mal ein paar Aufmunterungen gebrauchen. Und gib doch zu, wenn ich dich als Fuchs ablecke, dann ist es nicht so verfänglich.“ Sie tauschte wieder gegen den Frauenkörper und machte es sich auf meinem Schoß bequem. „Oder soll ich es vielleicht mal so probieren? Vielleicht magst du es ja, Akira-chan?“
„Momomoment, Kitsune, was machst du denn? Ki-Kitsune!“
In diesem Moment öffnete sich die Tür, Doitsu trat ein, geschäftsmäßig über einen Stapel Papier in der Hand brütend. „Akira, ich soll dir hier von Megumi-chan die neuesten Dossiers über die Vorauswahl der zukünftigen Mechapiloten bringen.“
Er sah auf, runzelte die Stirn und machte auf dem Absatz kehrt. „Ich komme später noch mal wieder. Du bist im Diktat, wie ich sehe.“
„Doitsu!“, rief ich und gab der Fuchsdämonin einen Klaps auf den Po, damit sie von mir herunter rutschte.
„Schade, fing gerade an lustig zu werden“, maulte sie.
Doitsu wandte sich wieder um und grinste. „Hast Glück, dass ich dich erwischt habe. Wären es Megumi oder Joan gewesen…“
„Es ist nicht so wie es aussieht. Dai-Kitsune-sama wollte mich nur aufheitern und hat mir das Gesicht abgeleckt.“
„Na, DAS nenne ich aber mal eine Aufheiterung. Kitsune-chan, machst du das auch für mich, wenn ich deprimiert bin?“
„Klar“, erwiderte die Füchsin übermütig.
„Sie war in ihrer Fuchsgestalt, als sie mein Gesicht abgeleckt hat“, warf ich ein.
„Also, eben sah sie aber sehr menschlich aus“, erwiderte Doitsu grinsend.
„Und?“, blaffte ich.
„Ist ja schon gut. Ich glaub dir ja, dass das schon alles war. Ich bin auch nur gekommen, um dir die Berichte zu geben und dir zu sagen, dass du bitte mal in die Zentrale kommen sollst. Dort wartet eine Überraschung auf dich.“

Er sah zu der Dämonin herüber. Seine Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz. „Kitsune-chan, das war ein Versprechen, ja?“
„Aber klar doch“, erwiderte die Füchsin. „Ich stehe zu meinem Wort. Vor allem, wenn ich es einem so niedlichen Jungen wie dir gegeben habe.“
„Hey, das ist Verführung minderjähriger Dämonenkönige!“, warf ich ein.
„Ich bin zweitausend Jahre alt, Akira-chan!“, beschwerte sie sich.
„Dai-Kuzo-sama und Dai-Okame-sama sind aber beide weit über fünftausend Jahre alt!“, konterte ich.
„Siehste. Kannst du dann nicht verstehen, dass ich auch mal etwas Spaß haben will, wenn ich ständig mit diesen alten Knackern abhängen muß?“
„Gut, dass Okame-kun das jetzt nicht gehört hat. Dann wäre dir die nächste Kopfnuss sicher gewesen“, murmelte ich und schüttelte Kopf.
„Noch so ein Ding. Die Willkür und die Gewalt, der ich ausgesetzt bin, und das nur, weil der alte Knacker keinen Spaß mehr versteht“, beschwerte sie sich.
„Oh, Kitsune-chan. Ich verstehe dich“, brummte Doitsu und schloss die Füchsin in die Arme.

Ich erhob mich und schlug dabei mit beiden Handflächen fest auf die Platte meines Schreibtischs. „In der Zentrale, sagst du? Okay, ich gehe rüber. Wenn ihr beide hier bleiben wollt, empfehle ich abzuschließen.“
Doitsu grinste zu mir herüber. „Gleiches Recht für alle. Der eine landet nachts aus Versehen in der Mädchendusche. Der andere drückt einen Fuchsdämon.“
Deprimiert ließ ich den Kopf hängen. „Woher weißt du das schon wieder?“
„Aufzeichnungen der Sicherheitskameras“, erwiderte er mit einem Zwinkern.
Ich ließ den Kopf noch ein wenig mehr sinken.
„Keine Angst, wir haben Megumi aus dem Band gelöscht, bevor eines der Mädchen es gesehen hat. Aber wie du halbnackt wieder raus gerannt kommst, ist ganz gut getroffen, Akira.“
„Megumi-chan? Akira-chan, machst du endlich Fortschritte?“, fragte die Füchsin grinsend.
Ich setzte meine Mütze auf und kam um den Schreibtisch herum. Auf dem Gang wandte ich mich sofort in Richtung Zentrale.
Nur um Doitsu links und Kitsune rechts neben mir zu haben.
Beide grienten mich an, als gäbe es damit einen Preis zu gewinnen.

Als ich die Zentrale erreichte, wusste ich plötzlich, was sie so fröhlich stimmte.
Die meisten Monitore zeigten Nachrichtensendungen. Und auf den Sendern lief nur eines. Entweder meine Ansprache oder vollkommen überlaufene Rekrutierungsbüros der UEMF.
„Achtung!“, rief Daisuke, als er mich kommen sah. „Commander an Deck.“
Anstatt zu salutieren, begannen die anwesenden Zentraleoffiziere und Mannschaften – viele von ihnen Freiwillige, die Feldbeförderungen erhalten hatten oder nur grob in ihre Arbeiten eingewiesen worden waren - zu applaudieren.
Der Applaus wurde immer lauter, je weiter ich in die Zentrale kam.
Daisuke kam von seinem Platz herüber und klopfte mir auf die Schulter.
Yoshi, der zur Zeit Dienst als Wachoffizier hatte, grinste mich an. „Akira, bis jetzt werden weltweit zweihunderttausend Freiwillige gemeldet. Wenn auch nur jeder fünfzigste den UEMF-Standard erfüllt, dann kriegen wir unseren Angriff auf den Mars!“
Er grinste noch immer, als er mich heran winkte und auf einen Monitor deutete, der japanische Nachrichten aus der Hauptstadt abstrahlte. „Hier, kennst du den noch?“
Ich runzelte die Stirn. „Ist das nicht Tetsu mit seiner Motorradgang?“
„Richtig. Mein alter Kumpel Tetsu. Das Problem war bisher nicht, dass es zu wenige junge Menschen gab, die sich haben freiwillig melden wollen. Es gab nur zu viele, die es sich einfach nicht zugetraut haben.“
„Das hat sich jetzt wohl erledigt“, sagte ich leise. Ja. Wir würden es schaffen!

4.
Als ich die Übungshalle der Infanterie betrat, musste ich schnell einen Schritt zur Seite weichen, weil mir ein Bulle von Kerl entgegen kam. Etwas unfreiwillig, mit beträchtlichem Schwung und zudem im Flug.
„Hey, Joan, ich habe doch gesagt, sei vorsichti… Joan?“
„Ich bin hier, Aki-chan“, hörte ich eine Stimme hinter mir.
Ich wandte mich um und erkannte die Popdiva hinter mir, wie sie lässig an der Wand lehnte.
Ungläubig ging mein Blick zu dem Riesen, der an mir vorbei geflogen war und sich nun ächzend wieder aufrichtete.
„Aber wer hat dann…“ Ich sah zur Trainingsmatte, auf der Hina Yamada sich gerade in Richtung ihres besiegten Gegners verneigte. Die reihum sitzenden Infanteristen applaudierten eifrig.
„Überrascht?“, kommentierte Joan leise. „Ich für meinen Teil bin es.“
Nachdenklich strich ich mir über den Nacken. „Nein, nicht unbedingt. Hina-chan hat ne ganze Ecke mehr drauf als es scheint. Hina-chan!“

Der eigentlich eher tollpatschige Blondschopf verließ die Trainingsmatte und kam auf mich zu. „Akira-san, ich habe dich gar nicht kommen gesehen. Guten Tag.“
„Ja, ja, guten Tag. Äh, was machst du hier?“
Hina sah mich verlegen an und drückte die Zeigefinger aufeinander. „Äh, weißt du, Akira-san, es ist so. In der Strategiebesprechung hieß es doch, dass wir Slayer kombiniert mit der Infanterie vorgehen sollen. Deshalb trainieren wir ab und zu zusammen. Und heute kam es eben mit Jack-san und mir zu Kompetenzrangeleien, wer im Feld das Kommando hat. Und Joan-chan hat gesagt, es wäre das Beste, das auf der Matte zu entscheiden.“
Entsetzt sah ich zu Joan herüber. „Du hast was?“
„Hey, es hat doch geklappt, oder?“, erwiderte sie, stieß sich von der Wand ab und kam zu uns herüber.
Sie klopfte Hina auf die Schulter und schnurrte: „Gutes Mädchen. Ich wusste doch, dass du was drauf hast.“
„Danke, Joan-chan.“
„Und was euch andere angeht, wir sind da um die Slayer zu decken, nicht um sie herum zu kommandieren. Wenn ein Youma auf euch zurast, dann werdet Ihr noch mehr als dankbar dafür sein, dass die Slayer euch Kommandos geben, die eure Leben retten werden. Haben das jetzt alle verstanden?“
„Ja, Ma´am!“, riefen die Soldaten wie aus einem Mund.
Joan seufzte viel sagend. „Sind ja eigentlich alles wirklich nette Leute. Aber so unsäglich arrogant wegen ihrer Ausbildung. Ich halte einfach nichts von der Brich ihren Willen und bau ihren Stolz danach neu auf-Methode. Erinnert mich zu sehr an das zuvor.“
Ich erstarrte, als sie das sagte. Bisher hatte sie noch nicht viel über ihre Vergangenheit, über das davor gesagt. Bevor sie mich das erste Mal in einem Biotank der Kronosier gesehen hatte.

„Ich will eine Revanche!“, rief der besiegte Marine aus dem Gang und kam wankend auf die Beine. „Machen wir zwei aus drei, Hina!“
„Kumpel, ich hasse schlechte Verlierer“, sagte Doitsu und stellte sich neben den Amerikaner. Als er seine Brille die Nase zurück schob ging ein Reflex über die Gläser. „Aber wenn du dich abreagieren willst, nun, ich biete dir vielleicht eine bessere Show als ein zartes Mädchen.“
Entsetzt sah der junge Mann namens Jack meinen Adjutanten an. „Äh, nein, Sir. Ich denke, es ist in Ordnung so wie es ist.“
„Was machst du da, Doitsu? Hör auf rum zu spielen. Wir haben zu arbeiten“, rief ich ärgerlich. Seit vor vier Tagen die letzten Freiwilligen für den OLYMP und die Mission zum Mars an Bord gekommen waren, hatten wir alle Hände voll zu tun.
„Wie gesagt, ich stehe dir jederzeit zur Verfügung“, sagte der zukünftige Mecha-Pilot noch mal und passierte den Marine.
„Ich bin ja schon da, Akira. Hier, die Taktikauswertungen. Joan-chan, nachdem du deine Qualifikation bewiesen hast, hat der Executive Commander entschieden, dich im Feld zum Major der Bodentruppen zu befördern. Du wirst die Infanterie nach der Landung anführen.
Da wir nun genügend Rekruten haben, werden wir fünf Kompanien mit jeweils sechzig Mann aufstellen. Panzerunterstützung wird es nicht geben. Aber die Mechas werden ihr Bestes geben, um euch zu unterstützen. Und in der Anlage selbst wird es sowieso ein Kampf Meter für Meter.
Hallo, Hina-chan. Wenn der grobe Kerl noch mal was von dir will, dann sag Bescheid. Ich kümmere mich dann um ihn.“
„Ich habe die Lage hier sehr gut im Griff“, erwiderte sie, „aber danke, dass du dich um mich sorgst, Doitsu-chan.“
Chan? „Chan?“
Übergangslos wurde der Freund rot. „Es… Es ist nicht so wie du denkst, Akira.“
„Nein“, bestätigte Hina und lächelte verlegen, „überhaupt nicht.“
„Wir… ich meine wir sind nur Kameraden, die aufeinander aufpassen. Nicht, Hina?“
„Genau, Doitsu-chan“, erwiderte sie und klopfte dem Brillenträger auf die Schulter. Dort ließ sie ihre Hand ruhen und grinste in die Runde.
„Du darfst ihn auch irgendwann wieder los lassen“, kommentierte ich leise.
Erschrocken sah Hina erst mich, dann ihre Hand an. „Tu-tut mir Leid!“, rief sie hektisch und wollte die Hand fort nehmen, aber Doitsu legte seine darauf. „Schon in Ordnung, Hina-chan. Ich mag das.“
„Na, du bist ja mit wenig zu-uärgs!“
Joan hatte mich mitten im Wort an meinem Kragen ergriffen und begann mich fort zu schleifen. „Aki-chan und ich müssen mal kurz was besprechen. Lauft nicht weg, Ihr zwei, ja?“

In einer Ecke, außer Hörweite, stellte sie mich wieder auf die Beine.
„Hör mal, Joan, wenn du mir vorwerfen willst, ich wäre blind oder unsensibel oder ich würde Doitsu die Tour vermasseln, dann…“
„Pssst“, machte sie und deutete zurück. Ich sah, wie sich die beiden ungezwungen unterhielten. „Manchmal musst du gar nichts manipulieren, Aki-chan. Manchmal musst du nur die Klappe halten und einen Schritt beiseite treten.“
Joan gab mir einen Kuss auf die Wange. „In meinem Fall aber darfst du ruhig etwas forscher sein.“
Ich lächelte sie an. „Oh, ich komme drauf zurück.“
„Drei Monate zu leben haben wir ja noch, oder? Genügend Zeit. Also, erzähl, was habt Ihr ausgeheckt?“
Ich räusperte mich kurz. „Es ist relativ simpel. Wir wissen, dass die Anlagen unter dem Mount Olympus sehr weiträumig sind. Während der Landeoperation werden die Eagles euch Langstreckenunterstützung geben. Die Sparrows werden so weit es irgend geht mit in die Tiefe kommen. Aber den Rest müsst Ihr alleine schaffen. Die Hawks werden zu diesem Zeitpunkt entweder mit den Bodentruppen oder den gegnerischen Daishis zu kämpfen haben. Aber auch wir helfen euch wo immer es geht. Vierzig Sparrow, vierzig Eagles und hundert Hawks werden den Angriff beginnen. Wenn wir auf der Planetenoberfläche ankommen, sind es wenn wir Glück haben noch die Hälfte.“
„Verstehe. Was sind die Ziele der Operation?“
„Wir wollen versuchen die Anlagen zu nehmen. Falls das nicht geht, sprengt Ihr die Kraftwerke der einzelnen unterirdischen Fabriken. Ich will unsere Verluste so klein wie möglich halten. Die Infanterie ist kein Kanonenfutter. Aber wenn es sein muß, werden wir Partien des Geländes bombardieren lassen. Dann müssen deine Leute die Regionen verdammt schnell verlassen.“
„Also müssen wir auch noch vor Ort aufklären. Und das unter Gefechtsbedingungen. Klasse. Einfach wäre ja auch langweilig gewesen.“
„Joan, so darfst du das nicht sehen. Es ist nur, letztes Mal ist ein elf Kilometer großer Brocken von Phobos in der Region abgestürzt und die unterirdischen Fabriken und Werften haben es überstanden. Auf diese Weise klappt es einfach nicht. Entweder sind sie zu stark dezentralisiert, oder ihre Abwehr ist zu gut.“
„Schon gut, Akira. Ich wollte dich nicht kritisieren. Wer führt den Angriff an?“
Ich sah zu Boden. „Im Weltall hat Sakura das Sagen. Den Angriff am Boden koordiniere ich. Sollte ich fallen, wird Makoto als Chef der Eagles übernehmen. Stirbt auch er oder fällt aus irgendeinem Grund aus, geht das Kommando an Megumi. Und von dort zu Daisuke. Er ist nach ihr der ranghöchste Offizier mit Fronterfahrung.
Danach seid Ihr Infanteristen an der Reihe. Du, danach Mamoru. Und ab da geht das Kommando an Yohko.“
„Eine ziemlich lange Kommandokette“, staunte Joan leise. „Du überlässt nichts dem Zufall, was?“
Sie beantwortete ihre Frage selbst. „Natürlich nicht. Nicht bei der Verantwortung, die auf die lastet. Sag, ist Captain Hatake mein Stellvertreter oder darf ich Takashi nehmen?“
„Mamoru hat nun mal Infanterieerfahrung. Eigentlich müsste er dein Vorgesetzter werden. Aber ich denke, du schaffst den Job auch und besser.“
„Hm, danke für dein Vertrauen, Aki-chan. Wie sieht es denn mit den Slayern aus? Wir haben fünf Kompanien, insgesamt sechshundert Soldaten, aber sechs Slayer. Wie soll das funktionieren?“
„Die Slayer werden nicht aufgeteilt, jedenfalls nicht, bevor die Lage es erfordert. Sie bilden unser Trumpfaß. Irgendwo auf dem Mars muß ein Großteil der gestohlenen KI-Energie zu finden sein, ebenso der Schuft, dem wir diese manipulierten Youmas verdanken. Wir können niemand anderen gegen sie einsetzen als die Slayer. Deshalb operieren sie nach eigenem Ermessen. Aber keine Bange. Hina ist ein liebes Mädchen. Sie wird auf deine Leute schon aufpassen.“
„Oh, das wird sie. Und auch die anderen, dein Youma und dein Sempai und diese Escaped sind in Ordnung. Wir werden gut miteinander auskommen.“ Joan grinste mich an. „Man muß halt nur mal die Frauen machen lassen. Die raufen sich viel schneller zusammen als die Männer. Die brauchen ihre blöden Männlichkeitsrituale und so.“
„Mit denen Hina anscheinend sehr gut zurecht kommt, wenn ich daran denke, dass ich vorhin fast von zweihundert Pfund frei fliegendem Marine getroffen wurde“, warf ich ein.
„Ein Mädchen muß halt sehen, wo es bleibt“, erwiderte sie mit einem Lächeln. „Ja, Hina kriegt das hin. Sie… Sie hat im Kampf gegen diese manipulierten Youmas mehr als genug gesehen. Ich denke nicht, dass es noch etwas gibt, was sie erschrecken kann.“

Eine Zeitlang standen wir schweigend beieinander, sahen dabei zu, wie die Infanteristen die Randoris fortsetzten und Doitsu sich glänzend mit Hina zu verstehen schien.
„Was macht eigentlich Mako-chan?“, fragte Joan wie beiläufig.
„Wieso fragst du? Willst du mir untreu werden?“, scherzte ich.
„Du, das kann durchaus passieren“, erwiderte sie ernst.
„Machst du Witze?“, fragte ich sie überrascht.
„Nanu? Auf einmal wirst du eifersüchtig. Du bist mir ja einer.“ Sie lächelte mich an, dann sah sie wieder auf Hina und Doitsu.
„Passieren könnte es schon, weißt du? Ich meine, Hey, erst war er nur eine Anziehpuppe zum knuddeln und abknutschen, so etwas Süßes, Liebes zum herzen, dass man ihn am liebsten behalten will. Aber wenn er in einer Uniform steckt, dann scheint er zu wachsen. Er baut eine Aura um sich auf, die einfach unglaublich ist.
Ich meine, aus dem kleinen Burschen, der aussieht wie ein Mädchen wird eine Respektsperson. Ein harter Hund, der einem Respekt und Bewunderung abverlangt. Ernst, aufrichtig, geradlinig, alles Eigenschaften, die ich an dir immer bewundert habe.
Ihn zum Zweiten Feldkommandeur nach dir zu machen ist eine sehr gute Idee.“
Verblüfft sah ich sie an. Langsam näherte ich mich ihr und starrte ihr lange in die Augen. „Hm, sehe ich da wirklich das erste Funkeln von Verliebtheit? Also, wenn du zwei Kerle willst, du bist ein Cyborg, das sollte für dich doch absolut kein Problem sein.“
„BLÖDMANN!“, blaffte sie. „Ich rede hier über meine Gefühle und Erfahrungen und du kommst mit so einem Schwachsinn an!“
„Aber du magst ihn, oder?“
„Natürlich mag ich ihn. Das sollte dich jetzt nicht wundern.“
Ich dachte nach. „Natürlich nicht. Denn ich mag ihn ja auch. Meinen kleinen, verrückten Cousin, für den ich sofort in jede Kugel stürzen würde. Und du hast dich in ihn verknallt?“
„DUMMKOPF! Wer redet denn davon? Ich… Ich beginne nur, ihn ein wenig zu bewundern. Ich meine, er ist nicht du. Er ist einfach nicht du. Er ist so anders. Aber dann irgendwie… Ich kann es nicht in Worte fassen.
Ich meine, seit mein bewusstes Denken erwacht ist, bist du der Mittelpunkt und das Ziel meiner Welt. Aber je näher wir einander kommen, desto größer wird mein Weltbild, desto mehr verschwimmen meine Ziele. Vielleicht werde ich einfach erwachsen. Oder ich nable mich vom Auftrag meiner kronosischen Schöpfer ab. Ich habe schon ewig nicht mehr daran gedacht, dass ich deine Gene haben wollte.“
„Du hast wollte gesagt“, stellte ich überrascht fest.
Sie lächelte. „Ja, wollte. Dieser merkwürdige Wunsch ist völlig verblasst. Aber freu dich nicht zu früh, dafür sehe ich dich umso klarer, Mister Ich rette die Welt, ob sie will oder nicht. Du bist immer noch die Nummer eins auf meiner Liste, und Miss Joan Reilley ist nicht dafür bekannt, dass sie eine Beute wieder los lässt, wenn sie sich erst mal verbissen hat. Selbst wenn ein zweiter Appetithappen vor ihrer Nase herumstreunt.“

„So“, murmelte sie und streckte sich, „ich sollte wieder zurück zum Training. Danke fürs Zuhören, Aki-chan.“
„Joan“, sagte ich mit trockener Kehle, „du solltest wirklich einen Sport-BH oder so etwas tragen.“
„Das macht aber keinen Spaß, Aki-chan. Ich sehe dich doch so gerne rot werden. Besuch mich mal wieder hier oben, meine Nummer eins.“ Sie zwinkerte mir zu und ging zur Matte zurück.
Auch ich setzte mich in Bewegung. Ich musste zugeben, ich war irritiert. „Früher hattest du keine Liste“, murmelte ich und winkte Doitsu zu, damit wir unseren Weg fortsetzen konnten.

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5.
„Colonel, wir haben Commander Thomas in der Leitung.“
Ich nickte. „Gut, Ensign Chan. Ich komme rüber.“
Ich erhob mich und verließ mein Büro. Ein letztes Mal glitt mein Blick zurück auf den Schreibtisch, der mittlerweile überladen war mit Papierdokumenten und Datapads, weil eines die eingehenden Dokumente schon nicht mehr fassen konnte.
Ein Monat war es her, dass ich das Kommando an mich gerissen hatte. In dieser Zeit glaubte ich, einen verdammt guten Job gemacht zu haben. Gerade wenn man die angespannte Situation bedachte, in der wir steckten.

Ich ging die paar Meter bis zur Zentrale des OLYMP herüber und warf mich in den für mich reservierten Sessel neben dem Superviser-Posten, der wieder einmal von Yoshi besetzt war. Er machte sich wirklich gut in dieser Position und ich hatte mehr als einmal überlegt, ihm OLYMP zu übergeben, wenn ich den Mars angriff. Aber einerseits würde er mich dafür erwürgen, wenn ich ihn zurück ließ. Und andererseits waren er und Mako-chan, das absolute Top-Team. Kein anderes Team eines Hawks im Training, egal ob sie schon Erfahrungen auf Mechas mitbrachten oder nicht, hatte eine so erfolgreiche Bilanz aufzuweisen wie diese zwei.
Mako-chans alter Codename, Zeus, war wieder aufgekommen, und mit Ehrfurcht raunten die Rekruten über die Treffsicherheit dieses Duos.
„Durchstellen. Jerry, was kann ich für dich tun?“
Commander Thomas sah mich etwas ratlos an. „Akira, du weißt, ich stehe voll hinter dir, aber diesen Befehl musst du mir erklären. Warum soll ich jedes Mal, wenn eines der Schiffe der Angriffsflotte ausläuft, ein Brimborium veranstalten, als zögen sie in die Schlacht?“
Ich grinste schief. „Ist die Leitung sicher, Ensign?“
„Absolut, Sir. Laserdirektverbindung über einen einzelnen Satelliten, dessen weitere Funktionen permanent überwacht werden. Zudem kontrolliert ein weiterer Satellit sämtliche Aktivitäten in dessen Umgebung.“
„Okay. Jerry, kennst du die alte Geschichte von dem mongolischen Heer und der chinesischen Mauer?“
„Welche jetzt direkt, Akira?“, fragte er etwas ratlos.
„Das ist doch offensichtlich“, brummte Okame-kun von seiner Lotsenstation herüber. „Ich erinnere mich als wäre es Gestern gewesen. Die Wächter auf der Mauer hatten ein wirklich formidables Sicherheitssystem und bewachten das einzige Tor auf drei Kilometer, zudem eine der wichtigsten Verbindungen aus dem Reich hinaus und in das Reich hinein.
Jedenfalls griff die wilde Reiterhorde an, und das Tor wurde geschlossen, die Krieger kamen auf die Mauer und machten sich für eine blutige Abwehrschlacht bereit.
Aber kurz bevor die Angreifer auf Bogenreichweite heran waren, brachen sie den Angriff ab.
Am nächsten Tag begann das gleiche Spiel. Und wieder gab die Besatzung der Mauer Großalarm, und erneut brachen die Reiter den Angriff ab.
Dies ging den nächsten Tag so, den übernächsten, die ganze Woche. Irgendwann begannen sich die Verteidiger daran zu gewöhnen und riefen nicht mehr zum Alarm. Einen Monat darauf schlossen sie nicht einmal mehr das Tor.
Und dann, als sie es am allerwenigsten erwarteten, preschte die ganze Horde doch in Reichweite der Pfeile, ritt in wilder Hatz auf das immer noch offene Tor zu. Und bevor die Verteidiger richtig verstanden hatten was geschah, hatten sie der Reiterhorde durch ihre Nachlässigkeit den Weg ins Reich geebnet.“
„Genau die Geschichte.“ Ich lächelte und faltete meine Hände ineinander. „Du verstehst, was ich erreichen will?“

„So. Du rechnest also damit, dass entweder Spione an Bord der ARTEMIS sind oder dass zumindest unsere Aktionen penibel überwacht werden, richtig? Und wenn wir jedes Mal eine Kapelle spielen lassen, wenn einige oder mehrere Schiffe der Angriffsflotte auslaufen, dann versetzen wir die Kronosier in Alarmbereitschaft, da sie von unseren Plänen wissen.“
„Richtig. Vor allem, da die GRAF SPEE ihr ersten Testflüge absolviert. Ich denke, deswegen sind sie ohnehin sehr nervös. Warum das nicht noch steigern?“ Ich lächelte verschmitzt. „Wenn wir Glück haben, machen wir sie nachlässig. Wenn wir Pech haben, sind sie lediglich aufgrund der ständigen Alarme erschöpft. Also denke ich, es ist die Mühe wert. Und deine Kapelle kann jeden Tag ein wenig üben.“
„Hm, klar. Wenn sie nicht wissen, welches der richtige Angriff ist, müssen sie einfach alarmiert sein, sobald auch nur ein einziges Schiff ausläuft. Also gut, Akira. Machen wir es so.
Aber mal was Anderes, wann kommst du rüber?“
Ich runzelte die Stirn. „Ist die Schiffsübergabe schon so früh?“
„Die Kommandeure wurden bestimmt, ja. Wir haben sie durch eine sehr schwere Auswahl gejagt und haben jetzt unsere Favoriten. Es hat sich nicht viel geändert, Akira.“
Ich dachte kurz nach. Die weltweiten Rekrutierungen hatten dazu geführt, dass wir rund fünfzigtausend junge Menschen für den Dienst auf den Plattformen parat hatten. Da wir auch mit entsprechenden Angriffen auf die Titanen-Station, ARTEMIS und APOLLO rechneten, konnten wir nicht einfach alle auf den OLYMP holen. Stattdessen wurden für alle Plattformen Notfallmannschaften ausgebildet und Notfallcrews für alle im Dienst befindlichen Schiffe ausgebildet, um einen gewissen Betrieb aufrecht erhalten zu können.
Außerdem schossen die Patrouillenschiffe derzeit auf alles, was der Erde und dem Mond zu nahe kam, in der Hoffnung, einen weiteren Satelliten oder eine getarnte Korvette zu vernichten.
Alles in allem ging es uns weit besser als es die miserable Lage vor einem Monat noch zugelassen hätte.
„Ich komme heute Nachmittag herüber. OLYMP Ende.“

Langsam erhob ich mich aus meinem Sessel. „Willst du mit, Yoshi?“
Der Bordschütze hob eine Augenbraue. „Überlege ich mir noch. Übliche Zeit?“
„Übliche Zeit. Tja, wer hätte das gedacht? Was manche Menschen für ein Talent entwickeln, wenn man sie nur lässt, es ist unglaublich.“
Ich warf einen kurzen Blick in die Zentrale. „Falls ich es heute noch nicht erwähnt hab, Herrschaften, Ihr macht hier nicht nur einen wichtigen, sondern auch noch einen verdammt guten Job. Ich bin sehr stolz auf euch, und ich bin sicher, die ganze Welt ist das auch.“
„Danke, Sir“, raunte es mir entgegen.
Ich grinste schief. „Ach, und bevor ich es vergesse. Ich weiß, wir sind in ständiger Alarmbereitschaft. Aber nächste Woche machen wir mal ne Ausnahme. Ich habe Geburtstag und werde eine Party schmeißen. Ihr seid natürlich alle eingeladen.
Leider wird es keinen Alkohol geben. Immerhin soll diese Anlage hier betriebsbereit bleiben.“
„Trotzdem, eine gute Idee, Akira. Wer kämpfen kann, soll auch feiern können. Wünscht du dir was Bestimmtes?“, fragte Yoshi grinsend.
Ich zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Weltfrieden, einen Porsche, Taylors Kopf auf einem Silbertablett, etwas in der Art.“
„Du, der Porsche wird aber schwierig“, erwiderte Yoshi grinsend.
„Amüsiert euch auf der Feier nur alle, mehr wünsche ich mir nicht“, sagte ich mit einem Zwinkern und verließ die Zentrale wieder.

Akari trat sofort an meine Seite. „Wo ist Doitsu?“, fragte ich ernst.
„Doitsu-sama kommt in einer Stunde für die tägliche Besprechung, Akira-sama. Aber bis dahin jagt er seine Kompanie durch die Simulatoren“, informierte mich der Oni.
„Megumi?“
„Hat sich eine der Kompanien aus ihrem Bataillon heraus gepickt und drillt sie draußen.“
Ich dachte kurz nach. Die Aufteilung in Kompanien, wie das Reglement der UEMF es vorgab, hatten wir beibehalten. Nur bestanden Kompanien nun aus zehn statt zwölf Mechas und bildeten Zweierteams, was unsere Verluste reduzieren helfen sollte. Wir hatten zwanzig Kompanien aufgestellt und in fünf Bataillonen organisiert. Die Bataillone waren zu je vierzig Mechas organisiert.
Das Sparrow-Bataillon unterstand natürlich First Lieutenant Jones. Sie war in ihrer Rolle einfach unschlagbar und hatte im letzten Monat einen Ernst und eine Übersicht bewiesen, die mich mehr erschreckt als überrascht hatte. Viel war von der quirligen Lilian nicht mehr geblieben, geschweige denn von meiner kleinen Schwester.
Die Eagles unterstanden natürlich Makoto. Das war klar.
Und die übrigen drei Bataillone, die aus den Hawks bestanden, hundertzwanzig an der Zahl, teilten sich gleichmäßig auf mich, Megumi und Daisuke auf.
Ich hoffte, es würde reichen. Sowohl die Zeit, um die jungen Menschen auszubilden als auch die Stärke unserer Truppen.

„Es ist übrigens auffällig, Akira-sama“, sagte Akari neben mir. „Wenn man die Personallisten durchgeht, dann sieht man, dass für die Angriffsflotte und die für sie vorgesehenen Kampfeinheiten auffällig viele Schüler deiner alten Schule eingeteilt wurden. Die meisten haben sich dafür freiwillig gemeldet. Viele wurden aufgrund überragender Qualifikationen zugeteilt, wie Kenji-sama, der Anführer der Bravo-Kompanie. Oder Takashi-sama, der Charlie anführt.“
Abwehrend hob ich die Hände. „Ich habe nichts damit zu tun. Ich habe nichts manipuliert, nichts befohlen und nichts suggeriert.“
„Dennoch. Wir werden über dreitausend sein, die auf die vier Schiffe gehen, richtig? Alleine siebenhundert von ihnen kommen von deiner alten Schule.“
„Vielleicht“, sagte ich nachdenklich, „liegt es einfach daran, dass wir sehr, sehr viele Freiwillige bekommen haben und dass meine Mitschüler bereits mehrfach streng durchleuchtet wurden. Sie sind das, was man im Geheimdienst als sicher bezeichnet.
Oh Gott, wenn das schief geht, dann lösche ich meine ganze Schule aus.“
„Na, nun mal nicht so pessimistisch“, kommentierte Kitsune und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Dabei grinste sie von einem Ohr zum anderen.
„Du tauchst auch immer dann auf, wenn ich dich nicht erwarte, was, Kitsune-chan?“
„Na, einer muß dich ja aufbauen, bevor du in das tiefe und dunkle Loch fällst, welches du dir selbst schaufelst, weil von dir die Zukunft der Erde, der gesamten Menschheit und vor allem deiner Freunde und Mitschüler abhängt.“
„Das baut mich jetzt auf, Kitsune-chan“, brummte ich belustigt.
„Na, dann mache ich ja einen guten Job, ja?“, erwiderte sie und begann mich in die Seite zu pricken. „Lobst du mich jetzt?“
Ich griff zu und nahm die Dämonin in einen liebevollen Schwitzkasten. „Natürlich lobe ich dich. Du bist immerhin meine einzige und beste Dai-Kitsune-sama.“
„Bring nicht immer meine Haare durcheinander“, beschwerte sie sich, als ich ihr durch die Haare fuhr.

Als ich meinen Weg mit Akari fortsetzte, schloss sich Kitsune wie selbstverständlich an. Ihre Aufgabe an Bord war nicht so klar umrissen wie die von Okame, der sich in der Zentrale fest etabliert hatte. Aber sie war ein unverzichtbarer Teil meiner Führungsmannschaft und griff mal hier ein, mal dort ein. In der Infanterieausbildung ebenso wie bei den Mechas. Dabei zeigte sie eine Kompetenz, die man dem ewig fröhlichen Fuchsdämon eigentlich nicht zutraute.
Außerdem verbreitete sie gute Laune und Zuversicht, wo immer sie auftauchte.
„Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte Kitsune, als wir mit einem Fahrstuhl auf eine tiefere Ebene wechselten.
„Wir sehen nach Makoto-sama“, sagte Akari. „Wir haben da eine Überraschung für ihn.“
„Oh, Mako-chan. Na, der hat auch eine Überraschung für euch“, sagte Kitsune geheimnisvoll.
„So? Was denn?“
„Das wird nicht verraten“, flötete die Füchsin und beobachtete interessiert die Decke des Fahrstuhls.
„So? Da bin ich aber mal gespannt.“

Auf der unteren Ebene wechselten wir in Richtung Laufbänder, die uns zum Hangar bringen würden. Von dort war es nicht mehr weit bis zu dem Briefingräumen, in denen unsere neue Hawk-Elite theoretische Ausbildung erhielt.
Als ich den mit Makos Klasse gut gefüllten Raum betrat erstarrte ich. Achtzig Augenpaare richteten sich auf mich.
„Entschuldigung“, sagte ich zu dem jungen Mann mit dem Bürstenhaarschnitt am Hauptmonitor, „ich wollte nicht stören. Ich dachte, mein Cousin wäre hier, aber…“
„Akira-chan“, sagte der junge Mann ernst. „Willst du mich verarschen?“
„Überraschung“, flötete Kitsune grinsend.
„Ma-mako?“, rief ich erschrocken. Ich kam in den Raum, stürzte auf den jungen Mann am Hauptmonitor zu und strich über seinen extrem kurzen Haarschnitt. „Mako! Was hast du denn mit dir angestellt? Wo sind deine Haare geblieben? Und warum färbst du nicht mehr?“
Belustigtes Gemurmel aus der Klasse erfolgte.
„Was? Gefällt es dir etwa nicht, Akira-chan?“, meinte er und strich sich selbst über den Kopf.
„Gefallen, nicht gefallen, warum hast du es gemacht?“
Makoto griente mich an. „Tja, Kumpel. Es kommt eben irgendwann im Leben eines jeden Mannes der Punkt, wo er sich entscheiden muß, was er sein will.
Und ich habe überlegt, wenn ich bei dem Angriff auf den Mars sterben muß, dann bitte nicht als Anziehpuppe meiner Schwester.“ Er zwinkerte mir zu und flüsterte: „Außerdem mache ich damit Yoshi nicht mehr so nervös.“
„Guter Grund“, raunte ich zurück.

Makoto schmunzelte. „Ach, wir sind gerade dabei, Mecha-Taktiken durch zu gehen. Die meisten stammen von dir, Akira-chan. Willst du nicht etwas dazu sagen?“
„Gerne doch. Wo seid Ihr?“
„Wir sind bei den empfindlichen Spots eines Daishi, Akira-chan.“
Ich wandte mich dem Monitor zu und überlegte einen Moment. „Die am stärksten verwundbaren Punkte eines Daishi sind seine Extremitäten wie Arme und Kopf sowie die obere Rumpfpartie. In der unteren steckt das Cockpit. Dort anzugreifen ist eine schlechte Option. Ja, eine Frage?“
„Sir, Second Lieutenant Antani, Eagle Bravo-Kompanie. Ist es nicht sinnvoll, den Piloten auszuschalten und damit den gesamten Mecha?“
„Hm, Antani, ich habe das nicht vorgeschlagen, weil ich ein Altruist bin.
Junge Dame, das Cockpit ist selbst bei einem Daishi der bestgeschützte Platz. Es dauert eben einfach zu lange, sich da durch zu nagen. Besser sind die Arme mit einem Teil der Waffen, der Sensorkopf, der den Feind mit den meisten Daten versorgt, die Beine mit weiteren Waffen sowie den Steuerdüsen. Und der obere Torso mit Munitionslager und Fusionsreaktor.
Ja, Sie bitte.“
„Sir, Ensign Garcia, Eagle Delta. Sie haben doch schon erfolgreich das gegnerische Cockpit angegriffen. Und Sie haben ebenso wie Captain Uno – Verzeihung, Major Uno – dort Erfolg gehabt.“
„Nun, Ensign, das liegt einfach daran, dass ich meine Herkules-Schwerter benutze. Sie sind eine extrem effektive, aber auch schwierige Waffe. Sich für sie zu qualifizieren ist sehr schwer. Das gleiche gilt für die Artemis-Lanze, die Major Uno benutzt.
Sehen Sie, es sind komplexe Waffensysteme. So komplex, dass Major Honda sich auf die regulären Mecha-Waffen verlässt und es gar nicht erst mit diesen Spezialwaffen versucht. Er vertraut auf das Glattrohr-Rifle, auf die Partikelpistole und dergleichen. Ja, Sie?“
„Sir, was macht die Waffen denn so besonders? Ich meine, tschuldigung, First Lieutenant Kowaleva, ebenfalls Eagle Delta. Warum sind sie so schwierig zu beherrschen? Wenn sie so effektiv sind, sollten wir es dann nicht wenigstens probieren?“
Ich schüttelte den Kopf. „Hören Sie, Lieutenant. Ich bin im Mecha-Kampf ein Genie. Das ist kein angeben. Es ist einfach so. Als mir damals Primus direkt vor die Füße gefallen ist, und ich später mit ihm in die Schlacht zog, da war es so etwas wie Bestimmung.
Ich bin mit Abstand der beste Mecha-Pilot der Erde. Und diese Waffe wurde speziell für mich entwickelt. Außer mir gibt es nur neun Hawk-Piloten, die sie mit meiner annähernden Effizienz bedienen können, und drei davon sind in diesem Stasisfeld gefangen. Probieren Sie es ruhig aus, ob Sie das Talent für die Schwerter oder die Lanze haben. Aber verbeißen Sie sich nicht unnötig darin.
Die Herkules-Schwerter bestehen aus ultraverdichtetem Carbon in einem frei schwebenden Futteral, was es ermöglicht, sie ultrahochfrequent schwingen zu lassen. Diese Waffe schneidet durch jedes bekannte Material. Aber, und das ist der springende Punkt, hat die Waffe keinen Widerstand, dann kann sie sich selbst zerstören. Oder noch schlimmer, unkontrolliert aus dem Futteral gleiten und mehr Schaden anrichten als gut wäre.
Der Punkt der ultrafrequenten Vibration ist nach einer hundertstel Sekunde erreicht. Ab diesem Zeitpunkt habe ich drei weitere hundertstel Sekunden, bevor die Klinge mir um die Ohren fliegt. Bis dahin muß die Waffe aufliegen. Dies ist sehr wenig Zeit, und ich treffe die Entscheidung eher unterbewusst. Ein perfektes Zusammenspiel zwischen Instinkt, Verstand und Bordcomputer ist dabei natürlich Voraussetzung.
Deshalb schneide ich auch durch ein schwer gepanzertes Cockpit.
Man kann es sicher lernen. Oder man hat dieses Talent. Wie gesagt, probieren Sie es ruhig.“
„Weitere Fragen?“, meldete sich Makoto. „Hm. Sieht nicht so aus. Danke, Colonel, für Ihren Vortrag. Gab es sonst einen bestimmten Grund, warum Sie gekommen sind?“
„Ja. Sakura kriegt ihr Kommando offiziell übergeben. Willst du mit? In einer Stunde geht es los.“
„Bis dahin bin ich hier wohl durch.“
„Okay, bis dann.“

„Komisch“, murmelte ich, als ich wieder auf dem Flur stand, „und ich dachte, manche Dinge ändern sich nie.“
Amüsiert warf ich Kitsune einen Blick zu. „Keinen Kommentar, Kitsune-chan.“
„Och, Menno“, brummelte die Füchsin beleidigt und blies die Backen auf.
**
Anderthalb Stunden später befand ich mich bereits auf ARTEMIS. Die kleine Feierstunde, in denen die Kommandos bestätigt wurden, erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch hatten sich viele führende Offiziere, vor allem die Ausbilder der Schiffsbesatzungen, die aufgrund ihres Alters nicht am Feldzug teilnehmen würden, versammelt.
Es hatte eher die Atmosphäre einer Dinnerparty, kaum das die Kapitänspatente an unsere hoffnungsvollen Jungkapitäne übergeben worden waren. Champagner wurde gereicht und in kleinen Gruppen stand man beieinander und schwatzte.

Ich stand etwas abseits mit Megumi und unterhielt mich mit ihr leise über die Möglichkeiten, die der Kreuzer für die Mecha-Operation erbringen konnte, als sich jemand neben mir räusperte. „Sakura-chan.“ Erfreut sah ich meine Cousine neben mir stehen.
Sie lächelte. Viel zu ernst, wie ich fand. Aber es war definitiv ein Lächeln. Sie deutete auf ihre drei Begleiter und sagte: „Executive Commander, ich und die anderen Kapitäne wollten noch einmal mit Ihnen sprechen.“
Ich sah die jungen Menschen der Reihe nach an. Sie würden ohne Zweifel eine extrem wichtige Rolle bei unserem Angriff spielen. An ihnen würde es letztendlich liegen, ob überhaupt jemand wieder nach Hause kam, egal wie der Angriff selbst ablief.
„Ich weiß ich wiederhole mich, aber ich würde dir die Kapitäne gerne noch einmal vorstellen, Akira. Links steht Kapitän Roger Smith, ursprünglich von der Royal Navy und angehender Hawk-Pilot. Seine Talente liegen nach unseren Test aber eher auf einer etwas anderen Kommandoebene. Er wird die KAZE kommandieren.“
Ich reichte dem Briten die Hand. „Freut mich, Roger. Die KAZE ist ein zähes kleines Schiff, das sich bisher noch vor keinem Kampf gedrückt und jeden gewonnen hat. Ich hoffe, der Trend hält an.“
„Danke, Sir“, antwortete der junge Mann verlegen. „An mir soll es jedenfalls nicht scheitern.“
„Kapitän Elora Gonzales. Ehemals MIT. Sie übernimmt die YAMATO.“
Ich reichte auch der jungen Frau die Hand. „Sie übernehmen eine große Verantwortung, Lady. Die YAMATO ist nicht irgendeine Fregatte. Sie ist unser Garant dafür, dass wir alle wieder nach Hause kommen. Sie hat die Strecke schon einmal geschafft. Solange sie fliegt, sind wir alle sicher.“
„Ich bin mir der Bedeutung der YAMATO bewusst, Sir“, sagte sie mit einem Lächeln und erwiderte den Druck meiner Hand fest.
„Und Kapitän Tetsu Genda. Keine militärische Vorbildung, kein Studium. Er hat in Tokio eine Gang von Jugendlichen angeführt. Nachdem er sich freiwillig gemeldet hat, erkannten wir aber schnell seine Fähigkeiten. Er wird die LOS ANGELES kommandieren.“
Ich nickte nur und reichte dem Dicken die Hand. „Danke, Sakura-chan, aber wir kennen uns bereits. Hast du abgenommen, Tetsu?“
Der große Dicke erwiderte meinen Händedruck und lachte, während er die Linke hinter den Nacken legte. „Ein wenig. Die Ausbildung war hart, und ich bin kaum zum Essen gekommen.“
Übergangslos wurde er ernst. „Otomo-sama, ich… Ich weiß, wir fliegen in einen Angriff, den wir vielleicht alle nicht überleben werden. Aber ich will Ihnen danken.“
Erstaunt sah ich ihn an. „Wofür, Tetsu?“
„Dafür, dass es Sie gibt. Das Sie den OLYMP übernommen haben. Dafür, dass Sie diese Ansprache gehalten haben, wegen der ich mich freiwillig gemeldet habe.
Hätte ich das nicht getan, würde ich irgendwann mit einem Messer im Rücken blutend in irgendeiner Gosse enden. So aber habe ich etwas gefunden, was ich kann. Was ich sehr gut kann. Und mit mir viele meiner Freunde aus der alten Gang. Sieben von ihnen dienen auf meinem Schiff. Und alle sind mit dem Herzen dabei.“
„Das freut mich zu hören. Das freut mich wirklich. Grüß deine Leute bitte von mir, ja? Dies hier neben mir ist Major Megumi Uno. Sie befehligt das Death-Bataillon, welches auf der GRAF SPEE stationiert werden wird.“
Die Kapitäne und Megumi tauschten Handschläge und Grußworte aus.
„Soviel zum offiziellen Teil. Stürmen wir das Buffet!“, sagte Sakura und schritt forsch vorweg.
„Na dann“, sagte ich und wollte ihr folgen.

Ein lauter Schreckenslaut ließ mich stoppen. Sakura hatte nicht nur ihren Bruder entdeckt, sie drückte den erschrockenen Makoto gerade sehr herzlich an sich. „Oooh, Mako-chan. Du siehst ja so männlich aus. Man nimmt dir den verwegenen Eagle-Piloten, der kein Risiko scheut, ja sofort ab. Du bist ja so süß.“
„Okay“, bemerkte ich lachend, „manche Dinge ändern sich doch nie.“
Der arme Makoto.“

6.
Ein Monat noch. Wenn alle Prognosen stimmten, die auf meinem Schreibtisch landeten, würden wir acht Tage vor dem avisierten Zeitpunkt ausrücken.
Die Zweite Reihe, wie die Ersatzmannschaften für Flotte und Plattformen genannt wurde, war auch bereit.
Und das Training der Angriffstruppe machte rasante Fortschritte. Wir warteten nun vor allem auf das Ende der Ausbauten der GRAF SPEE und das Ende der Umbaumaßnahmen auf der YAMATO und der KAZE.
Mittlerweile waren alle vier Schiffe bereits viermal gestartet, jedes Mal mit großem Brimborium, und nach den drei Tagen, die sie zum Mars benötigt hätten, wieder im Dock gelandet.
Nun, zumindest zur Marsumlaufbahn. Denn der Mars selbst brauchte etwas länger auf seiner Tour einmal um die Sonne als die Erde.
Zur Zeit stand er in perfekter Konjunktion. Und mit jedem Tag der verstrich würde die Reise zu ihm länger dauern. Wir würden aufbrechen, sobald die Zeit der perfekten Konjunktion vorbei war. Es war ein Vabanque-Spiel, weil der Gegner damit rechnen konnte. Andererseits würde er in den letzten Tagen der Konjunktion erhöht abwehrbereit sein. Das konnte dazu führen, dass sie in den Tagen danach weniger aktiv waren. Ich hoffte es doch sehr.

„Akira, was grübelst du hier? Es ist deine Party“, meinte Megumi zu mir und schenkte mir nach, während sie neben mir Platz nahm.
Ich trank einen Schluck und verdrehte die Augen. „Alkohol?“
„Nur ein klein wenig für den Beschützer der Menschheit. Wir sehen zu, dass es in Maßen bleibt“, beteuerte sie und lächelte mich an.
„Na, dann sieh mal zu, dass dein Vorgesetzter nichts davon erfährt“, erwiderte ich schmunzelnd.
Vor den Tischen in der Kantine hatte Yoshi gerade die improvisierte Bühne erklommen und begann unter den begeisterten Anfeuerungen der anderen Anwesenden Luftgitarre zu spielen.
„Ach, der Chef ist zwar ein alter Miesepeter, aber er ist keine Petze“, erwiderte sie und zwinkerte mir zu.
„Miesepeter?“
„Ach komm, Akira, dies ist deine Party. Und alles was du machst ist dich hier an deinem Tisch zu verkriechen. Findest du das fair?“
„Ich glaube, die anderen haben auch ohne mich ihren Spaß“, sinnierte ich laut.
„Natürlich haben sie das. Aber sie hätten noch mehr, wenn du mit machen würdest. Akira. Du bist heute achtzehn geworden. Wenn das keine Feier wert ist…“
Ich lächelte ein wenig. „Ich mache mir wohl zu viele Sorgen, Megumi-chan. Was, wenn die Kronosier die Zeit nutzen und einen Präventivschlag ausführen? Was wenn wir abfliegen und in einen Hinterhalt geraten? Es gibt so viele Unsicherheiten…“
„Idiot!“, warf sie mir vor, ergriff meinen Becher und zwang mich, ihn auszutrinken. „Du kennst die Berichte. Die Kronosier hatten in ihren letzten Attacken horrende Verluste, die sie nicht so ohne weiteres ausgleichen können. Zudem haben wir große Teile ihres Spionagenetzes auf der Erde ausgehoben. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie ihre Schiffe in einer kompakten Verteidigung formieren, uns also erwarten anstatt selbst anzugreifen.
Also, werde mal locker! Dies ist dein Geburtstag, oder?“
„Mbl“, protestierte ich, aber sie ließ nicht locker als bis ich alles ausgetrunken hatte.
Sofort schenkte sie mir nach. „Siehst du. Geht doch.“
„Megumi! Willst du mich betrunken machen?“, fragte ich amüsiert.
„Würde es etwas nützen?“, fragte sie zwinkernd.
Übergangslos stand mein Magen in Flammen. Ich starrte sie an. „Megumi, ich… Ich habe mir gedacht, dass… Ich meine, wir… Der Mars und so… Und wir beide…“
„Akira-chan, wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mir auch Gedanken gemacht. Ich meine, die letzten Wochen haben wir viel enger zusammen gearbeitet als je zuvor. Wir bilden ein super Team und ich will diese Zeit echt nicht missen. Aber… Wenn wir zum Mars fliegen, und einer von uns stirbt… Oder wir beide sterben, Akira-chan, dann… Dann haben wir vielleicht unsere einzige Chance verpasst. Okay, es ist vielleicht egoistisch von mir, das zu sagen und haben zu wollen. Und ich weiß, dass es gerade für mich viel Schmerz bringen wird.“
Sie sah mir tief in die Augen. Ihr Gesicht näherte sich meinem.
„Was willst du mir sagen, Megumi?“, fragte ich mit trockener Kehle.
„Es ist mir egal, ob du mich richtig liebst oder wie eine kleine Schwester. Lass uns… Lass uns wenigstens ein einziges Mal…“
Ich starrte sie an. Mein Magen wurde zum Vulkan, mein Kreislauf konnte sich nicht entscheiden, ob er durchgehen oder zusammen brechen wollte. Und in meinem Kopf schienen sich ein paar hundert Mechas dazu entschlossen zu haben eine möglichst laute Schlacht zu führen. Zum Glück wurde das größtenteils vom Rauschen des Blutes in meinen Ohren übertönt. „Megumi…“, hauchte ich und berührte ihre Lippen mit meinen.

„Und jetzt einen großen Applaus für unseren heiß geliebten Executive Commander Akira Otomo und sein Karaoke-Duett mit der unglaublichen Joan Reilley!“, erklang Yoshis Stimme im Saal.
Ich fuhr herum. Und hörte den anfeuernden Applaus der Menschen, mit denen ich zusammen arbeitete. Tag für Tag.
„Nun geh schon“, sagte Megumi leise und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Aber vergiss nicht, worüber wir geredet haben, ja?“
Mit wackligen Knien stand ich auf. „Lauf nicht weg, ja?“
Ich wandte mich der Bühne zu und ging durch das Spalier meiner Leute. Die Stimmung war gut. Sehr gut sogar. Hoffentlich war sie das auch noch, wenn ich zu singen anfing, ging es mir amüsiert durch den Kopf.
Joan erwartete mich auf halber Strecke und ergriff meine Hand. „Los, komm schon, Aki-chan. Bringen wir den Saal zum kochen.“
„Bei mir klappt das schon ganz gut“, scherzte ich.
**
Irgendwann am frühen Morgen erwachte ich. Mein linker Arm fühlte sich taub an. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen und sah zur Seite. Erleichtert seufzte ich auf. „Oh. Du bist es nur.“ Ich schloss wieder meine Augen und nickte weg.
Moment mal, Moment!
Ich fuhr hoch, wurde aber wieder zurück auf mein Bett gerissen, weil noch immer etwas auf meinem linken Arm lag. Mein Bett? Nein, das war nicht mein Bett. Und erst Recht nicht meine Kabine.
Was tat ich hier? Oder vielmehr, was hatte ich getan? Oder mit mir tun lassen oder… Ich schüttelte verzweifelt den Kopf.
Ruhig, ruhig. Was hatte ich hier gemacht? Langsam, Gedanke für Gedanke, rekonstruierte ich den Rest des Abends. Das ausgelassene Feiern. Der geschmuggelte Sake. Das tanzen und das Karaoke mit den Freunden und Kollegen.
Dann, Stunden später, der Weg in diese Kabine. Ich erinnerte mich an warme, weiche Lippen, die Liebkosung einer Zunge. Die weiche Haut einer Frau, viele Berührungen. Ekstase, Leidenschaft, vollkommene Zufriedenheit.
Ich hatte also wirklich mit ihr geschlafen. Was für ein tolles Geburtstagsgeschenk. Was für ein dämlicher Vergleich.

Was hatte ich nun für Optionen? Konnte, sollte ich mich aus dem Zimmer schleichen und alles was passiert ist, wie einen Unfall, ein Versehen aussehen lassen? Sie brüskieren? Verletzen? Nein, nicht nach dem, was wir geteilt hatten. Müde ließ ich mich wieder zurück sinken. Sanft strich meine Hand über ihre nackte Schulter.
Sie war so warm. So weich. Wenn ich mir doch nur hatte sicher sein können, das das alles mir gehörte…
„Ich bin nicht sauer, wenn du jetzt gehst“, hörte ich sie sagen. Übergangslos kam mein linker Arm frei. „Ist vielleicht auch besser so, wenn du nachher aus deinem Raum kommst und nicht aus meinem.“
„Ich will nicht weg“, hauchte ich.
„Du musst nicht. Aber denkst du nicht, dass Yohko etwas… geschockt sein würde? Und wenn ich an meine Lieblingskonkurrentin denke… So kurz vor dem Angriff auf den Mars solltest du… die anderen nicht so irritieren.“
Ich schnaubte wütend aus.
„Und weil ich jetzt habe, was ich wollte. Geh. Wir reden nach der Marsmission darüber.“
Ich zog meinen Arm ganz unter ihr hervor. Dann begann ich nach meinen Sachen zu suchen. Sie waren im organisierten Chaos über den ganzen Raum verteilt. Teilweise unter
Ihrer Uniformjacke, auf der deutlich sichtbar die Majorsabzeichen prangten.
Als ich mich einigermaßen hergerichtet hatte, beugte ich mich über ihr Bett und küsste ihre nackte Schulter. „Danke. Es war sehr schön.“
Sie antwortete nicht, aber ich sah ihren Körper leicht zittern, als meine Lippen ihre nackte Haut berührten.
Mehr würde ich von ihr nicht zu hören bekommen. Also verließ ich ihren Raum so leise wie möglich.

„Wo kommst du denn her, Akira-san?“, hörte ich Hinas erschrockene Stimme rufen.
Mein Kopf ruckte herum, und ich sah den Blondschopf mit weit aufgerissenen Augen im Gang stehen. Sie hielt ihre Uniformjacke in der Hand und umklammerte den Kragen, als wäre er eine Art Reling.
„Und wo kommst du her? Deine Kabine ist doch in einem anderen Gang“, fragte ich überrascht.
„Ich… Ich… Ich…“, stammelte sie verlegen und sah zur Seite. „Ich bin ein Vierteljahr älter als du und kann tun und lassen, was ich will, wann ich es will und wo ich es will.“
Für einen Moment dachte ich, der Flashback würde erneut zuschlagen, aber es war nur offenes Entsetzen, als ich Hina hörte. Meine kleine Hina-chan. Wann war sie nur so schnell so schrecklich erwachsen geworden?
„Okay“, erwiderte ich gedehnt. „War es denn wenigstens gut?“
Hina kam langsam ein paar Schritte auf mich zu. „Kann mich nicht beklagen. Und du?“
Ich spürte, wie ich rot wurde. „Ich fand es klasse.“
Hina begann zu kichern. „Wer hätte das denn vor einem Vierteljahr gedacht? Das wir uns in diese Richtungen entwickeln würden. In wen wir uns verlieben würden… Nicht, Akira-san?“
Ich glaubte für einen Moment mein Herz würde brechen. „Ich… bin mir nicht sicher, ob es richtig war. Ob es Liebe war.“
„Na, na“, meinte Hina gönnerhaft und schlug mir auf die Schulter. „Ihr Männer seid in der Beziehung sowieso etwas eigen. Denk einfach in Ruhe drüber nach. Offensichtliche Sachen seht sogar Ihr nach einer gewissen Zeit.“
„Hina, wann bist du nur so erwachsen geworden?“, fragte ich leise.
„Ich weiß nicht. Vielleicht, als ich gemerkt habe, was ich wirklich für dich empfinde…“
„Wehe du nennst mich jetzt O-nii-chan“, beschwerte ich mich schmunzelnd.
„Du kannst mich meinetwegen O-nee-sama nennen. Vergiss nicht, ich bin älter“, erwiderte sie lächelnd.
Ich strich ihr sanft über den Kopf. „Ja. Das sehe ich jetzt.“

7.
„Haben Sie verstanden, Colonel? Wir empfangen sie mit der NIEMITZ, der MIDWAY, der AKAGI, der HOKKAIDO, der FUJI und der TOKIO. Wir werden die Schiffe so lange wie irgend möglich binden, auch auf die Gefahr hin, dass sie Temporalresonatoren dabei haben.
Sie werden schon noch merken, dass ein mobiles Zielobjekt für eine in der Reichweite begrenzte Waffe ein schwieriges Ziel ist.“
„Verstanden, Admiral Roglund. Wir brechen sofort auf. Es ist zwar vier Tage vor dem Termin, aber wenn die Kronosier da wirklich mit zehn Fregatten, drei Zerstörern und zwei Kreuzern angreifen, können diese Schiffe nicht über dem Mars sein.“
„Vergessen Sie nicht die acht bis elf getarnten Korvetten, die sie begleiten könnten. Wir binden den Feind hier und versuchen so viele Schiffe wie möglich zu vernichten. Geben Sie Ihr Bestes, um diesen unerwarteten Vorteil auszunutzen. Die Menschheit zählt auf Sie. Sir.“
„Verstanden. Wir geben unser Bestes. Otomo Ende und aus.“

Ich wandte mich Doitsu zu. „Gib stillen Alarm. Wir brechen sofort auf. Der GRAF SPEE-Verband soll starten, mit dem üblichen Brimborium. Anschließend soll er am OLYMP anlegen. Wir verladen die Mecha-Verbände und die restliche Ausrüstung direkt. Ach, und sorge dafür, dass so wenig wie möglich davon auf die Erde durchsickert.“
Müde rieb ich meine Nasenwurzel. „Ich überführe Prime Lightning persönlich.“
„Es geht also los“, sagte Doitsu erfreut. Übergangslos schienen seine Haare in Flammen zu stehen.
„Lass doch diese Spielereien. Schon dein KI lieber. Du wirst noch jedes Quentchen brauchen“, tadelte ich.
Die glühenden Haare erloschen wieder. „Du bist ja nur neidisch, weil du es nicht kannst.“
„Jetzt aber raus hier“, sagte ich grinsend und erhob mich drohend von meinem Stuhl.
„Bin schon weg.“

„Akari. Lass sofort die Mechas aktivieren. Keine Zeit für letzte Reparaturen und Checkups. Was danach noch getan werden muß, machen wir an Bord der Schiffe.“
Der Oni nickte. „Ja, Meister. Diesmal werde ich dich nicht enttäuschen.“
Ich musterte sie für einen Moment irritiert. „Du hast mich noch nie enttäuscht, Akari.“
„Das ist nett, dass du das sagst“, erwiderte sie, „aber wir wissen es beide besser.“
Mist, den Gedanken bekam ich wohl nie wieder aus ihr heraus.
„Wie dem auch sei. Es geht los.“
Ich öffnete meine Uniformjacke und ging zum Spind. Dort hing mein Druckanzug. Dieses Ding würde für mindestens drei Tage an meinem Körper kleben. Und wahrscheinlich würde er mir von einer ABC-Sicherheitstruppe mit einem großen Spatel wieder vom Körper herunter geschabt werden müssen.
Akari verneigte sich kurz vor mir. „Ja, Akira-chan.“
Ihr Lächeln, als sie chan sagte, gefiel mir sehr gut.

„Akira, ich habe gehört, dass… Oh, entschuldige, ich hätte anklopfen sollen.“
Ich sah zu Megumi herüber und grinste breit. „Ach komm, du hast mich doch schon nackt gesehen. Stell dich nicht so an.“
Langsam schlüpfte ich in meinen Druckanzug, während Megumi zwischen vorgehaltenen Händen durch die Finger linste. „Jetzt ein Foto“, murmelte sie.
„Frag am besten Kei. Er macht dir bestimmt einen guten Preis für einen Fünfersatz“, scherzte ich und kämpfte mit dem Verschluss.
„Gute Idee. Ich frag ihn mal, wenn wir auf die GRAF SPEE wechseln.“ Sie trat an mich heran und schloss den Anzug für mich. „Du bist manchmal so herzerfrischend hilflos, Akira-chan.“
Ich sah sie an, mit Schmerz im Blick. „Megumi-chan, ich… Ich…“
„Schon gut. Du musst mir nichts sagen. Ich bin doch hier, oder nicht? Und ich werde auch nicht mehr von deiner Seite weichen. Egal, was passiert.“
„Danke, Megumi. Das macht es mir nicht leichter, aber es beruhigt mich.“
„Na also“, murmelte sie und schloss den letzten Kontakt. „Willst du vielleicht mir jetzt beim umziehen helfen?“, neckte sie mich.
Ich lüftete meinen Kragen. Hatte ich zugenommen, oder warum wurde er mir zu eng?
**
Im Hangar stürzten wir in geordnetes Chaos. Der Hangar war dafür ausgelegt worden, um einhundertzwanzig Mechas zu warten und zu verwalten. Abzüglich der Maschinen, die bereits an Bord der Flotte waren, standen hier aber noch hundertsechzig herum. Und diese Zustände beengt zu nennen wäre ein Kompliment gewesen.
Prime Lightning stand schon bereit, Lady Death direkt neben sich.
Ich zwinkerte Megumi zu. Sie lächelte zurück.

„Lauf mir nicht nach!“, fauchte meine kleine Schwester hinter mir. Ich wandte mich überrascht um und erkannte, wie sie auf ihren Sparrow zuhielt – mit Yoshi hintenan.
„Ich lauf dir nicht nach. Ich habe den gleichen Weg“, beschwerte er sich. „Wer würde auch einem kleinen Gör wie dir hinterher laufen?“
Sie blieb stehen und drückte ihren Zeigefinger auf Yoshis Brust. „Du!“
„Hey, mach mal halblang. Warum sollte ich dir wohl hinterher laufen, hm?“
„Das ist doch offensichtlich. Weil du total verknallt in mich bist!“
Im weiten Umkreis um die beiden wurden die Arbeiten eingestellt. Das allgegenwärtige Raunen verstummte. Nur ab und zu hörte man das Geräusch eines startenden Mechas.
„Das ist doch absoluter Quatsch“, konterte Yoshi und hob die Arme zu einer abweisenden Geste. „Ich bin absolut nicht verknallt in dich.“
„So? Und warum läufst du mir dann hinterher?“, wollte Yohko wissen.
Langsam senkte er seine Hände auf ihre Schulter, zog sie zu sich heran. „Weil ich dich vom tiefsten Grund meiner Seele und mit meinem vollen Herzen liebe.“
„Was?“, rief ich erstaunt. „Megumi, haben wir in letzter Zeit irgendeine Droge im Kaffee?“
„Nicht mehr als sonst auch“, bemerkte sie schmunzelnd.
„Oh, Yoshi“, hauchte Yohko. Ihre Augen begannen zu verschwimmen und ihr bisschen Widerstand verblasste wie eine Kerzenflamme im Wind.
Als die beiden sich küssten, klang spontaner Applaus auf.
„Hoffentlich bleibt es bei einem Zungenkuss“, scherzte ich und klopfte dem Hangar-Chief auf die Schulter. „Harun, sorge doch bitte dafür, dass die beiden spätestens in einer halben Stunde in ihren Mechas sitzen, ja?“
„Geht klar, Chef“, erwiderte der Araber grinsend.
„Eine halbe Stunde?“, murmelte Megumi leise. „Du traust den beiden ja eine Menge zu.“
„Wir können ja drauf wetten, Megumi-chan“, meinte ich fröhlich.
„Besser nicht. Deine Wetteinsätze kenne ich“, erwiderte sie und winkte ab.
Nebeneinander gingen wir zu unseren Mechas. „Das Abenteuer beginnt“, murmelte ich.
„Nein, Akira“, sagte Megumi leise. „Wir stecken schon lange drin. Und das seit langer Zeit.“

7.
„Der letzte Hawk ist an Bord. Die letzte Infanteriegondel ist an Bord, Kapitän“, meldete Kei Takahara und salutierte von Sakura.
„Gut, Mr. Takahara. Lösen Sie uns aus dem Parallelorbit zu OLYMP und bringen Sie uns auf neuen Kurs. Drei Strich Backbord, fünf über Horizont. Halbe Kraft voraus.“
„Aye, Ma´am. Ruder, drei Strich Backbord, fünf über Horizont. Halbe Kraft voraus.“
„Aye, drei Strich Backbord, fünf über Horizont. Halbe Kraft voraus.“

Hinter und neben uns machten sich die anderen drei Schiffe unserer kleinen Flottille auf.
„Nachricht von der MIDWAY: Admiral Roglund berichtet über erste Feindberührung. Die Schlacht hat begonnen.“
„Sehr gut, Miss Tanaka. Kontakt einseitig halten. Ach, und Sanae.“
Die Funkerin wandte sich dem Kapitän zu. „Ma´am?“
„Absolute Funkstille.“
„Aye, Skipper.“

Sakura sah mich an. „Willst du vielleicht irgendetwas sagen, Akira?“
Ich sah in die Runde, erkannte meine Freunde, Menschen die ich ruhigen Gewissens Kollegen nannte und viele Kameraden aus meiner Schule.
„GRAF SPEE“, begann ich leise, „war der Name eines deutschen Schiffes im Zweiten Weltkrieg. Während in Europa der Krieg ein Gemetzel war, der an Grausamkeiten Rekord auf Rekord aufstellte, ging die GRAF SPEE im Südatlantik auf Frachterjagd.
Neunzehn kanadische, britische und australische Frachter fielen dem Panzerschiff unter ihrem Kapitän Langsdorff in die Hand, und in all dieser Zeit starb nur ein einziger britischer Handelsmatrose.
Schließlich wurde die GRAF SPEE auf offener See gestellt und gezwungen, sich beschädigt in den neutralen Hafen Montevideo zurück zu ziehen. Mit lächerlichen drei Tagen Zeit für wichtigste Reparaturen und dem Zwang, danach interniert zu werden, abgesehen davon, dass sich zu den drei Angreifern weitere britische Schiffe gesellten, blieb der GRAF SPEE nur ein Ausweg. In der Mündung des Flusses Plata versenkte es sich selbst.
Gefürchtet und geachtet vom Gegner, in einer auswegslosen Situation blieben Schiff und Mannschaft sich selber treu, ohne zum Kanonenfutter zu verkommen.
Von diesem Schiff aber verlange ich weit mehr. Treue zur Menschheit, Schutz der Kameraden und den Willen, unseren Auftrag Zuende zu führen.
Aber… Vor allem verlange ich von diesem Schiff und seiner Mannschaft, zu überleben und zur Erde zurück zu kehren, denn sie könnten bald schon der einzige Trumpf sein, den wir haben.
So wie die Ehre die Mannschaft der GRAF SPEE im Zweiten Weltkrieg dazu gebracht hat, ihr Schiff lieber zu sprengen als es interniert oder vom Feind versenkt zu sehen, so soll es eure Ehre sein, bis zuletzt für die Menschheit zu stehen.
Diese GRAF SPEE wird uns zum Angriff führen und wieder sicher vom Mars zurückholen.
Deshalb muß es überleben. Deshalb müssen Kapitän und Mannschaft ihr Bestes geben.
Das erwarte ich von euch.“
Leiser Applaus erklang. Ob sie ahnten, welche große Verantwortung ich ihnen gerade aufgebürdet hatte?

„Akira“, hörte ich Megumi wie aus weiter Ferne sagen. Wieder fühlte es sich für mich an als, würde meine Brust bersten wollen. Die Welt versank in einem kaleidoskopartigen Farbrausch und ich fühlte, wie ich fiel, tiefer, immer tiefer. Ein Flashback!
Nein, nicht jetzt! Nicht heute! NICHT HIER!

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!

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