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Thorsten Kerensky
Colonel


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OT: Gettysburg Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

27.10.2359, 17:54 TNZ
Hoheitsraum der Terranischen Föderation
Nachschubkorridor „Delta“

Gemächlich schob sich die Gettysburg durch die endlosen Weiten des Weltalls, durchkreuzte ein Panorama aus Sternen und Planeten, die trügerisch friedlich wirkten. Der mächtige Rumpf war mit Kampfnarben überseht, das Schlachtschiff war ein alter Veteran im Dienste der Erd-Streitkräfte und auf dem Weg nach Terra zur Generalüberholung. Obwohl sie beinahe achtzehn Monate ununterbrochen im Einsatz gewesen war, bot sie ein majestätisches Bild, als sie sich mit Vollschub vorwärts wälzte, flankiert von den beiden Fregatten Bremen und Kiel, die ihr die ganze Zeit über als Geleitschutz gedient hatten, seit sie von der Front aufgebrochen war, um ihrer Besatzung der lange versprochenen Heimaturlaub und dem Schiff einen Besuch in der Werft zu gönnen.
Auf der Kommandobrücke des Schiffes verschränkte Großkapitän Dane Blight seine Arme vor der Brust und ließ seine Gedanken treiben. Die Gettysburg hatte schon sieben Kommandanten gehabt und bei allen war es Tradition gewesen, dem Schiff nach jedem Fronteinsatz einen Sinnspruch einzugravieren. Bei Erreichen der Werft würde es Danes fünfter Eintrag werden und damit läge er nur noch einen Einsatz hinter dem ersten Kapitän des Schlachtschiffes. Dane hatte die Gettysburg übernommen, nachdem ihr letzter Kommandant befördert worden war und die alte Lady, wie die Matrosen sie nannten, zugunsten eines neueren, größeren Schiffes verlassen hatte.
Auf der Brücke ging es ruhig zu, so kurz vor der Heimat, ein Großteil der 3.469 Leute der Schiffsbesatzung wurde nicht gebraucht, solange das Schiff nicht im Kampf stand und weder die mächtigen Waffenbatterien bemannt waren, noch der Jägerhangar versorgt werden musste.

Leutnant Timo Krupp spürte das majestätische und tiefe Summen und Dröhnen der gigantischen Triebwerke unter seinen Füßen kaum noch, als er sein Quartier verließ und die wenigen Meter zur Brücke zurücklegte. Die Offiziers-Kabinen lagen nahe am Kommando-Stand, damit sie im Notfall schnell auf ihre Positionen kamen.
Allerdings war die Bezeichnung etwas irre führend, denn auf dem Schiff gab es duzende Offiziere, von denen die meisten allerdings nicht hier oben eingesetzt waren, sondern verstreut über das ganze Schiff. Im Kampf befanden sich nur die Wach-Offiziere im Kommandostand, die Männer und Frauen, die im Notfall das Kommando über die Gettysburg übernehmen konnten und in der Rangfolge nur unter dem Kapitän standen. Timo war noch recht jung, gerade erst 23 geworden und er war derzeit dritter Wachoffizier von den sechs Wachoffizieren des Schiffes, eine Position, die er dem Umstand zu verdanken hatte, dass in den letzten Monaten zwei höher stehende Offiziere gefallen waren und so den Platz für seinen Aufstieg frei machten.
Der junge Deutsche war vorher erster Wachoffizier der Bremen gewesen und wurde aufgrund seines Talentes von Großkapitän Blight an Bord der Gettysburg geholt.
Er erreichte die Brück, salutierte kurz vor dem Kapitän und dann vor der noch jüngeren Amy Smith, dem rangniedrigsten Wach-Offizier, deren Schicht jetzt zu Ende ging. Die beiden waren recht gut befreundet, da sie die jüngsten in der Offiziersbesatzung waren und er konnte nicht leugnen, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte.
Timo verdrängte diesen Gedanken und ging den Statusbericht durch, den sie ihm in die Hand gedrückt hatte. Alles verlief normal und er bereitete sich auf sechs langweilige Stunden vor.
Während nun auch der Rest der Brücken-Crew abgelöst wurde, ließ er sich auf dem Kommando-Sessel nieder und ließ seinen Blick über das Sternenpanorama vor ihm schweifen.
„Ah, Mr. Krupp, ein wunderschöner Anblick, oder?“, ertönte die Stimme des Kapitäns neben ihm.
Timo wandte seinen Blick und erwiderte den Blick des Kommandanten mit dem angemessenen Respekt. „Aye, Sir. Aber ich freue mich noch viel mehr auf den Anblick der Heimat. Nur noch drei Tage.“
Dane lachte, wobei seine tiefe Stimme klang wie ein Bär. „Ja, nach achtzehn Monaten haben wir uns das verdient. Sie haben gute Arbeit geleistet dort draußen, ich werde sie der Admiralität für ein eigenes Kommando vorschlagen. Eine kleine Korvette, was halten sie davon? Vielleicht eine von den neuen, vor denen haben sogar unsere Fregatten Respekt.“
Timo guckte etwas überrascht und grinste dann breit. „Danke, Sir, das wäre mir eine Ehre.“
„Wusste ich’s doch. Eine angenehme Schicht wünsche ich noch, ich werde mich ein wenig hinlegen, bei ihnen weiß ich die alte Lady in guten Händen.“
Der junge Leutnant stand auf, nahm Haltung an und salutierte, dann verschwand der Kapitän und auf der Brücke kehrte wieder Ruhe ein. Das stete Piepsen des Radars, ein paar leise Gespräche, das monotone Brummen des Triebwerkes, nichts Ungewohntes.
Die erste Hälfte der Schicht verstrich ohne Zwischenfälle und Timo hatte Zeit, seine Gedanken kreisen zu lassen. Ein eigenes Kommando brachte Verantwortung, noch mehr als er nun trug und es bedeutete, dass er aus dem Kreis seiner Vertrauten gerissen wurde.
Plötzlich veränderte sich das Piepsen des Radars und Unruhe kam auf. Timo stand auf und drehte sich um. „Mister Hardy, Bericht!“
„Sir, unidentifiziertes Schiff hält auf uns zu.“
„Funken sie es an!“
„Keine Antwort, Sir.“
Der Leutnant überlegte nicht lange, die Vorschriften in diesem Fall waren klar und vernünftig. „Erneut versuchen, Alarmstufe gelb, lassen sie kampfbereit machen!“
Die Brücke brach in organisiertem Chaos aus, als die Sirene aufgellte und die gesamte Mannschaft aus dem Schlaf riss.
„Sir, das Schiff setzt einen Torpedo ab und beschleunigt!“
„Alarmstufe rot, sofort Jäger ausschleusen und Waffenbatterien scharf machen!“, befahl Timo und setzte sich wieder. „Auf Einschlag vorbereiten und sofort die Bremen und die Kiel vorausschicken, wir nehmen unseren Freund in die Zange.“
„Weise Entscheidung.“, kommentierte der Kapitän vom Eingang der Brücke.
„Sir!“, Timo stand auf und begab sich auf eine sekundäre Kommandostation, von wo aus er das Feuer der Steuerbord-Batterie leiten konnte. Er war froh, die Verantwortung nun an den Kapitän abgeben zu können.
„Weitermachen, wie Leutnant Krupp angeordnet hat, halten sie auf unseren Gegner zu und bringen sie mir einen Bericht über seine Größe, mögliche Bewaffnung und warum zum Teufel er soweit hinter den Linien auftauchen kann!“
Die Gettysburg kämpfte sich aus ihrer Marschroute und drehte sich hart nach rechts, um Kurs auf den Aggressor zu setzen, links und rechts flankiert von den beiden Fregatten. Der Torpedo des Gegners nahm Fahrt auf und raste in den Rumpf des Schlachtschiffes, wo er geringe Schäden verursachte.
„Sir! Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Crucis-Kreuzer, bestückt mit Torpedos und Bombern, gebaut, um langsame und schwere Schiffe aufzubringen. Ich schätze, er ist auf uns angesetzt worden.“
Der Kapitän fluchte, als der Kreuzer zwei weitere Torpedos losschickte. „Wie lange noch, bis unsere Waffen geladen sind?“
Timo und Mary Collins, zweiter Offizier der Wache und zuständig für die Backbord-Batterien, antworteten fast synchron: „Drei Minuten, die Bremen meldet zwei Minuten und die Kiel ist bereits feuerbereit.“
In der Tat beschleunigte das kleinere Schiff bereits und löste sich aus der Formation, um in Reichweite für seine Waffen zu gelangen, während zwei weitere Einschläge im Bug die Gettysburg erzittern ließen. Der gegnerische Kreuzer reduzierte nun seine Geschwindigkeit und erhöhte dafür seine Feuerrate, denn diesmal jagten direkt vier der großen Anti-Schiffs-Sprengkörper los, um das Schlachtschiff aufs Korn zu nehmen.
Noch bevor die Torpedos einschlugen, wurde die Gettysburg hart getroffen und durchgeschüttelt.
„Bericht!“, brüllte Dane über den Lärm hinweg.
„Treffer im Heckbereich, die Sensoren verzeichnen einen zweiten Crucis-Kreuzer backbord achteraus!“
„Verdammt, geben sie der Bremen den Befehl, sich den Kerl zu kaufen und jagen sie unsere Jäger dorthin, wir halten mit der Kiel weiter auf den ersten Kreuzer zu!“
Weitere Einschläge dröhnten durch das Schlachtschiff und jemand meldete einen ersten Hüllenbruch im Bug.
Durch das Fenster zum Bug des Schiffes sah Timo, wie die Kiel in Waffenreichweite gelangte und aus allen Rohren das Feuer auf ihren Gegner eröffnete. Das Abwehrfeuer des Kreuzers fiel eher gering aus, aber er hatte die stärkere Panzerung und die Fregatte würde ihn alleine nicht knacken können.
Wieder schlugen Torpedos in den Rumpf der Gettysburg ein, mindestens einer der Treffer saß gefährlich nahe an der Brücke, denn das Knirschen und Kreischen von getroffener Panzerung drang bis in die Kommandozentrale und jagte Timo einen Schauer über den Rücken.
Dann schaltete seine Kontroll-Tafel auf grün. „Sir, Steuerbord-Batterie feuerbereit!“
Mary meldete nur einen Augenblick später die Bereitschaft der Backbord-Geschütze.
Der Kapitän nickte grimmig, während das Schlachtschiff erneut getroffen wurde. „Das Ziel ist klar, Feuer frei!“
Das Donnern der Geschütze übertönte die nächsten Torpedo-Einschläge und das anschließende Zischen verkündete den Start unzähliger Raketen aus ihren Magazinen. Die volle Breitseite bohrte sich in ihr Ziel und rissen klaffende Löcher in den Kreuzer. Die Raketen folgten, fanden ihren Weg durch die offene Tür und drangen tief in das Schiff ein, das dabei querschlug und keine weiteren Aktivitäten verströmte.
Jubel hallte über die Brücke, wurde aber jäh unterbrochen, als die Gettysburg erneut von Torpedos erwischt wurde.
„Sir, die Bremen hat einen Treffer am Antrieb kassiert und dreht ab, sie ist wehrlos!“
„Schicken sie die Kiel mit Vollschub dahin und bringen sie uns in die andere Richtung! Waffen sofort wieder bereit machen, alle Langstrecken-Waffen haben Feuererlaubnis!“
Ein weiterer Torpedo-Treffer ließ das Schiff erzittern, und kurz flackerte das Licht auf der Brücke, ehe das Schiff sich herumwälzte, um seine Richtung komplett zu ändern. Die Raketen-Batterien des Schlachtschiffes nahmen bereits wieder ihre Arbeit auf und schickten ihre Körper in Richtung des Feindes, ohne auf die Entfernung eine ernsthafte Bedrohung darzustellen.
Der große Nachteil der Gettysburg war, dass sie kaum Waffen für extreme Reichweiten hatte, so verfügte sie hauptsächlich über Laser-Geschütze und die leichten Raketen, allerdings nur über zwei Torpedo-Rampen. Dadurch konnte sie lange im Einsatz bleiben, ohne neu bestückt zu werden, aber auf lange Kampfdistanzen fehlte ihr die Kampfkraft und sie war nicht schnell genug, um diese Distanzen leicht zu überwinden. Linkerhand zog die Kiel am mächtigen Rumpf des Schlachtschiffes vorbei und beschleunigte noch weiter, während erneut Torpedos in die Gettysburg hämmerten. Langsam wurde es selbst für den gigantischen Schiffsleib ernst und gefährlich, das wusste jeder der Anwesenden, lediglich der Kapitän strahlte Ruhe und Zuversicht aus.
Dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte. Ein Torpedo überwand die Distanz zwischen dem Crucis-Kreuzer und seinem Ziel und schlug nur wenige Meter über der Brücke ein.
Timo wurde von der Wucht des Aufpralls gepackt und umgeworfen, so wie alle anderen um ihn herum. Ein Teil der Decke gab nach und krachte auf die Offiziere und die Brücken-Crew, riss dabei einen Wulst aus Leitungen und Kabeln mit sich. Es kam zu Kurzschlüssen, kleinere Feuer loderten auf, in die Schlachtgeräusche mischten sich nun auch die Schreie von Verwundeten.
Timo war einer der Ersten, die wieder auf die Füße kamen, er selber hatte Glück gehabt und war unverletzt geblieben, aber viele hatten dieses Glück nicht gehabt.
Ein kurzer Blick in die Runde verriet ihm, dass er der ranghöchste Offizier war, der zur Zeit auf den Füßen war, also war es an ihm, zu handeln. Neben ihm kam ein Mann auf die Beine, der am Radar gearbeitet hatte. Da der Radar zertrümmert war, schickte Timo ihn los, um Sanitäter zu holen. Danach griff er sich einen Funk-Techniker und wies ihn an, Kontakt zur Bremen und zur Kiel herzustellen.
Ein weiterer Treffer irgendwo im Rumpf sagte ihm, dass der Kampf noch tobte, nur sah er nichts mehr, da ein Deckenteil die Aussicht durch das Fenster versperrte.
Amy Smith trat zu ihm und wirkte verzweifelt. „Der Kapitän ist schwer verletzt. Mary Collins ist tot und den ersten Offizier kann ich nicht finden.“
Timo schüttelte sie. „Kannst du mit den Geschütz-Kontrollen umgehen?“
Sie nickte. „Ja, aber...“
„Kein aber, du gehst jetzt da hin und kümmerst dich um die Geschütze!“
Er sah ihr kurz nach und wandte sich dann einem Sanitäter zu, der auf die Brücke stürmte. „Bringen sie die Verwundeten hier raus und Bergungsteams dafür her! Pronto!“
Der Mann nickte und verschwand wieder im Schutt-Staub. Langsam wurden wieder alle Positionen besetzt. „Bericht!“, forderte Timo.
„Die Bremen meldet schwere Schäden, die Kiel liegt im engen Kampf mit dem Feind und wir sind vom Kurs abgekommen, aber in Reichweiter der Backbord-Batterien!“
„Leutnant Smith, sie haben es gehört! Feuer frei!“, brüllte er Amy an, die langsam in Panik zu verfallen schien. Kein guter Zeitpunkt dafür. Er trat neben sie und sah ihr fest in die Augen. „Reiß dich zusammen.“, zischte er ihr zu. „Du bist Offizier, benimm dich auch so, du kannst nach dem Kampf immer noch durchdrehen!“
Sie nickte und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht, dann führte sie seine Befehle aus.
Die Geschütze der Gettysburg begannen, auf den Kreuzer einzuschlagen und es dauerte nur Augenblicke, bis das Feindfeuer verstummte und ein Funkspruch einging.
„Feuer einstellen an alle Schiffe!“, befahl Timo. „Stellen sie ihn durch, nur Audio!“
Er wollte nicht, dass der gegnerische Kapitän sah, dass er es nur mit einem Offizier zu tun hatte und mit einem so jungen noch dazu.
Die Stimme des Feindes klang blechern und war von einem statischen Rauschen begleitet. Eines der Schiffe hatte Probleme mit dem Funk, entweder der Kreuzer oder die Gettysburg.
„Kapitän des terranischen Schlachtschiffes, wir ergeben uns! Wir haben keine Energie mehr und unzählige Verwundete und bitten sie um Gnade und Hilfe!“
Timo dachte kurz nach. „Nennen sie mir ihren Namen und ihren Rang und akzeptieren sie eine Prisen-Crew auf ihrem Schiff, dann sehe ich, was ich für sie tun kann.“
„Hier spricht Junior-Leutnant Simon Hope, Mitglied der Streitkräfte der Allianz. Die ganze Brücken-Besatzung ist tot oder verwundet und ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.“ Verzweiflung schwang in der Stimme mit und Timo verglich sie automatisch mit Amy, die wohl ähnlich reagiert hätte. Auf dem Kreuzer musste es schlimm aussehen, nach dem Beschuss durch die Gettysburg.
Timo deutete dem Funker an, die Verbindung zu beenden. „Sagen sie der Kiel, sie soll ein paar Leute rüberschicken, die Crew gefangen nehmen und den Verwundeten Feinden helfen. Aber unsere Leute haben Vorrang! Fragen sie an, ob die Bremen Hilfe braucht und schicken sie einen Entertrupp auf den anderen Kreuzer. Außerdem will ich wissen, wo der erste Offizier ist!“
Ein Sanitäter schob sich an ihm vorbei, auf dem Weg zu einem weiteren Verletzten. „Den haben wir tot geborgen, Sir!“
Timo murmelte einen leisen Fluch. „Gut, dann will ich in zehn Minuten einen vollständigen Bericht und alle überlebenden Wach-Offiziere im Besprechungsraum sehen!“

Sie waren nur noch zu dritt, als sie sich zur Besprechung einfanden. Neben Timo und Amy war auch noch Steve Randall anwesend, vierter Offizier der Gettysburg und ein Jahr älter als Timo.
Der junge Deutsche musterte die beiden kurz und nickte dann knapp. „Also, unsere Lage ist nicht direkt rosig. Drei der Wachoffiziere sind tot, der Kapitän so schwer verletzt, dass wir froh sein können, wenn er bis zur Werft überlebt. Unsere Brücke ist schwer getroffen worden, ebenso hat der Bug einiges einstecken müssen, da arbeiten unsere Leute schon dran. Wir haben vier Jäger verloren, insgesamt 63 Tote und 42 Verwundete zu beklagen. Und uns geht es noch gut.
Die Kiel ist recht glimpflich davongekommen, zwei Tote, drei Verletzte, keine ernsthaften Schäden, beide Male waren wir gerade rechtzeitig, um Schlimmeres zu verhindern.
Anders sieht es bei der Bremen aus. Der Antrieb ausgefallen, diverse Hüllenbrüche, mit 81 Toten und 31 Verletzten ist über die Hälfte ihrer Besatzung ausgefallen, außerdem ist kein einziger ihrer Offiziere einsatzbereit.
Ich habe die Kiel bereits angewiesen, auszuhelfen und ihr erster Offizier ist mit ein paar Technikern auf die Bremen gewechselt und bereits dabei, das Schiff wieder fahrtüchtig zu machen.
Wir haben zwei Kreuzer erobert, einen davon mussten wir sprengen, er hatte seine Atmosphäre verloren und war nicht mehr zu retten. Die Besatzung des anderen Feindschiffes ist unter Arrest auf der Kiel und wird noch in dieser Stunde auf unser Schiff wechseln. Allerdings brauchen wir auch auf dem Kreuzer eine Prisen-Crew und die müssen wir stellen, weil unsere Fregatten keinen Mann entbehren können.“
Timo atmete kurz durch und gab seinen beiden Untergebenen einen Augenblick, um all diese Informationen zu verdauen, bevor er fortfuhr.
„Als ranghöchster Offizier bleibe ich auf der Gettysburg und mehr als einen von ihnen kann ich nicht entbehren. Ich denke, es ist nur fair, wenn ich Leutnant Randall das Kommando über den Kreuzer gebe, suchen sie sich eine Crew zusammen, nehmen sie genug Techniker mit, um den Kahn flott zu machen und halten sie sich bereit. Die Fähren der Kiel bringen sie dorthin, sobald sie die Gefangenen hier abgeliefert haben. Ich will in zwei Tagen alle Schiffe mobil sehen, dann brechen wir auf und nehmen Kurs auf die Werft-Anlage. Wir haben bereits Verspätung angemeldet, allerdings noch keine Antwort erhalten.“
Timo seufzte leise und fühlte das Gewicht der Verantwortung auf seinen Schultern liegen. Dane hatte von einem kleinen Kommando geredet, nun hatte er plötzlich eine Flottille zu befehligen und war für die Sicherheit von über viertausend Menschen verantwortlich.
Steve und Amy erhoben sich und salutierten, dann verschwand Randall, um seine Leute auszuwählen. Amy blieb jedoch stehen und schien Timo noch etwas sagen zu wollen. „Sir?“
„Wir sind unter uns, ‚Timo’ reicht vollkommen.“
„Vorhin auf der Brücke ... ich habe die Kontrolle über mich verloren. Ich war total überfordert.“
Der Deutsche seufzte erneut. „Wenn das jetzt darauf hinausläuft, dass du dein Offizierspatent zurückgeben willst, muss ich ablehnen. Ich brauche dich, ich habe sonst keine Offiziere mehr und einmal passiert das jedem Offizier. Die Situation war schlimm und es ist ja dadurch kein größeres Unglück entstanden, als eh schon vorhanden war. Du bist Offizier und bleibst es auch und gerade im Moment bist du meine Stellvertreterin auf diesem Pott. Wenn du beim nächsten Mal wieder die Nerven verlierst, denk ich noch mal darüber nach. Bis zur Werft hast du im Gegenzug Zeit, dich zu entscheiden, ob du weiterhin Offizier bleiben willst oder nicht. Einverstanden?“
Sie nickte. „Ist dir so was auch mal passiert?“
Timo trat zu ihr und legte den Arm um sie. „Ja, ist es.“ Er drückte sie kurz. „Ich weiß, wie das ist, ich hätte damals fast einen Trupp Soldaten draufgehen lassen und es gab mächtig Anschiss, aber seit dem ging alles glatt.“ Er ließ sie los und nickte ihr zu. „War das alles?“
„Ja. Und danke.“
„Schon okay. Und jetzt wieder an die Arbeit, es gibt viel zu tun, ich erwarte den Kapitän der Kiel in Kürze mit den Gefangenen und hier an Bord wartet auch noch einiges an Arbeit.“

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3.11.2359, 12:19 TNZ
Hoheitsraum der Terranischen Föderation
Herkules-Werften bei Terra

Als sie eine Woche später in Sichtweite der Herkules-Werften kamen, brach auf allen vier Schiffen Jubel aus. Irgendwie hatten sie es wirklich geschafft, in zwei Tagen die Antriebe der Bremen und des gekaperten Kreuzers wieder in Gang zu setzen. Statt der ursprünglichen drei Tage, hatten sie für die Strecke zur Werft fünf Tage gebraucht, aber nun waren sie endlich da. Mühsam quälten sich die havarierten Schiffe die letzte Strecke bis in die großen Werftanlagen, dann schließlich schoben sie sich in die riesigen Docks. Es wurde ungewöhnlich ruhig an Bord der Gettysburg, als die gewaltigen Reaktoren herunterfuhren und die Besatzung auf Erlaubnis von Timo ihren Urlaub antrat.
Amy sah zu Timo auf, sie waren so ziemlich die letzten auf der Brücke und beiden war anzusehen, dass sie heilfroh waren, ohne weitere Zwischenfälle angekommen zu sein. „Wir haben es geschafft.“
„Ja, endlich Ruhe. Mal schauen, was jetzt passiert, definitiv wird es Veränderungen geben. Ein neuer Kapitän, vielleicht neue Posten, wir werden sehen. Ich habe uns Zimmer organisiert, gut gelegen.“
„Wie hast du das gemacht?“
Er grinste. „Geheimnis. Aber direkt nebeneinander. Ich bring dich hin, ok?“
Sie lächelte und nickte. „Danke.“
Timo griff nach seinem Seesack mit seinen persönlichen Besitztümern und ging zum Ausgang, wo er auf sie wartete. Danach verließen sie gemeinsam die Gettysburg.
Durch die Wände des gläsernen Andock-Steges konnten sie die schwer gezeichnete Bremen sehen, die gerade die letzten Meter ins Dock geschleppt wurde, weil ihre Manövrier-Triebwerke zu beschädigt waren, um auf so engem Raum zu steuern.
Nach achtzehn Monaten war es die letzte Woche gewesen, die am anstrengendsten für sie alle gewesen war und jetzt hatten sie den Urlaub verdient. Als sie die Raumstation betraten, die direkt mit der Werft verbunden war, blieb Timo kurz stehen, um einen Weg-Plan zu studieren. „Hm ... okay, also Richtung A5.“ Er deutete auf einen Turbo-Lift, der sie zu den Wohnbereichen bringen würde. „Wir haben übrigens in einer Stunde ein Treffen mit Admiral Byron vor uns.“
„Echt?“
„Ja, also solltest du aus deinen Sachen eine Ausgehuniform raussuchen, dich frischen machen und so und zwar recht zügig.“
Amy nickte. „Wusste gar nicht, dass ein Admiral hier ist.“
„Ich hab sein Schiff gesehen. Die Texas, ein riesiger Pott. Gutes Stück länger als die Gettysburg und erst letztes Jahr vom Stapel gelaufen. Sah aus, als würde sie bald wieder auslaufen. Deswegen wahrscheinlich auch diese Eile.“
Sie erreichten ihre Quartiere, geräumige 3-Zimmer-Wohnungen mit allem, was man zum Leben brauchte. Fernseher, Dusche, Küche und angenehm weichen Betten. In solchen Quartieren würde der Urlaub angenehm werden.
Kurze Zeit später waren sie beide umgezogen und in ihrer Ausgehuniform auf dem Weg zu dem Teil der Anlage, der dem Militär vorbehalten war. Im zivilen Bereich verkehrten zwar auch fast nur Soldaten, aber dort verbrachten sie ihre Freizeit.
Die Räume, die der Admiral als Büro nutzte, waren spartanisch eingerichtet, zwei große Reisekisten zeigten, dass der hohe Militär bald aufbrechen würde.
Admiral James Byron war ein Mann, der die 60 lange überwunden hatte, sein Haar war ergraut, aber seine Augen strahlten noch immer ein lebhaftes und intensives blau aus. Er war nicht besonders groß, wirkte aber agil und energie-geladen. „Leutnant Krupp und Leutnant Smith, nehme ich an?“
Timo salutierte, Amy tat es ihm gleich. „Aye, Sir!“
„Reife Leistung von ihnen, ihre Flotte wieder zurückzubringen, wenn meine Kapitäne so wären, wie sie, hätte ich den Krieg längst gewonnen.“
„Danke, Sir!“ Timo verfolgte den Vorgesetzten mit seinen Augen, als dieser sich erhob und vor die beiden jungen Offiziere trat.
„Ich musste sie so dringend sprechen, weil wir nicht viel Zeit haben. Der Krieg flammt wieder auf und der Angriff auf ihr Schiff zeigt, dass der Feind stärker wird. Ich breche noch heute mit meiner Flotte auf, um einen Gegenangriff zu führen und auch die Gettysburg muss so schnell wie möglich wieder in die Schlacht.“
„Sir?“
„Ja, es tut mir leid, ihren Urlaub muss ich leider streichen, ich kann es mir nicht leisten, ein Schlachtschiff ruhen zu lassen, weil seine Crew sich besaufen möchte. Ich habe nur ein kleines Problem.“
Timo und Amy antworteten nicht, sondern warteten einfach ab.
„Ich kann der Gettysburg keinen Kapitän abstellen, weil ich selber keine übrig habe und jeden erfahrenen Offizier brauche. Ich kann ihnen zwar ein paar Wachoffiziere zuteilen, aber das löst die Kommando-Frage nicht. Zumal ich Steve Randall das Kommando über die Bremen bestätigt habe.“
Amy trat ein wenig vor. „Bitte um Erlaubnis, frei zu sprechen.“
„Erteilt.“
„Sir, Leutnant Krupp ist mehr als befähigt, die Gettysburg zu kommandieren, das hat er bewiesen. Wenn Leutnant Randall ein Kommando bekommt, obwohl er im Rang tiefer stand, wäre es nur fair, auch Leutnant Krupp zu befördern, Sir!“
„Soso, wäre es das? Nun, der Kapitän der Kiel hat zumindest abgelehnt und ich habe nicht viele Alternativen. Leutnant Krupp, fühlen sie sich der Verantwortung gewachsen, vom dritten Offizier zum Flottillenkommandanten befördert zu werden?“
„Sir, ja, Sir!“
Byron lächelte leicht. „Gut, dann befördere ich sie mit sofortiger Wirkung zum Großkapitän mit dem direkten Kommando über die Gettysburg und dem weiteren Kommando über ein kleinere Schiffsgruppe, bestehend aus der Gettysburg, der Bremen, der Kiel und dem erbeuteten Crucis-Kreuzer, dem sie noch einen Namen geben müssten.“
Timo salutierte. „Danke, Sir. Wenn sie nichts dagegen hätten, würde ich den Kreuzer gerne auf den Namen Blight taufen.“
„Nach ihrem alten Kapitän? Sie müssen ihn ja sehr geschätzt haben.“
„Sir, er war einer der Besten, das wissen sie sicher auch.“
Byron lachte leise. „Ja. Und ich denke, er hat sich seinen Tod so vorgestellt. Auf seiner Brücke, im Kampf getötet zu werden ... das passt zu ihm.“
„Es wäre mir trotzdem lieber gewesen, wenn er nicht gestorben wäre. Und ein dreitägiger Todeskampf ist sicher nicht erstrebenswert.“
Der Admiral seufzte. „So ist der Krieg, mein Sohn. Nun, ich habe nicht ewig Zeit, ihr werde sofort Order für sie aufsetzen, sie verlassen die Werft, sobald ihre Schiffe repariert und aufmunitioniert sind. Viel Glück, Kapitän!“
„Danke, Sir!“
„Auch ihnen viel Glück, Leutnant Amy Smith. Sie werden wohl auch im Rang ein gutes Stück klettern.“
„Danke.“
Die beiden drehten sich zur Tür, aber Byrons Stimme hielt sie noch einmal zurück. „Achja, Kapitän Krupp ... ich lasse ihnen ein paar gute Offiziere hier, ihre Mannschaften können sie hier in den Werften problemlos auffüllen. Die Leute werden sich spätestens morgen bei ihnen melden, sie haben genug Posten zu besetzen, aber so viele Männer und Frauen kann ich nicht entbehren. Sie werden sehen müssen, woher sie fähige Offizieren nehmen.“
„Ja, Sir.“ Die beiden salutierten erneut und verließen dann das Büro.
Amy sah Timo an. „Kapitän bist du jetzt also. Und jetzt?“
„Nun, ich dachte daran, dass wir beide jetzt zusammen Essen gehen.“
„Nur wir beide?“
Timo lachte. „Nein, alle Offiziere der Gettysburg.“
„Also nur wir beide.“ Sie grinste breit, sie und Timo waren sich in der letzten Woche noch ein gutes Stück näher gekommen und in der Mannschaft machten Gerüchte die Runde, dass sie ein Liebespaar wären. Keiner von beiden zweifelte daran, dass es möglich wäre und beide waren dem Gedanken nicht abgeneigt, aber der Dienst auf dem Kriegsschiff hatte sie bis jetzt davon abgehalten und eine tiefere Beziehung verhindert. Aber jetzt hatten sie ein paar Tage frei, vielleicht auch ein paar Wochen, je nach Länge der Reparaturarbeiten. Das schaffte Zeit für ein Privatleben.
Die beiden jungen Offiziere sahen sich an und grinsten breit.

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15.11.2359, 14:03 TNZ
Hoheitsraum der Terranischen Föderation
Herkules-Werften

Timo empfand tiefen und ehrlichen stolz, als er durch das Fenster auf die vier Schiffe sah, die in der Werftanlage ruhten. Leichtes Bedauern meldete sich in ihm, wenn er daran dachte, dass die Arbeiten nun abgeschlossen waren und er mit seiner Flottille noch heute die Werft würde verlassen müssen. Die Verantwortung für seine Mission, seine Schiffe und seine Untergebenen lastete auf seinen Schultern und die letzten Tage war sie immer drückender geworden. Aber er hatte die Laufbahn als Offizier im Kriegsdienst nicht eingeschlagen, um jetzt zu zögern, wo man ihm so eine Chance anbot.
Er straffte sich und strich sich die Paradeuniform glatt, die er trug, um diesen Tag zu würdigen. Amy neben ihm sah auf. „Geht es los?“
Timo nickte und lächelte leicht. „Aye. Lass die Mannschaft antreten!“
Die junge Frau stand auf und salutierte zackig, ein Grinsen auf ihrem hübschen Gesicht, dann eilte sie davon und man hörte eine Trillerpfeife ertönen, gefolgt von der kräftigen Stimme des Senior-Feldwebels McAngus. Der Senior-Feldwebel war ein großer, bärtiger Schotte, dessen Statur alleine schon ausreichte, um Disziplin zu lehren. Er war der dienstälteste und ranghöchste Nicht-Offizier der Flotte und diente so gleichzeitig als Sprachrohr für die Mannschaft, wie auch als Verbindung zwischen Offizieren und dem Rest der Crew. Die Männer und Frauen respektierten ihn und solange sie sich richtig verhielten, war er für sie eher ein Vater, als ein Vorgesetzter. Nur Disziplinlosigkeit duldete er nicht.
Als Timo das kleine Aussichts-Zimmer verließ und auf den Gang trat, der zur Gettysburg führte, fand er seine Mannschaft angetreten und akkurat ausgerichtet links und rechts seines Weges vor. Als Bryan McAngus ihn sah, salutierte er zackig. „Kapitän im Raum!“, meldete er mit einer Stimme, die Geschützfeuer übertönte.
Wie ein Mann nahm die Mannschaft Haltung an und hob die Hand zum Salut.
Voller Stolz schritt Timo durch die Reihen, nickte ein paar bekannten Gesichtern zu, salutierte kurz vor dem Senior-Feldwebel und setzte dann einen Fuß auf die Gangway, die zu einem der Eingänge auf die Gettysburg führte.
Der Spielmannszug des Schiffes stimmte eine feierliche Hymne an und der kurze Gang bis zu dem Schott wurde zu einem Symbol für die Veränderungen in der Führung und der Flotte erhoben.
Timo blieb vor dem Schott stehen und die Leute unter ihm bezogen eine neue Aufstellung. Sie drängten sich nun in eine Formation, die er mit einem Blick erfassen konnte und Bryan McAngus trat erneut vor. „Sir, im Namen der gesamten Mannschaft möchten wir sie als Kapitän auf der alten Lady begrüßen. Es gibt einen Brauch auf dem Kahn.“ Er verbesserte sich nach kurzem Zögern. „... auf dem Schlachtschiff. Nach jeder Feindfahrt hat der amtierende Kapitän einen Spruch irgendwo im Schiff eingraviert. Es heißt, dass diese Stellen vom Feind nicht mehr getroffen werden können. Da es den alten Blight aber erwischt hat, bevor er diese Zeremonie durchführen konnte, haben wir uns die Freiheit genommen und selber einen Spruch angebracht.“
Timo musterte die ganze Mannschaft und räusperte sich. „Danke. Mit euch als Mannschaft können wir gar nicht verlieren! Ich bin stolz, dass ich von euch begleitet werde, denn ihr seid nicht nur gut, ihr seid auch noch aus dem richtigen Holz geschnitzt. Lasst uns unseren Feinden zeigen, dass die Gettysburg weder alt noch schwach ist. Wenn wir schon unseren Urlaub für diesen Krieg opfern müssen, dann lasst uns losziehen, um ihn zu gewinnen!“
Die Leute begannen teilweise zu jubeln, aber in der Menge verlor sich dieser Ansatz wieder, was Timo nur darin bestätigte, dass er kein geborener Redner war.
Der Senior-Feldwebel drehte sich zu der Crew um. „Was das Jubel? Zeigt mal, was ihr wirklich könnt!“
Als die Mannschaft lostobte, wie ein Fußballstadion beim Führungstor der Heim-Mannschaft, konnte sich Timo ein Grinsen nicht verkneifen und er salutierte dankbar vor seinen Leuten. Dann wandte er sich um und betrat als erster das Schiff.
Als das Schott sich öffnete, gab es den Blick frei, auf den Spruch, den die Crew eingraviert hatte, so dass ihn jeder lesen musste, der diesen Eingang benutzte. „Semper Fidelis“, stand dort – Immer Treu!
Der junge Kapitän lächelte. Ein Versprechen für Crew und Kapitän gleichermaßen, ein Vertrauensbeweis, aber auch eine Mahnung an ihn.
Amy trat neben ihn und legte ihm einen Arm um die Hüfte. Er drehte sich halb zu ihr um und schüttelte den Kopf. „Wir sind wieder im Dienst, Leutnant. Sympathiebeweise müssen bis zum dienstfrei warten.“
Sie ließ ihn los und nickte. „Aye, Sir!“
Timo deutete auf den Weg zur Brücke. „Begleiten sie mich zum Kommandostand, Leutnant. Lassen sie uns die Einheit von Kapitän und erstem Offizier demonstrieren.“
Die beiden gingen durch das Schiff, auf dem sich nun hektische Aktivität entfaltete und erreichten schließlich den Kommandostand.
Dort wirkte nichts mehr wie früher. Nach den schweren Beschädigungen war dieser Bereich komplett erneuert worden und wirkte nun viel heller und übersichtlicher. Timo beschloss, nach dem Einsatz einen Spruch hier einzuarbeiten, um weitere Treffer solcher Art zu vermeiden. Die Brückenbesatzung nahm Haltung an, bis ein Wink von ihm ihnen erlaubten, ihre Arbeit fortzusetzen.
Sehr zu seiner Freude war Bill Hardy wieder auf seinem Posten als technischer Brückenchef tätig, er hatte seine Verletzungen auskuriert und war wieder einsatzbereit. Wenigstens ein vertrautes Gesicht.
„Mister Hardy, Bericht!“
„Sir! Die beiden Fregatten haben ihre Reaktoren hochgefahren, die Blight ist fast bereit. Die Schiffe wollen uns beim Auslaufen allerdings den Vortritt lassen, sie meinten, diese Ehre gebühre dem Flaggschiff.“
Timo grinste. „Gut, dann bringen sie unseren Reaktor mal in Fahrt! Alle Mann auf Stationen und die gesamten Geschütze leer laden zum Salut schießen.“ Leer laden bezeichnete in etwa das, was früher einem reinen Pulver schießen gleich gekommen wäre. Es gab viel Lärm und Licht und sah toll aus, richtete aber keinerlei Schäden an.
Dann spürte Timo wieder das dumpfe Dröhnen des Schiffs-Reaktors, als die mächtige Maschine langsam ihre Arbeit aufnahm. Er hatte dieses Gefühl vermisst, dass vom ganzen Schiff Besitz ergriff und in den nächsten Wochen und Monaten wieder die Grundlage seines Lebens werden würde, die einzige Konstante auf einem Kriegsschiff.
Die anderen Offiziere traten nun nach und nach auf die Brücke, insgesamt waren wieder vier Wachoffiziere an Bord. Damit fehlten noch zwei bis zur Sollbesetzung, aber da auch die Bremen und die Blight Offiziere brauchten, mussten alle vier Schiffe der Flottille mit einer derartigen Unterbesetzung klarkommen.
„Sir, Maschinen hochgefahren und bereit, alle Mann auf Stationen, wir warten auf ihr Kommando!“, ließ Bill Hardy vermelden.
Timo drehte sich zu dem Sichtschirm, durch den er die Werft und dahinter die Sterne sah. „Die Verbindung zur Werft ist gelöst?“
„Aye, Sir!“
„Also dann ... bringen sie uns hier raus! Jedes Geschütz, dass das Werft-Ende passiert, soll Salut feuern!“
Mit einem majestätischen Dröhnen stieg der Schub der gewaltigen Triebwerke langsam an und die Gettysburg schob sich aus dem Dock. Erst nur Zentimeter für Zentimeter, dann schneller, bis sie die maximale Geschwindigkeit erreichte, die in einer Werft vertretbar war. Die ersten Geschütze begannen, dumpf aufzubellen, das Donnern arbeitete sich durch das ganze Schiff vor bis zu den Heck-Batterien, die ein letztes Dröhnen in die Ehrerweisung einwarfen.
Dann war das Schlachtschiff frei und verhaltener Jubel kam im ganzen Rumpf auf. Es ging wieder los, wieder in die unendlichen Weiten des Weltalls.
„Sir, die Bremen und die Kiel verlassen die Werft, gefolgt von der Blight. Alle Schiffe geben Salut und schließen zu uns auf.“
„Dankeschön, Leutnant Smith. Geben sie neuen Kurs durch: direkte Route auf Valhalla!“
„Aye, Sir! Direkt nach Valhalla!“
Daniel Fitzpatrick, neuer dritter Offizier des Schiffes räusperte sich. „Das führt uns nicht zur Front, Sir.“
Timo drehte sich um und musterte den Engländer kritisch. „Glauben sie mir, ich war achtzehn Monate an der Front, so toll ist es da nicht.“ Leises Gelächter erklang von den Veteranen des letzten Einsatzes. „Leutnant Fitzpatrick, ich weiß ihr Nachdenken zu schätzen, aber ich habe meine Befehle, so wie sie ihre haben und fürs erste reicht es für sie zu wissen, dass wir Kurs auf Valhalla setzen. Ich weiß selber, dass das nicht an der Front liegt und Admiral Byron weiß das vermutlich auch, deswegen wäre ich ihnen fürs Erste zu Dank verpflichtet, wenn sie meine Befehle nicht in Frage stellen würde.“
„Aye, Sir!“
Der junge Deutsche klatschte in die Hände. „Meine Damen und Herren, sie wissen, was zu tun ist. Mister Hardy, sie können die Männer jetzt von den Stationen abziehen, normaler Schicht-Wechsel, Minimal-Besetzung an allen Stationen, ich erwarte keine Feindaktivitäten.“ Dann drehte er sich zu seinen Wach-Offizieren. „Meine Damen und Herren, ich würde sie gerne um 16 Uhr in meiner Kabine sehen, um die Einsatzbefehle mit ihnen zu erörtern. Leutnant Smith, sie geben ihre Wache dann an einen der Fähnriche ab, die zu uns an Bord gekommen sind, Mister Hardy, sie behalten dann hier alles im Auge und rufen mich, sollte etwas vorfallen. Bis dahin entschuldigen sie mich, ich habe eine Kabine neu einzurichten.“
Timo deutete einen Salut an und verließ die Brücke. Das Schiff war wieder unterwegs und der Weltall hatte ihn wieder. Er brauchte erst mal einen Augenblick Zeit, um die letzte halbe Stunde zu verdauen. Glücklicherweise war er der Kapitän und durfte sich diese Zeit einfach nehmen.

Eine Stunde später waren die Werftanlagen bereits seit einiger Zeit nicht mehr zu sehen und das Schiff hatte sich schon auf den Alltag im All eingestellt. Die Quartiere waren bezogen, die Paradeuniformen gegen die bequemeren Bord-Uniformen getauscht und die erste Wache hatte das Schiff gut unter Kontrolle. Timo sah auf, als es klopfte und auf sein Bitten hin die Wachoffiziere in sein Quartier traten. „Ah, meine Damen und Herren, sie sind pünktlich, das ist erfreulich.“
Er deutete auf ein paar Stühle, die um einen Holo-Tisch herum platziert waren. Über dem Tisch schwebte eine Sternenkarte, die derzeit die Route von den Herkules-Werften bis nach Valhalla anzeigte.
Die Offiziere nahmen Platz und Timo setzte sich dazu. „Möchte jemand von ihnen Wein oder Bier oder irgendwas anderes zu trinken?“
„Ein Bier wäre nicht schlecht.“, ließ sich Alexej Borov, zweiter Offizier der Gettysburg vernehmen.
Fitzpatrick stimmte dem Russen zu. „Dem wäre ich auch nicht abgeneigt.“
„Sonst noch jemand?“
Die anderen beiden Offiziere – Amy und eine junge Italienerin namens Isabella Ferro – lehnten ab. Timo zuckte mit den Schultern und öffnete seinen Kühlschrank, um drei Flaschen Bier aus seinem persönlichen Vorrat auf den Tisch zu stellen.
„Kommen wir also zur Sache. Das ist das erste Mal, dass ich mit ihnen zusammentreffe, sieht man von den knappen Gesprächen vor zwei Wochen einmal ab. Ich möchte ihnen von daher erst mal ein paar Dinge sagen, deren Einhaltung ich von ihnen ab sofort erwarte.“
Die Augen der Neuen fixierten ihn und er sah ihnen an, dass die nächsten Minuten entscheidend waren, weil sie sich nun eine Meinung von ihm bilden würden.
„Zuerst einmal möchte ich, dass sie jederzeit ihre Meinung unumwunden äußern, ich bilde mir nicht ein, alles fehlerfrei zu meistern und bin für Kritik zugänglich. Allerdings heißt das nicht, dass sie mich vor Unteroffizieren und Mannschaften kritisieren dürfen, denn ich bin und bleibe der Kapitän und habe nicht nur mehr Verantwortung zu tragen, sondern stehe auch höher als sie.
Außerdem lege ich großen Wert darauf, dass sie sich mit dem Schiff vertraut machen und ihre Freizeit dazu nutzen, die Schwachstellen von Schiff und Besatzung kennen zu lernen. Haben sie diese beiden Dinge verstanden?“
Die Anwesenden nickten.
„Fein, dann sehe ich keine Probleme auf uns zukommen. Unsere ersten Befehle sind recht einfach und deutlich.“ Timo verschwendete keine Zeit, sondern kam direkt zur Sache. „Wir sind auf schnellstem Wege unterwegs nach Valhalla, wo ein weiteres Schiff zu uns stoßen wird, eventuell auch noch neue Offiziere, aber das wage ich eher zu bezweifeln. Außerdem treffen wir in Valhalla eine Kontaktperson, die wir an Bord nehmen. Näheres weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, ebenso wenig kann ich ihnen sagen, was wir danach machen, denn die weiteren Befehle wird uns diese Kontaktperson übergeben oder mitteilen. Fragen dazu?“
Fitzpatrick räusperte sich. „Sir, sollten wir nicht an der Front sein und unseren Kameraden helfen? Nur um ein Schiff aufzulesen, ist Valhalla meines Erachtens ein zu großer Umweg. Was will der Admiral mit solchen Befehlen bezwecken?“
Timo runzelte die Stirn. „Ich habe Admiral Byron nur kurz gesprochen, aber er wirkte auf mich wie ein kompetenter Mensch und Stratege. Ich gebe zu, dass mich diese Marschroute selber verwirrt, aber wir werden unseren Befehlen Folge leisten. Ist ihre Frage damit geklärt?“
„Ich denke schon, Sir.“
Isabella Ferro, die auf Timo wirkte, als würde sie einen fähigen vierten Offizier abgeben, schaltete sich ein. „Um was für ein Schiff handelt es sich bei unserer Verstärkung?“
„Auch darüber weiß ich nicht sehr viel. Der Name des Schiffes lautet Deliverance, aber das einzige Schiff, das meinem Wissen nach diesen Namen trug, wurde längst ausgemustert. Wir werden uns wohl überraschen lassen müssen. Weitere Fragen?“
Keiner der Anwesenden meldete sich. „Dann wär’s das fürs Erste. Leutnant Smith, sie können den armen Fähnrich jetzt wieder ablösen gehen. Fitzpatrick, Borov – spielen sie Skat?“
Die beiden Offiziere schüttelten den Kopf. „Oh, dann werde ich es ihnen beibringen, Feindfahrten neigen dazu, über neunzig Prozent der Zeit langweilig zu sein, das werden wir schon zu verhindern wissen. Außerdem würde ich meine Offiziere gerne besser kennen lernen.“
Isabella Ferro salutierte knapp, murmelte eine Entschuldigung und verließ den Raum, wurde von den drei Männern aber kaum wahrgenommen, als sie sich an dem Tisch etwas umsetzten und Timo ein Kartenspiel zu Tage förderte.

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Ama-e-ur-e
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is-u-tures-Vo-e-e

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Thorsten Kerensky
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27.11.2359, 09:07 TNZ
Hoheitsgebiet der Terranischen Förderation
Planetarer Orbit von Valhalla

Die Gettysburg wurde stetig langsamer, als sie sich um den vereisten Planeten quälte, der das erste Ziel ihrer Reise darstellte. Zu beiden Seiten von den Fregatten Bremen und Kiel flankiert und die Blight direkt im Kielwasser, bot sie in dieser Region einen seltenen Anblick. Valhalla lag strategisch unwichtig, von daher war eine solche Truppenpräsenz hier nicht erforderlich. Timo hoffte, dass die Andockringe der Raumstation überhaupt ausreichen würden für seine Flottille.
„Sichtkontakt zur Station in einer Minute.“, meldete Fähnrich Nelson. Der Junge war erst vierzehn Jahre alt und frisch in den Dienst der Flotte getreten. Timo dachte an seine Zeit als Fähnrich zurück und konnte nachvollziehen, wie aufgeregt der junge Offiziersanwärter sein musste.
„Danke, Mister Nelson. Sobald Sichtkontakt besteht, öffnen sie bitte einen Funkkanal zur Station, damit die sich nicht einpinkeln vor Angst.“
Der Knabe grinste und salutierte übereifrig. „Aye, Sir!“
Einige der deutlich älteren Veteranen verdrehten die Augen und lächelten über den Jungen, aber sie alle hatten mal so ähnlich angefangen.
Die Gettysburg glitt nun langsam dahin, ihre Bewegungen waren ruhig und majestätisch. Stück für Stück kamen nun die Dockringe des Raumhafens von Valhalla in Sicht. An den wenigen viel zu kleinen Halteringen lagen drei Schiffe und rangen der Brückencrew ein leises Seufzen ab. Zwei der Schiffe waren große, träge Handelsschiffe, das dritte Schiff war ein kleines Kaperschiff, wie es Piraten gerne benutzten. Irgend eine unglückliche Räuberbande hatte sich den denkbar ungünstigsten Moment ausgesucht, um die Händler aufzubringen.
„Mister Nelson, haben wir Funkkontakt?“
„Negativ, Sir.“
„Welche Kennung senden die Schiffe?“
Der Junge sah kurz auf seinen Monitor, dann wieder zu Timo. „Die beiden Händler sind als Kauffahrer gekennzeichnet, das kleine Schiff scheint eine Korvette zu sein, allerdings funkt sie kein Erkennungssignal.“
Der Kapitän grinste schadenfroh. „Mister Nelson, das heute ist ihr Glückstag, so etwas passiert nicht alle Tage. Setzen sie der Korvette zwei Warnschüsse zu beiden Seiten neben das Heck und versuchen sie dann erneut, Funkkontakt herzustellen!“
„Aye, Sir!“ Eifrig huschten die Finger des Fähnrichs über die Kontrollen, dann bellten die Bug-Geschütze der Gettysburg dumpf auf. Die Waffen schossen knapp an dem Kaperschiff vorbei und verloren sich in den Weiten des Alls, aber sie hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. „Sir, Funkkanal offen!“
Der Kapitän nickte. „Hier spricht Großkapitän Timo Krupp von der TFS Gettysburg. Ergeben sie sich und bereiten sie sich darauf vor, ein Enterkommando zu empfangen!“
Am anderen Ende der Leitung erklang eine verunsicherte Stimme, der Timo in Gedanken einen Mann zuordnete, der gerade merkte, wie scheiße seine Situation aussah. „Aye, Mister Krupp, wir ergeben uns!“

Timo musterte den Haufen Menschen vor sich. Die wenigen Piraten wurden von fünf Infanteristen der Bremen in Schach gehalten und wirkten, als wäre sie moralisch am Boden, was wohl auch zutraf. Die Sicherheitskräfte und Verwalter der Station bildeten eine noch kleinere Truppe und wirkten nach einer Woche im Gefängnis ziemlich heruntergekommen.
Dazu kamen die Kapitäne der Handelsschiffe, Steve Randall, Amy Smith und die Kapitäne der Bremen und der Kiel. Die beiden Fregatten hatten das Glück, dass die Andockringe für sie ausreichen waren, während die Blight und die Gettysburg nur über Fähren mit der Raumstation verbunden waren, die stündlich hin und her pendelten.
„... und dann haben sie uns überwältigt und die Station besetzt.“, beendete der Stationskommandant gerade seinen Bericht. Der Mann war definitiv im Rentenalter und für solch einen Posten, selbst hier an der Grenze zum Nichts, viel zu alt. Aber das war nicht Timos Sache.
„Schön, das klingt nach ziemlich schlimmen Verbrechen und Todesstrafe, aber eigentlich habe ich keine Zeit, mich darum zu kümmern. Ich suche die TFS Deliverance und eine Kontaktperson im Dienste von Admiral James Byron.“
Der Kommandant sah auf. „Oh, die Deliverance ist zur Zeit nicht hier, verfolgt eine Feindsichtung. Deswegen waren wir auch wehrlos, als diese Piraten angriffen.“
Timo runzelte die Stirn und sah zu dem Anführer der Räuberbande. „Ihr Trick hat gut funktioniert, Glückwunsch. Ich hoffe, sie wissen, dass so was bei richtigen Verteidigern nicht klappt, oder?“
Der stark eingeschüchterte Mann nickte zaghaft. „Aber mir war die desolate Verteidigung bekannt.“
„Nun, mit ihnen beschäftige ich mich später. Kommandant, wo ist meine Kontaktperson?“
Der alte Mann dachte kurz nach. „An Bord der Deliverance, vermute ich. Sie werden sich also gedulden müssen. Aber spätestens heute sollte sie eigentlich zurückkommen.“
Großkapitän Timo Krupp fasste sich mit der Hand an die Stirn. „Das fängt ja gut an. Aber wo wir gerade alle hier sind. Meine Herren Kapitäne, meine verehrten Piraten, ich hätte gerade ein paar Minuten für ein Kriegsgericht übrig.“
Die anwesenden Flottenoffiziere nickten und die vier Kapitäne ließen sich an einem Schreibtisch nieder, der längere Zeit nicht mehr gesäubert worden war. Wieder war es Timo, der das Wort ergriff.
„Also, die Anklage lautet auf Täuschung, Raub, Einbruch, Aneignung von Staatseigentum, Widerstand gegen die Staatsgewalt und ...“ Er dachte kurz nach, grinste dann süffisant. „ ... und Hochverrat. Na meine Herren, wie klingt das für sie?“
Die Piraten wollten protestieren, aber Randall schnitt ihnen das Wort ab. „Klingt nach Todesstrafe, ich wäre für Erschießen. Schnell, billig und effektiv. Damit sind wir noch vor dem Mittagessen fertig.“
Holger Schmitz, neuer Kapitän der Bremen, sprang auf den Zug mit auf. „Ich bin auch dafür.“
„Nun denn, meine Herren. Eine Frage hätte ich an die Angeklagten aber noch, bevor wir das Urteil vollstrecken. Warum haben sie das überhaupt getan?“
„Sir, wir müssen auch von irgendwas leben. Der Job ist nicht ungefährlich, aber der Mensch braucht Essen und schenken tut einem das Keiner.“
Timo stand auf, stützte die Hände auf den Schreibtisch und beugte sich zum Anführer der Piraten runter. „Ich mache ihnen jetzt ein Angebot, dass sie nicht ausschlagen können werden, Kapitän. Ich mache dieses Angebot nur einmal, hören sie also gut zu. Ich werde ihr Leben und das ihrer Crew verschonen, wenn sie sich dafür meinem Befehl unterordnen und den Dienst als Kriegsschiff der Terranischen Föderation aufnehmen. Die Föderation bezahlt ihnen ihr Essen, allerdings keinen Sold, solange ich mir ihrer Loyalität nicht sicher bin. Außerdem bedeutet eine falsche Aktion den Tod durch Geschützfeuer meines Schiffes.“
Timo sah den Ausdruck der Kritik auf den Gesichtern der anderen Offiziere, aber er hatte seine Entscheidung getroffen. Der Pirat sah zu ihm auf und lächelte dankbar. „Wir werden tun, was immer nötig ist, um unsere Leben zu retten. Die Wildride wird fortan im Dienste der TFS stehen.“
„So nennt ihr das Schiff also – Wildride. Nun, Mister Randall, kümmern sie sich darum, dass die Crew unseres neuen Schiffes ihre Rechte und Pflichten kennen lernt und stellen sie ein paar Soldaten ab, die auf der Korvette für Loyalität sorgen. Entwaffnen sie unsere neuen Kameraden und das ganze Programm halt. Ich werde auf die Gettysburg zurückkehren, ich habe noch Arbeit zu erledigen. Sobald die Deliverance gesehen wird – schicken sie ihren Kapitän zu mir und diesen ominösen Informanten!“
Timo salutierte schlampig und verließ den Haufen gescheiterter Existenzen, um die neuen Veränderungen ins Logbuch zu übernehmen, ein paar Besorgungen zu machen und sich um seine Befehle zu kümmern.

Valhalla war ein Ort, der einem möglichen Invasor die tödlichste Waffe des Alls entgegenhalten konnte – unglaubliche Langeweile. Die Zeit reichte nicht, um der Mannschaft einen Aufenthalt auf der Oberfläche zu gestatten und der Raumhafen war ein Ort, dem die meisten Matrosen ihr Schiff vorzogen. Timo und Amy hatten sich den Rest des Vormittags in der Kapitäns-Kabine um die Ohren geschlagen, danach mit den Offizieren zu Mittag gegessen und dösten nun wieder in Timos Privatbereich, in der Hoffnung, früher oder später ein Lebenszeichen von der Deliverance zu erhalten. Timo fragte sich, was er tun sollte, wenn das Schiff mitsamt der Kontaktperson und weiteren Befehlen für seine Flottille verschollen blieb. Zurück zur Herkules-Werft, in der Hoffnung, dort wieder einen Admiral anzutreffen? Zur Front und dort nach einem höheren Offizier suchen? Oder an diesem uninteressanten Flecken Weltall auf das Ende der Zeit warten?
Wenigstens schienen die ehemaligen Piraten kooperieren zu wollen, denn sie waren bei der Durchsuchung ihres Schiffes und der Beschlagnahmung ihrer Handfeuerwaffen sehr hilfsbereit gewesen und hatten den Infanteristen, die sie bewachen sollten, die einzigen sauberen Quartiere angeboten. Da die Truppen für Schiffsenteraktionen und Kämpfe auf engstem Raum gedrillt waren und stündlich Meldung an die Gettysburg machten, befürchtete Timo keine Fluchtversuche, zumindest nicht vor dem ersten Feindkontakt. Die Mannschaft wirkte kompetent und Jack Meyers, der Kapitän der Wildride, schien ein cleverer und besonnener Schiffskommandant zu sein.
Die Korvette war eine Bereicherung für das Geschwader, ihre Geschwindigkeit und Wendigkeit machte sie zu einem guten Kundschafter, wenn ihr Nutzen im Kampf auch eher gering war.
Irgendwo im Schiff erklang ein kurzes Warnsignal, ein Wachwechsel kündigte sich an, das Poltern von Stiefeln auf dem Gang und in den umliegenden Kabinen entlockten Timo ein Seufzen. Er war dazu übergegangen, auch Fähnriche als Wachoffiziere einzusetzen, solange keine unmittelbare Gefahr drohte. Dadurch schonte er seinen wenigen Wachoffiziere und die Fähnriche lernten, Verantwortung für ein Schiff zu übernehmen. Er hatte es so eingerichtet, dass die Fähnriche, sechs Stück an der Zahl, paarweise eine Wache schoben und immer eine erfahrene Crew auf der Brücke war, die im Notfall auch ohne Anweisung wusste, was zu tun war.
Wenn er den Plan richtig im Kopf hatte, waren nun Lian Nelson und Amanda Carlyle für die kommende Wache eingeteilt und mit etwas Glück würden sie während dieser sechs Stunden das Eintreffen der Deliverance melden können.

Es dauerte noch geschlagene zwei Stunden, bis die Stimme von Fähnrich Nelson über Lautsprecher erklang. „Kapitän Krupp auf die Brücke!“, lautete die Meldung. Für Timo klang sie wie ein Engel, der ihn aus seinem Leiden erlöste. Endlich passierte etwas.
Er griff nach seiner Uniformjacke und streifte sie über, dann verließ er sein Quartier, um zur Brücke zu gehen, die direkt gegenüber lag. Noch ein Vorteil, den man als Kapitän genoss. Die schweren Türen der Brücke öffneten sich und glitten zischend beiseite, im Raum dahinter herrschte mäßige Betriebsamkeit. Wenigstens wirkte das neue Aussehen der Kommandostelle mittlerweile vertraut auf Timo.
„Kapitän auf der Brücke!“, meldete Fähnrich Carlyle und salutierte, was der Rest der Crew ihr umgehend gleichtat.
Timo trat vollends ein und sah sich um. „Rühren!“ Die Männer und Frauen setzten sich wieder und der Kapitän trat zu den beiden jungen Fähnrichen. Amanda Carlyle war sogar noch jünger als Nelson, in knapp zwei Wochen würde sie erst ihren vierzehnten Geburtstag feiern. Was ihre Eltern wohl durchmachen mussten? In den Akten hatte gestanden, dass sie beide nicht im Kriegsdienst standen, wie musste das für sie sein?
Der Kapitän verdrängte diese Gedanken und musterte die Offiziersanwärterin. „Fähnrich Carlyle, Meldung!“
„Sir, wir haben Langstreckenortung eines größeren Raumschiffes, dass als Erkennungssignal die Signatur der TFS Deliverance trägt. Voraussichtliches Erscheinen in Reichweite visueller Sensoren in drei Minuten, Sir!“
Timo sah das Mädchen an und nickte ihr zu. „Fein, wurde auch Zeit, dass die hier mal auftaucht. Fähnrich Nelson, Fähnrich Carlyle, sie sollten gleich mal die Lauscher aufsperren, sobald die Deliverance in Funkreichweite ist, da lernen sie was.“
Die beiden nickten eifrig und schienen sonst nicht so recht zu wissen, was sie tun sollten. Timo beschloss, ihnen ein wenig die Unsicherheit zu nehmen. „Mister Nelson, wie lief die Wache bisher?“
„Sir, ich melde keine besonderen Vorkommnisse, die letzten zwei Stunden verliefen ereignislos. Sonst hätte ich sie rufen lassen.“
Der Kapitän lächelte. „Ich weiß. Wie fühlt es sich an, das Kommando über das Schiff zu haben? Wäre das was für sie?“
„Sir, ich will später Admiral werden.“
„So, wollen sie das?“ Timo lachte leise und klopfte dem Jungen auf die Schulter. „Na dann halten sie sich ran und lernen sie weiterhin alles, was die Offiziere ihnen beibringen. Wussten sie, dass es vor hunderten von Jahren bereits einen Admiral Nelson gab?“
Der Junge schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Das haben wir nie in der Schule besprochen. Und auf der Offiziersakademie war ich noch nicht.“
„War ein Engländer. Damals war das Weltall noch nicht besiegelt, es gab keine Reaktoren, keine Laserwaffen. Es gab damals Segelschiffe aus Holz und man benutzte primitive Schwarzpulver-Kanonen. Dieser Admiral Nelson hat damals seine Flotte gegen die Franzosen geführt. Waren zu der Zeit erbitterte Erzfeinde. Nun, eigentlich war er hoffnungslos unterlegen, aber durch sein taktisches Geschick hat er einen brillanten Sieg errungen. Beide Flotten hatten weit über einhundert Schiffe. Wissen sie, wie viele von den Franzosen die Schlacht überstanden hatten? Ganze zwei Fregatten, hatten sich damals verspätet.“
Der Junge sah ungläubig zu seinem Kapitän auf. „Wirklich, Sir?“
Timo lachte freundlich. „Aye, Fähnrich. Wenn sie sich anstrengen, dann werden sie vielleicht auch so eine Legende, weil sie den Krieg gegen die Allianz entscheiden.“
Lian Nelson wirkte ein wenig verlegen, sah dann Timos breites Lächeln und nickte dankbar. „Ich will es versuchen, Sir.“
Bill Hardy mischte sich ein. Er war an seinem Posten der beste Mann und deswegen lagen seine Dienstzeiten mit denen der Fähnriche parallel. „Sir, wir haben Sichtkontakt zur Deliverance.“
Erleichtert über das Ende des stundenlangen Wartens seufzte Timo auf und stemmte dann die Hände in die Hüfte. „Legen sie das auf den Schirm!“
Hardy drückte eine Taste und das Bild des näherkommenden Schiffes erschien auf dem Projektionsschirm. Die Brückencrew brachte kein Wort hervor und auch Timo schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist jetzt nicht wirklich wahr, oder?“
Amy betrat in dem Moment die Brücke, sah auf den Schirm und zog eine Augenbraue hoch. „Die Deliverance?“
Timo nickte. „Aye.“
Auch Hardy fand seine Sprache wieder. „Sir, sagen sie mir, dass das ein Witz ist.“
Das Schiff, was sich langsam näher schob, war auf den ersten Blick nicht als Kriegsschiff zu erkennen. Es war fast so hoch wie breit und nicht besonders lang, was in starkem Kontrast zu den keilförmigen Raumschiffen stand, die sonst im Kriegsdienst standen. Die Deliverance erinnerte eher an eine gigantische Zigarre und auf ihrer Steuerbordseite prangte das Bild eines Cartoon-Adlers.
Timo schüttelte erneut den Kopf. „Sind die irre? Die sind mit einem verdammten Jägertender auf die Jagd nach Piraten gegangen? Ist der Kapitän von dem Kahn besoffen?“ Keiner antwortete ihm, aber die Gesichter der Brückencrew sprachen Bände. „Mister Hardy, sobald die Deliverance in Funkreichweite ist, stellen sie mich durch. Mister Nelson, Miss Carlyle, merken sie sich folgendes: Ein Jägertender bewegt sich niemals ohne Geleitschutz, wenn ein Feind in der Nähe ist, dafür ist er zu langsam, zu schwach im direkten Kampf und daher ein gefundenes Fressen. Was der Kapitän dort gemacht hat, ist kein taktischer Fehler mehr, sondern eine Katastrophe der Kriegskunst.“ Die beiden Fähnriche nickten und Timo wandte sich an Amy. „Was denken sie, Leutnant?“
„Sir, der Kommandant der Deliverance hat definitiv sein Schiff aufs Spiel gesetzt und seine Mannschaft einem unnötigen und überhöhten Risiko ausgesetzt und dadurch auch noch die Raumstation von Valhalla schutzlos zurückgelassen. Die Folgen dürften allen klar sein.“
„Sir, die Deliverance ist in Funkreichweite.“
Timo bedeutete dem Rest der Brücke, ruhig zu sein und nickte dann als Zeichen, dass er jetzt bereit war, Funkkontakt aufzunehmen. „Hier spricht Großkapitän Timo Krupp von der TFS Gettysburg. Kommandant der TFS Deliverance, identifizieren sie sich!“
Am anderen Ende der Leitung vernahm man ein dumpfes Klopfen, dann räusperte sich jemand. „Hier spricht Leutnant Sam Otomo, kommandierender Offizier der TFS Deliverance. Sir, melde mich zurück von einer Jagd auf Piraten, Sir!“
„Waren sie wenigstens erfolgreich, Leutnant?“, erkundigte Timo sich mit leichtem Spott in der Stimme.
„Sir, nein, Sir. Wir haben die Piraten drei Flugtage von hier verloren.“
„Ich weiß, Leutnant, weil die Piraten in der Zeit die Raumstation hier erobert haben. Mister Otomo, sobald sie ihr Schiff hierher bewegt haben, wechseln sie unverzüglich auf mein Schiff und melden sich bei mir. Und bringen sie den Rest ihrer Wachoffiziere mit. Ich schick ihnen im Gegenzug zwei Fähnriche, damit ihr Schiff nicht führungslos bleiben muss. Gettysburg Ende.“
Hardy drückte die Verbindung weg und Timo schüttelte den Kopf. „Offizierspatente sollte man nach Können vergeben.“ Dann wanderte sein Blick zu den beiden Kindern. „Fähnrich Nelson, Fähnrich Carlyle, während die Wachoffiziere der Deliverance hier sind, werden sie beide dort drüben das Kommando übernehmen. Ich denke, sie schaffen das bei weitem besser, als diese Anfänger. Kommen sie bitte eben mit in mein Quartier.“ Er wandte sich an Amy. „Leutnant Smith, sie haben die Brücke.“
Timo ließ den beiden Fähnrichen den Vortritt, als er die Brücke verließ und bot ihnen in seinem Quartier zwei Stühle an. „Sie haben die Erlaubnis, frei zu sprechen, kein ‚Sir’, keine Befehle. Trauen sie sich ruhig, ihre Zweifel zu äußern.“
Carlyle wagte den ersten Schritt und ergriff das Wort. „Ich denke nicht, dass wir dort drüber als Vorgesetzte akzeptiert werden, Sir.“
„Stimmt, die werden über uns lachen, wir sind ja nicht einmal Offiziere.“, stimme Nelson zu.
Timo setzte sich auf die andere Seite seines Schreibtisches. „Sie sind von mir persönlich abkommandiert, dieses Schiff zu leiten, also werden diese Leute nicht gehorchen. Wenn nicht, erstatten sie mir nach Ablauf dieser Aktion sofort Meldung und ich sorge dafür, dass die Leute dort Disziplin lernen. Trauen sie es sich ansonsten zu, ein Schiff zu führen? Hier sind ja keine Feinde und wir liegen an einem Raumhafen, sie müssen im Prinzip nur eine Wache dort verbringen.“
Die beiden nickte. „Ich denke schon, dass wir das schaffen.“, äußerte sich Amanda Carlyle mit zaghafter Zuversicht in der Stimme.
„Das ist die richtige Einstellung. Achja, ich möchte von ihnen noch etwas anderes. Wenn sie bereits dort drüben sind, dann lassen sie sich bitte sämtliche Logbücher und Schiffsunterlagen kopieren und aushändigen und liefern die dann später bei mir ab.“
„Aye, Sir!“, kam es von Nelson und Carlyle gleichzeitig.
Der Kapitän lehnte sich zurück. „Gut, dann kehren sie jetzt auf die Brücke zurück und übernehmen wieder ihre Wache. Bis die Deliverance in Shuttle-Reichweite ist, dauert es noch eine knappe Stunde. Danach wird sie Leutnant Borov vorzeitig ablösen. Wenn sie jetzt auf die Brücke zurückkehren, schicken sie bitte Leutnant Smith zu mir. Das wäre dann alles.“
Die beiden Kinder standen auf und salutierten. „Sir, danke, Sir!“, ertönte es von Nelson.
„Mister Nelson, heute machen sie ihren ersten Schritt zum Admiral.“
Carlyle sah zu Nelson, dann zu Timo. „Sir, gab es früher auch einen Admiral Carlyle?“
Der Kapitän dachte kurz nach und zuckte dann mit den Schultern. „Möglich wäre es, Fähnrich. Aber mir fällt keiner ein. Dann werden sie der erste Admiral Carlyle, das ist ja auch was.“
Das Mädchen salutierte. „Ja, Sir!“ Dann verschwanden die beiden zur Brücke.
Kaum waren sie gegangen, trat auch schon Amy ein. Das war ein Nachteil an der geringen Distanz, manchmal fehlte einem die Zeit, seine Gedanken zu ordnen.
„Sir, melde mich wie befohlen.“ Amy salutierte.
„Du kannst frei reden, wir sind unter uns.“ Er deutete auf die Stühle. „Nun, was hältst du davon?“
Die junge Frau setzte sich und zuckte mit den Schultern. „Es ist zu früh, den Kindern ein Kommando zu geben.“
„Amy, es sind ein paar Stunden, höchstens, und es kann praktisch nichts passieren. Und selbst wenn, dann sind sie sicher fähiger, als die Offiziere. Nein, ich wollte wissen, was du von der Deliverance hältst.“
„Ach so.“ Sie dachte kurz nach. „Ein Klotz am Bein. Selbst mit einer fähigen Crew passt ein Jägertender nicht in unsere Flottille und uns fehlt mindestens ein Begleitschiff, um ihr den nötigen Schutz zu bieten. Außerdem sind Tender noch langsamer als selbst unsere alte Lady.“
Timo nickte. „Ja, genau das denke ich auch. Außerdem ist es merkwürdig, dass ein Leutnant das Kommando hat, wo ist deren Kapitän? Ich bin mal gespannt, was die Herren Offiziere zu sagen haben. Du kannst dir sicher sein, dass die ein Gewitter zu erwarten haben.“
„Oh, ich bekomme direkt Mitleid.“, kam die ironische Antwort. „Trotzdem hättest du sie vielleicht nicht so demütigen sollen. Die Fähnriche vor deiner ganzen Brückencrew über sie zu stellen ... das geht in zwei Stunden durch die ganze Flotte.“
„Mit etwas Glück ist es ein Schub für das Selbstvertrauen der Kinder und ein Ansporn für die Offiziere der Deliverance. Mit etwas Pech sind sie wütend, aber sie können mir trotzdem nichts anhaben. Ich bin der Befehlshaber und das können sie nicht ändern, ob es ihnen passt oder nicht. Es ist schon ein Wunder, dass sie ein Raumschiff kommandieren dürfen. Ein Jägertender der Pottwal-Klasse, das bedeutet, dieser Mann ... Sam Otomo ... trägt die Verantwortung für fast zweitausend Menschen. Unter diesen Umständen sind solche Fehler unverzeihlich. Ich frage mich, wie groß der Rückhalt in der Mannschaft ist.“
Amy musterte ihn und dann funkelten ihre Augen plötzlich seltsam. „Schon einmal daran gedacht, dass die Crew vielleicht gemeutert hat und der Kapitän dabei umgekommen ist? Vielleicht ist dieser Leutnant Otomo der fähigste Offizier und jetzt von der Mannschaft als Kommandant eingesetzt worden?“
Timo zog scharf Luft ein und atmete dann langsam wieder aus. „Eine Mannschaft, die eine erfolgreiche Meuterei hinter sich hat? Das wäre noch schlimmer, als unfähig Offiziere. Wir sollten auf jeden Fall aufpassen, diese ganze Sache stinkt zum Himmel.“
Amy nickte. „In der Tat. Außerdem spukt irgendwo an Bord dieses Kahns unser Informant und Sendbote mitsamt unseren weiteren Befehlen herum.“
Der Kapitän seufzte. „Stimmt. Das macht alles irgendwie noch ein wenig komplizierter. Aber was bringt schon die Spekulation, lassen wir uns einfach überraschen.“
Sich zurücklehnend stimmte Amy zu. „Wir haben auch gar keine andere Möglichkeit, oder?“

Sam Otomo war älter als Timo, etwa dreißig Jahre alt, seine Augen waren genauso braun wie sein Haar und seine Körperhaltung wirkte scheu und kleinlaut. Als dieser Mann in die Kapitänsräume der Gettysburg eintrat und Timo Krupp gegenüberstand, trafen sich Welten. Der kleine Leutnant in der Tür und der großgewachsene, blauäugige und dunkelblonde Deutsch an seinem Schreibtisch stehend, aufrecht und mit hartem Blick. Amy Smith stand daneben und musterte die Offiziere der Deliverance genauso unverblümt wie der Kapitän.
Insgesamt traten fünf Offiziere ein, neben Otomo zwei Männer und zwei Frauen im Rang eines Leutnants und den Uniformen nach die restlichen Wachoffiziere des Jägertenders. Da der Tender nur vier Wachoffiziere neben dem Kapitän als Soll-Besatzung zugeteilt bekam, schien die Führungstruppe komplett zu sein.
Otomo salutierte. „Leutnant Sam Otomo, Kommandant der TFS Deliverance meldete sich wie befohlen, Sir! Ebenso melde ich die Anwesenheit meiner vier Wachoffiziere, der Rangfolge nach Leutnant Peter Cosworth, Leutnant Akira Ross, Leutnant Sheila Juno und Leutnant Patrick Bale!“
„Das sind alle Wachoffiziere der Deliverance?“
„Sir, ja, Sir!“
Timo unterließ es bewusst, den Männern und Frauen Stühle anzubieten, während er selbst sich an seinem Schreibtisch niederließ. „Ich habe ein paar Fragen an sie, Leutnant Otomo. Vorweg möchte ich sie fragen, ob sie ein Offizierspatent besitzen.“
Der kleine Mann nickte. „Sir, ja, Sir. Ich besitze ein Offizierspatent.“
„Und wer hat ihnen beigebracht, dass Jägertender ohne Geleitschutz auf Kaperfahrt gehen?“
„Sir, ich hielt es in Anbetracht der Situation...“
„Genug, in Anbetracht jeder erdenklichen Situation war ihr Handeln unverantwortlich gegenüber ihrer Crew, ihrem Schiff, der Raumstation und dem Planeten Valhalla und gegenüber der Terranischen Föderation, die sie repräsentieren und beschützen sollen. Das alleine würde reichen, um sie und ihre gesamte Offiziersgruppe vor ein Kriegsgericht zu stellen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Leutnant?“
Der Kommandant des Jägertenders nickte kleinlaut. „Sir, ja, Sir.“
„Sie unterstehen auf Befehl von Admiral Byron ab sofort meinem Kommando und solche Aktionen dulde ich nicht. Von jetzt an werden sie sich absolut nach meinen Befehlen richten und der erste Befehl lautet, ihr Hirn zu benutzen, bevor sie handeln. Haben sie das verstanden?“
„Ja.“
„Wie bitte?“
„Sir, ja, Sir!“
Timo musterte den Mann mit einem eisigen Blick und beugte sich ein wenig vor. „Nächste Frage, Leutnant. Warum wird ihr Schiff nicht wie jedes Kriegsschiff der TFS von einem Offizier im Range eines Kapitäns kommandiert?“
„Man übertrug mir vor zwei Monaten das Kommando über die Deliverance, weil die vorherige Kommandant an einer Krankheit verstarb.“
„Und man hat sie nicht befördert?“
„Sir, nein, Sir.“
Der Kapitän runzelte die Stirn. „Warum nicht?“
Sein Gegenüber deutete ein Schulterzucken an. „Sir, darüber hat man mich nicht informiert, Sir!“
„Kann es sein, dass ihre offensichtliche Unfähigkeit der Grund dafür war?“
„Ich finde, sie gehen zu weit, Sir.“ Zum ersten Mal blitzte Widerstand in den Augen des Leutnants auf. „Ich kann dafür sorgen, dass sie ihr Kommando verlieren, sie sollten mich nicht beleidigen.“
Schlagartig kehrte absolute Stille im Raum ein, während die Anwesenden diese Unverschämtheit verdauten. Ganz langsam und betont erhob sich Timo und umkreiste seinen Schreibtisch, um sich direkt vor Sam Otomo aufzubauen. „Wie war das gerade, Leutnant? Ich befürchte, ich habe sie nicht ganz verstanden. Haben sie mir gerade mit einflussreichen Kontakten im Führungsstab gedroht?“
„Ganz recht, mein Onkel ist Admiral in der Flottenkommandantur.“
Die Stille gewann nun beinahe Substanz, man hätte eine Stecknadel nicht nur fallen gehört, es hätte sogar noch ohrenbetäubend laut gewirkt.
Timo blieb äußerlich absolut ruhig und beherrscht, aber wenn man in seine Augen sah, konnte man die Wut erahnen, die in ihm tobte. „So läuft der Hase also, Leutnant Otomo. Sie denken, bloß weil sie einen Onkel im Stab haben, können sie mir auf meinem Schiff drohen? Vor Zeugen? Sie wollen mir also wirklich vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe? Obwohl sie auf Befehl eines Admirals meinem Kommando unterstehen? Sie wissen, dass ich sie dafür sofort hinrichten lassen könnte, wegen Insubordination im Kriegsdienst?“
Der Leutnant schwieg und seine Augen zeigten blanken Trotz.
Timo trat noch dichter an ihn heran, verringerte den Abstand damit auf wenig Zentimeter. „Ich habe sie nicht verstanden, Leutnant.“
„Sir, ja, Sir.“
Der Deutsche nickte und trat einen Schritt zurück. „Leutnant Smith, haben sie das alles gehört?“
„Sir, ja, Sir.“
„Leutnant Cosworth, haben sie das alles gehört?“
„Sir, ja, Sir.“
„Leutnant Ross, haben sie das alles gehört?“
„Sir, ja, Sir.“
„Leutnant Juno, haben sie das alles gehört?“
„Sir, ja, Sir.“
„Leutnant Bale, haben sie das alles gehört?“
„Sir, ja, Sir.“
Timo nickte langsam und bedächtig und im Raum kehrte wieder jene unheilvolle Stille ein. Man hatte das Gefühl, dass die Offiziere sogar das Atmen eingestellt hatten. Der junge Kapitän schritt langsam und betont ruhig zu seinem Schreibtisch und setzte sich wieder. „Leutnant Smith.“, brachte er schließlich hervor. „Gehen sie bitte kurz vor die Tür und bitten sie die beiden Wachen, einzutreten.“
Amy salutierte. „Aye, Sir!“ Sie durchquerte die Kabine, öffnete die Tür und winkte die beiden Infanteristen herein, die vor der Tür Aufstellung bezogen hatten. Die beiden salutierten vor ihrem Kapitän, nahmen Haltung an und die Tür glitt wieder hinter ihnen zu. Timo wartete, bis Amy wieder auf ihren Platz zurückgekehrt war und räusperte sich dann. „Meine Herren Infanteristen, nehmen sie den Leutnant in der Kapitänsuniform bitte fest.“
Otomo wollte protestieren, aber ein Blick von Timo schnitt ihm das Wort ab. Handschellen klickten.
Der Kapitän stand wieder auf. „Hiermit berufe ich kraft des mir von Admiral Byron verliehenen Ranges ein Kriegsgericht ein, das Anklage erhebt gegen Sam Otomo, Leutnant im Dienste der Raumstreitkräfte der Terranischen Föderation und Kommandant des Jägertenders Deliverance. Die Vorwürfe lauten: Grobe Fahrlässigkeit mit unnötiger Gefährdung seiner Crew, seines Schiffes und einer Raumstation mitsamt Planeten, die nur durch Zufall gerettet werden konnte. Weiterhin wird er der offenen Drohung gegen einen vorgesetzten Offizier angeklagt. Erhebt einer der Anwesenden mit Ausnahme des Angeklagten Einwände gegen diese Anklage?“
Timo sah die Offiziere der Reihe nach an, wartete kurz und fuhr dann fort.
„Folglich beschließt das Kriegsgericht den Angeklagten einstimmig für schuldig im Sinne der Anklage und ordnet hiermit seine Suspendierung vom Dienst mit sofortiger Wirkung an, ebenso Einzelhaft unter den Haftbedingungen, die im Flottengesetzbuch vorgesehen sind. Das Gericht sieht von weiteren Strafen ab, bis der Angeklagte einem ordentlichen Gericht übergeben werden kann.“ Timo atmete durch und nickte den beiden Soldaten zu. „Bringen sie ihn in eine Zelle und stellen sie einen Soldaten zu seiner Bewachung ab!“
Die beiden Männer salutierten und packten den Leutnant, der Timo einen finsteren Blick zuwarf. „Das werden sie büßen, Kapitän!“
Timo reagierte nicht und wartete, bis die Tür sich wieder geschlossen hatte. Dann fixierte er Peter Cosworth. „Leutnant Cosworth, vortreten!“
Der angesprochene hagere Mann trat einen Schritt nach vorne und salutierte. „Sir!“
„Leutnant, sie sind der amtierende erste Offizier der Deliverance?“
„Sir, ja, Sir!“
„Warum haben sie es zugelassen, dass ihr Kapitän solch eine Dummheit begeht?“
„Sir, er drohte damit, meine Karriere zu beenden und ich habe eine Familie zu versorgen.“
„Akzeptiert. Gab es schon vorher solche groben Fahrlässigkeiten?“
„Sir, nein, Sir. Leutnant Otomo stieß erst vor zwei Monaten zu uns und hatte bis jetzt unser Schiff lediglich hierher geführt, was auch aus seinen Befehlen hervorging.“
Timo nickte erleichtert, dieser Peter Cosworth wirkte nicht ganz unfähig. „Leutnant, wie ist der Status ihres Schiffes?“
„Sir, das Schiff ist zu einhundert Prozent einsatzbereit, wir frischen gerade unsere Vorräte auf und haben keinerlei Schäden zu beklagen.“
„Und die Mannschaft?“
„Sir, die Mannschaft der Deliverance ist vollzählig.“
„Wie sieht die Moral der Mannschaft nach der letzten Woche aus?“
„Sir, ich befürchte, die Moral ist nicht sehr gut.“
Wenigstens war er ehrlich, dachte Timo bei sich und fluchte innerlich über den Tag, es lief alles schief. „Danke, Leutnant. Ich gebe ihnen vorläufig das Kommando über die Deliverance, werde aber einen meiner Offiziere im Verlauf des Tages zu ihnen an Bord schicken, ebenso eine Handvoll Infanteristen. Machen sie den Leuten klar, dass ich nicht an ihrer Loyalität zweifle, aber auf Nummer sicher gehen muss!“
„Sir, ja, Sir!“
„Gut, das wäre dann eigentlich alles. Schicken sie mir meine Fähnriche zurück, wenn sie wieder auf ihr Schiff zurückkehren. Achja, eins noch.“
„Ja, Sir?“
„An Bord ihres Schiffes soll sich ein Informant befinden, der Befehle für mich hat.“
„Aye, Sir. Er wartet bereits auf ihre Anfrage.“
„Gut, schicken sie ihn direkt mit meinen Fähnrichen zu mir! Wegtreten!“
Die vier Offiziere salutierten und verließen nacheinander das Büro. Amy und Timo sahen sich an und es war die junge Frau, die zuerst sprach. „Du hast dir da einen mächtigen Feind im Stab geschaffen.“
„Hätte ich diesen Idioten gewähren lassen, wären wir tot gewesen, bevor wir wieder nach Terra kommen. Und ich will ja, dass der Onkel dieses Einfaltspinsels noch jemanden hat, den er zur Rechenschaft ziehen kann. Ich habe eine Verantwortung zu tragen für mittlerweile über achttausend Menschenleben, ich kann Inkompetenz und Ungehorsam nicht erlauben, Amy.“
Sie nickte. „Ja, ich weiß. Aber wissen das die Herrschaften der Führung?“
Timo seufzte. „Wahrscheinlich nicht.“

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Als die beiden Fähnriche eintraten, hatte Timo das Gefühl, bereits seit Wochen hinter dem Schreibtisch zu sitzen. Er war Soldat, kein Bürokrat, sein Körper sehnte sich danach, wieder im Krieg zu stehen, statt dessen schlug er sich mit verwaltungstechnischem Kram herum.
Den beiden Kindern folgte ein Mann mittleren Alters, der entgegen Timos Erwartungen keine Uniform trug, sondern einen dunklen Anzug und eine schwarze Sonnenbrille. Diese nahm er aber vorschriftgemäß beim Betreten des Büros ab, so dass seine aufmerksamen grauen Augen zum Vorschein kamen. Das dunkle Haar der Kontaktperson war zurückgekämmt und der Mann wirkte ausgesprochen adrett.
Die drei Leute salutierten vor dem Kapitän und der Deutsche bot ihnen freundlich an, sich zu setzen. Die Fähnriche kamen der Bitte sofort nach, der Mann aber schüttelte den Kopf. „Ich stehe lieber, Sir.“
Timo warf ihm einen skeptischen Blick zu und zuckte dann mit den Schultern. „Wie sie wünschen.“ Dann wandte er sich an die Offiziersanwärter. „Fähnrich Nelson, Bericht!“
„Sir, es kam zu keinen Problem während unserer Zeit auf der Deliverance. Wir haben die Schiffslogbücher ausgehändigt bekommen, ebenso einen Datenspeicher mit den gesamten Schiffsakten des Jägertenders, Sir!“ Der Junge legte einen Com-Block auf den Schreibtisch und schien geendet zu haben.
„Fähnrich Carlyle, welchen Eindruck hatten sie von der Deliverance und ihrer Crew?“
„Sir, sie wirkten nicht glücklich über unsere Anwesenheit, haben aber keinerlei Einwände erhoben. Schiff und Crew wirken auf mich durchaus brauchbar, Sir.“
„Danke, das wäre für sie beide dann alles. Sie haben den Rest vom Tag frei, wegtreten!“
Die Kinder salutierten und ließen Timo und die Kontaktperson alleine zurück.
Der Fremde trat näher an den Schreibtisch heran und lächelte. „Großartige Leute, ihre beiden Fähnriche.“
Timo nickte. „Allerdings, aus denen wird noch einmal etwas. Aber das ist im Moment das kleinere Problem. Sie haben Befehle für mich?“
„Versiegelt und streng vertraulich behandelt, direkt von Admiral Byron.“ Der Mann legte ein kleines Pakte vor Timo, in dem wohl die Holo-Disc mit den Befehlen war. „Kapitän, ihrem Blick entnehme ich, dass sie einen Militär erwartet hatten.“
„Ja, das stimmt. Ich kann ihnen weder Namen noch Rang zuordnen, so etwas macht mich nervös.“
Der Fremde lachte leise. „Dann kann ich ihnen helfen. Ich bin Special Agent Timothy Cox, vom TFSD, Admiral Byron hat mich ihrer Flottille zugewiesen, um ein Auge auf alles zu haben.“
„Vom Geheimdienst also.“ Timo dachte kurz nach. TFSD, das stand für Terranische Föderation, Sicherheitsdienst. Zuständig für Spionage, Sabotage, Spionageabwehr, Undercover-Ermittlungen und andere Dinge aus diesen Gebieten. „Was für eine Mission ist so wichtig, dass sie die Überwachung durch den Geheimdienst erfordert?“
Cox hob die Hände in einer Geste der Ahnungslosigkeit. „Sehen sie sich die Disc mit den Befehlen an, ich weiß nicht mehr, als sie. Aber ich würde die Disc schon gerne sehen.“
„Dazu sind sie als Zivilist nicht berechtigt.“
Der Special Agent grinste leicht und reichte Timo ein Blatt, dass er aus seinem Anzug gezogen hatte. „Meine Berechtigung, sämtliche Dokumente der Flottille einzusehen, ihnen jede beliebige Frage zu Flottenangelegenheiten mit Antwortzwang zu stellen, und so weiter. Kurzum, ich darf hier überall herumschnüffeln und sie können dagegen nichts tun.“ Als Timo protestieren wollte, hob er abwehrend die Hände. „Ich weiß, dass Flottenoffiziere das nicht mögen, ich wäre von daher froh, wenn wir Streit verhindern könnten, wenn sie einfach mit mir kooperieren und mich mit allen wichtigen Informationen versorgen, dann werde ich im Gegenzug nicht aufdringlich.“
Timo seufzte geschlagen. „Ich habe wohl keine Wahl. Spielen sie wenigstens Skat? Ich werde Leutnant Borov nachher auf die Deliverance schicken, weil ich deren Kommandanten unter Arrest gestellt habe und damit ist unsere Skatrunde unterbesetzt.“
„Ja, ich spiele Skat. Unter Arrest? Das würde ich gerne näher erklärt bekommen, Kapitän.“
Der Deutsche griff die Disc mit den Aufzeichnungen der spontanen Kriegsgerichtsverhandlung, die noch auf seinem Schreibtisch lag und schob sie dem Agenten zu. „Aber das ist die Original-Aufzeichnung, also bringen sie mir die später wieder.“ Er rollte mit den Augen. „Dann wollen wir uns mal die neuen Befehle ansehen.“
Cox nickte und beide standen auf, um zu dem Holo-Tisch zu gehen. Timo öffnete den versiegelten Umschlag, entnahm die Disc und schob sie in den Projektortisch. Dann gab er ein Passwort ein, dass er extra für diesen Zweck vom Admiral erhalten hatte und startete die Wiedergabe.
Die Stimme des Admirals erklang, während eine Projektion des Weltraums in der Nähe von Valhalla sichtbar wurde. „Einen wunderschönen Tag, Kapitän Krupp. Wenn sie diese Disc erhalten, haben sie Special Agent Cox bereits kennen gelernt. Kooperieren sie bitte mit ihm, das erspart allen Beteiligten große Unannehmlichkeiten. Nun zu ihrer Mission.“ Die Karte verkleinerte sich und nun wurden auch entferntere Gebiete sichtbar. Eine Route begann, grün aufzuleuchten. „Sie folgen mit ihrer Flottille, die sich nun um die TFS Deliverance bereichert hat, dieser Route in Richtung Front. Am Zielpunkt der Route angekommen, wagen sie einen Vorstoß ins feindliche Hinterland, wobei es hierbei von höchster Priorität ist, die Front unbemerkt zu durchbrechen. Werden sie von einem Feind gesichtet, sorgen sie dafür, dass er keine Meldung mehr machen kann. Ihr Ziel ist Pandora.“ Die Karte veränderte sich, zeigte nun einen Planeten, an dem die Schrift klarmachte, dass man Pandora sah. „Dieser Planet versorgt größere Gebiete der Äußeren Allianz mit Lebensmitteln und Trinkwasser. Überwinden sie die Verteidigung dieser Welt, zerstören sie den Raumhafen und bombardieren sie wichtige Ziele an der Planetenoberfläche, die im Anhang näher beschrieben werden. Die Verteidigung der Welt dürfte nicht sehr groß sein, da sie etwa zwei Monate hinter der Front liegt. Nach Beenden der Mission kehren sie unverzüglich wieder nach Valhalla zurück, wo sie auf weitere Instruktionen warten. Die Operation unterliegt strengster Geheimhaltung, da sie zivile Ziele und die Lebensmittelversorgung der Allianz trifft und von daher gegen das Kriegsrecht verstößt. Es tut mir leid, dass ich ihnen diesen Befehl geben muss, aber vielleicht tröstet sie der Gedanke, dass sie den Krieg entscheiden können. Viel Erfolg!“
Die Projektion verschwand zusammen mit der Stimme des Admirals und die beiden Männer im Raum sahen sich an.
„Jetzt weiß ich, warum sie hier sind, Special Agent. Sie sollen dafür sorgen, dass ich die Mission entgegen meiner Ehre als Kommandant durchführe, oder?“
Der Mann nickte. „So ähnlich lauten meine Befehle, ja. Ich bin selber nicht froh, an dieser Mission teilzunehmen, aber der Admiral hat Recht. Es muss getan werden. Wir werden für sechs Monate aus allen Berichten verschwinden, es wird uns nicht mehr geben und wenn wir auf dem Weg nach Pandora sterben, wird man uns nicht auszeichnen oder ehren. Aber es muss getan werden. Sie haben keine Wahl, Kapitän.“
Der junge Deutsche seufzte. „Warum habe ich das Gefühl, dass sich alle gegen mich verschworen haben?“ Er seufzte ein zweites Mal, diesmal lauter. „Gut, lassen sie sich von meinem ersten Offizier ein Quartier zuweisen, es sind noch zwei Quartiere für Wachoffiziere frei, lassen sie sich eins davon geben. Wir fliegen um zwanzig Uhr ab, Kurs Richtung Front.“

---
30.11.2359, 02:31 TNZ
Hoheitsgebiet der Terranischen Föderation
Sekundärer Nachschubkorridor „Eta“

Nachtruhe auf einem Schlachtschiff bedeutete für über drei Viertel der Besatzung den verdienten Schlaf nach zum Teil extrem belastender Arbeit. Die restliche Crew hielt das Schiff auf Kurs und hatte sonst eine ruhige Zeit. Die Geräuschkulisse war dominiert vom majestätischen Brummen der Reaktoren, das tagsüber im Stimmgewirr und Lärm einer fast viertausend Mann starken Besatzung unterging.
Die Gettysburg schob sich beinahe gemütlich durch das All, obwohl ihre Triebwerke vollen Reiseschub gaben. Etwa die Hälfte der Strecke zwischen Valhalla und der Front lag hinter der Flottille und der einzige Kontakt, den sie bisher gehabt hatten, war ein Versorgungsschiff, dass die umliegenden Systeme mit Nahrung versorgte.
Die Ruhe der Nacht wurde jäh gestört, als auf allen fünf Schiffen Alarmsirenen aufgellten und die Mannschaften aus dem Schlaf rissen. Rote Warnleuchten, sowie die Intensität der Sirenen kündeten roten Alarm an, die höchste Alarmstufe für ein Kriegsschiff. Dreitausend Matrosen, Infanteristen, Piloten, Techniker, Ärzte, Offiziere, Stationsleiter und andere Männer und Frauen wurden alleine auf der Gettysburg brutal in die Realität geschleudert und griffen hastig nach ihren Uniform, waren sich teilweise noch am Ankleiden, während sie schon ihr Quartier verlassen hatten, um an ihre Stationen zu gelangen. Schwere Stiefel polterten über metallene Böden, Stimmen riefen durcheinander und dennoch fand in dem scheinbaren Chaos alles und jeder seinen zugewiesenen Platz. Wummernd fuhren die Waffenreaktoren hoch, in den Jäger-Hangars kündete schrilles Jaulen vom Turbinenstart der ersten Jäger, die aus dem Schiff katapultiert wurde.
Aus dem Rumpf der Deliverance stürzten ebenfalls die ersten Maschinen, der dickbäuchige Jägertender schleuste aus zehn Katapult-Rampen aus, im Gegensatz zu den vier Katapulten der Gettysburg.
Auf der Brücke des Flaggschiffes hatten bereits alle ihre Stationen eingenommen und Großkapitän Timo Kruppe wartete auf die Bereit-Meldungen seiner Offiziere.
„Steuerbord-Batterien bereit nach drei Minuten und fünfzehn Sekunden!“, meldete Fitzpatrick.
Borov folgte auf den Fuß. „Backbord-Batterien bereit nach drei Minuten und zwanzig Sekunden!“
„Jäger ausgeschleust nach drei Minuten und dreißig Sekunden!“, ließ Fähnrich Nelson verlauten. Er hatte zur Zeit die Station von Leutnant Ferro inne, die auf der Deliverance war, um dort einen Eindruck der Lage zu gewinnen. Timo hatte sich entschieden, dass Leutnant Cosworth das Kommando behielt, aber Leutnant Ferro für eine Woche an Bord verbrachte, um die Mannschaft zu beurteilen. Jetzt stand ein unerfahrenes Kind auf dem Posten eines Wachoffiziers, weil der Gettysburg die Kommando-Anwärter ausgingen.
Alles wartete auf Amy, die nach einer längeren Pause grünes Licht gab. „Alle Mann auf Kampfstation, Schiff komplett einsatzbereit nach drei Minuten und achtunddreißig Sekunden, Sir!“
Timo nickte grimmig. „Der Rest der Flottille?“
Amy sah auf ihren Schirm. „Die Wildride und die Bremen haben zwei Minuten und neunzehn gebraucht, die Kiel lag bei zwei Minuten und siebenundzwanzig, die Blight folgt mit zwei Minuten und achtundvierzig, die Deliverance meldet drei Minuten und zweiundzwanzig.“
Der junge Deutsche nickte. „Alarmstufe Rot aufheben, geben sie Entwarnung. Und sagen sie den Leuten, dass das schneller gehen muss. Ich will nicht, dass man uns noch einmal so kalt erwischt, wie beim letzten Angriff auf dieses Schiff. Wir legen um zehn Uhr einen Stop ein und ich möchte dann die Schiffskommandanten, sowie Leutnant Ferro an Bord bitten, ebenso alle ihre Wachoffiziere, die nicht im Einsatz sind.“ Timo warf einen säuerlichen Blick in die Runde. „Wenn dies ein realer Angriff gewesen wäre, dann wären wir jetzt tot. Dieses Tempo ist unzumutbar, die Zeit, die wir brauchen, um an die Front zu kommen, werden wir mit Übungen zupflastern. Ich werde jetzt wieder schlafen gehen, sie sollten das auch tun, gute Nacht.“
Der Kapitän wandte den Männern und Frauen den Rücken zu und verließ die Brücke. Ein großer Teil der Anwesenden folgte ihm wortlos, zurück blieb nur Leutnant Smith als wachhabender Offizier zusammen mit den wenigen Leuten der Nachtwache. Als erster Offizier war sie für den Zustand des Schiffes verantwortlich. Es war ihre Aufgabe, die Leute auf Vordermann zu bringen und sie ärgerte sich darüber, dass Timo enttäuscht war. Sie würde die Männer und Frauen der Deliverance härter rannehmen müssen, damit sie die alten Leistungen erfüllten. Unter Kapitän Blight hatte es maximal drei Minuten fünfzehn gedauert, bis sie kampfbereit waren und selbst das war im Grunde zu langsam, entschied die junge Frau. Bis sie an der Front waren, würden sie es schneller schaffen, das schwor sie sich.
Sie verbrachte den Rest ihrer Nachtwache damit, die nächsten drei Tage mit Übungen und Drill aller möglichen Bereiche zu verplanen.

Später am Tag fanden sich sämtliche hohen Offiziere auf der Gettysburg ein, mit Ausnahme der Leute, die gerade Wache schoben. Die Männer und Frauen wirkten allesamt müde, die nächtliche Übung zeigte ihre ersten Spuren in unterdrücktem Gähnen und zusammengekniffenen Augen.
Einzig Timo wirkte hellwach und seine blauen Augen huschten hin und her und schienen jeden zu beobachten. Als die Offiziere der Blight eintrafen, war die Gruppe komplett und der Großkapitän räusperte sich, woraufhin alle Gespräche sofort verstummten. „Meine Damen und Herren, ich will ihnen nicht verschweigen, dass ich ungehalten bin, über die langen Zeiten, die gebraucht wurden, um ‚Klar Schiff zum Gefecht’ zu machen. Gerade auf meinem Schiff war das viel zu langsam, aber auch der Rest der Flottille hat nicht direkt geglänzt. So etwas muss das nächste Mal schneller gehen.“ Einzelne Offiziere wollten Protest anmelden, aber Timo redete einfach weiter. „Uns bleiben noch drei oder vier Tage bis zur Front, je nachdem, wie glatt alles läuft. Ich will, dass diese Zeit für bedingungslosen Drill genutzt wird. Hinter den feindlichen Linien können wir es uns nicht mehr leisten, unsere Leute so anzustrengen, also müssen wir die Chance nutzen, die wir jetzt noch haben.“
„Hinter den feindlichen Linien?“, wiederholte Ernst von Coburg, der Kapitän der Kiel fragend.
Timo nickte bestätigend. „Ja, dazu wollte ich jetzt kommen. Unsere Befehle werden uns hinter die Front führen, genauer gesagt nach Pandora. Viele von ihnen wissen sicherlich, welche Bedeutung Pandora für unseren Gegner hat. Eine der wichtigsten Nahrungs-Produktions-Planeten, von dort aus werden weite Teile der Flotte versorgt, ebenso wird es die Allianz wertvolle Transport-Ressourcen kosten, wenn sie die von Pandora belieferten System extern versorgen muss.“
Steve Randall sah seinen ehemaligen Offizierskameraden unumwunden an. „Sir, verstoßen wir damit nicht gegen das Kriegsrecht? Wir greifen eine Welt an, die zivile Systeme mit Nahrung versorgt, soweit ich mich erinnere, ist das illegal.“
„In der Tat.“ Timo nickte. „Deswegen hat die oberste Flottenführung uns für die kommenden sechs Monate komplett aus sämtlichen Akten und Berichten verschwinden lassen, ein Meisterwerk für den Sicherheitsdienst. Damit uns keine moralischen Bedenken kommen, hat man einen Special Agent an meine Seite gestellt, außerdem ist damit zu rechnen, dass Undercover-Agenten in unserer Crew oder sogar hier im Raum sind.“
Ein protestierendes Raunen ging durch den Raum, als die schlechten Neuigkeiten verarbeitet wurden und Schmitz, Kapitän der Bremen, meldete sich zu Wort. „Selbst wenn wir das mal außen vor lassen, weil wir das eh nicht ändern können – wir kommen nie im Leben bis nach Pandora, das sind über zwei Monate Flugweg und danach die gleiche Strecke noch einmal zurück. Ein Himmelfahrtskommando.“
Wieder musste Timo zustimmen. „Unsere Chancen sind ziemlich gering, aber ich befürchte, wir haben keine Wahl. Deswegen sollten wir uns so gut es geht darauf vorbereiten. Das heißt, Drill bis zum Erreichen der Frontlinie, danach suchen wir uns ein Schlupfloch und jeden Feind, den wir treffen, müssen wir vernichten, bevor er Bericht erstatten kann. Wenn wir Erfolg haben, dann ist der Krieg zu Ende und wir können unser Gewissen damit beruhigen, dass der Krieg mehr Opfer fordert, als unser Angriff auf eine Agrar-Welt. Wenn wir scheitern, dann wird man uns als vermisst erklären und unsere Mission leugnen. Keine schönen Aussichten, in beiden Fällen, aber ich für meinen Teil würde gerne überleben, also halte ich es für ratsam, diese Operation durchzuführen.“
Die Offiziere begannen zu grübeln, jeder ging seinen ganz eigenen Gedanken nach und für einige Augenblicke wurde es still in der Offiziersmesse. Dann wurde die Stille unterbrochen, als Jack Meyers, der Kommandant der Wildride aufstand und schlampig vor Timo salutierte. „Sir, ich hab mein Leben als Pirat verbracht, diese Sache ist auch nicht unehrenhafter. Und für mich ist es die Chance, zu zeigen, dass ich das Vertrauen verdiene, dass sie in mich setzen. Ich bin dabei, auf mich können sie zählen.“
Timo nickte dem ehemaligen Piraten dankbar zu und wandte sich dann zu Randall, der das Wort ergriff. „Blight hat viel von dir gehalten, er meinte, du würdest Großes erreichen. Ich fahr lieber mit dir zur Hölle, als von einem Agenten im Schlaf ermordet zu werden.“
„Wenn wir mit ihm in die Hölle fahren, würde er uns lebend rausbringen, das ist gewiss.“, fiel Amy ein.
Peter Cosworth lachte leise. „Ich habe zwei Monate unter Otomo gedient und zwei Tage unter ihnen, Sir. Ich bin mir nach diesen zwei Tagen sicher, dass wir das schaffen können, wenn wir wollen. Ich stehe voll und ganz hinter ihnen.“
Timo war gerührt von so viel Vertrauen, aber es belastete seine Schultern auch mit neuer Verantwortung.
Holger Schmitz von der Bremen sah zu dem Großkapitän und runzelte die Stirn. „Ich finde es rührend, wie diese Leute von ihnen denken, Sir. Auch auf mich und mein Schiff ist Verlass, aber in meinen Augen müssen sie dieses Vertrauen noch rechtfertigen. Ich folge ihnen nur, weil Sicherheitsdienst und Befehle mir keine andere Wahl lassen und weil es nur schadet, wenn ich einen Keil zwischen die Offiziere treibe. Ich vertraue ihnen, aber sie sollten besser beweisen, dass ich keinen Fehler machen.“
„Ich weiß ihr Vertrauen zu schätzen und ich bin mir im Klaren darüber, dass ich die Verantwortung für diese ganze Flottille trage. Ich hoffe mit ihnen, dass ich sie nicht enttäusche, aber ich kann ihnen jetzt schon versichern, dass ich mein Bestes geben werde, um uns wieder sicher in die Heimat zurückzubringen.“
Die Blicke der Schiffskommandanten und Wachoffiziere richteten sich nun auf den Kommandanten der Kiel. Ernst von Coburg strich sich mit der Hand über den Bart und sah dann in die Runde. „Meine Damen und Herren, es ist Krieg. Ich bin nur Kapitän, obwohl ich mehr als doppelt so alt wie viele von ihnen bin, weil ich nicht weiter aufsteigen wollte. Das hat den Grund, dass ich immer einen vorgesetzten Offizier hatte, der für alles gerade stehen musste, wenn es um Moral ging. Unter anderen Vorgesetzten habe ich Kriegsgefangene ohne Prozess hinrichten lassen, weil die Umstände es erforderlich machten. Wenn es jetzt erforderlich ist, den Feind hungern zu lassen, werde ich auch das tun. Halten sie sich immer vor Augen, dass diese Leute unsere Männer und Frauen ebenso töten, wie wir ihre. So ist Krieg nun mal und man kann einem Krieg keine Regeln aufzwängen.“
In die eintretende Stille hinein räusperte sich Timo. „Sie haben es gehört, es ist Krieg und den wollen wir ja nicht verpassen. Sie kennen jetzt unsere Mission, ich würde also vorschlagen, sie kehren auf ihre Schiffe zurück und wir nehmen wieder Fahrt auf!“
Die Wachoffiziere standen auf, salutierten, verabschiedeten sich und verließen paar- oder gruppenweise den Raum. Zurück blieben Amy und Timo. „Sir?“
„Leutnant Smith?“
„Ich habe Pläne für den Drill der Mannschaft aufgestellt, damit ich die umsetzen kann, bräuchte ich ihre Zustimmung.“
Timo griff nach dem Com-Block und überflog die Einteilungen und Trainingseinheiten, dann nickte er. „Setzen sie das um, Leutnant. Oh und schicken sie Special Agent Cox in mein Büro, wenn sie ihn sehen.“
Amy salutierte. „Aye, Sir!“

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13.01.2005 22:08 Thorsten Kerensky ist offline E-Mail an Thorsten Kerensky senden Beiträge von Thorsten Kerensky suchen Nehmen Sie Thorsten Kerensky in Ihre Freundesliste auf
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„Special Agent Cox, ich habe meine Wachoffiziere gerade über unseren Auftrag in Kenntnis gesetzt.“, begrüßte Timo den eintretenden Geheimdienstler.
Dieser nickte mit ausdruckslosem Gesicht. „Ich habe nichts anderes erwartet. Dafür hätten sie mich aber auch nicht extra rufen müssen.“
„Oh, das habe ich nicht, keine Sorge. Es hat schon seinen Grund, dass sie hier sind. Ich wollte mit ihnen noch einmal über unsere Mission sprechen. Und ich möchte, dass sie ein paar Dinge für mich erledigen.“
Der Mann in dem schwarzen Anzug hob eine Augenbraue. „Sie sind nicht autorisiert, mir Befehle zu erteilen, Kapitän Krupp.“
„Stimmt.“, gab der junge Deutsche unumwunden zu. „Aber wenn sie diese Dinge nicht tun, gefährden sie die gesamte Mission, also bleibt ihnen kaum eine Wahl. Aber lassen sie mich erst mal erzählen.“
„Gut, ich höre ihnen zu.“ Ungefragt ließ Cox sich auf einem Stuhl nieder.
Timo musterte ihn skeptisch, begann dann seinen kleinen Vortrag. „Wir sollen uns unbemerkt über eine Distanz bewegen, für die wir zwei Monate brauchen – in beide Richtungen. Das ist an und für sich ein Ding der Unmöglichkeit, wenn wir nicht jedes Schiff vernichten, dem wir begegnen. Und selbst das ist schwer, sobald wir auf schnelle Schiffe stoßen, da lediglich die Wildride halbwegs beweglich ist. Von daher halte ich es für notwendig, unsere Schiffe zu tarnen.“
Der Agent runzelte die Stirn. „Wie wollen sie das anstellen? Sie können keine Flottille mit sechs Schiffen einfach so verschwinden lassen.“
„Der Mensch sieht genau das, was er sehen will. Ich habe überlegt, dass wir die Schiffe quasi verkleiden können. Die Blight diente bei unserem Gegner unter dem Namen Herkules, die Transponder-Signale können entsprechend modifiziert werden. Die Wildride war schon auf Kaperfahrten im Allianz-Raum, wir können ihr Piraten-Signal verwenden und sie als frisch aufgebracht ausgeben.“ Er pausierte kurz, sah Cox an, in dessen Gesicht langsam ein Schimmer von Erkenntnis auftauchte. „Die Deliverance ist ein Jägertender der Pottwal-Klasse, der auch von der Allianz benutzt wird, auch hier sollte sich ein Transponder-Signal finden lassen, sobald wir an der Front Kontakt zu unseren Leuten aufgenommen haben. Sorgen bereiten mir nur die Gettysburg und die beiden Fregatten, weil beide Schiffstypen von der Allianz nicht verwendet werden.“
Die beiden Männer schwiegen eine Weile, dann erhob Cox sich. „Und sie wollen, dass ich für sie herausfinde, welche Transponder-Signale wir für diese drei Schiffe benutzen können?“
Der Kapitän nickte. „Ja. Sammeln sie Daten über Schiffe, die von der Allianz aufgebracht wurden und auf diese Schiffsklassen zutreffen.“
„Die Gettysburg ist ein Schlachtschiff der Cyreen-Klasse, wenn ich mich nicht irre.“
„Stimmt.“
„Wussten sie, dass die Gettysburg zwei Schwesterschiffe hat?“
Timo sah den Agenten überrascht an. „Zwei? Mir war nur die Normandy bekannt.“
Ein trauriges Lächeln huschte über die Gesichtszüge des anderen Mannes. „Das dritte Schiff war die Alamo, sie wurde vor fünf Jahren von der Allianz aufgebracht. Sie fährt immer noch unter dem Namen, trägt allerdings die Farben des Feindes.“
„So etwas sagt uns niemand. Es gibt keine offiziellen Listen verlorener Schiffe für Leute, die nicht einen Admiralsrang besitzen. Besorgen sie mir die Transponder-Signale, die ich brauche, um die Gettysburg als Alamo zu tarnen. Und lassen sie sich für die Fregatten etwas einfallen.“
Der Agent nickte. „Ich werde sehen, was ich tun kann. Wäre das alles?“
Timo dachte kurz nach. „Ich denke schon. Wenn noch etwas sein sollte, lasse ich sie rufen.“

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6.12.2359, 09:51 TNZ
Hoheitsgebiet der Terranischen Föderation
Frontabschnitt Alpha 3

Timos Schätzung erwies sich als zu positiv. Statt drei Tagen brauchten sie eine ganze Woche, um die Front zu erreichen. Die Deliverance machte einfach zu wenig Fahrt, um im Zeitplan zu bleibe und kleinere Probleme bremsten sie zusätzlich aus. Hinzu kam, dass die Flottille mehrmals durch Gefechtsübungen ausgebremst wurde, die der Großkapitän aber als notwendig erachtete. Das Zusammenspiel der Schiffe verbesserte sich genauso, wie der Zusammenhalt der einzelnen Mannschaften, aber wirklich zufriedenstellend verlief weder das eine, noch das andere, wenn es nach dem Kommandanten ging. Timo stellte hohe Ansprüche an seine Männer, was ihm mindestens so viel Ablehnung wie Respekt entgegenbrachte.
Dann, am siebten Tag seit der Besprechung auf der Gettysburg, meldeten die Sensoren Kontakt zu einem anderen Schiff, dessen Transponder-Signal es als Föderations-Raumer kennzeichnete.
Die TFS Vigor war ein Crucis-Kreuzer, damit ein Schwesterschiff der Blight. Der Kapitän des Schiffes, ein altgedienter Veteran vieler Gefechte, war gerne bereit, ihnen zu sagen, wo sie den Kommandanten des Front-Abschnittes finden konnte. Sein Bericht klang besorgt, die Allianz legte sich mächtig ins Zeug und warf Schiff um Schiff in den Kampf. Die Föderation erlebte die stärksten Angriffe in diesem Krieg und trotz zahlenmäßiger Überlegenheit hielt sie nur mühsam stand, da sie ihre Schiffe weit verteilen musste und die Allianz gebündelt zuschlagen konnte.
Später am Tag stießen sie auf die Stormhammer, ein Titan-Schlachtschiff. Kürzer, schmaler und in der Kampfkraft der Gettysburg deutlich unterlegen, diente sie trotzdem als Flaggschiff an diesem Teil der Front.
Sally Miller, Großkapitän und Kommandantin des Frontabschnitts Alpha 3, empfing die Delegation der Flottille mit reservierter Höflichkeit und Timo merkte der mittelalten Frau nur zu deutlich an, wie eifersüchtig sie auf den jungen Emporkömmling war. „Großkapitän Krupp.“ Sie sprach seinen Namen aus, als wäre es eine Kränkung für ihren Berufsstand, aber der junge Deutsch ließ sich nicht anmerken, wie sehr er ihre Abneigung erwiderte. „Ich habe Befehle von der Admiralität für sie.“
Timo nickte. „Ich habe damit gerechnet. Großkapitän, einer meiner Männer ist Special Agent beim TFSD. Er bräuchte Zugang zu einigen Informationen, die hier an Bord sicher lagern. Es geht hauptsächlich um Verlust-Listen der Flotte.“
Man sah der Frau an, wie sehr sie sich dagegen sträubte, aber der Einfluss des TFSD ließ ihr keine Wahl. „Er darf sich frei an Bord bewegen. Wie lange gedenken sie, zu bleiben?“
„Bis er die Antworten auf meine Fragen gefunden hat, solange untersteht meine Flottille ihrem Kommando. Allerdings erfordern die Umstände, dass meine Schiffe sowohl zusammen, wie auch jederzeit entbehrlich bleiben. Kurzum: Wir sind keine große Hilfe für sie, befürchte ich.“
„Nein, das sind sie sicherlich nicht. Großkapitän Krupp, die Pflicht verlangt von mir, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Würden sie mich begleiten? Ihre Kapitäne und Offiziere können in der Zeit in der Offiziersmesse der Stormhammer speisen und sich mit meinem Stab austauschen.“
Timo wusste, dass das weniger eine höfliche Bitte, sondern eher ein Befehl war, also nickte er. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, sich zu informieren, aber wenn es so sein sollte, würde er keinen offenen Streit beginnen. „Aye, Ma’am. Dafür sind wir ja an Bord ihres Schiffes.“

Timo folgte der Frau und eisiges Schweigen hüllte die Beiden ein. Langsam beschlich den jungen Kommandanten das Gefühl, dass Miller nicht nur wegen seiner steilen Karriere solch eine Kühle zeigte. Das Quartier, in das sie ihn führte, war spartanisch eingerichtet, nur wenige Kommandanten gönnten sich großen Luxus. Ein Bett, ein Schreibtisch mit Stuhl, ein Schrank und ein Holo-Tisch bildeten im Groben die Einrichtung des Raumes, lediglich ein Bild zierte die kargen Metallwände.
Der junge Deutsche schluckte, denn er erkannte den Mann auf dem Bild – Großkapitän Dane Blight, der gefallene Vorgänger Timos als Kommandant der Gettysburg.
„Überraschend, Großkapitän Krupp, oder? Ich habe diesen Mann geliebt, die Gettysburg war sein Vermächtnis und es hätte mir zugestanden, nicht ihnen.“
Schulterzuckend musterte Timo sie. Sie war aufgebracht und jetzt erkannte er den Grund für ihren Hass auf ihn. „Blight hatte keine Gelegenheit, einen Nachfolger vorzuschlagen. Nach den schweren Treffern an der Brücke war ich der ranghöchste Offizier und die Admiralität hat keine anderen Männer an der Hand gehabt, also musste man das Schiff mir übertragen.“
„Aber es ist nicht gerecht.“
„Wir sind im Krieg. Der Krieg ist nie gerecht. Ich wünschte, ich könnte mit ihnen tauschen. Ihnen die Gettysburg geben und ihren verdammten Auftrag und dafür auf die Stormhammer überwechseln. Aber das geht leider nicht.“
Zum ersten Mal wich die Feindseligkeit aus dem Blick der Frau. „Das würden sie tun?“
„Wenn ich könnte.“ Timo schüttelte resignierend den Kopf. „Aber sowohl das Flottenkommando, als auch der TFSD hätten dagegen wohl etwas einzuwenden. Und die Gettysburg ist für diese Mission wichtig und unersetzbar.“
„Welche Mission soll das sein?“
„Darüber darf ich nicht sprechen. Befehl von ganz oben. Und da ich nur wenig Lust verspüre, morgen aufzuwachen und tot zu sein, weil ein Special Agent mich für ein Risiko hält, werde ich diesen Schweigebefehl auch befolgen.“
„Ich verstehe.“ Die Frau nickte und alle Ablehnung war aus ihrem Gesicht gewichen. „Kaffe?“
„Ja, bitte, Ma’am.“
Sie verschwand in einem Nebenraum, den Timo erst jetzt entdeckte und begann, Kaffe zu kochen. „Verzichten wir hier auf die Förmlichkeiten. Nennen sie mich Sally.“
„Nur wenn sie mich Timo nennen.“ Er seufzte leise. „Nun zu den unangenehmen Dingen. Ich habe gehört, dass wir an der Front einen ruhmreichen Sieg nach dem anderen einfahren.“, lenkte er das Gespräch mit offenem Sarkasmus auf ein anderes Thema.
„Das würden die Admiräle in ihren sicheren Quartieren sicher glauben. Leider sieht es anders aus. Die Allianz kämpft verbissen und seit Wochen halten wir die Linien nur mit Mühe. An einen Angriff wagen wir gar nicht erst zu denken. Unsere Verbände müssen wir weit verteilen, wir wissen nie, wo sie als nächstes zuschlagen. Und das gibt ihnen die Chance, uns massiert anzugreifen. Die stärksten Attacken reiten sie in den Beta-Abschnitten, aber auch hier haben wir schon Schiffe verloren.“
Timo nickte, als sie wiederkam und zwei Tassen des schwarzen Giftes mitbrachte, dass jeder Offizier früher oder später zu trinken begann. „Ich habe davon gehört. Umso mehr schmerzt es mich, hier nicht helfen zu können, sondern so bald wie möglich weiter zu müssen.“
„Deine Schiffe wären wertvoll für unsere Verteidigung.“
„Ja, ich weiß.“ Er trank einen Schluck Kaffe – schwarz, wie immer – und vollführte eine vage Geste, die alles einzuschließen schien. „Aber dort, wo unsere Befehle uns sehen wollen, sind wir vielleicht noch wertvoller.“
„Du machst mich neugierig. Wenn dieser Geheimdienst nicht wäre ...“, begann Miller erneut einen Versuch, etwas über die Mission der Gettysburg zu erfahren.
„Er ist aber da.“, fiel ihr Timo ins Wort und beendete ihr Nachfragen damit deutlich. „Ich kann nichts über meine Befehle erzählen.“
Für eine Weile schwiegen die beiden Großkapitäne nachdenklich, dann erhob der junge Deutsche sich. „Ma’am, es wird Zeit für mich, auch mein Schiff zurückzukehren. Mit ihrer Erlaubnis bleibt Special Agent Cox an Bord der Stormhammer. Außerdem möchte ich sie bitten, einen Gefangenen zu übernehmen und ihr so bald wie möglich vor das Flottengericht zu stellen. Anklageschrift und Aufzeichnung der Vorverhandlung inklusive der Zeugenaussagen lasse ich ihnen zukommen.“
„Darf ich erfahren, wen sie mir hier lassen?“
Der junge Mann nickte. „Leutnant Sam Otomo. Er hat sich der Insubordination schuldig gemacht.”
„Sein Onkel ist ein hohes Tier in der Admiralität.“, merkte die Frau an.
„Ich weiß. Aber ich hoffe, dass sein Onkel vernünftiger ist als sein inkompetenter Neffe.“
Auch Sally Miller erhob sich und salutierte vor Timo. „Das hoffe ich auch, Großkapitän Krupp. Weggetreten!“
Timo erwiderte den Salut und verließ dann das Quartier einer Frau, die in kürzester Zeit seinen Respekt gewonnen hatte. Sie war die Geliebte von Blight gewesen. Und sein alter Kommandant konnte Leute gut einschätzen.
Auf dem Weg zum Shuttle holte er die Gruppe seiner Offiziere ein und schloss sich ihnen an. In der Offiziersmesse des Flaggschiffs waren auch sie auf ihre Mission angesprochen worden, auch sie hatten geschwiegen. Der TFSD war ein zu mächtiges Schweigegelübde für Offiziere, die an ihrem Leben hingen.
Auf dem Rückflug zur Gettysburg ertastete Timo das Datapad mit seinen Befehlen, dass er in einer Uniform-Tasche trug. „Meine Damen und Herren, ich wünsche eine Zusammenkunft meiner Wachoffiziere in dreißig Minuten!“ Bis dahin, so hoffte er, würde er die Befehle gelesen und verarbeitet haben.

„Nun, die Befehle der Admiralität enthielten genau das, was ich erwartet hatte.“, begann Timo. Alle Flottenoffiziere hatten sich, ungeachtet der Tatsache, dass im Falle eines Angriffs ihre Schiffe von Unteroffizieren und Fähnrichen gesteuert werden müssten, auf der Gettysburg eingefunden und warteten nun auf seine Worte. „Genaue Angriffsziele, Unmengen an Berichten, Spionagedaten, Informationen zu unserer Anfugroute, dem eigentlichen Ziel, der Flotte unseres Gegners und so weiter. Ich werde ihnen allen unmittelbar nach dem Passieren der Linien eine Kopie dieser Daten zukommen lassen. Ich möchte ihnen aber nun etwas zu unserem Vorgehen sagen.“ Er aktivierte einen Holo-Projektor und erzeugte ein Hologramm der Flottille.
„Sechs Schiffe, tief im Feindgebiet. Überlebenschance vor dem ersten Feindkontakt minimal, nach dem ersten Feindkontakt gleich Null. Wir brauchen also eine Tarnung. Natürlich kann man sechs Schiffe nicht einfach so verschwinden lassen, also müssen wir uns verkleiden. Die Idee kam mir, als ich über die Vergangenheit der Blight als ehemaliges Feind-Schiff nachdachte. Bevor sie vor einiger Zeit aufgebracht wurde, diente sie als AAS Herkules. Die Transponder-Signaturen sind natürlich noch vorhanden, mit etwas Glück sogar noch aktuell im Allianz-Gebiet.
Die Wildride wird ihre Piraterie-Signale senden, von uns als frisch aufgebrachtes Schiff ausgegeben werden.
Etwas schwieriger wird es bei der Gettysburg. Ein Schwesterschiff, die ehemalige TFS Alamo, wurde von der Allianz gekapert und ist jetzt irgendwo hier an dieser Front im Einsatz. Damit kann das Flaggschiff sich als dieses Schiff verkleiden, solange die richtige Alamo an der Front bleibt.
Schwieriger wird es bei der Deliverance, aber Pottwal-Tender sind auf beiden Seiten der Grenze im Einsatz, also ist das auch ein lösbares Problem.“
Er unterbrach sich und legte eine Kunstpause ein.
„Dummerweise ist uns von keiner Humboldt-Fregatte berichtet worden, die im Dienste der AAS steht. Direkt zwei dieser Schiffe verschwinden zu lassen, könnte ans Unmögliche grenzen.“
Schmitz meldete sich zu Wort. „Woher kriegen wir die ganzen Informationen, die wir brauchen?“
„Cox.“, entgegnete der Großkapitän. „Darum ist er in diesem Moment noch auf der Stormhammer.“
„Und wenn jemand näher hinsieht?“, hakte Randall nach.
Timo grinste fies. „Dann pusten wir ihn aus dem All! ... Noch Fragen? Keine? Gut!“

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9.12.2359, 03:58 TNZ
Hoheitsgebiet der Terranischen Föderation
Frontabschnitt Alpha 3

Timo wurde von einem lauten Klopfen aus dem Schlaf gerissen. Noch halb im Traum, drehte er sich wieder um und suchte den Weg zurück in seine Nachtruhe, als es abermals klopfte, diesmal noch lauter und eindringlicher.
Nur mit einer bequemen Schlafhose bekleidet, quälte er sich aus dem Bett und beantwortete ein erneutes Klopfen mit einem unwirschen: „Jaja, ich komme gleich.“ Halbnackt wankte er zur Tür und betätigte den Öffnungsmechanismus.
Da er gewohnt war, nachts aus dem Schlaf gerissen zu werden, fand er jetzt schnell in die Realität und war schon hellwach, als er Cox in der Tür erkannte. „Ah, Special Agent, treten sie ein, es wird kalt.“
Der Mann vom TFSD wirkte wie immer äußerst korrekt gekleidet und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Guten Morgen, Großkapitän. Es freut mich zu sehen, dass auch Flottenoffiziere mal Schlaf brauchen.“ Dann trat er ein und Timo streifte sich einen Morgenmantel über.
„Der Tatsache, dass sie mich mitten in der Nacht aus dem Bett werfen, entnehme ich, dass sie haben, was wir brauchen?“
Der Agent nickte. „Transponder-Signale und Schiffsnamen für alle Schiffe der Flottille samt Hintergrundinformationen und Geheimdienstberichten über die jeweiligen Schiffe. Ihre Offiziere werden viel zu lernen haben.“
Timo deutete auf einen Stuhl und Cox setzte sich. Vermutlich hätte er das auch unaufgefordert getan, aber so blieb wenigstens die Etikette gewahrt. „Kaffee?“, fragte der Deutsche und begann, an seiner Kaffeemaschine zu werkeln.
„Ja, gerne. Wollen sie nun hören, was ich rausgefunden habe?“ Offenbar war der Agent nicht ganz so abgebrüht, wie er zu sein vorgab und wollte mit seiner Leistung ein wenig prahlen.
Sein Gegenüber winkte ab. „Erst einmal der Kaffee. Außerdem werde ich eben Leutnant Smith dazu bitten, sie soll von Anfang an eingeweiht sein.“
„Die Mannschaft erzählt, zwischen ihnen würde etwas laufen.“, wich Cox auf Smalltalk aus.
„Ein offenes Geheimnis, schätze ich. Auf solch einem engen Raum ist es unmöglich, eine Beziehung geheim zu halten.“, gab Timo unumwunden zu und weckte über die Rufanlage Amy, um sie in sein Quartier zu beordern. Dann wandte er sich wieder dem Geheimdienstler zu: „Aber solange meine Beziehung zu Leutnant Smith meine oder ihre Arbeit nicht beeinflusst, sehe ich darin kein Problem.“
Abwehrend hob Cox die Hände. „Ich wollte ihnen nicht zu nahe treten. Wir sind ja alle nur Menschen.“
Timo lachte leise. „Nicht so verständnisvoll, sonst muss ich bald noch zugeben, dass mir ein Agent vom TFSD sympathisch ist. Wie soll das denn bitte aussehen?“
Timothy Cox stimmte in das Lachen mit ein und nahm dann dankbar eine Tasse Kaffee entgegen.
„Milch oder Zucker?“, fragte der Großkapitän.
„Nein, danke. Ich trinke meinen Kaffee schwarz.“
Während Timo in eine zweite Tasse drei Stücke Würfelzucker fallen ließ, schüttelte er grinsend den Kopf. „Sie werden mir langsam wirklich sympathisch, Mr. Cox.“
Verwunderung trat auf die Züge des älteren Mannes. „Aber sie tun doch Zucker in ihre Tasse.“
„Nein, die ist für Amy. Ich trinke meinen Kaffee auch schwarz.“
In dem Moment trat die eben erwähnte Frau ein und musterte die beiden Männer aus verschlafenen Augen. „Guten Morgen, die Herren. Oh, Kaffee, gut.“
Timo drückte ihr die Tasse in die Hand und dann einen Kuss auf ihren Mund. „Extra für dich mit drei Zuckerstückchen.“
Sie lächelte. „Lieb von dir. Geht’s los?“
Cox, der die kurze Unterhaltung stillschweigend verfolgt hatte, mischte sich nun ein. „Ja, ich habe alle Informationen, die Großkapitän Krupp haben wollte.
Timo setzte sich und goss sich ebenfalls eine Tasse mit dem schwarzen Gift voll. „Lassen sie den Rang weg und sagen sie bitte Timo, wir sind hier unter uns, Mr. Cox.“
„Dann habe ich eben die Informationen, die Timo haben wollte, Leutnant Smith.“
„Amy.“
„Dann nennen sie mich Tim. Aber bitte, bitte nicht Timothy, ich hasse diesen Namen.“, gab der Special Agent halb seufzend, halb grinsend zurück. „Können wir dann endlich anfangen?“
Timo nahm einen Schluck Kaffee und nickte dann. „Legen sie los!“
Cox räusperte sich und zog dann ein Blatt Papier aus seiner Hosentasche. „Ich habe hier nur kurz zusammengefasst, welche Namen ich gefunden habe und wo die Probleme dabei liegen. Nähere Informationen habe ich auf einem Datenspeicher, den ich ihnen zur Betrachtung hier lassen werde.“
Er zögerte kurz, holte dann einen Datenspeicher aus einer anderen Tasche und legte ihn auf den Tisch. Dann trank er von dem Kaffee und fuhr dann fort.
„Die Tarnidentitäten für die Gettysburg, die Blight und die Wildride hatten wir schon geklärt. Die Transponder-Signale für die Gettysburg aufzutreiben, war nicht weiter schwer, da die Stormhammer vor nicht sehr langer Zeit mit der Alamo Kontakt hatte. Die Alamo trug kaum Schäden davon, ich gehe davon aus, dass sie noch längere Zeit an der Front bleiben wird. Wir müssen uns dann nur einen guten Grund einfallen lassen, warum wir plötzlich wieder ins Hinterland zurückkehren.
Bei der Wildride entstehen absolut gar keine Probleme, immerhin stimmt es ja sogar, dass sie ein aufgebrachtes Kaperschiff ist und laut unseren Geheimdienstberichten zählt die Herkules, also unsere Blight in der Allianz nicht als verloren, sondern als noch auf Feindfahrt. Ihr Vorstoß hinter unsere Linien sollte wohl länger dauern. Hier müssen wir den Verlust ihres Begleitschiffes, der Zeus erklären.“
Nach dieser Zusammenfassung legte Cox eine Pause ein, um die Informationen ein wenig sacken zu lassen, ehe er mit den neuen Erkenntnissen begann.
„Da Pottwal-Tender wie die Deliverance ja bekanntlich auch im Dienste der Allianz stehen, gelang es mir hier sehr schnell, einen Treffer zu erhalten. Die AAS Avalon ist irgendwo an der Front verschollen und man wartet in der Allianz auf ihre Rückkehr. Es dürfte kaum jemandem auffallen, dass die Deliverance ein anderes Schiff ist, weil sie aus der gleichen Werft stammt, wie die Avalon.
Das größte Problem stellten erwartungsgemäß die beiden Fregatten dar. Es ließ sich kein Schiff finden, dass der Bremen oder der Kiel auch nur annähernd ähnelte. Ich habe also ein paar Leute überredet, einen anderen Trick anzuwenden. Der TFSD hat dem Geheimdienst der Allianz Berichte zugespielt, die den Verlust der beiden Fregatten meldeten. Die Bremen und die Kiel gelten von unserer Seite aus offiziell als von der Allianz aufgebracht. Bis ein Allianz-Schiff die Unwahrheit bemerkt, sind wir längst außerhalb seiner Operationsreichweite. Diese Tarnung ist zwar nicht sehr gut, aber allemal ausreichend. Mehr kann ich ihnen leider nicht bieten.“
Timo nickte zufrieden. „Ich denke, das wird reichen. Wir wollen ja keine Gesprächsrunden eröffnen, sondern so schnell wie möglich rein und wieder raus. Was hältst du davon, Amy?“
Offensichtlich unentschlossen wiegte die junge Frau ihren Kopf. „Es hält keinem zweiten Blick stand. Ich halte die ganze Mission für ein Himmelfahrtskommando. Das Flottenkommando muss wirklich verzweifelt sein, wenn sie so etwas riskieren. Aber das, was Agent Cox ... was Tim zusammengestellt hat, wird wohl das Beste sein, was wir machen können.“
Timo nickte. „Gut, dann werde ich für zwölf Uhr eine letzte Offiziersbesprechung mit allen Flottenoffizieren ansetzen und sofort im Anschluss suchen wir uns ein Schlupfloch, um die Front hinter uns zu lassen. Noch heute stoßen wir in feindliches Gebiet vor. Ich schlage vor, sie legen sich noch ein wenig schlafen.“
Amy nickte. „Aye. Und du?“
„Oh, ich werde mal ein wenig durchs Schiff gehen, mit ein paar Leuten reden, meine Ansprache an die Mannschaft vorbereiten und mal gucken, wer auf der Brücke Wache schiebt.“
„Carlyle und Nelson.“, warf Cox ein. „Ich war vorhin kurz dort, um mich auf der Gettysburg zurück zu melden.“
Timo lächelte. „Umso besser, dann werde ich mich ein wenig zu den beiden Fähnrichen gesellen und mal schauen, was sie so gelernt haben. Das wäre dann erst mal alles. Wir sehen uns bei der Besprechung wieder.“
Cox stand auf, verabschiedete sich knapp und verließ den Raum. Auch Amy stand auf, küsste Timo zärtlich und verschwand dann wieder in ihr Bett.
Der junge Deutsche schlüpfte in seine Uniform und betrachtete sich kurz im Spiegel. Sein Vater wäre stolz auf ihn, wenn er ihn in dieser Uniform sehen würde und seine Mutter würde vermutlich vor Rührung und Sorge weinen. Was würden seine Eltern wohl sagen, wenn sie wüssten, wohin er unterwegs war? Oder wenn er nicht zurückkehrte und man ihnen mitteilen würde, er sei gefallen. Sie würden nie erfahren, wo und warum er ums Leben kam und es würde keine Auszeichnung geben, nichts, woran sie sich klammern konnten.
Er seufzte. Es schien, als hätte Timo keine Wahl, als am Leben zu bleiben. Gemächlich machte er sich auf den kurzen Weg auf die Brücke.

Wenn Nelson überrascht war, Timo zu so später Stunde auf der Brücke zu sehen, verbarg er diese Überraschung ausgesprochen gut. „Kapitän auf der Brücke!“, meldete er pflichtbewusst.
Die Nachtwache nahm Haltung an, aber Timo winkte ab. „Meine Herren, gewöhnen sie sich das langsam ab. Das Protokoll ist für Admirale und andere hohe Tiere, nicht für Kapitäne, die auf der Brücke praktisch wohnen.“
Einige der Leute grinsten, Nelson und Carlyle taten es ihnen gleich, aber man sah ihnen an, dass sie den Witz nicht so ganz verstanden hatten.
Timo trat zu den Beiden und ließ seinen Blick über die Anzeigen schweifen. „Fähnrich Nelson, wie läuft die Wache?“
Der Junge war diese Frage mittlerweile gewohnt, Timo inspizierte des Öfteren die Wachen, vor allem dann, wenn Fähnriche Dienst schoben. „Nichts Besonderes, Sir. Aus dem Vorschiff wurde eine Schlägerei gemeldet, aber die Unteroffiziere haben die beiden Streithähne sofort getrennt und jetzt ist wieder alles ruhig.“
„Haben sie nachgefragt, warum es zu dem Streit kam?“, hakte der Kapitän nach.
„Aye. Die beiden sind über eine lapidare Frage aneinander geraten und ich habe den direkten Vorgesetzten die Bestrafung überlassen.“, gab Nelson leicht unsicher zurück.
Timo wanderte ein wenig über die Brücke und sah hinaus durch das Brückenfenster auf die Schiffe seiner Flottille. „Fähnrich Carlyle, hätten sie auch so gehandelt?“, wandte er sich dann an das junge Mädchen, das einmal einen Offiziersposten bekleiden sollte.
„Sir, ich glaube schon. Die Unteroffiziere waren vor Ort und wissen besser als ich, was genau passiert ist. Ich glaube nicht, dass dieser Vorfall mehr als einen Eintrag im Logbuch wert war.“
„Gut, sie beide lernen schnell. Trotzdem sollten sie immer aufpassen, was die Leute unter ihrem Kommando treiben. Eine größere Schlägerei, Diebstahl, Anschuldigungen, all das ist gefährlich für die Moral der Soldaten. Und nichts ist gefährlicher, als eine unruhige Crew an Bord.“
Diesen Worten folgte ein Schweigen, das Timo nutzte, um seine Wanderung zwischen den einzelnen Stationen hindurch fortzusetzen. „In wenigen Jahren, vielleicht schon viel früher, werden sie selbst Menschen kommandieren und die Verantwortung für diese Leute tragen. Ich hoffe, die beherzigen dann einiger der Ratschläge, die wir ihnen hier geben.“
„Sir, noch ist viel Zeit.“, antwortete Amanda Carlyle. „Wir haben noch zwei Jahre an Bord vor uns, danach dann fünf Jahre auf der Akademie und erst dann werden wir als Wachoffizier auf ein Schiff versetzt. Wir haben also noch sieben bis acht Jahre zum Lernen.“
Nelson pflichtete ihr bei. „Sie hat Recht. Noch besteht gar nicht die Gefahr, dass wir dieses Wissen anwenden müssen.“
Timo schüttelte den Kopf. „Nein, sie irren sich beide gewaltig. In der Rangfolge stehen sie auf diesem Schiff direkt unter den Wachoffizieren. Wenn also nun die Wachoffiziere ausgeschaltet sind, liegt die Verantwortung für dieses Schiff in der Tat bei ihnen, bis die anderen Schiffe Ersatz schicken können. Im Extremfall müssen sie also ein Schlachtschiff in einem Gefecht kommandieren können. Gerade bei unserem Mangel an Offizieren ist diese Situation gar nicht so abwegig.“
Die beiden Fähnriche dachten über Timos Einwand nach. Sie waren beide noch Kinder, schoss es ihm durch den Kopf. Sollten sie die Gettysburg kommandieren müssen, dann stand es wirklich schlimm um die Flottille.
„Aber würde in diesem Fall nicht einer der erfahreneren Leute auf der Brücke das Kommando übernehmen?“, wollte Carlyle wissen und eine gewisse Beruhigung kehrte auf ihr Gesicht zurück.
Der Großkapitän zuckte mit den Schultern. „Schon möglich. Aber sie sollten sich darauf nicht verlassen.“ Er sah auf die Uhr und lächelte. „Dann will ich ihre Wache nicht länger stören. Gute Nacht, Ladies und Gentlemen!“ Er grüßte flüchtig und ließ die Brücke hinter sich zurück, um Bryan McAngus aufzusuchen.
Der Senior-Feldwebel war der ranghöchste Unteroffizier an Bord und würde ihm sicher etwas über die Schlägerei sagen können. Normalerweise war solch ein Vorfall nicht der Rede wert, aber da der junge Kommandant nichts zu tun hatte, konnte sein Besuch bei dem schottischen Haudegen nicht schaden.
Als er nach einiger Zeit die Kabine von McAngus erreichte, hörte er Stimmen von Innen. Das hieß, dass der Senior-Feldwebel nicht schlief, umso besser.
Timo klopfte an und wartete, bis man ihn barsch hereinbat. Dann erst trat er in das verrauchte Innere.
Bryan McAngus saß mit zwei Unteroffizieren, die Timo nicht kannte, an einem Tisch und spielte Karten. Alle drei Männer rauchten, obwohl in den Quartieren eigentlich striktes Rauchverbot herrschte und eine Flasche Whiskey zeugte vom Charakter des Abends.
Als die Spielrunde den Kapitän erkannte, versuchten die beiden jüngeren Feldwebel hastig, ihre Zigaretten verschwinden zu lassen, nur McAngus zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt.
„Rauchen sie ruhig weiter.“, begrüßte Timo die Runde und ließ den Regelverstoß damit zu. Er hatte nichts davon, wenn er es sich mit diesen Leuten verscherzte. „Aber lassen sie das nicht auf die Mannschaften abfärben.“, ergänzte er grinsend. Dann zog er einen Stuhl heran und setzte sich in die Runde.
„Nabend, Käpt’n! So spät noch wach?“, brummte McAngus. „Was führt sie zu uns?“
Der Deutsche sah in die Runde und beschloss dann, mit offenen Karten zu spielen. „Ich will gar nicht lange stören. Ich habe nur zufällig von einer Schlägerei erfahren, die es im Vorschiff gegeben haben soll und wollte mich ein wenig umhören, was eigentlich los war.“
Mürrisch legte McAngus seine Karten verdeckt auf den Tisch. „Meine Männer haben das längst geklärt, Käpt’n. Nur ´ne Lappalie.“
Beschwichtigend hob Timo die Hände. „Ich wollte ihre Männer nicht kritisieren, McAngus. Ich wollte nur wissen, was passiert ist.“
„Zwei Geschützführer sind aneinander geraten. Sie waren der Meinung, ihr Geschütz würde besser schießen, als das des anderen und das hat sich ein wenig gesteigert. Und dann hat einer von denen seinem Kameraden eine auf die Schnauze gehauen. Und bevor es richtig losgehen konnte, ist ein Unteroffizier dazwischen gegangen. Ich hab die beiden Idioten für ein paar Extra-Schichten einteilen lassen, das schien mir zu reichen.“
Nachdem Bryan McAngus mit seinem Bericht geendet hatte, stand Timo auf und nickte billigend. „Ja, in Ordnung. Wie immer saubere Arbeit, Senior-Feldwebel. Ich will dann mal nicht länger stören.“
„Aye, Käpt’n. Eine gute Nacht wünsche ich.“, brummte der Schotte.
An der Tür hielt Timo inne. „Und sagen sie dem Streitschlichter, dass er seine Sache gut gemacht hat. Gute Nacht, meine Herren.“
Als die Tür sich hinter ihm schloss, lächelte der Kapitän zufrieden. Er mochte seinen Spieß und dadurch, dass er ihm heute freie Hand gelassen hatte und ihn noch bestätigt hatte, konnte er sich recht sicher sein, dass von Seiten der Unteroffiziere keine Gefahr für sein Kommando drohte. Er vertrat die Ansicht, dass man seine Untergeben nicht nur mit Autorität und Gewalt kontrollieren konnte, das führte auf Dauer nur zu Streit und Unruhen. Zeigte man den Leuten aber, dass man ihnen vertraute und beschränkte sein Eingreifen auf das Nötigste, waren sie loyal und eifrig.
Timo wünschte sich, er hätte mehr Leute wie McAngus an Bord.

Die Offiziersbesprechung am Mittag – mit ausnahmslos allen Offizieren der Flottille – erwies sich als bedrückend wortkarg und kurz angebunden. Timo erläuterte die Geheimdienstinformationen, ab und zu warf Cox etwas in die Runde, was die Ausführungen des Deutschen vertiefte und im Großen und Ganzen ertrugen die Männer und Frauen die halbe Stunde ruhig und gefasst. Mittlerweile war auch dem letzten klar geworden, auf was sie sich eingelassen hatten. Worauf sie sich hatten einlassen müssen.
Timo beförderte Peter Cosworth auf Grund seiner Funktion als Kommandant der Deliverance zum Oberleutnant, was kurzfristig die Stimmung ein wenig hob, aber letztlich war es Leutnant Laila Haugland, erster Offizier der Bremen, die ihre Aussichten zusammenfasste, als sie sich mit den Worten „Dann wollen wir mal zur Hölle fahren!“ verabschiedete.
Nur eine Stunde später stand Timo auf der Brücke der Gettysburg und blickte aus dem Fenster in Richtung des Schiffsbugs. Die Bremen, die Kiel und die Wildride trieben vor seinem Flaggschiff im Raum und ihre Triebwerke leuchteten bereits in einem kalten Blauton, bereit, jederzeit Fahrt aufzunehmen. Am Rande des Sichtfeldes brachte sich die Stormhammer in Position, um der Flottille einen Salut zu schießen, sie auf Feindfahrt zu verabschieden. Der junge Großkapitän sah die Blight und die Deliverance nicht, die sich hinter dem Schlachtschiff bereit machten, aber er wusste, dass auch ihre Maschinen hochgefahren wurden.
Ein kleines Display in der Armlehne seines Kommandantensessels hielt ihn über den Status seiner Schiffe auf dem Laufenden und er nickte grimmig, als er alle Teile seines Verbandes einsatzbereit sah.
Noch ein letztes Mal ging er den Plan durch. Zuerst würde ihr Kurs sie vom lebhaften Frontabschnitt Alpha wegführen, dann würden sie an einer ruhigeren Stelle in den feindlichen Raum einschwenken und drei Tage hinter der Raumgrenze wieder auf belebtere Routen schwenken. Eine Flottille, die sich durch unbevölkerte Regionen schlich, würde noch eher Aufsehen erregen, als eine Invasionsstreitmacht, die sich direkt auf die Heimatwelt zu bewegte. Danach kamen dann das große Bomben und der Rückzug mit Höchstgeschwindigkeit.
Timo räusperte sich und jeder Mann und jede Frau auf der Brücke sah ihn an, während er aufstand und in die Runde blickte. Alle seine Offiziere und das gesamte Brückenpersonal war anwesend und ihrer aller Blick ruhten auf ihm. Würde der junge Deutsche diese enorme Verantwortung tragen und sie sicher führen?
„Meine Damen und Herren“, begann er zu reden, „wir alle wissen, dass vor uns eine gefährliche Zeit liegt. Trotz allem werden wir mit jeder Minute, die wir uns fürchten, unsere Chancen verschlechtern. Die Zeit des Zögerns ist vorbei, jetzt kommt die Zeit des Handelns.“
Er unterbrach sich für einen Moment, dann wandte er seinen Blick nach vorne, in die Weiten des Alls. „Mister Sweeney“, sprach er seinen irischstämmigen ersten Steuermann an, „dann setzen sie die alte Dame mal in Bewegung.“
Bill Hardy brauchte keine Aufforderung, um Timo einen Kanal an die Flotte zu öffnen. „Großkapitän Krupp an alle Schiffe der Flottille: Formation einnehmen und Fahrt aufnehmen! Wir gehen siegen.“
Mit majestätischer Schwerfälligkeit setzte sich die Gettysburg in Bewegung, leicht schwenkend, um den Kurs einzunehmen. Lichtblitze vom Salut der Stormhammer begleiteten alle sechs Schiffe, als sie eines nach dem anderen Fahrt aufnahmen und an dem betagten Schlachtschiff vorbeizogen. Es würde das letzte Schiff der Föderation sein, das sie für eine lange Zeit sehen würden.

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Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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16.12.2359, 07:13 TNZ
Hoheitsgebiet der Äußeren Allianz
Peripherie-Route 752

„Unser siebter Tag hinter den Linien, der siebte Tag ohne Kontakt zu Freund und Feind. Damit haben wir eine Woche rum, liegen nur noch fünfzehn vor uns. Meine Damen und Herren, was haben sie zu berichten?“
Timo sah in die Runde und er erblickte leere Gesichter. Seine Offiziere sahen müde aus, abgekämpft und erschöpft, obwohl sie seit einer Woche eigentlich überhaupt nichts taten. Die Kommandanten der übrigen Schiffe waren per Video zugeschaltet worden und auch sie wiesen diese Anzeichen für Erschöpfung auf. Ob er selber auch so aussah?
„Auf der Blight ist alles ruhig, Sir“, begann Steve Randall. „Beinahe etwas zu ruhig. Ich bemühe mich, meine Leute mit Sport und Übungen abzulenken, aber die Aussicht auf weitere fünfzehn Wochen im Feindraum behagt mir nicht. Sonst keine Meldung.“
„Auf der Kiel sieht es genauso aus. Meine Crew steht das schon durch, Sir. Wir waren schon des Öfteren einige Zeit unterwegs. Wird dieses Mal wahrscheinlich härter, aber wir kommen klar. Keine weitere Meldung“, schloss von Coburg sich an. Der Mann war erfahren und wirkte ausgeruhter als der Rest der Runde. Vielleicht, schoss es dem Großkapitän durch den Kopf, war das der Vorteil von langjähriger Erfahrung.
Schmitz von der Bremen meldete sich nun zu Wort. „Bei uns ist alles ruhig. Wir hatten ein paar Probleme mit den Sensoren, aber das haben wir in den Griff bekommen. Einer meiner Unteroffiziere hat sich im Dienst betrunken und ist dafür bestraft worden, in Zukunft wird so etwas nicht mehr vorkommen, Sir. Keine weitere Meldung.“
„Alles klar bei uns, Chef“, kam es von Meyers auf der Wildride. Man merkte dem ehemaligen Piraten seine Herkunft schon an der Sprachweise an. „Was wir hier machen ist ja nicht neu für uns. Wird schon schief gehen. Keine Meldung.“
Blieb nur noch Peter Cosworth, als Kommandant mit dem niedrigsten Dienstgrad war der Oberleutnant als Letzter an der Reihe. „Sir, ich habe diese Woche fünf Leute bestrafen lassen wegen Mangel an Disziplin, Kameradschaft und Gehorsam. Langsam kommt aber so etwas wie soldatisches Verhalten zum Vorschein. Diese Crew muss viel lernen und ich bin dabei, ihr viel beizubringen. Keine weitere Meldung von der Deliverance.“
Timo nickte langsam und bedankte sich bei den Kommandanten. „Meine Herren, der Rest der Besprechung betrifft nur noch mein Flaggschiff, sie dürfen sich abmelden.“
Einer nach dem Anderen klinkten sich die Video-Teilnehmer aus und ließen den Deutschen mit seinem Stab zurück. Neben Timo und seinen vier Wachoffizieren saßen noch vier weitere Leute am Besprechungstisch: McAngus, der Spieß der Gettysburg, Sally Waters, die Chefin der medizinischen Abteilung, Olof Lundh, Psychologe, Seelsorger und Prediger des Schiffes und natürlich Special Agent Timothy Cox.
Als der letzte externe Teilnehmer abgeschaltet hatte, wurde es schlagartig lockere in der Runde, nicht wirklich familiär, aber eben auch nicht mehr streng militärisch.
„Amy, gib mir eine Übersicht über das Schiff!“
Als erster Offizier des Schiffes war Amy Smith für alle Belange der internen und externen Sicherheit verantwortlich. „Also, die Sicherheitslage ist entspannt. Wir hatten zwei Meldungen, eine Beschwerde und eine Bestrafung in einem Fall von Diebstahl mit niedrigem Sachwert. Die Waffen sind so gut gewartet, wenn wir sie noch einmal überprüfen, richten wir wahrscheinlich mehr Schaden an, als wir beheben. Vom Sicherheitsaspekt sind wir bei fast einhundert Prozent. Ich würde aber gerne nächste Woche eine Alarmübung ansetzen, hier bestehen noch leichte Mängel.“
„Einverstanden. Leutnant Borov, wie steht es um die Technik?“
„Bestens, Sir. Meine Leute haben den Antrieb mal wieder gewartet, das war längst an der Zeit, sämtliche Systeme arbeiten zur vollsten Zufriedenheit, für nächste Woche plane ich eine Überprüfung der Sensoren. Ich werde mich mit Leutnant Smith absprechen, wann ich dafür Zeit habe, um ihrer Übung nicht in die Quere zu kommen.“
„Sehr gut. Leutnant Fitzpatrick?“
Der junge dritte Offizier zeichnete verantwortlich für den Ausbildungsstand auf der Gettysburg und für den Drill der Soldaten. „Ich stimme Leutnant Smith zu, dass wir eine Alarmübung machen. Ansonsten halte ich den Ausbildungsstand der Crew für durchaus akzeptabel. Mein Ausbildungsplan für die nächste Woche kommt spätestens morgen auf ihren Schreibtisch, ich habe die geringen Mängel notiert und werde da entsprechend nachsteuern, Sir. Sonst nichts von mir.“
„Danke. Leutnant Ferro, ich hoffe ihr Personal-Bericht ist ebenso positiv“, wandte Krupp sich an seinen vierten Offizier, Isabella Ferro.
„Ich befürchte, ich muss sie enttäuschen, Sir“, antwortete die junge Spanierin. „Vier Versetzungsanträge, einige Ausfälle aufgrund leichter Krankheiten, ansonsten bemühen die Leute, soviel Freizeit wie möglich zu bekommen. Ich habe Urlaubsanträge auf meinem Schreibtisch von mindestens einem Drittel der Besatzung. Ich hatte sogar zwei Anträge auf Heimaturlaub. Ich gebe mir Mühe, das alles zu organisieren, aber ich muss ab und an jemanden etwas enttäuschen. Die Dienstpläne sind soweit aber fertig und ich muss nur noch mit Leutnant Borov absprechen, welche Ausbildungen ich hier aufnehmen muss.“
„Besser als nichts, Leutnant“, nahm Timo den Bericht lächelnd zur Kenntnis. „Sie schaffen das schon. Sally, wie steht es um die Gesundheit meiner Leute?“
Die oberste Ärztin des Schiffes war zwar über vierzig Jahre alt, aus irgendeinem Grund nannte sie aber fast jeder beim Vornamen und die ruhige und besonnene Frau hatte damit kein Problem. „Normal. Das heißt nicht besonders schlecht und nicht besonders gut. Ein paar Fälle von Durchfall, Fieber, Erkältungen, nichts Besonderes. Ich möchte allerdings noch einmal darauf hinweisen, dass die Küche dem Essen mehr Vitamine beifügen sollte.“
„Notiert. Ich rede mal mit dem Koch. Herr Lundh, die psychische Seite der Sache?“
Der Psychologe räusperte sich. Timo fragte sich immer wieder, was der gebrechlich wirkende Seelenklempner auf einem Kriegsschiff verloren hatte, zumal er noch nicht einmal Soldat war. Aber sein Handwerk verstand er. „Herr Krupp, noch geht es den Leuten gut. Langeweile hier und da, aber damit kommen sie klar. Wie das in vier oder fünf Wochen aussieht und ob es noch ganze fünfzehn Wochen gut geht, kann ich momentan nicht sagen. Ich weiß aber, dass Menschen in Isolation irgendwann dazu neigen, durchzudrehen. Gewalttätigkeiten, sexuelle Übergriffe, Meuterei, ernsthafte psychische Schäden ... die Liste ist lang. Und ja, Isolation kann auch auf ein Raumschiff mit mehreren tausend Menschen zutreffen. Früher oder später werden einige Leute an Bord Abwechslung wollen und dann fängt es an. Ich empfehle, die Leute während dem Dienst und verstärkt auch in ihrer Freizeit beschäftigt zu halten. Sportturniere, Partys oder was auch immer mit dem militärischen Leben verantwortlich ist. Akut ist aber nichts zu berichten.“
Der Kommandant nickte und bedankte sich, ehe er sich an seinen Spieß wandte. „Senior-Feldwebel, das letzte Wort gehört ihnen. Was gibt es zu berichten?“
„Nichts, Sir. Ich greife jetzt einfach mal den Vorschlag von Mister Lundh auf und werde ein paar Turniere organisieren. Fußball, Schießen und so einen Kram. Auf dem Schiff ist alles ruhig, ordentlich und harmonisch. Ich werde darauf achten, dass hier keine Disziplinlosigkeit einzieht, Sir.“
„Wunderbar. Dann möchte ich noch ein paar Worte verlieren. Zuerst einmal die schönen Dinge. Ich bin zufrieden damit, wie hier alles läuft. Ich kann mich auf fähige Offiziere und Unteroffiziere verlassen und das will etwas heißen. Sie bringen sich alle ein und ich habe gehört, dass auch aus der Crew Vorschläge für ein besseres Miteinander kommen. Das ist alles sehr erfreulich und drängt sogar die düsteren Prognosen über die Moral der Leute zurück. Weiter so.“ Der Deutsche pausierte, gab den Worten Zeit, einzuwirken, ehe er ernster wurde. „Nun zu den dienstlichen Themen. Leutnant Ferro, ich beabsichtige, unsere Fähnriche noch stärker in den Dienst zu integrieren. Wir sind knapp an Wachoffizieren und auch die jungen Leute müssen im Notfall hier Verantwortung tragen können. Setzen sie die Fähnriche auch mit schwereren Aufgaben auseinander und sorgen sie dafür, dass sie dabei einen fähigen Unteroffizier an der Seite haben. Sie halten mich über den Verlauf im Bilde!“
„Aye, Sir!“
„Nächster Punkt. Feldwebel Hardy ist längst für eine Beförderung überfällig. Wenn niemand von ihnen Einwände hat, werde ich ihn in zwei Tagen persönlich zum Hauptfeldwebel ernennen.“ Er sah in die Runde. Niemand meldete sich. „Gut, Amy, bekommst du das noch organisiert?“
„Klar, viel zu tun ist ja momentan nicht. Und es bringt die Leute vielleicht auf andere Gedanken.“
„Wunderbar. Das wär’s dann. Weitermachen wie gehabt und denken sie immer daran: Immer wachsam sein! Wegtreten!“
Einer nach dem anderen verließen die Leute die Kabine und ließen Timo mit Timothy Cox zurück, der immer noch auf seinem Platz saß. „Was liegt ihnen noch auf dem Herzen, Tim?“
„Eine wunderbare Demonstration von Harmonie, nicht wahr? Es klappt gut, sehr gut sogar.“
Krupp trat an ein Fenster, wandte dem Geheimdienstmann den Rücken zu und blickte in die Weite des Alls hinaus. „Darüber sollten wir uns freuen, oder?“
„Kommt es ihnen nicht komisch vor, Timo?“
Nachdenklich verschränkte der Deutsche die Hände hinter dem Rücken. „Vielleicht. Es scheint etwas zu perfekt. Aber ich bin kein Illusionist. Spätestens in zwei Wochen werden wir mehr Aufregung haben, als uns lieb ist, schätze ich. Trotzdem habe ich ein flaues Gefühl bei der Sache.“
„Wie läuft ihre Beziehung zu Leutnant Smith?“, wechselte den Agent das Thema.
Der Soldat wandte sich um und blickte seinem Gegenüber direkt ins Gesicht. „Warum fragen sie?“
„Was auch immer passiert, ich glaube, es ist wichtig, dass der Anführer dieses Himmelfahrtskommandos mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht.“
„Sie klingen fast so, als würden sie ihren Beruf verfehlt haben“, konterte Timo. „Wenn mich etwas belastet, dann ist es diese Passivität. Es klingt verrückt, aber ich fühle mich wohler, wenn um mich herum Waffenfeuer und Schlachtenlärm herrscht und es etwas zu tun gibt. Diese Stille, dieses unsägliche Warten, Schleichen und Nichtstun macht mir zu schaffen.“
Cox stand auf und wandte sich zum Gehen. „Wie jedem hier, Timo. Sie müssen nicht nur ihre Ohnmacht überwinden, sie müssen auch für ihre Mannschaft der Fels in der Brandung sein. Ich hoffe für uns alle, dass sie das schaffen. Sonst sind wir verdammt, bevor wir den ersten Gegner sehen.“ Dann verließ auch er den Besprechungsraum.

- - -

19.12.2359, 01:44 TNZ
Hoheitsgebiet der Äußeren Allianz
Peripherie-Route 752

Timo Krupp, mit dreiundzwanzig Jahren wahrscheinlich der jüngste Großkapitän der Föderation, hasste es, unsanft aus dem Schlaf gerissen zu werden. Noch mehr hasste er es, wenn Alarmsirenen dies taten. Und das taten sie in letzter Zeit viel zu oft.
Grell schrillten die Warnsignale durch den Rumpf der Gettysburg, fraßen sich in seine Ohren und brachten seinen Körper dazu, Unmengen Adrenalin freizusetzen, das ihn aus dem Tiefschlaf direkt in einen hellwachen Zustand katapultierte.
„Verdammte Alarmübungen“, knurrte er und schlüpfte in seine Uniform, die er extra für so einen Fall immer vor dem Schlafengehen griffbereit über einen Stuhl legte. Zehn Sekunden nach dem ersten akustischen Signal war Timo aus dem Bett und die ersten Rufe von Unteroffizieren gellten durch das Schiff. Nach zwanzig Sekunden war er in seiner Hose und Stiefel begannen, über die Gänge zu poltern. Nach einer halben Minute warf er sich die Uniformjacke über und stürmte, das Oberteil im Laufen zuknöpfend, die zehn Meter auf die Brücke, während auf dem ganzen Schiff die Soldaten aus ihren Schlafquartieren quollen.
Leutnant Borov war bereits auf der Brücke, er musste Wachdienst geschoben haben, und ordnete das Chaos der eingehenden Daten. „Kapitän auf der Brücke!“, brüllte jemand und der zweite Offizier der Gettysburg wirbelte zu Krupp herum.
„Großkapitän Krupp, die Sensoren der Wildride melden ein Schiff auf Abfangkurs. Ich habe Gefechtsalarm befohlen, Sir.“
Der junge Deutsche verzog das Gesicht. „Das habe ich mitbekommen. Keine Übung?“
„Keine Übung, Sir.“
Ungeniert fluchte der Kommandant und wandte sich seinem Datenschirm zu. „Lageübersicht, Leutnant Borov!“
Noch bevor der Offizier ansetzen konnte, betraten fast zeitgleich die anderen drei Wachoffiziere das Kommandozentrum und schwärmten an ihre Stationen.
„Die Wildride meldet nur einen Kontakt, scheinbar ein großer Brocken, hält direkt auf uns zu. Der Kennung nach AAS. Die Korvette fällt zu uns zurück, ich habe befohlen, Formation zu halten, um unsere Tarnung nicht durch Kampfformationen zu gefährden. Die Bremen liegt backbord voraus, die Kiel auf gleicher Position an Steuerbord. An Backbord hält die Blight unsere Höhe und die Deliverance folgt achteraus. Geschätzte Zeit, bis der Kontakt auf unseren Sensoren auftaucht ist eine Minute ab jetzt.“
„Danke, Leutnant, auf ihre Station. Leutnant Smith, sie haben das Kommando über die alte Lady. Berichte der Stationen jetzt.“
„Backbord-Batterien bereit nach drei Minuten, fünfzehn Sekunden.“
Fitzpatrick meldete nach Borov als Zweiter: „Steuerbord-Batterien bereit ... jetzt, drei Minuten, dreiundzwanzig Sekunden.“
„Jäger bemannt und bereit zum Ausschleusen nach zwei Minuten, fünfzehn Sekunden.“
„Alle Mann auf Kampfstation, Schiff komplett einsatzbereit nach drei Minuten und dreiundzwanzig Sekunden, Sir!“, bellte Amy. „Rest der Flottille meldet Kampfbereitschaft.“
Der Großkapitän sah auf den Radarschirm, auf dem gerade ein roter Punkt auftauchte. „Gerade in der Zeit. Ich will so schnell wie möglich einen Funkkanal zu dem Schiff und vorher hätte ich gerne eine Identifikation. Und schallten sie diese Sirenen aus!“
Die Hektik des ‚Klar Schiff zum Gefecht!’ wich nun einer angespannten, konzentrierten Ruhe, nur die wenigsten hatten jetzt noch mehr zu tun, als zu warten.
„Sir, ich habe eine Identifikation!“, meldete Bill Hardy, der erfahrene Brückenchef, den Timo erst gestern zum Hauptfeldwebel befördert hatte. „Ein Lancier-Kreuzer. Der Transponder-Kennung nach ist es die AAS Shogun. Dieses Schiff ist unserer Datenbank nicht bekannt. Kommunikationsreichweite in fünf, vier, drei, zwei, eins ... jetzt.“
„Öffnen sie einen Kanal!“, befahl Timo. „AAS Shogun, hier spricht Leutnant Krupp von der AAS Alamo. Was verschlägt sie ohne Geleitschutz in diese Gegend?“
Es rauschte in der Leitung, als am anderen Ende zu einer Antwort angesetzt wurde. „Ein Leutnant Krupp ist mir auf der Alamo gar nicht bekannt. Und ich dachte, ihr Schiff würde noch eine Weile an der Front bleiben.“
„Wir hatten Verluste. Ich bin erst vor vier Wochen auf dieses Schiff versetzt worden und nun sind wir auf dem Weg in die Werft. Mit wem spreche ich überhaupt?“ Timo verzog sein Gesicht vor Konzentration. Es galt, sich nicht zu versprechen und kein Zögern zu zeigen. Er hasste dieses Theater, aber es war notwendig, wenn sie lebend zurückkehren wollten.
„Hier spricht Oberleutnant Li. Wir sind auf dem Weg zur Front. Aber wir haben es nicht eilig. Wir können euch helfen, wenn ihr an Bord Unterstützung braucht.“
„Danke, aber wir kommen klar“, antwortete Timo. Dann weckte Hardy seine Aufmerksamkeit, weil er den Großkapitän zu sich heranwinkte und auf seinen Datenschirm zeigte. Was Krupp dort sah, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, meldete er an die Shogun. „AAS Alamo Ende und Aus.“
Nachdem die Kommunikationsleitung geschlossen war, sah er noch einmal auf den Bildschirm. Es gab eine Shogun. Nur führte der Computer sie noch als Schiff der Föderation. Und ein Oberleutnant Li war laut diesen Angaben ihr erster Offizier.
„Meine Damen und Herren, wir müssen davon ausgehen, dass dieser Kreuzer vor uns zum Feind übergelaufen ist. Ich kann nicht zulassen, dass die Allianz unsere eigenen Schiffe gegen uns ins Feld führt oder mit ihnen etwas durchführt, wie wir es hier versuchen. Wir müssen und wir werden dieses Schiff aufbringen.“
Stille breitete sich auf der Brücke aus.
„Befehl an die Wildride, die Bremen und die Kiel. Sie sollen sich aus der Formation lösen und langsam beschleunigen. Ich will, dass sie diesen Verrätern in den Rücken fallen können, wenn es losgeht. Die Deliverance soll sich bereit machen, die Jäger auszuschleusen, zeitgleich schicken auch wir unsere Jungs raus. Die Blight lässt sich langsam zurückfallen und bereitet sich auf Torpedo-Einsatz vor. Sobald die Shogun etwas bemerkt, und das wird sie sehr schnell, gehen wir auf Vollschub und gehen sie frontal an. Ausführung!“
Im Nu löste wieder Hektik die beinahe gespenstige Stille auf der Brücke ab, Befehle wurden gegeben, Sensoren und Übersichtsschirme spuckten piepsend neue Daten aus und die kleinen Symbole, welche die einzelnen Schiffe der Flottille darstellten, begannen, ihre Formation zu verändern.
Oberleutnant Li schien kein Dummkopf zu sein und musste wissen, was passierte, denn er versuchte gar nicht erst, Funkkontakt herzustellen. Stattdessen bremste er sein Schiff massiv ab und begann damit, es zu wenden.
Timo Krupp verzog das Gesicht zu einer Maske des Hohns. „Er kommt damit nicht weg. Alle Schiffe Vollschub, Ausführung wie geplant!“
Das dumpfe Dröhnen der Schiffstriebwerke wurde lauter, als die Gettysburg beschleunigte. Zeitgleich begannen Schwärme von Jägern die Sichtschirme zu bevölkern, als sie aus dem Rumpf des Schlachtschiffes, aber vor allem aus dem Rumpf der Deliverance schossen.
Auf dem Sichtschirm konnte der Großkapitän erkennen, dass die drei leichten Schiffe seines Verbandes bereits im Gefecht mit dem Kreuzer standen. Ein Torpedo der Blight jagte unter dem Flaggschiff hindurch und nahm Kurs auf sein Ziel. Einen kurzen Moment erinnerte sich der Deutsche daran, wie sehr diese Waffen einem Schiff zusetzen konnten. Dann aber schob er diese Zweifel beiseite, als der massige Leib des Schlachtschiffes sich langsam in Gefechtsreichweite schob.
Zwar war der Lancier-Kreuzer schneller als das große Schiff, aber sein Wendemanöver hatte ihn viel Zeit gekostet. Zu viel Zeit.
„Leutnant Borov, Leutnant Fitzpatrick, sie haben Feuer frei!“
Dumpf und bedrohlich bellten die Buggeschütze der Gettysburg auf, jeder auf der Brücke konnte sehen, wie einzelne Schüsse ihr Ziel fanden. Erneut detonierte ein Torpedo auf der Hülle des Kreuzers und auch die Jäger waren nun in Reichweite. Währenddessen begannen die Wildride und die beiden Fregatten, sich zurückzuziehen, um keinen ernsthaften Schaden zu riskieren.
„Leutnant Smith, drehen sie die alte Dame, geben wir ihnen mit einer Breitseite den Rest!“
„Aye, Sir“, kam die knappe Bestätigung. Dann ging das Schlachtschiff in einen majestätischen Schwenk über, noch immer unter Vollschub, und präsentierte dem angeschlagenen Kreuzer seine imposante Breitseite.
Fitzpatrick zögerte nicht lange und gab Feuerbefehle an alle seine Geschütze. Donner hallte durch den Rumpf, durchsetzt vom charakteristischen Zischen abgefeuerter Raketen. Die gewaltige Kraft hinter dem Angriff traf die Shogun wie ein Dampfhammer.
Der Kreuzer wurde auf ganzer Länge getroffen, Trümmer stoben vom Schiff in alle Richtungen weg, Sekundärdetonationen zeugten von getroffenen Waffensystemen. Das Feindschiff geriet ins Rollen und dann verlosch das Leuchten der Triebwerke.
„Feuer einstellen! Wir entern das, was von dem Kahn noch übrig ist!“, befahl Timo. „Direkt nach der Infanterie gehen Sanis und Techniker rüber und sichern unsere Prise. Fähnrich Nelson, bereiten sie eine Raumfähre vor, wir beide gehen uns vor Ort umsehen! Meine Damen und Herren, dieser Sieg ist unser!“
Jubel klang vereinzelt auf, aber aus irgendeinem Grund hatte Timo ein flaues Gefühl im Magen. Irgendetwas an der Sache kam ihm falsch vor.

Krupp und Nelson betraten das Schiff natürlich erst, nachdem die Infanterie es geentert und unter Kontrolle gebracht hatte. In der Zwischenzeit hatte der Großkapitän sich eine Übersicht über die zumeist geringen Schäden seiner Flottille und die Verluste an Menschen und Material verschafft. Es war nicht wirklich überraschend gewesen, dass sie im Flottillen-Verband gegen einen einzelnen Kreuzer derart triumphierten, aber etwas erleichtert war der junge Deutsche schon.
Warum wurde er nur dieses Gefühl nicht los, dass sie hier einen Fehler gemacht hatten?
Zischend öffnete sich die Luke der Fähre und Timo wurde wieder daran erinnert, warum die Sache stank. Nur wenige Meter von der Zugangsluke lagen zwei Tote Matrosen, sie trugen Uniformen der Föderation.
Ein Feldwebel der Gettysburg hatte Krupp und Nelson bereits erwartet und salutierte zackig. „Sir, die Shogun befindet sich unter unserer Kontrolle. Wir haben drei Lazarette eingerichtet und die Überlebenden in kleinen Gruppen inhaftiert und entwaffnet. Ein Leutnant Wöhler möchte mit ihnen sprechen.“
„Mit mir?“
„Aye, Sir. Mit dem ranghöchsten Offizier, sagte er. Ich hab ihm gesagt, Verräter wie er müssten warten.“ Der Soldat zögerte. „Er meinte, sie wären nicht desertiert, Sir.“
Der Deutsche verzog das Gesicht. „Wöhler sagten sie? Führen sie mich zu ihm!“
Als sie sich dem Infanteristen anschlossen, wandte der Fähnrich sich an seinen Vorgesetzten. „Sir, kennen sie den Gefangenen?“
„Ich befürchte fast, Mister Nelson, dass Leutnant Wöhler und ich unser Offizierspatent am gleichen Tag und als Kameraden der gleichen Ausbildungsgruppe empfangen haben.“ Er unterbrach seine Antwort, als er über einen Berg aus herabgestürzten Kabeln und Wandplatten stieg und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie seine Soldaten begannen, die Gefallenen zu bergen. Im Schiff leuchtete nur die spärliche Notbeleuchtung, der Geruch nach versengtem Fleisch und Qualm stand ihm permanent in der Nase und ab und an polterte, zischte oder knallte etwas.
Instinktiv wusste Krupp, dass sie die Brücke ansteuerten, obwohl er noch nie auf einem Lancier-Kreuzer gewesen war. Ein jedes Kriegsschiff glich dem anderen, sagte man sich.
Der junge Fähnrich schien sichtlich beeindruckt und erschreckt über die Schäden, die das kurze Bombardement hinterlassen hatte.
„Stellen sie sich vor, Fähnrich, dass sie hier Dienst tun. Zu dem Zeitpunkt, an dem diese Löcher hier gemacht werden. Verwundete schreien um Hilfe, es donnert, knallt und zischt dauernd etwas. Können sie in so einer Situation einen kühlen Kopf bewahren?“
Der junge Mann zögerte. „Ich bin mir nicht sicher, Sir.“
„Sie werden es müssen“, kam die Antwort. „Irgendwann werden sie in ein Gefecht geraten, dass nicht so glimpflich ausgeht wie dieses.“
Ein Schrei gellte durch das Schiff, voll von Agonie und Verzweiflung.
„Dann sind es ihre Männer oder sie selber, die auf den improvisierten OP-Tischen um ihr Leben kämpfen“, schloss Krupp, als sie das Kommandozentrum erreichten. „Danke, Feldwebel, sie können wegtreten und ihren Kameraden helfen!“
„Jawohl, Sir!“, bestätigte der Soldat salutierend und verschwand wieder in dem verwüsteten Gang, während Timo und der Fähnrich eintraten.
„Kapitän auf Brücke!“, brüllte jemand und die Soldaten der Gettysburg nahmen für einen Augenblick Haltung an, verhöhnten durch diese Geste die Gefangenen.
„Weitermachen!“, befahl der Deutsche und sah sich um. Der Kampf hatte hier kaum Spuren hinterlassen, nur die Tatsache, dass das Licht ausgefallen war und die Bildschirme tot waren, zeugte von den Treffern, die das Schiff hatte einstecken müssen.
„Timo?“, fragte plötzlich jemand aus der Menge und eben jener wurde aus seinen Gedanken gerissen. „Du bist es, mein Gott, was ist passiert?“
„Ich glaube, du kannst mir diese Frage besser beantworten, Karl.“
„Wir hielten euch für Schiffe der Allianz.“ Fassungslosigkeit schwang in der Stimme des Gefangenen. „Oberleutnant Li befahl die Flucht, als unsere Tarnung aufgeflogen zu sein schien. Aber...“ Er brach ab. „Den Rest kennst du.“
„Ist es nicht eher so, dass ihr übergelaufen seid? Dass ihr gemerkt habt, dass wir nicht die sind, die wir zu sein vorgaben? Dass es dir beim Namen Krupp nicht in den Ohren geklingelt hat?“ Zorn hallte in der Stimme des Deutschen mit, aber nun war er sich seiner Sache nicht mehr so sicher.
„Die Logbücher, die Marschbefehle, unsere Aufzeichnung, ... du kannst es dir alles angucken, es wird beweisen, dass ich die Wahrheit erzähle.“
Timo Krupp verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah durch das Panoramafenster über das verwüstete Schiff in den Weltraum. „Du bist der Ranghöchste hier?“, erkundigte er sich schließlich.
Wöhler bejahte. „Oberleutnant Li ist in sein Quartier gerannt, um Unterlagen zu vernichten. Dann wurden wir getroffen und ein Splittersprengkopf ist in seinem Zimmer detoniert. Es hat ihn förmlich zerrissen und unseren Dritten gleich mit. Ich war erster Offizier der Shogun. Du hast es weiter gebracht, wie ich sehe.“
Nachdenklich betrachtete Krupp seinen alten Freund und winkte dann einen Soldaten zu sich. „Sorgen sie dafür, dass der Leutnant ein Offiziersquartier auf der Gettysburg bekommt. Er soll sich frisch machen und in meinem Büro auf mich warten. Beginnen sie damit, die Gefangenen gleichmäßig auf die Flotte zu verteilen und die Verwundeten ebenso. Und dann bringen sie mir ein paar Techniker hierher, ich will auf der Brücke wieder Kontrollen und Übersichten haben.“
Als der Soldat sich Wöhler zuwandte und ihm befahl, aufzustehen, drehte der Leutnant sich noch einmal zu Timo um. „Ich sage die Wahrheit, Timo“, war das Letzte, was der Kapitän noch hörte, bevor die Türen sich hinter den beiden schlossen.
„Fähnrich Nelson!“
„Hier, Sir!“ Der Junge eilte herbei und trat neben Timo.
„Machen sie sich mit diesem Kreuzer vertraut und sorgen sie dafür, dass der Kahn schnellstmöglich wieder Antrieb, lebenswichtige Systeme und eine funktionierende Grundversorgung hat. Alle Anfragen für Material und Personal richten sie an Leutnant Smith, beziehungsweise die Kommandanten unserer Schiffe. Ich schicke ihnen ein paar fähige Unteroffiziere, die sie hier unterstützen.“
„Jawohl! Wie lange wird es dauern, bis meine Ablösung da ist, Sir?“
„Welche Ablösung? Ich brauche meine Wachoffiziere auf Schiffen, die kämpfen können. Wir sehen uns bei der Kommandantenbesprechung, wenn sie bis dahin ihre Kommunikationssysteme zurückhaben. Fähnrich Nelson, sie haben das Kommando!“ Timo wandte sich zur Tür und ließ einen sichtlich überfahrenen jungen Offizieranwärter zurück. Am Ausgang drehte er sich noch einmal um. „Noch eins, Fähnrich. Es könnte sein, dass sie die nächsten Tage nicht viel Schlaf finden werden, ich schicke ihnen eine Kanne Kaffee mit dem nächsten Reparaturteam.“ Dann verschwand er in Richtung Raumfähre und hoffte, dem jungen Nelson nicht zu viel zugemutet zu haben.

Als Timo durch die Türen seines Büros trat, war er nicht alleine. Neben Amy begleitet ihn auch Cox, dessen Wissen als Angehöriger des TFSD von unschätzbarem Wert in dieser Sache sein konnte. Karl Wöhler schien nicht damit gerechnet zu haben, denn in seinem Gesicht zeigte sich für einen Moment ehrliche Überraschung, als er sich zur Tür umdrehte.
„Leutnant Wöhler, nehmen sie gefälligst Haltung an, wenn der Kommandant den Raum betritt!“, blaffte der erste Offizier der Gettysburg.
Krupp, dem die ganze Situation ausgesprochen bizarr vorkam, ging grußlos an seinem Ausbildungskameraden vorbei und hinter seinen Schreibtisch, während Amy und Cox links und rechts des jungen Offiziers der Shogun Aufstellung nahmen. Er musterte Wöhler kritisch. Das Gesicht des Gefangenen war gewaschen und frisch rasiert, aber die Strapazen der letzten Stunden hatten sich in seine Züge eingebrannt und Verzweiflung sprach aus seinen Augen. Der Großkapitän war nicht abgeneigt, seiner Geschichte Glauben zu schenken.
„Leutnant Karl Wöhler, ihnen und ihrer Mannschaft wird Hochverrat und Fahnenflucht vorgeworfen, sowie Diebstahl eines Kriegsschiffes der Terranischen Föderation. Was haben sie dazu zu sagen?“
Der Offizier stöhnte, als hätte man ihn verprügelt. „Das ist nicht ihr Ernst, oder? Sie müssen doch die Logbücher geprüft haben. Die Aufzeichnungen, die ganzen Daten, alles eben. Da ist es doch bewiesen. Es war ein großes Missverständnis.“
„Ein Missverständnis? Ihr Missverständnis hat über dreihundert Menschenleben gefordert. Über dreihundert!“, blaffte Timo zurück. „Und in den Unterlagen wird eins deutlich: Die Shogun hat zu keinem Zeitpunkt verschlüsselte Signale übermittelt, die es uns erlaubt hätten, eine Mitgliedschaft in der Föderation auch nur zu erahnen!“
„Ach, so läuft der Hase. Es geht darum, wer die Schuld trägt, nicht wahr?“, gab Wöhler zurück. Er schien zu der Überzeugung gelangt zu sein, nichts mehr verlieren zu können. „Es ist leichter, dreihundert Verräter zu töten, als dreihundert Kameraden auf dem Gewissen zu haben, stimmt es? Also dürfen wir nicht die Guten sein. Jetzt verstehe ich, was das hier wird.“
„Großkapitän Krupp, dürfte ich sie kurz unter vier Augen sprechen?“, unterbrach Cox den sich anbahnenden Streit.
Timo nicht müde und zog sich mit dem Mann vom Sicherheitsdienst in eine Ecke des großzügigen Büros zurück. „Was gibt es, Tim?“, fragte er mit gedämpfter, aber trotzdem ungeduldiger Stimme.
„Ich glaube, der Mann hat Recht“, antwortete der Agent genauso leise. „An Bord der Shogun war auch eine Agentin vom TFSD. Sie bestätigt seine Ausführungen zu einhundert Prozent. Ich denke, ihr kann man trauen. Ich kann ihr trauen.“
„Das heißt, der TFSD, das heißt du wusstest von der Identität des Schiffes? Warum hast du mich nicht abgehalten, diesen Kahn zu Schrott zu verarbeiten?“
Cox zuckte mit den Schultern. „Nein, ich habe es nicht gewusst. Ich habe von niemandem auch nur eine Andeutung bekommen, dass noch andere Schiffe der Föderation hier draußen sind.“
„Was geht denn überhaupt hier vor sich? Diese ganzen Schiffe könnten an der Front viel sinnvoller gebraucht werden? Was denkt sich die Führung dabei?“
„Ich weiß es nicht. Ich bin auch gelinde gesagt irritiert. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Shogun in föderiertem Auftrag unterwegs war.“
Der Deutsche verzog das Gesicht und rieb sich mit den Fingern über die Augen. „Willst du das der Crew erklären? Dass wir Waffenbrüder auf dem Gewissen haben?“
„Wir könnten die Schuld auf Oberleutnant Li schieben“, gab der Agent zu bedenken. „Er ist sowieso tot und als Kommandant des Schiffes wäre es seine Pflicht gewesen, eine verschlüsselte Signatur mit ihrer wahren Identität zu übermitteln.“
„Nein, das hätten wir auch nicht getan. Wenn wir nicht wussten, dass noch andere Schiffe der Föderation hier unterwegs sind, werden sie es auch nicht gewusst haben. Und ich ziehe das Ansehen eines toten Offiziers nicht grundlos in den Schmutz.“
„Warum kommandierte er überhaupt das Schiff?“
Der Deutsche deutete ein Schulterzucken an. „Laut Logbüchern ist der Kapitän bei einem Landgang unmittelbar vor dem Beginn der Feindfahrt in einen tödlichen Unfall verwickelt worden. So etwas kann passieren.“
„Es kann, ja. Klingt aber nicht sehr plausibel.“
Timo deutete mit einem Kopfnicken in Richtung der beiden wartenden Leutnante und nachdem Cox signalisiert hatte, dass er fertig war, gingen die beiden wieder zurück zum Schreibtisch.
„Leutnant Smith!“
„Aye, Sir?“
„Folgender Tagesbefehl: Hiermit ordne ich eine eingehende Untersuchung des Zwischenfalls von 01:44 Uhr dieser Nacht an. Die Untersuchungskommission wird bestehen aus Special Agent Timothy Cox, Olof Lundh und Oberleutnant Peter Cosworth. Leiter der Kommission wird Kapitän Holger Schmitz sein. Allen Besatzungsmitglieder der TFS Shogun, gleichgültig welchen Dienstgrad oder Dienstposten sie bekleiden, wird hiermit befohlen, auf Fragen der Kommission, gleichgültig welcher Art, detailiert und der Wahrheit entsprechend zu antworten.“
Amy nickte. „Notiert, Sir.“
„Bis auf Weiteres ist die Besatzung der TFS Shogun als nicht schuldig in allen erhobenen Anklagepunkten anzusehen. Sie wird auf die übrigen Schiffe aufgeteilt und ist in den Dienstalltag zu integrieren. Ich behalte mir das Recht vor, die Anklage wieder rechtskräftig zu machen, sollte die Untersuchung eine Schuld der Besatzung nahe legen. Das Kommando über die TFS Shogun übernimmt Fähnrich Lian Nelson, der mit Wirkung zum ersten Januar 2360 zum Oberfähnrich zu befördern ist. Alle Schiffe der Flotte stellen seiner Besatzung ein Mitglied ab für jedes Mitglied der Besatzung der Shogun, dass ihnen zugeteilt wurde! Befehl Ende.“
Stille breitete sich im Büro aus, abgesehen von Amys hektischer Tipperei auf einem DataPad. Schließlich nickte sie. „Ich habe alles, Sir.“
„Gut, dann geben sie den Befehl bekannt und informieren sie alle direkt betroffenen Leute umgehend, Leutnant. Sie und Special Agent Cox dürfen wegtreten!“
Hinter den beiden Freunden glitt die Bürotür erschreckend lautlos zu und Timo warf einen Blick auf die dezente Digitaluhr, die ihn über die Terranormalzeit in Kenntnis setzte. Fast fünf Stunden waren seit dem Alarm in der Nacht vergangen, die Mannschaft musste mittlerweile beim Frühstück sein, sofern sie nicht im Tiefschlag lag. Der Schlagabtausch hatte alle gefordert und noch mehr würde es der Dienst in zahlenmäßig noch kleineren Crews in der Zukunft tun. Timo wusste aus Erfahrung, dass lediglich auf der Shogun niemand wirklich ruhen würde.
Erschöpft ließ er sich in seinen Bürosessel fallen und musterte den immer noch verbittert schweigenden Karl Wöhler. „Bist du wirklich so überrascht von mir, Karl?“
„Ich bin mir nicht sicher. Deine Karriere scheint etwas besser verlaufen zu sein, als meine, ich weiß daher nicht, wie ich in deiner Situation gehandelt hätte. Aber du hast mir mein Schiff weggenommen. Wenn du uns schon wieder integrierst, solltest du mir den Kreuzer überlassen.“
Der junge Großkapitän schüttelte den Kopf. „Nein, dass kann ich aus zwei Gründen nicht. Erstens steht ihr offiziell noch immer unter Verdacht, da kann ich dir kein Kommando lassen, auch nicht wegen unserer Vergangenheit. Und zweitens ist dein Schiff momentan nur ein Haufen Schrott. So lange die Shogun nicht wieder einsatzbereit ist, brauche ich die wenigen Brückenoffiziere, die ich habe, auf Schiffen, die kämpfen können.“
„Bleibe ich auf der Gettysburg?“
„Das entscheide ich später. Nachdem ich mich geduscht habe und Frühstück im Bauch habe. An Schlaf wird heute nicht mehr zu denken sein. Ich schlage vor, du gehst in dein Quartier und wartest einfach ab. Und an Essen solltest du auch denken, die Nacht war lang.“
Wöhler nickte und stand auf. „Lass dir nicht zu viel Zeit. Ich hasse Untätigkeit.“ Er salutierte angedeutet und ging ohne ein weiteres Wort.
Zurück blieb ein junger Offizier, der die Last der Verantwortung so deutlich auf seinen Schultern spürte, wie nie zuvor.

__________________
Ama-e-ur-e
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is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

15.04.2008 22:50 Thorsten Kerensky ist offline E-Mail an Thorsten Kerensky senden Beiträge von Thorsten Kerensky suchen Nehmen Sie Thorsten Kerensky in Ihre Freundesliste auf
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