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Dirty Harry Dirty Harry ist männlich
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Bis zum Sieg


1.

CJS Turkinas Stolz , Flaggschiff der Raumflotte Clan Jadefalkes
Nadirsprungpunkt über Leskovik
Jadefalkenbesatzungszone

25. August 3067


Marthe Pryde legte endlich den Compblock weg und rieb sich ihre schmerzenden Schläfen. Sie wusste, sie sollte nicht bis um drei Uhr in der Frühe über ihrer Arbeit sitzen, aber leider erledigte sich der Papierkrieg nicht von alleine. Wie sehr wünschte sie sich eine PPK auf den ganzen bürokratischen Wahnsinn richten zu dürfen und abzudrücken ...

Sie war auf einer Inspektionstour durch die Besatzungszone in der inneren Sphäre. Sie überprüfte den Zustand ihrer Truppen und erhielt pflichtgemäß von jedem Galaxiscommander und jedem Sternencolonel einen detaillierten Bericht über die Gefechte der jeweiligen Einheit in der letzten Zeit, über die Ehre, die sie erringen konnten, aber auch über die Verluste, die sie hatten hinnehmen müssen. In allen Berichten spiegelte sich wieder, was sie ohnehin schon wusste:
Ihre Truppen waren wieder einsatzbereit.

Wieder, bemerkte sie verbittert und lehnte sich zurück. Sie fand es bedauerlich, dass sie ihre Verbände erst wieder auf Einsatzstärke hatte bringen müssen, bevor sie zu ihrem eigentlichen Schlag hatte ausholen können. Einem Schlag, der dann so nicht mehr gekommen war, wie sie ihn sich gewünscht hatte ...

Zwei Jahre war das Ende des Kampfes nun schon her. Es war die letzte Invasion in den Raum der inneren Sphäre, der letzte große Konflikttest gegen erfahrene Truppen an denen sich ihre Krieger hatten messen und erproben können. Doch er war anders verlaufen als sie es je erwartet hätte. Ihre Gedanken glitten wieder in jene Tage zurück, während sie ihrem schmerzenden Kopf eine Auszeit gönnte.

Vor annähernd drei Jahren hatte sie zugesehen, wie ein Bürgerkrieg die beiden ehemals mächtigen und militärisch starken Sternenreiche der lyranischen Allianz und der vereinigten Sonnen verwüstete. Sie hatte zugesehen, wie sich die schlimmsten Alpträume Nicholas Kerenskys bewahrheiteten. Aber als Kreuzritter sah sie es nicht als ihre Aufgabe an dazwischen zu gehen oder etwas dagegen zu unternehmen. Sollten sich doch die Bewahrer beweisen, wenn sie gemäß ihrer Devise die Feinde des Sternenbundes von außen und von innen bekämpfen wollten.

Als Clankrieger widerte sie die aberwitzige Verschwendung vor ihrer Nase an, doch als Khanin hatte sie auch die taktischen Möglichkeiten zu berücksichtigen, die sich ihr dabei boten. Während immer mehr Freigeburtstruppen ihre Loyalität zum einen oder anderen Surat von einem Regenten bekannten und immer mehr Regimenter in einen sinnlosen Bruderkrieg geworfen wurden, wurden die Verteidigung der Grenzen zu ihrem Territorium immer brüchiger. Sie musste annehmen, die Archon glaube, die Jadefalken wären im Winterschlaf oder in der Mauser, wenn sie das so ungehindert hinnehmen würden. Doch das waren sie nicht. Sie waren hell wach und beobachteten die Situation sehr genau.

Im April 3064 begann der Angriff auf die Grenzwelten der lyranischen Allianz. Sowohl kern- als auch randwärts stießen ihre Krieger vor und wurden kaum von den Verteidigern der Systeme gebremst. Zugegeben, sie hätte sich etwas mehr Widerstand gewünscht um ihre Truppen zu testen und im Kampf zu schärfen. Doch die Einnahme weiterer lyranischer Systeme und ihrer Ressourcen war nur ein angenehmer Nebeneffekt, ein Vorgeplänkel vor ihrem eigentlichen Ziel. Sie hatte anderes geplant. Sie hatte den Arc-Royal-Defensiv-Kordon in die Zange nehmen wollen um ihn dann so fest wie möglich auszupressen. Wenn der letzte Tropfen Verräterwolfsblut aus ihm herausgelaufen wäre, hätte sie sich endlich einer ihrer größten Bedrohungen entledigt. Die Jadefalken lagen seit dem Exodus der Verräterwölfe wie zwischen Hammer und Amboss beider Wolfsfraktionen. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass sich beide wieder vereinten, dann würde es ihren Falken schwer fallen den resultierenden Zweifrontenkrieg zu überstehen. Daher wäre für sie schon einiges gewonnen gewesen, wenn die drei Galaxien der Bewahrer nicht mehr existieren würden.
Doch es sollte alles anders kommen, nachdem sie Melissia überrannt hatten.

Die bisherige Kommandantin des Melissiatheaters war eine törichte Närrin gewesen. Sie hatte ihre Truppen auf die Zentralwelt zurückfallen lassen und geglaubt, dass die Falken sich dort an ihrer kleinen Festung die Zähne ausbeißen würden. Doch sie hatten ihr etwas anderes bewiesen und die Generalin war gefallen. Der Untergang der einen hatte jedoch einen fähigeren Gegner entfesselt und er – zusammen mit unerwarteter Unterstützung aus den verfeindeten vereinigten Sonnen – eroberte Welten von ihrem Clan zurück und grub sich mit seinen Truppen tief in ihre Besatzungszone, was zunehmend ihre Versorgungslinien gefährdete. Verschiedene Attacken seitens der wahren Wölfe, die sich bemühten die Situation auszunutzen, konnten hingegen abgewehrt werden, doch es hatte zusätzliche Truppen in einer Fehde gebunden, die keinem etwas gebracht hatte. Schlimmer noch. Es waren genau die Truppen gewesen, die sie für den weiteren Vormarsch in die Allianz gebraucht hätte.
Schlussendlich sah sie sich gezwungen, die Invasion unter dem Vorwand eines nicht genehmigten Vernichtungstest der Falkengarde und des extrem unehrenhaften Verhaltens ihres Sternencolonel Ravill Pryde zu beenden.

Aber wenn sie der Wahrheit ins Auge blickte, erkannte sie, dass die bedeutendsten Gründe für den Abbruch der Offensive an einer ganz anderen Stelle zu suchen waren. Die Offensive auf die Allianz hatte sie mehr Truppen gekostet als ihr eigentlich recht sein konnte. Sie brauchte nicht mehr zum Compblock zu sehen, um sich die Zahlen in Erinnerung zu rufen. Sie wußte sie auch so. Sie hatte während der verschiedenen Gefechte fast vier Sternhaufen Truppen verloren. Fast eine ganze Galaxie! Schlimmer noch, zwei ihrer Kriegsschiffe, von denen sie schon zuvor nicht allzu viele hatte, waren entweder an die Verräterwölfe gefallen oder im Kampf verloren gegangen. Auch wenn sie eigentlich die Nase über die Raumflotte rümpfte, so konnte sie deren Notwendigkeit im Gleichgewicht der Mächte nicht übersehen. Gleich zwei von nur 22 Schiffen zu verlieren war ein harter Schlag. Aber auch die Verluste an Mechkriegern und Mechs lagen inakzeptabel hoch. Sie hatte zwar vor dem Feldzug bereits Verstärkungen und Nachschub angefordert, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie beides so bald brauchen würde. Inzwischen war zwar die Versorgung da und die Truppen wieder auf Sollstärke, aber während der Invasion war das zu ihrem Leidwesen nicht der Fall gewesen.
Doch sie hatte auch andere Sorgen. Eine der drängendsten war die neue Grenzziehung, insbesondere im randwärtigen Bereich der Besatzungszone. Wo früher eine klare Grenze war, griffen nun beide Territorien tief verzahnt ineinander, einige Enklaven waren sogar völlig abgeschnitten. Das Halten dieser Grenzziehung stellte sie vor einen Alptraum, da sie massenweise Truppen zum Garnisonsdienst abstellen musste, aber ein Aufgeben ihrer Eroberungen kam nicht in Frage. Wenn sie es sich genauer überlegte, war es eine generelle Schwäche der Invasion. Gekommen waren sie als aggressive Angreifer, mit der Absicht die verkommene innere Sphäre zu überrollen und den Sternenbund neu zu errichten. Doch mittlerweile waren sie nur noch defensive Verteidiger, die ihre neu erworbenen Besitzungen mit Unmengen an Truppen verteidigen mussten. Sie schnaubte verächtlich, wenn sie daran dachte, dass einige Clans sogar schon die schlechten Angewohnheiten der inneren Sphäre übernommen hatten. Allen voran natürlich ihre lieben Nachbarn, die Wölfe, die unter Vladimir Ward zu Intrigen und anderen unehrenhaften Aktionen tendierten. Aber was sollte man schon anderes von ihnen erwarten?
Trotzdem. Wie sie es auch drehte, sie brauchte in der Zwischenzeit mehr Galaxien zur Verteidigung als sie zum Angriff bereitstellen konnte. Sie waren nun mal nicht die Geisterbären, die gleich mit allen 13 Galaxien in die innere Sphäre umgezogen waren. Sie waren die Jadefalken und sie hatten nur 7 Galaxien hier, wenn sie nicht ihre Heimatwelten oder die Besitzungen und Routen in der Peripherie vernachlässigen wollten. 7 Galaxien und von denen konnte sie nur noch 3 bis 4 zum Kampf freistellen!
Je länger sie darüber nachdachte, um so mehr erschien ihr die Invasion wie ein Pyrrhussieg, erst recht nach dem Ende der letzten Angriffswelle.
Wie hatte es ihre Sakhanin bereits treffend zusammengefasst? Sie hatten hart und schnell zugeschlagen, aber nicht hart und nicht schnell genug um nicht ihrerseits geprügelt zu werden.

Als das Vidcom auf ihrem Schreibtisch auffiepte, riss es sie aus ihren trübseligen Gedanken. Marthe setzte sich auf, machte aber keinen Hehl daraus, dass sie im Moment lieber nicht gestört worden wäre.
„Weswegen stören sie mich? Es ist drei Uhr in der Nacht“, blaffte sie ihr Gegenüber an. Als sie das Gesicht auf dem Vidcom erkannte, verfinsterte sich ihre Miene noch zusätzlich. Es war Sternencaptain Joern, ihr Verbindungsoffizier zur Wache hier an Bord des Cameron -Kreuzers. Die Wache war eine weitere jener Notwendigkeiten, die sie von der inneren Sphäre gelehrt bekommen hatte. Die Wache war das Äquivalent eines Geheimdienstes, der die Bewegungen in der inneren Sphäre unter Beobachtung hielt, jedoch nicht nur dort. In der Besatzungszone hatte es sich gezeigt, dass sie auch ihre eigenen Leute übewachen musste. Welchen Grund auch immer es gab, dass sich die Wache direkt an sie wandte, es konnte kein guter sein. Erst recht nicht um diese Uhrzeit.
„Meine Khanin, es hat sich etwas ergeben, wovon sie unterrichtet werden müssen“, erklärte der Offizier.
„Um drei Uhr in der Nacht?“, hakte Marthe nach.
„Pos. Es drängt“, konterte der Sternencaptain. Eine Angelegenheit, die um diese Uhrzeit vorgetragen werden musste, konnte nicht gut sein. Verärgert ließ sie den Mann sprechen.
„Meine Khanin, es sind wiederholt Berichte aufgetaucht, dass ein Sternencolonel Brien Truppen um sich sammelt.“
„Er sammelt Truppen um sich? ER?“, fragte Marthe Pryde ungläubig. Das Ausheben neuer Verbände lag nicht im Ermessensspielraum eines Sternencolonels und dass sie ihm ohne Besitztest einfach so zuliefen war auch nicht zu glauben.
„Pos“, bestätigte der Verbindungsoffizier dennoch.
„Was sind das für Truppen?“
„Nach unseren Erkenntnissen handelt es sich bei den Einheiten, die er um sich scharen konnte um Teile seines eigenen Sternhaufens, aber auch um Teile anderer Verbände, die in der Offensive nicht zum Einsatz gekommen sind. Es sind zumeist Truppen aus dem randwärtigen Bereich unserer Operationszone.“
„Und was hat er mit diesen Truppen vor? Wohl kaum einen Putsch, franeg?“
„Neg. Wir sind uns sicher, dass er andere Ziele verfolgt. Wir gehen davon aus, dass er seinerseits Ruhm ernten will, indem er eine unauthorisierte Aktion gegen ein lyranisches System startet.“, erklärte der Offizier.
„Wo befindet sich der Sternencolonel im Augenblick?“, wollte Marthe wissen und rief auf dem Compblock eine holographische Karte der Besatzungszone auf. Je nachdem wo er zuschlug, konnte seine Aktion sehr ernste Konsequenzen für die gesamte Besatzungszone der Jadefalken haben.
„Unsere letzte Meldung lokalisiert ihn im Beta-VII-System.“ Marthes Blick huschte zur randwärtigen Grenze der Besatzungszone. Ausgerechnet in einen der labilsten Bereiche ihres Einflussbereichs.
„Wo hat er zuvor seine ... Truppen angeworben?“, wollte die Khanin wissen. Die letzten Worte hatten ihr gar nicht über die Lippen kommen wollen. Es roch hier nach Rebellion und Verrat.
„Wir haben Bestätigungen von Apollakia, Baker 3, Derf, Denitzli, Here und Wotan“ Marthes Blick folgte den aufgezählten Systemen. Alle lagen so tief in der Besatzungszone, dass die dort stationierten Truppen während der Invasion kaum Ehre für sich hatten beanspruchen können.
„Und über wie viele Krieger verfügt er?“
„Das können wir nicht eindeutig bestätigen, aber wir gehen nach unseren ersten Berichten von etwas mehr als einem Sternhaufen Mechs und Elementare aus. Möglicherweise verfügt er zusätzlich über bis zu drei Sterne Luft-/Raumjäger.“ Marthe hatte nicht gedacht, dass sich so viele von der Aussicht auf schnellen Ruhm zu einem verräterischen Ehrverlust hinreißen lassen konnten. Es war ein nicht zu unterschätzendes Kontingent an Truppen und ein wichtiges Indiz für die Moral dieser Einheiten.
„Hat es irgendwelche Meldungen über seine Absichten gegeben, frapos?“
„Neg, meine Khanin. Wir gehen jedoch davon aus, dass Sternencolonel Brien an einer Mehrung des Ruhms Clan Jadefalkes arbeitet.“ Marthe grunzte verächtlich. Unvorsichtig vorgetragen konnten die im Wiederaufbau befindlichen Regimenter Haus Steiners auf die Idee kommen, ihren Gegenschlag gegen die Jadefalken fortzusetzen, womöglich in den Enklaven und Ausbuchtungen ihrer Neueroberungen. Andererseits, wenn er klug und nicht nur karrieregeil war, würde er die unmögliche Grenzziehung ihrer Besatzungszone glätten, was wiederum Truppen freistellen und die Jadefalken wieder beweglicher machen würde.
„Wie soll diese Mehrung des Ruhms ihrer Meinung nach ausfallen?“, fragte die Khanin angespannt.
„Meine Khanin, der Sternencolonel steht in unmittelbarer Sprungreichweite zu einer Hand voll vom Feind gehaltener Welten. Die nächstgelegenen Ziele wären der Sprungpunkt im Malibusystem, Butler, Schwarzerde und Roadside. Mit zwei Sprüngen könnte er sogar bis nach Twycross oder Mogyorod vordringen.“
„Nur ein Narr würde sich noch für Twycross interessieren. Ich bin froh, dass ich diesen Felsbrocken aus meiner Gleichung streichen kann.“, griff die Khanin den Nachrichtendienstler an, „Aber wenn er bis nach Mogyorod fliegen kann ...“
„Meine Khanin, wie sollen wir reagieren? Sollen wir ihn aufhalten?“, brachte der Mann seine drängendste Frage vor. Marthe dachte scharf nach, auch wenn ihr schmerzender Kopf nur unter Protest darauf reagierte.
„Von welchen Truppenaufstellungen wissen wir auf der anderen Seite der Grenze?“, wollte sie wissen.
„Es hat sich einiges getan, seit der Bürgerkrieg zu Ende ist. Viele Verbände sind in ihr Ursprungsgebiet zurückgekehrt, soweit sie überhaupt noch existieren, andere werden durch die immer noch auf vollen Touren laufenden Waffenfabriken überall in der lyranischen Allianz und im vereinten Commonwealth wieder auf Sollstärke gebracht ...“
„Grenzen sie es auf die Welten ein, die als Angriffsziele wahrscheinlich sind“, unterbrach ihn die Khanin. Der Mann nickte und überblickte einen eigenen Compblock bevor er ihr einen knappen aber detaillierten Bericht lieferte. Zu erkennen war, dass der neue Steiner auf dem Thron sich zielstrebig wieder den Jadefalken als schlimmster Bedrohung zuwandte. Es schien so, als hätte er ihnen ihre Invasion nicht vergessen. Überall entlang der Grenze waren Regimenter und Regimentskampfgruppen stationiert worden, wobei die leistungsstärkeren Kampfgruppen eher im kernwärtigen Bereich zu finden waren. Doch das war unerheblich. Was den Regimentern an der randwärtigen Grenze an allgemeiner Truppenstärke fehlte, machten sie durch schiere Zahlenstärke wett. Auf fast jeder Grenzwelt stand mittlerweile ein Mechregiment mit Unterstützung. Ein Angriff auf eine dieser Welten würde einem Kampf mit sehr niedrig gebotenen Truppen entsprechen, ein Angriff auf eine Regimentskampfgruppe hingegen Selbstmord bedeuten. So dumm war selbst Sterncolonel Brien nicht.
„Wie sollen wir reagieren, meine Khanin?“, wurde sie erneut vom Sternencaptain gefragt, „Sollen wir ihn aufhalten?“
Marthe dachte noch immer nach und trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf ihren Schreibtisch.
„Neg“, erklärte sie schließlich. Der Sternencaptain sah sie erstaunt an.
„Wenn diese Surats aus der inneren Sphäre es nicht verstehen eine ihrer Welten zu verteidigen, dann gehört es ihnen auch nicht anders, wenn sie sie verlieren.“ Und wenn der Sternencolonel verlieren sollte, brauche ich mir um seine Aburteilung keine Sorgen mehr zu machen, sollte er dennoch zurückkehren , bemerkte sie für sich.
„Aber wie wird das restliche lyranische Heer auf diesen Angriff reagieren? Wie die Wölfe?“, fragte der Geheimdienstler besorgt, doch Marthe wischte den Einwand mit einer Geste weg.
„Wenn die Wölfe reagieren, werden sie auf noch viel entschiedeneren Widerstand stoßen als sie es schon während der letzten Invasion getan haben. Wenn die Verräterwölfe reagieren, wird es mir eine Freude sein, sie zu vernichten. Und gegen die restliche lyranische Allianz ...“ Sie zuckte mit den Schultern als könnte sie den Einwand einfach übergehen.
„Es sind Politiker. Mit etwas Honig ums Maul kann man sie schneller ruhig stellen als einen hungrigen Wolf. Lassen sie eine Holovidaufzeichnung vorbereiten, die wir im Falle des Falles an das lyranische Oberkommando verschicken können. Aber warten wir erst einmal ihre Reaktion ab und entscheiden dann.“
„Aye, meine Khanin“, erklärte der Sternencaptain und unterbrach die Verbindung. Marthe Pryde war nicht unbedingt scharf auf diesen neuerlichen Konflikt, er kam zu einem unpassenden Zeitpunkt. Aber sie war sich sicher, dass er ihr helfen würde endlich von der stupiden Schreibtischarbeit aufzublicken.

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Krieg ist ein Überdruß an Frieden

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2.

Sprungschiff Jadeschwinge
Zenithsprungpunkt Beta VII
Jadefalkenbesatzungszone

26. August 3067


Von der Brücke des Sprungschiffes aus beobachtete Sternencolonel Brien die letzten Andockmaßnahmen des dritten Landungsschiffs. Mit einem grünen Leuchten bestätigte auch die letzte der gewaltigen Andockklammern, dass das Landungsschiff nun fest am Rumpf des über sechshundert Meter langen Sprungschiffs der Tramp -Klasse verankert war.
„Alle Startvorbereitungen sind getroffen worden, Sternencolonel. Geben sie uns ein Ziel und wir sind unterwegs.“, erklärte Sternencaptain Mell, die das Sprungschiff kommandierte. In ihrer schmalen Brust regte sich so etwas wie Stolz und Kampfeswille. Das war gut. Auch wenn es zu einer so schmächtigen Person wie diesem Sternencaptain kaum passte. Man sah ihr an, dass sie schon zu viel Zeit in der Schwerelosigkeit zwischen den Sternen verbracht hatte. Der Sternencolonel nickte, gab aber immer noch kein Ziel vor.
„Sie werden es erfahren, wenn ich mich mit meinen Offizieren besprochen habe“, erklärte er schließlich und verließ die Brücke des Schiffes.

Sie hatten mit der Horatio das letzte Landungsschiff an Bord genommen, das, so hoffte er, noch einen oder zwei Sterne mehr in seine kleine bunte Truppe brachte. Es war gar nicht so einfach gewesen, unbemerkt von der Wache die nötigen Vorbereitungen zu treffen und seine Angriffsstreitmacht auf mehr als die drei Binärsterne zu erhöhen, die er ursprünglich kommandiert hatte, dazumal von denen zwei bei seiner Aktion nicht mitmachen wollten. Nun aber hatte er seine Vorbereitungen abgeschlossen. Auf dem Weg zur Offiziersmesse, in der er die anderen Kommandeure seiner Truppe treffen wollte, begegnete er Sternencaptain Shanna. Sie war eine herausragende Frau und das in gleich mehrerlei Hinsicht. Nicht nur, dass die Elementargene in ihrem Erbgut deutlich hervorgetreten waren und sie den Rest der Mechtruppen um fast einen Kopf überragte, sondern auch deshalb, weil sie seine rechte Hand geworden war. Er hatte sie kennengelernt als sie frisch von der Ausbildung gekommen war, bewaffnet mit dem Titel eines Sternencaptains und genügend Ehrgeiz um es schon bald weiter zu bringen. Dass sie dann unter seinem Kommando weit ab jeder Aktivität inmitten der inneren Sphäre versauern sollte, fand sie genauso ungerechtfertigt wie er. Sie war nur mit Mühe zu bändigen und er hatte sie sage und schreibe drei Mal in den Kreis der Gleichen zwingen müssen um ihr die Befehlshierarchie in den Dickschädel zu prügeln. Aber mittlerweile kamen sie gut miteinander aus.

„Bericht!“, blaffte er sie an, als er sie auf dem Verbindungsgang traf.
„Zwei weitere Sterne stehen zu ihrer Verfügung, Sternencolonel“, bellte die bullige Frau zurück. Das zufriedene Schmunzeln war ihr dabei nicht aus dem Gesicht zu wischen, aber warum auch? Es war mehr als sich Brien erwartet hatte. Er hatte damit gerechnet, dass nur einer der Angriffssterne des Jadefalken Eeries sich ihnen und ihrer Sache anschließen würde. Mit dem kompletten Binärstern verbesserte sich seine Lage zusehends und vielleicht konnte er nun einen der Garnisonssterne eher seiner Wach- und Schutzfunktion zuführen.
„Die Sternencaptaine beider Sterne sind genauso wie die anderen Befehlshaber angetreten und erwarten ihren Befehl!“, schnarrte seine Adjutantin.
„Sehr gut. Dann werden wir mal unsere Karten auf den Tisch legen“, zischte der Sternencolonel und atmete noch einmal durch. Shanna trat forsch in die Offiziersmesse ein und kündigte den Kommandeur an. Brien wartete jedoch draußen. Das hier wurde die heikelste Mission, auf die er sich je begeben hatte, das wußte er. Aber es war seine eigene Mission, eine bei der ihm die Galaxiscommander weder in die Quere kommen noch wegbieten konnte. Dieses mal nicht. Es ging nur noch darum, es auch seinen Mitstreitern klar zu machen. Mit einem Stoßseufzer stählte er sich selbst für die anstehende Rede, dann trat er ein.

Sobald er den ersten Fuß über die Schwelle gesetzt hatte sprangen die anderen Offiziere von ihren Plätzen, auch wenn sie in der Schwerelosigkeit des Weltraums darauf achten mussten den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren. Die Magnetsohlen waren nur eine bescheidene Hilfe um hier zurecht zu kommen. Aber es war genau das, was er von ihnen erwartet hatte. Sie brannten auf den den bevorstehenden Einsatz. Mit kühlem Blick musterte er die anwesenden Männer und Frauen. Es waren mehr geworden als er erwartet hatte. Die Messe war brechend voll und das Umwälzsystem kam kaum mit den Anforderungen mit. Doch für diesen einen Moment würde es reichen. Genauso wie alles andere.

„Setzen“, forderte er seine Kommandeure auf. Eilig begaben sich seine Mitstreiter auf ihre Plätze und ließen den Sternencolonel in der Mitte des Raumes stehen. Eine Gelegenheit, bei der er seine Anführer mustern und ihnen in die Augen schauen konnte. Und sie zeigten alle jenes Funkeln, auf das er gehofft hatte. Sie waren bereit, sie wollten zuschlagen und nur die Keshik hatte es ihnen nicht erlaubt. Bisher ...
Doch endlich bot sich auch ihnen die Gelegenheit Ruhm und Ehre zu ernten. Er musste ihnen nur noch ihr Ziel vorgeben.
„Sternencaptaine,“, begrüßte er sie, „Sie alle haben eine Vision vom Wesen unseres Clans. Sie alle haben eine Vorstellung von der Aufgabe die uns Krieger beseelt.
Wir sollen dort hinausgehen und jeden Gegner in der Luft zerfetzen und ihm das Herz aus der Brust reißen. Wir sollen diejenigen vernichten, die es wagen, sich uns in den Weg zu stellen. Wir sollten die Nachfolgestaaten und ihre endlosen Kriege beseitigen und die innere Sphäre besetzen um einen neuen Sternenbund zu formen. Einen neuen Sternenbund unter der Führung der Clans. Nicht irgendeines Clans, sondern dem leuchtenden Vorbild des Jadefalken!
Wir stehen hier an der Grenze zur lyranischen Allianz, die sich bis vor wenigen Wochen in einem selbstmörderischen Bürgerkrieg selbst zu vernichten versuchte. Wir stehen hier nur einen einzigen Sprung von den Feinden entfernt, denen wir an die Kehle springen sollten. Einen einzigen! Doch was haben wir bisher getan?
Nichts.
Wir haben unsere Felsbrocken irgendwo im bereits besetzten Gebiet bewacht, ohne auch nur einen einzigen Gegner seit den Tagen seiner Einnahme zu Gesicht zu bekommen. Statt uns im Kampf zu erproben, Feinde zu vernichten und neue Systeme zu besetzen, sitzen wir hier und hüten unsere gewonnenen ... Schätze.
Und selbst wenn es eine neue Attacke gibt, wer bleibt außen vor?
Wir.
Weil wir ja diese ach so wichtigen Welten halten müssen. Wir müssen Babysitter für Bauern und Bergarbeiter spielen, die arbeiten egal ob wir da sind oder nicht. Kann das die Aufgabe von Kriegern sein? Nein.

Doch wem haben wir diese tödliche Langeweile zu verdanken, die uns langsam aber sicher unserer Fähigkeiten beraubt? Etwa den spheroiden Surats?
Die wissen doch schon gar nicht mehr wie man jemand anderen angreifen soll. Die rennen doch schon, wenn sie nur unseren Namen hören! Nein. Die einzigen, die wir für unser Nichtstun zur Verantwortung ziehen können sind unsere Galaxiskommandeure und die Khaninnen. Sie sind es, die uns hier zurückgelassen haben, während sie in den Kampf gezogen sind. Sie haben wieder ihren Teil Ruhm und Ehre erlangt, aber uns haben sie dafür wieder im Stich gelassen! Und als es dann endlich Zeit für eine Rotation an die Front war, da war dann schon wieder alles vorbei und uns blieb erneut keine Chance auf einen ehrenvollen Kampf!

Das schlimmste jedoch, was mich und wahrscheinlich auch euch, meine Eidgenossen, umgetrieben hat, ist die Befürchtung, dass es beim nächsten Mal genauso aussehen würde. Während sich die Vorzeigeeinheiten der Frontgalaxien die Lorbeeren holen, bleiben wir wieder im Hinterland stecken und dürfen zusehen wie sie die Erfolge feiern. Aber auch wir sind Krieger! Auch wir wollen unsere Pflicht an unserem Clan erfüllen können! Auch wir wollen den Feind angreifen und zerfetzen!
Wenn wir also an unserem Schicksal etwas ändern wollen, dann müssen wir das selbst tun!“

Die Männer und Frauen, die ihm bis zu diesem Augenblick gebannt zugehört hatten, brachen in lauten Beifallsjubel aus. Er sprach ihnen aus der Seele und er wusste es. Er ließ sie sich abreagieren, während er sich auf den nächsten Teil seiner Ansprache vorbereitete. Mit einer großen Geste rief er sie dann zur Ruhe.
„Wir werden etwas tun!“, verkündete er selbstsicher und ließ sich erneut umjubeln.
„Ihr hier seid meinem Aufruf gefolgt.“, erklärte er und deutete in die Runde, „Einem Aufruf zur Aktion. Und diese Aktion wird schon bald kommen. Doch ihr seid euch auch bewusst gewesen, was diese Aktion bedeuten kann. Wir handeln nicht im Auftrag der Keshik, auch nicht im Namen der Khane...“
„Warum auch, die hätten uns ja doch nicht gelassen“, warf einer der Sternencaptaine aus den hinteren Reihen ein, was ein allgemeines Gelächter auslöste. Doch der Sternencolonel merkte sich das Gesicht genau. Solche Männer waren immer eine Gefahr für die eigene Unternehmung. Sie gingen sie mit Elan aber nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit an. Sie konnten den gesamten Stern oder sogar Sternhaufen und damit die Mission gefährden.
„... sondern weil wir Krieger des Clans Jadefalke sind. Die Spitze der physiologischen wie sozialen Evolution! Und als solches werden wir zuschlagen!“, beendete er seinen Satz. Erneut toste der Jubel durch den kleinen Saal. Das war es, was sie hören wollten.
Brien hatte es gezielt vermieden darauf hinzuweisen, daß die wirkliche Spitze ausschließlich die wahrgeborenen Krieger sein konnten. Dafür mußte er sich bei seinem Einsatz auf zu viele Freigeburten verlassen. Annähernd die Hälfte seiner Kampfgruppe bestand aus diesem minderwertigen Genmaterial.

Aber nun war es auch an der Zeit ihnen ein Ziel zu geben. Erneut ließ er einen dramatischen Moment verstreichen, bis er fortfuhr.
„Ich habe mich lange Zeit mit dem Gedanken gequält, was uns angemessen wäre. Ein Überfall auf ein Depot der Allianz? Einen Besitztest um den von den Surats gewonnenen Sprungpunkt im Malibusystem? Alles nur Kleinkram.“, erklärte er mit betont nachsichtigem Kopfschütteln.
„Oder vielleicht doch etwas, was eher dem Wert und dem Können eines Clankriegers entspricht: die Eroberung einer Welt?
Doch welcher Welt?
Twycross vielleicht, weil es schon einmal in unserer Hand gewesen war? Oder vielleicht Schwarzerde, weil dieser Staubball ja so viel mehr hergibt?
Nein, nein, nein. Es sollte schon ein würdiges Ziel sein. Ein Ziel, das auch einen strategischen Wert hat, wenn wir es einnehmen. Ein Ziel, das unseren Anführern beweist, dass wir zu weit mehr in der Lage sind als zum Wachdienst für Kuhtreiber und Steineklopfer!
Und als ich auf unsere aktuelle Karte gesehen habe, habe ich eine Welt gefunden, die geradezu für unseren Angriff prädestiniert ist.“ Mit einer schnellen Handbewegung öffnete er einen Kanal auf die Brücke des Sprungschiffs.
„Sternencaptain Mell!“, verkündete er, „Unser Ziel ist die Welt Clermont im Melissiatheater der lyranischen Allianz! Bringen sie uns so nahe wie möglich an den bewohnten Planeten dieses Systems heran!“, erklärte er endlich.
„Verstanden. Sprungberechnung läuft“, erwiderte die Kommandantin, doch ihre Bestätigung ging bereits im Jubel der Mechkrieger, Elementare und Jagdpiloten unter. Sie würden endlich zeigen dürfen, aus welchem Holz sie gemacht waren – und auf diese Begeisterung setzte der Sternencolonel.

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Krieg ist ein Überdruß an Frieden

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3.

Washing Springs
Chandra Island, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

7. September 3067


Seline Jasmin Martin räkelte sich auf dem Badetuch neben Ulf Jarren und lächelte ihn an. Sie hatten es geschafft! Endlich einmal hatten sie gemeinsam Urlaub bekommen.
„Weißt du, wie lange ich auf meinen Chef einreden musste, damit er uns endlich mal gemeinsam gehen lässt?“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er grinste sie an.
„Wahrscheinlich sehr lange. Ich würde dich schließlich auch nicht freiwillig gehen lassen“, erwiderte er mit einem schelmischen Grinsen.
„Du nicht auch noch!“, flachste sie und strich ihm über die Brust. Eine erstaunlich gut gebaute Brust und das nicht nur, weil er mehr Nordmann war als viele anderen mit einem so ungewöhnlichen Namen. Nein, Ulf hielt sich gezielt fit. Nicht nur weil er das so wollte, sondern weil er es musste. Er war Mechpilot, einer jener Soldaten, die in den haushohen, Waffen strotzenden Kampfrobotern in den Krieg zogen um sie vor all jenen zu schützen, die es anders mit ihnen, ihrer Welt und der lyranischen Allianz meinten. Er alleine war verantwortlich für die Kontrolle von mehr Feuerkraft als manche Panzerkompanie. Es lag in seiner Macht eine ganze Stadt in kürzester Zeit zu verwüsten oder sie davor zu beschützen. Eine enorme Verantwortung. Um ihr gerecht zu werden musste er immer mit allen Sinnen bei der Sachen sein und das erforderte, dass er psychisch wie physisch in einer Topverfassung war.
Aber wenn man seine Arbeit wegließ, war er nur ein gut durchtrainierter, annähernd zwei Meter langer, naturblonder Hüne mit strahlend blauen Augen. Und ein kitzliger dazu, wie sie jedes Mal wieder feststellen konnte, wenn sie ihm über den Bauch streichelte. Es war das offensichtlichste Anzeichen dafür, dass er immer noch Mensch war und nicht nur kampferprobter Recke und es war diese Kleinigkeit gewesen, die ihn in ihren Augen so attraktiv machte. Helden gab es anderswo genauso. Aber nur die wenigsten zeigten, dass sie auch nur Menschen waren.

„Warum würdest du mich nicht gehen lassen wollen?“, fragte sie ihn und lehnte sich zu ihm herüber.
„Weil es nur dich in meiner kleinen Welt gibt“, meinte er und gab ihr einen sanften Kuss. Einen Kuss, den sie so niemals abgelehnt hätte.
„Nicht einmal für Jessica Morgraine Ryan-Steiner?“, hakte sie nach und verwies auf eine bekannte Prominente, die fast allabendlich in den Hochglanztrivids der Boulevardmagazine Karriere machte. Ihre weit entfernte Verwandtschaft zur regierenden Familie hatte ihr bei ihrer öffentlichen Karriere sicherlich geholfen, aber ihr Äußeres hätte auch ohne diese Beziehungen ausgereicht um sie auf die Cover der entsprechenden Magazine zu liften.
„Nicht einmal für sie“, erwiderte Ulf mit einem breiten Lächeln.
„Nicht einmal wenn sie neben uns hier am Strand liegen würde?“
„Nicht einmal dann“, erwiderte er.
„Und warum nicht?“
„Weil sie eine Hochglanzzicke ist, der man die Ohren versiegeln muss, damit ihr das bisschen Hirn nicht herausfällt, wenn sie ihr 300.000-Kronen-Lachen für die Kamera zeigt.“, erwiderte er mit einem bösen Grinsen.

Aber auch Seline musste kichern. Es war überspitzt, aber allgemein bekannt, dass sie außer bester plastischer Chirurgie nicht allzu viel zu bieten hatte. Zum Glück musste Seline nicht mit dieser gesellschaftlichen Farce konkurrieren, selbst wenn sie es mit ihrem eigenen Äußeren gekonnt hätte. Auch ohne die Hilfe eines Chirurgen hatte sie eine gute Figur, langes, brünettes Haar und ein faszinierendes, einmaliges Lachen, bei dem sich zwei Grübchen in ihren Wangen bildeten. Sie wollte nicht in die Hochglanzpresse, selbst wenn sie es gekonnt hätte und das hatte sie veranlasst Geologie zu studieren, wo sie bisweilen tagelang weitab jeder menschlichen Zivilisation unterwegs war.

„Und du bist dir sicher, dass sie es nicht doch schaffen könnte dich rumzukriegen?“, stichelte sie weiter.
„Wie sollte sie das schaffen?“, wollte er verwundert von ihr wissen.
„Vielleicht so?“, fragte sie und schwang sich unvermittelt auf seinen Bauch.
Sein Blick fiel auf ihren schlanken Körper, ihr schönes Gesicht und ihr schönes ... Dekolleté, das durch den knappen Bikini bestens zu bewundern war. Dieser Anblick ließ ihm warm ums Herz werden und jede Faser in ihm anspannen. Ein wärmendes Wohlgefühl wechselte sich mit sinnlichem Prickeln ab und ließ ihn sichtlich beben.
Mein Gott, was für eine Frau , ging es ihm durch den Kopf.
Sie ließ sich auf seine Brust sinken und es schien als würde sich die ganze Welt um ihn drehen wollen. Der helle Wahnsinn und am besten hörte er gar nicht mehr auf.
Aber aus welchem Grund auch immer, nach einer oder zwei Minuten schien die Erde wieder ihre Normalität zurückzuerlangen. In seinen Ohren rauschte es zwar immer noch, doch irgendwie fehlte ein Teil der Romantik, die vorher noch da gewesen war. Ihm war irgendwie das Beben abhanden gekommen, das ihn eben noch durchfahren hatte.
Seline strahlte ihn dennoch an und gab ihm einen Kuss. Dann rutschte sie von ihm herunter, stand auf und schüttelte ihr Badehandtuch aus. Ulf verstand auf einmal die Welt nicht mehr.
„Was soll das denn nun wieder bedeuten? Willst du etwa gehen?“, fragte er sie verdutzt.
Sie strahlte ihn an und nickte.
„Auf jeden Fall bevor mich ein Tsunami ins Meer spült“, erwiderte sie.
Er verstand es noch immer nicht, was ihr ein leises Kichern entlockte.
„Liebling, deine Freude in allen Ehren. Aber das eben war ein Erdbeben gewesen und aus dem Bauch heraus kann ich nicht sagen, ob es irgendwo an Land oder unter dem Meer stattgefunden hat. Auf jeden Fall werde ich nicht warten, bis mir eine Flutwelle eine eindeutige Aussage liefert.“, erklärte sie ihm.
Enttäuscht ließ sich Ulf auf sein Tuch zurücksinken.
„Drecksplanet“, fluchte er leise als er sich selbst auf die Beine quälte.
„Oh, Clermont kann nicht viel dafür“, erwiderte sie amüsiert, „Es sind die beiden Riesenmonde Hades und Styx, die ihn mit ihrer Schwerkraft permanent durchkneten wie einen übergroßen Kuchenteig.“
„Ja, ja. Ich weiß“, brummelte er dennoch und schlug sich das Handtuch um den Hals, „Beide Planetoiden erzeugen eine beträchtliche Gravitation, die im Wechselspiel mit der Clermonts zu enormer tektonischer Aktivität führt. Mit allem, was dazu gehört. Also Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutwellen, riesige Gezeitenunterschiede und einer Geographie, die sich alle drei Monate völlig umstülpen will. Habe ich irgendwas ausgelassen?“
„Nein.“, schmunzelte sie, „Vereinfacht ausgedrückt beinhaltet das alles, was dazu zu sagen ist. Auch wenn du freundlicherweise über die gelegentlichen Probleme mit Asteroiden hinweggesehen hast, die uns auch noch plagen.“
„Die auch noch“, seufzte er.
„Die auch noch“, bestätigte sie und umschlang seine Taille mit einem breiten Grinsen, „Auch wenn wir die gleich wieder aus unserer Gleichung streichen können, wenn wir uns ins Hotelbett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen.“
„Eine hervorragende Idee“, erwiderte er überschwänglich.
Die Decke über den Kopf zu ziehen bot sicherlich auch noch andere Möglichkeiten. Sehr anregende Möglichkeiten ...

Zufrieden schlenderte er mit ihr an seiner Seite zum Washing Springs Beach Ressort zurück. Es war eine kleine Anlage, die allgemein nur den Einheimischen bekannt war, aber es war ein gutes Hotel und vor allem abgelegen genug um nicht von anderen gestört zu werden.
„Ah! Mister Jarren!“, empfing ihn der Empfangschef überglücklich als sie eintraten und winkte ihn zu sich herüber. Begeisterung wurde von einem Empfangschef zwar erwartet, aber dieser Überschwang verhieß nichts gutes.
„Ein Anruf für sie, Mister Jarren!“, verkündete ihm der Portier und deutete auf eine Vidphonkabine gleich nebenan.
„Der- oder diejenige warten sogar auf mich?“, fragte Ulf wenig begeistert.
„Ich wollte sie gerade hereinholen lassen“, erwiderte der Hotelier. Ulf grunzte verärgert. Das konnte nichts gutes bedeuten. Es bedeutete nie etwas gutes, wenn man im Urlaub angerufen wurde. Entweder war das Auto geklaut worden oder die Spülmaschine der Nachbarin hatte die Wohnung unter Wasser gesetzt. Irgendwas war, aber unter Garantie würde ihm niemand zum Gewinn der Jahreslotterie gratulieren wollen.

Griesgrämig begab er sich in die schallisolierte Kabine und nahm das Gespräch an.
„Wehe, wenn es nicht wichtig ...“, wollte er sagen, doch das Gesicht, das ihn ansah ließ ihn das letzte Wort des Satzes verschlucken.
„... ist? Wollten sie nicht das sagen, Hauptmann Jarren? Ja, ist es.“, vervollständigte der Mann auf der anderen Seite den Satz.
„Kommandanthauptmann Hähren“, zischte Ulf zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
Natürlich hatte er seine Adresse für Notfälle bei der Kommandantur hinterlassen müssen. Nur hatte er gehofft, dass es nicht notwendig sein würde, dass sie anrief. Vor allem nicht hier und jetzt. Insbesondere hatte er gehofft, dass ihn nicht sein direkter Vorgesetzter anrufen würde.
„Es tut mir Leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Strandurlaub vorbei ist, aber ...“, erklärte ihm der Bataillonskommandeur unumwunden.
„Aber?“, wollte Ulf verärgert wissen.
„Aber es hat sich etwas ergeben, was ihre unverzügliche Anwesenheit auf dem Stützpunkt erfordert. Ein Kestrel ist bereits unterwegs um sie abzuholen.“
„Was ist denn bitte so dringend, dass sie gleich einen Hubschrauber kommen lassen müssen?“, brummte Ulf.
„Das können sie sich sicherlich selbst denken, Herr Hauptmann.“, erwiderte der Vorgesetzte, „Die Jadefalken kommen.“



4.

Sprungschiff Jadeschwinge
Nahe dem Zenithsprungpunkt Clermontsystem
Melissiatheater, Lyranische Allianz

7. September 3067


„Das soll der dem System nächstgelegene Sprungpunkt sein!?“, donnerte der Sternencolonel und wies auf den Monitor des Navigationscomputers.
„Das ist er, Sternencolonel Brien!“, zischte ihn Sternencaptain Mell an. Er war vielleicht der Ranghöhere aber von Sprungberechnung hatte er so viel Ahnung wie sie von capellanischem Theater.
„Freigeburt! Da hätten wir ja gleich am direkten Systemsprungpunkt eintreten können!“
„Sir, das System beinhaltet ein riesiges Asteroidenfeld und da schwirren nicht nur die üblichen kleinen Eisklumpen herum. Einige von diesen Planetoiden sind groß genug um in anderen Systemen einen eigenen Planetennamen zu bekommen! Ganz zu schweigen davon, dass sie jede gravimetrische Berechnung zum Teufel schicken. Ein Sprung mitten in diese Trümmerwüste hinein hätte mit Sicherheit unsere Vernichtung noch vor ihrem Missionsstart bedeutet. Sind sie gewillt, so etwas auf sich zu nehmen?“, brüllte sie zurück.
„Savashri!“, fluchte der Sternencolonel, hielt sich aber mit einem weiteren Kommentar zurück.
„Und um wie viel näher konnten sie uns an Clermont heranbringen?“, wollte er wieder etwas ruhiger wissen.
„Wir haben die Maximaldistanz der Schwerkraftsenke ausgenutzt, die hier über dem System liegt. Mehr als hunderttausend Kilometer Toleranz war aber nicht drinnen.“
„Hunderttausend Kilometer?“, fragte er entgeistert, „Jämmerliche hunderttausend Kilometer?!? Stravag! Wissen sie, was das bedeutet?“
„Sie gewinnen sechs Stunden gegenüber der bisherigen Planung.“, erwiderte die Raumfahrerin regungslos.
„Sechs Stunden?“, fragte Sternencolonel Brien kühl. Doch die Ruhe, die er im Moment ausstrahlte war nur die Ruhe vor dem Sturm.
„Mehr ist nicht zu machen. Nicht mit vertretbarem Risiko“, erwiderte sie.
„Nicht mit vertretbarem Risiko?“, hakte er nach um dann in einem Wutausbruch sondersgleichen zu explodieren.
„Diese gesamte Mission ist ein einziges großes Wagnis und sie wollen mich belehren, was ein vertretbares Risiko ist? Verdammt, Freigeburt! Durch ihren Kleinmut und mangelnde Risikobereitschaft haben wir einen Anflug von immer noch anderthalb Millionen Kilometer und mehr als 7 Tagen vor uns. Ihre hunderttausend Kilometer und sechs Stunden weniger Anflugzeit haben überhaupt keine Relevanz mehr! Das ist noch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein! Selbst in dieser Trümmerwüste werden die uns lange vor Erreichen des eigentlichen Orbits aufspüren und dann können wir das Überraschungsmoment vergessen!“
„Sir, ich empfange eine kurze gepulste Nachrichtenübermittlung“, meldete sich der Kommunikationsoffizier, „Sie kommt hier irgendwo aus der näheren Umgebung!“
„Wunderbar. Das auch noch.“, giftete Brien, „Jetzt können wir die Überraschung endgültig vergessen.“
Er war kurz davor die Kommandantin des Sprungschiffs auf der Stelle zu erwürgen. Ihre stravag Dummheit hatte sie alle um den wichtigsten Punkt jeder größeren militärischen Aktion gebracht: Die Initiative. Wenn von hier irgendwelche Funksignale ausgingen, dann mit Sicherheit an die Raumhafenkontrolle auf Clermont und wenn die wussten, dass ein Schiff mit falscher IFF ins System eingetreten war, dann wussten es auch bald die Verteidiger der gesamten Welt. Und das wiederum bedeutete, dass er sie nun mühsam, einzeln, Stück für Stück, aus ihren befestigten Stellungen ausgraben durfte. Welch eine Freude. Seine Unternehmung wandelte sich von verwegen zu tollkühn um nicht zu sagen wahnsinnig. Beherrschung fiel ihm unter diesen Umständen schwer, doch er musste als Befehlshaber die Ruhe bewahren. Das war die Aufgabe jedes guten Kommandeurs. Er hatte eine Herausforderung bekommen und nun ging es darum sie zu meistern, egal mit welchen zusätzlichen Schwierigkeiten er konfrontiert wurde.
„Ich bin auf der Brücke der Silberschweif . Die Landungsschiffe sollen so bald wie möglich ablegen. Lokalisieren sie dieses verfluchte Signal und wenn sie es haben schicken sie Jäger hoch und bringen es zum Schweigen. Verstanden?“
„Pos, Sternencolonel“, erwiderte die Sternencaptain und war froh als er endlich gegangen war.

Sternencolonel Brien begab sich auf direktem Weg zu seinem Kommandoschiff, doch schon während seines Marsches durch die langen Korridore konnte er spüren wie ein erstes Rucken durch die Jadeschwinge ging. Wahrscheinlich hatte die Horatio , das Landungsschiff des Typs Overlord C oder der Jägertender Platon der Miraborg -Klasse abgelegt. Wenigstens wurden seine letzten Befehle besser umgesetzt als die zuvor.
Wie ein schlechtes Omen fing ihn Sternencaptain Shanna erneut auf einem der Verbindungskorridore ab. Sie hatte wirklich ein Händchen dafür, musste er sich eingestehen.
„Irgendwelche Probleme?", fragte sie als sie das mürrische Gesicht ihres Vorgesetzten sah. In der Zwischenzeit war sie gut darin, in seinen Zügen seine Sorgen zu lesen.
„Ach, nichts weiter“, brummte der Sternencolonel unwirsch.
„Wenn dem so wäre, würden sie hier nicht durch den Gang stampfen wie ein durchgehender Schneepflug. Die Spheroiden haben von unserem Systemeintritt erfahren, nicht wahr?“, hakte sie nach. Brien sah sie scharf an, aber sie hatte mehr als nur jenes eine Talent. Sie konnte es auch blitzartig auf den Punkt bringen. Leider musste er ihr zustimmen.
„Es war nicht anders zu erwarten gewesen. Früher oder später hätten sie uns entdeckt“, versuchte sie seinen Unmut zu besänftigen.
„Später wäre mir eindeutig lieber gewesen. Jetzt können sie in aller Ruhe befestigte Stellungen errichten und unseren Angriff gebührend empfangen.“, erwiderte er.
„Sicher. Aber das hätten sie auch gekonnt, wenn sie uns nur zwei Tage vor der Landung ausgemacht hätten. Es bedeutet nicht viel. Wir werden eine andere Strategie anwenden und sie dennoch zerschmettern.“, konterte sie zuversichtlich. Er sah sie an, schnaubte aber nur.
„Wie konnten sie uns so früh ausmachen?“, wollte Shanna wissen als sie ihren Weg zur Brücke gemeinsam fortsetzten.
„Wir sind fast direkt am Zenith ins System eingetreten.“, erklärte der Sternencolonel, dem das immer noch zuwider war.
„Wir hätten genauso gut eine Einladung verschicken können. Natürlich mussten sie es wissen, wenn wir so nahe am bekannten Systemsprungpunkt hereinkommen. Unsere tolle Sternencaptain hat gerade einmal hunderttausend Kilometer aus der KF-Toleranz herausgeholt. Mehr nicht. Sie meinte etwas von sechs Stunden Zeitersparnis. Ein Viertel Tag Reisezeit bei einer Gesamtflugzeit von sieben Tagen bis zur Gefechtszone! Das ist nicht mehr als ein schlechter Scherz. Und außerdem hat uns ein ausgehendes Sprungschiff oder eine Sonde ausgemacht als wir eingetreten sind. Besser geht es kaum.“
„Wieso so ein simpler Anflug? Wieso nicht an einem Piratenpunkt?“, wollte Shanna wissen. Es war eine logische Frage, mehr nicht. Dennoch traf sie genau den Schwachpunkt des ganzen Dilemmas.
„Asteroiden. Überall Asteroiden. Ich wage es sogar zu bezweifeln, dass wir wegen der vielen Steine auf unserem Weg mit mehr als einem G Beschleunigung reisen können. Dabei wäre jetzt ein schnellerer Anflug wichtiger denn je.“
„War das nicht vorher schon bekannt gewesen? Das hätte es doch sein müssen“, erwiderte seine Adjutantin. Er sah sie scharf an, was sie zum Schweigen brachte.
„Nein, das war es nicht ... Ich wusste es nicht“, musste der Sternencolonel schließlich zugeben.
„Wie das denn? So etwas muss doch auf jeder besseren Sternenkarte der inneren Sphäre verzeichnet sein, selbst auf denen aus der Zeit des alten Sternenbundes.“ Erneut zog sie einen wütenden Blick auf sich, der sie zum Schweigen bringen sollte. Doch früher oder später würde sie wohl hinter jenes Geheimnis kommen und dann brauchte er sie hinter sich und nicht gegen sich.
„Ich hatte keine Möglichkeit eine der taktischen Karten Clermonts oder des ganzen Systems über die offiziellen Kanäle zu erhalten. Jede Anfrage über ein Sternensystem und die Anflugwege, insbesondere eines außerhalb der Besatzungszone, hätte die Wache alarmiert. Ich konnte nicht riskieren, sie auf uns und unsere kleine Unternehmung hier aufmerksam zu machen.
Jedenfalls nicht in einem frühen Stadium der Planung. Später habe ich mich zum Schein nur um die direkten Daten des Planeten und seiner Verteidiger bemüht. Dagegen können sie nichts sagen, zumal ich neben den Daten Clermonts noch die Aufstellungen eines ganzen Dutzend anderer Planeten und Systeme angefordert habe. Man muss schließlich bei einem erneuten Angriff dieser Surats gegen das gewappnet sein, was sie gegen einen ins Feld führen oder führen könnten.“ Auch die Sternencaptain nickte verstehend.
„Werden sie nicht dennoch einen Angriffsplan vermutet haben?“, hakte sie besorgt nach.
„Wieso?“, fragte der Sternencolonel belustigt zurück, „Sie werden jeden Tag mit Dutzenden dieser Anfragen von Dutzenden von Sternencolonels und Sternencaptainen überhäuft. Sie müssten die Nadel im Heuhaufen suchen. So lange sie nicht anderweitig Verdacht geschöpft haben, werden sie nichts merken bis alles vorbei ist. Und dann können sie uns auch nichts mehr anhaben. Die Surkairede gegenüber der Khanin ertrage ich gelassen.“
„Wie sie meinen, Sternencolonel“, erwiderte Shanna mit einem Glitzern in den Augen, „Dann sollten wir uns den geänderten Gefechtsbedingungen anpassen und nach einer Lösung Ausschau halten, die uns ein Maximum an Ehre verspricht.“
„Pos, Sternencaptain, pos. Das sollten wir.“, erwiderte der Sternencolonel und setzte seinen Weg auf die Brücke fort. Ein leichtes Rucken unter den Füßen deutete an, dass auch die Silberschweif abgelegt hatte. Damit waren sie auf dem Weg in den Kampf und nichts würde sie noch stoppen können. Ausgenommen vielleicht der falsch berechnete Bewegungsvektor eines Felsbrocken in der Leere des umgebenden Alls.

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Krieg ist ein Überdruß an Frieden

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5.

General Bregano Kaserne, Neo Dijon
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

8. September 3067


Der Hubschrauber war zwar schnell gewesen, aber zusammen mit dem Rückflug im Jet hatte es Ulf mehr als sieben Stunden Zeit gekostet. Viel Zeit. Aber Zeit genug, um sich wieder auf das Kommende vorzubereiten.
Doch für einige Veränderungen konnte auch er sich nicht richtig rüsten. Zurück aus dem angenehmen Klima am Äquator Clermonts pfiff ihm nun wieder eine raue Brise um die Nase als er auf dem Kasernengelände aus dem bereitgestellten Wagen ausstieg. Die feine Vulkanasche, die immer in der Luft lag, wirkte wie Schmiergelpapier als sie gegen die Haut prallte. Er verglich es mit einer Ohrfeige, die die Natur jedem Neuankömmling verpasste. Dennoch krempelte er lediglich den Kragen seines Offiziersmantels hoch und zog die kühlere Luft tief ein.

Er war zurück in Neo Dijon, der planetaren Hauptstadt. Sie war ein Musterbeispiel für diese Welt, auch wenn sie auf Grund ihres Alters einige Besonderheiten aufzuweisen hatte. Zum einen war sie natürlich der Regierungssitz. Hier saß die gesamte planetare Regierung. Wie auf vielen anderen Welten auch. Aber sie war genauso die Stadt, in der die Siedler mit ihrer ganzen Arbeit angefangen hatten. Was sie dazu bewegen konnte, ausgerechnet hier – mitten im Nirgendwo – ihre Zentrale zu errichten, hatte er nie verstanden. Es gab angenehmere Orte. Es gab fruchtbarere Orte und es gab welche, die mehr Möglichkeiten für die Montanindustrie versprachen. Wahrscheinlich hatte sich die Wahl der Siedler daraus ergeben, dass Neo Dijon im Zentrum aller Möglichkeiten saß. Alles was wichtig war, war von hier aus schnell zu erreichen. Die feine und fruchtbare Vulkanasche der Böden im Süden erlaubte eine ausgewogene Agrarkultur und damit eine autonome Versorgung der Bergbauregionen vor allem weiter im Westen und Norden des Hauptkontinents Clermonts. Außerdem versprachen die Geologen, dass Neo Dijon mit seiner Position mitten auf der größten tektonischen Platte die wenigsten Erdbeben abbekam. Ein Umstand, der vor allem für sensible Gebäude von Bedeutung war, so zum Beispiel für die größte Wasserstoffraffinerie und den Raumhafen mit seinem Versorgungsgebäuden für die hundert Meter hohen Landungsschiffe, die die abgelegene Welt mit allem versorgten, was sie nicht selbst erzeugen konnten.
Natürlich waren auch alle Gebäude der planetaren Regierung hier versammelt, aber die hätten auch an jedem anderen Ort stehen können. Sie unterschieden sich sowieso kaum von den Wohnhäusern dieser Welt. Die Bauform der gewöhnlichen Häuser war für die Umstände Clermonts typisch. Sie waren flach, nur selten höher als zwei Stockwerke, mit extrem massiven Wänden, die zusätzlich als Schutz gegen die Erdbeben nach innen geneigt waren. In Verbindung mit den gegen die intensive Sonneneinstrahlung getönten Scheiben und dem wegen der Vulkanasche dunklen Beton gab das der ganzen Stadt einen ungeahnt tristen Eindruck. Aber für Ulf war es mehr als nur irgendeine Stadt, selbst wenn sie so öde aussah wie die Kaserne, in der er gerade aus dem Wagen gestiegen war.

„Herr Hauptmann, sie werden bereits erwartet“, wurde er von Offiziersdiensttuenden des Standortes angesprochen.
„Ja, ich bin unterwegs“, erwiderte Ulf Jarren, warf seiner Umgebung noch einen letzten Blick zu und folgte dem Mann dann in die Katakomben des gewaltigen Militärkomplexes.
Clermont hatte zwar nicht immer an einer der heißesten Grenzen der inneren Sphäre gelegen, aber die Nähe zur Peripherie und den dort angesiedelten Piraten musste schon früher dafür gesorgt haben, dass Truppen hier stationiert worden waren. Früher waren das hauptsächlich Panzer und einige wenige Milizmechs gewesen, doch die Situation hatte sich gewandelt. Die Anwesenheit der Clans, erst recht in der unmittelbaren Umgebung, hatte für einen dramatischen Ausbau der Anlage gesorgt. Die großen unterirdischen Hallen enthielten nun vorzugsweise Mechhangars und Wartungsanlagen während die Panzer in oberirdische Bunker verbannt und die Milizmechs auf kleinere Standorte in der Umgebung aufgeteilt worden waren. Zusätzlich waren weitere Stollen in den Boden getrieben worden um Versorgungsgüter aller Art und zusätzliche Barracken aufnehmen zu können. Aus einer kleinen Kaserne war ein Ungetüm unter der Erde geworden.
Ulf folgte den verwinkelten Gängen, die lediglich durch einige schwache Lampen an den Wänden erhellt wurden. Er ging alleine. Auf dem Stützpunkt war er keine unbekannte Person. Er kannte den Laden hier wahrscheinlich schon länger und besser als die meisten anderen, den Ältesten mit eingeschlossen. Ulf Jarren war kurz nach seiner Grundausbildung hierher verlegt worden und hatte hier erst das Steuern von Mechs gelernt. Nach einer Irrfahrt durch diverse Einheiten und Teile des vereinigten Commonwealth und später der lyranischen Allianz war er wieder hier gelandet. Es musste Ironie des Schicksals sein.

Vor einer schweren Panzertür musste er anhalten und erst eine Kennziffer mit Kennkarte eingeben und schließlich auch noch eine biometrische Überprüfung über sich ergehen lassen. Als die schwere Türe aufglitt, gab sie nur einen kurzen Weg zur zweiten Türe frei. Es war eine Schleuse. Sie hatten aus dem Schicksal Sharon Byrons gelernt und die Kommandozentrale nach dem letzten Jadefalkenüberfall noch wesentlich rigider verbarrikadiert. Es sollte Feinden nicht noch einmal gelingen mit einem schnellen Stoßtrupp bis zum Herz der Militärstruktur vorzudringen.
Ulf hatte dennoch seine Zweifel ob es helfen würden, würde es ein entschiedener Gegner versuchen.
Als die Kammertür hinter ihm verriegelte wurde der Inhalt der Raumes noch einmal abgetastet. Mehr als eine Person durfte sich beim Betreten nicht in der Schleuse aufhalten, oder es dauerte eine kleine Ewigkeit die Eingeschlossenen wieder aus der Kammer zu holen. Ulf sah es mit zwiespältigen Gefühlen, welche Mühen hier investiert worden waren. Diese Verteidigung war zu ... starr. Er bezweifelte es sehr stark, dass sich Elementare hier brav einstellen würden um sich auf der anderen Seite dann in Stücke schießen zu lassen. Schön brav einer nach dem anderen. Wenn es rund gehen würde, würden sie sicherlich einen anderen Weg hier runter finden und wenn sie ihn sich freibomben mussten.
Die Kammer öffnete nach der letzten Überprüfung die zweite Tür und ließ ihn endlich ins druckbelüftete Heiligtum der Kaserne wo er bereits sehnlichst erwartet wurde.

„Ahhh. Wie ich sehe konnten sie sich doch noch loseisen, Hauptmann Jarren.“, empfing ihn der bissige Kommentar seines Kommandeurs, „War es schwierig dem Dienst wieder nachzukommen?“
Dass Ulf und Kommandanthauptmann Sven August Hähren nicht besonders gut zueinander standen, war ein offenes Geheimnis innerhalb des Regiments. Einige hatten schon Wetten abgeschlossen, wann sich die beiden in aller Öffentlichkeit an die Gurgel gehen würden, doch bisher hatten sie sich noch zurückhalten können.
„Es wäre deutlich schwieriger geworden, hätten sie mich eine Viertel Stunde später gestört. Schwieriger jedenfalls als bei ihnen“, konterte Jarren und ließ sich nicht aufhalten, als er an den Projektor in der Mitte des Raumes herantrat. Unter den anderen Anwesenden ging ein leichtes Kichern rund.
Neben ihm waren allen anderen Kompaniekommandeure, der XO und der Alte anwesend. Außerdem noch ein paar Techniker, die für die Bedienung der Anlage unverzichtbar waren und ein eher undurchsichtiger Typ, den er zuvor noch nie gesehen hatte.
„Verschieben sie ihre kleinen Privatfehde auf einen anderen Zeitpunkt“, ermahnte sie der Alte. Der Alte, wie er genannt wurde, war Oberst Jean Baptiste Monair, der Kommandeur des 6. regulären lyranischen Regiments. Auch wenn der Titel des Alten traditionsgemäß dem Kommandeur zufiel, so traf es bei Monair in doppelter Hinsicht zu. Monairs Haar war schon mit Anfang 30 die Farbe ausgegangen und mit Ende 30 hatte es sich fast gänzlich verabschiedet. Doch Monair war ansonsten fit. Fitter als es vielleicht manchen Partygenerälen lieb gewesen war bevor sie ihn auf diesen Felsbrocken abgeschoben hatten. Aber vielleicht hatten sie sich damit einen Gefallen getan, denn hier konnte er mehr bewirken als bei einer Schlacht am kalten Buffet.

„Da jetzt alle wichtigen Personen endlich anwesend sind, können wir uns einem Problem zuwenden, das unserer ernsthaften Aufmerksamkeit bedarf. Die Jadefalken sind ins System eingetreten. Unsere Sprungpunktüberwachung ‚Hugin' hat vor acht Stunden folgende Bilder geschossen ...", erklärte der Oberst und verwies auf ein aufflammendes Hologramm, das nun in der Mitte des Raumes schwebte. Es zeigte den trompetenförmigen Kopf und dicklichen Rumpf eines Tramp -Sprungschiffs. An drei Dockkragen waren Landungsschiffe verankert, die sich auf dem nächsten Bild eines nach dem anderen ablösten und Kurs auf Clermont nahmen.
„Dass es sich um Clanner handelt, konnten wir anhand der beiden Overlords noch nicht eindeutig festmachen, aber das dritte Schiff ..."
Der Hologenerator erzeugte ein neues Bild und zeigte es in Großaufnahme.
„... ist ein Miraborg und dieser Typ wird, wie sie wissen, in der inneren Sphäre nicht gebaut und nicht genutzt. Nicht einmal von Comstar oder anderen Eliteregimentern. Falls es bis zu diesem Zeitpunkt immer noch Zweifler geben sollte, so dürfte sie das letzte Foto wohl endgültig überzeugen. Es war das letzte, was wir von ‚Hugin‘ empfangen haben und es ist davon auszugehen, dass die Angreifer unseren Satelliten aufgespürt und vernichtet haben.“, schloss der Oberst den kurzen Vortrag und verwies auf den Holoprojektor.
Es zeigte in Großaufnahme zwei anfliegende Luft-/Raumjäger. Die Merkmale dieser Maschinen waren zu eindeutig um mit irgendeinem anderen Baumuster verwechselt zu werden. Die hintere Maschine mit den langen schmalen Tragflächen in Canardbauweise und dem vor Läufen nur so strotzendem Bug war ein Visigoth , ein schwerer Clanomnijäger der während der Invasion von 3052 an allen Fronten für Tod und Elend gesorgt hatte. Noch deutlicher wurde es anhand der zweiten Maschine. Sie war zum Zeitpunkt des Fotos bereits so nahe, dass man fast die Züge des Piloten erkennen konnte. Man konnte auch erkennen, wie die ersten Raketen aus der ovalen Lafette unter dem Kinn des Deltajägers mit den extrem weit auseinander liegenden Steuerrudern hervorglitten. Es war ein Jagatai , ein weiterer schwerer Omnijäger der Clans. Niemand außer den Clans selbst konnte so viel Clantech auf einmal anhäufen und es war mehr als unwahrscheinlich, dass die Wölfe auf eine Spritztour quer durch die Falkenzone kamen.
„Meine Herren, das ist die Lage. Wir wissen, dass sie mit einem Tramp hier eingetroffen und dass sie mit zwei Overlord , wahrscheinlich C-Modellen und einem Miraborg unterwegs nach Clermont sind. Weitere Informationen haben wir nicht. Bisher wurde kein Funkspruch der Angreifer empfangen und es wurde kein Besitztest ausgerufen. Worauf sie also aus sind, können wir nur erraten oder erahnen. Ich bitte daher um ihre Meinungen.“, erklärte der Oberst und verwies damit an seine Offiziere.

„Zwei Clan-Overlords und noch ein Miraborg ?“, fragte Fritz Falkenau, der Kommandanthauptmann des dritten Bataillon entgeistert.
„Korrigieren sie mich, wenn ich falsch liege, aber wenn ich es richtig weiß, dann rücken uns die Jadefalken mit 90 Mechs und 30 Jägern auf den Pelz. Mit der Truppenstärke, deren Aggressivität und der überlegenen Clantech wischen die mit uns feucht den Boden auf, wenn wir uns zum Kampf stellen.“
„Wenn ich dazu etwas sagen darf“, wandte sich erstmals der Unbekannte im Hintergrund an die Offiziere vor ihm. Er hatte sich zwar immer noch nicht vorgestellt, aber eigentlich war es auch gar nicht mehr notwendig. Nicht in dieser Situation, nicht bei einer so brisanten Lagebesprechung, nicht wenn er ausgerechnet jetzt das Wort ergreifen wollte.
„Sie gehen von voll beladenen Maschinen aus, Sir. Nur unter diesen Umständen transportieren diese Maschinen so viele Mechs und Jagdmaschinen ins Feld. Wir ... haben zwar nur unbestätigte Meldungen, aber wir gehen davon aus, dass die Landungsschiffe nicht voll besetzt sind.“
„Unbestätigte Meldungen? Und was können sie denen noch entnehmen, wenn ich fragen darf?“
„Nun, die Informationen sind sehr vage, aber laut verschiedenen Berichten hat es Truppenverschiebungen im Kerngebiet der Besatzungszone gegeben. Wir haben noch nichts detailliertes, aber wir gehen davon aus, dass ungefähr ein Sternhaufen abgängig ist. Aufenthaltsort unbekannt.“
„Ein Sternhaufen?“, fragte Falkenau zurück, „Das könnte alles zwischen 30 und 75 Mechs bedeuten. Bei den Jägern sieht es genauso unklar aus. Es könnten eine Hand voll oder der ganze Miraborg voll sein.“
„Das ist richtig, aber gemäß einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, empirischen Daten und den wenigen Informationen, die wir aktuell aus der Falkenzone ziehen konnten, sollten sie von etwa 60 Battlemechs und 15 bis 16 Jägern ausgehen.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr“, gab sich der Kommandanthauptmann geschlagen.
„Sie sollten darauf setzen, dass wir es nur mit den geschätzten 60 Mechs und 15 Jägern zu tun bekommen, denn auch diese Truppenstärke wird bereits reichen, um uns fürchterlich einzuheizen. Wenn sie mit mehr kommen, können wir uns nur auf Guerilliakriegsführung verlassen und darauf hoffen, dass wir schnell genug Entsatztruppen geschickt bekommen um diese Invasion zu stoppen“, warf der Oberst scharf ein um die entgleitende Diskussion zu beenden.
„Was ich von ihnen brauche sind Ideen, wie wir diese Bedrohung am besten stoppen können, keine lahmen Debatten. Lassen sie die den Politikern.“, rief er seine Männer zur Ordnung.

„Wir müssten als erstes wissen, worauf die Clanner zu erst aus sind. Ihre Primärziele hinterfragen und mögliche Abwehrstrategien finden.“, wandte Ulf als erster ein.
„Dafür sind wir hier. Sie erzählen uns nichts neues“, konterte Hähren.
Ja, und du hast auch nichts besseres vorzubringen, Rehpinscher , ging es Ulf durch den Kopf. Gelegentlich wünschte er sich dieses Ritual der Clans, diesen Kreis der Gleichen, in dem er seinem nervigen Vorgesetzten endlich mal die dummen Sprüche austreiben konnte.
„Sie haben aber auch noch keine passende Strategie vorgeschlagen“, wurde der Kommandanthauptmann vom Oberstleutnant gerüffelt. Rainer Maria Riffan, der XO, war kein besonderer Freund des wortgewaltigen Strebens. Ihm war es lieber, wenn handfeste Ergebnisse auf den Tisch kamen und für die war der Kommandanthauptmann nicht besonders berühmt.
„Eines der ersten Ziele wird mit Sicherheit Neo Dijon selbst sein.“, brachte Martin Brandner ein, der erste Hauptmann vom ersten Bataillon, Kommandant der zweiten Kompanie.
Er galt schon seit einiger Zeit als Nachfolger des XO, wenn der Oberst doch noch zu einer anderen Einheit abkommandiert werden sollte.
„Neo Dijon konzentriert fast alle wichtigen Objekte Clermonts. Hier ist der Raumhafen, die größte Treibstoffraffinerie; insbesondere die für die Landungsschiffe und die Raumjäger; die Kaserne mit den Wartungsanlagen für die Mechs und sämtliche planetaren Regierungsgebäude und Einrichtungen. Außerdem gibt es hier noch das HPG und die Stadt ist Knotenpunkt aller wichtigen Versorgungsrouten. Wenn sie die Stadt einnehmen, haben sie den Planeten so gut wie in ihrer Hand.“
„Soll das heißen, dass wir uns ausgerechnet in der Stadt einigeln sollen? Ausgerechnet das Bevölkerungszentrum zum Schlachtfeld machen?“ hörte Ulf eine Stimme. Seine eigene Stimme und in diesem Fall gefiel es ihm gar nicht, die vorlaute Klappe zu haben.
„Wenn sie ein besseres Objekt haben, das die Zivilbevölkerung weniger gefährdet, nur raus damit“, erwiderte der XO. Ulf überlegte einen Moment und fragte sich dann, wieso er nicht früher darauf gekommen war.
„Es gibt auch noch andere Ziele, die für die Clanner von Interesse sein könnten. Zum Beispiel das Hüttenwerk bei Tersett. Das Hüttenwerk stellt Stähle aller Art her. Sie könnten das Werk gut gebrauchen um ihre Maschinen auf Trab zu halten. Nicht zu vergessen, dass es dort schweres Arbeitsgerät gibt, was für die Wartung genutzt werden könnte.“
„Sie werden sich doch nicht unnötig aufsplittern. Sie werden uns hier mit einer schnellen Aktion zu vernichten suchen. Wenn wir ihnen noch entgegenkommen und die einzelnen Bergwerke Clermonts mit jeweils einer Kompanie Mechs verteidigen wollen, werden sie uns erledigt haben, bevor wir auch nur Piep sagen können. Abgesehen davon, dass Neo Dijon dann offen steht wie ein Scheunentor.“, warf Hähren ein.
So ein arroganter Schnösel er auch sein mochte, manchmal hatte er leider nur Recht, musste Ulf Jarren sich eingestehen.
„Wir können Neo Dijon nicht fallen lassen. Das steht außer Frage“, erklärte auch der Oberst, „Aber wir könnten sie zumindest zwingen, ihre Verbände aufzuteilen. Jarren hat Recht. Wenn wir hier auf einem Haufen hängen, werden sie uns mitten in der Stadt zum Gefecht stellen wollen und dann wird Neo Dijon brennen. Mit einem Bataillon bei den Hütten bei Tersett hingegen zwingen wir sie dazu, einen Teil ihrer Einheit an anderer Stelle aufzustellen um damit einer Klammerbewegung vorzubeugen.“
„Abgesehen davon müssen wir nicht alle Bergwerke bewachen“, warf noch einer der jüngeren Hauptmänner aus dem dritten Bataillon ein, „Ein Teil der Bergwerke dient der Edelsteingewinnung. Das sind Schmucksteine, nur wenige davon werden in der Industrie gebraucht. Diese Tagebaugruben sind vielleicht für Piraten interessant, aber die Clanner lässt das kalt. Wenn wir es auf Erzgruben beschränken, bleibt vielleicht noch eine Hand voll Bergwerke übrig und die dürften wahrscheinlich alle um Terzett herum verteilt sein.“
„Außerdem bietet der dortige Magnetkies eine hervorragende Abschirmung gegen MAD-Sensoren. Heruntergefahrene und getarnte Mechs verschwinden in der Region regelrecht. Die Clanner werden sie erst bemerken, wenn sie ihnen fast auf die Zehen treten.“, wurde ebenfalls von hinten angemerkt. Der Oberst nickte zufrieden.
„Behalten wir es also fürs Erste bei dieser Grobplanung. Wir halten nicht alle Truppen in der Stadt und setzen darauf, dass sie nicht mit allen Einheiten hier landen wollen oder können. Zwei Bataillone werden die Clanner davon abhalten, einfach in Neo Dijon einzufallen während sie, Kommandanthauptmann Hähren mit ihrem Bataillon beim Hüttenwerk von Tersett Stellung beziehen und den angreifenden Mechs wenn möglich in den Rücken fallen.“

„Was machen wir mit den Milizen?“, wurde von anderer Seite gefragt, wahrscheinlich einer der Milizkommandeure, „Es gibt auch noch weitere Städte auf diesem Planeten, nicht nur Neo Dijon. Außerdem noch einige andere Anlagen, die auch für die Stadt wichtig sind.“
„Das ist das Problem, vor dem wir genauso stehen wie die Angreifer. Wir können nicht alles verteidigen, während sie theoretisch überall angreifen können. Aber da sie wahrscheinlich nicht nur auf einen schnellen Raubzug aus sind, werden sie die Hauptstadt nehmen wollen oder müssen. Die Milizen an anderer Stelle stehen zu lassen würde die jeweiligen Ortschaften nur unnötig zu Zielscheiben der Clanner machen.“, erwiderte der Oberst und gab die Marschrichtung bereits vor.
„Welche Ziele meinten sie, als sie davon sprachen, dass sie für die Stadt wichtig sein könnten?“, wollte Hauptmann Brandner ein. Es war in der Tat eine wichtige Frage.
„Einer unserer absoluten Schwachpunkte ist doch die Energieversorgung mit dem geothermischen Kraftwerk bei der Islandverwerfung. Es liefert den größten Teil unserer Stromversorgung.“, erklärte der Milizionär. Doch die anderen lächelten ihn nur dünn an.
„Was soll das denn bedeuten?“
„Nun, das neue Kraftwerk am Vatna ist vor zwei Wochen in Betrieb genommen worden“, erklärte es der Geheimdienstler dem Mann.
„Vor ... zwei Wochen?“, staunte der, „Aber das Werk sollte doch frühestens in zwei Monaten einsatzbereit sein.“
„Was soll ich sagen? Die Leute von Karom Metal Ressources haben sich beeilt, ihr neues Abbaugebiet zu erschließen. Dabei waren sie auch so freundlich unser neues Kraftwerk fertig zu bauen.“
„Das ... das ... Warum weiß ich davon nichts?"
„Weil wir es für klüger hielten, es nicht nur vor den Piraten geheim zu halten. Die Geheimhaltung hat sich nun ausgezahlt.“, erwiderte der Oberstleutnant und lächelte den Einheimischen gütig an.
„Aber ... wofür sind dann die Milizen? Und wo sollen sie stehen? Beim neuen oder beim alten Kraftwerk?“
„Die Milizen sollen sich bedeckt halten und beim alten Kraftwerk sammeln. Panzertruppen und Infanterie würde ich jedoch in Neo Dijon belassen. Dort draußen werden sie uns wenig gegen die Clanner nützen. Sie wissen ja selbst, welche Chancen Infanteristen auf freiem Feld gegen Mechs haben. Wenn es das also war, fasse ich es noch einmal kurz zusammen.
Wir beziehen bei drei Positionen Stellung um die Bedrohung durch die Jadefalken abzuwehren. Hier in der Stadt mit dem ersten und dritten Mechbataillon, bei den Gruben mit dem zweiten Bataillon der Regulären und beim geothermischen Kraftwerk mit den vereinten Kräften der Miliz.
Meine Herren, das ist doch schon mal ein Anfang. Bis morgen Abend erwarte ich einen detaillierten Plan von ihnen. Machen sie sich an die Arbeit.“, übergab Oberst Monair das Kommando an seine Untergebenen.

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6.

Landungsschiff Silberschweif
Im Anflug auf Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

9. September 3067


„Treten sie ein!“, forderte Sternencolonel Brien seine Adjutantin auf, als sie an die Tür seiner Kabine klopfte.
„Sie haben mich rufen lassen, Sternencolonel?“
„Pos. Ich will ihre Meinung zur Schlachtaufstellung hören“, erwiderte Brien und wies ihr einen Platz am nahen Holoprojektor zu. Interessiert nahm die große Mechkriegerin Platz und wartete darauf, dass der Sternencolonel das Bieten eröffnete.
„Wie wir wissen, wissen die Surats auf dieser zu erobernden Welt, dass wir hier sind. Wir haben also nur wenige Möglichkeiten, um niedrig zu bieten und die Verluste gering zu halten.“, erklärte er als eine grobe Landkarte des Chevandon mit der Hauptstadt in der Mitte auf dem Tisch aufleuchtete.
„Wo würden sie mit welchen Truppen zuschlagen, wenn sie wissen, dass diese Welt von einem Regiment ordentlich ausgestatteter Freigeburten gehalten wird?“, fragte er seine Adjutantin und deutete auf die Karte. In ihren Augen war ein kühles Blitzen, doch sie zoomte sofort den Ausschnitt um die Hauptstadt heran.
„Ich würde mir schwere Truppen nehmen, vorzugsweise Angriffsbinär- und -trinärsterne und sie hier, hier und hier in der Hauptstadt absetzen. Wir würden sie mit einem Schlag vom Raumhafen und von der Treibstoffversorgung ihrer Fahrzeuge abschneiden. Außerdem kontrollieren wir damit die Hauptverkehrsadern der Stadt und damit ihre Beweglichkeit“, erklärte sie voller Feuereifer und ließ die markierten Stellen in der Stadt aufleuchten.
„Neg“, erwiderte der Sternencolonel gönnerhaft, was sie erstaunt aufsehen ließ.
„Sie erwarten uns. Sie werden von uns erwarten, dass wir sofort in die Stadt springen. Und sie werden uns dort mit ihrer gesamten Streitmacht erwarten. Wir müssten mit allem was wir haben auf einen Schlag dort einfallen um nicht unter Stärke zu bieten. In den Straßenschluchten würden wir sogar für ... Infanterie ein lohnendes Ziel bieten. So etwas halte ich für ehrlos und einfallslos. Suchen sie eine andere Möglichkeit.“
Die Sternencaptain sah sich die Karte erneut an, positionierte einzelne Sterne nun außerhalb der Stadt, wo sie mit mehr Reichweite und Jägerunterstützung einen ausfallenden Feind abfangen konnten.
„Neg“, entgegnete der Sternencolonel erneut, „Wir haben nicht nur Omnimechs dabei, die wir beliebig auf Langstreckenwaffen umkonfigurieren können. Den Sternen aus den Garnisonseinheiten unterstehen auch einige fest verdrahtete Kurzstreckenkämpfer. Zum anderen bräuchten wir wieder die gesamte Streitmacht um den Belagerungsring aufrecht zu erhalten. Dabei wissen wir noch nicht einmal wie lange wir aushalten müssten bis sie aufgeben oder durch eigene Truppen verstärkt werden.
Ein Aushungern der Stadt wäre zudem ehrlos und würde uns um die nötigen menschlichen Ressourcen bringen.“
„Aber Sternencolonel“, wehrte sich die Kriegerin gegen die letzte Ablehnung, „Wenn wir wissen, dass sie uns in der Stadt erwarten werden und sich dorthin zurückgezogen haben, was sollen wir dann sonst unternehmen? Vielleicht warten bis sie den ersten Schritt unternehmen, franeg?“
„Neg. Darauf werde ich auch nicht warten. Aber deine Gedanken gehen schon in die richtige Richtung. Wir werden sie zu einer Reaktion zwingen müssen. Wir müssen sie dazu zwingen, die Stadt zu verlassen um sie dann auf offenem Feld zu treffen und zu besiegen.“
„Sie werden sich nie dazu bereit erklären, auf offenem Feld gegen uns anzutreten. Dafür sind sie viel zu feige. Genauso wenig werden sie mit der ganzen Streitmacht auf einmal aus der Stadt ausrücken um gegen uns vorzugehen.“, lehnte die Sternencaptain diesen Vorschlag ab.
„Und das wird ihre Schwäche sein.“, verkündetet der Sternencolonel selbstsicher. Seine Adjutantin sah ihn verwirrt an.
„Sie werden genauso gut wie wir wissen, dass sie nicht mit der gesamten Streitmacht ausrücken können ohne die Stadt unverteidigt zurückzulassen und damit werden sie uns in die Hände spielen.“, erklärte Brien.
„Wenn sie nicht entschlossen gegen uns vorgehen, werden wir sie in mehreren kleineren Gefechten treffen und vernichtend schlagen und ich bin mir sicher, dass sie nicht entschieden vorstoßen werden. Ich gehe davon aus, dass ihr Anführer nie mehr als ein oder zwei Kompanien aus der Stadt schickt um die von uns bedrohten Ziele im Umland zurück zu erobern. Wir werden nie mehr als einen Binär- oder Trinärstern aufstellen müssen um ihren erbärmlichen Versuch zu zerquetschen und können dabei unsere eigenen Reserven schonen.“
„Werden sie die Zeit zwischen den Attacken nicht dazu nutzen, ihre Kräfte neu zu formieren?“, wollte sein Sternencaptain wissen.
„Pos, das könnten sie“, gab Brien zu, „Aber dafür müssten sie erst einmal das Feld der Ehre verlassen.“
Auch seine Adjutantin gluckste vor Freude.
„Im Gegensatz zu unseren Kräften.“, erkannte sie.
Sie würden ihre Feinde in einer beschränkten Anzahl von Tests zu immer neuen Gefechten um die Vorherrschaft um einzelne Objekte zwingen und sie dort vernichten. Mit immer neuen Triumphen würden sie den Kampfeswillen ihrer Streitmacht genauso fördern wie den Widerstand der spheroiden Surats brechen. Ihre Feinde würden systematisch zermürbt werden, bis sie bis zur Handlungsunfähigkeit erschöpft wären. Die letzten Verteidiger würden sich in der Hauptstadt verkriechen, von wo sie in einer abschließenden Großoffensive vertrieben würden. Clan Jadefalke würde Clermont mit niedrig gebotenen Truppen angreifen und in Besitz nehmen.
„Welche Ziele werden sie dazu zwingen, die Sicherheit ihrer Festung zu verlassen?“, wollte sie wissen als sie die Karte wieder auf den gröberen Maßstab zurückfuhr.
„Es gibt mehrere Ziele, die sie empfindlich treffen werden. Das wichtigste dürfte mit Sicherheit das geothermische Kraftwerk am Fuße des Monte Diaboli sein. Ohne Stromversorgung sind sie auf ihre Reserven angewiesen. Weder reichen die besonders lange noch können sie es sich erlauben, dass wir dort eine Basis etablieren. Dorthin werden sie kommen.
Ein weiteres Ziel wird ihre Wasserversorgung sein. Trinkwasser scheint auf diesem von Vulkanen verpesteten Planeten eine wichtige und seltene Ressource zu sein. Die Trinkwasserversorgung befindet sich sechzig Klicks außerhalb der Stadt im Südosten. Plattes Land so weit man sehen kann. Sie werden wie die Tontauben anrücken oder ihre kostbaren Brunnen stehen auf dem Spiel.
Außerdem gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Ziele, die sie aber genauso treffen werden. Ihre Nahrungsmittelversorgung wird zum größten Teil aus Farmen und kleinen Dörfern im Süden gewährleistet. Sie werden sich davon genauso wenig abschneiden lassen können wie von ihrer Wasserversorgung.
Und abschließend gibt es noch eine Vielzahl von Bergwerken auf dieser Welt. Ich habe mir die geologischen Karten angesehen, die uns zur Verfügung stehen und verstehe nicht, wozu sie so viele Diamanten aus dem Boden hauen. Braucht ihre Industrie so viel von diesem Rohstoff? Wie auch immer. Sie werden keines dieser Bergwerke aufgeben wollen.
Für uns interessant ist noch das Stahlwerk bei Tersett. Sie haben praktisch keine anderen Metalle, die es sich zu exportieren lohnt. Wenn wir ihren Handel unterbrechen, werden sie angerannt kommen wie ein paar aufgeschreckte Diamanthaie.“
„So viele Möglichkeiten“, erkannte Sternencaptain Shanna, „Wir werden sie zermalmen, ehe sie eine Ahnung haben, was mit ihnen geschieht.“
„So ist es. Weil sie ihre wichtige Hauptstadt beschützen müssen, werden sie immer erst angelaufen kommen wenn wir das jeweilige Ziel schon in unseren Besitz gebracht haben. Weil sie ihre Hauptstadt beschützen müssen, können sie sich nie frei bewegen, ganz im Gegensatz zu uns und das wird sie wieder den Vorteil der Initiative kosten, um den uns diese stravag Sternencaptain im Sprungschiff gebracht hat.“
„Wer wird den Angriff anführen dürfen?“, wollte sie wissen.
„Ich werde das Bieten um die Kräfte erst eröffnen, wenn wir den Orbit erreicht haben.“, erwiderte er. Es zog ein Schmollen des Sternencaptain nach sich, doch er lachte nur.
„Du hattest darauf gehofft, den ersten Angriff anführen zu dürfen, frapos?“
„Neg. Ich hatte erwartet, dass ihr diese Ehre für euch beansprucht, Sternencolonel“, erwiderte sie. Er lachte nur darüber.
„Wir werden sehen, ob wir gut genug bieten um dieser Ehre wert zu sein. Aber bis dahin haben wir noch ein paar Tage Zeit.“
„Pos, mein Sternencolonel“, erwiderte sie mit einem Glitzern in den Augen.

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01.02.2005 13:31 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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7.

General Bregano Kaserne, Neo Dijon
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

10. September 3067


Ulf zog es vor, in einem Overall in die große Mechhalle zu treten. Er fröstelte ihn jedes mal, wenn er hier unten stand. Ihn beschlich zwar schon lange nicht mehr dieses Gefühl von Ehrfurcht, wenn er die in langen Reihen aufgestellten Kampfmaschinen sah, aber die lange Halle war saukalt und zugig. Der riesige Mechhangar der Kaserne war aus dem massiven Basalt gehauen worden und hatte aufgrund der sechseckigen Stützen, die die Decke überall trugen, den Anschein einer riesigen Kathedrale. Aber es war eine unheilige Kathedrale. Eine Kirche, die den personifizierten Tod beherbergte.
Langsam schritt Ulf die Reihen der abgestellten Battlemechs ab und sah sie sich noch einmal in Ruhe an. Hier standen die schwersten Maschinen, die in der inneren Sphäre zu finden waren. Ganz am Ende der Atlas des Oberst, direkt daneben der Nightstar des XO. Die gesamte Einheit hatte in den letzten Jahren einen erschreckenden Überhang schwerer und überschwerer Maschinen erhalten. Aber eigentlich durfte das nicht verwundern.

Nachdem sich das Melissiatheater 3065 nach dem Ende des letzten Falkenkreuzzugs offiziell aus den Gefechten des Bürgerkriegs zurückgezogen hatte, hatte es keine Unterstützung mehr von Seiten der offiziellen Mechlieferanten Haus Steiners zu erwarten. Die 6. Reguläre, die ebenfalls in Gefechte verwickelt worden war, hatte sich auf andere Weise wieder aufbauen müssen. Am einfachsten ging das, indem man vorhandene Wracks wieder zu diensttauglichen Mechs zusammenschraubte. Doch vor allem von den leichten Mechs war nur selten mehr als nur ein Haufen unbrauchbarer Schlacke oder verdrehtem Metallschrott übrig geblieben.
Hauptsächlich waren ihnen schwere und Angriffsmechs angeliefert worden, die die findigen Techs mit viel Spucke und Improvisationstalent zum Laufen gebracht hatten. Sie hatten mit allen möglichen Ersatzteilen und Austauschwaffen Mechs erschaffen, die so in keinem Handbuch zu finden waren. Nur die wenigsten Maschinen, wie der Nightstar und der Atlas , besaßen noch ihre ursprüngliche Konfiguration.
Außer den Schwergewichten waren nur noch einige mittlere Maschinen aus den Gefechten heraus gekommen. Meist nur mit Glück und Geschick, aber sie hatten es geschafft. Auch sie waren entsprechend den Möglichkeiten wieder aufgebaut worden, denn neue hatten sie nicht bekommen.
Doch von den leichten Maschinen sahen sie erst seit dem Ende des Bürgerkriegs wieder einige. Eine Landungsschiffladung, die ursprünglich für die Gefechte auf dem Tharkad gedacht war, hatte ihnen erst vor zwei Wochen eine ganze Ladung nagelneuer Commandos, Stingers und sogar zwei der nagelneuen Stilettos gebracht. Auch wenn keiner so recht wußte, wie sie bei ihren desolaten Lagerbeständen ausgerechnet diese Prunkstücke modernster Technik in Betrieb halten sollten.

Ulf schritt die Reihen des ersten Bataillons ab, wo sich neben der Kommandokompanie auch noch die beiden schwersten Angriffslanzen befanden. Was auch immer die Clanner ihnen entgegen warfen, sie würden in der Stadt keinen leichten Stand haben, so viel stand fest. Aber Ulfs Einheit war nicht im ersten Bataillon.
Er ging weiter und konnte es sich nicht verkneifen, am Prunkstück der 6. hoch zu sehen. Es war ein Devastator , ein 100 Tonnen schweres Monstrum, das selbst einem Clanmech die Lichter ausknipsen konnte. Es war ein Musterbeispiel dafür, daß die Clans nicht unbesiegbar waren. Nicht bei solchen Maschinen.
Leider wurde dieser spezielle Mech ausgerechnet von seinem Lieblingsfeind gesteuert: Kommandanthauptmann Hähren. Schnaubend ging Ulf weiter um endlich seine eigene Kompanie zu erreichen. Am Fuße seines eigenen Mechs stand sein knappes Dutzend Männer zusammen und erwartete ihn bereits.

„Na, Herr Hauptmann, war wohl ein kurzer Urlaub“, stichelte sein zweiter Mann. Nur ihm ließ Ulf allgemein diese Kommentare durchgehen.
„Ja, leider viel zu kurz, Jakob“, erwiderte Ulf und sah sich in der Reihe um. Von Haltung annehmen hielten sie nicht viel. Sie waren eher ein wilder Haufen, genauso wild wie zusammen gewürfelt. Aber es war sein Haufen. Und es war ein fähiger Haufen, wie er jedes Mal bei Übungen amüsiert feststellen mußte. Sie hatten sogar ihren Chef schon einmal niedergerungen.
„Was liegt an, daß wir drei Tage vor den anderen ausrücken?“, wollte Oberleutnant Johnny Bryan wissen. Der verlorene Davion im 6. lyranischen Regiment war eigentlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Eine Eigenschaft, die er auch dringend brauchte, wenn er in diesem Klima überleben wollte.
„Nichts gutes, fürchte ich“, erklärte Ulf, der die Gefechtsdoktrin eigentlich erst an Bord des Landungsschiffes ausgegeben hätte. Aber er wußte, daß er bis dahin von so vielen Fragen gelöchert worden wäre, daß er bis dahin wie ein Sieb ausgesehen hätte.
„Wir werden jetzt mit unseren Maschinen in die alte Lady einschiffen und sie wird uns nach Teress bringen ...“
„Mitten ins Eisenlager?“, fragte Rauno Valdegaard, der andere Nordmann der Kompanie und Leiter der zweiten Lanze, „Mitten in den Kieshaufen, in dem wir unsere Sensoren vergessen können?“
„Nur die MAD-Taster“, korrigierte ihn Ulf, nickte aber ansonsten.
„Wenn uns die Falken vorher ausmachen, werden die uns den ganzen Haufen auf den Kopf schmeißen. Wie viele sind es eigentlich?“, wollte ihr Küken wissen. Brendan Donohue war ein waschechter Lyraner und stand dick hinter dem jeweiligen Archon, auch wenn er sich mit dieser Einstellung nicht immer Freunde gemacht hatte.
„Mehr als genug. Wie viele weiß keiner, da dieser Mistkerl von einem Flattermann noch keinen Besitztest ausgerufen hat. Wir können nur raten, mit wie vielen Maschinen, Elementaren und Fliegern sie diese Welt einzunehmen versuchen.“
„Ist denn schon sicher, daß sie die Welt einnehmen wollen?“, fragte Jakob Eisenblatt.
„Nein. Sicher ist gar nichts. Aber man kommt nicht mit drei dicken Landungsschiffen, wenn man sich nur ein paar Stahlplatten unter den Nagel reißen will.“
„Wie dick ist dick?“, hakte sein Helfer nach.
„Richtig dick“, erwiderte Ulf. Er wollte nicht mit der Wahrheit heraus, weil er befürchtete, daß es ihnen noch mehr Sorgen machen würde als ihm.
„Soll ich schon mal die Kadish für uns beten?“, fragte sein jüdischer Kamerad.
„Laß mal“, erwiderte Ulf gelassen, „Noch sind wir nicht tot und noch wissen wir nicht einmal, ob wir nicht vielleicht diejenigen sein werden, die nachher die Kastanien aus dem Feuer holen müssen. Nach den ersten Planungen zu urteilen, werden sie sich vorzugsweise hier auf die Stadt stürzen. Vielleicht bekommen wir nur die Zuschauerplätze zugewiesen. Aber wenn es rund gehen sollte, sollen wir dafür sorgen, daß es sich die Falken nicht zu bequem machen. Wenn sie den saublöden Fehler machen sollten und sich auf ein Gefecht durch die Nordstadt einlassen, sollen wir bereitstehen um ihnen so fest in den Arsch zu treten, daß wir mit dem Stiefel stecken bleiben.“ Das waren schon eher die Worte, die seine Leute hören wollten. Zustimmung kam auf.
„Und was machen wir dann bei den Hütten, außer darauf zu warten, daß die Falken einen falschen Schritt unternehmen?“, hakte sein Lanzenführer nach.
„Wir bleiben dort und verstecken uns. Wir sollen dort in den Gruben verschwinden, uns abtarnen und abwarten, was passiert. Vielleicht gar nichts, vielleicht auch ein unerwarteter Besuch. Wir sollten nicht davon ausgehen, daß sie auf ein langes Pallaver mit dem Bürgermeister aus sind, sondern sich auch die für ihre Militärmaschinerie wichtigen Industrien unter den Nagel reißen wollen. Das ist jedenfalls meine Meinung. Deshalb werden wir gleich in Bataillonsstärke zu den Werken verlegen und abwarten.“
„Mit unseren 36 Maschinen im Sandkasten werden wir aber eine gewaltige Feuerkraft aufbieten. Was sollen uns diese Bekloppten da entgegen werfen?“, fragte Michael van de Dorn, der ‚fliegende Holländer‘ der Einheit, der aber darauf bestand, daß er belgischer Abstammung war.
„Hoffentlich werden sie gar nicht mitbekommen, daß gleich 36 Maschinen auf sie lauern. Andernfalls dürften wir uns sicherlich gleich mit zwei Binär- oder Trinärsternen auseinander setzen. Durch das Herunterfahren und Abtarnen im Magnetkies hoffen wir darauf, daß wir lange genug unentdeckt bleiben um sie zu einem Fehler bei ihrem Bieten zu veranlassen. Wenn sie nur mit einem Binär- oder Trinärstern kommen, drehen wir sie jedenfalls durch den Wolf.“
„So wie es sein muß“, stimmte Bryan an und wurde von einer jolenden Masse begleitet. Es tat gut zu sehen, daß sie noch guten Mutes waren. Wenn sie erst wieder knietief im Dreck standen, konnte sich das schnell ändern.
„Aufsitzen und fertig machen zur Reise! Und vergesst nicht eure Comics. Es könnte langweilig werden da draußen.“, forderte Ulf seine Männer auf ihre Kampftitanen zu besetzen. Sie lachten noch einmal, bevor sie ihre Cockpitkanzeln erklommen. Auch Ulf sah am Bein seiner Maschine empor. Zu seinem Mech. Zu seinem Bastard.

Ursprünglich war es mal ein braver, serienmäßiger Zeus in der modernen Bauform gewesen, doch nach den letzten Kämpfen, die sie gegen die Jadefalken hatten austragen müssen, war sein Mech fast bis auf die Rumpfstruktur zusammengeschossen worden. Daß er es überhaupt noch aus dem Massaker heraus geschafft hatte, hatte mehr an ein Wunder als an Können gegrenzt. Nach seiner Rückkehr und der Neutralitätserklärung des Melissiatheaters war es dann nicht mehr möglich gewesen, den Mech in der selben Form wieder aufzubauen. Sie hatten vor allem keinen Ersatz mehr für die ER-PPK im rechten Arm finden können, dafür aber noch einen Satz schwerer ER-Laser, insbesondere nachdem sich die wenigen Falcon Hawks , die sie vorher hatten, verabschiedet hatten. Auch für den mittleren Impulslaser im Rückenschußfeld hatte es keinen Ersatz mehr gegeben. Die Techs hatten sich dazu entschieden, einen normalen Laser einzubauen und die Armwaffe mit einem zweiten schweren ER-Laser zu ergänzen. Die Rumpfstruktur hatte es dabei sogar noch ermöglicht, die Panzerung aufzustocken, doch die wirkliche Meisterleistung der Techs bestand darin, das CASE aufzubohren und nun fast drei Tonnen Munition für die Star Fire LSR-Lafette mitzunehmen.
Das Ergebnis war ein Mech, der mit dem ursprünglichen Zeus nur noch das Äußere gemein hatte. Aber es war nur ein Beispiel für die technische Kreativität der Heinzelmännchen hier unten in ihrer großen Grotte. Auch wenn in der Zwischenzeit wieder einiges an Ausrüstung geliefert worden war, war Ulf mittlerweile nicht mehr bereit, seinen Zeus herzugeben.
Er war ein Unikat und vor allem war er sein Unikat. Es war wie mit einem getunten Wagen, einem kreativen Einzelstück, das die eigene Persönlichkeit ausdrückte. Auch wenn er nicht in der Lage gewesen war, seinen Mech eigentständig zu tunen. Aber er drückte sein ganz eigenes Wesen aus.

Hinter sich hörte er bereits das tiefe Wummern mit dem ersten Maschien zum Leben erwachten, was ihm klar machte, daß auch er sich an die Arbeit machen mußte.
Als er entlang des rechten Arms das Wartungsgerüst emporstieg, kam er noch einmal an dem schlanken Lauf in der klobigen Verkleidung vorbei. Wenn man nicht haargenau wußte, worauf man zu achten hatte, würde es niemand auffallen, daß die Waffe ersetzt worden war.
Viele sahen in den Unmengen an Umbauten in der Einheit einen ihrer größten Vorteile. Ein Gegner konnte sich kaum auf die Angaben des Bordcomputers verlassen, wenn er einem von ihnen gegenüber stand. Aber wichtiger war, daß sie allen Umbauten und Notlösungen zum Trotz noch immer eine schlagkräftige Truppe waren. Eine Truppe, die erneut herausgefordert wurde.

An der überschwänglich verglasten Cockpitkanzel angelangt, reichte ein einfacher Griff um das Kanzeldach aufschwingen zu lassen. Beschützt von den wuchtigen Schulterschilden lag das ‚Aquarium‘, wie es die Techniker schimpften, wie ein Doppelkinn auf dem Rumpf der Maschine. Eigentlich war diese Konstruktion nur gewählt worden, weil es Platz für einen zweiten Sitz bieten sollte. Auch nach dem Aufkommen deutlich schwererer Maschinen und diversen Umbauten an dieser Mechserie war diese Eigenheit weitergeführt worden. Für Ulf hatte es den praktischen Vorteil, daß er seine Tasche mit seinen Habseligkeiten einfacher verstauen konnte. Ihm reichte dafür der zweite Sitz, der ansonsten von keinem genutzt wurde.
In vielen anderen Cockpits herrschte in dieser Hinsicht drangvolle Enge. Sie hatten nicht immer die Gelegenheit ihre Sachen auf einem zweiten Sitz zu verstauen. Viele Mechs hatten noch nicht einmal einen Notsitz. Er hingegen konnte im geräumigen Cockpit den Overall ablegen und sorgfältig verstauen. Mit der selben Ruhe und Präzision mit der er in den Krieg zog, führte er auch die weiteren Schritte der Mechaktivierung durch. Selbst wenn es nur zum Landungsschiff ging, daß sie zum Bergwerkskomplex fliegen würde, legte er die volle Ausrüstung an. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einem Waffeneinsatz zu rechnen war, schloß er auch die Kühlweste an und ließ das Kühlmittel zirkulieren. Als Abschluß stülpte er sich auch noch den schweren Neurohelm über und schloß ihn mit der selben Präzision an wie die übrigen Sachen. Mit Handgriffen, die er bereits im Schlaf beherrschte fuhr er seinen eigenen Mech hoch und spürte, wie der riesige Pitbanreaktor unter ihm zum Leben erwachte. Im selben Zuge aktivierte sich auch die kennsatzgesteuerte Sicherung des Mechs.
„Niemand wird ewig leben, nicht hier und nicht in Eden“, erklärte Ulf. Die Akzeptanz dieser letzten Barriere ging in seinen Gedanken unter. Wenn sie Pech hatten, würde sich dieser Kennsatz ein weiteres mal in seiner ganzen furchtbaren Konsequenz bewahrheiten.

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Krieg ist ein Überdruß an Frieden

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8.

Landungsschiff Silberschweif
Im Anflug auf Clermont
Mellisiatheater, Lyranische Allianz

13. September 3067

Sternencolonel Brien war zufrieden. Alle wichtigen Personen hatten sich in der Kommandozentrale der Silberschweif versammelt und mit demselben Feuereifer mit dem sie die rituellen Worte zu Beginn rezitiert hatten, waren sie nun auch zum Bieten bereit.
„Für das Bieten um den ersten Angriff auf die Verteidiger Clermonts haben sich im Kreis der Gleichen Sternencaptainin Shanna meines 56. Trinärsterns der 12. regulären Falken und Sternencaptain Zaturin von der 55. Schlagfeder des 51. provisorischen Garnisonssternhaufen qualifiziert. Sie werden um die Ehre bieten, den Kraftwerkskomplex unterhalb des Monte Diaboli zu erobern und gegen die angreifenden Kräfte zu halten. Sie sollen bedenken, dass die Verteidiger noch in voller Stärke angreifen können und noch voller Kampfesmut sind.
Ich erwarte von beiden, dass sie gut bieten. Ich höre das erste Gebot von ihnen, Sternencaptain Zaturin.“

Sternencolonel Brien hätte es lieber gesehen, wenn ein anderer Sternencaptain die Ehre erlangt hätte um diesen Angriff mitzubieten. Möglichst einer der Wahrgeborenen aus den Fronteinheiten. Doch der etwas untersetzt wirkende Zaturin war nicht umsonst innerhalb eines Garnisonsstern zu einem Komet aufgestiegen, dem man ernsthafte Aussichten auf Versetzung in eine Fronteinheit einräumte. Seine Körperfülle wurden von seiner Geschwindigkeit und Kraft Lügen gestraft. Er hatte in vier Gefechten vier andere Sternencaptaine auf die Matte geschickt und nur der Umstand, dass der Sternencolonel darauf bestand, dass alle Kräfte beim Angriff auf ihre Zielwelt einsatzbereit sein sollten, hatte ihn davon abhalten können, ernsthaftere Schäden anzurichten.
Aber beim Bieten war er gegenüber der Sternencaptainin in einer Beziehung klar im Nachteil: Im Gegensatz zu ihr wusste er nicht, wie viel seine Gegner ihm entgegen werfen konnten.

„Ich biete acht Sterne Mechs mit einem Stern Luftunterstützung“, erklärte der stämmige Kommandant und sah zur riesigen Frau neben sich.
Bei ihr war es wesentlich leichter gefallen, ihre Kämpfe im Kreis der Gleichen vorherzusagen. Die Gene, die ihren beachtlichen Körperwuchs verursacht hatten, hatten auch Auswirkungen auf ihre Nahkampffähigkeiten. Sie hatte dem armen Sternencaptain Nern von der Sturmnova des 5. Garnisonssternhaufen den Arm ausgekugelt, als er sich mit ihr angelegt hatte. Sie sah auf den Emporkömmling neben sich herab und hätte sie die Chance bekommen, auch noch ihn im Kreis der Gleichen herauszufordern, hätte sie ihn wahrscheinlich in zwei Teile gerissen.

„Ich biete sieben Sterne minus einen Strahl und nur einen Strahl Luftunterstützung“, begann sie ihre Offerte. Es war ein deutlich niedrigeres Gebot, aber in Briens Augen ein vorsichtiges. Vorsichtiger als er von ihr erwartet hätte. Aber immerhin ging es hier um den Erstschlag und sie waren sich in Gesprächen vorab beide einig gewesen, dass in diesem Fall mit einem Bataillon Mechs und womöglich Panzerunterstützung zu rechnen war.
„Ich biete die Luftunterstützung weg“, konterte der Ristar aus der zweiten Reihe. Das war bereits ein gewagtes Spiel, denn damit fehlte ihm die Aufklärung auf lange Sicht.
„Aber sie bleiben bei ihren acht Sternen, frapos?“, wollte der Sternencolonel wissen.
„Pos“, bekräftigte der Mann.
„Neg“, erwiderte der Sternencolonel, „Dieses Gebot läge immer noch oberhalb der von Sternencaptain Shanna angesetzten Kräfte. Sie werden ein neues Gebot abgeben müssen oder Sternencaptain Shanna wird diesen Angriff ausführen.“ Der Sternencaptain schnaubte. Es fiel ihm sichtlich schwer auf weitere Truppen zu verzichten, wahrscheinlich weil er von sehr viel mehr Feinden ausging, die es zu bezwingen galt.

„Dann reduziere ich mein Gebot auf die vollen sieben Sterne, aber ohne jede Luftunterstützung“, bot Zaturin neu.
Damit war es bestenfalls ausgeglichen. Unter anderen Umständen hätte Brien gesagt, dass dieses Gebot so gering vom ersten variierte, dass er es gar nicht in Erwägung gezogen hätte.
„Ich reduziere mein Gebot auf fünf Sterne Mechs, drei Strahlen Elementare und nur einen Strahl Luft-/Raumjäger“, erwiderte seine Adjutantin. Das war schon eher ein Gebot nach dem Geschmack des Sternencolonels. Elementare waren nicht zu unterschätzen, doch auf dem freien Feld wären sie unter anderen Umständen leichte Beute gewesen. Außerdem wurden sie nicht so hoch angesehen wie Mechs. Doch gerade gegen die zu erwartenden Panzer waren sie Gold Wert. Vor allem aber war das Gebot gewagt. Ihr Gegenspieler sah sie an und schätzte sie ab.

„Es liegt an ihnen niedriger zu bieten, Sternencaptain Zaturin.“, forderte ihn der Sternencolonel auf.
Natürlich musste er niedriger bieten, wenn er den Angriff gewinnen wollte. Doch wie weit würde er sich nach unten treiben lassen? Shanna musste sich mit ihrem Bieten selbst vorsehen. Unter fünf Sternen Mech sah selbst Brien es als riskant an. Womöglich spielte sie tatsächlich die ganz wagemutige Karte aus. Aber wahrscheinlich wusste das ihr Gegenspieler nicht und vermutete eher, dass sie auf Selbstmord aus war. Die Sternencaptain verstärkte den Eindruck noch als sie ihn selbstsicher anlächelte.
„Ich biete fünf Sterne und drei Strahlen Mechs“, erklärte er schließlich. Es war ihm bereits anzusehen, dass er dieses Angebot als extrem verwegen einstufte. Der Sternencolonel sah ihn fragend an.
„Soll ich dieses Gebot ernst nehmen, franeg?“
„Pos“, bekräftigte der Sternencaptain vor ihm.
„Mit diesem Gebot stellen sie meiner Ansicht nicht weniger Truppen bereit als Sternencaptain Shanna in ihrem vorigen Gebot eingesetzt hat. Entweder sie bieten niedriger oder sie akzeptieren ihr Handeln.“, setzte der Sternencolonel ihm die metaphorische Pistole auf die Brust.
Der Sternencaptain sah sich beide Gegenspieler noch einmal an. Man konnte ihm ansehen, dass er diesen Angriff anführen wollte. Aber er war nicht willens in einer waghalsigen Aktion seine ganze Karriere final zu beenden. Unter die gebotenen fünf Sterne zu gehen, schien ihm geradezu fanatisch bis wahnsinnig.
„Ich würde den Feind auch mit den gebotenen fünf Sternen und nur zwei Strahlen Elementaren angreifen. Und gewinnen“, verstärkte Shanna den Druck auf ihn.
„Sie sind nicht an der Reihe. Sternencaptain Zaturin hat sein Gebot zu erst abzugeben“, unterbrach sie der Sternencolonel barsch.
„Ich ... ich“, stockte Zaturin, der den Wagemut seiner Mitstreiterin neu beurteilen musste. Der Sternencolonel ließ einen stechenden Blick auf dem Sternencaptain lasten und zwang ihn zu einem Konter. Er konnte sehen, wie sich Zaturin die Situation vorstellte. Wie er sich vorstellte, wie er mit so wenig Kräften gegen den Feind vorgehen sollte. Und er ging ganz offensichtlich noch immer davon aus, dem halben Regiment in die Arme zu laufen.
„Bieten sie niedriger oder überlassen sie ihrer Rivalin das Gebot um diesen Angriff, frapos?“, fragte der Sternencolonel erneut den verstört wirkenden Sternencaptain vor ihm. Der schluckte schwer, doch er wollte den Angriff noch immer nicht aufgeben.
„Sie geben jetzt ein Gebot ab oder ich sehe ihre Handlungsunfähigkeit als Grund den Angriff an das letzte Gebot ihrer Mitstreiterin zu geben und sie im Kreis der Gleichen wiederzusehen.“, warnte ihn der Sternencolonel erneut ohne ihn aus den Augen zu lassen. Schließlich schnaufte der Sternencaptain durch und sah zu der großen Frau neben sich auf.
„Gut gehandelt, Sternencaptain Shanna. Mögen sie die Ehre erringen um die sie geboten haben.“, erklärte er sich geschlagen. Der Sternencolonel wirkte zufrieden.
„Gut gehandelt und akzeptiert. Der Angriff wird von Sternencaptain Shanna und den von ihr gebotenen fünf Sternen Mechs, drei Strahlen Elementaren und einem Strahl Luft-/Raumjäger ausge...“, wollte Brien gerade verkünden, als er vom Ortungsoffizier des Landungsschiffes unterbrochen wurde.

„Sternencolonel! Feindliche Luft-/Raumjäger sind aufgestiegen. Wir zählen aktuell 18 bis 24 Maschinen, die Kurs auf uns nehmen.“
Der Sternencolonel musste sich am Geländer vor ihm festhalten um nicht vor lauter Wut loszubrüllen. Wie konnten sie es wagen, ihn in einem so heiligen Moment zu stören? Er verfluchte diese Bastarde aus der inneren Sphäre nach allen Regeln der Kunst.
„Sternencolonel, wie sollen wir reagieren?“, wollte der Ortungsoffizier wissen.
„Warten sie, bis sie heran sind und dann schicken sie sie zum Teufel! Schicken sie alle Jäger, die wir haben raus um diese stravag Bastarde zu beseitigen!“, knurrte Brien den Mann an.
„Aber Sir, das Gebot ...“
„Das Gebot beinhaltet einen Strahl Luft-/Raumjäger“, schnitt ihm der Sternencolonel das Wort ab, „Und bis er gebraucht wird, wird er wieder einsatzbereit und für den Einsatz konfiguriert sein und wenn die Techs Überstunden schieben müssen! Aber ich will nie mehr durch solche ... Surats gestört werden! Verstanden?“
„Pos, Sternencolonel“, gab sich der Ortungsoffizier kleinlaut zufrieden.
„Das ist alles!“, brach Brien das Bieten ab. Alle anwesenden Sternencaptaine gingen einzeln oder in kleinen Gruppen um das Gebot unter sich zu besprechen und die passende Strategie zu verhandeln.

Alle bis auf seine Adjutantin, die erst mit ihm mitkam. Sie blieb ruhig, bis sie zwei Schotten hinter sich gebracht hatten und die anderen Sternencaptaine sie nicht mehr hören konnten. Dann stoppte sie abrupt und hämmerte mit der Faust vor dem Sternencolonel gegen die Wand.
„Was soll das, Shanna?“, wollte er von ihr wissen.
„Es war mein Bieten!“, zischte sie ihn an, „Ich hatte zu entscheiden, mit welchen Truppen ich den Feind stellen werde. Ich hatte alleine zu entscheiden!“
Er sah sie immer noch verärgert an, antwortete aber nicht. Er spürte ihre ehrliche Wut über den Verlauf und Ausgang des Bietens.
„Sie haben sich eingemischt! Sie haben ihn und sein Gebot manipuliert! Sternencaptain Zaturin wäre womöglich noch weiter herunter gegangen und selbst dann hätte ich ihn noch besiegt!“ Sie schäumte vor Wut, das konnte er sehen und unterdrückte endlich die eigene.
„Was macht ihnen Sorgen, Sternencaptain?“, fragte er gelassen zurück, „Sie haben das Bieten doch gewonnen.“
„Aber nicht zu dem Preis, zu dem ich es haben wollte!“, zischte sie zurück, „Sie hatten alles unternommen um sicher zu gehen, dass ich das Bieten gewinne. Aber ich wollte es alleine schaffen! Ich hätte es alleine geschafft!“
„Vielleicht. Aber um welchen Preis?“
„Der Preis wäre ihnen doch fast schon egal gewesen! Sie wussten, dass dort unten nicht mehr als ein Bataillon Mechs warten wird. Selbst die Panzerunterstützung haben sie als nur vermutlich abgetan. Also warum haben sie sich in das Bieten eingemischt?“, wollte sie von ihm wissen. Er sah sie an und grunzte nur kurz.
„Sie sollten das Bieten gewinnen.“
„Pos, das habe ich auch. Aber wieso haben sie nachgeholfen?“ Er sah sie immer noch düster an, traf aber nur auf das wütende Funkeln in ihren Augen.
„Hätten sie an meiner Stelle einer ... Freigeburt die Führung des ersten, womöglich entscheidenden Angriffs erlaubt? Nie im Leben. Ich konnte es auch nicht.“, erwiderte er schließlich und wischte ihren Arm weg. Sternencaptain Shanna blieb einen Moment alleine im Gang stehen, bevor ihre wütenden Schläge gegen die Bordwand auch in anderen Sektionen des Landungsschiffes noch zu vernehmen waren.

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Krieg ist ein Überdruß an Frieden

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9.

Geothermisches Kraftwerk, Islandverwerfung
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

15. September 3067


Die Islandverwerfung unterhalb des alles überragenden Monte Diaboli war eine Gegend, wie man sie sich vielleicht in Dantes Inferno vorstellte. Das Land war völlig verbrannt und herkömmliche Vegetation hatte sich niemals hierher gewagt. Der Boden bestand fast ausschließlich aus Lavagestein in all seinen Schattierung von hoffnungslosem tiefschwarz bis niederschmetterndem aschgrau. Doch das Gestein war nicht durchgängig, es war brüchig und von tiefen Spalten durchzogen. Einige dieser Spalten waren von den häufigen Erdbeben in dieser Region wieder mit Lavagestein verfüllt worden, doch in vielen anderen lauerten tödliche Gefahren auf unvorsichtige Ortsunkundige. Die eine Gefahr waren die mit kochendem Schlamm gefüllten Fumarole, in denen immer neuen Blasen aufplatzten und in denen Unmengen stinkender Gasse freigesetzt wurden, die andere Gefahr war noch weit heimtückischer. Das Gelände war von einer Vielzahl von Geysiren durchsetzt. Diese heißen Springquellen eruptierten, wenn das Wasser in ihnen in der Tiefe zu kochen begann, aber durch den Druck der über ihr lastenden Wassersäule nicht sofort aufsieden konnte. Die Intervalle ihrer Ausbrüche wie auch die ausgespieenen Wassermengen variierten stark. Einige spuckten alle paar Sekunden einen dünnen Wasserstrahl aus, andere spien im Abstand von mehreren Stunden oder Tagen einige hundert Kubikmeter kochendheißes Wasser und Dampf. Das ‚alte Loch', wie der größte Geysir im ganzen Areal hieß, war sogar schon seit 200 Jahren nicht mehr gesprungen. Die Geologen hatten es irgendwie erklärt. Irgendetwas von zu hohen Kalksinterrändern um die Austrittsöffnung des riesigen Geysirs und zu hohem Wasserdruck der resultierenden Wassersäule.

Kommandanthauptmann der Reserve Michele Cavatelli von der planetaren Miliz bedauerte das sehr. Es hätte dieser trostlosen Gegend wenigstens eine Attraktion eingebracht, zumal es hieß, dass er früher einmal zu den größten Geysiren des zugänglichen Universums gezählt hatte.
Doch für die Kraftwerksbauer war es ein Segen gewesen, dass seit 200 Jahren Ruhe herrschte. Ohne von Umweltbehörden oder Fremdenführern belästigt zu werden, hatten sie hier das größte geothermische Kraftwerk des Planeten bauen können. Der aus verschiedenen in den Boden getriebenen Rohren schießende Dampf trieb direkt Turbinen an, die die Stromversorgung Neo Dijons und noch einiger Dörfer in der Umgebung gewährleistete. Es war eine billige und sichere Methode der Stromgewinnung, aber sie ließ sich nicht an allen Orten auf der Welt ausführen.
Diese Ortsbindung hatte dazu geführt, dass der Kommandanthauptmann nun am seiner Meinung nach hässlichsten Ende der Welt auf einen möglichen Angriff von ein paar kriegsgeilen Wahnsinnigen warten musste, die seinen eh schon nicht berauschenden Tag endgültig versauen konnten. Es stieß ihm immer noch säuerlich auf, wenn er an die Berichte des ersten Kontaktes mit den Feinden denken musste.

Die Luft-/Raumjäger hatten sich gestern im Weltall über Clermont getroffen und sich eine erbitterte Schlacht geliefert. Er hatte nicht alles mitbekommen, aber so wie er es verstanden hatte, hatten sich die Strategen übel verrechnet.
Aus einer Überlegenheit von fast 2 zu 1 zu ihren Gunsten war mehr oder weniger ein direktes Duell geworden. Die Falken hatten nicht, wie ursprünglich behauptet, nur 15 oder 16 Maschinen mitgebracht, sondern an die 20 oder mehr. Angeblich waren nicht nur Schwergewichte wie dieser Visigoth und Jagatai , die er schon bei der Besprechung gesehen hatte, dabei gewesen, sondern auch noch ein paar von diesen wahnsinnig gefährlichen Riesenvögeln vom Typ Scytha und ein einzelner Kirghiz .
Anders ausgedrückt hatten sich die Clanner einen Scheißdreck um die mögliche Ausgewogenheit der Truppen gekümmert und ihre Maschinen in tausend Teile zerblasen.
Nach nicht einmal fünf Minuten Keilerei war schon alles klar gewesen und von ihrem ehemals stolzen Geschwader waren nicht mehr als ein Dutzend Maschinen übrig geblieben.
Sie hatten sich mit allem was ihre Maschinen noch hergaben aus dem Staub gemacht, weiterhin von den Falken verfolgt. Vor dem Eintritt in die Atmosphäre hatten sie noch zwei Flieger verloren, ein weiterer war beim Wiedereintritt verglüht. Neun Maschinen waren ihnen geblieben, während von ihren Feinden angeblich noch immer mehr als die Hälfte unterwegs waren. An die Landungsschiffe, die sie eigentlich bedrohen sollten, waren sie noch nicht einmal herangekommen.

Es musste ein Massaker gewesen sein und wenn die Falken es hier am Boden genauso trieben, dann sah Clermont keiner rosigen Zukunft entgegen. Vor zwei Stunden hatte es gehießen, dass die beiden Truppentransporter in den Orbit eingetreten seien. Nur wo sie abgeblieben waren, wusste keiner.
„Hast du mal in der Stadt nachgefragt, ob die was genaueres wissen?“, wollte seine Flügelfrau Sarah Kabrinsky wissen.
„Schon vor einer halben Stunde, aber die wissen auch nichts genaueres. Die Landungsschiffe haben sich angeblich noch nicht einmal in der Nähe Neo Dijons blicken lassen.“, erwiderte er wenig glücklich.
Da der Luftraum über Clermont so gut wie leer war, hatte es zuvor noch nie jemand für nötig befunden, eine flächendeckende Luftüberwachung einzurichten. Nur der Raumhafen hatte zur sicheren Leitung der riesigen Landungsschiffe ein funktionierendes Radarsystem spendiert bekommen. Diese Kurzsichtigkeit rächte sich jetzt.
Die beiden Overlords hatten sich nur einmal kurz nach dem Eintritt auf dem Schirm gezeigt und waren dann irgendwo im Südosten verschwunden. Wo sie danach genau hingeflogen waren oder was ihr endgültiges Reiseziel war, wusste niemand.
Es war das verdrießliche an dieser Welt. Wenn nicht zufällig irgendein Bauer die Schiffe sah, würden sie rein theoretisch überall herunterkommen können. Sie würden alle Zeit der Welt haben ihre Ladung auszuspucken und die Jadefalken würden jede Gelegenheit bekommen um ihnen so richtig fürchterlich einheizen zu können.

„Neo Dijon meldet einen neuen Kontakt“, wurde der Kommandant schließlich doch noch aus seiner Lethargie geweckt.
„Zwei Maschinen. Sehr schnell, sehr hoch, von 8 nach 2.“, meldete Roger Willis in seinem Kampfschützen , der eine Direktverbindung zum Tower in Neo Dijon etabliert hatte. Der Kampfschütze war schon vor langer Zeit als Luftabwehrmech ausgelegt worden und mit dem riesigen Radar über seinem Kopf hatte er wahrscheinlich auch die besten Aussichten ihre Gegner als erstes aufzuspüren.
„Landungsschiffe?“, wollte Cavatelli wissen.
„Nein. Zu kleine Echos. Jagdmaschinen“, erwiderte Willis, der sich die Daten einspielen ließ.
„Halt, Moment. Vektoränderung! Nehmen Kurs auf 270, sinkend. Sir, die wollen direkt hierher!“, rief ihr Radarspezialist.
„Wie lange, bis sie hier sind?“
„Keine fünf Minuten bei dem Tempo, was die jetzt anschlagen. Ich sollte sie in vier auf dem eigenen Schirm haben“, erklärte Willis.
Das war nicht gut. So sollte das nicht laufen, dessen war sich der Kommandanthauptmann sicher. Vorsichtig sah er über den Kamm des notdürftig vor ihm aufgetürmten Schutthügels.

Fast alles an dieser Operation war notdürftig. Ihre Miliztruppe war notdürftig zusammengezogen worden, ihre 20 uralten Mechs waren nur notdürftig am Laufen zu halten und der Versuch, sich in dieser Gegend einzugraben hatte nur zu notdürftigen Befestigungen geführt. Kaum war man zwei Meter in den Boden vorgedrungen, schon kochte es unter den Füssen oder man stand bis zu den Knöcheln in blubberndem Schlamm. Die Natur schien gegen sie zu sein. Mühsam suchte er nun den von Dampfschwaden verdeckten Himmel nach ihrer Bedrohung ab, doch auf die Schnelle war nichts auszumachen. Er suchte seinen eigenen Radarschirm ab, aber der war bei weitem nicht so gut wie der des Kampfschütze .

„Da kommen sie“, erklärte Willis unwesentlich später und überspielte die Daten aus seiner Maschine auf die Hilfseinheiten seiner Einheitskameraden. Auf dem Sekundärschirm konnte Cavatelli die schnell näher rückenden Punkte ausmachen. Sie hielten in direkter Linie auf sie zu. Die Zahlen neben den roten Punkten waren Fachchinesisch für Kampfschütze piloten. Das einzige, was der Kommandant erkennen konnte, war, dass die beiden Jäger mit extrem hoher Geschwindigkeit direkt auf sie zuschossen.
„Erbitte Feuerfreigabe“, forderte Willis. Wenn einer eine Chance hatte, diese Mistkerle ins Jenseits zu pusten, dann er. Mareike Jensch saß zwar ebenfalls in einem dieser Killermechs, aber ihre Trefferquote war weit geringer.
„Keine Feuerfreigabe, sofern ihr nicht zum Ziel werdet!“, unterband Cavatelli diese Bestrebung. Er musste nicht unnötig das Interesse dieser Irren auf sich ziehen und sie würden es ihm sicherlich ziemlich übel nehmen, wenn auf einmal von ihrer Stellung aus massives Feuer auf sie ausging.

Cavatelli suchte erneut den Horizont in der vorgegebenen Richtung ab, doch die beiden Maschinen waren erst kurz vor dem Überflug auszumachen. Der ohrenbetäubende Schlag eines Überschallknalls folgte ihnen als sie über die Stellungen und das Kraftwerk hinweg huschten.
„Die hatten es aber eilig“, murmelte er als er sich nach möglichen Verfolgern umsah. Doch es gab keine von ihren eigenen Maschinen, die hinter diesen beiden Feinden hinterher jagten.
„Ein Sabutai und ein Scytha “, meldete Willis während er den weiteren Flug der beiden roten Punkte auf seinem Schirm verfolgte.
„Das sind aber ziemlich schwere Brocken. Sind die normal für Aufklärungsflüge?“, wollte Cavatellis Partnerin wissen.
„Wenn es Davions wären würde ich nein sagen. Wären es Piraten würde ich vielleicht sagen. Aber bei Clanner muss ich leider sagen, dass ich keine Ahnung habe“, erwiderte ihr Chef.
„Erneute Vektoränderung“, unterbrach sie ihre Radarbeobachter, „Sie verlangsamen und drehen zu einer neuen Schleife ein. Scheint so, als hätten sie uns gesehen.“
Cavatelli fluchte herzhaft auf italienisch während sich die Maschinen erneut ihrer Stellung näherten, dieses mal wesentlich langsamer.
„Wenn die auch nur einen Schuss abgeben, putzt ihr sie vom Himmel“, verlangte er von seinen Leuten. Je näher sie kamen um so weiter bremsten sie herunter.
„Das geht nicht gut, das geht nicht gut ...“, wisperte ihr Kampfschütze pilot.

Wie es schien, hatten sie sein Murmeln gehört. Kaum, dass sie auf ideale Feuerreichweite heran waren, leuchteten auch schon die Laser des Sabutai auf. Die Strahlbahnen schillerten in den Dampfschwaden für den Augenblick einer Sekunde bevor sie den Erdboden zwischen den einzelnen Stellungen zerfurchten. Cavatelli konnte zusehen, wie die Bahnen wie ein Messer zwischen ihnen hindurch glitten und über den Wall vor Sabrina ‚Mindy‘ Warchowskys Wachmann kletterten um in ihn einzuschlagen.
Der Mech taumelte unter dem schmerzhaften Einschlag von drei schweren ER-Lasern und fiel um.
„Saukerle! Holt sie runter!“, fluchte Cavatelli und riss sein eigenes Fadenkreuz über die bereits wieder verschwindenden Luft-/Raumjäger. Er bekam nur noch den hinterher fliegenden Scytha vors Rohr, doch bevor er zum Schuss kommen konnte, war die Maschine auch schon wieder aus der Reichweite.
„Damit dürfte wohl eines klar sein. Wir kriegen die Hucke voll!“, fluchte der Kommandanthauptmann und bemühte sich um eine Leitung ins Hauptquartier. Noch während er seine Meldung machte, waren die beiden Jäger erneut da, doch dieses Mal wurden sie von einem wütenden Geschosshagel begrüßt. Ein schwerer Laser und eine leichte Autokanone aus einem der beiden Kampfschützen brannte eine tiefe Bresche in die Tragfläche des Sabutai , während eine Ladung LSR die Front des schwereren Jägers malträtierte. Doch die beiden Kampfmaschinen waren viel zu massiv gepanzert um sich von diesen und noch ein paar zusätzlichen Treffer erschüttern zu lassen.

„Halten sie die Stellung“, war das einzige was Cavatelli in der Zwischenzeit gesagt bekam. In früherer Zeiten hätte er am liebsten den Hörer hingeknallt, doch in den modernen Cockpits mit ihren helmintegrierten Systemen funktionierte das nicht und er konnte sich nur auf sein italienisches Fluchen verlassen.
Beim nächsten Überflug machten die Maschinen weniger Anstalten, irgendwas zu treffen als viel mehr dem Feindfeuer auszuweichen. Ein paar zusätzliche Einschläge verzierten die Unterseiten der beiden Maschinen.
„Bisher haben sie noch keine Bomben abgeworfen“, entglitt es einem anderen Piloten seiner kleinen Einheit.
„Bered‘ es nicht!“, fuhr ihn Cavatelli an. Die Jäger waren immer viel zu schnell verschwunden. Er brauchte viel zu viel Zeit um seinen alten Donnerkeil auf ein so mobiles Ziel einzurichten. Immer und immer wieder kamen die Jagdmaschinen aus unterschiedlichen Richtungen auf sie zugejagt und beschossen ihre Stellungen mit Lasern. Aber gegenüber dem ersten Beschuss erzielten sie kaum noch einen Treffer. Der beste hatte eine der Hauptdampfleitungen des Kraftwerks erwischt, was das Gelände in Unmengen heißen Nebel einhüllte.

„Was soll dieser Mist?“, fragte sich Cavatelli nach einer Weile, „Mit zwei Maschinen machen die uns doch nicht mau.“ Erst in diesem Augenblick sah er auch auf seine Sekundäranzeigen. Inmitten der heißen und vernebelten Umgebung konnte er die meisten Sensoren seines Mechs vergessen, doch der Magnet-Anomalie-Detektor und das Radar funktionierten noch. Er hätte sie nur früher auf eine bodengestützte Bedrohung umschalten müssen. Als er es endlich tat, konnte er nur noch mit einem Schrei reagieren.
Rote Lichtpunkte rückten auf seine Stellung vor, etwa 20 bis 25 Stück. Reichlich für eine Bodentruppe und in jedem Fall mehr als ausreichend um seinen alten Maschinen den Rest zu geben.
„Ablenkungsmanöver!“, brüllte er noch, doch es war bereits zu spät. Durch die Nebelwand schlugen zwei künstliche Blitzschläge und fraßen die Oberkante von Sergeant Thomas Maliks Schutzwall auf. Die Strahlen der Partikelkanonen hatten noch mehr als genug Energie um den dahinter stehenden leichten Stinger voll in die Brust zu treffen. Es sah aus als hätte man einem Infanteristen einem Blattschuss verpasst. Der Mech sackte auf die Knie und fiel vorne über in den Schutt ohne sich noch einmal zu rühren.

„Sie haben uns abgelenkt! Sie kommen mit Mechs“, brüllte Cavatelli über die allgemeine Verbindung seiner Truppe.
„Feuert um euer Leben! ... Macht sie alle ... es hat mich erwischt! ... Schießt, schießt, schießt!“, füllte es urplötzlich den Äther.
„Willis, Jensch! Haltet uns diese Flieger von der Pelle!“, befahl Cavatelli über den ganzen Lärm hinweg, „Der Rest feuert auf diese Schweine, sobald ihr sie in Reichweite habt. Bleibt so lange wie möglich in Deckung!“
Doch für eine koordinierte Konfrontation war es längst zu spät. Neben den PPKs eröffneten auch noch schwere Laser und diverse Raketenlafetten das Feuer. Eine Salve LSR aus einer übergroßen Lafette überschüttete auch die Stellung des Kommandeurs mit Feuer.
Aus den Augenwinkeln konnte Cavatelli noch erkennen, wie der schwer angeschlagene Mech Sabrina Warchowskys erneut unter dem Bombardement der Falkenmechs zusammenbrach. Eine sonnenhelle Detonation hinter dem Schutzhügel verkündete das Ende des Wachmanns . Er hatte vorher keinen Schleudersitz gesehen.

Alleine konnten sie die Stellung hier nicht halten. Geschockt ging er hinter seiner Deckung in die Knie um einen Funkspruch ans Hauptquartier abzugeben. Sie brauchten hier dringend Unterstützung.
„Halten sie aus. Wir schicken das dritte Bataillon als Entsatz“, wurde ihm versprochen, doch Cavatelli wusste, was das für sie bedeutete.
Sie würden hier verrecken. Bis das Dritte endlich hier war, war die Show gelaufen. Um aus der Stadt heraus zu kommen, würden sie alleine mehr als eine Stunde brauchen und sie hatten hier bestenfalls noch zehn Minuten.
Angesichts schnell ausschwärmender mittlerer und leichter Clanmechs schien ihnen sogar die Möglichkeit zum Rückzug verwehrt zu werden.
„Haltet vor allem die leichteren kurz!“, befahl er seinen Männern und Frauen und zielte bereits selbst auf einen vorbei stampfenden Dragonfly . Der schwere Laser peitschte eine breite Schneise über den lang gestreckten Rumpf der Maschine, doch von den anderen Waffen, insbesondere der LSR, traf nichts ins Schwarze und riss nur schwarze Erde auf. Der starre Mech drehte ihm nur den rechten Arm zu und feuerte zwei schillernde Smaragdbahnen auf ihn ab. Eine schlug in den Schutzwall während die andere nur leichte Schäden an seiner rechten Mechschulter verursachte.

„Kröten!“, hörte er in diesem Augenblick den entsetzten Schrei eines anderen Mitglieds der Miliz.
„Die auch noch“, konnte er nur aufstöhnen und die störrische Waffensteuerung weiterhin auf den schnellen Mech richten. Doch bevor er zu einem erneuten Schuss kommen konnte, sprang die Maschine in einem gewaltigen Satz hinter das Kraftwerk, wo der Kommandant sich entscheiden konnte hindurch zu feuern oder auf ein neues Ziel zu gehen. Vor ihm waren mehr als genug. Aus dem Nebel traten nun auch die schwereren Feindmechs. Er konnte eine ganze Reihe von Thors, Vultures und sogar einen der extrem gefährlichen Masakaris erkennen. Angesichts dieser Übermacht schwanden ihre Chancen mit jeder Sekunde.

Ein Thor setzte zu einem Sprung über Winslow Martinez Stellung an. Obwohl der Exil-Marik sofort mit seinem Greif den Rückzug antrat, konnte er nicht verhindern, dass er von einer Blitz-KSR6 und einem schweren ER-Laser getroffen wurde. Sein Mech blutete förmlich Panzerung als er von dannen hüpfte, mitten hinein ins Feld der Whirlpools, wie sie mittlerweile die Schlammgrube nördlich des Kraftwerks nannten. Er kam auf einem stabilen Damm auf, konnte aber nicht das Gleichgewicht halten, als dem Laserbeschuss auch noch eine Salve aus der riesigen Autokanone des Clanmechs folgte. Noch bevor Martinez auf dem Rücken landete, waren auch schon die ersten Kröten heran, um ihm den Rest zu geben. Am Boden liegend wurde er zu einer leichten Zielscheibe der genmanipulierten Superinfanterie. Sie schwärmten über seinen Rumpf noch ehe er wieder aufstehen konnte und rissen mit ihren Greifklauen weitere Panzerung von dem angeschlagenen Mech. Der wilde Indio wehrte sich mit allem Mitteln gegen die Übermacht und schlug und trat um sich, bekam seine Angreifer jedoch kaum los. Eine Qualmwolke aus dem Schulterbereich verkündete bereits das Ende seiner Raketenlafette. Endlich erwischte er doch noch eine der lästigen Gestalten mit der freien Linken und rammte sie kopfüber in den nächsten Tümpel. Man sah nur noch für kurze Zeit das Zucken und Zappeln des Elementars das jedoch schnell schlapper wurde. Martinez hatte keine Zeit um zuzusehen, wie die Kröte langsam im Schlamm versank. Die anderen Elementare bemühten sich darum, ihren Kameraden zu rächen. Mit einem grellen Funkenschlag war auch die PPK unbrauchbar geworden. Ein anderer Elementar hatte sich zwischen dem Kniepanzer und –gelenk verkeilt als er den Aktivator unbrauchbar machen wollte. Bevor er wieder verschwinden konnte, wurde er von der gigantischen Hebelpresse zermalmt als der Mechkrieger das Bein ausstreckte. Ein anderer, der gerade Martinez' Kopfpanzerung abzureißen versucht hatte, wurde von dem wütenden Indio abgewischt. Bevor er erneut an dem Mech hochspringen konnte, wurde er von dem gewaltigen Mechfuß in dem Schlamm gestampft. Als der Greif einen Schritt zur Seite trat, war keine Spur mehr von dem Elementar zu finden. Doch die anderen beiden Kröten hatten sich effektiv an ihm festgebissen. Ein Schwall Kühlflüssigkeit kündigte an, dass es einen der Wärmetauscher erwischt hatte. Doch so schnell gab sich der Milizionär nicht geschlagen. Endlich wieder auf den Beinen, konnte er die Sprungdüsen auslösen und auch die verbliebenen Kröten durch den Sprung abschütteln. Leicht schwankend kam er auf der anderen Seite des Schlammfeldes an, war aber fürs erste aus der Gefahrenzone.
Doch er kam nicht mehr weiter als sich der schwere Laser des Thors mitten durch die demolierte Kopfpanzerung fraß, das Cockpit kurz mit rotem Licht füllte und nur noch totes Metall zurückließ. Der ausgebrannte Mech stürzte kopfüber in die Fumarole, wo er den Kröten als Leiter aus dem Schlamm diente.

Der Masakari suchte sich inmitten des Chaos in aller Ruhe sein Ziel und feuerte. Es gab kaum etwas, was ihn hier noch beeindrucken konnte. Ohne sich sichtlich anzustrengen, schwenkte der wuchtige Arm hinter die Deckung von Tok No Dogs Firestarter , einem Mech, der in dieser Gluthölle am schwersten getroffen wurde. Tok bekam noch nicht einmal die Möglichkeit zu feuern, als die beiden PPKs den Rumpf zerschmolzen und den Reaktor sprengten.

„Rückzug! Rückzug!“, brüllte Cavatelli von diesem Massaker entsetzt. Doch es gab nicht mehr allzu viele die ihm noch antworten konnten. Aus den Augenwinkeln sah er wie der Schütze Sarah Kabrinskys sich im direkten Clinch mit einem waffentechnisch und gewichtsmäßig deutlich überlegenen Night Gyr befand. Ihr einziger Vorteil bestand darin, dass die Clanner den Nahkampf als unter ihrer Würde empfanden. Doch das nützte ihr kaum etwas. Die Impulslaser zuckten auf kürzeste Entfernung fast traumwandlerisch sicher in ihren geschundenen Mechrumpf. Doch ein Fehltritt des Night Gyr in eines der großen Wasserbecken ließ ihn straucheln. Es war Sarahs einzige Gelegenheit und sie nutzte sie so gut sie nur irgend konnte. Sie hob die riesigen Fäuste des Mechs und nutzte den runden Kopf ihres Gegners wie einen Punchingball. Der erste Schlag traf zwar nur die rechte Schulter, doch der zweite dellte bereits die Front des Clanners ein, der sich nur unter Mühen noch auf den Beinen halten konnte. Ein weiterer Schlag brachte ihn endgültig aus dem Gleichgewicht und ließ ihn nach hinten umkippen. Das Bein musste sich an einem Felsen oder Vorsprung verkeilt haben und brach unterhalb des Knies ab. Sarah wartete nicht darauf, dass sich der Clanner erholen konnte, sondern rannte um das Becken herum und rammte mit aller Gewalt das rechte Bein in die obere Torsosektion des Mechs hinein. Ob sie den Kopf voll getroffen hatte oder nicht, war wenig später unerheblich. Der Night Gyr lag leblos am Boden.

Doch in diesem ganzen Wahnsinn gab es mehr als genug Feinde, auf die sie schießen konnten. Ihr einziger Hunchback , eine über die Jahrhunderte gerettete Maschine, befand sich in der fürchterlichen Mangel eines Vultures , der unverdrossen mit Unmengen an KSRs auf ihn einprügelte. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, als er immer weiter zurücksetzen musste. Der rechte Arm fehlte bereits und auch der restliche, ansonsten enorm gut gepanzerte Mech sah nicht mehr allzu gut aus. Einige tiefe Narben im Clanmech deuteten jedoch an, dass auch die wuchtige Kanone, die dem Hunchback seinen Namen gegeben hatte, ihr Ziel erreicht hatte.
Eine weitere Granaten- und Raketenflut wurde zwischen den beiden Mechs ausgetauscht, doch die KSRs und leichte LB-X des Clanmechs fanden wesentlich eher ihr Ziel als die Großschlund Autokanone des Hunchback . Panzerungsbrocken und Teile der internen Verstrebung flogen aus dem taumelnden Mech und kündigten ein baldiges Ende des Buckligen an, während seine Granaten eine Spur der Verwüstung neben dem Vulture in den Boden gruben. In einem wilden Stepptanz sprengten sie den stark versinterten Boden rund um das große Loch auf, eine einzelne detonierte sogar in dem dunkelblauen Becken, des alten Geysirs. Aus einem Bruch in der Wand strömte Wasser aus einer genauso großen Wunde wie Kühlflüssigkeit aus dem Hunchback .
Aufgeschreckt aus seiner jahrhunderte langen Ruhe rächte sich der Geysir für seine Verwundung. Mit einem wütenden Grollen kündigte der alte Mann sein erneutes Erwachen an. Noch während unter den Füßen des Clanmechs die Erde zitterte, wölbte sich der Wasserdom neben ihm bereits auf. Der Clanner sah das Schauspiel nicht kommen und schoß mit der PPK auf seinen Gegner um ihm endlich den Rest zu geben. Das Schillern des Blitzschlags vernichtete die linke Torsopartie des Hunchbacks restlos. Doch nun war es am Geysir, sich seine Revanche zu holen. Mit einem ohrenbetäubenden Fauchen und Donnern explodierte der Wasserspiegel und schleuderte unglaubliche Wassermengen an die zweihundert Meter in den Himmel. Der Vulture , der fast im Zentrum des kochend heißen Wassers und Dampfs stand, blieb urplötzlich stehen und begann zu zucken, als wäre ihm nicht mehr wohl. Mit einem gewaltigen Schlag, der im Nebel des alten Lochs unterging, platzte die restlos überhitzte Raketenmunition im rechten Torso und zerfetzte die Seite. Ein schon vorher angebrachter Schaden im linken Torso ließ den Mech nun saft- und kraftlos in das heiße Wasser fallen, dass der alte Geysir nach wie vor in tosender Wut ausspie.

Doch die Lage war für die Milizionäre hoffnungslos. Auch der angeknackste Hunchback wurde von einem nachrückenden Feind zerstört.
Um Cavatelli brach der Widerstand zusammen. Hilflos konnte er nur noch um sich zielen und auf den jeweils nächstgelegenen Mech zielen. Die Innentemperatur glich einem Bad in einem der umgebenden Seen.
Der Donnerkeil war schon früher als Hitzefalle berüchtigt gewesen, die einen kühlen Tümpel in der Nähe für ihre volle Effizienz brauchte. Doch in dieser Umgebung gab es keine kalten Tümpel, nur kochend heiße.
Mit verschwitzten und immer matteren Zügen suchte er nach einer neuen Gelegenheit, als der Fenris , mit dem er eben noch Schüsse ausgetauscht hatte, hinter einem nahen Wall eines anderen ehemaligen Mitglieds der Miliz in Deckung ging. In dieser Situation sah er, wie ein Ryoken den Tomahawk seines alten Kumpels Mario Gionelli zu Fall brachte. Die Autokanonen beider Maschinen brachten sich geradezu vernichtende Schäden bei, doch die Mammutkanone des Clanners gab dem Tomahawk den Rest. Noch am Boden liegend, ohne Möglichkeit die Rettungsautomatik zu betätigen, explodierte der alte Prügelmech.
„Nein!!!“, brüllte Cavatelli. Sie hatten zusammen die Schulbank gedrückt.
„Du verfluchter Hurenbock“, schrie er den Clanner an. Cavatelli und Gionelli waren gemeinsam zur Miliz gegangen und hatten gemeinsam das Steuern von Mechs gelernt.
„Du gehörst mir!“, brüllte er den Clanpiloten an und deutete eindeutig in seine Richtung. Michele und Mario waren immer in der selben Einheit gewesen und hatten sogar im selben Dorf immer in den selben Maschinen gedient. Sie hatten ein Leben lang miteinander verbracht.
„Dich mach ich zur Sau!“, brüllte Cavatelli den Clanner an und stürmte auf ihn zu, so schnell er konnte.
Der Clanner, auf der Suche nach einem neuen Ziel, richtete sich gänzlich auf ihn. Tiefe Risse in der Panzerung zeugten von der Härte des vorangegangen Kampfes. Sogar das Cockpit war durch einen harten Schlag beschädigt worden. Aber die 55 Tonnen schwere Maschine hatte noch nichts von ihrer Vernichtungskraft eingebüßt. Noch während der Milizionär seinen Mech beschleunigte, brüllte die Autokanone im linken Arm des Ryoken wieder auf. Granaten fraßen sich bis auf die blanken Stützstreben des linken Arms des Donnerkeils herunter. Doch der Donnerkeil wankte nicht auf seinem Sturmlauf direkt auf den Clanmech zu. Mit jedem Schritt wurde das 65 Tonnen Ungetüm schneller und ließ jede Vernunft weit hinter sich. Die blanke Wut seines Piloten schien den Mech voranzutreiben, egal was sein Gegner anstellen würde. Die Autokanone stockte, als sich eine der leeren Hülsen verklemmte und die Waffe blockierte. Doch Cavatelli achtete nicht darauf. Mit immer schnellerem Schritt stampfte er auf den Clanmech zu.
„Ich bring dich um!“, brüllte er dem Clanner entgegen und erreichte ihn kurz bevor der auf den anderen Feuerleitschaltkreis für die Laser im anderen Arm umschalten konnte. Beide Maschinen krachten so heftig ineinander, dass die Panzerungsbrocken in alle Richtungen davon flogen. Der Ryoken wurde von den breiten Füßen gehoben und meterweit nach hinten geschleudert, direkt in einen der großen, heißen Seen. Cavatelli lag mehr auf dem Clanner als dass er über ihm stand und umklammerte den Mech mit beiden, riesigen Armen.
„Ersaufen sollst du, Drecksau!“, schrie er noch immer über die offenen Mikrofone seines Mechs und drückte den strampelnden Mech seines Gegners unter Wasser. Durch Risse in der großen Transpexkuppel drang das heiße Wasser in rauen Mengen in das Cockpit des Clanmechs ein und ließ verschiedene elektrische Schaltkreise Amok laufen. Der Pilot zuckte vor Schmerzen, als ihn das kochende Wasser verbrühte. Doch Cavatelli saß noch immer rittlings auf seinem Gegner und drückte ihn unter Wasser.
„Für das Leben meines Freundes“, zischte er und versuchte seinen Gegner noch tiefer in den Tümpel zu pressen. Der schaffte es in einer letzten Willensanstrengung den rechten Arm aus dem Wasser zu strecken und wahllos mit den Lasern in den gegnerischen Mech zu feuern. Eine der smaragdgrünen Strahlbahnen schnitt durch die Munitionszuführung der Kurzstreckenraketen und brachte sie zur Detonation. Der alte Donnerkeil beulte sich für einen Moment aus, dann zerriss es ihn von innen heraus. Die Überreste des Mechs begruben den Ryoken endgültig unter sich. Cavatelli hatte seinen alten Freund doch noch gerächt.

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03.02.2005 22:33 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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10.

Rügels Loch
Dosdoyewskys Insel, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

16. September 3067


Die gewaltigen Landungsschiffe vom Typ Overlord waren inmitten eines Gebirgstals, eingeklemmt von einer ganzen Reihe von Vulkanen, gelandet. Wer auch immer diesen Ort Rügels Loch genannt hatte, musste mehr Phantasie gehabt haben als es dem Sternencolonel verständlich war. Die kahlen Felsen und schroffen Wände ließen in ihm nur den Gedanken einer lebendig gewordenen Hölle aufkommen.
Aber der Standort war sicher. Weit ab jeder bekannten Siedlung und abgeschottet durch die Berge waren sie sicher vor Entdeckung. Die Platon hatte mit ihrem Jägerkontingent in der Zwischenzeit jeden potentiell gefährlichen Satellit im Orbit des Planeten ausfindig gemacht und zerstört und damit auch jede Entdeckung aus dem Weltraum unmöglich gemacht. Das 6. lyranische Heer würde seine Jäger ausschicken müssen um sie hier zu finden und selbst dazu bedurfte es eines gezielten Tipps in der Einöde dieser Landschaft.

Der Sternencolonel sah zufrieden aus. Sein Blick schweifte zurück zu den Daten, die vor ihm ausgebreitet lagen.
„Eine sehr zufrieden stellende Leistung, Shanna.“, erklärte er seiner Adjutantin, die vor ihm in seiner karg möblierten Kabine stand. Sie grunzte nur verächtlich.
„Ich hatte mein vorletztes Gebot herunterrufen müssen um mit diesen Feiglingen aus der Stadt fertig werden zu müssen. Ich hatte einen Teil meiner gewonnenen Ehre aufgeben müssen, um sie zu bezwingen. Doch was passiert? Kaum nachdem die Verstärkung gelandet war, haben sich diese Feiglinge aus dem Kampf gelöst und sind nach Hause geflüchtet. Sie haben noch nicht einmal richtig mitbekommen, dass es nur 6 Mechs waren, die zu meiner Unterstützung in ihrem Rücken aufgesetzt sind. Wenn sie es nur ein wenig besser analysiert hätten und ihrerseits Truppen herangezogen hätten um meine Verstärkung zu bekämpfen, hätte ich gar keine Ehre in diesem Kampf für mich beanspruchen können.“, ärgerte sie sich immer noch.
„Aber du hast deinen Auftrag erfüllt. Du hast mit mehr Feinden gekämpft, als wir beide für möglich gehalten haben. Keiner von uns hatte vorhergesehen, dass die Miliz sich am Kraftwerk versammelt. Nun ist sie restlos ausgelöscht und das dritte Bataillon, das zu ihrer Unterstützung kam, wurde ebenfalls angeschlagen.“
„Aber nicht genug!“, erwiderte Shanna trotzig. Der Sternencolonel lächelte dennoch zufrieden.
„Wie viele Abschüsse haben die Krieger unter deinem Kommando verzeichnen können?“, fragte er, als er sich zurücklehnte.
„28“, war die knappe Antwort.
„Und wie viele Abschüsse hast du in den letzten drei Jahren verzeichnen können?“, wollte er wissen.
Sie sah ihn dennoch giftig an. Die Antwort war einfach und klar: Keinen einzigen. In den letzten drei Jahren war die innere Sphäre so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass es keinen einzigen Übertritt in ihre Richtung gegeben hatte. Während der Invasion von 3064/65 hatten sie zu Hause gesessen und auf irgendeinen Angriff gewartet, der niemals gekommen war. Wenn sie nun als Kommandierende auf 28 Abschüsse blicken konnte, war das einerseits ein erhebendes Gefühl, aber auf der anderen Seite fand sie es erniedrigend, dass es sowohl mehr zerstörte Feinde als auch für mehr Ruhm hätten sein können.

Nachdem das Milizcorps vernichtend geschlagen worden war, hatten sie den Angriff des dritten Bataillons abgefangen, das wohl zur Unterstützung der Milizionäre ausgesandt wurde. Aber es hatte sich gezeigt, dass sie mit den gebotenen Truppen zwar das Bataillon in einem Erstschlag hätte auslöschen können, aber nicht, nachdem sie bereits ein Geplänkel mit den hoffnungslos veralteten Maschinen aus der zweiten Reihe hinter sich hatten.
Sie hörte sich jetzt noch vor Wut schreien, als man ihr mitgeteilt hatte, dass Mechkrieger Kowaz in seiner Storm Crow bei lebendigem Leib gesotten worden war. Er war ihr momentaner Favorit gewesen, wenn es um Ablenkung ging. Aber sie hatte nicht nur ihn, sondern auch noch zwei weitere Mechkrieger und einen ganzen Strahl Kröten an diese Stümper verloren. Als taktischen Verlust hatte sie außerdem zwei weitere Mechs und die beiden bereits schwer beschädigten Luft-/Raumjäger werten müssen.
Durch die Anwesenheit der Miliz war ihre Streitmacht auf knappe vier Sterne geschrumpft und mit diesen hätte sie ein ganzes Bataillon feindlicher Mechs bezwingen müssen. Sie hatte sich nicht davor gescheut, den Kampf aufzunehmen; ein Verhältnis von 1 : 1,5 machte ihre keine Sorgen; zumal sie die Verteidigungsstellungen der gerade erst ausgeschalteten Miliz nutzen konnten.
Doch die Regulären hatten sich nicht darauf eingelassen, ihre Stellung um jeden Preis zu nehmen. Sie hatten es vorgezogen, immer nur kurz anzutäuschen, reichlich Feuer in ihre Stellungen zu schicken und sich dann wieder zurückzuziehen. Sie hatten nie einen vollen Angriff geplant. Ihren eigenen Kräften war es zwar möglich während dieser Scheinangriffe den einen oder anderen Mech abzuschießen, aber es war ihnen nicht möglich, sie zu einem Kampf zu stellen. Kaum dass sie aus ihren Stellungen vorrückten, zogen sich die feigen Spheroiden weiter zurück.
Sie hatte ihr vorletztes Gebot herunter geholt um diese Schwächlinge in die Zange zu nehmen und sie endlich zu vernichten. Doch die Verstärkung war noch nicht einmal gelandet, da drehte das feindliche Bataillon schon um und lief mit Höchstgeschwindigkeit nach Hause. Die Verstärkung hatte zwar noch drei Mechs abschießen können, aber alles in allem waren mehr als 70% dieser Schwächlinge in den Schutz ihrer Festung zurückgekehrt.
Shanna hatte zwar ihren Test gewonnen; sie hatte das Kraftwerk gegen das 6. lyranische Heer verteidigt. Aber sie hatte ein Eingeständnis ihrer Schwäche gebraucht um es zu schaffen und das lag ihr noch immer schwer im Magen.

„Vielleicht solltest du dich an deinem nächsten Ziel messen und die Ehre zurückgewinnen, die du bei deinem ersten Angriff verspielt hast“, erwiderte der Sternencolonel gönnerhaft. Seine Adjutantin sah ihn fragend an.
„Ohne vorher um die Ehre es angreifen zu dürfen zu bieten, franeg?“
„Pos. Die Angriffe müssen schnell aufeinander folgen. Wir dürfen den Surats keine Zeit lassen, sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten. Sternencaptain Zaturin wird noch Gelegenheit bekommen, sich zu beweisen. Aber erst, wenn die wichtigsten Ziele in unserem Besitz sind.
Ich werde ihn schon bald auf Dörfer im Süden Neo Dijons ansetzen, die laut diesen Daten, die die Techs aus den abgeschossenen Maschinen bergen konnten, für die Versorgung der Hauptstadt essentiell wichtig sind. Er wird keine Zeit haben, sich über ein verpasstes Bieten zu beschweren.
Rüste deine Einheiten für den nächsten Schlag aus. Es geht gegen die Wasserversorgung Neo Dijons.“

***


General Bregano Kaserne, Neo Dijon
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

In der Kommandozentrale unterhalb der Stadt glühten die Drähte. Fieberhaft wurde nach den Clannern gesucht, von denen sie gestern erst durch die Mangel gedreht wurden.
Ein Scoutteam, das im frühen Morgengrauen aufgebrochen war um die Lage beim geothermischen Kraftwerk zu sondieren, hatte ihnen mitgeteilt, dass die Angreifer verschwunden waren. Die wenigen vom Kampf nicht betroffenen Bereiche der Anlage waren abgeschaltet und fürs erste unbrauchbar gemacht worden, aber von der Anwesenheit der Clanner war weit und breit nichts mehr zu sehen. Selbst ihren Schrott hatten sie geborgen und abtransportiert. Glasig geschmolzene Kreise mit einem Durchmesser von an die Hundert Meter unweit des Kraftwerks zeugten von der Hitze aufsetzender oder startender Landungsschiffe.
Übrig geblieben waren nur die völlig zerstörten Wracks ihrer eigenen Maschinen, die die Clanner wohl unter ihrem Wert ansahen. Was womöglich von den Spheroiden geborgen werden konnte, hatten sie mit gezielten Schüssen endgültig unbrauchbar gemacht.
Einzig und allein ein einzelner Ryoken , der in einem kochenden Brunnen unter den Überresten von Kommandanthauptmann Cavatellis Donnerkeil begraben war, zeugte von der Anwesenheit der Jadefalken.
Es war ein Bild der Trostlosigkeit, das nur noch durch die gewaltigen Ausbrüche des ‚alten Lochs‘ überschattet wurde.
„Hat jemand eine Ahnung, wo sie hingeflogen sein könnten?“, wollte der Oberst von den wenigen anwesenden Männern wissen.
„Ich müsste Hellseher sein, wenn ich das wüßte“, erwiderte Brandner missmutig und stand damit stellvertretend für die anderen Offiziere.
„Nachdem sie unsere Satellitenüberwachung zerstört haben, sind wir so gut wie blind. Das einzige, was wir bisweilen sagen können, ist, dass sie außerhalb jeder Ortschaft sind. Von allen bekannten Stellen, selbst von abgelegenen Gehöften weit im Süden, haben wir in den letzten Stunden Meldungen angefordert und sie haben einhellig bestätigt, dass sie in den letzten 12 Stunden nichts ungewöhnliches ausmachen konnten.“
„Das deckt nicht besonders viel Gelände ab“, zeigte sich Hauptmann Jeaboli wenig begeistert. Der gebürtige Franzose war einer der wenigen, die beim Angriff am Vortag einen Blick auf den Feind hatte werfen können. Auch wenn er mit seinem Schützen die eine oder andere Delle in einen Clanmech hatte schlagen können, war es ihm nicht gelungen einen von ihnen zu vernichten. Er war auch nicht begeistert gewesen, als Feindmaschinen in ihrem Rücken aufgetaucht waren. Er hatte zwar nur sechs Gegner ausgemacht, aber er hatte – wie der Rest der Einheit – kein Interesse daran gezeigt, auf noch mehr Clanmechs zu warten. Alles was langsamer war, war bei denen schwere oder Sturmklasse und die hätten sie in einer Zange niemals überlebt.
Aber es hatte sie auch die Bindung der Feindkräfte gekostet. Mit den jetzt sichtbaren Folgen.
„Es gibt ganze Inselketten wo sie runterkommen könnten, ohne dass sie je von einem Menschen gesehen würden, ganz zu schweigen von den arktischen Regionen. Wir haben noch nicht einmal eine Ortung, in welche Richtung sie davon geflogen sind.“, gab sich der XO genauso verdrießlich. Es nagte sichtlich an seinen Nerven, dass er nicht einmal andeuten konnte, wo sie zu finden waren.
„Was mich mehr verwundert hat, war ihr Angriffsziel. Sie haben nicht Neo Dijon angegriffen. Sie haben unser Kraftwerk erobert“, wandte Kommandanthauptmann Falkenau ein. Auch er hatte die Clanner als Kommandant des dritten Bataillons am Vortag in Aktion gesehen und wie seinem Kollegen war es auch ihm nicht gelungen, die Clanner entscheidend zu schwächen.
„Vielleicht weil die Aufklärungsmaschinen die Reaktorsignaturen der Milizmechs geortet haben.“, mutmaßte Brandner.
„Wäre eine Möglichkeit. Aber wenn ich auf Aufklärung gehe, welche Maschine nehme ich dann für gewöhnlich?“, erwiderte Riffan.
„Einen leichten, bestenfalls mittleren Jäger. So machen wir das in der Inneren Sphäre. Aber wissen wir, ob es die Clanner nicht gerade deshalb anders machen?“, wehrte sich der junge Hauptmann gegen diesen Vorwurf.
„Auch da ist was dran. Aber ich gehe nicht davon aus, dass sie nur zur Aufklärung unterwegs waren.“
„Seek and Destroy?“, fragte Jeaboli besorgt.
„Nein, dafür sind sie mir zu gezielt mit zu vielen Maschinen an ihr Ziel herangegangen.“, wandte Riffan ein.
„Wissen wir das mit Sicherheit? Wir wissen nur, dass sie mit einer überwältigenden Streitmacht über die Milizmechs hereingebrochen sind. Nachdem sie den armen Kerlen keine Chance gegeben haben, haben sie uns davon abgehalten, das Kraftwerk wieder in Besitz zu nehmen. Und vergessen sie nicht, dass sie offensichtlich nicht mit dem ganzen Bataillon gerechnet haben. Sie haben zusätzliche Mechs herangezogen, um den Widerstand zu brechen.“, wandte einer der jüngsten Hauptmänner des ersten Bataillons ein, dessen Namen sich noch immer keiner merken konnte ohne auf sein Namensschild zu sehen.
„Sie hätten uns auch mit der vorhandenen Truppe in die Mangel nehmen können. Und wer sagt bitte schön, dass sie diese Entsatzeinheit erst noch angefordert haben? Es kann genauso gut sein, dass die die ganze Zeit auf der Lauer gelegen haben. Übel genug zugerichtet haben sie uns ja, als wir zum Rückzug gezwungen wurden.“, wandte sich Falkenau dagegen.
„Meine Herren, das bringt uns nicht weiter!“, unterbrach sie der Oberst und richtete wieder den Blick auf die Karte.
„Fakt ist, dass sie unser Kraftwerk anstelle des von uns erwarteten Stadtkerns attackiert haben. Fakt ist, dass wir durch diesen Angriff unsere gesamte Miliz verloren haben. Fakt ist auch, dass wir mit dem Entsatzbataillon nicht schnell genug am Ort des Geschehens waren und uns gegen die Clanner verteidigen mussten, die die Stellungen der Miliz übernommen haben. Genauso Fakt ist auch, dass sich Fritz mit seiner Truppe zurückziehen musste um nicht einem Flankenmanöver der Falken zum Opfer zu fallen.
Was rein spekulativ ist, ist der Umstand, ob da noch mehr Mechs gekommen wären, hätten wir diese sechs Georteten im Vorbeimarsch aufgemischt. Genauso spekulativ ist, wo sie nun hin sind und was bestenfalls in der Kristallkugel steht ist ihr nächstes Angriffsziel.
Da sich der Kommandeur der Falken noch immer nicht dazu herab gelassen hat, anzukündigen was er nun wirklich will, stehen wir hier vor der Wahl. Wir können abwarten, was er als nächstes anstellt und daraus unsere Schlüsse ziehen oder wir können ihn anlocken, in der Hoffnung, dass er einen Fehler macht.
Ich persönlich bin nicht begeistert von der Idee, dass wir hier wie die Truthähne zum Abschuss bereit stehen. Aber noch können wir überhaupt nichts über seine Strategie aussagen.
Hat jemand von ihnen also irgendeine Idee, was wir noch anstellen können, um diesen Hurensohn festzunageln?“
Dumpfes Schweigen umfing den Oberst.
„Verdammt!“, fluchte er herzhaft genug für einen leitenden Offizier.
„Herr Oberst, es ist riskant, aber wenn wir das leichtere dritte Bataillon in der Stadt postieren, werden wir ihm unter Umständen ein Ziel anbieten. Wir sind die momentan leichteste Abteilung und könnten ihn zu einer Offensive mit zu leichten Truppen verleiten, die wir dann mit Unterstützung von Panzern und Infanterie sowie dem erst danach ausrückenden ersten Bataillon niederschlagen könnten.“, erklärte Jeaboli.
„Wenn er sich da mal darauf einlässt“, brummte der Oberst, „Der Hurenbock ist klug genug um immer noch mehr als zwei Bataillone unserer Einheit in der Gegend zu vermuten. Der würde sie bestenfalls als Appetithappen betrachten. Bevor wir mit den Schwergewichten ausgerückt sind, ist der mit seinen Kisten wieder weg.“
„Das stimmt, Herr Oberst, aber wir sind dann zumindest schon mal so weit aktiv, dass wir sofort ausrücken können, wenn sie anderswo gesichtet werden.“, warf Falkenau ein.
„Sie werden zumindest keine Gelegenheit bekommen, um es sich gemütlich zu machen.“, fügte er noch an. Der Oberst sah dennoch besorgt in die Runde seiner Offiziere.
„Es schmeckt mir immer noch nicht. Wir sind immer noch darauf angewiesen, zu reagieren anstatt zu agieren.“
„Aber bessere Chancen haben wir derzeit auch nicht“, erwiderte Falkenau.
„Wenn er ein neues Ziel außerhalb der Stadt suchen würde, welches Ziel würde er wählen? Welches Objekt, die Stadt und ihre Einrichtungen einmal ausgenommen, könnten ihn noch interessieren?“, fragte sich der Oberst.
„Wenn er es auf das Hüttenwerk abgesehen hat, wird er sofort dem zweiten Bataillon begegnen. Die sollten ihn bei so einem Truppenaufgebot wie beim letzten Versuch eindeutig klein halten.
Ansonsten ...“, brummte der Oberstleutnant, „könnte er es auf die anderen externen Versorgungsobjekte der Stadt abgesehen haben. Also nachdem er die Energieversorgung seiner Meinung nach gekappt hat, die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln. Beides liegt in südlicher Richtung.“
„Dann sollte das dritte seine Maschinen auch am besten in den südlichen Bezirken stationieren. Nur dann haben wir eine Chance schnell genug zu reagieren.“, erklärte der Oberst.
„Es gefällt mir zwar noch immer nicht, aber ich werde es wohl akzeptieren müssen. Machen sie sich an die Umsetzung und hoffen sie darauf, dass er es nicht schon wieder mit irgendeiner Kriegslist versucht.“

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Krieg ist ein Überdruß an Frieden
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11.

Gottes Garten
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

17. September 3067


Shanna genoss die neue Umgebung. Im Vergleich zu den letzten Aufenthaltsorten wirkte Gottes Garten in der Tat wie ein Paradies. Das Areal war grün so weit man blicken konnte, vereinzelte Baumgruppen standen zwischen den einzelnen Bachläufen, die das Gelände durchzogen. Nach stinkenden Schlammtümpeln, schroffen Felsen und hohen, leblosen Bergen war das hier wirklich ein Garten Eden.
Das wohl größte Wunder dieses Gebietes war auch der Grund, wieso sie überhaupt hier war: Frischwasser. Obwohl es über den ganzen Planeten verteilt Flüsse und Bäche gab, gab es nur wenige, aus denen man auch wirklich trinken konnte. Die meisten waren mit Schwefelverbindungen versetzt und stanken wie ein Satz fauler Eier und schmeckten auch so. Die Wasserläufe in diesem Gebiet hingegen wurden durch Jahrhunderte alte Vulkanasche gefiltert. Hier stank nichts. Das Wasser war sauber und sofort trinkbar. Aus diesem Grund wurde es bis nach Neo Dijon gepumpt, um den dortigen Trinkwasserbedarf zu decken. Es war ein seltenes und kostbares Gut auf Clermont.
Eine Ressource, wegen der sie gekommen waren. Um sie ihren Gegnern vorzuenthalten.
Die Elementare, die Shanna in ihrer Streitmacht mitgeführt hatte, hatten recht schnell das Pumpenhaus ausfindig gemacht und die Leitungen Richtung Neo Dijon trocken gelegt. Nun war es nur noch an der Zeit, auf die Reaktion zu warten.

Sie warteten bereits seit über sieben Stunden und sie konnte und wollte nicht glauben, dass die Städter so lange brauchten um den Verlust ihrer Frischwasserzuleitung zu bemerken. Es war viel mehr die Nacht, auf die die Spheroiden anscheinend gewartet hatten.
Es war ein dummes Konzept, überliefert aus uralten Zeiten. Früher war die Nacht der Freund des Überraschungsangriffs gewesen. Doch als das gegolten hatte, waren Nachtsichtgeräte und Infrarotsensoren noch keine gebräuchlichen Gegenstände. In Mechs hingegen gehörten sie zur Standardausstattung und selbst in Panzern und den Elementarrüstungen waren sie mittlerweile Normalität. Die einzigen, die davon negativ betroffen waren, waren die einfachen Infanteristen der spheroiden Surats. Dort hatte sich die hochwertige Technologie nie richtig verbreiten können.
Ein anderer Grund, wieso noch immer bei Nacht angegriffen wurde, war der Versuch die Physis des Menschen gegen ihn zu gebrauchen. Angepasst an einen konventionellen Tagesrhythmus von 24 oder 25 Stunden durchlebte der menschliche Körper ungefähr gegen 3 oder 4 Uhr morgens eine Tiefphase.
Dies traf allerdings nur auf den durchschnittlichen Körper und den durchschnittlichen Menschen zu.
Shanna wie auch die anderen Krieger waren hoch motivierte und durch genetische Selektion verbesserte Menschen. Sie war sich sicher, auch nach 36 Stunden ohne Schlaf um 3 Uhr in der Frühe noch voll kampfbereit zu sein. Sie war davon überzeugt, dass es, wenn überhaupt, dann diesen Freigeburten schadete.
Damit stellte sich ihr ausschließlich die Frage, warum es ihre Gegner darauf anlegten. Sie hätte diese Frage liebend gerne auch ihren anderen Sternmitgliedern oder den anderen Sternencaptainen gestellt, doch sie hielt sich an ihre eigenen taktischen Vorgaben. Sie würde nicht eher die Funkstille brechen, nicht ehe der Angriff begonnen hatte.
Damit blieb nur noch die Frage, wann sie ihn endlich beginnen wollten.
„Habe unbestätigten Kontakt an der äußersten Erfassungsgrenze“, meldete sich der Pilot des einzelnen Gargoyle an ihrer äußersten linken Flanke. Der hoch aufragende Mech stand am weitesten von allen ihren aktiven Mechs vor der restlichen Truppe.
Endlich, dachte Shanna und spürte, wie ein Teil der Anspannung der letzten Stunden von ihr wich. Endlich ging es los.
„Kann der Kontakt bestätigt werden? Frapos?“, wollte sie wissen.
„Neg. Sehr unstetig. Sie befinden sich an der äußersten Ortungsgrenze. Noch weit außerhalb unserer Waffen.“
„Bewegung?“
„Neg. Sie haben gehalten, nachdem sie uns geortet haben“, erwiderte der Pilot des Gargoyle.
„Savashri!“, fluchte Shanna leise um das Mikrofon nicht zu aktivieren, „Wie gestern!“
„Haltet die Stellung. Der Angriff beginnt noch nicht. Sie müssen noch näher heran. Stellung halten und ruhig bleiben.“, ordnete sie an.

Fritz Falkenau saß in seinem Battlemaster und starrte auf die Einspielung auf dem Sekundärmonitor. Er war dankbar dafür, dass die Techs eine Lanze dieser modernisierten Kampfschützen wieder aufbauen konnten. Ihr aktives Suchradar war in der flachen Landschaft von Gottes Garten von unschätzbarem Wert. Noch lange bevor irgendein anderer Mech die Clanmaschinen mit seinem Radar erfasst hatte und erst recht noch lange bevor irgendein anderer Sensortyp eine Wahrnehmung ermöglicht hatte, hatte das Langstreckenradar dieser hoch aufgeschossenen Flakmechs sie schon registriert.
„Ich zähle auf meiner Anzeige etwa ein Dutzend Mechs. Hat jemand genauere Daten?“, wollte der Kommandanthauptmann wissen.
„Meiner Anzeige nach sind es 15 Maschinen. Ein voller Trinärstern, der in einer fast sichelförmigen Aufstellung vor dem Wasserwerk wartet.“, erwiderte Chantal Levasseur, eine der Piloten dieser Spezialkonstruktionen.
„Ziemlich offensichtlich, oder?“, fragte Hauptmann Klaus von Manderstett seinen Chef.
„Ein wenig zu offensichtlich für meinen Geschmack.“, zeigte sich auch der Kommandeur besorgt.
„Zangenbewegung mit schnellen Mechs in den Flanken?“, fragte der Adjutant zurück.
„Möglich. Aber ich denke an eine andere Möglichkeit. Ich will hoffen, dass wir dann nicht zu weit vor müssen.“, erwiderte Falkenau besorgt.
Doch für den Augenblick würde es ihm reichen. Ihr erstes Einsatzziel hatten sie mit dem Aufspüren der Clanmaschinen erreicht.
„Gerome, deine Arbeit ist jetzt gefragt. Und bitte: Mach es gründlich. Wir sind auch noch hier.“, forderte er einen anderen Spezialisten in seinen Reihen auf, seinen Job zu machen.
„Wie sie befehlen“, erwiderte der aufgeweckte Späher und begab sich alleine und vorsichtig etwas weiter voran um endlich selbst einen Empfang der Sensordaten auf seinem taktischen Display zu erhalten. Für seine Zwecke war die Einspielung von Sekundärdaten viel zu ungenau.
„Wenn es so offensichtlich ist, dass sie uns zum Frontalangriff einladen wollen, wieso sollen wir dem dann auch noch folgen?“, wollte von Manderstett wissen, während der Späher noch beschäftigt war.
„Wer sagt denn, dass wir ausgerechnet durch die Mitte müssen?“, erwiderte Falkenau amüsiert, „Im Gegenteil, ich würde es sogar vorziehen, etwas versetzt zur Hauptlinie dieser Freaks anzugreifen. Ich muss mich nicht freiwillig direkt ins schlimmste Feuer werfen. Wir müssen nur darauf achten, dass sie so kommen, wie wir es von ihnen wünschen. Darin wird die hohe Kunst liegen.“
„Wie sie meinen“, bemerkte der Hauptmann besorgt.
Sie spielten Poker mit sehr hohem Einsatz, das wussten alle am Angriff beteiligten. Aber die große Frage war, ob sich die verdeckte Karte um die sie spielten als Ass oder als Witz herausstellen würde.

„Was soll das?“, fragte sich Sternencaptain Shanna, als sie sich die Sensorendaten ansah. Nur ein einziger, nur schwer aufzustöbernder Mech war vorgetreten und tastete ihre Reihen mit aktiven Sensoren ab. Wahrscheinlich ein Scoutmech mit besseren Aufklärungssystemen und weniger Waffen.
Aber wieso blieb er so weit vor ihnen erneut stehen? Versuchte er vielleicht auf die Entfernung ihre Waffenkonfigurationen zu ertasten? Oder was planten diese Surats nun schon wieder?
Sie konnte es nicht sagen. Aber sie wusste, dass sie bei ihrem eigenen Schlachtplan darauf angewiesen war, dass die Freigeburten bis auf Schussweite an sie herantraten.
„Sternencaptain, sie setzen sich in Bewegung. Sie ziehen zur linken Flanke herüber“, meldete sich der Gargoyle pilot erneut.
„Verstanden“, bestätigte Shanna und schaltete auf den allgemeinen Kanal ihrer Truppen um.
„Bereit machen zum Einsatz. Kralle feuert sobald sie in Reichweite sind. Haltet sie, bevor wir sie mit dem Schnabel packen können.“, gab sie den Angriffsbefehl aus.
Dieses Mal würden sie ihr nicht entwischen, das schwor sie sich.

Fritz Falkenau beachtete sowohl seinen MAD-Sensor als auch das IR-System mit wachen Augen. In der Finsternis, in der sie hier herumliefen, waren das die wichtigsten Sinne seines Mechs. Die Restlichtkamera konnte ihm im Augenblick nur ein Bild der letzten Meter vor ihm aufzeichnen und das war zu wenig, wenn es rund gehen würde. Momentan konnte er nur vorhersehen, wo der nächste Bachlauf vor ihm lag und wie weit es bis zur nächsten Baumgruppe war.
„Bewegung bei unseren Mistkerlen?“
„Bisher noch nicht“, wurde er von einem der Aufklärer negiert.
„Vielleicht pennen die“, mutmaßte einer der Frischlinge in der letzten Kompanie.
„Nie im Leben. Oder seit wann schlafen sie mit einem Mech auf voller Leistung?“, fragte er zurück. Irgendwas lag in der Luft. Der Kommandanthauptmann konnte es spüren, schon fast schmecken. Aber er konnte es nicht fassen und das machte ihm die größten Sorgen.
„Moment! Lageänderung.“, warnte schließlich einer der beiden Stilettos , die es tatsächlich durch die Mangel des Vortags geschafft hatten.
„Inwiefern?“, wollte Falkenau sofort wissen.
„Sie reagieren auf unsere Bewegung. Sie verlagern ihre ganze Schlachtlinie weiter Richtung 3 Uhr. Moment! Engere Gruppierung. Sie ballen sich enger zusammen.“
„Um uns schneller zu kriegen. Spielen wir mit in diesem schlechten Spiel. Zieht sie wieder in die Mitte zurück. Ausweichmanöver auf 170° nominell.“, ordnete Falkenau an. Es würde nicht mehr lange dauern und dann würde es wieder fürchterlich rund gehen. Aber hoffentlich auch für diese Kriegstreiber.

Shanna beobachtete ihren Distanzmesser sehr sorgfältig. Die Entfernung zwischen ihr und ihren Gegnern schrumpfte auf unter 600 Meter. Aber genau in diesem Augenblick versuchten sie wieder ihre rechte Flanke zu bedrohen.
„Gleicht es aus“, forderte sie die Krieger unter ihrem Kommando auf. Ihr Blick blieb dennoch auf der Distanzanzeige hängen, selbst wenn sie ihren Warhawk gemächlich zur anderen Seite schreiten ließ. Der Abstand zu ihren Zielen schrumpfte konstant weiter.
570 Meter.
Aber noch feuerte keiner. Sie wusste, dass die Waffen der inneren Sphäre schlechter waren als ihre eigenen. Aber sie waren nicht so schlecht, dass sie sie nicht schon längst hätten einsetzen können. Aber das konnte ihr nur recht sein.
560 Meter.
„Feuerbereitschaft ...", machte sie ihren Mech klar und holte das Fadenkreuz ihres Maschine über eine gerasterte Zieldarstellung, die einen Feindmech im IR-Bereich darstellte. Sie blendete die Angaben zu dem Mech bis auf die Entfernungskennzahl aus.
550 Meter.
„Feuer freigegeben!“, brüllte sie ihren Sternkameraden zu. Sie selbst behielt das Fadenkreuz über ihrem Opfer und wartete bis der riesige Feuerleitcomputer unter ihr eine saubere Zielerfassung bestätigte. Um sie herum schossen bereits die ersten Raketen aus ihren Lafetten, doch erst die Bestätigung des Zielcomputers machte den Treffer so gut wie sicher. Sie löste eine volle Breitseite ihrer besonderen Konfiguration für diesen einen Kampf aus. Vier blutrote Strahlen schossen aus den Enden der Armmodule und zerteilten die Nacht, gefolgt von 20 Langstreckenraketen aus Modulen unter dem Armen. Ihr Gegner hatte nur sehr schlechte Karten. Auch wenn noch immer einer der schweren Laser zu kurz gegangen war und mehr als die Hälfte der Raketen in der Botanik verschwand, so richteten die restlichen Waffen doch fürchterliche Schäden an ihrem Gegner an. Sie konnte es nur an der Polygonsimulation auf ihrem Schirm erkennen. Der rechte Torso des als Starslayer klassifizierten Mechs wurde tiefrot angezeigt, der rechte Arm dagegen gelb. Weitere Treffer, wahrscheinlich die Raketen, hatten den restlichen Torso Panzerung gekostet. Auch wenn Shanna dafür mit einer üblen Wärmeentwicklung ihres Mechs gestraft wurde, war es ihrer Ansicht nach gerechtfertigt gewesen.
„Lasst die Falle zuschnappen!“, zischte sie in der Gluthitze, die sich nur langsam verziehen wollte und gab damit den Startbefehl an zwei weitere Sterne, die nur auf ihren Einsatz gewartet hatten.

„Weitere Mechaktivitäten direkt in unseren Flanken. Je ein Stern je Seite.“, kommentierte es Gerome, der es in seinem leichten Commando als erster bemerkt hatte.
„Fallenversuch!“, kommentierte es der Kommandanthauptmann, „Sofort zurückziehen! Scherenmanöver!“
Er hatte damit gerechnet, dass der feindliche Einheitskommandeur irgendwas im Schilde geführt hatte, aber er hatte bis jetzt nicht sagen können, was genau.
Nun wusste er es.
Seine Maschinen waren jedoch schon schwer damit beschäftigt, das Feuer der 15 Hauptziele auszuhalten. Der Gegner hatte sich hervorragend auf ihren Einsatz abgestimmt. Die ganzen schweren Mistkerle, die dort hinten standen, waren anscheinend auf Langstreckenwaffen aller Art konfiguriert worden. Gerade verging einer seiner Enfields unter dem massiven Raketenbombardement eines feindlichen Night Gyrs. Die anderen Kerle, die ihnen nun auf den Pelz rückten, sollten sie hingegen an einer Flucht aus diesem Hexenkessel hindern.
Aber eins sollten sie doch mal klar stellen: So leicht waren sie auch nicht klein zu kriegen, dafür hatte er schon noch gesorgt.
Mit dem Scherenmanöver hatte er eine bestimmte Taktik ausgegeben, bei der sie sich weniger um ihre direkte Feindlinie kümmern sollten und statt dessen beide Flanken wie mit einem Messer angreifen. Die Gegner auf lange Strecke waren zwar nicht vergessen, aber nur noch sekundär bis die unmittelbare Bedrohung zurückgedrängt war.
Auch er drehte seinen wuchtigen Battlemaster einem der neuen Feinde in ihrer Flanke zu, die sich bereits fast in seinem Rücken befanden. Sie waren so weit außerhalb seiner aktiven Reichweite abgetarnt geparkt worden, dass er sie offensichtlich nicht bemerkt hatte. Er verfluchte sich noch einmal inständig, denn wären sie weiter in die Flanke ihrer Gegner hineinmarschiert, dann wären sie fast über sie gestolpert. Nun konnte er seine Wut nur noch auf einen Fenris richten, der ihm direkt vors Rohr kam und ihn mit einer Breitseite aus den mittleren Lasern und der KSR bombardieren. Als die Laser aufzuckten, brachte auch der Clanner den Mech zum Stehen um sich einer gänzlich anderen Bedrohung zuzuwenden.
„Nicht nur ihr könnt mit Überraschungen aufwarten!“, zischte Falkenau, auch wenn das Cockpit nur minimal an Temperatur gewonnen hatte. Wie schon bei anderen entsprach sein Mech nur noch dem Äußeren nach einem alten Kampftitanen.
Doch der kleine Triumph hielt nur für kurze Zeit, denn er musste im gleichen Maße das Feuer des Fenris , wie auch das eines Artilleriemechs aus der Hauptlinie einstecken. Die ganze Maschine ächzte unter der Belastung und verlor Panzerung gleich tonnenweise. Mühsam zog sich der gewaltige Koloss zurück, immer mit dem Clanner und seiner Bande im Schlepptau. Das Vergrößern der Reichweite zum Feind zeigt sofort Wirkung als die nächste Raketensalve weitgehend vor seinen Füssen in den Boden einschlug. Doch sie waren immer noch in höchster Gefahr.
Erneut brannte der Fenris eine Bresche mit seiner PPK in den linken Arm des schweren Mechs.
„Saukerl!“, zischte Falkenau und setzte beim nächsten Schlag auch noch die ER-PPK in seiner rechten Hand ein. Er hatte nie viel von dieser idiotischen Lösung gehalten, die die Konstrukteure auf Pandora für den neuen Battlemaster des Hauses Steiner gefunden hatten. Die PPK war wesentlich effektiver und das zeigte sie auch dieses Mal wieder eindeutig. Eine tiefe Bresche klaffte nun über dem Unterschenkel des Fenris , auch wenn ein Gutteil der anderen Waffen an ihm vorbeimarschiert war. Doch die größte Sorge waren seiner Meinung nach noch immer die verdammten Angriffsmechs, die konstant vor dem Wasserwerk standen und eine Garbe Langstreckenfeuer nach der anderen verschickten. Wenn er sich nicht täuschte, hatte er in der Zwischenzeit zwei weitere Mechs verloren, einen Starslayer und einen der ganz leichten Wasps .
„Setzt endlich euren Arsch in Bewegung“, presste er zwischen den Zähnen hervor, während ihn der Fenris von einer anderen Seite in die Mangel zu nehmen versuchte. Der fürchterlichen ER-PPK des mittleren Clanmechs konnte er zwar dieses Mal entkommen, aber dafür nagten zwei KSRs an seiner Panzerung und zu allem Überfluss wurde seine Reihe von einer weiteren Ladung LSR überschüttet. Ein gequälter Blick ging zum Entfernungsmesser. Zum Wasserhaus waren es mittlerweile 700 Meter, was bedeutete, dass sie bald aus dem Feuer der LSR-Batterien heraustreten würden. Dann würden sich die Clanner bewegen müssen, wenn sie sie weiter mit Feuer überschütten wollten. Noch während der Kommandanthauptmann eine weitere Ladung Impulsnadeln in den Fenris schickte, schaltete er das Kommset auf eine zweite Hauptfrequenz um.
„Feuerbereitschaft herstellen!“, forderte er an und hielt mit der ER-PPK eindeutig ein Stück zu hoch über seinen unmittelbaren Gegner während er mehr Wert auf die Bewegung der schwereren Mechs im Hintergrund legte.
„Feuerbereitschaft besteht. Warten nur auf ihre Feuerfreigabe“, bekam er vom anderen Ende mitgeteilt. Jetzt kam es nur noch darauf an, dass diese Bastarde sich auch endlich mal in Bewegung setzten. Die Distanz war inzwischen auf über 700 Meter zu den Mistkerlen angewachsen, sie mussten doch endlich nachrücken.
Mit quälender Langsamkeit bemerkte er endlich Bewegung in den Reihen seiner Gegner. Ein schneller Blick auf den Fenris zeigte ihm, dass er inzwischen in einem der modifizierten Kampfschützen einen neuen Spielgefährten gefunden hatte. Mit vier schweren Lasern stach dieser nach dem Clanmech. Anscheinend Wallie Waronewskys Sonderbau. Schließlich hatte sich das Redesignen alter Schrotthaufen nicht nur auf seinen Battlemaster beschränkt. Mit einem Lächeln erkannte er, wie drei von vier Strahlbahnen ihr Ziel fanden. Als der Clanmech hinter dem dicken Titanen eine Feuerdeckung suchen wollte, wurden ihm auch noch die nach hinten feuernden Laser zum Verhängnis. Mittlerweile beträchtlich angeschlagen stürzte der Clanner zu Boden.
Doch fast hätte der Kommandanthauptmann das wichtigere Ereignis übersehen. Die schwere Gefechtslinie hatte die imaginäre Markierung überschritten.
„Feuer frei!“, gab er an die andere Leitung durch und drehte sich dann ruckartig um, um dem am Boden liegenden Fenris noch einmal mit aller Gewalt in die Seite zu treten. Er konnte sehen, wie sich die Panzerung unter dem gewaltigen Tritt verformte und die ganze Rumpfstruktur unter dieser Urgewalt deformiert wurde. Einer der schweren Burschen hinter ihm nutzte die Gelegenheit und schoss ihm einen schweren ER-Laser direkt in die gepanzerte rechte Hüfte.
Noch hatten die Mistkerle nicht genug zu tun, doch das würde sich gleich ändern, das schwor sich Fritz Falkenau. Der Fenris , der nach der Fußattacke wieder zu Boden gegangen war wurde noch von einer schnellen Breitseite des Battlemasters getroffen, bevor er ungeachtet dessen weiteren Schicksals über ihn hinwegstampfte und seiner eigenen Mannschaft folgte, die mit beängstigender Geschwindigkeit den Rückzug angetreten hatte. Aber er musste selbst zusehen, dass er das Gebiet verließ, bevor es zu spät war.

„Verdammt!“ schrie Shanna, die befürchten musste, dass ihr eingesetztes Gebot von drei schweren und zwei mittleren Sternen erneut zu knapp bemessen war. Die Freigeburten hatten sich nicht wesentlich von den Störangriffen der in ihre Flanke einfallenden Mechs aufhalten lassen und hatten statt dessen im vollen Galopp den Rückzug angetreten. Nun musste sie mit ihren Einheiten dem Feind nachsetzen um ihn selbst zur Strecke zu bringen. Ihre Anzeige zeigte bereits einen Fenris und den Fire Falcon des Gamma Sterns als Ausfall und auf der anderen Seite zog sich bereits der Black Hawk Mechkrieger Mgones zurück.
Sollte das etwa schon wieder so weiter gehen, fragte sie sich verärgert. Wütend hielt sie auf den zurückgebliebenen Battlemaster , doch nur einer der schnell gezielten schweren Laser traf auf die lange Distanz den linken Fuß des großen Mechs. Ihn würde sie noch kriegen, da war sie sich sicher.
Und dann schien die Welt um sie herum zu explodieren. Vor ihr und hinter ihr platzten riesige Schmutzblumen auf und bewarfen sie mit Splittern und Steinen. Ihr Mech wurde durchgerüttelt und sie verlor fast die Kontrolle. Der neben ihr herstampfende Mad Dog Mechkriegerin Sentras erhielt zwei Volltreffer und ging zu Boden.
„Was war das?“, fragte sie sich irritiert als sie wieder sicher stand.
„Artillerie! Sie setzen Artillerie ein!“, rief ihr Sternencaptain Manolu zu.
„Ehrlose Feiglinge!“, zischte Shanna, die ihren Blick voller Wut auf den davon eilenden Battlemaster richtete. Wahrscheinlich wurde er von ihrem direkten Gegenüber, dem Kommandeur dieser ehrlosen Surats gesteuert. Er hatte diese Attacke angeordnet.
„Schwärmt aus und setzt ihnen nach!“, donnerte Shanna voller Wut als sie erneut das Leuchten in der Ferne erkennen konnte. Dort musste auch die verfluchte Artillerie stehen. Dafür würde sie diesen Surats noch heimleuchten, ging es ihr noch durch den Kopf bevor ihr eine neue Salve aus den fernen Kanonen direkt vor den Füßen einschlug. Eine einzelne Granate landete sogar einen Volltreffer und zertrümmerte Panzerung auf ihrem rechten Arm und ihrem rechten Torso.
Das würden sie noch so sehr bezahlen, schwor sie sich. Insbesondere dieser Battlemaster direkt vor ihr. Ihre gerechte Wut würde heute mit Sicherheit noch ihr Ziel finden.
„Ich kann euch sehen!“, schrie sie den Spheroiden über einen offenen Kanal hinterher und beschleunigte ihren Mech ungeachtet jedes weiteren Feuers auf Maximalgeschwindigkeit. In wenigen Sekunden würden die Kanonen nachrichten müssen und dafür würden sie keine Zeit mehr bekommen. Und dann würde es an ihr sein, nicht nur diese feigen Mechkrieger vor sich her zu treiben, sondern auch diese Kanonen zu vernichten.
Diese Nacht würde viel Feind und sehr viel Ehre einbringen, dessen war sie sich absolut sicher.

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12.

General Bregano Kaserne, Neo Dijon
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

17. September 3067


Kommandanthauptmann Falkenau stand zu einer persönlichen Besprechung mit dem Oberst bereit. Er hielt es für angebrachter stehen zu bleiben, denn die Laune des Alten war alles andere als gut.
Andererseits würde er sich auch nicht glücklich schätzen, wenn er zum Frühstück den ersten Bericht dieses nächtlichen Einsatzes geliefert bekommen würde. Er war schlimmer ausgefallen, als es in irgendeiner Weise beabsichtigt gewesen wäre.
„Fritz, musste das sein?“, wollte Oberst Monair gequält wissen.
„Wo gehobelt wird, fallen Späne heißt es allgemein“, versuchte Fritz Falkenau die Frage zu kommentieren.
„Da fallen Späne?“, fragte der Oberst noch einmal, „Fritz, dass mal der eine oder andere Ausfall dabei ist, ist eine Sache. Aber das hier ist eine ganz andere Nummer! Mit Materialschwund ist immer zu rechnen, hat mein Ausbilder auch immer zu sagen gepflegt. Aber dass dabei mehr oder weniger das ganze dritte Bataillon ausgelöscht wird, war garantiert nicht im Sinne dieses Spruches. Himmel, sieh dir doch mal die Zahlen an!“ Der Kommandanthauptmann kannte die Zahlen nur zu gut. Er hatte die, die dahinter standen in der Nacht live erlebt und musste nun damit leben, dass Zahlen nur in den seltensten Fällen die Überlebenden ausdrückten.

Noch während des Rückzuges hatten sie sich mit den sieben anderen Clanmechs auseinander setzen müssen, die ihnen den Heimweg vermauern sollten. Es war eine harte Schlachterei, zumeist auf kürzeste Distanz. Mit dem Dragonfly und dem für Falkenverhältnisse ungewöhnlichen Phantom waren sie noch einigermaßen fertig geworden. Beide waren zwar verdammt flink gewesen, doch um genau zu sein waren die verbliebenen Maschinen seines 6. auch nicht die üblichen schweren Pötte. Zumindest nicht in allen Fällen.
Relativ gesehen waren beide feindlichen Maschinen an der Tatsache verendet, dass sie auf ihrer Grundstruktur nicht genügend Panzerung tragen konnten, um sich dem jeweils konzentrierten Feuer von bis zu sieben lyranischen Maschinen zu widersetzen.
Im Umkehrschluss hatte es aber auch den beiden Black Lannern und Ryoken sowie dem einzelnen Vulture genügend Freiraum gegeben um schlimme Ernte unter seinen Maschinen zu halten. Von seinen Leichtgewichten hatte es fast keiner bis zu den Stellungen der Kanonen zurück geschafft.
Als sie endlich an den Gräben der Marksman Geschütze angelangt waren, waren von den 28 Maschinen, mit denen er zum Einsatz gestartet war, nur noch 15 übrig. Zwar hatte er sich in der Zwischenzeit zusammen mit Wallys Hilfe um den Rücken des Vulture gekümmert, doch die anderen Mistkerle drohten ihre Linie glatt zu überrennen.
Eins der Geschütze war in Rauch aufgegangen, noch bevor es auf die neue Bedrohung reagieren konnte. Aber eigentlich hatte nicht es, sondern sein Begleitschutz gepennt. Eigentlich auch er selbst, denn er hätte früher die volle Feuerfreigabe erteilen müssen.
Statt dessen kam die Verteidigung erst zum Einsatz, nachdem sich die verdammten Clanner auf ihre neuen Opfer gestürzt hatten. Hätten sie früher zulangen dürfen oder können, wäre es vielleicht weniger schlimm ausgegangen. Eine ganze Kompanie schwerer Kampfpanzer hatte sich vor den Kanonen eingegraben und auf ihre Gegner gewartet, aber nicht freiwillig das Feuer eröffnet. Sie sollten es auch nicht, sie sollten warten, bis es für die Clanner zu spät war. Aber als die erste Artilleriestellung dran glauben musste, hatten sie nicht mehr länger auf Feuerfreigabe gewartet. In einem kurzen und sehr heftigen Stahlgewitter waren die verbliebenen Clanner einfach verschwunden.
Die mittleren Mechs waren jedoch nur ein Teil ihrer Bedrohung gewesen und die schweren Brocken waren wenig später im Schlepptau von Falkenaus letzten Maschinen erschienen. Sie waren nicht nur deutlich schwerer, sie waren auch deutlich schwerer gepanzert, wesentlich stärker auf den Kampf aus der Distanz ausgelegt und zu allem Überfluss noch so gut wie unbeschädigt. Hier und da hatte zwar bereits ein Loch vom ersten Artilleriebeschuss geklafft, aber alles in allem sahen sie noch wesentlich besser aus als seine eigene Truppe.
Der Versuch das anschließende Gemetzel in einen Stellungskampf zu verwandeln, war schnell hinfällig geworden, nachdem sich die Clanner dazu entschlossen hatten, unverdrossen vorzurücken und jeden Widerstand einfach hinweg zu fegen. Der sture Sturmlauf hatte zwar auch noch den einen oder anderen Clanner umgebracht, aber wirklich behindern konnte es sie nicht.
Erst die Kompanie LSR-Werfer, die um die Kanonen positioniert worden war und der direkte Einsatz der schweren Geschütze hatte dann die entscheidende Wendung in diesem Wahnsinn gebracht und die Clanner zum Rückzug gezwungen, auf dem sie noch für mehrere Minuten vom Dauerfeuer der Artillerie begleitet wurden.
Es hatte sie jedoch erst zum Rückzug gezwungen, nachdem seine eigenen Leute einen hohen Preis dafür gezahlt hatten.

„... wenn ich es also zusammenfassen darf", erklärte der Oberst, dem er in den letzten Minuten gar nicht mehr richtig zugehört hatte.
„Wir haben nicht weniger als 18 Mechs verloren, davon praktisch alles, was wir an leichten Scoutmechs zur Verfügung stehen hatten. 4 weitere Mechs sind so schwer zusammen geschossen worden, dass die Techs noch nicht sicher sind, ob sie daraus wieder etwas machen können. Die letzten 6 sind zumeist die schweren, zähen Brocken, die allerdings ebenfalls beträchtlich beschädigt wurden und einer intensiven Pflege bedürfen, bevor sie wieder aufs Feld geschickt werden können.
Von der Artillerie, die du dir für den Einsatz herangezogen hast, sind nur noch 9 Geschütze zurück gekommen. 3 andere sind nur noch qualmende Schrotthaufen, draußen vor Gottes Garten.
Und zum entsetzlichen Abschluss hast du mir von den zwei Kompanien Kampfpanzer und LSR-Unterstützung nur noch ein halbes Dutzend LSR-Lafetten und vier Panzer zurück gebracht.
Findest du diese Verlustzahlen nicht ein wenig hoch, Fritz?“, wollte der Oberst von seinem Einheitskommandeur wissen.
„Wir waren wenigstens in der Lage die Clanner bis auf 7 Mechs zusammenzuschießen. Von den abgeschossenen können wir sicherlich noch den einen oder anderen bergen oder zumindest Teile von ihnen.“, erwiderte Falkenau lakonisch.
„Oh, toll!“, konterte Monair mit beißendem Sarkasmus, „Du weißt doch hoffentlich auch, dass unsere Techs keinerlei Erfahrungen mit dem Einsatz von Clanwaffen haben, geschweige denn, dass sie jemals eine von diesen Monstermaschinen in tutto gewartet oder instand gesetzt haben? Wenn wir diese Kisten vom Schlachtfeld holen, dann können wir damit nur verhindern, dass die sie sich zurückerobern und mit neuen Piloten bemannen.“
„Mir ist durchaus bewusst, dass wir momentan nicht die Zeit dafür haben werden, um diese Mechs für uns fertig zu machen. Aber wir müssen endlich Fakten schaffen oder diese Kerle werden uns scheibchenweise abservieren! Wir gehen jetzt jeden Tag da raus und verteidigen unsere Haut gegen die da. Doch an jedem Tag, an dem wir zögern, haben die die Gelegenheit zuzuschlagen und jedes Mal wenn wir zögern verlieren wir mehr Männer und Frauen als die.
Wir müssen endlich fest und entschlossen zulangen oder wir werden bald nicht mehr genug sein, um uns überhaupt noch vor ihnen zu schützen!“
„Um so entschlossen zuzuschlagen, wie du es dir wünschst, müssen wir aber erst einmal wissen, wo wir zuschlagen müssen und da tappen wir immer noch im Dunkeln, Fritz!“, schoss der Oberst zurück, beruhigte sich aber wieder.
„In der Nacht und in den frühen Morgenstunden haben andere Verbände, meist nur Sterne oder Binärsterne, die Dörfer im Süden attackiert. Sie sind eigentlich nur reinmarschiert, haben die Transportfahrzeuge zerstört und sind danach weiter gezogen. Sie wollen verhindern, dass wir uns weiterhin versorgen können. Sie hungern uns hier aus. Sie wollen hier nicht rein, sie wollen uns belagern.“, erklärte der Alte und stand auf um unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen.
„Zumindest haben wir endlich ein erkennbares Angriffsmuster. Das zweite Bataillon ist bereits vorgewarnt worden und rechnet in den nächsten Stunden oder Tagen mit einer Attacke gegen ihre Stellungen. Wir können nur hoffen, dass sie sich besser gegen diese Mistkerle schlagen ...“
„Vielen Dank für dein Vertrauen, alter Kumpel“, lästerte Falkenau, der den fehlenden Anhang durchaus zu interpretieren wusste. Der Oberst sah ihn nur sauer an.
„Fritz, deine Einheit ist mehr oder weniger am Boden, deine Mechs so zerschossen, dass sie die nächsten zwei bis drei Tage in der Werkstatt stehen müssen. Aber ich kann hier nicht auf dich und deine Kampferfahrung verzichten. Du wirst die strategische Leitung hier unten in der Zentrale übernehmen müssen.“
„Na danke“, raunte der Kommandanthauptmann enttäuscht.
„Fritz! Sei froh, dass es so schlimm um unsere Lage aussieht. Ich weiß nicht, wie ich anderweitig reagieren würde.“, ermahnte ihn der Oberst. Falkenau verstand die Warnung, salutierte und verließ das Büro. Oberst Monair blieb alleine zurück und sah sich vor allem mit einer unangenehmen Frage konfrontiert:
Wie weit hatte sein alter Kumpel recht? Wie lange konnten sie dieses langsame Ausbluten ihrer Verteidigung noch durchhalten? Anders herum gefragt bedeutete es, wie viel ihnen ihr Gegner noch entgegen werfen konnte.
Jean Baptiste Monair konnte nur hoffen, dass es nicht mehr so viel war, wie er befürchtete.

***


Rügels Loch
Dosdoyewskys Insel, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz


„Ich hatte mir mehr von deiner Gefechtsaufstellung erwartet, Shanna!“, ereiferte sich der Sternencolonel. Sternencaptain Shanna stand in seinem Büro und hörte sich ihre Strafpredigt an. Doch eigentlich wurmten sie viel mehr zwei Umstände.
Zum einen hatte sie ihr eigenes Versprechen nicht mehr wahr gemacht und diesen verfluchten Battlemaster zur Strecke bringen können.
Zum anderen, und das wurmte sie noch viel mehr, hatte sie in den Augen des Sternencolonel nicht das Ziel ihres Auftrages erreichen können. Sie hatte zwar die Wasserversorgung Neo Dijons unterbrochen, aber sie hatte weder die Unterbrechung noch die Stellung gegen die feindlichen Kräfte halten können. Sie hatte im Angesicht des Feindes abdrehen müssen und er hatte sie mit der Artillerie bis jenseits der Brunnen verfolgt.
„Von fünf vollen Sternen, die du geboten hast, hast du mir nur noch knappe zwei zurück gebracht. Und wenn von diesen zwei Sternen nicht zwei Strahlen Elementare gewesen wären, die sich in der Zwischenzeit um die Brunnen und Pumpen gekümmert haben, hättest du noch weniger vom Feld der Ehre zurück gebracht!“, fuhr sie ihr Vorgesetzter an.
„Der Feind hat höher geboten als ich auch nur entfernt erwartet hätte. Und dann noch diese verfluchte Artillerie ..."
„Spar dir die hohlen Phrasen!“, fuhr er sie an.
„Du hast mir Schande bereitet! Du hast mehr als 3 Sterne meiner Truppen in diesem einen einzigen Angriff verloren!“
„Der Gegner hat weit mehr Truppen aufs Feld geführt und er hat weit mehr Truppen verloren!“, schrie sie zurück.
„Ein fähiger Clankrieger wird auch damit fertig!“, unterdrückte er diesen Kommentar, „Sieh dir unsere glorreichen Ahnen an! Sieh dir einen Aidan Pryde an! Hat er vor seinen Feinden kapituliert?
Niemals.
Er hat sie alle bis zu seinem letzten Atemzug bekämpft! Und er hat seinen letzten Kampf in einer weitaus aussichtsloseren Situation bestritten und ist nicht zurückgewichen. Sieh ihn dir an! Das ist ein leuchtendes Vorbild, an dem du dich hättest orientieren sollen!“
Shanna klingelten die Ohren bei seinem Gebrüll. Der Sternencolonel brauchte eine ganze Weile um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen und die weitere Besprechung fortzuführen.
„Ich entziehe dir nicht die Kontrolle über deinen Stern“, warnte er sie und schnitt jedes Wort der Widerrede mit einer einzigen Geste ab, „Aber der nächste Angriff wird nicht von dir befehligt werden. Sternencaptain Zaturin drängt bereits auf einen Einsatz und ich sehe auch keinen Grund ihm diesen länger zu verweigern.
Seine Einheiten sind noch frisch und ausgeruht während deine Kräfte dringend Regeneration und Reparaturen brauchen. Er wird den Angriff auf unser nächstes Ziel übernehmen.
Er wird das Stahlwerk bei Tersett still legen.“

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08.02.2005 20:30 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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13.

Triton Magnetkiesgrube
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

19. September 3067


Ulf saß in seinem Zeus und wartete. Warten war hier, in einer der großen Kiesgruben des Stahlwerks, ihre große Beschäftigung. Seit mehr als einer Woche taten sie nichts anderes. Es hatte sich auch nichts daran geändert, nachdem sie vor zwei Tagen eine Warnung vor einem möglichen Angriff der Falken hereinbekommen hatten.
Warten bedeutete vor allem, dass sie in ihren getarnten und herunter gefahrenen Mechs saßen und darauf hofften, dass etwas passierte.
Doch seit mittlerweilen neun Tagen tat sich nichts. Sie waren mit ihrem Bataillon angerückt und hatten sich auf die einzelnen Gruben aufgeteilt. Hähren hatte eine einzige Kompanie direkt am Werk aktiv belassen und die anderen in die Deckung beordert. Abgesehen vom Wachwechsel tat sich seitdem nichts mehr.

Nichts außer den kontinuierlich verkehrenden Muldenkippern, die zwischen den riesigen Schaufelbaggern und dem Stahlwerk hin und her pendelten. Die riesigen Laster, die mit einer Fuhre an die 300 Tonnen Geröll und Kies abtransportierten, waren die einzige kontante Unterbrechung in allem. Sie waren auch der Grund für die einzige sportliche Betätigung der ersten drei Tage gewesen.
Um sich untereinander verständigen zu können ohne das Funksystem zu benutzen, hatten sie ein Kabelnetzwerk in der Grube und zum Stahlwerk verlegt. Leider zermalmten die Laster mit ihrem enormen Gewicht jeden Kabelgraben, den sie ausgehoben hatten und jedes Mal durfte ein anderer nach der defekten Stelle suchen. Da die Laster jedoch die unumstrittenen Könige in der Grube waren, war die Reparatur der Kabel immer ein Spurt zwischen vier Meter hohen Rädern. Allerdings hatten sie nach drei Tagen die Nase voll von den lebensgefährlichen Spurts und sorgten durch Verlegen von Hochdruckstahlrohren für ein Ende der Sisyphusarbeit. Allerdings brachte es sie auch um den letzten Rest Abwechslung.

Seitdem bildete das Zackenmuster des improvisierten Radar die einzige Ablenkung von der entnervenden Eintönigkeit. Das Radar war Ulfs Idee gewesen. Allerdings hatten sie kein neues mehr aus dem Ersatzteillager bekommen. Sie hatten die Berichte von den anderen Gefechten mitbekommen und wussten, was nun in der Kaserne los sein musste.
Sie hatten sich mit vier langen Stabantennen beholfen, die sie mit der Hilfe einiger Werkstechs oben auf die hundert Meter hohen Gichtturme des Stahlwerks montiert hatten. Mit einem klaren Bild war dabei nicht zu rechnen, aber es war immer noch besser als gar nichts. Immerhin, was diesem extrem primitiven Modell an Präzision abging machte es durch schlichte Reichweite wett. Das konstante Abtasten der Umgebung war ein weiterer Vorteil. Aber das Zackenmuster, das das einzige Anzeichen einer möglichen Annäherung war, hatte sie auch schon das eine oder andere Mal in die Irre geführt. In der Zwischenzeit wussten zwar alle die einzelnen Spitzen zu deuten, aber sicher war es noch lange nicht. Abgesehen davon konnte auch niemand konstant das Geflimmere dieses Systems ertragen.

Ulf schaltete missmutig durch die Funkfrequenzen des Netzwerks. Auf einem Kanal blieb er hängen. Zwei seiner Männer trugen über den Funk ein Fernschachturnier aus. Wie es schien, siegte Valdegaard das dritte Mal in Folge. Für die anderen gab es nichts zu tun. Er konnte nur hoffen, dass sie sich mehr Literatur mitgenommen hatten, als er.
„Was bist du denn bitte betrübt?“, lästerte Jakob Eisenblatt, sein zweiter Mann, „Du bist doch der einzige, der in den letzten Tagen Abwechslung gehabt hat. Immerhin hast du Besuch von deiner Freundin bekommen.“
„Stimmt. Aber das ist auch schon wieder viel zu lange her.“, seufzte Ulf.
Es weckte wohlige Erinnerungen in ihm, auch wenn es auf einer Pilotenliege noch ungemütlicher zuging als auf der Rücksitzbank seines Coupes.

Aber Selines Besuch war viel zu schnell vorbei gewesen. Dieses Mal war sie es, die zu einem Notfall gerufen worden war. Angeblich drohte ein Jökulhulaup nahe der alten Geisterstadt San Miguel.
Was das schon wieder für eine Naturkatastrophe war, hatte er erst nach dem dritten Erklären verstanden. Es lief darauf hinaus, dass einer der schier unzähligen Vulkane direkt unter einem Gletscher ausgebrochen war und das Eis geschmolzen hatte. Der Gletscher war jedoch so groß, dass es ihn nicht auf einmal aufschmolz. Nun musste Seline dort hinauf um herauszubekommen, wie viel Zeit ihnen noch blieb, bis aus einem kleinen Gletscherbach ein riesiger, reißender Strom wurde. San Miguel war angeblich wegen dieses Risikos aufgegeben worden, aber weiter unterhalb der alten Stadt waren noch ein paar andere Dörfer.
Für Ulf bedeutete Selines Besuch nur eine unterbrochene Abwechslung von tödlicher Langeweile. Für seine Kollegen war es eine Gelegenheit zum ununterbrochenen Lästern und Mutmaßungen über einen Coitus Interruptus.

„Immerhin. Du hattest deinen Spaß. Ich hab in der Zwischenzeit drei Romane durch und keine Ahnung, was ich noch anstellen soll."
„Wie wäre es mit Warten?", kam es auf einmal über die allgemeine Verbindung. Es war Hähren, der wieder einmal mitgehört hatte. Ausgerechnet er ...
„Wie wäre es, wenn mal allgemein Ruhe herrscht. Das Radar zickt Mal wieder herum.“, fiel unterdessen ein anderer von Hährens Männern ein.
„Hatten wir in den letzten Tagen doch schon ein paar Mal. Gewitter vielleicht“, wiegelte der Kommandanthauptmann ab.
„Wenn ein Gewitter in der Nähe ist, hat man Unterschiede in den Peaks. Das hier ist einfach zu rhythmisch. Sieht mir eher nach Störsender aus. Könnte sein, dass sie jetzt kommen wollen.“, konterte der Pilot. Es war der Grund, wieso auf einmal reges Interesse an dem einfachen Radar herrschte. Die Ausschläge wiederholten sich in der Tat in regelmäßigen Abständen. In viel zu regelmäßigen Abständen.
„Alles klar, die Warnung scheint sich also endgültig zu bestätigen.“, brummte Hähren besorgt, „Zweite und dritte Kompanie bleiben in Alarmbereitschaft. Erste wird aktiv. Wollen wir doch sehen, ob wir ihnen nicht ein Schnippchen schlagen können.“
Die Order wurde bestätigt.

Der Kommandanthauptmann behielt sowohl das Behelfsradar als auch das eigene Sensorsystem im Auge. Die beträchtliche Reichweite des einfachen Dings sorgte dafür, dass sie bereits auf eine Distanz von über 60 Klicks noch Kontakte auffangen konnten. Das eigene System hatte eine Reichweite von gerade einmal 10 Klicks, bei widrigem Gelände noch deutlich weniger.
Allerdings mussten für eine Ortung die Funksignale auch zurückkehren und wenn der Gegner sich darauf einschießen konnte, konnte er das Signal überlagern, streuen oder anderweitig stören. Das einfache alte Ding auf dem Turm stellte für ein modernes ECM kaum eine Schwierigkeit dar. Allerdings hinterließ die Störung auch Spuren. Man musste sie nur zu lesen wissen.
Hähren wartete, bis sich die Störungen auch auf sein Hauptsystem übertrugen.
„Wie ich erkennen kann, sind sie hier“, erklärte der Kommandant über einen allgemeinen Kanal. Lediglich Schweigen antwortete ihm.
„Darf ich erfahren mit wem ich mich duellieren werde?“, fragte er über den offenen Kanal. Die Antwort blieb aus.
„Wenn es schon zum Konflikttest kommt, wie sie das nennen, würde ich gerne wissen, mit wem ich kämpfe.“
Dennoch dumpfes Schweigen auf allen Kanälen.
„Kann sie jetzt am Horizont ausmachen“, ertönte es von einer anderen Seite. Einer von Hährens Männern hatte sie also schon ausgemacht. Auch der Kommandant schaltete auf die Zoomfunktion des Kamerasystems und holte den Horizont heran. Auf dem Bildschirm konnte er einen ersten Eindruck seiner Gegner gewinnen. Wie es aussah, kamen die Clanner in fünf versetzten Viererreihen. Die Masse an Bewegungen machte es dabei schwer, einen einzelnen Mech herauszufiltern und zu identifizieren. Auf die große Distanz sahen sie alle noch gleich aus.
„Wie ich sehe, bieten sie vier Sterne, wie sie das nennen. 20 Maschinen für unser Dutzend. Ich bin beeindruckt“, lästertete der Kommandanthauptmann weiter. Ein Infrarotlaser ermöglichte endlich auch ohne Radar eine Distanzbestimmung und sie sank stetig. Der Gegner blieb ihm jedoch immer noch die Antwort schuldig.
„Ich dachte sie bestehen so sehr auf ihrer Ehre. Welcher ehrlose Bastard wagt es ohne Kriegserklärung anzugreifen?“, bellte Hähren erneut über den Äther. Diese Beleidigung schien schon eher gesessen zu haben. Zumindest meldete sich sein Gegner endlich.
„Sphäroidenabschaum", wurde ihm entgegen gespieen, „Ihr seid es gar nicht wert, eine Kriegserklärung abzugeben. Ihr seid nicht einmal die Ehre des Bietens wert. Wir werden euch hinwegwischen. Wir sind Clan."
„Zumindest sauer ist er schon Mal“, fluchte Hähren in sich hinein, der immer noch nicht wusste, wer sein Angreifer war. Aber zumindest konnte er schon einmal die Strategie ausgeben. Er schaltete auf eine andere Frequenz.
„Es scheint also eindeutig zu sein, dass unsere unliebsamen Besucher keinen gesteigerten Wert auf die üblichen Clankampfregeln legen.
Also Plan A. Bravo und Charlie bleiben in Deckung. Wenn sie nahe genug an uns ran sind, ran und Hinterausgang zumachen. Reaktorstart eine halbe Minute nach erstem Schusswechsel.“
„Verstanden“, kam es von Anton Skarowsky, dem Hauptmann von der dritten Kompanie.
„Verstanden“, murrte Ulf Jarren, „Sir, wird das nicht etwas knapp? Wir brauchen eine gute Minute aus der Grube. Selbst wenn wir sie in einen Nahkampf verwickeln können, müssen sie 30 Sekunden ohne uns aushalten. Wenn die völlig auf die üblichen Gefechtsregeln pfeifen, zerlegen die in der Zeit ihre halbe Kompanie und lassen vom Rest kaum noch was übrig.“
„Und wenn sie zu früh die Maschinen scharf machen, werden die auf Distanz bleiben und sich zurückziehen oder auf ihre Jungs losgehen. Das Risiko, dass wir so lange im Feuer stehen müssen, muss ich eingehen.“
„Wie sie meinen. Ich würde das Risiko nicht eingehen.“, erwiderte Jarren besorgt.
„Over und aus“, zischte der Kommandanthauptmann und betrachtete seine Instrumente. Gleich würde die Hölle über sie hereinbrechen.

Mit den konstanten Versuchen der Kontaktaufnahme hatte Sternencaptain Zaturin nicht gerechnet. Aber er hatte eine klare Doktrin vom Sternencolonel ausgegeben bekommen. Das Ziel war zu erreichen, die Verteidiger waren zu vernichten.
Zaturin war felsenfest davon überzeugt, dass er bestehen würde, wo seine Konkurrentin versagt hatte. Sie würden nicht an diesen spheroiden Surats scheitern, weil sie sich nicht auf deren Spiele einlassen würden. Und wenn tatsächlich nur eine einzige Kompanie Surats, nicht einmal ein Trinärstern, für solch ein strategisch wichtiges Ziel abgestellt würde, würden sie es gar nicht anders verdienen.
Und diese elende Freigeburt hatte ihn einen Bastard genannt! Ihn! Einen wahrgeborenen Krieger des Clans Jadefalke! Dieser dreckfressende Kriecher, dieser Titten saugende, geldgeile stravag Lyraner!
Wütend schlug der Sternencaptain auf die Armlehne seiner Pilotenliege. Zaturins Rage konzentrierte sich ganz auf diese Niedertracht und er würde ihr bald freie Bahn lassen.
„Dieser Kommandant gehört mir!“, funkte er seine Mitstreiter an, doch das war vorher schon deutlich genug geworden. Im Vorfeld hatte er einen der Aufsteiger aus den Reihen des 6. provisorischen Sternhaufen bereits niedergestreckt, weil er ihm dieses Recht streitig machen wollte. Nun galt es nur noch herauszufiltern, wer dieser Surat war.
Während sein riesiger Bane weiter in Richtung des Stahlwerks stampfte, suchte er seine Sensoren ab. Die Gegner waren weitläufig auf dem Werksgelände verstreut. Mit seinen eigenen Systemen würde er wahrscheinlich lange suchen, aber er wusste sich zu helfen.
„Strahl 4! Detaillierung unserer Gegner!“, bellte er seinen eigenen Kamerad im einzelnen Hellbringer an.
Eigentlich war dieser Omnimech ein Frontklassemodell. Eigentlich war er in der mitgeführten Primärvariante ein Musterbeispiel der elektronischen Kriegsführung. Aber die Tatsache, dass es mittlerweile bessere Mechs in seiner Gewichtsklasse gab, sorgte zunehmend für seine Überstellung in die zweite Reihe, auch wenn es bei den Jadefalken, die traditionell auf dieses Modell setzten, länger dauern würde.
Es dauerte einen Moment, aber dann wurden die gewünschten Daten geliefert und für Zaturin war eines klar. Der einzelne Devastator . Das war sein Ziel.
„Diesem Surat werde ich beibringen, was es heißt Clan zu sein“, zischte er in sein Helmmikrofon und machte seine vier schweren Autokanonen scharf.

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14.

Minimon Stahlwerke, Tersett
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

19. September 3067


Kommandanthauptmann Hähren saß in seinem Mech und beobachtete, wie die Distanz zwischen ihm und den Clannern immer geringer wurde. Die optische Zielerfassung zeigte mittlerweile mehr Details und anhand einiger Strukturen konnte auch der Kommandeur die einzelnen Maschinen unterscheiden.
„Ein Galahad ?“, fragte er schließlich seine Mannschaft als er den an einen Rifleman erinnernden Mech auf der äußersten rechten Flanke identifiziert hatte.
„Ja, Sir! Außerdem noch ein paar Hellhounds und ein dicker Kraken . Scheint ziemlich viel aus der zweiten Linie dabei zu sein.“, erwiderte ihm einer seiner Piloten.
„Scheint mir eher als wäre das komplett die zweite Linie“, konterte Günther Lavelle, Hährens rechte Hand.
„Sie scheinen uns also nur noch mit der zweiten Garnitur jagen zu wollen oder zu können.“, ereiferte sich Oberleutnant Lackschuster, ein kleiner Aufschneider und Streber aus der dritten Lanze. Sein Verlust würde wahrscheinlich noch nicht einmal seine Eltern zu Tränen rühren. Dennoch griff Hähren ein.
„Es ist mir völlig egal, ob sie zweite Linie sind oder erste. Auch die haben genügend Feuerkraft um jeden von euch ins Jenseits zu befördern. Nur weil sie Garnisonsdienst schieben, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht mit ihren Maschinen umgehen können. Passt auf!“, unterband er jede weitere Spekulation und konzentrierte sich wieder auf die anrückenden Gegner.
Er wusste zwar, dass seine Einheit nur wenige moderne Zielsuchsysteme nutzte, aber er vermutete trotzdem, dass ihnen vor allem dieses mitgeführte ECM-System das Leben schwer machen würde. Von all diesen Mechs, die da auf ihn zugestampft kamen, wusste er nur vom einzelnen Loki in der ersten Reihe, dass er mit einem solchen Störsender bestückt sein könnte. Aus diesem Grund nahm er zu erst diesen Mech ins Fadenkreuz, doch der Punkt über dem Ziel veränderte seine Farbe nicht. Die Distanzanzeige deutete an, dass die Feinde noch viel zu weit weg waren.
Andererseits ging ihm durchaus durch den Kopf, was Jarren ihm erwidert hatte. Sie würden verdammt lange alleine im Kreuzfeuer stehen, wenn das Gemetzel erst mal los ging. Mit der überlegenen Technik der Clans würde damit der erste Schuss schon wieder den Clannern vorbehalten bleiben. Er würde schon wieder warten müssen, bis sie in ihrer Reichweite waren und seinen Leuten einheizen konnten, schon wieder die Initiative abgeben müssen. Er hasste es.
Aber ihm kam bei dieser Gelegenheit auch eine Idee.
Wichtig war doch eigentlich nur der erste Schuss. Einen Schuss, auf den die Clankrieger vielleicht noch nicht einmal antworteten.
Die Distanzanzeige stand noch immer auf fast einen Kilometer zum Ziel.
Wer hatte eigentlich behauptet, dass eine Projektilwaffe jenseits der allgemeinen Einsatzreichweite nicht mehr funktionierte? Das Geschoss prallte doch nicht an einer imaginären Mauer ab, nur weil es die üblicherweise als Grenze angesehene Distanz von 660 Metern überschritten hatte! Es würde nur schwieriger werden, noch etwas zu treffen. Andererseits hatte es ihm schon sein Ausbilder gesagt: Wer zu erst schießt, stirbt als zweiter. Hier würde sich das in ganz besonderer Weise verdeutlichen.
Der Kommandanthauptmann schaltete die beiden Gaussgeschütze seines Mechs auf einen Feuerleitkreis und stellte das Fadenkreuz neu ein. Auf die angesetzte Strecke würde er wahrscheinlich ein wenig höher halten müssen um die ballistische Flugbahn der Kugel auszugleichen. Dann holte er sich den Loki erneut unters Visier. Dieser Mech galt unter Kriegern der inneren Sphäre als die Hölle. Massig Reichweite und immer wieder eine zweite Waffe zur Hand, die einem das Leben schwer machen konnte. Sein einziger Nachteil, wie Techs mittlerweile herausgefunden hatten, war eine fragwürdige Panzerung. Wenigstens ein Punkt, der sich gegen ihn anwenden ließ und einer der Hauptgründe, wieso es ihn zu erst erwischen würde.
Hähren achtete auf die Distanzanzeige. Es waren immer noch über 850 Meter zum Ziel. Aber es müsste klappen, dessen war er sich sicher. Das Fadenkreuz ruhte satt auf der breiten Brust dieses Mechs.
Und so beginnt es , rezitierte der Kommandanthauptmann, dann zog er mit einem Lächeln den Abzug durch.
Die beiden Gaussgeschütze entluden ihre Kondensatoren in die riesigen Magnetpakete entlang der Geschützläufe und schoben die melonengroßen Nickeleisenkugeln durch den Lauf. Als sie die Mündungen verließen, waren sie auf mehrfache Überschallgeschwindigkeit beschleunigt worden. Fast direkt hinter den Läufen sitzend, meinte Hähren den Flug der silbernen Geschosse verfolgen zu können. Die Kugeln brauchte etwas mehr als eine Sekunde um die Strecke zu ihrem Ziel zurückzulegen. Dann krachte eines der beiden Projektile mit sichtbarer Wirkung in den ausladenden Rumpf des anvisierten Clanmechs. Panzersplitter flogen aus dem linken Torsomodul und verteilten sich wie feiner Glitter über das Schlachtfeld während die Maschine unwillkürlich herum gerissen wurde. Die andere Kugel verfehlte ihr anvisiertes Ziel und schlug mehrere Reihen hinter ihm in einen zweiten Mech ein. Dem deutlich leichteren Hellhounds riss es fast den linken Arm ab, als die Kugel knapp unter der Schulter einschlug.
„Toll!“, zischte ihm sein zweiter Mann zu, „Wenn diese Mülleimerbruten bis jetzt noch vorgehabt haben sollten, sich an ihre Clankampfregeln zu halten, dann können wir das spätestens jetzt vergessen!“
„Halt die Klappe und halt drauf! Darüber können wir nachher noch palavern!“, erwiderte Hähren und holte sich das Fadenkreuz zu einem weiteren Schuss über sein Ziel.

„Über 800 Meter bis zum Ziel!“, wurde Zaturin von erstaunten Sternenkameraden zugebrüllt. Eigentlich hieß es doch, dass die Waffen der inneren Sphäre den Clanwaffen deutlich unterlegen waren. Diese beiden Volltreffer revidierten diese Aussage jedoch gründlich. Aber nicht nur dass sie getroffen hatten, sie hatten auch sofort zwei verschiedene Ziele angegriffen! Entweder waren diese Surats überheblich, dämlich, tollkühn oder einfach nur arroganter Dreck, der unter ihren Füßen zerstampft gehörte. Ein Duell Mann gegen Mann wäre ehrenvoller gewesen, aber er hatte nie davon ausgehen dürfen, dass diese Freigeburten so etwas verstanden. Natürlich konnte es sich auch um einen Fehlschuss wegen der enormen Distanz handeln.
Welche Aussage auch zutraf, sie befriedigte den Sternencaptain in keinster Weise.
„Elende Sphäroidenbrut!“, schrie er vor lauter Wut auf und hämmerte auf den Armaturenträger vor ihm. Erst danach konzentrierte er wieder seine Wut auf seinen Gegner.
„Verteilt euch und stürmt ihre Stellung! Für diesen Bruch jeder Ehre werden sie bezahlen!“, forderte er von seinen Mechkriegern. Eine Reihe von Bestätigungen ging bei ihm ein und ließ ihn seine Würde wieder gewinnen. Er würde diesem niederträchtigen Abschaum ein für alle Mal erklären, wieso sie nicht das Recht besaßen, einen Mech zu steuern.

Jarren sah auf den Countdown, den er ausgelöst hatte, als die erste Gausskugel oberhalb seines Verstecks vorbei gepeitscht war. Die Lettern zeigten noch 15 Sekunden bevor sie ihre Maschinen scharf machen sollten, doch oberhalb der Grube schien bereits vor 10 Sekunden der Weltuntergang begonnen zu haben. Man konnte vor allem das dumpfe Rattern diverser Autokanonen und heisere Fauchen der Raketenlafetten hören, unterbrochen von Explosionen gegnerischer Raketen und Granaten.
Die Zeit schien sich endlos dehnen zu wollen. Ganz so, wie er befürchtet hatte.
Die Uhr zeigte immer noch 10 Sekunden an.
Aber fünf Sekunden mehr oder weniger, würde auch keinen Unterschied mehr machen. Sie brauchten auch so eine halbe Minute um ihre Stellungen zu verlassen und die Oberfläche zu erreichen.
„Macht Feuer unter euren Feuerstühlen und dann machen wir denen Feuer unterm Hintern!“, brüllte er über seine Kompaniefrequenz und fuhr den Reaktor mit einem einzelnen Handgriff wieder auf volle Leistung hoch. Das leise Surren des großen Pitbanreaktors verwandelte sich augenblicklich wieder in das gewohnte, dumpfe Wummern.
Der Ticker zeigte noch 7 Sekunden bis zum Start, doch Ulf Jarren war das herzlich egal.
Um ihn herum erwachten weitere Maschinen zum Leben.
Sollten sie sich doch ihnen zuwenden, wenn sie die Chance dazu bekamen , bemerkte Ulf in Gedanken. Wenn man sie mit Verachtung strafte, wurde es Zeit diesen Ausgeburten des Krieges zu erklären, warum das unter verschiedenen Umständen ein absoluter Trugschluss war.

Hähren hatte in der Zwischenzeit viel zu viel zu tun, um sich über den Frühstart des Hauptmanns aufzuregen. Verschiedene schnelle Clanmechs der leichten und mittleren Sorte waren nach Beginn der Kampfhandlungen aus den hinteren Reihen ausgeschert und auf sie zugestürmt. Unterstützung erhielten sie noch von den diversen schweren Brocken, die etwas mehr Zeit brauchten, um die Distanz zu ihren Stellungen zu verringern.
„Versucht sie aus dem Stahlwerk heraus zu halten!“, befahl er seinen Männern, doch eigentlich war es dafür schon zu spät.
Dvorchacks Ostroc wurde von einem anstürmenden Hellhound fast überrannt und musste sich wankend hinter einem der Hilfsgebäude des Stahlwerks in Sicherheit bringen. Der schon früher als Hitzefalle berüchtigte Mech war nach dem Dauereinsatz der schweren Sunbeam ER-Laser gnadenlos überhitzt. Von einem eigentlich flinken Mech war nicht mehr viel mehr als ein taumelndes Ungeheuer übrig geblieben, das dem Clanmech ein leichtes Ziel bot.
Hähren hatte kaum eine Chance, den schnellen Feindmech ins Visier zu bekommen und musste zusehen, wie ein Hagel aus Laserimpulsen und Raketen einen seiner Mechs hinter den Trümmern des Hauses zu Boden schickte. Andererseits schien sich der Clanner auch einen Dreck um die mögliche Feuerkonzentration zu scheren. Statt auf den näheren Devastator zu zielen, zog er es vor, dem Ostroc das Fell zu gerben.
Doch so schnell gab Dvorchack selbst nicht auf. Kaum dass er ihn ins Visier bekam, schossen dem Clanner auch schon ein Satz KSRs und die beiden mittleren Laser um die Ohren, gefolgt von einem Fausthieb direkt gegen das Bein des gegnerischen Mechs. Überrascht setzte der sich auf seinen breiten Mechhintern, um sich von dort aus neu zu orientieren. Dvorchack selbst nutzte die Gelegenheit um sich tiefer ins Werksgelände abzusetzen.
Hähren musste erkennen, dass an anderen Abschnitten seiner Linie das gleiche tragische Schauspiel stattfand. Die Clanner schienen sie geradezu überrennen zu wollen. Sie scherten sich nicht darum, welche Auswirkungen das Waffenfeuer auf die Anlage haben würde, die wollten sie nur bezwingen.
Aber noch mehr wunderte ihn, dass er selbst bisher noch nicht Opfer einer Attacke geworden war, dabei musste sein überschwerer Mech doch die größte Trophäe auf dem ganzen Kampfplatz sein.
Wie zur Antwort rissen Granaten den Wall vor ihm auf und ließen seinen Mech erzittern.
Der Kraken war in Reichweite.

Die ersten Treffer befriedigten den Sternencaptain kaum. Es war nur ein erstes Vorstellen gewesen. Die wirkliche Arbeit würde erst noch kommen und erst dann würde er die vier Kanonen auch auf den Schnellfeuermodus umschalten.
Alles zu seiner Zeit, wie er meinte.
„Habe Kontakt!“, wurde ihm indessen von anderer Seite zugebrüllt, „Geschätzt ein Dutzend Reaktorsignaturen. Wahrscheinlich eine abgetarnte Spheroidenkompanie!“
„Wie nicht anders zu erwarten war“, zischte Zaturin gerade so leise, dass er das Helmmikrofon nicht aktivierte. Wieder einmal zeigte sich die niederträchtige Art dieser Surats. In ihm ballte sich wieder die enorme Wut zusammen, aber er wollte nicht zulassen, dass sie ihn übermannte.
„Mechkrieger Cutai, nimm dir einen Stern und halte diese Kompanie auf Distanz! Der Rest stürmt das Stahlwerk!“, befahl er dem Piloten des Hellbringer und setzte seinen eigenen Sturmlauf fort.
Dieser Dreck der Inneren Sphäre versuchte es mit allen Mitteln. Wie der Sternencolonel es bereits vorhergesagt hatte. Aber sie würden immer noch genügend Zeit haben, um ihr Ziel zu erreichen und das Stahlwerk still legen. Und er würde noch die Zeit und Gelegenheit finden um diesen widerlichen Kommandeur und seinen Devastator zu vernichten.

Ulf Jarren erreichte als erster die Oberfläche über eine der Förderpisten der Mine. Wie er nicht anders erwartet hatte, hatte sich der Kampf in der Zwischenzeit deutlich in Richtung des Hüttenwerks verlagert. In der Zwischenzeit schien jeder auf jeden zu schießen, Hauptsache die IFF passte zu einem potentiellen Ziel.
Allerdings waren einige Mistkerle näher als andere und der ihm nächstgelegene Gegner war ein Loki .
„Ausgerechnet der Schlimmste für mich“, zischte Jarren, als der Torso des schweren Mechs zu ihm herum kam. Ulf hatte nicht besonders viel Zeit zum Zielen und schoss mehr aus der Hüfte, was wohl auch den Fehlschuss sowohl des mittleren als auch eines schweren Lasers erklärte. Der andere schwere Laser und ein Gutteil der Raketen suchten sich dagegen Risse und Löcher in der bereits durch den Frontalangriff massiv beschädigten Panzerung. Auch wenn Funkenschlag auf das Ende eines elektronischen Bauteils hindeutete und giftgrüne Flüssigkeit, die in einem dünnen Nebel aufstieg, auf einen defekten Wärmetauscher schließen ließ, ließ sich der Clankrieger dadurch nicht beeindrucken und feuerte zurück. Zwei mittlere Laser und eine Blitz-KSR6 suchten und fanden ihr Ziel in Form von Ulfs rechtem Arm, linken Bein und dem gesamten Torso. Ulf wurde beträchtlich durchgeschüttelt, konnte seinen Mech jedoch auf den Beinen halten.
Der Clanner bewegte sich quer zu seiner neuen Bedrohung um sich auch weiterhin dem Werk zu nähern und gleichzeitig auf Distanz zum Gegner zu bleiben. Doch seine restliche Lebenszeit wurde beträchtlich verkürzt, als auch noch der Salamander des kauzigen Juden Eisenblatt die Oberkante der Kiesgrube erreichte. 40 Raketen senkten sich über den angeschlagenen Rumpf des Clanners und hüllten ihn in Feuer, Qualm und Dreck. Als die Schwaden sich verzogen hatten, humpelte der Mech nur noch und die gesamte rechte Seite war ein großes Trümmerfeld. Sein endgültiges Ende kam nur wenig später in Form von Langstreckenraketen, schweren Impuls- und ER-Lasern sowie einem Kampfbeil, das von Aaris Jentomeriis Nightsky stammte. Mit zerstörten Rumpfseiten brach das restliche Gerippe des Lokis in sich zusammen. Dennoch zappelte ihr Radar und auch die anderen Sensoren wurden nach wie vor massiv gestört.
„Also der hier war es nicht“, brummte Eisenblatt seinem Kommandanten auf einer Kurzstreckenverbindung zu.
„Dann müssen wir weitersuchen, wir haben noch eine reichhaltige Auswahl möglicher Ziele. Such dir eins aus.“, erwiderte Jarren.
Die unmittelbare Antwort lieferte dann der Galahad , der in der Zwischenzeit seine an Gewehrläufe gemahnende Gaussgeschütze nach hinten geschwenkt hatte und eine der beiden 125 Kilo schweren Metallkugeln im rechten Bein von Ulfs Zeus versenkte.
Doch genauso wie er zogen sich auch die anderen Einheiten der Nachhut in die Eisenhütte und das angrenzende Areal zurück.
„Meine Herren, sieht so aus als seien wir nicht besonders willkommen auf dieser Party. Zeigt ihnen, wieso sie es erst recht nicht sind“, funkte er an die aus der Grube strömende Truppe und überließ ihnen die freie Zielwahl.

Hähren musste erkennen, dass die Clanner ihm und seinen Leuten nur zu bereitwillig mitten ins Stahlwerk folgten. Ein wenig zu bereitwillig, wie er feststellen musste.
Innerhalb des Hüttenkomplexes gab es viel zu viel Technik, die überhaupt nicht viel von schwerem Waffenbeschuss hielt, doch die Clanner schien das einen feuchten Dreck zu stören. Sie hielten auf seine übrigen Männer, wo sie sie nur erwischen konnten.
Der Kommandanthauptmann selbst hatte immer noch diesen Kraken im Nacken, der sich durch nichts von seiner Beute abbringen ließ. Dem Dauerbeschuss durch dessen massive Autokanonenbewaffnung waren in der Zwischenzeit bereits ein Stahlkocher und verschiedene Zufuhrsysteme zum Opfer gefallen. Aber wenigstens hatte sich Hähren auch mit dem einen oder anderen Treffer aus seinen Gaussgeschützen und PPKs revanchieren können, auch wenn ein eigener Fehlschuss dem Gebäude ein neues Panoramafenster verschafft hatte.
„Die ballern hier rum, als wäre die Hütte schon längst still gelegt!“, kommentierte es auch Lavelle, der sich seinerseits eines Gegners zu erwehren hatte.
„Scheint mir eher, als wollten sie das Werk erst gar nicht einnehmen. Versucht sie dennoch klein zu halten!“, erwiderte Hähren und musste sich erneut eine neue Deckung suchen, nachdem der Clanmech eine Torpedopfanne, hinter der er sich versteckt hatte, einfach ignoriert und mit einem unablässigen Granatenstrom in Stücke geschossen hatte.

Vor der Hütte tobte mittlerweile ein erbitterter, aber erstaunlich einseitiger Kampf, nachdem auch noch die dritte Kompanie aus ihrem Versteck gekommen war. Mit über 20 Feindmechs im Rücken sahen selbst die hartgesottensten Clankrieger zu, dass sie Fersengeld gaben.
Der widerspenstige Galahad hatte ihnen dabei noch die größten Schwierigkeiten bereitet und zwei Maschinen der 6. zu Boden geschickt. Doch schlussendlich hatte er sich dem massiven Feuer aus diversen Autokanonen, Raketenwerfern und Strahlenwaffen beugen müssen. Als Ulf über ihn hinwegstampfte, verpasste er ihm noch einmal einen wütenden Tritt um auch wirklich sicher zu gehen, dass der Feind am Boden blieb.
Die anderen Maschinen der feindlichen Nachhut waren entweder deutlich schneller oder deutlich beweglicher. Sie hatten es mittlerweile in die Hütte geschafft und nun stand ihnen dort ein zäher Kampf bevor.
„Aufteilen! Bildet kleinere Teams und schmeißt diese Bazillen endlich aus unserem Werk raus!“, forderte Ulf seine Männer auf.
Es war schon ein großer Fehler gewesen zuzulassen, dass sie sich in das verwinkelte Gelände der Hütte zurückziehen konnten. Jetzt war es wiederum an ihnen die Clanner aus den eroberten Stellungen zu werfen und er konnte nur hoffen, dass sich das nicht als ein noch viel größerer Fehler erweisen würde.
Zumeist in Dreier- oder Viererteams begaben sie sich auf die Jagd, wobei sich Ulf mit seinen schweren Kompanions die verwinkelten Bereiche direkt in der Hütte vornahm. Er glaubte im blitzenden Licht eines Lichtbogenofens bereits die Silhouette eines Mechs gesehen zu haben.

Eine der leichtesten Maschinen im Aufgebot Sternencaptain Zaturins war der Howler Mechkriegerin Belanis. Bei entsprechenden Gegnern oder passender Situation konnte sie mit ihrem nur 20 Tonnen schweren Mech beträchtliche Verwirrung stiften.
Zu Beginn hatte es auch so ausgesehen, als würde ihr Verband die Oberhand gewinnen und als könnte sie ihrem Auftrag in jeder Beziehung gerecht werden, doch mit dem Auftauchen abgetarnter Battlemechs der Lyraner war jede Gefechtsplanung hinfällig geworden. Angesichts deutlich schwererer Gegner und einer doppelt so starken Übermacht konnten sie nur noch ihr primäres Gefechtsziel schaffen und sich dann zurückziehen.
Noch während sie eine Mechfaust in einen Steuerstand hineintrieb, glitt ihr Blick zu einem unsteten Kontakt in ihrer Nähe. In der Hütte gab es so viel Eisen und Stahl, dass weder MAD-Sensoren noch Radar einen Sinn machten. Die allgegenwärtige Hitze machte auch das Wärmebildsystem überflüssig. Nur der zittrige Schattenriss, der entstand wenn der Elektroofen hinter ihr mal Ruhe gab, verriet ihr, dass möglicherweise ein Feindkontakt bevorstand.
Doch was ihre eigenen Sensoren störte, würde mit Sicherheit auch die Sensoren ihres Gegners lahm legen. Wer in dieser Situation zu erst schoss, hatte die besseren Chancen hier mit heiler Haut raus zu kommen.
Sie brauchte das Zielsystem ihrer Raketenlafetten nur noch auf den Punkt der zu erwartenden Ankunft zu richten und zu warten. Den Fluchtweg hatte sie sich schon längst eingeprägt. Als der wuchtige Zeus hinter einem riesigen Transportkübel voller Schrott hervortrat, schossen ihm bereits 15 Raketen auf langen Flammenzungen entgegen.
Belani war nicht dumm genug, um sich die Wirkung ihres Beschusses anzusehen. Gegen einen Angriffsmech, selbst wenn er aus der Fertigung der Inneren Sphäre stammte, machten 15 Raketen nicht viel aus. Er hingegen würde sie mit einer einzigen Vollsalve seiner Waffen zerstören können. Belani durchbrach eine dünne Rückwand des Hauptgebäudes und verschwand auf die Straße dahinter. Sie war damit aus der Schusslinie des Battlemechs heraus und damit fürs erste sicher.
Dachte sie zumindest.
Die Tatsache, dass die MAD-Sensoren in der extrem stahlhaltigen Umgebung keinen Battlemech ausmachen konnte, traf leider auch auf die gigantischen Kipplaster zu, die den Betrieb versorgten und genau vor so einem war sie gerade auf die Straße getreten.
Das letzte was die Mechkriegerin noch sah, war ein Kühlergrill im Format eines Garagentors.
Die Wirkung des Muldenkippers auf den gedrungenen Mech war mit der eines Sattelschleppers auf ein kleines Kind zu vergleichen. Die riesige Front des mit 60 Stundenkilometer dahindonnernden Lasters erfasste den leichten Mech, hob ihn von den Füssen und zermalmte ihn schließlich unter den überdimensionalen Reifen. Das, was noch vom Mech übrig blieb, erinnerte mehr an einen überfahrenen Hasen als an einen leichten Howler Battlemech.

Anton Skarowsky, der Leiter der dritten Kompanie, hatte Jarrens Ansicht zum Vorgehen gegen die Feinde geteilt und seine Einheit in kleinere Gruppen aufgeteilt um die Clanner zu stellen. Er selbst hatte in der Zwischenzeit mit seinem Team einen der schwersten Gegner aufgespürt und bekämpfte sich auf der Schutthalde mit einer Guillotine IIc . Der Mech war nicht nur ausgesprochen mobil und übersprang mal die eine oder andere Altlast des Werks, sondern auch noch verdammt schlagkräftig.
Sein umgemodelter Warhammer sah mittlerweile ziemlich mitgenommen aus, obwohl er zugunsten eines deutlich besseren Panzerungsschutzes auf einen Gutteil der kleinen Waffen verzichtet hatte. Bisher hatte es ihm kaum etwas genützt, genauso wenig wie die beiden schweren Impulslaser, die die PPKs ersetzt hatten. Dieses Mistding von einem Clanmech war einfach zu flink, um es endlich zu Boden zu ringen.
Seit mittlerweilen 10 Minuten spielten die beiden bereits Katz und Maus auf den Halden des Geländes, doch bisher war zu eindeutig, wer hier die Katze und wer die Maus war.
Skarowsky war die meiste Zeit am Rennen.
Als er um eine weitere der unzähligen Schutthalden herum kam, sah er direkt in die auf ihn ausgerichteten Läufe seines Gegners. Er konnte zwar noch die Arme hochreißen um das Cockpit zu schützen, aber selbst unter den dicke Armmanschetten seiner Maschine konnte er noch das infernalische Glühen erkennen, mit dem sein Battlemech malträtiert wurde. Sein Mech litt, genauso wie er, nachdem er den folgenden Sturz nicht mehr hatte verhindern können.
Noch völlig benebelt vom Fall erkannte er nur, wie der feindliche Mech zu ihm herantrat, um ihm den Gnadenschuss zu geben. Anton schloss schon mit dem Leben ab, als der steife linke Arm mit der blau leuchtenden Mündung der PPK zu seinem Cockpit hoch kam. In der liegenden Position mit den verschiedenen Schutthalden um sich herum konnte er noch nicht mal aussteigen. Die wuchtigen Arme seines Mechs wollten ihm auch nicht mehr gehorchen. In seinen Gedanken konnte er schon sehen, wie ihm dieser Clanner Auf Nimmerwiedersehen sagte.
Anton hechelte und fragte sich, was er noch tun könne, doch es fiel ihm nichts mehr ein.
Die PPK schwebte bereits über seinem Cockpit, bereit ihm den Todesstoß zu verpassen.
Anton schluckte den letzten Kloß im Hals herunter, dann krachte es fürchterlich.
Aber der Lyraner war immer noch nicht tot.
Skarowsky erkannte es an dem typischen Hämmern einer wütenden Autokanone. Der schwere Mech über ihm wurde nach vorne geschleudert, als ihn eine Salve von hinten traf. Der PPK-Strahl, der ihn eigentlich treffen sollte, grub sich tief in die Halde oberhalb seines Cockpits. Anton glaubte es gar nicht mehr als der wuchtige Clanmech umdrehte, um sich einer neuen Bedrohung in Form des Bushwackers Sabine Hermanns zu stellen. Auch wenn sie nur relativ wenig Munition für ihre Autokanone hatte, spuckte die Waffe im Augenblick einen stetigen Strom an Granaten aus, unterstützt noch durch die MGs und den schweren Laser.
Anton konnte sehen, wie der Clanner dem Neuankömmling zeigte, dass er ihn dafür als nächstes erledigen würde, doch die Ankunft weiterer lyranischer Maschinen zwang ihn für den Augenblick zum taktischen Rückzug.
Nachdem die Guillotine IIc nicht mehr über ihm wie das personifizierte Ende hing, ließ sich Skarowsky auf seiner Pilotenliege zusammensinken.
So direkt hatte er noch nie dem Tod ins Auge gesehen und er hoffte, es auch nie mehr tun zu müssen. Wenn es jemals so weit sein sollte, wünschte er sich, dass es schnell und unangekündigt passierte. Das hatte er schon vorher gewusst, aber jetzt war er sich dessen sicher.
Dass ihn seine Kameraden nicht über das beschädigte Funksystem erreichen konnten und weiterhin um sein Leben bangten, erkannte er zu diesem Zeitpunkt nicht. Er wünschte sich nur ein paar Minuten Einsamkeit.

Einsamkeit wäre etwas, wonach sich Jürgen Lackschuster geradezu sehnte. Seit dem Beginn dieses Gefechtes schlug er sich mit einem verflixt zähen Goshawk herum. Gegenüber seinem Gegner hatte er zwar 10 Tonnen Übergewicht, aber das war auch so ziemlich sein einziger Vorsprung gegenüber dem Clanner. Der hatte deutlich schlagkräftigere Waffen, das bessere Zielerfassungssystem und zu allem Überfluss keine Kurzstreckenprobleme mit denen er sich herumschlagen musste. Ganz im Gegensatz zum Oberleutnant. Es behagte ihm nicht, die Raketen heiß zu schalten, aber es war seine einzige Chance überhaupt noch etwas auszurichten. Lackschuster konnte froh sein, wenn ihm nicht der leichteste Treffer die Raketen noch in den Lafetten in die Luft jagte. Und der Clanner legte es durchaus darauf an.
Nach dem ersten Zusammentreffen schien der Bastard geglaubt zu haben, dass er ihn mit einer ersten Salve erledigen könne. Doch es war wieder einmal das Glück, dass die Maschine nur äußerlich dem modifizierten Crusader glich. Die Techs hatten mit viel Hingabe die Bewaffnung sinnvoll modernisiert, aber den alten Rumpf erhalten. Der gezielte Beschuss des linken Torsos hatte Lackschuster einige ernste Probleme wie offenliegende Munition und Störungen in der elektrischen Versorgung beschert, aber nicht aus dem Gefecht werfen können, worauf es sein Gegner abgesehen hatte. Immerhin hatte es im Gegenzug Prügel mit Lasern und Kurzstreckenraketen gegeben. Doch die verdammte Clankiste war nicht nur gut bewaffnet, sondern auch noch unerhört gut gepanzert. Er war einfach verschwunden und hatte ihn wenig später wieder erwischt. Der Oberleutnant hatte kaum eine Chance gegen diesen Bastard.
Mittlerweile hoffte er nur noch darauf, dass ihn ein Team von der Jagdtruppe aufstöberte und beim Kampf gegen den Clanner unterstützte. Doch bis dahin konnte noch viel Zeit vergehen. Bis es soweit war, war es wichtig, dass er sich eine gut verteidigbare Position suchte. Wichtig war für ihn eine Position, wo ihm dieser Mistkerl nicht ins Kreuz fallen konnte. Doch solche Stellungen waren nicht leicht zu finden. Die meisten Objekte in der Halle waren von vielen Seiten zugänglich. Doch schlussendlich schien er die Stelle gefunden zu haben, die seinen Vorstellungen entsprach.
Mitten zwischen den Konvertern des Werks.
Kein normaler Mechkrieger versuchte sich zwischen den heißesten Objekten des ganzen Stahlwerks zu verstecken. Aber eine bessere Position gab es eigentlich nicht. Die Hitze der Konverter überdeckte jede IR-Signatur, selbst wenn er seinen Mech bis zur Überhitzung geschossen haben sollte. Das viele Eisen alleine der Armierungen und Kräne sorgte dafür, dass das MAD nichts als Störungen anzeigte. Es ging nun nur noch um die optische Erkennung und wer wen zu erst erkannte, konnte zu erst zum Schuss kommen. Jetzt galt es nur noch zu warten, entweder auf die eigenen Leute oder auf diesen Mistkerl.
Noch bevor sich der Oberleutnant so richtig in seiner Stellung einrichten konnte, bemerkte er bereits die Bewegung in seinem sekundären Sichtfeld. Sofort fuhr er wieder hoch.
Waren die eigenen Leute so schnell gewesen? Aber wenn ja, wo waren dann die anderen Begleiter? Wenn dann sollten sie sich endlich zeigen, damit er sie identifizieren konnten.
Der Mech, der sich bisher nur durch den Schattenriss an der gegenüberliegenden Mauer abzeichnete, konnte entweder der Griffin Rütger Pehlworms sein oder dieser verdammte Goshawk . Er hoffte so sehr auf das traditionell Plattdeutsch sprechende Nordlicht von Winter.
Es musste doch auch mal zu seinen Gunsten ausgehen ...
Aber er verließ sich lieber nicht auf sein Glück und brachte die Waffen in Stellung. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Mech aus dem Sichtschatten heraustrat. Voraussichtlich musste er auf Höhe der zweiten Arbeitsbühne gegenüber zielen, wenn er den Gegner am Torso erwischen wollte. Hoffentlich musste er nicht abdrücken. Aber er war lieber auf alles gefasst.
Schließlich zeigte sich der Mech im flackernden, gelben Licht der Öfen. Es war nicht der Griffin seines Kameraden, es war schon wieder der Goshawk , der auf der Jagd war.
Der Oberleutnant war kurz vor der Verzweiflung, doch noch hatte der Gegner ihn nicht bemerkt und das würde seine Chance sein. Wenn er ihm jetzt auf kürzeste Distanz eine Tracht Prügel verpasste, konnte es sein, dass sich der Clanner zurückziehen musste. Vorsichtig, um sich nicht durch überhastete Bewegung sofort zu verraten, zog er das Fadenkreuz über den feindlichen Mech. Der schien noch immer zu suchen.
Eindeutig zu lange.
Bevor der Clanner ihn entdeckt hatte, feuerte Lackschuster. Zum gleichen Zeitpunkt flammten die Laser auf und starteten 30 LSRs sowie zwei Paar Blitz-KSRs. Der Clanner wurde völlig von der Attacke überrascht. Panzerung brach von allen Partien seiner Maschine als fast alle Raketen ihr Ziel fanden, den Rest schmolzen die Laser ab. Der Clanner hatte schwer um die Kontrollen seiner Maschine zu kämpfen, prallte erst gegen eine Lore und dann gegen den Laufgang auf der anderen Seite. Noch im Zusammenbrechen feuerten seine Laser unkoordiniert in die Halle und füllten sie mit einem bizarren Lichtermuster, zusätzlich zum goldenen Schein der glühenden Pötte. Doch erst zum Schluss, nachdem bereits das Armmodul an der linken Hand im Stakkato der detonierenden MG-Munition explodiert war, feuerte der schwere Impulslaser im anderen Arm. Die hoch energetischen Lichtbolzen zuckten tief durch die Halle und trafen Einrichtung wie Feindmech.
Doch die einzelnen Lichtimpulse hätte der Crusader noch ausgehalten, dafür hatten sie nicht genug Gewalt. Er hätte wahrscheinlich auch noch den einen oder anderen Treffer mit einer anderen Waffe ausgehalten, wäre da nicht ein Ereignis eingetreten, mit dem Lackschuster gar nicht mehr gerechnet hatte.
Der schwere Impulslaser hatte den dicken Mantel des links von ihm brodelnden Konverter durchschlagen und bevor der Oberleutnant reagieren konnte, wurde sein Mech mit kochendem Stahl überschüttet.
Vielleicht hätte sein Mech auch noch die Hitze dieser Belastung ausgehalten. Vielleicht wäre der Lyraner noch davon gekommen, wäre der stählerne Strom auf einen intakten Mech getroffen. Doch genau das war sein Problem. Sein Mech war nicht mehr unbeschädigt. Das mehr als 1000° Celsius heiße Metall strömte direkt durch die zerstörte Torsohälfte auf das Innenleben seiner Maschine inklusive der eingelagerten Raketenmunition. Bevor er eine Chance zum Reagieren hatte, verbrannte es die Munition. Der Crusader wurde herum gerissen, knallte gegen den zweiten Konverter und ging zu Boden, wo sich in der Gluthitze des strömenden Metalls auch die restliche Munition auflöste. Lackschuster verging in einer glühenden Aura und bedeckte seine ganze Umgebung mit einem splittergespickten Funkenregen.

Hähren hatte für dieses Ereignis kein Auge. Er musste mit ansehen, wie er immer weiter von seinem Gegner durch die Produktionshalle des Werks getrieben wurde. Allzu viele Deckungen gab es nicht mehr, nicht einmal in dem mehr als 300 Meter langen Stahlwerk. Und der Kraken kam immer noch mit voller Einsatzbereitschaft auf ihn zu. Er hatte zwar in der Zwischenzeit den einen oder anderen Treffer einstecken müssen, aber er war immer noch nicht so weich geklopft, dass er endlich zu Boden ging. Das einzige, was Hährens Stimmung verbesserte, waren die Meldungen diverser Soldaten unter seinem Kommando, die darauf hinwiesen, dass die Clanner immer weiter zurückgedrängt wurden. In einigen Fällen hatten sie auch Erfolge feiern können.
Doch hier und jetzt konnte er nur darauf setzen, dass ihm bald jemand zu Hilfe eilte, oder er würde diesem Granatenstrom doch noch unterliegen.
Erneut fraß sich eine Salve quer durch das Gebäude und nach der Zerstörung eines Crusaders seiner Einheit begnügten sich die Clanner anscheinend nicht mehr damit Kollateralschäden zu verursachen, sondern bezogen glühendes Metall direkt in ihre taktische Planung ein. Die letzte Salve ging knapp an seinem Mech vorbei und überließ Hähren den Gegenschlag. Erneut feuerte er seine Energiebewaffnung ab, denn die Kanonenkugeln wurden langsam rar.
Er wollte nicht bei einem abschließenden Zusammenprall ohne seine beiden wichtigsten Waffen dastehen und daher zog er es vor die letzten vier Kugeln für den Notfall einzubehalten. Doch lange konnte er sich die Munition nicht mehr sparen. Die Panzerung war an einigen Stellen bereits bedrohlich dünn geworden, am linken Torso war sie schon fast nicht mehr vorhanden. Doch seinen Feind schien es nicht zu stören, dass ihm schon wieder mehr als eine Tonne Panzerung vom Mech gekocht wurde, anscheinend schien er immer noch mehr als genügend Schutz aufweisen zu können. Es war einfach eine Seuche mit diesen Mistkerlen und lange würde Hähren ihr nicht mehr widerstehen können.
Doch endlich schien sich das Blatt auch zu seinen Gunsten zu wenden. Hähren erkannte die Annäherung zweier typisch lyranischer Mechs. Im Hintergrund tauchte endlich der hoch aufgeschossene Zeus Hauptmann Jarrens auf, dicht gefolgt von dem nicht minder wuchtigen Salamander , auch wenn der mehr breit als hoch war. Zusammen würden sie die Feuerkraft aufbieten, die notwendig sein würde, um diesen Clanspuk endlich ein Ende zu bereiten.
„Ich könnte ihre Hilfe hier dringend gebrauchen“, funkte Hähren den Untergebenen an, doch das Funksystem wurde immer noch gestört. Eigentlich durfte das mittlerweile gar nicht mehr sein, nachdem der Loki das Zeitliche gesegnet hatte, doch irgendein Mistkerl besaß noch immer ein funktionsfähiges ECM. Die Stahlstruktur um ihn herum, starke elektrische Ströme und Funkenschläge allenthalben machten die Sache auch nicht besser.
Also konnte er nur darauf hoffen, dass die beiden schweren Brocken hinter ihm schnell genug schalteten um diesem verdammten Riesenmech endlich das Licht auszublasen. Hähren blickte noch einmal auf die Systemanzeige. Der flackernde Bildschirm meldete ihm die Gaussgeschütze und Laser einsatzbereit. Die Partikelwerfer luden noch auf, würden aber gleich wieder einsatzbereit sein. Sein Blick flog wieder zum Fadenkreuz hinauf. Der Clanbastard war ihm eigentlich schon viel zu direkt auf die Pelle gerückt, doch es ließ sich nicht vermeiden, die Teilchenschleudern auf eine Distanz abzufeuern, auf der der Rückstrom geladener Teilchen für das Ende dieser Waffen sorgen konnte. Wenn er Glück hatte, würde es vor allem das Ende dieses elenden Kraken bedeuten. Er musste nur noch etwas mehr aus seiner Position links der Stahlbottiche kommen. Hähren wollte es nicht riskieren mit einem Fehlschuss einen seiner eigenen Männer zu treffen und wartete. Jarren war zwar eine Nervensäge, aber im Augenblick wurde sein Geschick im Umgang mit seinem Mech mehr gebraucht als eine Abrechnung für die vielen kleinen Insubordinationen, die er angesammelt hatte. Der Kommandanthauptmann beugte den überschweren Battlemech und machte sich für den Angriff bereit. Gleich würde es soweit sein ...
Als der Angriffsmech des Clanners noch einen Schritt vorgetreten war, schoss der Devastator aus seiner Deckung und eröffnete sofort mit allen Waffen das Feuer. Grün schillernde Laserbahnen schmolzen wichtige Panzerung vom Rumpf des Kraken , während die blauen Blitzschläge aus den Donal-PPKs ganze Panzerungspartien von den Armen rissen. Die beiden Gausskugeln brachten nicht den erhofften Erfolg. Eine rammte sich in das ausladende rechte Bein und verbog die Unterschenkelpanzerung dermaßen, dass die zuständigen Techs wahrscheinlich Tage zum Richten der Struktur brauchen würden, die anderen verschwand völlig im sandigen Boden der Werkshalle. Der Clanner wurde ziemlich von der Attacke überrascht, denn drei von vier Kanonen donnerten am Devastator vorbei. Eine schaffte es ihrerseits sich am angeschlagenen rechten Bein hochzuarbeiten und die Panzerung bis auf einen mageren Rest abzunagen. Aber das war kein ernsthafter Verlust, der den erfahrenen Kommandanthauptmann ins Straucheln brachte. Ganz im Gegensatz zum Clanner, der nach dem Verlust von annähernd drei Tonnen Panzerplatten derb herumgeworfen wurde. Aber es brachte ihn nicht zum Umfallen, was Hähren sehr bedauerte.
Was Hähren jedoch noch viel mehr bedauerte, war die Tatsache, dass er zuvor nicht erkennen konnte, dass die beiden Helfer ihrerseits noch mit einem Gegner beschäftigt waren. Erst aus seiner neuen Position konnte er erkennen, wie Laserstrahlen und Raketen ein verdecktes Ziel niederknüppelten. Doch ohne jene Unterstützung sah der Kommandanthauptmann selbst ziemlich angeschmiert aus.
„Oh Dreck ...", war das einzige, was er noch sagen konnte. Noch bevor seine Hauptwaffen nachgeladen hatten, hatten die Autokanonen des Clanners neue Magazine gefasst und entluden sie auf den Devastator , der nun bar jeder Deckung zu einem gefundenen Fressen wurde. Hähren bekam nur noch die Hälfte mit als, sich eine der Granatenspuren durch die Kopfpanzerung fraß und Splitter das ganze Cockpit füllten. Von annähernd einer halben Tonne Explosivgeschosse getroffen, brach der Devastator zusammen. Er stürzte vorneüber auf die Knie und fiel dann ganz in den sandigen Grund.
Kurz bevor Hährens immer schwächer werdendes Lebenslicht verblasste, erkannte er noch, wie die Waffen der beiden anderen Sturmmechs zum Kraken herumzuckten.
Zu spät, Jarren , waren Hährens letzte Gedanken, bevor er in der Dunkelheit versank.

Ulf hatte das Gefecht des Kraken mit dem Kommandanthauptmann noch gesehen. Er hatte ihm sogar zu Hilfe eilen wollen, doch ein Goshawk hatte sie auf halber Strecke gestoppt. Die schwer angeschlagene Maschine war zwar nur noch Sache einer einzelnen Salve beider Sturmmechs gewesen, doch die Verzögerung hatte ausgereicht. Als Ulf wieder von dem vernichteten Clanner aufsehen konnte, brach der Mech des Kommandanten gerade tödlich getroffen zusammen. Nur der verdammte Kraken stand noch immer über seinem Ziel und wähnte sich seines Erfolges sicher.
„Du verdammte Sau!“, brüllte der Hauptmann und richtete seine Waffen auf die Rückenpartie des wuchtigen Clanmechs. Doch der erst kurz zuvor erfolgte Abschuss des mittleren Clanners vereitelte den erneuten Waffeneinsatz. Keiner der Laser war bereits wieder aufgeladen und für die Coventry Starfire war er viel zu nah. Auch sein Kamerad an seiner rechten Seite konnte noch nicht schießen. Sie mussten wehrlos zusehen, wie der Kraken sich einen Weg durch die Rückwand des Gebäudes bahnte und ihnen drohend die Kanonenläufe entgegenstreckte. Jarren war nicht bereit, sich so einfach von diesem verdammten Miststück abfertigen zu lassen, musste die Verfolgung jedoch ebenfalls abbrechen, als seine ebenfalls nicht mehr besonders dicke Panzerung durch die Streuschüsse der vier feindlichen Kanonen weiter abgenagt wurde. Er konnte ihm nur noch einen LSR-Salve nach der anderen nachsetzen um ihm ein endgültiges Andenken zu hinterlassen. Neben der Kraken formierten sich nun auch weitere Clanmechs, die das Schlachtfeld einfach zur anderen Seite verließen.
Es war niederschmetternd, mit ansehen zu müssen, wie es mehr als die Hälfte der Mistkerle geschafft hatte, das Gefecht zu verlassen. Sie waren auch viel zu gut formiert, als dass es sich Jarren, Skarowsky oder irgendein anderer Pilot der 6. erlauben konnte, ihnen zu folgen. Hilflos mussten sie mit ansehen, wie die Clanner abzogen.
„Die Schlacht ist vorbei. Was nun?“, fragte Skarowsky, als auch noch das Störfeld des feindlichen ECM-Senders genauso wie die Mechs verschwunden war. Ulf ließ den Kopf hängen. Es war ihnen nicht gelungen das Werk vor den Clannern zu schützen. Es war ihnen auch nicht gelungen, die Clanner auf dem offenen Feld zu stellen und zu vernichten. Eigentlich hätten sie das bei ihrer zahlen- und gewichtsmäßigen Überlegenheit schaffen müssen. Doch die Realität des Gefechtes hatte ihnen wieder einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht.
„Holt euch die Laster aus der Grube und ladet unsere Mechs und den Schrott von den Clannern auf. Wir ziehen ab.“, befahl Ulf, der nach dem Verlust des Kommandanthauptmanns als dienstältester Offizier das Kommando übernommen hatte.
„Das wird dem Werksdirektor aber gar nicht gefallen, wenn wir so einfach verschwinden und ihm auch noch sein Arbeitsgerät klauen.“, wandte Skarowsky ein.
„Na und? Der Herr Direktor wird einige Tage oder Wochen, vielleicht auch Monate damit beschäftigt sein, sein Werk wieder herzurichten. Meine Güte, diese Freaks haben ja kaum einen Stein auf dem anderen gelassen!
Abgesehen davon könnten die Kerle auch zurückkommen und wie im Süden jede Transportmöglichkeit vernichten, die ihnen nichts nutzt. Wenn er da mal ein paar Tage auf seine kostbaren Laster verzichten muss, wird das bei weitem nicht so schlimm sein, als wenn er sie erst neu einkaufen muss.
Wir werden uns jetzt jedenfalls erst einmal in die Kaserne zurückziehen und Reparaturen anfordern. Wir haben sie dringend nötig. Also holt diese Laster und packt den Schrott drauf.“, forderte Ulf von den anderen Mechkriegern.
Ein paar Bestätigungen wurden erwidert, doch Ulf fielen vor allem jene Stimmen auf, die er nicht mehr hörte. Es waren schon wieder viel zu viele.

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15.

General Bregano Kaserne, Neo Dijon
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

19. September 3067


Ulf fühlte sich völlig zerschlagen, als er seinen Zeus in der ‚Kathedrale‘ abgestellt hatte. Sie hatten zwölf Stunden gebraucht, um im Konvoi nach Hause zu kommen. Ein Tieffliegerangriff und diverse Ausfallerscheinungen an zwei schwer beschädigten Maschinen hatten dem Marsch noch die besondere Würze verliehen, doch schließlich hatten sie es geschafft, sich, ihre Fracht und ihre Überreste nach Hause zu schaffen.
Mittlerweile stand er vor einem der riesigen Laster und sah den Techs bei ihrer Arbeit zu. Es war deprimierend mitansehen zu müssen, wie die Techs schweres Bergegeschirr an den völlig zerschossenen Ostroc Vladimir Dvorchacks anlegten.
„Acht Maschinen“, murmelte Ulf niedergeschlagen.
„Es sind nur acht Maschinen“, wandte Jakob Eisenblatt ein, der sich still und heimlich an seine Seite gesellt hatte.
„Nur?“
„Es hätte deutlich schlimmer kommen können und das weißt du selbst. Wir hatten es mit der zweiten Reihe zu tun und sie hat hauptsächlich mittlere und einige schwere Maschinen mitgebracht. Hätten wir die erste Reihe zu spüren bekommen, wären es wahrscheinlich vorwiegend schwere und überschwere Brocken gewesen und wir hätten deutlich mehr verloren. Denk nur mal an die armen Schweine vom Dritten.“
„Es ist mir dennoch keine besondere Hilfe“, bedauerte es Ulf.
„Sollte es aber sein. Immerhin werden wir wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Schrotteimer wieder auf die Beine stellen können, wenn man uns die Zeit lässt."
„Wenn ...", spottete der Hauptmann.
„Die Clanner sehen nicht wesentlich besser aus als wir, einige sollen noch deutlich schlimmer zugerichtet gewesen sein, als sie das Stahlwerk verlassen haben. Auch deren Techs werden Zeit brauchen um ihre Kisten wieder herzurichten.“
„Hoffentlich. Aber die Maschinen sind nur das eine ...", gab Ulf zu bedenken. Auch sein Kumpan schwieg einen Moment.
„Ich weiß, was du meinst. Es ist keine schöne Aufgabe, die Briefe an die Angehörigen schreiben zu müssen.", fühlte er mit ihm. Es war nie eine leichte Angelegenheit. Sie hatten mit Hähren drei Piloten verloren und da Ulf dem Bataillon nun vorstand, lag es an ihm diese Arbeit zu erledigen. Wütend schlug er gegen eine der nahen Basaltsäulen.
„Gott, Mann! Wieso können diese Jadefalken nicht einfach verschwinden?“, brach es aus Ulf heraus.
„Damit sie verschwinden, müssen wir nachhelfen. Von alleine werden sie uns nicht den Gefallen tun. Und Gott wird damit wenig zu tun haben. Ich glaube kaum, dass er uns den Gefallen tun wird und diese seelenlose Brut in einer neuen Sintflut ersäuft. Das müssen schon wir erledigen“, relativierte es der gläubige Jude. Ulf ließ den Kopf hängen, sah dann aber wieder zu seinem Kameraden.
„Wir sind alle keine Heiligen“, bedauerte er und verließ den Hangar.
Jakob nickte ihm stumm hinterher. Sie waren alle nicht ganz frei von Schuld, aber es lag an ihnen, dass die Schuldigeren endlich zur Hölle fuhren.

Eine Dusche und die notwendige Vorbereitung auf die Abschlussuntersuchung später stand Ulf beim Oberst im Büro.
Auch der Alte zeigte sich angesichts des ersten Berichts nicht besonders glücklich, ganz besonders nicht bei den Leistungen und Auswirkungen des letzten Angriffs.
„So viele Schäden, schon wieder Verluste und die Clanner stehen immer noch.“, seufzte er auf.
„So sieht es leider aus. Der Versuch, sie in die Defensive zu zwingen und sie an Ort und Stelle zu vernichten ist an ihrer Schnelligkeit gescheitert. Außerdem hatten sie es anscheinend von vorneherein darauf angelegt, alles in Stücke zu schießen. Sie sind auf jeden Fall nicht besonders rücksichtsvoll mit dem Werk umgegangen.“
„Hätten sie sie aufhalten können, wenn sie sie nicht in eine Falle zu locken versucht hätten?“, wollte der Oberst wissen und rieb sich dabei die Schläfen. Auch an ihm zehrten die dauernden, zerstörerischen Attacken dieser Invasoren. Doch es war eine rein hypothetische Frage.
„Es wäre eher anzunehmen gewesen, dass sie den Angriff zurückgestellt und sich auf ein neues Ziel konzentriert hätten. Oder sie wären mit mehr Truppen aufmarschiert. Wie auch immer wir es angestellt hätten, sie hätten uns in die Pfanne gehauen. Wir hatten wohl noch Glück gehabt. Sie hätten genauso gut uns zum Hauptziel machen können.“
„Wenn es nach dem Werksdirektor gegangen wäre, wäre das auch der Fall gewesen“, bemerkte der Oberst. Ulf konnte nur grunzen, als er das hörte.
„Hoffentlich ist er nicht sauer, dass wir seine Laster beschlagnahmt haben“, lästerte er.
„Ich glaube, die Laster sind fürs Erste sein geringstes Problem. Er schätzt die Schäden vorläufig auf über zwei Millionen Kronen und die Ausfallzeit zur Reparatur auf mindestens zwei Monate. Die Kosten, die alleine durch den Produktionsausfall entstehen, will er noch gar nicht berechnen."
„Wetten, dass er es darauf anlegt die Kosten vom Oberkommando beglichen zu bekommen?", fragte Ulf wenig gerührt. Der Oberst zuckte mit den Schultern.
„Wer sein Werk direkt an einer umkämpften Grenze baut, muss damit rechnen, dass es zur Zielscheibe wird. Wenn er mit seinen Forderungen kommt, werde ich ihn gerne direkt an die nächste Instanz weiterleiten. Sollen die sich doch damit herumschlagen.
Was uns angeht, haben wir andere Probleme ..."
„Die leidige Frage, wo sie es als nächstes krachen lassen.“, murmelte Ulf besorgt. Oberst Monair nickte.
„Die große Frage, die sich uns stellt. Eigentlich könnten sie nun alles und nichts angreifen. Die anderen Minen werden sie so wenig interessieren wie die Dörfer im Süden. Sie werden wahrscheinlich drüberrutschen und verbrannte Erde hinterlassen. Aber mit der Zerstörung des Stahlwerks haben sie eigentlich das letzte bedeutsame Ziel außerhalb der Stadt vernichtet.“
„Wollen sie damit sagen, dass damit der Angriff auf Neo Dijon unausweichlich bevorsteht?“, fragte Ulf sichtlich besorgt.
Er hatte schon verschiedene Gefechte in städtischen Gebieten ausführen müssen, doch je mehr er gesehen hatte, um so schlimmer wurden die damit verbundenen Bilder. Er wollte nicht mehr die leeren Fensterhöhlen sehen müssen, die den Tod des lebendigen Zentrums einer Stadt symbolisierten, nicht mehr die hohen Flammensäulen aus Läden und Autos, nicht mehr die Rußschwaden verbrannten Plastik und Gummis. Erst recht wollte er nicht mehr die Leichen auf den Straßen sehen müssen.
„Es muss noch andere Ziele geben, die sie attackieren müssen.“, suchte Ulf sein Heil in der Flucht.
„Das einzige, was sonst noch fehlt ist das neue Kraftwerk am Vatna. Aber wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, würde ich sie nicht auch noch darauf aufmerksam machen. Ohne das Kraftwerk geht hier mehr als nur das Licht aus und wenn möglich würde ich auf diesen Katastrophenfall verzichten.“, erwiderte der Oberst ruhig und emotionslos.
„Verständlich. Aber gibt es denn ansonsten keinerlei Ziel mehr, dass sie noch angreifen müssten?“
„Ich befürchte, die Antwort lautet nein“, musste der Oberst zugeben.
„Verdammt. Gibt es denn wirklich nichts, was diese Wahnsinnigen noch von uns wollen?“
„Uns selbst vielleicht? Aber ich bin nicht daran interessiert, meine Truppe noch weiter auszudünnen. Diese verdammten Mistkerle würden uns zum Frühstück verspeisen, wenn wir uns ihnen auf einem erneuten Schlachtfeld stellen.“
„Und wenn wir uns nicht auf dem platten Land stellen?“
„Dann werden sie eine neue Waffenkonfiguration zusammenstellen und uns mit ihren modularen Mechs zusammenschießen. Wir haben verdammt schlechte Karten.“
„Wenn wir uns nach ihren Regeln richten, werden wir nie mehr auf einen grünen Zweig kommen. Dann werden sie auch Neo Dijon in ein Schlachtfeld verwandeln ... in ihr Schlachtfeld.“, wie Ulf nach einer Weile bekennen musste.
„Unser Vorteil ist, dass wir die Stadt kennen. Wir können hier Hinterhalte legen und wir können außerdem unsere Infanterie und Panzerunterstützung voll ausnutzen.“, führte der Oberst an.
„Wollen sie wirklich die Stadt in ein Schlachtfeld verwandeln?“, bohrte Ulf nach.
„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Aber ich fürchte immer mehr, dass es sich nicht mehr vermeiden lässt. Die große Frage ist meiner Ansicht nicht mehr ob, sondern wann.“
„Aber es muss noch andere Lösungen geben. Neue Lösungen ..."
„Bitte bieten sie mir eine und ich bin zufrieden", erwiderte der Oberst. Doch auf die Schnelle konnte auch Ulf keine aus dem Ärmel zaubern. Keine, bei der sie nicht wieder durch die Mangel gedreht wurden.
„Legen sie sich erst mal aufs Ohr.“, bot der Oberst an, „Sie haben doch mit Sicherheit seit 24 Stunden nicht mehr geschlafen. Die Clanner werden nicht so wahnsinnig sein und ausgerechnet jetzt attackieren. Dafür haben sie genug Wunden, die sie selbst lecken müssen.
Vielleicht kommen wir auch noch auf eine Idee, wie wir sie stoppen können, wenn wir nicht verbissen darüber nachdenken.“
„Wie sie meinen, Herr Oberst“, brummte der Hauptmann, auch wenn ihm die Rücksicht des Oberst kaum eine Erleichterung war. Er wollte bereits gehen als er sich noch einmal an den Oberst wandte.
„Könnten sie mir noch einen Gefallen tun, Herr Oberst?“, fragte Ulf besorgt.
„Welchen?“
„Könnten sie die Angehörigen Sven August Hährens benachrichtigen? Ich habe das Gefühl, ich bin nicht der Richtige dafür.“
„Ihre kleine Privatfehde geht auch noch nach seinem Tod weiter?“, fragte der Oberst erstaunt.
„Nein, aber ich glaube, ich kann ihnen gegenüber weder den angemessenen Ton treffen noch die angemessene Person sein.“, bekannte Ulf.
„Rücksicht? Eine ungewöhnliche Geste in einem Krieg.“
„Eine Geste, die im Kugelhagel genauso schnell stirbt wie die Wahrheit. Aber eine Geste, die eigentlich nicht sterben dürfte.“
„Wie sie meinen, Hauptmann Jarren, wie sie meinen“, seufzte der Oberst, „Ich werde mich um Hährens Angehörige kümmern.“ Ulf nickte.
„Hatte Hähren eigentlich Kinder?“, wollte er abschließend noch wissen.
„Zwei“, erwiderte der Oberst tonlos. Doch es wühlte Ulf mehr auf, als er es eigentlich wollte. Er ballte mehrfach die Fäuste, konnte aber kein Ziel benennen, das sie treffen sollten.
„Und diese Clanbastarde haben sich dieser Verantwortung schon immer dadurch entzogen, dass sie elterliche Kinder gleich als minderwertig diskriminiert haben.“, fluchte er.
„Eine kompromisslose Brut für den Krieg. Wer keine Angehörigen hat, muss niemanden betrauern.", musste auch der Oberst zugeben. Er wäre glücklich gewesen, wenn er mehr von ihnen ohne jede Trauerrede unter die Erde hätte bringen können.

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01.03.2005 14:36 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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16.

Sorbonne Wohnviertel, Neo Dijon
Chevandon, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

20. September 3067


Ulf hatte sich unter dem Vorwand die holographischen Nachrichten an die Angehörigen persönlich zum HPG bringen zu wollen die Erlaubnis erschlichen, den Standort verlassen zu dürfen. Eigentlich wäre es eine Angelegenheit für einen Boten gewesen, aber der Wachhabende war ein alter Bekannter gewesen, der Ulf noch einen Gefallen schuldete.
Nachdem sich Ulf um seine Post gekümmert hatte, hatte er die einzige Adresse in Neo Dijon aufgesucht, die ihm in dieser Situation noch einen Trost versprach.

Seline war zwar zu Hause gewesen, aber es war ihr schwer gefallen, durch seine Abwehr zu dringen. Genauso schwer war es ihr gefallen, ihn von ihren Cognacbeständen fernzuhalten.
„Du darfst dich nicht für ihren Tod verantwortlich machen. Du warst es nicht“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Doch Ulf schien in einer anderen Welt gefangen. In einer Welt der grausamen Erinnerungen und leidvollen Erfahrungen.
„Wäre ich schneller gewesen, könnte wenigstens der Kommandanthauptmann noch leben“, brummte er.
„Du warst beschäftigt. Du hattest gar keine Chance. Du hast deine eigenen Gegner bekämpft.“
„Nur etwas schneller und der Kraken hätte eine Ladung ins Kreuz bekommen. Nur etwas schneller und seine Ladung wäre nicht ins Cockpit Hährens gegangen.“
„Du konntest nicht schneller, du hast getan, was du konntest. Abgesehen davon kannst du gar nicht wissen, ob du Hähren überhaupt noch retten konntest. Vielleicht wäre der nächste Schuss in sein Magazin gegangen und der Mech wäre explodiert.“
„Hähren hatte zwei Gaussgeschütze. Deren Munition explodiert nicht. Wenn dann die Waffe selber“, korrigierte er sie. Sie hatte es nur gut gemeint. Aber auch dieser Tröstungsversuch verpuffte ohne Wirkung.
„Ich war einfach nicht schnell genug. Jetzt wachsen zwei weitere Kinder als Kriegswaisen auf. Nur weil ich mit diesem ... geklonten Mistkerl vor mir nicht schnell genug fertig geworden bin.“, kasteite er sich selbst. Seine Freundin rutschte näher an ihn heran und strich durch sein Haar.
„Es sollte nicht sein. Du konntest nicht schneller und alle anderen waren ihrerseits damit beschäftigt, die Clanner zu bekämpfen. Es hatte nicht sollen sein. Du darfst dir deswegen nicht selbst irgendwelche Dämonen aufzwingen, die dich in Zukunft behindern.“, versuchte sie ihn endlich aus seinem Tal der Tränen zu befreien. Doch es schien nicht möglich zu sein. Für die nächste halbe Stunde beschränkte sie sich nur darauf, in seiner Nähe zu sein.

„Es muss noch einen Weg geben, sie los zu werden.“, murmelte er schließlich. Für sie war es ein gutes Zeichen, dass er sich mit anderen Gedanken beschäftigte, doch auf militärischem Gebiet war sie nicht besonders bewandert. Wie es überhaupt klappen sollte, wusste sie nicht.
„Es muss noch einen Weg geben, sie von der Stadt fern zu halten.“, brummte er.
„Ihr habt es doch schon mit so vielen Methoden versucht. Bei verschiedenen Kämpfen haben es doch Einheiten schon geschafft, sie zu bezwingen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, diese Lösungen auf euer aktuelles Problem anzuwenden.“, versuchte sie seine anderweitigen Gedanken anzuspornen. Wenn er sich auf etwas anderes als die Toten konzentrierte, konnte er vielleicht wieder der werden, den sie eindeutig vorzog.
„Was ihnen schon einmal zum Verhängnis geworden ist, werden sie mit Sicherheit meiden“, schmetterte Ulf den Versuch ab.
„Und was sie nicht kennen, werden sie in schlechter Erfahrung behalten“, meinte sie zuversichtlich.
Doch das war das Problem, vor dem auch ihr Freund stand. Man zauberte nicht einfach so eine neue Idee aus dem Hut. Erneut verging eine kleine Ewigkeit schweigend.

„Wie lief es am Gletscher?“, fragte er sie schließlich und brach damit jede Grübelei über etwas ab, was er im Augenblick nicht lösen konnte.
„Oh, eigentlich ganz gut“, erwiderte sie ihm, auch wenn sie von seinem Themenwechsel ein wenig überrascht wurde.
„Das Gletschertor ist momentan noch stabil, aber dahinter sammelt sich bereits ein beachtlicher See. Der Vulkan liegt sehr weit oberhalb, fast an der Grenze zum glazialen Nährgebiet und wird die Wassermassen des Sees noch ein wenig anschwellen lassen. Aber wir gehen davon aus, dass ein Jökulhulaup nicht innerhalb der nächsten drei Tage ansteht.“
„Und dann?“
„Dann sollten die Orte am Gletscherbach geräumt und die Umgehungsstraße dicht gemacht worden sein. Was danach nicht bei drei auf den Bäumen ist, wird von diesen Wassermassen mit Sicherheit fortgespült werden.“, erklärte sie ungerührt.
„Lässt sich der Beginn so genau vorhersagen?“, fragte Ulf sie.
„Gut genug, um eine sichere Prognose abzugeben. Mit drei Tagen sollten wir auf der sicheren Seite stehen. Wäre natürlich fatal, wenn ein Lavastrom ausgerechnet das Tor aufschmelzen würde, aber etwas derartiges konnten wir nicht feststellen.“
„Nicht oder noch nicht?“, fragte er mit einem sanften Schmunzeln.
„Im Gegensatz zu deinem Handwerk ist die Wissenschaft etwas handfestes!“, beschwerte sich seine Freundin mit gespieltem Ernst. Das gequälte Lächeln zeigte wenigstens etwas Regung in ihm.
„Wird es schlimm werden?“
„Wie gesagt, ich möchte nicht im Bachbett stehen, wenn es rund geht. Da wird eine Menge Wasser durchkommen, wenn das Tor erst mal gesprengt ist. Die meisten Dörfer sind zum Glück weit genug vom Wasser entfernt gebaut worden, aber es könnte sein, dass San Miguel dieses mal endgültig von der Landkarte verschwindet.“
„Das Ende einer Geisterstadt. Schade das es nicht das Ende der Jadefalken ... ist ...“, brummte Ulf und dachte nach. Seline sah jenes Leuchten in seinen Augen mit Sorge.
„Was hast du vor?“, fragte sie beunruhigt.
„Vier Tage hast du gesagt?“, fragte ihr Freund.
„Vier Tage bis was?“
„Vier Tage bis das Gletschertor nachgibt.“, wollte er wissen.
„Ich hatte drei Tage als Sicherheit angegeben. Vier wäre möglich ... vielleicht auch länger.“
„Aber mindestens drei Tage sicher und vier wahrscheinlich“, hakte er nach.
„So ... sieht es zumindest momentan aus. Aber die Natur ist nicht restlos berechenbar“, versuchte sie einzubremsen, was auch immer in seinem Kopf vorging.
„Das würde mir wahrscheinlich schon ausreichen. Wurden die Daten bereits veröffentlicht?“
„Nein ... ja. Nicht eindeutig", druckste sie herum, „Ich meine, die Bevölkerung der drei betroffenen Dörfer weiß Bescheid, die Ämter wissen Bescheid und wenn die Presse nachfragt, was los ist, wird sie auch schon Bescheid wissen oder Bescheid gesagt bekommen.", erwiderte sie verunsichert.
„Gibt es eine Möglichkeit, diese Informationen zumindest den Funkkanälen vorzuenthalten?“
„Wie denn? Die Dörfer müssen doch wissen, was der Stand der Dinge ist!“
„Das wissen sie schon. Sie bereiten sich schließlich schon vor und verlassen das Gebiet. Wichtiger wäre die Frage, ob weitergehende Informationen notwendig sind.“
„Ich ... äh ... eigentlich nein, wenn sich nichts gravierendes verändert.“
„Sehr gut“, erklärte er und sein Grinsen erinnerte sie mehr an Fieberwahn als an eine gute Idee.
„Was hast du vor?“, fragte sie voller Sorge. Sein Grinsen wurde nur noch breiter und schien erste Anzeichen von Irrsinn in sich zu bergen.
„Ich werde diese jadegrüne Scheiße mit einer riesigen Klospülung ins Meer befördern!“, verkündete er.

Ulf hatte auf dem Weg zurück in die Kaserne jeden Geschwindigkeitsrekord gebrochen, der in der Innenstadt jemals aufgestellt worden war. Der Plan lag wie eine glasklare Vision vor seinem inneren Auge. Es ging nur noch darum, ihn auch umzusetzen.
Als er beim Oberst eintrat, saß der bereits wieder mit seinem Adjutanten und Fritz Falkenau zusammen über den Karten des Areals. Auch der Geheimdienstler war anwesend.
„Ulf? Schon wieder so gut drauf?“, fragte ihn Fritz als erster, als er die erstaunlich erwartungsvolle Miene des Hauptmanns sah.
„Ich habe vielleicht eine Idee, wie wir sie erledigen oder zumindest schwer anschlagen können.“, erklärte er den Anwesenden.
„Wirklich? Dann bin ich aber mal gespannt“, zeigte sich der Oberst interessiert. Alle anderen hielten sich mit Kommentaren zurück. Angesichts ihrer derzeitigen Lage war jeder Vorschlag besser als Abwarten, dessen waren sie sich sicher.
Ulf löschte als erstes die Karten um Neo Dijon und holte sich die Gegend um den Jolliergletscher heran. Auch wenn die Strategen in ihrem ‚Warroom‘ nur nebenbei mitbekommen hatten, dass dort etwas abseits ihrer allgemeinen Planungen lief, zeigten sie sich weniger überrascht als erwartet.
„Der Vulkanausbruch?“, fragte ihn der Oberst erstaunt, „Was wollen sie denn mit diesem zusätzlichen Risiko?“
„Es ist kein zusätzliches Risiko“, bemerkte Ulf, „Es ist unsere Chance.“
„Wie sollen wir das verstehen?“, wollte der Alte wissen.
„Sehen sie, die Clanner können vielleicht durch ihr Landungsschiff im Orbit unsere gesamten Bewegungen beobachten und daher klar feststellen, wo wir als nächstes Stellung beziehen. Aber sie können nicht definieren, was bereits am Boden der Fall ist. Sie konnten unsere Stellung am Werk erst auskundschaften, als sie am Werk waren. Dass wir wieder einstecken mussten, hing daran, dass sie mit schnellerem Gerät gekommen sind und aggressiver vorgegangen sind als wir es im Entferntesten erwartet haben.
Aber sie schienen es nicht bemerkt zu haben, dass sie in eine mögliche Falle laufen.
Das sollten wir auch am Jollier ausnutzen. Sie wissen vielleicht, dass dort ein Vulkan unter dem Eis brodelt, aber sie haben keine wissenschaftliche Teams dabei um ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Wir haben sie hier. Wir wissen, dass das Gletschertor noch etwa drei bis vier Tage lang den dahinter aufstauenden Wassermassen wie ein Staudamm standhalten wird. Was danach passieren wird, wissen nur die Eierköpfe am geologischen Institut.“
„So schlecht sieht ihre Freundin doch gar nicht aus“, brummte Falkenau, aber das leise Kichern erstarb recht schnell wieder, als der Ernst des Hauptmanns nicht zu erschüttern war.
„Worauf wollen sie hinaus?“, fragte der Oberst.
„Der entstehende Eisstrom wird vernichtende Ausmaße annehmen. Seline sagte mir, dass in den Wassermassen Eisbrocken in der Größe eines Hauses treiben könnten. Felsen von mehreren Tonnen Gewicht beginnen mit atemberaubendem Tempo zu wandern. Der letzte Jökulhulaup hatte eine Brücke mitgenommen, die eigentlich sogar gegen die Schmelzwassermassen des Frühlings sicher sein sollte.
Und jetzt frage ich sie, was mit einem Clanmech passieren wird, wenn wir ihn bis zum Eintreffen der Wassermassen im Bachbett festnageln können?“
Auch die Mienen der anderen erhellten sich bei dieser Voraussicht.
„Er wird zumindest schwer beschädigt, wahrscheinlicher noch zerstört werden. Schneller und effektiver als bei einer Attacke mit Artillerie.“, erkannte der Geheimdienstler. Es war eine Aussicht, die auch die anderen aufsehen ließ.
„Schön und gut, Ulf. Aber wieso glaubst du, dass sie dort bleiben werden oder überhaupt hin wollen? Da oben gibt es keine wichtigen Einrichtungen, etwas Landwirtschaft und vielleicht drei Dörfer. Was sollte die Jadefalken dazu bewegen, sich ausgerechnet dorthin zu begeben?“, wollte der Oberst wissen, dem die allgemeine Lage als erstes aufgefallen war.
„Eine Einladung vielleicht?“, fragte Ulf spöttisch zurück, „Sie hatten mir erst vor ein paar Stunden selbst gesagt, dass eigentlich nur noch wir selbst als potentielles Ziel für eine Attacke bereit stehen.
Wenn wir uns krampfhaft in Neo Dijon verschanzen, werden sie alles auf die Stadt werfen, was sie noch haben. Wir werden in mehreren Wellen immer weiter dezimiert, bis wir ihrer Flut nichts mehr entgegenzusetzen haben. Noch aber haben wir die Möglichkeit Flexibilität zu zeigen. Beweisen wir sie!
Nicht außer Acht lassen dürfen wir, dass es dort oben zwar drei bewohnte Dörfer gibt, aber auch die Geisterstadt San Miguel. Ein Ort, dessen Verlust keinen zu Tränen rühren wird, aber ein Kampfschauplatz, auf dem wir den verdammten Clanwaffen nicht schon wieder hoffnungslos unterlegen sind.“
„Wie wollen sie verhindern, dass die Clanner nicht ihre Omnis vorschicken und sie schon wieder niederwalzen?“, fragte Falkenau, der sich an seine eigene Niederlage erinnert vorkam.
„Wenn sie ihre Omnis in den Wassermassen verlieren, um so besser“, konterte Ulf.
„Und was, wenn sie nicht durch den Bach wollen?“, fragte Fritz nach.
„Es gibt verschiedene Wege, sie dazu zu zwingen, durch den Bachlauf zu marschieren. Allerdings brauche ich dazu eine Pioniertruppe. Außerdem noch Minen, einen alten Mechreaktor und wahrscheinlich die Reste der Artillerie.“
„Wozu das denn bitte?“, fragte der Oberst, der sich vor den Kopf gestoßen fühlte.
„Wir müssen sie dazu zwingen, die Route durchs Bachbett als einzige Alternative anzusehen. Dafür haben wir eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Artillerie oder Minen. Die Minen sind ein statisches Mittel, um seine Feinde auf Distanz zu halten und ein Areal von mehreren hundert Quadratkilometern zu verminen ist der schiere Wahnsinn. Da wäre das Pionierbataillon mehrere Wochen beschäftigt, abgesehen davon, dass wir gar nicht so viele Minen im Depot haben.
Daher auch die Artillerie. Sie kann unsere Gegner flexibler angehen und sie auf die Route zwingen, auf die wir sie haben wollen. Außerdem brauchen wir nicht das ganze Areal mit Minen abzudecken. Was nicht vermint ist, wird durch die Artillerie abgedeckt.
Wir zwingen sie auf eine Strecke, auf der wir sie endlich in der Hand haben.
Und dann jagen wir den Schrottreaktor am Gletschertor gezielt hoch. Die Abwärme wird die Staumauer wegschmelzen und der Jökulhulaup wird von uns gezielt gegen diese Schweinepriester eingesetzt werden. Die Laufgeschwindigkeit können wir von den Ingenieuren und Geowissenschaftlern ausrechnen lassen, das ist kein Problem.
Bevor wir erneut massenweise Truppen verlieren, werden wir sie ersäufen, zermahlen und ins Meer spülen! Was dann noch übrig ist, wird der zahlenmäßigen Übermacht unterliegen.“, umriss Ulf endlich seinen Plan.
In der Befehlszentrale herrschte erst erstauntes Schweigen.
„Wenn das klappt, wären sie so gut wie erledigt“, brummte der Oberst schließlich.
„Wenn das klappt, können sie die weitere Attacke vergessen. Selbst wenn sie nur einen Teil ihrer Streitkräfte in diesem Angriff einbüßen, werden sie dazu gezwungen werden, ihren großen Plan zu überdenken.“, wandte Falkenau ein.
„Wenn wir davon ausgehen dürfen, dass sie vorhandene Straßen unbekanntem Gelände vorziehen, werden sie über die südliche Zugangsstraße kommen wollen. Da müssten wir nur die Begrenzungen zu beiden Seiten sorgfältig verminen um uns selbst einen Abzugsweg zu lassen. Den Rest kann die Artillerie klein halten. Das Areal ist übersichtlich, da brauchen wir einen Infanteristen als Einweiser ...", erkannte Oberstleutnant Riffan und zeichnete eine erste Linie in die Karte ein. Nach und nach entwickelte sich mehr Aktivität rund um die Kartentische und allen wurde schnell klar, dass in dieser Nacht die Rechner in der Höhle nicht mehr erloschen.

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03.03.2005 17:26 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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17.

Rügels Loch
Dosdoyewskys Insel, Clermont
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22. September 3067


Als Sternencolonel Brien zwei Tage später die 'Einladung' Monairs bekam, schäumte er vor Wut. Diese Freigeburt hatte es tatsächlich gewagt, ein Gebot in Form eines Tests abzugeben. Eine freigeborene Suratbrut ohne Namen und Ehre! Ein ehrloser Haufen Dreck forderte ihn, die Krönung der eugenischen Zucht, auf, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer bestimmten Truppe zum Kampf zu stellen!
Er hatte die Holobotschaft drei Mal ansehen müssen, um es zu glauben. Diese Freigeburt forderte ihn allen Ernstes zu einem Besitztest um die Wasserstoffraffinerie Neo Dijons auf. Er sagte, er sei es Leid, die Infrastruktur dieser Welt in Trümmern zu sehen, nur weil Brien ihn zum Kampf vor Ort forderte. Das sei kein Angriffsziel, dessen die Ehre des Clans würdig wäre. Er forderte ihn offen zu einem Kampf an einem Ort seiner Wahl auf. Er hatte ihm sogar die nötigen geographischen Dateien samt seiner Mechaufstellung geliefert, um seine Ernsthaftigkeit zu bezeugen.
Aber wie konnte es ein solcher Haufen Suratdreck auch nur wagen, ein so geheiligtes Ritual wie einen Besitztest zu fordern? Eine Sphäroidenfreigeburt!
Brien hatte sich beim dritten Mal nur mit Mühe davon abhalten können, den Holobetrachter an die nächste Wand zu werfen, nur um seine Wut zu zügeln.
Nicht nur dass er ihn zu einem Kampf zu seinen Bedingungen an einem Platz seiner Wahl forderte, er hatte auch noch klar gestellt, dass er diesen Kampf haben wollte.
„... Dies ist mein Gebot, Sternencolonel. Diese Nachricht ist speziell an sie gerichtet und ich überlasse es ihrem Ehrgefühl angemessen zu antworten.
Sollten sie nicht antworten, werde ich in drei Stunden eine weitere Holovidbotschaft ausstrahlen, dieses Mal aber über einen offenen Kanal und über alle offenen Frequenzen. In diesem Fall werde ich ihre Ehre aber nicht mehr mit Glacéhandschuhen anfassen, denn es ist ihre Ehre die auf dem Spiel steht, wenn sie auf eine Aufforderung zum Besitztest mit Verachtung reagieren. Wie die ihnen unterstellte Truppe darauf reagieren wird, wage ich nicht einmal abzuschätzen, aber ich nehme an, dass sie sie zu einem Test im Kreis der Gleichen herausfordern, wenn sie das hier ignorieren.
Es liegt an ihnen zu reagieren. Ich erwarte ihre Antwort bis 1500 lokaler Zeit.“, verkündete das Hologramm Oberst Monairs zum vierten Mal. Brien schlug mit der Faust so hart auf den Kartentisch, dass der Holoprojektor einen Satz machte und die abschließend aufleuchtende Steinerfaust für einen Augenblick in der Luft flackerte.
Der Sternencolonel musste sich zusammenreißen, als er die Sternencaptaine Zaturin und Shanna zu sich rief.
Auch sie sahen sich die Nachricht an und zeigten sich kaum weniger empört.
„Wie ist der Zustand unserer Maschinen?“, wollte Brien mit aller ihm verbliebenen Fassung wissen.
„Alle Omnimechs der Fronteinheiten sind sofort startbereit. Wenn sie es sagen, wird es uns eine Freude sein, sie zu vernichten. Von den Luft-/Raumjägern haben wir beim letzten Tiefflugangriff zwei leichte verloren, aber der restliche Stern brennt geradezu darauf, sich für diese Verluste zu rächen.“, erklärte Shanna voller Angriffslust. In dieser Gelegenheit sah sie eine Option, ihre Ehre wiederherzustellen.
„Die Techs machen gute Fortschritte, was die Reparaturen an den Garnisonsmechs angeht. 80% der Maschinen sind bereits wieder voll einsatzbereit und die restlichen Maschinen werden mit Sicherheit innerhalb der nächsten 6 Stunden wieder einsatzbereit sein. Geben sie mir die Gelegenheit, die Einheit zu vernichten, die uns das letzte Mal in einen ehrlosen Hinterhalt zu locken versucht hat!“, forderte Sternencaptain Zaturin. Brien nickte und unterdrückte mit einer weiteren Geste jedes sich anbahnende Bieten.
„Ich denke nicht daran, auf die Ehrlosigkeit eines solchen ... Surats mit dem Verlust meiner eigenen Ehre zu reagieren. Ich denke nicht einmal daran, so zu reagieren wie er es sich wünscht, selbst wenn diese Freigeburt Safcon anbieten würde!“, spie der Sternencolonel aus.
„Wie ...“, wollte seine Adjutantin wissen, doch erneut kam ihr Brien zuvor.
„Wie viele Einheiten stehen uns noch zur Verfügung?“, fragte er beide, selbst wenn er die Zahlen selbst gut genug kannte.
„Aufgrund der Verluste knappe fünf Sterne Mechs und etwas weniger als vier Strahlen Elementare. Dazu noch ein voller Stern Luft-/Raumjäger.“, erklärte Shanna.
„18 Mechs, also etwas weniger als vier Sterne. Dazu aber noch ein voller Stern Gefechtsrüstungen.“, kommentierte Zaturin.
„Sehr gut“, zischte Brien, „Machen sie alle Einheiten startbereit.“
Erstaunt sahen beide Einheitskommandeure ihren Vorgesetzten an.
„Sie werden ihre Überheblichkeit bezahlen. Aber ich denke nicht daran, ihren Vorstellungen zu folgen.
Wenn sie ihre Truppen aufteilen, werden wir diese Gelegenheit zu unserem Vorteil nutzen. Sternencaptain Zaturin! Du nimmst dir alle Garnisonstruppen, die noch zur Verfügung stehen und wirst dieses aufgestellte Bataillon bei San Miguel attackieren! Binde sie lange genug oder vernichte sie, wenn du es schaffst.
Sternencaptain Shanna! Bereite alle Fronteinheiten auf einen Stadtkampf vor, meine Maschine ebenfalls. Wir werden ihnen zeigen, wieso es eine so schlechte Idee ist, uns in unseren eigenen Ritualen herauszufordern.“
„Aber Sternencolonel! Wollen wir ihnen allen Ernstes diese ... Ehre zuteil werden lassen und sie mit deutlich überlegenen Truppen angreifen?“, wollte Shanna erstaunt wissen. Der Sternencolonel lachte verächtlich.
„Wer hat gesagt, dass wir uns auf dieses wertlose Ziel im Nirgendwo konzentrieren? Wir wissen, dass ein Bataillon fast völlig ausgelöscht wurde. Die Milizmechs wurden gänzlich vernichtet. Und nun wird ein weiteres Bataillon zu diesem Konflikttest an einen abgelegenen Ort abgezogen.
Dementsprechend kann sich nur noch ein Bataillon zusammen mit den Resten des dritten innerhalb der Stadt verstecken. Fünf Sterne Mechs, konfiguriert auf den Kampf in städtischer Umgebung, unterstützt durch Elementare und gedeckt durch die Luft-/Raumjäger sollten in Verbindung mit dem Überraschungsmoment ausreichen, um diese Surats vernichtend zu schlagen und aus der Stadt zu vertreiben. Wir gehen Neo Dijon an!
Was dann noch übrig bleibt, ist nicht mehr der Rede wert.“, erklärte Brien seinen Plan.
Was diese Schlachtplanung bedeutete, wussten alle und in allen flammte vor allem der totale Kampfwille auf. Sie wollten sich ein letztes Mal wirklich beweisen können, bevor endlich die Flagge des Clans über dieser Welt aufgezogen wurde.

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18.

San Miguel
Sarrazinhalbinsel, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz

23. September 3067


Das Pionierbataillon, das bereits seit drei Tagen auf der Halbinsel beschäftigt war, hatte kaum Zeit gefunden um sich um die herbe Schönheit der Umgebung Gedanken zu machen. Obwohl sie hier weitab der wärmeren Gefilde des Äquators waren, war die Umgebung weniger unwirtlich als sie es in vielen anderen Gebieten des Nordens sein konnte. Einzelne warme Quellen erleichterten das Heizen und Beschaffen von warmen Wasser und die allgemeinen Wassermengen hatten reichlich Gras sprießen lassen, was Viehwirtschaft begünstigte. Vielleicht war das der Grund gewesen, wieso sich die Siedler früherer Tage hier angesiedelt hatten.
Doch die Natur schien hier nur freundlich zu sein, sie war es nicht.
Der Winter, der hier oben spät und eher schleichend kam, blieb um so länger und die Schmelzwasserströme im Frühling hatten verheerende Ausmaße. Mehr als einmal war der Ort nur noch per Hubschrauber oder Agromech zu erreichen gewesen. Als auch noch diverse durch vulkanische Aktivitäten verursachte Schlamm- und Schmelzwasserströme die Stadt unter Wasser gesetzt hatten, hatten sich die Siedler vor 240 Jahren dazu entschlossen, San Miguel aufzugeben und einige Kilometer weiter südlich und deutlich weiter im Landesinneren eine neue Stadt zu bauen. San Miguel war sich selbst überlassen worden und einzig und allein die enorm massive Bauweise, die hier auf Clermont wegen der allgegenwärtigen Naturkatastrophen notwendig war, hatte verhindert, dass die Geisterstadt mehr war als eine zu Staub zermahlene Erinnerung.
Inzwischen hatte sich die verlassene Ortschaft den Ruf einer bizarren Touristenattraktion erarbeitet, aber es kamen dennoch nur einige Dutzend Besucher im Jahr hier herauf. Abgesehen von dem 250 Mann starken Pionierbataillon, das sich hier vor drei Tagen häuslich eingerichtet hatte und seitdem die Umgebung umgrub.

„Wie viele Löcher müssen wir denn noch budeln? Ich kann den Dreck bald nicht mehr sehen!“, maulte Adrian des Moines.
„So viele, bis der Inhalt der ganzen Kisten da hinten unter der Erde verschwunden ist“, brummte Georges Santander als er eine weitere Mine in das entstandene Loch legte und scharf machte. Die Panzerminen waren vor wenigen Stunden als Teil der hoffentlich letzten Fuhre gekommen, getarnt als Kühl-LKW, der das nahe Neo Miguel versorgen sollte.
Auch wenn die Strategen darauf setzten, dass die Clanner immer noch einen ehrenhaften Kampf suchten, hatten sie Vorsichtsmaßnahmen bei den Vorbereitungen ihrer Aktion getroffen. Vorbereitungen, die sich als notwendig herausgestellt hatten, nachdem am vorigen Tag einzelne Fliegerattacken sie bei ihrer Arbeit zu behindern versucht hatten. Allerdings hatten ein paar wärmegelenkten Flugabwehrraketen dafür gesorgt, dass sich die Clanner schon bald auf Aufklärungsflüge beschränkten und schließlich gar nicht mehr zu sehen waren. Aber die Vorsicht blieb erhalten.
„Wie viele von den Dingern denn noch?“, wollte des Moines dennoch wissen, als er das gefüllte Loch mit Erde bedeckte und glatt strich.
„Drei Dutzend etwa“, meinte der Feldwebel, der zu diesem Zeitpunkt vorbei kam, um nach dem rechten zu sehen.
„Für uns alle oder für jeden von uns?“, fragte des Moines zurück.
„Für alle? Träumen sie weiter!“, spottete der Unteroffizier, „Seien sie froh, wenn wir alle Minen vorm Eintreffen der Battlemechs vergraben haben oder sie dürfen sich auch noch an den Gefechten beteiligen. Ich hoffe, sie haben das Schießen nicht verlernt.“
„Hatte ich noch nie, aber mit dem Armeeprügel sehen wir doch reichlich alt aus, wenn es gegen die Mechs geht.“
„Dann sollten sie sich was einfallen lassen oder schneller schaufeln“, erwiderte der Feldwebel und verschwand wieder.
„Vielleicht sollte der sich auch einen Spaten schnappen anstatt hier dumme Sprüche abzulassen“, brummte des Moines in sich um nicht vom Unteroffizier gehört zu werden.
„Ich denk doch gar nicht dran, mich auf diesen Witzprügel zu verlassen. Mit dem Weichkernschrott machst du ja noch nicht einmal eine Delle in eine Kröte.“, motzte Santander hingegen. Die Verachtung für das bei der Infanterie übliche Sturmgewehr war ihm deutlich genug anzuhören.
„Wenn wir tatsächlich so tief in der Tinte sitzen sollten, dann verlass ich mich doch lieber auf meine alte Kodiak.“, fügte er noch an.
„Ja, ja. Du und deine Kodiakbüchse. Hast du vielleicht noch mehr Geschichten auf Lager?“
„Ich sag dir, mit der .50 BMG reiß ich mehr als mit so einer dämlichen Zeusflinte. Die sollen nur kommen! Dann kann ich endlich mal meine selbst laborierte Munition ausprobieren. Gehärterer und geschliffener Stahlkern im Bleihemd mit Tombakmantel zum Schutz des Laufes ..."
„Hör auf zu schwärmen und schaufel weiter! Bei dir hört sich das ja an wie ein Kochrezept ...", unterbrach ihn sein Kumpel und drückte ihm die Schaufel wieder in die Hand.

Der Feldwebel begab sich hingegen wieder zu seinem Kompanieführer um ihm die Situation zu erläutern.
„Und, wie sieht es da draußen aus?“, wollte Stabsfeldwebel Schneider wissen.
„Sie machen sich", meinte der Feldwebel, „Zwischen 20 und 50 Minen je Gruppe und wir sind mit unserer Aufgabe fertig. Dann hängt es nicht mehr an uns."
„Wie lange? Ungefähr ..."
„Ich würde sagen, bei dem Tempo, das sie immer noch an den Tag legen etwa eine Stunde oder auch etwas mehr.“ Der Stabsfeldwebel schnaufte.
„Dann sollten die Leute sich schon mal ein passendes Schützenloch suchen, denn so wie es aussieht, werden wir dann nicht mehr vorm Eintreffen der Mechtruppe verschwunden sein.“
„Soll uns das jucken? Was die Mechs anstellen, kann uns doch egal sein.“
„Sicher. Aber wenn die Mechs da sind, wird es nicht mehr lange dauern, bis ihre Verfolger ebenfalls eintreffen. Die Stabsleute gehen von maximal 2 Stunden später aus. Sollte das der Fall sein und wir sind am Abrücken, erwischen die uns auf freiem Feld. Was dann mit uns passiert, daran möchte ich noch nicht einmal denken.“
„Toll. Dass wir ein Pionierbataillon sind, wissen die doch sicherlich, oder?“
„Mit Sicherheit. Aber anscheinend gesteht man uns genügend Kampferfahrung zu, um auch mit der Situation fertig zu werden. Also anders herum gefragt: Wo würden sie ihr HQ aufschlagen und wohin würden sie sich verziehen, wenn es hier rund geht?“
„Tolle Frage“, murrte der Feldwebel und schüttelte den Kopf, „Wahrscheinlich würde ich das Hauptquartier in einem der alten Häuser nahe der Kirche aufschlagen. Über den Friedhof können wir uns noch am leichtesten absetzen, vorausgesetzt, dass diese Wahnsinnigen wenigstens die Friedhofsruhe akzeptieren und die Mechs nicht über die Gräber trampeln.“
„Bei den Clannern bin ich mir bei gar nichts sicher. Ich traue ihnen zu, dass sie auch da durchmarschieren. Auf jeden Fall werden wir da hinten bessere Chancen haben, trockenen Fußes raus zu kommen als an einer anderen Stelle der Stadt. Es ist eigentlich schon verrückt, dass die Erbauer dieser Stadt für ihre Toten einen trockeneren Platz ausgesucht haben als für ihre eigenen Häuser.“
„Sofern der Gletscher bricht“, wandte der Feldwebel ein, weswegen Schneider erneut seufzte.
Er hatte sich nicht sonderlich um den Militärdienst gerissen, aber es war ihm nicht erspart geblieben. Dass nicht jeder ein Elitesoldat werden konnte und einen Mech steuerte, war ihm früh bewusst gewesen, erst recht, als er sich nur für eine kurze Dienstzeit verpflichtet hatte. Aber dass das einfache Heer tatsächlich noch immer ein Sammelbecken für die allgemeine Dummheit war, hatte er erst erkennen müssen, als er sich weit genug in der Diensthierarchie hoch gedient hatte, um den nötigen Überblick zu erhalten.
Der Feldwebel schien dafür ein Musterbeispiel zu sein. Schneider fragte sich nur, wie man eigentlich so stupide sein konnte um immer noch nicht zu erkennen, wofür sie bereits vor drei Tagen diesen uralten Leenexreaktor in einem Bohrloch direkt in der Gletscherfront versenkt hatten.
Abgesehen vom Zustand dieses Teils. Der Reaktor war um einen Gutteil seiner Abschirmung gestrippt worden, ein beachtlicher Teil der Sicherheitselektronik fehlte – und das erkannte selbst er, der eigentlich nicht für Arbeiten an Mechreaktoren ausgebildet war – und zu allem Überfluss war die Steuerung auf Fernbedienung umgebaut worden. Im Grunde genommen war dieser Reaktor eine klobige, primitive Atombombe, die einzig und alleine dazu dienen sollte, das Gletschertor in die Luft zu jagen.
Und dieser Feldwebel hatte davor gestanden und es immer noch nicht kapiert. Manche Leute würden eine Bombe noch nicht einmal erkennen, wenn es dick in roten Lettern drauf stehen würde. Und mit sowas musste er nun zusammenarbeiten.
„Versuchen sie einfach nur einen sicheren Standort für das Kommando und unsere Leute zu finden. Sollen die Mechs die Hauptarbeit erledigen. Wir sind bestenfalls dazu da, ausgestiegene Piloten zu bergen oder gefangen zu nehmen.“
„Alles klar“, erwiderte der Feldwebel und verschwand endlich wieder.
Wenn manche Personen einem Dienstunfall erliegen würden, würde kein Mensch mehr nach ihnen schreien. Manche würden es wahrscheinlich sogar als Geschenk an die Menschheit empfinden.

Ulf war bereits seit sieben Stunden im Cockpit und fühlte sich zunehmend genervt. Wie so oft überlebte der Schlachtplan nicht den Kontakt mit dem Schlachtfeld, nur dass ihres noch gar keine Clanner beinhaltete. Ihr Hauptfeind war der Weg nach San Miguel geworden.
Ulf hatte sich bereits früh dazu entschlossen, sowohl die Mechs als auch die Kanonen erst zu einem möglichst späten Zeitpunkt in die Geisterstadt zu verlegen. Je später sie aus Neo Dijon abzogen umso weniger Chancen hatten die Clanner, sich geschlossen auf ein neues, nur noch leicht verteidigtes Ziel zu stürzen während sie weit ab jeder Action im Nirgendwo standen. Um bei ihrem Abzug aber nicht durch die extrem langsamen ‚Long Tom‘-Geschütze aufgehalten zu werden, hatte er sich auch noch eine Anzahl schwerer Transportfahrzeuge ausgeborgt und die Kanonen und ihre Ausrüstung darauf verzurren lassen.
So lange es über asphaltierte Straßen ging, war seine Strategie aufgegangen. In den ersten drei Stunden waren sie 150 Kilometer weit gekommen. Doch jenseits der letzten großen Kreisstadt hatte ihnen die Realität einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auf den Karten waren die Wege in die nördlich gelegenen Siedlungen ebenfalls als Straßen eingezeichnet worden, doch die Realität sah deutlich anders aus. Hier draußen existierten bestenfalls geschotterte Pisten, die durch den Lasterverkehr zunehmend ausgefahren und mit Schlaglöchern übersät waren. Viel mehr als Tempo 30 war nicht drinnen und an jeder kleineren Steigung drohte der Konvoi ganz zum Erliegen zu kommen.
„Wir hängen mittlerweile fast drei Stunden hinter unserem eigenen Zeitplan zurück. Wenn wir noch länger Rücksicht auf die Laster nehmen, kommen wir überhaupt nicht mehr rechtzeitig zu unserem Rendevouz“, beschwerte sich Jakob Eisenblatt in seinem Salamander.
„Wenn wir die Artillerie hier zurücklassen, fehlt uns aber ein entscheidender Aspekt unserer taktischen Planung. Schon vergessen, dass wir die Mistkerle erst mit dem Artilleriebeschuss ins Bachbett scheuchen können?“, hakte Ulf nach.
„Nein, habe ich nicht“, erwiderte ihm sein Kumpan, „Aber ich habe keine Lust, die Mistkerle aus einer besetzten Stadt herauszuschießen. Wir haben wahrscheinlich immer noch bessere Chancen, wenn wir uns wenigstens mit den Mechs in die Stadt einigeln und sie ungezielt in die Minen stolpern lassen. Früher oder später werden sie auch so erkennen, dass im Vergleich zu den Minenfeldern der Marsch durchs Bachbett einer Autobahn mit Standstreifen gleichkommt.“
„Selbst dann bin ich eigentlich nicht gewillt unsere Kanonen aufs Spiel zu setzen. Wenn diese Mistkerle sie hier ohne jede Deckung erwischen, machen sie Kleinholz aus der gesamten Truppe.“, erwiderte Ulf.
„Wenn!“, warnte ihn sein Adjutant, „Über welche Straße sollten sie nach unserer Planung kommen? Nicht über diese! Wie sollen sie herausbekommen, dass wir hier unterwegs sind? Nur durch orbitale Spionage und der Raumhafen sagte in einer seiner letzten Meldungen, dass sich der Miraborg über Neo Dijon aufhält. Wir sind bereits so weit ab vom Schuss, dass sie uns erst entdecken, wenn sie über uns stolpern.
Die Kanonen werden auch ohne uns zurecht kommen, aber wir werden nicht mit diesen Clanfritzen fertig werden, wenn wir hier noch weiter den Babysitter spielen müssen! In dem Zockeltempo brauchen wir noch fünf Stunden nach San Miguel und ich möchte dich daran erinnern, dass die vorgeschlagene Gefechtszeit bereits in etwas mehr als vier Stunden ist. Abgesehen davon, dass ich diesen impotenten Säcken nicht zutraue, dass sie sich an einen von anderen auferlegten Zeitplan halten.“
Ulf seufzte. Leider musste er seinem alten Freund Recht geben. Wenn sie sich auf die Mobilität ihrer Mechs verließen und mit 60 Sachen in Richtung ihres Gefechtsgebietes aufbrachen, konnten sie in etwas mehr als zwei Stunden da sein. Wenn sie die Kanonen auch weiterhin bewachten, würde es fraglich werden, ob sie es überhaupt noch rechtzeitig schaffen konnten. Es sträubte sich zwar immer noch alles in ihm, die Kanonen ohne jede Deckung zurückzulassen, aber würde sich der Notwendigkeit beugen müssen, wenn wenigstens das große Ziel geschafft werden sollte.
„Also gut“, gab er sich geschlagen und schaltete auf die Einheitsfrequenz um.
„An alle! Wir sind zu langsam, wenn wir weiterhin die Kanonen decken. Wir werden den Einsatzplan abändern müssen, um uns die Jadefalken vom Hals zu halten.
Die Mechs werden sich jetzt aus dem Verband lösen und mit 60 Sachen in Richtung unserer Stellung aufbrechen. Achtet auf die Infanteristen vor San Miguel, die uns durch die Minenfelder lotsen werden oder es gibt unnötige Schäden.
An die Artillerie. Ladet die schweren Geräte endlich ab und lasst sie aus eigenem Antrieb fahren. Mit ihrem Kettenfahrwerk kommen die wahrscheinlich deutlich besser vorwärts als wenn wir uns weiterhin mit den Lastern abquälen. Ladet dafür die Anhänger auf und seht zu, dass ihr so schnell wie möglich nachkommt. Euer Zeitfenster wird bereits verdammt eng.
So weit verstanden?“
Ein Chor verschiedener ‚Verstanden‘ erklang und es schien den Lasterfahrern schon fast recht zu sein, nicht permanent auf wuchtige Beine zu ihren Seiten achten zu müssen.
„In Ordnung. Dann Abmarsch“, befahl Ulf, auch wenn es ihm nicht leicht fiel auf ein Kernelement seiner strategischen Planung zu verzichten.

***

Rügels Loch
Dosdoyewskys Insel, Clermont
Melissiatheater, Lyranische Allianz


„Wie weit sind unsere Startvorbereitungen?“, wollte Sternencolonel Brien vom Kommandanten des Landungsschiffes wissen.
„Wir sind startbereit. Wir können aufbrechen, wenn sie es befehlen, Sternencolonel!“, zeigte sich der Skipper diensteifrig.
Selbst wenn er mit seinem riesigen Raumschiff stets außerhalb der eigentlichen Gefechte blieb, so war er doch Teil eines tollkühnen Unterfangens und Mitglied eines stolzen Clans und als solches sich der Tatsache bewusst, was sie hier leisteten.
„Sehr gut“, brummte Brien, blieb aber die entscheidende Antwort schuldig. Er wartete noch auf die letzten Bestätigungen der Techs im Bauch der Landungsschiffe, die die letzten Arbeiten an ihren Mechs als abgeschlossen melden sollten.
„Haben sie schon einen Zielort festgelegt?“, fragte der Skipper nach. Brien hatte sich erneut in Schweigen gehüllt als er die aktuelle Planung in Angriff genommen hatte. Der Landungsschiffkapitän wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, wohin die Reise gehen sollte.
„Pos. Das habe ich. Sie werden ihn erfahren, wenn es so weit ist.“
„Es wäre leichter, wenn wir die Flugkoordinaten schon vorher zur Verfügung hätten. Mögliche Unwägbarkeiten im Gelände oder im Anflug könnten in dem Fall ausgeschlossen werden“, versuchte es der Skipper auf eine andere Weise.
„Captain Hardin, wenn es so weit ist, werden sie es schon noch erfahren.“
„Aye, Sternencolonel“, gab sich der Sternencaptain geschlagen.
Brien blieb schweigsam, selbst wenn er hier, auf seiner eigenen Mission, nicht mehr permanent über die Schulter schauen musste um Angehörige der Wache abzuschütteln. Doch die Geheimniskrämerei dieses seit über zwei Jahren vorbereiteten Angriffs hatte Folgen gezeigt. Er traute eigentlich keinem mehr, den er nicht schon seit Ewigkeiten kannte. Diensteifer konnte gespielt sein, um das Vertrauen zu erlangen. Selbst wenn diese paranoide Vorsicht jetzt, nach Beginn der Attacke, völlig überflüssig geworden war, hatte er sie beibehalten. Er hatte es als vorteilhaft empfunden, wenn andere nicht permanent seine Pläne hinterfragten und er die Angriffsstrategie ohne Belästigungen erarbeiten konnte. Er war der Ansicht, dass es auch sein Ansehen als Stratege steigerte.
„Sie werden bald erfahren, wo sie uns absetzen sollen. Warten sie auf der Brücke auf mein Kommando“, erklärte der Sternencolonel als er die Zentrale verließ. Kaum das er das Deck verlassen hatte, lief er seiner Adjutantin in die Arme, die ihn offensichtlich gesucht hatte.
„Die Techs melden alle Frontmaschinen wieder einsatzbereit und aufmunitioniert. Sie müssen nur noch die Garnisonseinheiten bestücken. Nach jetziger Schätzung nur noch etwas mehr als eine halbe Stunde, dann sind wir wieder einsatzbereit.“, erklärte sie zufrieden.
„Hervorragend“, erklärte der Sternencolonel und machte auf dem Absatz kehrt. Es war die Meldung, auf die er sehnsüchtig gewartet hatte.
Der Skipper staunte nicht schlecht als der Sternencolonel schon wieder bei ihm erschien.
„Wir fliegen in einer Viertel Stunde. Die Zielkoordinate ist das Planquadrat 0046 zu 0152. Suchen sie dort einen geeigneten Landeplatz und lassen sie die Garnisonstruppe zu erst entladen. Im direkten Anschluss sollen die restlichen Maschinen ausgeladen werden. Warten sie am Landeplatz auf weitere Befehle.“, eröffnete Brien endlich einen Angriffsplan.
Der Skipper nickte kurz und ließ seinen Navigationsoffizier die Koordinaten eingeben.
„In einer Viertel Stunde? Die Techs brauchen noch deutlich länger um die Mechs zu bestücken!“, warnte ihn seine Stellvertreterin.
„Dann sollten sie sich anstrengen. Abgesehen davon, das sie auch noch während des Fluges ihre Arbeiten beenden können.“, erwiderte der Sternencolonel ungerührt.
In der Zwischenzeit zeigte sich auf einem nahen Holoschirm eine erste Flugbahn und die angegebene Zielkoordinate. Es wurden auch die beiden Zielpunkte der Angriffe angezeigt, was ein erstes Verhältnis der Wege deutlich machte.
„Sternencaptain Zaturins Truppen werden wesentlich eher ihr Ziel erreichen als wir. Ist das Absicht?“, fragte Shanna.
„Pos. Wir müssen doch den Schein wahren“, erklärte Brien gehässig, „Wenn wir weiterfliegen würden, könnte das die Ortung des Raumhafen mitbekommen.
Abgesehen davon werden wir auch unseren Vorteil daraus schlagen. Zaturin soll die Freigeburten in der Geisterstadt binden und halten, nicht in einem schnellen Schlag vernichten. Je länger er braucht um so eher werden sich die Sphärer in Sicherheit wiegen lassen. Sie werden glauben, ihr Plan würde aufgehen.
Bis wir in Neo Dijon einfallen und sie überrumpeln. Wenn wir die Überraschung nutzen, werden sie noch nicht einmal die Gelegenheit bekommen befestigte Stellungen zu beziehen.“
Auch seine Stellvertreterin schmunzelte. Es würde ein Schlachtfest werden. Sie würden im Blut ihrer Feinde stehen. Sie würden ihre Feinde zerfetzen. Sie würden sich bewiesen haben. Danach würde es außer Frage stehen, dass sie einen Fronteinsatz wert waren. Erst recht, wenn der Jadefalke endlich auch über dieser Welt seine Kreise ziehen konnte.

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15.03.2005 15:22 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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19.

Nahe San Miguel
Sarrazinhalbinsel, Clermont
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23. September 3067


Noch während des Anmarsches hatte Ulf darüber gegrübelt, wie er den Verlust der Artillerie wettmachen könnte, doch auf die Schnelle fand er keine Lösung, dazumal die Umgebung seine volle Aufmerksamkeit forderte.
„Eine schöne Lösung wäre Minenmunition gewesen, vorausgesetzt wir hätten damit gerechnet. FASCAM kommt zwar nicht in Frage, aber wenn ich es richtig gehört habe, hatten die Sprengmeister auch noch ein paar Tonnen Donnermunition in den Regalen liegen.“
„Haben sie nicht“, erwiderte Ulf, „Die hat sich eine Lanze des ersten Bataillons unter den Nagel gerissen. Vermute mal, sie wollen den Clannern den Zutritt zur Stadt gezielt verwehren.“
„Schlecht für uns und wahrscheinlich noch schlechter für Neo Dijon. Bei verminten Straßen werden die Clanner durch die Gebäude marschieren und ohne Minenwerfer werden wir auf eine Artillerie zurückgreifen müssen, die nicht da ist ...", erwiderte Jakob.
„Was hast du da eben gesagt?“, unterbrach ihn Ulf.
„Dass die Kanonen nicht da sind. Meinst du das?“
„Nein! Da war noch was anderes. Ich glaub, ich hab‘ ne Idee, wie wir doch noch aus dieser Zwickmühle rauskommen.“
„Ach wirklich? Und würdest du den Rest der Menschheit auch noch mal an dieser Lösung teilhaben lassen?“
„Du hast Minenwerfer gesagt.“, erläuterte es Ulf, als ob dieser Hinweis bereits ausreichen würde.
„Ja und?“
„Minenwerfer! Minenwerfer sind die Vorgänger von Mörsern gewesen. Mörser! Verstehst du? Die Infanterie besitzt doch noch immer diese simplen Dinger. Wenn ich es richtig weiß, sind sogar so ziemlich alle bei den Pios versammelt! Wir haben vielleicht nicht die dicken Kaliber wie die ‚Long Tom‘ vor Ort, aber zumindest alles, was wir brauchen, um doch noch mit unserem Fahrplan durchzukommen.“
„Wäre viel zu schön um wahr zu sein.“, warnte Jakob seinen Kameraden, doch Ulf hatte längst auf die allgemeine Frequenz des Infanteriebataillons umgeschaltet.

„Haben ihre Männer Mörser dabei?“, fragte Ulf den kommandierenden Oberleutnant.
„Wir sind keine kämpfende Truppe, wir sind ein Pionierbataillon!“, zeigte sich der empört.
„Haben sie oder haben sie nicht?“, wollte Ulf mit Nachdruck wissen. Sein Gegenüber seufzte auf. Er wusste, dass er Ulf Jarren als befehlshabendem Offizier die Antwort schuldig war, auch wenn er sie ihm lieber verweigert hätte.
„Wir haben nur neun schwere Modelle dabei. Kaliber 120 Millimeter. Ansonsten noch etwas mehr als zwei Dutzend leichtere Infanteriemörser.“, gab sich der Oberleutnant geschlagen.
Er hasste diese Dinger. Insbesondere die leichten Mörser waren für den Kampf auf kurze Strecken bestimmt. Einem Kampf, den seine Männer nur in den unwahrscheinlichsten Fällen überleben würden, würden die Clanner mit ihrem Mechs über sie herfallen.
„Sehr gut. Wie es scheint, müssen wir improvisieren, weil unsere Artillerie nicht beikommt. Lassen sie ihre Leute Stellungen beziehen, die dieselben Bereiche wie die Artillerie abdecken.“
„Das gibt ein Massaker“, warnte Oberleutnant Fernandes, „Mit einem Mörser treffen sie doch keine Scheune, wenn sie mehr als 500 Meter weit weg steht! Geschweige denn ein bewegliches Ziel!“
„Sie sollen die Mistkerle nicht treffen, sie sollen sie nur durch schöne große Explosionen davon überzeugen, dass der Weg, den sie sich wünschen, nicht für sie offen steht. Lassen sie den Gletscher die eigentliche Arbeit erledigen.“
„Und was wenn sie sich davon nicht überzeugen lassen?“
„Wissen die Clanner es vielleicht besser? Nein. Verstecken sie die Geschütze nur gut genug, dann werden diese Bastarde glauben, dass sie erneut von den Marksman angegriffen werden, mit denen sie schon am Wasserwerk schmerzhafte Bekanntschaft gemacht hatten.“
„Das wird niemals gut gehen“, seufzte Fernandes auf.
„Tun sie es!“, donnerte Ulf.
„Verstanden“, ergab sich der Oberleutnant der Befehlskette.

„Die Mörser?“, zeigte sich auch der Feldwebel erstaunt.
„Ja, die Mörser. Alle Mörser, die wir haben, um genau zu sein. Sie sollen sie hier, hier und hier eingraben, bis man sie praktisch nicht mehr sieht. Sie sollen die Illusion einer existierenden, schweren Artillerie erwecken, um unsere Mistkerle in die richtige Richtung zu lenken.“
„Warum müssen wir das machen? Ist doch Aufgabe der Artillerie.“, maulte der Feldwebel. Stabsfeldwebel Schneider seufzte innerlich auf. Manchmal wünschte er sich, Figuren wie diesen Unteroffizier wegen lebensbedrohlicher Dummheit standrechtlich erschießen zu dürfen. Wie offensichtlich musste es denn noch werden, dass die Artillerie nicht mit den Mechs mitgekommen war, die die Stadt vor wenigen Minuten erreicht hatten?
„Jetzt ist es unsere.“, erklärte er stattdessen so lakonisch wie möglich.
„Super. Und ich dachte, ich könnte mir das Spektakel aus einer der Hütten ansehen“, murrte der Feldwebel.
Schneider musste sich beherrschen, um nicht doch noch zur Pistolentasche zu greifen.
„Führen sie einfach meinen Befehl aus.“, gab er sich der Mensch gewordenen Borniertheit geschlagen.
„Und sagen sie den Leuten, dass sie sich ihre Schützenlöcher schnell graben sollten. Die Clanner sind wahrscheinlich in weniger als 90 Minuten da.“
„Super. Einfach super.“, schmollte der Feldwebel, als er einen Gruß andeutete und das improvisierte Hauptquartier verließ. Schneider schüttelte nur den Kopf, wusste aber zumindest schon mal einen Spitzenkandidaten, der die Einweisertätigkeit an vorderster Front übernehmen könnte.

„Ich find es immer wieder toll, was sich unsere Führung noch für uns einfallen lässt. Zu erst lassen sie uns Löcher buddeln, bis man Schwielen an den Händen hat. Dann ... lassen sie einen noch nicht mal in Ruhe essen, auch wenn einem nach 12 Stunden Buddelei der Magen bis sonst wohin knurrt. Und das wofür? Damit man sich auch noch sein eigenes Grab schaufelt!“, ärgerte sich Adrian des Moines, als er stetig weiter sandige Vulkanasche über den Rand seiner Grube schaufelte.
„Na und? Was willste machen? Wenn es den Herren ganz oben gefällt, dürfen wir hier unten schaufeln. Bezweifel zwar ebenfalls, dass das einen Sinn macht, aber lieber liege ich in einem schönen tiefen Schützenloch, als meinen Hintern dem Feind zum Beschuss anzubieten, also grab weiter.“, stoppte sein Kumpan die Hasstirade.
„Was soll der Mist?!“, fluchte der stattdessen aufs Neue, „Mit dem kleinen 71-mm-Mörser machst du doch kaum einen Delle in einen Mech rein!“
„Stimmt mit Sicherheit, aber wenn nicht wir, wer sonst? Oder hast du irgendeine Kanone an uns vorbei rollen gesehen?“, fragte George Santander zurück.
„Ach Scheiße, Mann!“, platzte die Wut aus dem kleineren des Moines heraus, „Wir stecken hier zwischen allen Fronten! Vor uns diese wahnsinnigen Clanfritzen, hinter uns die eigenen schweren Jungs und fast rund um uns die Minenfelder. Ich hab noch nie so tief im Dreck gesessen!“
„Haben sie nicht, sollten sie aber“, warnte ihn der Feldwebel, der ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wieder bei ihnen auftauchte, „Sie sollten tiefer graben. Mindestens einen Meter tief, damit sie den Mörser aufstellen können. Außerdem müssen sie selbst noch in das Loch passen und das alles muss in 45 Minuten stehen. Also hoppa, hoppa, Schaum vorm Mund.“
„Ja, Herr Feldwebel“, zischte Adrian als er eine weitere Schaufel Sand, Steine und Vulkanasche gezielt ungezielt in Richtung des Vorgesetzten aushob.
„Sollen wir vielleicht auch noch eine Treppe hinein oder hinaus schaufeln, wenn es genehm ist?“, lästerte der Hauptgefreite.
„Wenn sie noch die Zeit dafür finden, ist das ihre Sache. In 40 Minuten will ich hier eine fertige Mörserstellung sehen. Was sie noch an Verschönerungen dazu bauen oder lassen, ist ihre Sache“, erklärte der Feldwebel.
Adrian nickte nur und hoffte, dass sein Vorgesetzter so schnell wie möglich verschwand. Ihm mit Ironie zu begegnen, half nur das eigene Gemüt zu kühlen. Die darin untergebrachte Kritik perlte effektfrei am Feldwebel ab.
„Schade, dass der nicht in einen der Mörser passt!“, zischte Adrian als er sicher war, dass der Unteroffizier nicht mehr zuhörte, „Aber wahrscheinlich wäre er nach der Ares-Konvention als biologisches Kampfmittel verboten.“
„Weißt du was? Das ist mir absolut wurscht“, raunte ihm sein schaufelnder Kumpel zu und blickte nur kurz auf, „Egal, was wir anstellen, wir sitzen hier mit dem Hintern im Dreck. Und wenn ich schon hier draußen auf die miese Nummer warten muss, dann will ich das wenigstens so sicher wie möglich, also so tief wie möglich. Also grab weiter und sieh zu, dass du an Tiefe gewinnst!“
„Und weiter? Hast du es immer noch nicht gefressen, dass wir hier die ersten sind, die die Hucke voll kriegen werden?“
„Das hab ich verstanden. Das hab ich sehr wohl verstanden. Aber was glaubst du wohl, wieso ich möglichst nahe am Kirchhof meine Stellung bauen wollte? Wenn die Scheiße vor unserer Nase überkocht, können wir uns über die Gräber noch am besten absetzen. Jedenfalls besser als die Bubis vom 3. Zug. Die stecken richtig in der Tinte.“
„Es bleibt der letzte Dreck. Unter den Umständen können wir froh sein, wenn wir die ersten paar Minuten überleben!“
„Ich will weiß Gott noch länger am Leben bleiben. Ich will diese Säcke meine Kodiak kosten lassen.“
„Du und deine Kodiak...“

„Wie sieht es aus?“, wollte Oberst Monair wissen, als er über eine Direktleitung die Luftüberwachung des Raumhafens anfunkte.
„Bisher alles ruhig. Wenn sie nicht im Tiefstflug durch einen Canyon oder eine Bergkette fliegen, werden sie sich verspäten. An der empfohlenen Landekoordinate jedenfalls noch keinerlei Kontakt.“
„Je länger sie auf sich warten lassen, um so besser für uns“, seufzte Monair auf.
Er hatte dennoch seine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen um einem Überfall der Clanner direkt auf die Hauptstadt Clermonts zu vereiteln. Nachdem das 2. Bataillon die Stadt verlassen hatte, hatte er alle Straßen verbarrikadieren lassen und die wichtigsten mit Infanteriegeschützen bestücken lassen. Die Mechs, die ihm noch verblieben waren, waren in verschiedenen Stellungen in der Stadt ‚geparkt‘ worden und die Piloten der Luft-/Raumjäger saßen in ständiger Alarmbereitschaft in voller Fliegermontur in ihren Warteräumen.
Der Kampf konnte beginnen, doch keinem wünschte der Alte den direkten Kontakt. Insbesondere nicht Hauptmann Jarren, der in einer kurzen Meldung seine Schwierigkeiten mit der Artillerie bekannt gegeben hatte. Für ihn war jede Minute, die die Clanner später kamen, eine gewonnene Minute und eine Möglichkeit ihre Planung doch noch in die Tat umzusetzen.
„Melde Kontakt!“, wurde der Oberst genau in diesem Moment unterbrochen, „Zwei große Objekte nähern sich alternativer Landeposition 2 bei Koordinate 046 zu 151. Kontakt mit hoher Wahrscheinlichkeit Landungsschiffe.“
„Die beiden Overlords “, sinnierte der Oberst. Es begann.
„Weitere Kontakte?“, fragte er nach.
„Nein. Keine weiteren Kontakte auszumachen.“, erwiderte der Radarbeobachter. Monair fragte sich, wo die Jäger abgeblieben waren. Oder hatte der Clanner tatsächlich darauf gesetzt, dass sie freies Geleit zur Keilerei bekamen?
„Ist der Miraborg noch immer im Orbit?“, wollte er vorsichtshalber wissen.
„Ja, ist er“, wurde ihm bestätigt, „Allerdings ist er in den letzten Stunden kontinuierlich gesunken. Höhe liegt mittlerweile bei nur noch 125 Kilometern. Keinerlei weitere Kontakte aus seiner Position.“
Monairs Nackenhaare kribbelten, wenn er daran dachte. Es stank ihm einfach viel zu sehr, dass der Jägertender nicht zum festgesetzten Konflikt aufgebrochen war. Dort hätte er mit seinen Jägern ganz fürchterlich wüten können. Dort hätte er wichtige Luftaufklärung betreiben können, doch nichts derartiges geschah. Statt dessen stank es geradezu nach einem Überraschungsangriff auf die Hauptstadt. Doch seine Leute waren bereits in erhöhter Alarmbereitschaft. Alles darüber bedeutete Feindkontakt.
„Wie lange werden sie von ihrer jetzigen Landeposition aus brauchen um San Miguel und wie lange um Neo Dijon zu erreichen?“, wollte er von der Ortung wissen.
„Hängt von deren Vorankommen ab ..."
„Geben sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 54 Kilometern in der Stunde an.", fuhr der Oberst dazwischen. Er schätzte den Kraken als langsamste Einheit ein und egal wo sie auftauchen würde, sie würde das Vorankommen der restlichen Truppe beeinträchtigen.
Nur wenig später wurden die neuen Daten auf seinem Sekundärschirm eingespielt. Nach San Miguel würde es noch immer knappe anderthalb Stunden, nach Neo Dijon sogar drei oder mehr dauern.
Es begann. Aber es begann langsam.
„Machen sie eine Meldung an Hauptmann Jarren. Er soll wissen, dass sein Besuch da ist.“
„Verstanden“, kommentierte die Ortung und schaltete auf eine andere Frequenz um.
Oberst Monair fragte sich nur, wieso die Clanner so weit der ihnen zugewiesenen Landeposition herunterkamen. Einen wirklichen taktischen Vorteil schienen sie seiner Meinung nach nicht aus diesem Schachzug ziehen zu können. Aber in diese Wirrköpfe konnte er nun mal nicht hineinsehen.

„Hast du da hinten diesen Feuerschein gesehen?“, fragte Leutnant Rolf Maiers seinen Fahrer.
„Klar habe ich“, erwiderte der und behielt den Blick auf jene Stelle, an der sich das Leuchten eben noch gegen den hellen Nachmittagshimmel abgezeichnet hatte.
„Was schätzen sie?“, fragte der Leutnant.
„Ich schätze nicht, aber ich rate mal. Ich rate mal, dass es die Landungsschiffe der Clanner waren. Und wo die sind, sind deren Mechs mit Sicherheit auch nicht mehr weit.“
„Stimmt. Und wie weit war das von unserer jetzigen Position entfernt?“, wollte der Leutnant wissen.
„Wenn ich schätzen muss, würde ich sagen knappe 50 Kilometer. Mehr als die zwei leuchtenden Punkte habe ich nicht gesehen.“, erwiderte ihm der Fahrer.
„Dann brauchen wir mit unseren lahmen Pötten also noch schlappe 2 Stunden bis dahin“, erwiderte der Leutnant und dachte an den Konvoi schwerer Geschütze, die seiner ‚Long-Tom‘-Lafette folgten.
„So sieht es aus.“
„Und wie lange noch nach San Miguel?“, hakte der Offizier nach.
„So wie das jetzt vorangeht, wahrscheinlich zu lange. Ich würde sagen zwei, vielleicht sogar drei Stunden. Wenn die sich nicht mit irgendwelchen Lastern, Schwebern oder sonstigen Fahrzeugen aufzuhalten haben, wie es doch für Clanner üblich sein sollte, würde ich sagen, dass in etwas mehr als einer Stunde in San Miguel die Luft brennt. Bis wir ankommen, können wir nur noch die Asche umgraben.“, erklärte der Fahrer.
Leutnant Maiers rümpfte angesichts dieser Prognose die Nase, aber so schlimm sie war, sie war zutreffend. Beschämt und wütend über das langsame Vorankommen ihrer eigenen Einheit sah er auf den Schirm vor sich, der zu einem Navigationssystem gehörte. Vor ihnen lag das, was auf dem Display hochtrabend als Straße eingezeichnet war, eine üble Schotterpiste mit reichlich Schlaglöchern. Breit zwar, aber kein Vergleich mit dem grauen Beton, den die Karte vorgaukelte.
Aber wenn er auf die Karte sah und die Gegend damit abglich, dann erkannte er, dass es noch schlimmer kommen konnte. Die nächsten 45 Minuten würden sie sich in einer sanften Schleife auf Neo Miguel zubewegen und dann erst in die alte Geisterstadt abbiegen. So lange liefen sie mehr auf die wahrscheinliche Position der Landungsschiffe zu als auf ihr eigentliches Ziel.
Mürrisch sah er zu den noch weit entfernten Bergen des Lavernemassivs auf, vor dem die Schiffe heruntergekommen sein mussten. Irgendwo dort standen diese Bastarde. Irgendwo standen diese riesigen Eier wie ein verlockendes Ziel. Sie standen ...
Wichtig war für ihn in diesem Augenblick, dass sie noch dort standen. Er hatte keine Lichtblitze gesehen oder vielleicht auch die langen Feuerschweife der erneut gestarteten Lander.
Konnte es vielleicht sein..?
Nein, das war viel zu schön um wahr zu sein. Dennoch. Wenn sich ihnen die Gelegenheit bot, dann würden sie sie auch nutzen.
„Jakimow!“, rief er seinen Richtschützen über das Bordsystem, „Jakimow, hast du die landenden Dickschiffe gesehen?“
„Sicher habe ich das!“, versicherte ihm sein wichtigster Mann.
„Sehr gut. Hast du auch gesehen, wo genau sie runtergekommen sind?“
„Nicht genau, aber genau genug, um nicht völlig daneben zu liegen“, erwiderte sein Mann.
„Gut! Dann behalte ihre Landungsstelle im Auge und sag mir, falls sie abhauen sollten. Ach ja, abgesehen davon: Wenn könntest du, falls uns die Clanner ein Geschenk machen wollten, am ehesten als Einweiser ausgliedern?“
„Wen? Vielleicht Marie Sophie Satieré. Aber dafür müssten wir sie erst mal vor Ort schaffen.“
„Lass das nur meine Sorge sein und bete, dass es sich diese Clanner da drüben gemütlich machen wollen.“, erwiderte der Leutnant und dachte mit einem breiten Grinsen an Neo Miguel. Wo genügend Leute wohnten, gab es zumindest eine Werkstatt und in den meisten Fällen gab es dort, wo eine Werkstatt war, auch einen Fahrzeughändler, der ihnen sicherlich mal für den Einsatzfall mit einem deutlich schnelleren geländegängigen Vehikel aushelfen konnte.
Er würde es den Clannern schon noch zeigen, wenn sie ihn nur ließen.

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20.

San Miguel
Sarrazinhalbinsel, Clermont
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23. September 3067


Ulf hatte die Meldung über die Landung der Clanner erhalten und seine Truppen auf das Eintreffen der Feinde vorbereitet. Jeder stand an einer Stelle, von der er aus mit der ihm zur Verfügung stehenden Bewaffnung den größtmöglichen Schaden zu verursachen versprach.
Aber sie hatten alle gewusst, dass es von der Alarmierung bis zum realen Feindkontakt noch eine ganze Weile dauern würde. Lediglich die Erwartungen über das wie lange schwankten.
„Was meinst du, wie werden sie angreifen? Sondieren und zurückfallen oder frontal auf ganzer Breite angreifen?“, wollte Jakob Eisenstein wissen.
„Ich vermute schon, dass sie den einen oder anderen Späher vorschicken, aber es kann natürlich auch genauso gut sein, dass sie sich breit gefächert aufstellen, um unsere Stellung von möglichst vielen Seiten her zu bedrohen. Was auch immer kommt, hier beißen den ersten die Hunde.“, erwiderte Ulf und hielt stets ein waches Auge auf den Radarschirm. Eine Tätigkeit, die er schon seit er einer halben Stunde aufrecht erhielt.
„Froschauge 1 an Wels, melde Feindkontakt!“, ertönte es nur wenig später über die allgemeine Kommleitung. Gemäß alter Traditionen sprach man sich im Feld über Decknamen an. Allerdings musste Ulf sagen, dass die Codenamen, die sich der Oberleutnant stellvertretend ausgedacht hatte, nicht besonders viel Kreativität vermuten ließen. Die Mechs hatten seltsamerweise alle die Namen von Fischen, die Infanterie die von Kröten, Fröschen oder sonstigem Getier in Teichen und Tümpeln. Außerdem waren die Namen so gewählt, dass die einfachen Gemüter auch gleich wussten, an wen sie sich zu wenden hatten, indem die wichtigsten Einheiten die Namen der größten Tiere trugen. Seinem Zeus und seinem Rang im Feld entsprechend, hatte er den Namen des größten Räubers im Teich verpasst bekommen.
„Wels hört“, erklärte Ulf und wartete auf Antwort.
„Feind kommt über die Ostflanke der Berge. Sind das viele“, wurde gemeldet. Mit einer solchen Angabe konnte Ulf herzlich wenig anfangen.
„Froschauge 1! Präzisere Informationen.“
„Jawohl, Herr Kommandant“, erwiderte der Späher.
Ulf schüttelte nur den Kopf. Man hätte ihn genauso gut mit Namen ansprechen können.
„Also von meiner Position aus kommen sie von 11 nach 4 gezogen. Mittlere Marschgeschwindigkeit.“
Ulf versuchte diese Informationen zu verarbeiten und rief auf seinem taktischen Monitor die Umgebungskarte zusammen mit der letzten Position des Spähpostens auf. Er konnte nur hoffen, dass sich der Späher an das Schema der Ausrichtung auf das Hauptlager hielt, denn ansonsten waren auch diese Daten umsonst.
Eigentlich fand Ulf es bedauerlich, dass die Infanterie noch immer so wenig Ansehen genoss, dass man ihnen noch nicht mal ein ordentliches Peilsystem mitgab. So waren sie nun schon seit Jahrhunderten gehandicapt und je weiter die Entwicklung von Waffen, Panzern und Mechs fortschritt, um so schlimmer wurde diese Diskrepanz in der Einsatzeffektivität.
Wenn er nun vom Posten des Spähers aus die Marschrichtung eingab und mögliche Abweichungen in der Beobachtung mit einkalkulierte, dann konnte er ein Feld triangulieren, in dem die Clanner auf seine Linie treffen würden. Momentan sah es nach einem schrägen Angriff frontal auf das ehemalige Zentrum von San Miguel aus. Doch die versetzte Anmarschlinie ließ genug Spielraum für Spekulationen. Genauso die angegebene Marschgeschwindigkeit, auch wenn er dabei von etwa 40 bis 50 Kilometern in der Stunde ausging.
„Weitere Informationen!“, forderte Ulf.
„Was wollen sie denn?“, fragte der Späher zurück. Ulf fragte sich, mit was für einem Typ er es da zu tun hatte.
„Zum Beispiel Anzahl, Gewichtsverteilung, Typen, Kröten ja oder nein und andere Besonderheiten!“, raunzte er den Aufklärer daher an.
„Oh ... äh ... ja, Herr Kommandeur.“, bat der Späher um Entschuldigung.
Nenn noch meinen Namen und du machst es perfekt, dachte sich Ulf und ließ der Dummheit ihren Lauf.
„Also ich sehe hier einen Haufen Mechs, keine Panzer. Ungefähr 20 Mechs. Moment, was issen das da hinten drauf? Igitt. Sie bringen Kröten mit! Ich sehe auf vier oder fünf Mechs Kröten reiten ...“
„Also ein ganzer Stern von diesem Schmutz“, brummte Ulf, „Sonstiges, was sie erkennen können? Mechtypen vielleicht?“
„Moment, bin noch an der Identifizierung.“, brummte der Posten und ließ sich ein wenig mehr Zeit.
„Also ich sehe da alleine etwa ein halbes Dutzend Hellhounds , außerdem noch ein paar Vixen , einen Baboon und einen Kraken ..."
„Sieh an, unser persönlicher Liebling ist also wieder dabei“, rief Jakob dazwischen. Die ganze Meldung ließ bisher darauf schließen, dass sie es mit derselben Bande zu tun bekamen, die sie schon am Stahlwerk gestellt hatten.
„Keine Frontmechs dabei?“, fragte Ulf nach.
„Doch, Herr Kommandeur, ein paar sind dabei. Auf Anhieb erkenne ich einen Mad Cat mit Kröten, einen Uller und einen Dasher . Aber da sind auch noch ein paar Modelle, die ich noch nie gesehen habe. Könnte sich also um einen Stern Frontmaschinen handeln.“
„Könnte aber auch sein, dass die diese Maschinen als persönliche Maschinen zusammen mit ihrem Piloten in die Garnison abgeschoben wurden.“, warnte Jakob, „Es scheint mir ein wenig zu ungewöhnlich, dass sie drei bis vier Sterne Garnison mit einem Frontstern mischen. Zumal die Kröten doch für gewöhnlich nicht wahllos auf irgendwelche Mechs geklettert sind.“
„Könnte sein.“, brummte auch Ulf. Ihm schien es wahrscheinlicher, dass die Clanner für die Verluste beim letzten Mal ihre Reserve mit ins Feld geschickt hatten. Dennoch bedeutete es viel Ärger für seine Truppen. Schon der Kraken und der Mad Cat waren harte Brocken und die Kröten konnten unter den Infanteristen wüten wie es kein Mech vermochte.
„Was sind das für unbekannte Mechs, die sie da sehen? Beschreiben sie sie.“, wollte er statt dessen lieber wissen, als sich auf dem Schlachtfeld unangenehm überraschen zu lassen.
„Also ich sehe da vier Maschinen, die ich nicht sofort zuordnen kann. Der erste hat was von einem unserer Rifleman . Humanoid, zweibeinig, zwei Kanonenarme und eine große Schüssel über dem Kopf.“
„Ein oder zwei Läufe pro Arm?“, fragte Ulf besorgt.
Alleine gemäß den Daten die er kannte, war ein Rifleman IIc die pure Hölle.
„Nur ein großer“, erwiderte der Spähposten.
„Wahrscheinlich ein Galahad “, erkannte Jakob recht schnell und auch Ulf fühlte sich an den unangenehmen Kontakt in der Mine erinnert. Sie hatten alleine an so ein Miststück zwei ihrer Maschinen verloren.
„Der nächste, den ich nicht kenne, ist ebenfalls humanoid, ziemlich groß und wirkt ziemlich massiv. Kantige Kontur, aber kaum offensichtliche Waffen. Moment. Raketenlafette überm Kopp und im linken Torso. Dazu noch Drehlaufgewehre auf den Schultern. Das scheint ein Infanteriekiller zu sein!“
„Kannst du was mit der Beschreibung anfangen?“, fragte Ulf seinen Freund, aber der blieb genauso ratlos.
„Das könnte vielleicht eine Beutemaschine sein, die sie von irgendeinem anderen Clan gezogen haben. Die Clans sind sich doch selbst untereinander alles andere als grün.“
„Könnte sein, aber das hilft uns immer noch nicht bei der Bestimmung von dessen Fähigkeiten weiter.“
„Ich weiß. Aber ich blätter mal die Dateien durch, vielleicht ergibt sich noch was.“, wandte sich Jakob seiner Arbeit zu.
„Und die anderen Maschinen?“, fragte Ulf wieder den Spähposten.
„Das hab ich ja noch nie bei den Clannern gesehen. Ein vierbeiniger Mech! Recht flache Kontur.“
„Da könnten wir schon eher Glück haben“, rief Jean Bruno aus seinem Axeman dazwischen. Ulf wusste von ihm, dass er sich leidenschaftlich für die Identifikation von Mechs und ihren Schwächen beschäftigte. Eine geradezu lebenswichtige Aufgabe, wenn man in einem Mech saß, der seinem Gegner fast immer direkt gegenüber treten musste.
„Dann schieß mal los.“, ließ Ulf ihn gewähren.
„Sind Waffen an dem Mech offensichtlich?“, wollte der von Gatineau stammende Pilot wissen.
„Ja ...“, antwortete der Späher nach einigem Zögern, „Ich sehe eine Kanone und einen Aufbau, der anscheinend Raketen enthält.“
„Eine Autokanone oder eine Energiewaffe?“, hakte Bruno nach.
„Scheint mir mehr zu ..ner Energiewaffe zu gehören“, erwiderte der Späher. Wie sich herausstellte, wurde der Empfang in letzter Zeit schlechter.
„Das dürfte eine Stalking Spider sein!“, erwiderte Bruno triumphierend, „Hätte nicht gedacht, dass sie uns so was entgegen schicken. Soll angeblich nicht die Norm sein bei den Jadefalken. Mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Beutemaschine.“
„Lassen wir die Details für später“, warnte Ulf, dem das zunehmende Rauschen in der Verbindung nicht entgangen war.
„Der letzte, den ich nicht kenne, ist wieder humanoider, scheint leichter als die anderen beiden großen Brocken zu sein und hat ein Grinsen wie ein Piranha.“
„Ein Piranha ?“, fragte Ulf entsetzt, als er an die Pioniere dachte. Dieser leichte Mech, der eigentlich genauso untypisch für die Jadefalken wäre, war mit seinem Dutzend Maschinengewehren geradezu dazu gedacht, feindliche Infanterieverbände auszulöschen.
„Nein, kein Mech. Ich meinte den Fisch. Das Ding grinst wie der Fisch ... An Waffen kann ich ...e gewehrartige Waffe am ... und einen Raketenwerfer am anderen sehen. Dazu thront noch eine Raketenlafette auf der Schult...“
„Ist gut Froschauge 1!“, unterbrach Ulf und brachte noch eine letzte Frage, bevor der Kontakt ganz abriss.
„Wie lange bis sie da sind?“ Er wartete auf Antwort, doch das Rauschen überlagerte die Kommunikation. Er stellte diese Frage noch drei Mal, doch dann musste auch er einsehen, dass ein feindliches ECM die Kommunikation abgeschnitten hatte.
„Vorschläge, mit wem wir es zu tun haben?“
„Also bei dem schweren Pott könnte es alles von einem Clanatlas bis zum Peregrine sein.“, rätselte Jakob noch immer.
„Nein, wahrscheinlich nicht“, erwiderte Jean erneut, „Die Maschinengewehre auf der Schulter. Das passt nicht zu einem Atlas . Und der Peregrine ist ein rund gelutschtes Ding. Der Aufklärer sagte, dass der da kantig ist. Wird also weder noch sein.“
„Besserer Vorschlag?“
„Faktisch nein. Wahrscheinlich eine Beutemaschine aus irgendeinem anderen Clan, die wir bisher noch nicht gesehen haben.“
„Also äußerste Vorsicht, wenn der kommt.“, vermutete Ulf.
„Würde ich genauso sehen“, erwiderte sein Spezialist.
„Am besten wir nehmen ihn sofort mit konzentriertem Feuer aufs Korn, wenn wir ihn erwischen.“, forderte Ulf daher
„Verstanden“, erklärte Bruno als erster, behielt aber dennoch im Chor das Wort.
„Für den letzten beschriebenen habe ich mittlerweile auch ein wahrscheinliches Muster identifiziert. Es könnte sich um einen dieser nagelneuen Spirits handeln. Wir haben noch kein vollständiges Modell bergen können, können daher auch kaum sagen, was der Mistkerl kann, aber wir gehen davon aus, dass es sich um einen leichten Aufklärer handelt."
„Mit einer schweren Energiewaffe im einen Arm und zwei Raketenwerfern? Da setz ich aber nicht drauf“, warnte Jakob.
„Ich auch nicht“, drückte auch Ulf seine Besorgnis aus.
„Also, wie sieht deine Strategieplanung jetzt aus?“, fragte er statt dessen seinen Kumpan als er auf einen anderen Kanal umschaltete.
„Ich sehe mir gerade an, was unser Frontreporter alles rübergeschickt hat.“, murmelte Eisenstein, „Also wir haben da fast ausschließlich die Garnisonsklasse. Robust, langlebig, zähe Kämpfer aber nicht mit dem wahnsinnigen Punch, den andere Frontmaschinen liefern. Dazu ein Übergewicht in der mittleren Gewichtsklasse. Wohl noch einen ganzen Haufen leichte und ein paar schwere. Dazu zu allem Überfluss die Kröten, also mehr als genug um hässlich zu werden.“
„Das ist zwar eine schöne Truppenbeschreibung, sagt aber nichts über ihr Vorgehen aus.“
„Nein und vielleicht doch.“, warnte ihn sein Kumpel, „Sie haben genügend Sprinter dabei um uns erst einmal zu sondieren. Vergiss nicht, dass auch die Hellhounds verflixt schnell sind. Aber ich vermute, dass sie, nachdem sie unsere Stellungen erkundet haben, mit dem ganzen Haufen Hellhounds kommen um uns festzunageln und im Anschluss die schweren Bubis kommen, um uns den Rest zu geben. Die Kröten leben hier in den Gassen erst richtig auf.
Ich muss sagen, die haben sich gut vorbereitet.“
„Dann hoffe ich, dass wir uns noch besser vorbereitet haben.“, grollte Ulf und sah auf die taktische Karte.
Der Bordcomputer berechnete auf Basis von Geschwindigkeitsangabe und Bewegungsrichtung eine Ankunftszeit. Die Angabe wurde als Countdown angezeigt und die Uhr tickte.

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23.03.2005 15:52 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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21.

San Miguel
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23. September 3067


Sternencaptain Zaturin sah auf die Missionsuhr, die permanent in seinem Cockpit tickte. Sie lagen bisher mehr als zehn Minuten hinter ihrem vorgesehenen Missionsplan zurück.
Das war gut, besser als er erwartet hatte.
Zaturin würde sich nicht vor einem Kampf drücken, aber die Art von Kampf, die ihm befohlen worden war, schien ihm ehrlos. Eine Schlacht, wie man sie vielleicht auf dem Spieleplaneten der Inneren Sphäre abgehalten hätte.
Sie sollten ihre Gegner binden. Sie sollten sie hinhalten. Sie sollten mit ihnen spielen wie die Katze mit der Maus. Aber sie sollten sie nicht wie Jadefalken vernichten. Eigentlich fand er es geschmacklos, dass sie auf solche Mittel zurückgreifen mussten, um das höhere Ziel – die Eroberung des ganzen Systems – zu erreichen.
„Stern Delta meldet Position erreicht. Erwarte ihren Einsatzbefehl“, meldete sich endlich auch Sternencaptain Nern, der die äußerste linke Flanke seiner Formation übernommen hatte.
„Verstanden“, erwiderte Zaturin und sah sich noch einmal die Umgebung an.
Das flache, niedrig bewachsene Land wurde nur durch die an einem niedrigen Hügel liegende Geisterstadt gestört. Nirgends war größere Deckung zu finden, ausgenommen in der Stadt selbst. Alles wirkte friedlich, insbesondere da kein einziger Feindmech zu sehen war.
Doch schon heute nacht würde dieses unschuldige, flache Land einer Mondlandschaft gleichen und das nur, weil diese Surats es nicht verstanden, sich wirklich ehrenvoll einem Kampf Mann gegen Mann zu stellen. Es war etwas, was die Wut im Sternencaptain anheizte. Eine ehrliche Wut. Eine Wut, die ihn im Kampf beflügeln würde.
Sorgsam schaltete er auf die allgemeine Frequenz seiner Einheiten um.
„Der Angriff beginnt ... jetzt! Muster nach besprochenem Plan Alpha.“, erklärte er, als die Digitalanzeige gerade eine Minute weiter sprang.
Der Kampf hatte begonnen und wenn es nach ihm ging, würde schon nach wenigen Minuten sicher sein, wer als Sieger daraus hervorging, auch wenn er schon jetzt keinen Zweifel daran hegte.

„Sie kommen langsamer als erwartet.“, brummte Ulf, der die Clanner seit ein paar Minuten auch auf den eigenen Sensoren angezeigt bekam.
„Hast du Sehnsucht?“
„Ich bin zumindest die Warterei Leid. Wenn die sich noch länger am äußersten Sensorenrand herumdrücken, wird es dunkel. Ich bin nicht auf einen Nachtkampf versessen.“
„Ich glaube nicht, dass sie sich nach deinen Wünschen richten werden“, wandte Jakob ein. Aber um diesen bedauerlichen Umstand wusste auch Ulf. Sein Blick wanderte wieder in Richtung der Sensoren. Bewegung deutete sich an.
„Na endlich. Sieht aus, als würde sich endlich mal was tun.“, brummte er, als sich eine Reihe von Punkten vom Rest absetzte.
„Jap. Sind die leichten Aufklärer, die die Lage checken sollen.“, erkannte Bruno, der sich lieber auf seine optischen Sensoren verließ.
Auch Ulf erkannte es, als er auf den nächstbesten Clanner zoomte. Es war ein Vixen , der im vollen Galopp übers Feld preschte. Begleitet wurde diese Maschine von einer ganzen Reihe leichter Maschinen, die auf einer Breite von 500 Metern anmarschierten. Mit annähernd zwei Kilometer zum Ziel waren sie allerdings noch weit außerhalb jeder Feuerreichweite.
„Der erste Zug also. Schwarzer Bauer auf E4“, brummte Ulf. Er schaltete auf die Standardeinstellung zurück um das gesamte Vorfeld im Blick zu behalten. Wie er erkannte, waren nur die leichten Mechs mit hohem Tempo gestartet, wahrscheinlich um einen Weg und mögliches Feindfeuer frühzeitig zu entdecken. Die schwereren Maschinen hielten sich noch zurück und folgten den Leichtgewichten in respektvollem Abstand.
Aber sollten sie nur ihre leichten Maschinen zu erst verheizen, dann würden Ulf und seine Leute weniger Probleme mit ihnen haben.
Mittlerweile hatten die Falkenkrieger ihr Angriffsmuster geändert. Sie kamen nun in kleinen Schüben, sondierten immer wieder das Gelände, um dann wieder Boden in Richtung der Stadt gut zu machen.
Doch damit hatte auch Ulf gerechnet, als er seinen Schlachtplan ausgearbeitet hatte. Er hatte speziell für diesen Fall Vorbereitungen treffen lassen. Fragte sich nur, wann endlich seine erste Rechnung aufging.
Vor ihm marschierten die Feinde immer weiter in Richtung der Stadt und nichts schien sie aufhalten zu wollen.
Bis unter den Füßen des einzelnen Dashers eine Mine explodierte. Urplötzlich brach Erdreich unter dem rechten Bein des Mechs auf, bildete eine pilzförmige Wolke, aus der eine kurze Stichflamme aufloderte. Dem nur minimal gepanzerten Mech wurde durch die Druckwelle der Fuß abgerissen und der Aufklärer stürzte hilflos zu Boden.
„Überraschung“, flüsterte Ulf zufrieden als der leichte Mech eine Furche in den Boden zog. Damit wussten die Clanner zumindest schon einmal, dass man ihnen das Betreten der Stadt nicht so leicht machen würde, wie die es sich vielleicht gedacht hatten.
Aber nun war es auch für die eigenen Leute an der Zeit, das Geschick in die eigenen Hände zu nehmen.
„Weißer Springer auf C3“, gab er seine Order.
Damit durften auch die Pioniere beweisen dürfen, dass man nicht nur mit Battlemechs eine Schlacht gewinnen konnte.

„Minen!“, schrie Mechkrieger Chasney als er seinen ramponierten Mech wieder auf die Beine stellte.
Die anderen Aufklärer waren fast sofort zum Stillstand gekommen und sondierten das Gelände direkt vor ihnen sorgfältig, in der Hoffnung die Sprengfallen vorzeitig auszumachen. Zaturin selbst stutzte einen Moment und schlug dann vor Wut auf die Armlehne seiner Pilotenliege.
„Diese savashri Freigeburten! Surats, elende!“, fluchte er, „Lassen die denn keine Gelegenheit aus, einem ehrenhaften Kampf aus dem Weg zu gehen?“
„Wir müssen einen anderen Weg durch diese Minenfelder finden, Sternencaptain!“, warnte ihn der getroffene Mechpilot, was Zaturin mit einem wütenden Schnauben quittierte.
„Neg. Ich lasse mich nicht so einfach von diesen Surats aufhalten!“, bellte er.
Doch seine Widerspenstigkeit wurde sofort gebrochen, als weitere Detonationen in den Reihen der Späher den Boden zerfurchten. Keiner von ihnen hatte sich in der Zwischenzeit bewegt, aber dennoch explodierten Sprengladungen.
„Granatbeschuss!“, winselte ein Incubus pilot.
Erneut hämmerte Zaturin auf die Armlehne seines Mechs ein. Eine einzelne Granate erwischte den einzigen Kit Fox in seiner Aufstellung am Arm und pulverisierte dort nahezu jeglichen Panzerschutz.
„Verfluchte Artillerie! Haben sie diesen Schmutz also schon wieder angeschleppt!“, schrie Zaturin vor Wut auf.
Diese Sphäroiden ließen aber auch keine Möglichkeit aus, ihre Ehre als Kämpfer zu untergraben. Aber dafür würde er sie bezahlen lassen!
„Gefechtsrotation!“, befahl er, „Die leichten Späher an die Flanken, zweite Welle übernimmt Speerspitze. Weiter vorrücken!!!“
Er würde es ihnen noch zeigen, sagte sich Zaturin. Dafür würde er diesen ehrlosen Wanzen so richtig das Fell gerben, das versprach er sich nahezu ohnmächtig vor Wut.
Seine Befehle wurden widerspruchslos bestätigt und in einer fließenden Bewegung zogen sich die getroffenen leichten Maschinen zurück, um insbesondere den mittleren Mechs Platz zu machen. Mit diesen in vorderster Front ging es nun unaufhaltsam weiter in Richtung der Feinde. Der Feinde, die schon bald die Auswirkung ihres ehrlosen Treibens zu spüren bekommen würden.

„Sehr schönes Schussmuster“, lobte Ulf als er die ersten Schäden an dem Uller erkannte.
Die schweren Mörser waren trotz ihres für eine Artillerie geringen Gewichts eine durchaus wirkungsvolle Waffe. Auch wenn sie effektiv kaum mehr Schaden machten als eine Thumper kanone, reichte ihr Einsatz aus, um die Gegner zu demoralisieren. Dass die leichteren Mörser ihren Beschuss weiter gestreut und kein einziges Ziel getroffen hatten, konnte man nur zu deren Vorteil auslegen. Die von ihnen verursachten Explosionen im weichen Boden erzeugten zumindest die Illusion, dass hier noch mehr als zwei Dutzend weitere Thumper standen und jeden Vorstoß mit der entsprechenden Antwort bedienten.
„Feind formiert sich neu“, bemerkte Jean Bruno, „Bringt jetzt schwerere Mechs in die erste Reihe. Die Leichtgewichte gehen auf die Flankenpositionen.“
Auch Ulf hatte es bemerkt, sich aber bis dahin noch zurückgehalten.
„Na gut. Wels an Feuersalamander! Springer schlägt schwarzen Bauer auf D1“, gab er den neuen Befehl an die Mörserstellungen durch. Gemäß dem vorab ausgemachten Beschussmuster bedeutete diese Bewegung, dass sie nun statt des zentralen Feldes vor allem die dem Bachbett abgewandte Flanke unter Feuer zu nehmen hatten. Die schnellen Clanner sollten ruhig erkennen, dass sie dort genauso wenig erwünscht waren wie in der zentralen Position. Dass dafür das zentrale Feld offen stand, störte Ulf hingegen wenig. Die Minen, die die Aufklärer aufgeschreckt hatten, waren nur einzelne Appetithäppchen in kleinen Feldern gewesen. Die wirklichen Sperrgürtel kamen erst noch und das würden nun vor allem die in die erste Reihe gewechselten Hellhounds und Konsorten zu spüren bekommen. Aber noch ahnten die nichts von ihrem Glück.

„Nettes Kompliment!“, fluchte Adrian des Moines als er den Mörser in die neue Position umsetzte, „Nur das dieser Arsch mit Ohren nicht weiß, was das für eine Drecksarbeit ist, so ein Mistding zu bedienen. Der kennt ja nur seinen Mech und da reicht ein bisschen Fummeln am Knüppel um die Kanone in eine neue Richtung zu drehen.“
„Sei doch froh, dass wir überhaupt mal ein Kompliment gemacht bekommen. Sonst muss es der feuchtwarme Händedruck ja auch tun“, erwiderte sein Kamerad im Graben, der über ein Zielperiskop die neue Ausrichtung festlegte.
„Oh, toll! Davon kann ich mir jetzt aber was kaufen!“, konterte des Moines verbittert.
„Ach. Sei einfach brav und stell ihn noch einmal um 5° nach rechts. 4° mehr Deklination“, unterband ihn Georges, der das permanente Maulen kaum noch hören konnte.
An und für sich waren Mörser so einfach gehalten, dass sie für ihre Leistungsfähigkeit extrem leicht waren. Aber wenn sie alleine mit Muskelkraft versetzt werden mussten, mussten die Bedienmannschaften erkennen, dass auch der Begriff ‚leicht‘ relativ war. Trotz in den letzten Jahrhunderten immer weiter verfeinerter Metalllegierungen wog selbst der kleine Grantwerfer noch immer über 20 Kilo und jede Granate, die sie in den Schlund der Waffe rutschen lassen mussten, schlug mit weiteren anderthalb zu Buche. Wenn man diesen Kraftakt nicht gewohnt war und bereits von der tagelangen Buddelei mit Muskelkater gestraft war, war das eine Anstrengung, auf die man gerne verzichtet hätte.
Aber selbst ein so widerspenstiger Bock wie Adrian des Moines sah ein, dass es besser war sich noch ein wenig mehr anzustrengen als von wilden Clannern wegen Untätigkeit in den Boden gestampft zu werden.
„Feuer frei!“, erklärte des Moines als er das Rohr steiler gestellt hatte und die nächste Granate über den Lauf hielt.
„Dann mal los“, zischte ihm Santander zu und ging bereits in Deckung. Auch des Moines nickte und ließ die Granate im Lauf verschwinden, bevor er sich abdrehte und die Ohren zuhielt. Mit metallischem Poltern rutschte die Granate auf den Boden des Mörsers, wo sie gezündet und mit einem dumpfen Bellen aus dem Lauf getrieben wurde.
„Los, los, los! Weiter! Die nächste!“, drängte Georges und reichte seinem Freund bereits die nächste Granate ohne noch einmal die Wirkung der ersten zu verfolgen.
„Mach ja schon. Aber du hast ja gleich wieder den leichteren Part herausgesucht!“
„Halt die Klappe und mach weiter!“, bellte ihn George an und drehte sich vor dem nächsten Schuss weg.

Zaturin bekam es entsetzt mit, wie die Kanonen nach der Attacke gegen seine zentrale Position sich nun auf die leichten Mechs an seiner rechten Flanke konzentrierten.
Der einzelne Howler , der ihm noch verblieben war, wurde in diesem Augenblick von einer ganzen Reihe von Granattreffern gebeutelt. Die Maschine wurde wild herum gerissen und stürzte nach einem Volltreffer auf die Cockpitkanzel endgültig um.
„Freigeburt!“, fluchte er.
Er konnte nicht verstehen, wie sich die Kanonen so schnell auf ein neues Ziel hatten einschießen können. Die Positionsänderung war keine 20 Sekunden her und die Kanoniere hatten bereits die neue Schussposition ermittelt und eingerichtet. Natürlich konnte es sein, dass sie auf vorgegebene Markierungen feuerten und keine besondere Eichung brauchten, doch wenn das nicht der Fall war, dann mussten sie nicht nur Hellseher sein, sondern auch sehr nah. Aber er hatte nirgends das dumpfe Donnern von schweren Kanonen vernommen, also mussten sie doch eigentlich sehr weit weg sein. Wie konnte das sein? Wie konnte es zu solchen Widersprüchen kommen?
„Wo steht diese elende Artillerie?“, fragte er seine Mannschaften, doch auch von denen wusste keiner eine plausible Antwort.
Wenn keiner eine sinnvolle Antwort liefern konnte, blieb nur eine Lösung: Augen zu und durch. Nur wenn seine Maschinen so nah an den feindlichen Mechtruppen standen, dass die Artillerie unter Umständen die eigenen Einheiten gefährdete, würde er sie zum Verstummen bringen.
Doch dieser Maßnahme stellte sich erneut ein Ärgernis in den Weg. Seine Conjurer hatten die ersten entdeckten Minenfelder mit Hilfe ihrer Sprungdüsen überbrückt, doch genau in diesem Moment schienen sie nicht nur einzeln, sondern alle zusammen in weitere Minenstreifen zu treten. Über die ganze Breite der Aufmarschlinie explodierten versteckte Minen, hüllten seine Mechs in Rauch und Schmutz und unterbrachen die Vorwärtsbewegung erneut.
„Savashri!“, schrie der Sternencaptain auf.
Nichts schien in dieser verdammten Mission so laufen zu wollen, wie er es sich wünschte. Keine Feinde in Sicht, aber jede Menge hinterhältige Fallen. Erneut musste er seine Planung ändern.
„Plan Gamma! Ausführung!“, brüllte er ins Mikrofon, „Plan Gamma und zwar sofort! Die leichten Mechs versuchen es durchs Bachbett. Da dürfte es schwer gefallen sein, Minen zu installieren. Die sprungfähigen nutzen ihre Düsen und der Rest ... marschiert einfach durchs Feuer.“

„Erneute Lagekorrektur. Springer folgt auf F4“, berichtigte Ulf das Mörserfeuer erneut als er die leichten Maschinen in Richtung des Bachlaufs abdrehen sah. Dass das nun nichts mehr mit Schach an sich zu tun hatte, erkannte selbst ein begriffsstutziger Clankrieger, sollten die ihre Frequenzen geknackt haben.
„Mechballett“, rümpfte Jakob die Nase, als er vorwiegend die mittleren Mechs von einer Position zur nächsten springen sah.
„Das hat euch egal zu sein. Wenn sie nahe genug dran sind, haut ihnen ihre verdammte Arroganz um die Ohren.“, mahnte Ulf als er den Kommentar mitbekommen hatte.
„Konzentrier du dich lieber auf deine eigene Arbeit, die bösen Buben haben gleich die Markierung erreicht", warnte ihn sein Freund statt dessen.
„Oh verdammt. Das hätte ich fast übersehen“, erwiderte Ulf und ließ die Abdeckkappe eines separaten Schalters abseits der üblichen Kontrollinstrumente aufschnappen.
Es war in der Tat Zeit für die ganz besondere Aktion des Tages. Er musste nur noch einen kleinen Moment warten, ehe er den roten Knopf drücken konnte. Nur noch einen kleinen Moment, um die Unwägbarkeiten seines großen Effekts auszugleichen ...
Aber davon abgesehen war es mittlerweile eh egal. Die ersten leichten Maschinen hatten die imaginäre Linie bereits erreicht oder überschritten. Es bedurfte nur noch diesen einen Knopfdruck.
„Ersaufen soll diese Bande“, murmelte Ulf als er den Schalter bis zum Anschlag einpresste.
Deutlicher lauter erging die Warnung an die restliche Mannschaft und insbesondere an die Infanteristen, die sich nun schleunigst in Sicherheit begeben sollten.
„An alle, weißer Läufer unterwegs. Ich wiederhole: der weiße Läufer ist unterwegs.“
Den Rest sollte der Gletscher erledigen und hoffentlich machte er es gründlich.

Im gute 15 Kilometer entfernten Gletschertor zeigten sich die Auswirkungen des Knopfdrucks. Auf das Signal hin hatte die Steuerelektronik den alten Leenexreaktor wieder angefahren, eine ganze Reihe von Sicherheitsprotokollen ignorierend, die sonst zur sofortigen Stilllegung des gesamten Systems geführt hätten. Das superheiße Plasma im Inneren des Reaktors begann wieder zu pulsen und begann ab einer bestimmten Grenztemperatur die Fusionsreaktion. Nur ein Magnetfeld konnte diese heiße Reaktionsmasse noch im Zaum halten, doch das Magnetfeld würde zusammenbrechen, wenn die Temperatur der erzeugenden Magnetkeulen über einen kritischen Wert von etwas mehr als 780° Celsius anstieg. Deswegen mussten Reaktoren gekühlt werden. Doch dem bereits abgeschriebenen Schrottreaktor hatte man lediglich die zwei Kühlmodule gelassen, die in die Hülle des Aggregats integriert waren. Die übrige Kühlung musste das umgebende Eis übernehmen, worauf es Ulf durchaus abgesehen hatte.
Fast sofort nachdem der Reaktor angesprungen war, war die Hüllentemperatur, die an vielen Stellen zusätzlich um ihre Isolation gebracht worden war, auf deutlich über 100° Celsius gestiegen. Das umgebende Eis, das den Reaktor in den letzten Tagen geradezu eingebacken hatte, war sofort geschmolzen und umgab ihn als kleinflächige Wasserblase. Die offenen Pumpenstutzen des Reaktors wälzten das Wasser um und beförderten somit warmes Wasser immerzu gegen die umgebende Eiswand und schmolzen sie auf. Dabei war der Reaktor gerade erst gestartet worden und brauchte noch ein paar Sekunden bis er wieder volle Leistung abgab. Die Techs hatten ihn sogar so modifiziert, dass er sogar noch etwas mehr als die nominelle Leistung abgab. Wen störte es schon, dass der Reaktor danach nicht mehr zu gebrauchen war?
Das Wasser in unmittelbarer Nähe zur Reaktorwand begann bereits zu kochen und erste Dampfblasen stiegen auf. Das umgebende Eis würde dem entstehenden Druck noch eine Weile widerstehen, aber mit zunehmendem Druck stieg auch die Siedetemperatur, was wiederum dazu führte, dass der Aufschmelzprozess des Gletschertors voranschritt. Die Kaverne um den Reaktor vergrößerte sich rasant und füllte sich mit Wasser und Dampf. Der bereits beträchtliche Überdruck suchte einen Ausweg, fand jedoch keinen, da selbst das Bohrloch wieder sorgfältig versiegelt worden war. Mit steigender Temperatur und Dampfdruck verschlechterte sich jedoch auch noch die Wärmeableitung des Reaktors und so baute er immer schneller immer mehr Hitze auf.
Der Überdruck im Eis sorgte bereits für erste Rissbildungen an der Außenseite, doch noch hielt der Gletscher den Belastungen stand.
Ungezügelt und ohne jeglichen Abnehmer für seine Abwärme verwandelte der aktive Reaktor immer mehr Wasser in seiner Grotte in Dampf, so dass sich eine Dampfblase oberhalb des Meilers bildete. Der überspannte Dampf schmolz in Windeseile Eis von der Decke, kam aber nicht im geringsten mit dem Kühlbedarf des Reaktors mit. In einem Battlemech eingebaut hätte die Sicherheitselektronik den Reaktor längst mit einem Notaus lahm gelegt, doch hier war gerade diese Funktion systematisch unterbunden worden um den Amoklauf des Reaktors nicht zu bremsen.
Durch den dramatisch ansteigenden Druck in der Eiskammer verdampfte nun immer mehr Wasser und die Kühlung des Reaktors kam fast gänzlich zum Erliegen. Der Wasserstand sackte rapide ab, bis der Reaktor letztendlich freigelegt wurde.
Damit trat Ulfs Plan in seine letzte unheilvolle Phase.
Ungekühlt und bar jeder Notabschaltung strahlte der Fusionsmeiler seine Wärme unmittelbar in die mit Dampf gesättigte Kammer ab. Die Temperatur schoss in die Höhe und überschritt endgültig die kritische Grenze. Auch der letzte Rest Wasser, der sich noch in der Kammer befunden hatte, verwandelte sich schlagartig in Dampf, der praktisch keinerlei kühlende Wirkung aufwies. Die Kühlmittelpumpen röchelten, als sie kein Fluidum mehr fanden und die Kerntemperatur des Meilers reagierte entsprechend. Die 780° Celsius wurden ohne weitere Umschweife erreicht und in einer kompakten, aber leistungsstarken Explosion lösten sich die Überreste des Leenex in ihre Bestandteile auf.
Getroffen von der Druckwelle und bereits unter enormen Druck stehend gab die schwächste Wand der Kaverne nach. Mit einem Schlag zerbarst das Eis in Richtung des Stausees unter dem Gletscher und entließ Dampf, Druck und Wärme in ein sehr viel größeres Gefäß, wo sich alls schlagartig abkühlte und aus der Explosion genauso schnell eine Implosion wurde, mit der mehrere Hunderttausend Kubikmeter Wasser in die neue Kaverne eindrangen. Wie ein Vorschlaghammer krachten die Wassermassen gegen die geschwächte Höhlenwand. Diesem Schlag war dann auch die strapazierte Außenseite des Gletschers nicht mehr gewachsen und mit einem dumpfen Krachen barst das Gletschertor und entließ den Gletschersee ins Freie.
Der künstliche Jökulhulaup nahm seinen Lauf und würde in etwas weniger als anderthalb Minuten das Gefechtsgebiet erreichen.

„Hat eigentlich irgendeiner eine Ahnung wie übel das werden wird?“, fragte Avid Gatparadin in seinem Thunderbolt als er erneut auf einen zähen Vixen schoss.
„Nein, hab ich nicht, aber ich hoffe nicht nur, dass es schlimm wird, sondern auch bald kommt. Könnte mir eigentlich mal jemand mit diesem Schweinepriester hier helfen? Der schießt mich langsam zusammen!“, brüllte Anton Skarowsky zurück, der sich direkt mit dem Spirit auseinander zu setzen hatte, der jede Funkübertragung zu einem Glücksspiel machte. Seit annähernd einer halben Minute hatten sie die Clanner nur mit äußerster Mühe im Bachbett festnageln können. Immer wieder hatte der eine oder andere Clankrieger versucht, die Blockade zu durchbrechen um entweder in ihren Rücken vorzudringen oder in die Stadt zu stürmen. Immer wieder hatten sie diese Aktionen durch konzentriertes Feuer unterbinden müssen, so dass das Gefecht hier zu einem entsetzlichen Stellungskrieg auszuarteten, bei dem die dritte Kompanie der Einsatztruppe den Kürzeren zu ziehen drohte. Die schlagkräftigen Clanwaffen verwüsteten Panzerung weit schneller als die von Skarowskys Truppe.
Aber alle setzten darauf, dass sie sich nicht mehr lange mit diesen zähen Mistkerlen herumschlagen mussten. Die Infanteristen waren bereits kurz nach Jarrens Warnung aus ihren Schützengräben geflohen und hatten sich tief in die Stadt zurückgezogen, in der Hoffnung hoch genug zu kommen um der Flutwelle zu entgehen. Nur wenig später war dann das dumpfe Grollen ausgebrochen, das die Zerschlagung des Eispanzers andeutete. Nun ging es nur noch darum, auszuharren, bis die böse Überraschung da war.
„Da hinten kommt sie!“, brüllte Sabine Hermann in ihrem Bushwacker . Sie war der Langstreckenwaffen ihres Mechs wegen am höchsten Punkt ihrer Stellung geblieben und hatte ihre Truppe von dort aus unterstützt. Von dort aus konnte sie nun auch die Wasserwand auf die Stadt zurasen sehen. Es war ein graubraunes Gemisch aus Wasser, Schlamm, Steinen und Eis.
„Rückzug! Rückzug! Aber dalli!“, warnte Skarowsky auch noch den letzten Mann seiner Einheit und zog sich mit höchstmöglicher Geschwindigkeit aus den Randbereichen des Ortes zurück. Ob er bei diesem Rückwärtsgang noch irgendwas traf, war ihm absolut gleichgültig. Er wusste nur, dass, sollten sie überhaupt eine Chance so nahe am Bach haben, sie sich weiter ins Ort hinein zurückziehen mussten um die Häuser als Wellenbrecher zu nutzen. Ob die Clanner den Rückzug als ihre Gelegenheit zur Initiative sahen oder doch noch die Gefahr witterten, wusste keiner so genau einzuschätzen, aber sie sahen im Rückzug der Lyraner offenkundig ihre Chance und stürmten nach vorne.
Doch die Welle war schneller.
Lediglich der schnelle Spirit , der schon zuvor auf Tuchfühlung zu Skarowskys Warhammer gegangen war, schaffte es in die Deckung der Gebäude, als die Flutwelle um eine Biegung gedonnert kam und die übrigen leichten Clanmechs unter sich begrub. Von keinem der bereits durch das Dauerfeuer angeschlagenen Mechs war noch etwas zu sehen. Ein einzelner Peregrine , der sich noch im letzten Moment mit seinen Sprungdüsen abzusetzen versuchte, wurde von einer Eistafel so groß wie ein Kleinauto erwischt und aus dem Gleichgewicht gebracht. Auch er verschwand in der tosenden Urgewalt.
Aber auch den letzten Mohikaner ereilte ein schnelles Ende, nachdem Anton Skarowsky vom Rückwärtsgang wieder in einen nach vorne gerichteten Sturmlauf wechselte. Der von ihm gerammte Spirit schleuderte im hohen Bogen aus der Gasse und stürzte in die tobenden Wassermassen, in denen er nur noch kurz zu sehen war.
„Jawohl ja! Lern das Wellenreiten nach Clermontart, du Mistkerl!“, triumphierte der Hauptmann und wandte sich dann dem nächsten Ziel zu.
Er beließ es bei einem kurzen Siegesjubel. Es gab noch mehr als genug zu tun.

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24.03.2005 18:04 Dirty Harry ist offline Beiträge von Dirty Harry suchen Nehmen Sie Dirty Harry in Ihre Freundesliste auf
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