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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Themenstarter Thema begonnen von Ace Kaiser
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Den Stützpunkt Axixo zu nehmen gestaltete sich für meine Hekatoncheiren als ziemlich schwierig. Ich meine, welcher ernstzunehmende Soldat konnte denn selbst ernst bleiben, wenn sich die anderen über Funk lachend über die unmöglichen Situationen unterhielten, in denen sie die erstarrten Anelph und Naguad vorfanden? Und wie dankbar die meisten nicht Erstarrten waren, dass sie auf lebende, sich bewegende Wesen trafen?
Ich fühlte mich genötigt ein Machtwort zu sprechen, aber dann ließ ich es doch. Sollten sie doch ihren Spaß haben. Sie taten es ja nicht aus Boshaftigkeit oder sogar Hass. Manche Situationen waren einfach witzig. So wie die fünf Naguad, die beim dauerduschen erwischt wurden, ein Pärchen beim Knutschen in eine Abstellkammer – zumindest war es knutschen, als die Meldung bis zu mir vorgedrungen war – ein Koch, der auf seinen vollkommen leer gekochten Topf starrte, ein Adjutant, der beim trinken erwischt worden war und den Inhalt seiner Tasse gleichmäßig über seine Uniform verteilt hatte. Das waren alles so Kleinigkeiten, die in der Summe eines ergaben: Mit einem Schuss gewonnen.
Ich arbeitete mich mit Megumi und Yoshi zur Hauptzentrale des Stützpunktes vor, während Yohko das Einschleusen unserer Mechas überwachte und die Patrouillen am Rand des Feldes aufstellte und koordinierte.
Dabei nahmen unsere Helmkameras alle Eindrücke auf, die sie gewannen und funkten sie live ins Fernsehnetz der Anelph auf Jomma. Quasi in Echtzeit wurden sie über die Zustände in der Basis informiert.
Jedermann konnte mit ansehen, dass die Besatzung des Stützpunkts erstarrt war.
Wir nutzten diese Aufnahmen natürlich, um ausgiebig über das Resonatorfeld zu referieren, Schaubilder wurden gezeigt und mit den realen Aufnahmen untermalt. Natürlich verschwiegen wir nicht, dass das Feld so eingestellt werden konnte, dass es langsam nachließ und sich die Resonanzwirkung auf das KI aufhob. Oder es lief weiter bis keine Energie mehr hinzugeführt wurde, um plötzlich die Wirksamkeit zu verlieren. Aufnahmen der fünf Techniker, die damals vom OLYMP zur Titanen-Station herunter geschickt worden waren, wurden geschickt in den Bericht eingebaut und verdeutlichten, was dann passieren würde.
Und was mit Naguad passierte, die man im erstarrten Zustand aus dem Feld holte.
Danach folgte eine geschickte Überleitung zum geplanten Blockadegeschwader, welches mit sechs Resonanzfeldern den Planeten Lorania gegen jeden Eindringling abschotten würde.
Offiziell würden sie an Bord von sechs Korvetten stationiert werden – eine List, um die Naguad zu täuschen und wenigstens den ersten Angriff abzulenken.
Auch gab es schon Pläne, Korridore für den interplanetaren Verkehr zu schaffen, die aber notfalls sehr schnell geschlossen werden konnten.
Der Stab Makotos war sehr gründlich gewesen und arbeitete noch immer.

„Hey, Chef!“ „Hm?“, antwortete ich auf die vollkommen unmilitärische Anrede.
In meinem Helm aktivierte sich das Headupdisplay und informierte mich darüber, dass Captain Daynes mich angesprochen hatte.
„Chef, ich bin im Knast, und rate mal, wer hier rum steht wie eingestellt und sauer geworden. Du wirst ihn lieben. Es ist Colonel Connar vom Geheimdienst.“
Abrupt blieb ich stehen. Gewiss, die Idee war von Taylor gekommen, mich zu vergiften. Und auch das schwere Betäubungsmittel, dass mir statt dem ultragefährlichen Nervengift Borex verabreicht wurde, war auf seinem Mist gewachsen.
Aber der da war sein williger Erfüllungsgehilfe gewesen. Er war es gewesen, der den behandelnden Arzt erpresst hatte, um mich zu töten.
„Soll ich ihn aus dem Feld schmeißen?“, fragte der Amerikaner leichthin.
Ich atmete lange aus. „Warum einen schnellen Tod? Lassen wir ihn langsam sterben – vor einem Militärgericht, wie Admiral Achander und Admiral Ikosu es geplant haben.“
„Manchmal kannst du ganz schön sadistisch sein, Chef“, scherzte der Amerikaner. Aber ich hörte aus seiner Stimme gut heraus, dass er es durchaus ernst gemeint hatte.
„Danke“, bemerkte ich sarkastisch. „Übrigens habe ich dir und Goran noch gar nicht gedankt.“
„Schwamm drüber. Wofür eigentlich?“
„Dafür, dass Ihr beide… Auf Yellow Slayer aufgepasst habt.“
Peinliches Schweigen antwortete mir. Erst nach mehreren Minuten sagte Jordan Daynes leise: „Das meinst du ernst, nicht wahr, Akira?“
„Ich zähle dich und Goran zu ihren Freunden.“
„Na, Schwamm drüber. Man wächst halt mit seinen Aufgaben.“ Das Lachen im Anschluss klang irgendwie wässrig. Mensch, heulte der Junge etwa Rotz und Wasser, wegen dem kleinen Lob?
Und wieso bezeichnete ich einen Älteren nur als Jungen? Ich selbst stand kurz vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag und war damit immer noch einer der Jüngsten auf dieser Expedition.

Wir erreichten die Zentrale. Bis auf zwei Adjutanten, die sich mit Handfeuerwaffen verbarrikadiert hatten, war sie leer. Sie schossen auf alles und jeden, der auch nur in Sichtweite der Tür kam.
„Granate, Sir?“, fragte Amanda Leary von den Briareos, die durch die Umstrukturierungen zur Kompaniechefin und zum Captain aufgestiegen war.
„Negativ. Die erstarrten Naguad können nicht in Deckung gehen. Yoshi.“
Der große Blondschopf grinste breit und trat neben mich. „Wurde ja auch mal wieder Zeit für eine echte Angebernummer. Du die Beute, ich der Eintreiber?“
„Klar. Ich bin ja auch der größere Blickfang.“
Yoshi lachte laut. „In deinen Träumen, Kleiner. In deinen Träumen.“
Ich schmunzelte und schmiedete KI. Aus dem KI formte ich einen schwachen Schild. Er würde einer oder zwei Kugeln standhalten, wenn ich ihn permanent reparierte vielleicht sogar sechs bis sieben. Dann nickte ich Yoshi zu, der seinen hier irgendwie antiquiert wirkenden Bogen von der Schulter zog und einen Pfeil auflegte. „Hey, Akira, ich habe mir mal gedacht, wieso habe ich nicht ein ganzes Sortiment an Pfeilen? Einen Explosionspfeil, einen mit einer Betäubungsgranate, einen mit einer Ultraschallpfeife zum ablenken…“
„Einer mit nem Boxhandschuh vorne dran.“
„Hey, bleib ernsthaft.“
„Du aber auch. Was für ne miese Aerodynamik sollen die Dinger denn haben? Das taugt doch mit solchen Köpfen nur im Nahkampf, Alter. Und dein Bogen ist ne Fernkampfwaffe.“
„Dafür habe ich sie aber schon ziemlich oft im Nahkampf eingesetzt“, erwiderte er maulig.
„Na, zumindest die Sprengpfeile wären mal ne Idee.“
Schlagartig hörten wir mit unserem Dialog auf. Ich nickte Yoshi zu, der die Geste stumm erwiderte.

Ich riss meinen Helm herab und trat in das offene Schott. „Feuer einstellen! Diese Basis ist ab sofort Eigentum der United Earth Mecha Force und des loranischen Komitees. Widerstand wird als terroristischer Akt bestraft!“
Wie erwartet trafen mich während meines Monologes zwei Kugeln. Eine dritte sauste heran und versuchte das, was ihren beiden Vorgängern nicht gelungen war: Meinen Schild zu durchschlagen.
Ich grinste schief. „Das ist zwecklos, meine Herren. Fügen Sie sich, und Ihnen wird nichts geschehen.“
„Sie kommen hier nicht rein! Eher bringen wir alle hier um!“, klang eine junge, viel zu junge Stimme auf.
Yoshi huschte gerade hinter mir durch die Tür, während ich die Aufmerksamkeit der beiden Schützen hatte. Sie hatten sich hinter einem Pult verbarrikadiert und besaßen nur eingeschränktes Sichtfeld. Diesen Umstand nutzten wir aus.
„Seien Sie vernünftig. Die Basis ist gefallen, die Soldaten in unserer Hand. Die Frage ist nur, werfen wir Sie ins Gefängnis oder in die Leichenhalle? Diese Entscheidung liegt nicht bei mir, aber bei Ihnen.“
„Sie kriegen Admiral Ikosu nicht!“, blaffte die gleiche Stimme erneut. „Eher erschieße ich ihn und… Yamu!“
Yoshi huschte aus seinem Versteck hervor, lief auf das Pult zu. Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung und sprintete los. Dann fiel ein Schuss.

Yoshi hielt sich die schmerzende rechte Hand, während ich den beiden Helden die Waffen abnahm. Vor uns saßen ein junger Bursche und ein Mädchen auf dem Boden, gekleidet in die Uniform der Ordonnanzen. Sie waren nicht einmal von der kämpfenden Truppe.
Yoshi stierte das Mädchen wütend an. „Sag mal, Engelchen, wie weh so eine verdammte Kugel tut? Was die für eine Geschwindigkeit drauf hat? Wenn ich meine Hand nicht rechtzeitig vor die Mündung gekriegt hätte, dann würde jetzt ein heftiger Durchzug durch deinen hübschen Kopf pfeifen!“
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die junge Frau zitterte, aus Angst vor uns, aus Angst vor der Welt und vor allem weil sie bereit gewesen war zu sterben und wir es unterbunden hatten. Nun tobte sich alles Adrenalin in ihrem Körper aus, und das auf einmal.
Sie zitterte und begann dann hemmungslos zu schluchzen.
Verdammt, sie war viel zu jung, um mit so einer Situation klar zu kommen. Sie erinnerte mich an Yohko vor dem ersten Marsangriff, aber meine Schwester hatte damals schon Schlachten hinter sich, die sich diese beiden nicht einmal im Traum vorstellen konnten.
Ich winkte weitere Leute herein und bedeutete ihnen, die Zentrale zu sichern.
„Ihr beide habt erst mal Hausarrest auf euren Stuben, bis ich entschieden habe, was ich mit euch anstelle.“ Böse sah ich auf das Mädchen herab. „Yamu heißt du, hm? Was hast du dir dabei gedacht? Das Militär hat Zeit und Geld in deine Ausbildung gesteckt, eine Menge Leute haben sich große Mühe damit gegeben, dir was beizubringen. Und deine Familie verzichtet hier auf dich, damit du einem höheren Ziel dienst. Und was machst du? Denkst du, das war eine mutige Entscheidung?“
Sie sah auf, ihr Gesicht war fleckig von den vielen Tränen. So ein Anblick war überhaupt nichts für mich, und ich knickte ein wie ein Holzhaus nach vier Wochen Termitenfraß.
Ich tätschelte der jungen Frau den Kopf und meinte: „Ist ja nichts passiert. Bedanke dich dafür bei Major Futabe. Sag mal… Loran, ist es in Ordnung, wenn wir euch beide zusammensperren? Sie sieht mir nicht so aus als sollte sie die nächste Zeit alleine bleiben. Und so schnell kriege ich keine Psychologen hier her.“
Der Junge nickte zögernd. „W-was passiert jetzt?“
„Na, was wohl? Wir machen nebenan einen Lagerraum fertig und dann stellen wir die ganze Zentralebesatzung darin unter, bis sie sich wieder bewegen können. Amanda, du trägst die Verantwortung für die beiden. Bring sie auf seine oder auf ihre Stube und lass sie dort bewachen. Eine Wache drinnen, eine draußen.“
„In Ordnung, Akira. Kommt, Ihr zwei.“
Das Mädchen strauchelte, versuchte es erneut, strauchelte erneut. Loran hielt sie fest und bedeutete ihr, sich wieder zu setzen. „Sie sind Commander Otomo, richtig? Darf ich eine Bitte äußern?“
„Sprechen Sie, junger Mann.“
„Darf… Dürfen wir dabei helfen, die Zentralebesatzung in den Abstellraum zu bringen?“
Hm. Wollte der Knabe nun versuchen, einige seiner hohen Offiziere doch noch umzubringen, damit sie nicht in unsere Hände fielen oder wollte er sehen, wie wir mit ihnen verfuhren?
Und warum kümmerte ich mich überhaupt darum? Wäre nicht die richtige Entscheidung gewesen, die zwei zu den anderen Gefangenen in eine Halle zu stecken anstatt sie auf vertrautem Terrain in ihren Zimmern einzusperren? Verdammt, ich, der die meisten Mechas der Geschichte abgeschossen hatte, der das Unmögliche möglich machte, ausgerechnet ich war ein solcher Weichkeks und nahm sogar Rücksicht auf die Gefühle und den Gemütszustand dieser beiden Kinder.
„Sie dürfen helfen, Loran, Yamu. Aber danach geht es ab in die Kabine, verstanden?“
Für einen Moment fühlte ich mich wie ein Vater, der seinen Kindern gerade erlaubt hatte, die nächsten zehn Minuten vom Spätfilm noch zu sehen, wenn sie anschließend brav in die Heia gingen.
Ich hielt jedem eine Hand hin und zog sie auf die Beine. „Amanda. Du teilst sie ein, verstanden?“
„Danke, dass ich sie jetzt ganz an der Backe habe, Akira, Sir.“
„Nur nicht mehr spitzfindig werden, sonst lasse ich dich bei der nächsten Klausur nicht abschreiben“, scherzte ich.
Für einen Moment schien die Kompaniechefin lachen zu wollen, dann zu weinen. Lachen setzte sich durch. Sie wusste nur zu genau, dass es Klausuren für uns beide eine lange Zeit nicht mehr geben würde. „Okay, fürs abschreiben, Akira.“
Ich grinste sie an, aber es lag Wehmut darin. Doch genauso funktionierten wir. Wir, die Hekatoncheiren.

„Und jetzt mache ich was richtig idiotisches“, brummte ich und ging zu einem Konferenztisch, der mit hohen Offizieren voll besetzt war. „Praktisch. Einige sitzen auf Rollstühlen. Die können wir gleich so evakuieren, hm?“
„Und was machst du hier idiotisches?“, hakte Yoshi nach. Er schüttelte noch ein paar Mal die Rechte. Ohne KI-Schild wäre sie glatt durchschlagen worden. Nicht einmal ich konnte ahnen, wie knapp es wirklich um Yamus Leben gestanden hatte.
Ich ging zu Admiral Neon Zut Achander herüber. Ich salutierte knapp vor ihm und sagte: „Entschuldigen Sie, Admiral.“
Dann trat ich vor Fenn Ikosu, den Vize-Admiral und wiederholte die Prozedur.
„Ihr könnt sie jetzt abräumen.“
„Das war wirklich idiotisch“, brummte Yoshi laut. Als Admiral Achander an ihm vorbei gerollt wurde – mitsamt Stuhl – nahm er aber Haltung an und salutierte. „Und es ist ansteckend.“
Andere Hekatoncheiren folgten dem Beispiel und salutierten ebenfalls.
Megumi kam herein gerauscht, die beiden Admiräle keines Blickes würdigend. Sie warf mir meinen Helm zu. „Akira, du musst sofort zurück zur AURORA! Sie wird von zwei Kompanie KI-Meistern mit Banges angegriffen!“
Alarmiert ergriff ich meinen Helm, setzte ihn auf. „Kei, Meldung!“
„Die Kacke dampft.“
„Danke, das erklärt einiges!“
„Komm am besten hoch in den Orbit. Ich habe zwei Booster dabei, damit schieße ich dich und Yoshi hinüber. Yohko und Megumi sollten hier bleiben, falls der Angriff eine Finte ist.“
„Gut mitgedacht, Kei“, haspelte ich hervor, legte meinen Helm kurz auf den meiner Freundin und formte mit den Lippen die Worte: Ich lieb dich.
Dann folgte ich Yoshi, der schon vorgelaufen war.

Im Hangar angekommen erklomm ich Prime Lightning, versiegelte ihn und befestigte die Anschlüsse.
„Durchstarten, Prime!“
„Müssen wir wieder durch die Decke, Sir? Ich glaube, die Stelle da oben haben sie neulich erst geflickt.“
„Nein, heute nehmen wir die Schleuse.“
Neben mir kam Yoshi in seinem Eagle in die Schleuse. Die Innenschleuse glitt mit atemberaubender Geschwindigkeit zu. Dies verdeutlichte mir die eigentlich sehr effektive Technik des Naguad-Militärs. Auch die Sauerstoffatmosphäre wurde sehr schnell abgesaugt.
Als sich das Außenschott öffnete, blinzelte ich verwundert mit den Augen. Ging das wirklich so schnell?
Ich trat die Pedale durch und startete direkt, neben mir stieg Yoshi auf.
Im Orbit, den wir relativ schnell erreichten, parkten bereits zwei Boosterpacks auf uns. Mit unseren Fähigkeiten als KI-Meister würden wir aus ihnen weit mehr herauskitzeln als an Leistung vorgesehen war.
Mittels Lasertechnik dockten die Booster relativ schnell an. Nach einem oberflächlichen Check traten wir die Pedale durch und ritten auf einer KI-verstärkten Welle zurück nach Lorania. Die Schirme des Boosters flammten verdammt oft auf, aber das war uns egal. Unsere Freunde waren in Gefahr!

3.
Michi Tora drehte sich in den Schlag hinein, gelangte so an den Körper des Angreifers und versetzte ihm einen harten Hieb mit dem rechten Ellenbogen. Danach glitt er mit einer Drehung fort von dem Mann.
Der große Naguad sah auf seinen Bauch, wo er den Treffer kassiert hatte und musterte dann den kleineren jungen Mann, der eindeutig Elwenfelt-Gene in sich trug.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass mir so ein kleiner Hieb mit dem Ellenbogen den Saft aus den Knochen lutscht? Da bist du hundert Jahre zu früh dran. Und jetzt mach dich… Uh…“
Der große Naguad brach in die Knie ein. Schaum stand vor seinem Mund und mit Entsetzensgeweiteten Augen starrte er den frechen Bengel vor sich an. Auf dem Weg hierher hatte er zwanzig Elite-Infanteristen besiegt, aber diese Bursche hier… Der KI-Meister fiel zur Seite und röchelte leise.
Michi nahm eine entspannte Haltung an, gab die Abwehrstellung auf. „Ein normaler Mensch und ein normaler Hieb hätten die sicherlich nichts getan. Aber ich bin der Elite-Schüler von Akira Otomo. Selbstverständlich war mein Hieb auf das Zentrum deines KI gezielt und mit meinem eigenen KI geladen. Bei Akira-O-nii-sama lernt man, selbst in den unmöglichsten Situationen die entscheidende Menge KI zu schmieden und zu konzentrieren.“
Michi faltete die Hände vor der Brust zusammen und verneigte sich vor dem besiegten Gegner. „Ich werde einen Sanitäter vorbei schicken, versprochen.“
Dann wandte er sich um und lief den Gang hinab.
Dort kämpfte Akari mit einem anderen KI-Meister, einer kleinen, zerbrechlich wirkenden Frau. „Dass du so nett über O-nii-chan reden würdest hätte ich nie gedacht!“, rief sie, während ihre Gegnerin sie mit einer Serie von Hieben eindeckte.
Michi schoss hinzu und nahm einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. „Ich bin nun mal sein Meisterschüler. Was soll ich dagegen machen?“
Akari lachte dazu. Kurz darauf ging ein Lichtblitz durch den Gang, während ihre KI-Rüstung entstand. Ein einziger, wie beiläufig wirkender Hieb fegte die Gegnerin an die Wand.
Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, als sie zu Boden ging.
White Slayer wandte sich Michi zu und lächelte süß. „Ich bin aber auch nicht schlecht geworden, was?“
„Mit welcher Antwort kann ich mein Leben retten?“
White verzog das Gesicht zu einer verdrießlichen Miene. „Sogar den Humor hat der Meisterschüler von seinem Lehrer übernommen.“
Michi setzte zu einer Antwort an, kam aber nicht dazu, sie auszusprechen. In diesem Moment kam ein Körper den Gang herab geflogen, überschlug sich mehrfach undlandete schließlich genau vor Whites Füßen.
Ein ziemlich lädierter Makoto Ino ließ seine Knöchel knacken und kam den Gang herunter. „KI-Meister, pah. Haben überhaupt nichts drauf, die Kerle. Was ist mit den anderen beiden, Michi, Akari?“
„Sch-schon erledigt, Nii-chan!“, beeilte sich White zu sagen. „Einer ich und einer Micchan.“
„Hm. Gut. Colonel Ino hier. Schicken Sie jetzt die Sanitäter herunter. Die vier KI-Meister, die in Poseidon eingedrungen sind, wurden besiegt. Bleiben noch die vier, die draußen mit den Abwehrmaßnahmen spielen.“
„Hä? Vier? Wer hat denn den vierten KI-Meister fertig gemacht?“
Makoto zuckte mit den Schultern. „Ich natürlich. KI-Meister, tsssss. Die werden maßlos überschätzt. Und sie überschätzen sich selbst.“
Er sah den Gang hinunter. Über fünfzig Infanteristen der AURORA lagen hier herum, Opfer der angreifenden KI-Meister. Wie es andernorts aussah, konnte man nur ahnen.
„Was macht Ihr beide eigentlich noch hier? Blue hat alle Slayer zu den Plattformen befohlen. Aber ich möchte, dass du und Micchan euch zum Antrieb aufmacht. Doitsu ist bereits auf dem Weg, aber ich befürchte einer von uns wird nicht reichen. Akira hat zu viele mitgenommen… Ja, seid Ihr noch nicht weg?“
„Wir sind schon auf dem Weg, Nii-chan!“, rief White, ergriff Michis Hand und lief den Gang hinab, hinaus auf den Bahnhof der Poseidon-Station.
Sie sprangen in die bereitstehende Bahn; sie fuhr sofort ab. Angreifende Mechas wurden sofort von den automatischen Geschützen abgedrängt.
„Mann, Mann, Mann, warum bin ich eigentlich durch den ganzen Ärger mit der KI-Ausbildung und dem Waffentraining und dem unbewaffneten Kampf gegangen, wenn Makoto-nii gleich zwei KI-Meister besiegen kann?“, murrte Michi.
White riss sich vom Anblick der Mechas fort, die noch immer mit den automatischen Waffen fochten. Dauerte der Angriff wirklich erst ein paar Minuten?
Glücklicherweise waren sie beide zufällig in Poseidon gewesen, als der Angriff erfolgt war. Und glücklicherweise hatten sie sich den abgeschossenen und nun zu Fuß vorrückenden KI-Meistern in die Flanke werfen können.
„Nun, ich bezweifle, dass er es mit vier hätte aufnehmen können. Also haben wir doch sicherlich ein gutes Stück Arbeit geleistet, oder?“
Sie sah dabei zu, wie aus der Decke der AURORA humanoide Gestalten herab rieselten. Wenn sie näher hinsah, erkannte sie Banges, die direkt im holographischen Himmel zu entstehen schienen. Diese Banges ließen sich fallen, aktivierten ihre Antriebe erst kurz vor dem Boden und rasten dann auf die Poseidon-Zentrale hinzu. Sie wurden nicht unter Abwehrfeuer genommen.
„Das Red-Team?“, fragte White gedankenverloren. Nein, dafür waren es zu viele.
„Die Fünfte. Ehre oder Tod. Sie greifen auf unserer Seite in die Schlacht ein. Hm, was sind sie wohl wert, wenn Akira-o-nii-sama derart mit ihnen Schlitten fahren konnte?“
„Die da sind nicht Akira“, wandte White ein.
„Ist ein Argument.“

Die Bahn hielt das erste Mal im Heckbereich der AURORA. Sie hatten fünf Stationen überfahren und waren direkt abgeliefert worden. Als sie aus dem Hochgeschwindigkeitszug sprangen, erwartete sie bereits ein Hawk. Sie stiegen auf seine voll modulierten Hände und ließen sich von ihm zwei Kilometer in die Höhe heben.
Dort öffnete sich für sie ein Wartungsschacht und ließ sie ein, tief hinein in den Heckbereich der AURORA, wo die Antriebe warteten.
Der Antrieb selbst war über neun gigantische Kavernen verteilt, die künstlich verstärkt worden waren. Jede einzelne Komponente war schwimmend gelagert, um die Arbeitsvibrationen abzufedern. Diese schwimmende Komponente war nun ein Schlachtfeld geworden, denn die Zwischenräume reichten durchaus dafür aus, um die Aufklärungskonfiguration der Banges hindurch zu lassen. Diese und die Sparrows, die ihrem Codenamen in diesem Fall mehr als gerecht wurden.
Mehrere ausbrennende Sparrow- und Banges-Wracks deuteten darauf hin, wie erbittert der Kampf geführt wurde.
Auf dem Boden kämpften die ausgestiegenen Piloten weiter.
Michi erkannte Kenji unter ihnen, der mit brachialer Kraft versuchte, den KI-Vorteil auszugleichen.
White und Michi nickten sich zu und sprangen von den Händen des Mechas hinab, mitten hinein ins Getümmel. Im Laufen griff Michi nach einer Stahlstrebe, die einem Schwert am nächsten kam und griff einen Banges an, der gerade einem Sparrow ausgewichen war und nun für ein paar Augenblicke den Erdboden berührte. Michi zog den Stahl über die Beine des Banges und hackte dabei eines ab. Der Miginagi war einer der Lieblingsstöße von Akira, der als Rechtshänder den Hieb von rechts auf den Rumpf bevorzugte.
Der Pilot stieg aus.
Er landete federnd auf den Knien, erhob sich und nahm seinen Helm ab. Dann wandte er sich Michi zu.
Der junge Mann erstarrte. Der Kerl sah Akira ähnlich. Erschreckend ähnlich. Nur um einiges älter.
„Was wollt Ihr Kinder hier?“, fuhr er Michi und White an. „Dies ist ein Krieg. Im Krieg wird man verletzt!“
„Unterschätze uns besser nicht, Kerl!“, rief Michi und brachte die Stahlstrebe nach vorne.
„Interessant“, murmelte sein Gegenüber. Hinter ihm landete der Sparrow, der ihn die ganze Zeit so bedrängt hatte. Der Naguad reagierte darauf, erklomm den Mecha und trat hart auf die Cockpit-Panzerung. Sein Fuß schlug durch, zerbrach den Cockpitschutz und landete wohl dosiert auf dem Kinn des Piloten. Für eine Sekunde wirkte es, als würde er dem Sparrow-Piloten auf diese Weise den Kopf abtreten. Aber es schickte ihn nur ins Reich der Träume.
„Takashi-kun!“, rief Michi entsetzt.
Der fremde KI-Meister sprang mit einem Salto vom Mecha herab und zog im Fallen seine eigene Klinge. KI umfloss die Klinge und ließ sie blau aufleuchten. „Interessant“, wiederholte er. Dann griff er an.
Michi wich dem ersten Hieb aus, einem Tsuki, dem Stoß direkt auf den Leib und setzte einen Hidarinagi an, der vom KI-Meister blockiert wurde.
Verwundert zog der Mann eine Augenbraue hoch, als die Klinge und die Stahlstrebe aufeinander trafen, und die Strebe nicht zerbrach. Seine Verwunderung steigerte sich, als er das glimmende KI um den Stahl sah. „Wer bist du, Junge?“
„Es ist unhöflich, jemanden nach seinem Namen zu fragen, ohne sich selbst vorgestellt zu haben“, blaffte Michi wütend und sprang einen Schritt zurück.
„Da hast du vielleicht Recht. Ich bin Marus Jorr, Kapitän Marus Jorr. Und du bist?“
„Michi Torah, Meisterschüler von Akira Otomo!“, rief er wütend und griff erneut an.
„Du bist ein Schüler meines Bruders?“, fragte Jorr interessiert und wich den Angriffen spielerisch aus.
„Wie, dein Bruder?“
„Ach, hat er es seinem Meisterschüler nicht erzählt? Wir stammen aus dem gleichen Bluterbe. Sprich, seine Eltern und meine Eltern sind miteinander verwandt. Er ist aus dem Hause Arogad, genau wich ich. Oder um es auf den Punkt zu bringen, er ist ein Naguad.“
„Na und, das bin ich auch!“
„Und dann kämpfst du gegen mich?“
„Warum nicht? Menschen auf der Erde haben sich früher auch untereinander bekämpft, oder? Scheint ne ziemlich normale Sache im Universum zu sein.“
„Im Imperium eher nicht“, schloss Jorr ernst.
Hinter ihm prallten ein Hawk und ein Banges aufeinander. Der Hawk zerteilte den Gegner mit einer Herkules-Klinge und trennte den Torso zwischen Cockpit und Reaktor sauber auf.
„Was spielst du so lange mit dem Kerl? Mach ihn fertig, Micchan!“, erklang Doitsu Atakas Stimme. Der Hawk zeigte mit der voll modellierten Hand ein Daumen hoch-Zeichen.
Michi erwiderte es mit einem breiten Grinsen.
„Noch hast du mich nicht besiegt, Kleiner!“, rief Marus Jorr amüsiert und griff wieder mit einem Tsuki an.
Die Spitze der Waffe stoppte eine Handbreit vor Michis Schädel. Eine Fingerkuppe hatte sich auf sie gelegt und gestoppt. Marus Jorr sah auf. „Wer bist du denn?“
„Ich bin White Slayer. Und ich werde nicht zulassen, dass du Micchan etwas tust.“
Über die junge Frau im Trikot und dem kurzen weißen Rock zuckten KI-Entladungsblitze. „Entschuldige, dass ich dir den Spaß nehme, Micchan, aber wer dich attackiert, kriegt Ärger mit mir.“
Die Entladungsblitze zuckten weiter vor, über Jorrs Klinge bis zu seinen Händen. „Erstaunlich. Wirklich erstaunlich.“
Jorr baute seine eigene KI-Aura auf, verstärkte sie und ließ ebenfalls Blitze entstehen. Die beiden Energien trafen aufeinander und reagierten wie zwei Plus-Pole eines Magneten.
Für eine Sekunde trat Angst in die Augen von White Slayer, als sie erkannte, wie stark ihr Gegner wirklich war.
Michi ergriff ihre andere Hand und drückte sie leicht. Auch er wurde nun von sichtbarem KI umspült.
Die beiden lächelten sich an. Als sie synchron in Jorrs Richtung sahen, riss der Naguad erschrocken die Augen auf.
Dann gab es einen Lichtblitz, der alle Sinneseindrücke auslöschte.

Als sich Marus Jorrs Sicht wieder klärte, fand er sich am Boden wieder. Eine Wolke aus Staub hüllte ihn ein. Hustend und spuckend richtete er sich wieder auf.
Eine mitfühlende Seele reichte ihm eine Wasserflasche. Dankbar nahm Jorr sie entgegen und trank einen kräftigen Schluck. Wieder spie er aus und goss sich einen Teil über die Stirn. „Danke“, sagte er und gab die Flasche zurück.
„Keine Ursache“, sagte Doitsu Ataka.
Er deutete auf Akari Otomo und Michi Torah, die bewusstlos nebeneinander auf dem Boden lagen. „Was hast du jetzt vor?“
Marus Jorr grinste schief. „Was wohl? Ich habe gegen die beiden verloren. Sie haben mich besiegt und mein KI versiegelt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das überleben würde.“
Doitsu setzte sich neben den Naguad auf den Boden und trank nun selbst einen Schluck aus der Flasche. „Verdammt, die beiden haben meinen Hawk vom Himmel geholt. Hey, Kenji, hast du alles von dir gefunden?“
Der riesige Kenji Hazegawa kam zu ihnen herüber, wich dabei den Trümmern eines Banges aus. „Wenn die beiden das nächste Mal so einen Overkill veranstalten, sollten sie uns vorher besser vorwarnen, was?“
Nach und nach kamen weitere Soldaten der Erde und KI-Meister der Naguad zusammen.
Alle ließen sich bei den beiden nieder und teilten an Notfallreserven, was sie bei sich hatten.
Einer von ihnen, Commander Vardan Kors, deutete auf den mit Löschschaum bedeckten Aggregatblock des Antriebs in dieser Kaverne. „Gut, dass die Ingenieure den Block vom Strom genommen haben. Nicht auszudenken, was passiert wäre wenn nicht nur dieser sondern alle neun Energielieferanten durchgeschmort wären.“
„Tja, dann hätten wir unseren Auftrag erreicht gehabt und den Antrieb der AURORA vernichtet“, schloss Marus ernst. Er brach sich eine Rippe von einem Schokoriegel ab und reichte ihn Kenji zurück.
„Und uns alle mit dazu. Zudem haben sie die KI-Kräfte von uns allen in Dissonanz gebracht“, sagte Doitsu ernst. „Kann es etwas Gefährlicheres geben als dieses Paar?“
„Mir ist noch nichts derartiges begegnet“, sagte Marus ernst. „Absolut nichts, was sich aus der Energie zweier KI-Meister derart synchronisiert und potenziert hätte.“

Marus Jorr spürte, wie ihn zwei kräftige Arme von hinten umschlangen und in einen wirklich gemeinen Griff nahmen, welchen die Menschen Doppelnelson nannten. „Ist das zufällig dein Stiefelabsatz auf meinem Kinn, hä?“, rief Takashi Mizuhara wütend.
„Hey, das ist Misshandlung von Kriegsgefangenen“, beschwerte sich Jorr laut.
„Ich habe nicht gehört, dass du dich ergeben hättest“, konterte der Riese.
„Dann tue ich es eben jetzt!“
„Spielverderber.“ Takashi ließ den Mann fahren und setzte sich dazu. Er musterte die anderen KI-Meister. „Was ist mit euch?“
Abwehrend hoben sie die Arme. „Wir ergeben uns auch ohne dass du uns in die Mangel nimmst. Unsere KI-Kräfte sind sowieso versiegelt“, erklärte Vardan Kors. Die anderen nickten zustimmend.
Takashi sah zu der riesigen Anlage herüber. „Junge, alleine das putzen wird Wochen dauern.“
„Wir sollten es den beiden hier aufhalsen. Immerhin haben sie es verbockt. Himmel, für einen Augenblick dachte ich, die ganze AURORA explodiert. Was für eine Macht.“ Doitsu Ataka schüttelte nur fassungslos den Kopf.
„Schade, dass Kei nicht hier ist“, murmelte Kenji. „Der könnte jetzt ein paar tolle Fotos machen.“ Er deutete auf Akari, die ihre KI-Rüstung verloren hatte. „Die schlafende Akari Otomo mit seligem Babylächeln, Händchenhaltend mit dem gut aussehenden Michi Torah, der zudem auch noch seinen Kopf auf ihre Brust gebettet hat. Was für ein Bild.“
„Nur nicht neidisch werden. Du hast doch Emi, oder?“
„Schon. Aber bei diesem Lächeln, diesem offensichtlichen Glück kann man schon neidisch werden, oder?“ Kenji grinste breit.
„Das weiß seiner Haare und das schwarz von ihren bilden einen tollen Kontrast“, murmelte Marus Jorr. „Das hätte mir eine Warnung sein sollen, dass sich die beiden gut ergänzen.“
„Man sollte sich eben nicht so ohne Weiteres mit Akiras kleinster Schwester anlegen“, kommentierte Takashi amüsiert.
„Kleinste Schwester? Ich sehe keine Anzeichen für die Gene meines Hauses.“
„Das ist eine längere Geschichte. Eigentlich ist Akari ja ein als Mensch wiedergeborener Oni und…“
Entgeistert starrte Jorr den Major der Hekatoncheiren an. „Sie ist ein Bindeglied zwischen Menschenwelt und den Dämonen?“ Marus Jorr sackte in sich zusammen. Er lachte rau auf. „Dann ist sie ja Torum Acati ziemlich ähnlich. Er ist auch ein halber… Wie nennst du das? Oni. Sie hätte ihn vielleicht aufhalten können. Niemand sonst. Nicht einmal mein Bruder Akira.“
„Hm. Abwarten“, brummte Kenji.
„Ihr erwartet doch nicht etwa ein Wunder von Akira, oder?“
Die Offiziere und Mannschaften der Hekatoncheiren sahen sich an und begannen spontan zu lachen. Doitsu hatte bald Tränen in den Augen und Kenji musste sich seinen Bauch halten.
Takashi hatte sich sogar auf den Rücken fallen lassen.
„Was war denn daran so witzig?“
„Du hast gerade Akiras heraus ragendste Eigenschaft beschrieben, Kumpel“, antwortete Doitsu mit heiserer Stimme.
**
Die beiden Banges vom Red Team der AURORA waren knallrot. Aria mochte das, denn auch Lady Death, den sie wieder an Megumi abgetreten hatte, war knallrot gewesen.
Nebenbei war die Leistung der Red Team-Banges erhöht worden. Es erstaunte sie jedes mal aufs Neue, was die Menschen doch so alles schafften, wenn man sie ließ.
„Und du bist dir absolut sicher?“, fragte Aria die Pilotin im Banges direkt neben ihr, während sie zusammen mit zwanzig weiteren Maschinen der Fünften Division aus dem holographischen Himmel herab fielen.
Jora Kalis brauchte nicht lange zu überlegen. „Worüber sicher? Dass ich desertiert bin? Dass ich gerade in einem Banges stecke und dabei bin, meine Kameraden anzugreifen? Dass ich gerade gegen die Interessen des Imperiums handle? Nein, absolut nicht sicher.
Sicher ist nur eines: Die AURORA darf nicht zerstört werden. Die gute Million Anelph da hinten müssen verteidigt werden.“
„Na, immerhin etwas. Fünftes Bataillon, seid vorsichtig beim Angriff. Mit KI-Meistern habt Ihr noch nie gekämpft. Also achtet auf Leutnant Kalis´ Anweisungen.“
Die Klarmeldungen überschlugen sind. Es schien als wäre sie aus dieser Einheit nie fort gewesen, so schnell hatten die Männer und Frauen sie wieder akzeptiert.
Und es schien als wäre ihr Dienst mit ihnen schon eine Ewigkeit und nicht ein paar läppische Wochen. Sie kannte noch immer die Namen ihrer Soldaten nicht auswendig, dennoch glaubte sie jeden und seine Fähigkeiten genau zu kennen.
Es rasten noch immer vier Banges um Poseidon, hatten mittlerweile fast alle Abwehrstellungen ausgelöscht. Ein Magnetschwebebahnzug verließ gerade den Bahnhof, wurde gedeckt von den verbliebenen Geschützen auf dieser Seite. Dann beschleunigte er auf Höchstgeschwindigkeit und war fort.
„Da hat es wohl jemand eilig, was?“ Jora riss ihren Banges herum. „Hergehört, Ihr Trantüten. Jeweils fünf greifen einen Banges an. Zwei Fernkampfkonfigurationen attackieren den Banges permanent, drei Nahkampfmodelle bedrängen ihn im Nahkampf. Schnelle, kurze Attacken. Lasst euch nicht treffen, die meisten Schüsse und Schwertsteiche sind KI-verstärkt und können euch in Fetzen reißen. Verstanden?“
Die Piloten bestätigten und teilten sich selbstständig auf. „Was dagegen, wenn wir zusammen fliegen, Aria-Schatz?“, fragte Jora, während sie den Gruppen ihre Ziele zuteilte.
„Du bist auch eine KI-Meisterin, hm? Kein Problem. Je schneller wir unser Ziel eliminieren, desto schneller können wir den anderen helfen. Wen hast du uns denn ausgesucht?“
„Den Stärksten, Chad Noran.“
„Irgendwie habe ich nichts anderes erwartet. Na dann los!“
**
Als Yoshi und ich aus der Abbremskurve kamen und mit vollen Werten die Geschwindigkeit reduzierten, wurde die AURORA größer, immer größer, bis ich meinte, sie mit meinen Händen greifen zu können. In Momenten wie diesen wurde mir erst wieder bewusst, wie groß das Riesenschiff wirklich war. Der kleine aufleuchtende Ausschnitt, der Primes Hangar markierte, wirkte jedenfalls regelrecht verloren auf der gigantischen Oberfläche.
Seite an Seite mit Yoshi schoss ich hinein. Wir stoppten unsere Mechas hart an der inneren Schleusenwand, das Metall beulte sich unter dem Druck des Aufpralls ein.
Die äußere Schleuse schloss sich, der Druckausgleich erfolgte und die innere Schleuse öffnete sich. Wir rasten mit unseren Mechas hinein. Der Hangar war zum Glück nahe einem der Notzugänge für Mechas in den Innenraum der AURORA ausgestattet, die genau für solch einen Notfall erschaffen worden waren.
Ich flog vorneweg, Yoshi direkt hinter mir.
Als wir im Innenraum ankamen, war mir als hätte jemand mein Blut eingefroren. Als ich mich wieder gefangen hatte, war Prime nur noch wenige hundert Meter vom Boden entfernt. Hart fing ich ihn ab.
„Was ist passiert?“, rief Yoshi außer sich. „Da hat irgendjemand eine unglaubliche KI-Kraft entfaltet, so mächtig wie ich sie noch nie gespürt hat. War das wirklich ein Mensch?“
„Eher zwei oder mehrere Menschen! Otomo hier, wie ist die Lage?“
„Schön, dass du mal vorbei schaust, Akira. Aria kümmert sich mit ein paar Leuten von der Fünften Banges um die KI-Meister an der Poseidon-Station, aber sie hat einige Probleme damit. Wäre nett, wenn du Yoshi entbehren könntest.“
„Bin schon unterwegs“, rief der Freund und änderte seinen Kurs.
„Im Heck gab es gerade eine große KI-Eruption. Einer der Reaktoren ist vom Netz gegangen. Weitere Kämpfe werden nicht gemeldet. Hat wohl wenig Sinn, dort mal nachzusehen.“
„Verstehe.“
„Wo wir dich am dringensten brauchen ist bei den eingefrorenen Anelph. Ein einzelner KI-Meister ist dort gelandet und hält unsere Truppen in Atem. Es gab schon Dutzende Ausfälle. Wir haben eine Kompanie Hekatoncheiren von Kottos aktiviert bekommen, aber der Gegner hat sogar mit Daisuke den Boden aufgewischt, obwohl der in einem Mecha saß. Dafür hat er aber fünf Slayer in die Nähe der Plattformen geschafft. Wenn du den Gegner ablenken könntest, bis die fünf einen ähnlichen Schild erschaffen, der gerade Fushida City schützt, wäre das echt hilfreich.“
„Nur ablenken? Darf ich ihn auch besiegen?“
„Du kannst es gerne versuchen. Aber mich erreichen keinerlei Nachrichten aus dem Gebiet, kaum dass die ausgesandten Truppen ankommen. Der Kerl ist fies und stark.“
„Das heißt also ich muß mich vorsehen, was?“
„Nein, das heißt du musst überleben. Und noch was, Akira. Joan ist noch in Charleston. Du passt gefälligst auf sie auf, versprich mir das. Nur für den Fall dass sie glaubt, sie müsste einen KI-Meister mit bloßen Händen angreifen. Dies ist nicht der zweite Mars-Feldzug, wo sie eine Artemis-Lanze mit bloßen Händen gestoppt hat.“
„Schon klar, du hast mein Wort!“
„Danke, kleiner Bruder.“
Ich schmunzelte und korrigierte meinen Kurs. Tatsächlich holte der Zoom mir schnell das Kampfgebiet heran. Mehrere Panzer versuchten einen einzelnen Mann vom Resonatorfeld abzudrängen. Der aber nutzte geschickt das Feld als Deckung und lockte seine Gegner ein ums andere Mal in die Falle.
Ich zoomte noch tiefer und erkannte die fünf Slayer, die sich im Deckschatten der erbitterten Angriffe tiefer in das Feld hinein arbeiteten. Wenn der Mann sie entdeckte und direkt angriff, was konnte dann alles passieren? Das Schutzfeld aufzubauen hatte nun höhere Priorität als den Slayern Gelegenheit zu geben, sich im Kampf zu beweisen. Moment mal, fünf? Wo war White? Und wer hatte dann das Feld um Fushida aufgebaut?
„Mako, wo ist Akari?“ „Die habe ich zusammen mit Micchan zum Antrieb geschickt.“
„Du hast was?“ „War vielleicht ein Fehler.“
„Na, danke. Solltest du mich nicht besser beruhigen oder so?“
„Hast du mir nicht mal gesagt, du willst lieber immer gleich die Wahrheit wissen anstatt angelogen zu werden? Hm? Außerdem bin ich ja schon dabei, weitere Truppen hinzubeordern, um auf den neuesten Stand zu kommen.“
„Ist ja schon gut. Halte mich auf dem Laufenden, ja?“
„Ist gut.
„Verdammt“, fluchte ich. „Wenn Micchan nicht ordentlich auf Akari aufpasst, dann…“
Ich landete den Mecha am Rande eines Panzerwracks. Es war an der Seite aufgespaltet worden, die innen gelagerte Munition war hoch gegangen. Verdammt, das war doch nur ein Mann, zudem ohne Banges!
Ich warf Prime herum, begann zu laufen, auf den Gegner hinzu, der gerade einen Hawk mittig traf. Ich konnte beinahe sehen, wie der Fluss seines KI den Körper des Mechas erfasste, auflud und dann meterweit davon schleuderte.
Ich… Entsetzt sah ich zur Seite des Schlachtfeldes. Dort hockte Gina, auf ihrem Schoß eine junge Frau gebettet. „Ai-chan!“ Hastig aktivierte ich die Lautsprecher. „Gina, was ist passiert?“
„Er…“, begann sie mit erstickender Stimme, „…hat Ai-chan das Genick gebrochen. Und dann hat er Joan mit seinem KI den Verstand aus dem Hirn geblasen!“
„WAS?“ Ich suchte und fand Joan Reilley ein paar Dutzend Meter entfernt. Sie kniete auf dem Gras und schwankte vor und zurück, wie ein Grashalm in starkem Wind. Ihre Augen waren leer und starrten ohne zu blinzeln in unerreichbare Fernen. „Joan…“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Schon wieder. Schon wieder hatte jemand Joan dieses Verbrechen angetan. Schon wieder war alles was sie war und was sie wusste ausradiert worden!
Ich entsiegelte das Cockpit, löste Anschlüsse und Gurte und schoss daraus hervor. Auf dem Boden rollte ich mich ab, kam auf die Beine und lief zu Joan herüber. „Joan!“
Ihre Augen starrten durch mich hindurch, mit keiner Bewegung ihrer Miene registrierte sie meine Anwesenheit. Fassungslos brach ich vor ihr in die Knie ein. „Joan…“ Ich strich über ihre warme Wange, sah in die verlorenen Augen. „Joan…“
Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich das Mädchen in die Arme schloss. Wie hatte dieser Kerl ihr das antun können? Wie hatte irgendjemand meine Joan überhaupt verletzen können? „Ich räche dich.“

Entschlossen stand ich wieder auf. „Otomo hier. Alle Truppen haben sich aus dem Bereich des Angreifers zurückzuziehen. Ich übernehme ab jetzt.“
„Division Commander, Begam Torum Acati hat bereits sieben Hawks, neun Panzer und vierunddreißig Infanteristen getötet. Sie sollten dieses Monster nicht alleine stellen!“
„Sie haben Ihre Befehle. Warten Sie das Ende des Kampfes ab und schicken Sie dann Sanitäter.“
„Verstanden, Sir. Und viel Glück.“
„Blue, kannst du mich hören?“
„Laut und deutlich, Akira-san.“
„Ich lenke den Begam ab. Erschafft Ihr das Schutzfeld, ja?“
„Du trittst ihm alleine entgegen? Er hat sogar Daisuke umgehauen. Sein Mecha liegt in Charleston auf der Straße. Und er flucht seitdem wie ein Rohrspatz. Außerdem hat sich Dai-chan was gebrochen und…“
„Hina, ich komme schon klar. Okay?“
„Okay. Viel Glück und bleib am Leben.“
Ich nahm den Helm ab, warf ihn fort. Dann schälte ich mich aus dem Pilotenanzug. Bei dem was nun kam würde er mir eher hinderlich sein. „Das kann ich nicht versprechen, Hina-chan.“
Torum Acati also war mein Gegner?
Irritiert über den Rückzug seiner Opponenten ging er zu dem Wrack seines Banges zurück. Genau in meine Richtung. Ich ergriff mein Katana, zog es blank.
Der Begam musterte mich interessiert, hob seine eigene Waffe. „Noch so einer? Hier muß irgendwo ein Nest sein.“
„Mit mir wirst du es wesentlich schwerer haben, versprochen“, sagte ich düster und hüllte meine Klinge in KI ein. Wütend knurrte ich auf. Ein blaues Licht umspülte mich, verhüllte meinen Körper, mein Gesicht und meine Augen.
Als das Licht erlosch, trug ich eine blaue Uniform mit goldenen Akzenten.
Torum Acati sah mich erstaunt an. „Hm? Hätte ich mir ja gleich denken können, bei dem Gesicht. Die Familienrüstung der Arogad. Interessant. Jetzt erwarte ich doch einiges von diesem Kampf.“
„Jetzt, Hina“, murmelte ich mehr zu mir selbst und prallte mit Acati zusammen.

Hinter uns gab es plötzlich eine große KI-Entfaltung. Die Mädchen begannen damit, das Schild aufzubauen. Acati spürte es auch, sah es, vielleicht sogar besser als ich. Er drückte mich zur Seite, lief auf das Feld zu. Ich fiel darauf herein, wollte ihm nachhetzen und wurde von einem Tritt getroffen, der mich meterhoch nach hinten und in die Luft schleuderte. Die KI-Rüstung fing einiges ab, aber da war Acati schon heran und trieb mir seinen Ellenbogen auf den Halsansatz.
Es schmerzte höllisch, trieb mich wieder dem Erdboden entgegen.
„Zwei Schläge und du lebst noch? Bist du ein Banges, Bursche?“
Benommen schüttelte ich den Kopf. „Verdammt. Verdammt. Verdammt!“
„Ich sage dir, woran es hapert, Sohn von Arogad. Du bist stark und schnell. Deine Rüstung hält viel aus. Aber du bist noch ungeschliffen. Du liest mein KI nicht. Ich deines aber schon. Deshalb weiß ich, wie du dich bewegen wirst. Deshalb weiß ich was du tun wirst.“
Mühsam versuchte ich mich aufzurappeln. Ich fiel wieder zu Boden. Mist, hatte der Bastard mich hart getroffen. Wieder versuchte ich hoch zu kommen.
„Du bist dann wohl der Letzte, oder? Wenn ich dich besiegt habe, ist die AURORA in meiner Hand, richtig? Dann nützen euch auch diese Schutzfelder nichts mehr.“
Ich sah auf, gerade rechtzeitig um zu erkennen, wie ein gigantisches, golden glitzerndes Feld entstand und den gesamten Bereich um die Podeste einhüllte. Blue stand inmitten der Tribünen, die anderen, Black, Red, Orange und Green hatten sich um sie herum angeordnet. Hina konvertierte das KI, welches die Mädchen ihr spendeten und kreierte damit das Schutzfeld.
„Wenn du der letzte starke Gegner warst, dann wird euer Anführer hoffentlich einsehen, dass weiterer Widerstand sinnlos ist. Tut mir Leid, Junge, aber ich glaube, du musst jetzt sterben.“
Acati trat auf mich zu, hob seine Waffe.
Verzweifelt baute ich ein KI-Schild auf. Verdammt, konnte es, musste es so Zuende gehen? Ich sah die Klinge niederfahren und schloss die Augen. Nicht stark genug. Falsch gehandelt.

Die Klinge kam nie an. Stattdessen stieß der Begam einen derben Fluch aus. „Du schon wieder?“
Ich öffnete die Augen. Direkt vor mir stand eine junge Frau in einer aparten Kombination aus Minirock und ärmellosem Shirt. Sie hatte die Klinge des Begams zwischen zwei Händen aufgefangen und stemmte sich in dessen Druck hinein.
„Joan?“, rief ich ungläubig.
Begam Acati stemmte sich noch mehr in seine Klinge hinein, aber Joan hielt stand.
„Aki… chan…“, hauchte sie. Kurz sah sie zu mir zurück, in ihren verlorenen Augen stand für einen Augenblick ein wenig Gefühl. „…beschützen… Aki… chan…“
Mühsam richtete ich mich wieder auf. Joan hatte mir die Zeit erkauft, die ich gebraucht hatte.
„Ich habe deinen Verstand ausradiert. Wie kann das sein?“ Acati befreite seine Klinge mit einem Ruck und sprang ein paar Meter weit davon.
„Diese Situation ist nicht neu für sie. Auf der Erde wurde sie von den Kronosiern entführt und zum Cyborg gemacht. Damit ihr keine unnötigen Gefühle im Weg waren, hat man ihren Verstand komplett gelöscht. Also im Prinzip haben sie das gleiche getan wie Sie jetzt.“
„Aber sie nennt deinen Namen. Sie spricht! Sie erkennt dich! Das dürfte überhaupt nicht möglich sein!“
„Schon damals“, sagte ich ernst und fühlte einen dicken Kloß im Hals, „war ihr für sie ein Anker in die Realität.
Joan sah mich wieder an, begann zu zittern. „Aki… chan.“
Ich trat an die junge Frau heran, legte den linken Arm um sie und drückte sie an mich. „Für das was du ihr angetan hast, wirst du jetzt büßen, Begam Torum Acati!“
Die Dankbarkeit für Joan, die Wut auf den Begam, mein fester Wille und das Wissen, dass der Tod von Ai-chan nicht umsonst sein durfte, ebenso wenig wie die Tode der tapferen Verteidiger rings um mich, aktivierte mein KI. All das manifestierte sich in meinem Blick.
Und plötzlich konnte ich mit meinem eigentlich fast blinden rechten Auge, das lediglich Schattierungen erkannte, wieder etwas sehen. In Farbe, mit Tiefe… Und mit dem pulsierenden KI in Acatis Körper.
Acati schrie auf, wandte sich ab. „Das Auge! Sieh mich nicht mit dem Auge an! Die Großmeisterin… Natürlich, die Warnung vor dem Auge! Du!!!“
Wieder sah er mich an, vermied aber den direkten Blick. „Du… Du musst hier sterben! Du bist zu gefährlich für dieses Universum! Ich muß dich töten, und wenn das ganze Schiff um uns herum explodiert. Und wenn ich sterbe!“
„Versuch es doch!“, rief ich wütend und verstärkte meine Aura mit all meiner Kraft.
Acati handelte ebenso, fuhr sein KI bis ans Maximum. Ich sah die ungeheuren Mengen, die von seinem Sternum ausgingen und seinen ganzen Körper erfassten, die Aura erreichten und diese verstärkten.
Auf der höheren Ebene entstand ein Kontakt. Wieder standen sich zwei Krieger gegenüber, mit langen Lanzenwaffen bewehrt. Sie griffen einander an, tauschten Hiebe aus und passierten sich. Beide waren verletzt worden, gingen aber sofort wieder in Angriffshaltung.
Ich stöhnte leise, als der Schmerz bis zu mir durchschlug. Erneut verstärkte ich meine Aura. Ich fühlte regelrecht, wie mein rechtes Auge von innen heraus zu leuchten begann!
Dann griff mein Krieger erneut an, stürzte auf seinen zu, während ich in der Realität den Arm um Joans Schulter abnahm und Acati direkt angriff. Allerdings machte der ganze Staub meiner Sicht schwer zu schaffen. Torum Acati erwartete mich schon, hatte seine Klinge zu einem Karatake, einem Hieb von oben erhoben. Ich würde einen Miginagi ausführen, einen Schlag von rechts auf seinen Rumpf. Wenn nur der ganze Staub nicht wäre.
Ich spürte, wie sich zwei schlanke Arme um meine Hüfte legten und mich stoppten.
„Nicht… sterben… Aki… chan…“
Entsetzt hielt ich inne. Und erkannte, woher der Staub kam. Wir, ich und der Begam, vernichteten den Boden mit unseren Auren!
Aber es war für einen guten Preis, für die Rettung der AURORA! Wieder wollte ich angreifen, als vor meinem Auge plötzlich ein bekanntes Gesicht erschien. „Akira!“
„Hina-chan!“
„Akira-san, was tust du da? Ihr vernichtet die AURORA!“
„Was?“, rief ich entsetzt. Und erkannte, dass sich unsere Auren bereits zwanzig Meter weit in den Boden gefräst hatten. „WAS?“

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Der Innenraum der AURORA lag weit offen vor Makoto. Er stand am Rand einer Plattform von Poseidon, die Mechas im Notfall als Landeposition dienen sollten, wenn der Verteidigungsfall dies erforderte.
Makotos Blick ging über das Serenity-Meer hinaus bis hin zu den Feldern, auf denen die Gerüste mit den Anelph und Menschen im eingefrorenen Zustand aufgebaut waren.
Davor, nahe dem Städtchen Charleston, einer ländlichen Agrargemeinde stand eine gewaltige Staubwolke in der Luft. Es schien, als wäre ein Tornado niedergegangen und riss nun tonnenweise die Erde auf den Feldern, um sie in einer gewaltigen Spirale gen Himmel zu saugen.
Der holographische Himmel schien die Schwaden zu verschlucken, nur um sie als feinen Riesel über die AURORA verbreitet herab gehen zu lassen.
Makoto sah nicht, was dort vor sich ging, aber er fühlte es. Akira hatte all seine Kraft aufgeboten und stand nun im direkten Zweikampf gegen Torum Acati. Die Kräfte der beiden prallten aufeinander, rieben sich aneinander und brachten ihrer Umgebung Chaos.
Dies ging so lange gut, bis die Auren der beiden KI-Meister gesättigt waren.
Auf einem Planeten, auch wenn man bedachte, dass die relevante Luftschicht lediglich zwanzig Kilometer betrug, waren die Folgen hieraus zu kompensieren.
In der AURORA aber, zwei Kilometer nach oben, sieben nach vorne und hinten und vier zu den Seiten sowie zwei nach unten würde es eine Katastrophe geben, wenn die Auren der beiden gesättigt waren. Sie würden sich gegeneinander entladen. Ihre vollen Potentiale entfalten. Bereits jetzt löste ihr KI den Boden unter ihren Füßen auf, riss ihn als feinen Staub in die Luft.
Wenn die Entladung kam, würden sie gewaltige Schäden verursachen. Auf einem Planeten würde man dies kompensieren können, eine Erdkruste von dreißig und mehr Kilometern fing einiges ab – sogar das! Aber die dünne Kruste, auf der die AURORA aufgebaut war…
Mittlerweile hatten Akira und Acati über zwanzig Meter Boden unter ihren Füßen aufgelöst. Der Vorgang beschleunigte nicht, ging aber weiter vonstatten. Wenn sie bei diesem Tempo blieben, würden sie in zehn Minuten durch die Grey Zone fallen und in einer halben Stunde den Gravitationsgenerator erreichen. Von dort waren es noch einmal drei Minuten, um im Vakuum des Alls zu enden – das setzte natürlich voraus, dass die Auren der beiden nicht schon vorher ihre Sättigung erreichten und den gesamten Innenraum zerquetschten, bevor sie ihn zerrissen. Gegen das was dann an Gewalten toben würde, waren die Schilde, errichtet von den Slayern und Futabe-sama nur ein dünnes Seidentuch in einem Orkan.
Mit brennenden Augen starrte Makoto die Staubsäule an. Unter ihr befand sich Akira, kämpfte um sein Leben, um das seiner Freunde und um die Leben all jener, die sich hier an Bord befanden, darunter eins Komma drei Millionen Anelph.
War es nicht Ironie pur, dass er wahrscheinlich das Gegenteil erreichte?
Makoto ballte die Hände zu Fäusten. Seine Wangen liefen Tränen herab. „Akira…“, hauchte er leise. Warum konnte er ihm nicht helfen?

Anime Evolution: Erweitert präsentiert
Makoto Ino – die Hunde der Arogad

1.
Wenn Makoto zurückdachte, an seine Kindheit, dann war seine älteste Erinnerung wohl diese: Ein Raum, überfüllt mit Erwachsenen, darunter seine und Sakuras Eltern. Alle hatten festliche Kleidung angelegt und jeder hielt ein Glas in der Hand. Makoto erkannte auch Onkel Eikichi und Tante Helen, die neben einer Kinderkrippe standen.
Es waren außer ihm nur wenige Kinder im Raum, darunter Sakura, seine Schwester, die gerade in diesem Moment zur Krippe ging und hinein sah.
„Der sieht aber klein aus“, rief sie aufgeregt. „Ist das meiner?“
Makoto lief schnell hinzu. Er stolperte auf dem Weg zweimal, aber hilfreiche Erwachsene halfen ihm leise lachend wieder auf. Er war ja halt noch klein, erklärten sie schmunzelnd.
„Deiner?“, fragte Onkel Eikichi irritiert.
Diese Frage warf Sakura etwas aus der Bahn. „Opa Aris hat doch gesagt, Helens Kind ist meiner“, sagte sie mit einem trotzigen Ton in der Stimme, den die Siebenjährige immer dann an den Tag legte, wenn die Großen etwas Offensichtliches nicht verstanden.
Karen, ihre Mutter kam von hinten und legte beide Hände auf die Schultern ihrer Tochter. „Das musst du falsch verstanden haben, Sakura-chan. Opa meinte bestimmt nicht…“
Makoto spürte, wie jemand seinen Kopf tätschelte. Er wandte sich um und sah diesen großen, grauhaarigen Mann und dem riesigen Schnauzbart. Der Große lächelte ihm zu und Makoto umarmte den Mann. „OPA!“
Der Große nahm ihn auf die Arme und beugte sich mit ihm zur Krippe vor.
Dort lag ein pummeliger kleiner Mensch, sabberte aus einem Mundwinkel und döste.
„Ein prächtiger Junge. Wird bestimmt mal riesengroß, wenn ich mir den Vater so ansehe. Welchen Namen habt Ihr ihm gegeben?“
Eikichi schmunzelte leicht. „Er wird Akira heißen, Aris.“
„Hm. So. Und wie lautet sein richtiger Name?“
„Aris, bitte“, erklang die Stimme von Großtante Eri hinter ihnen auf. „Wir waren uns doch einig dass…“
„Schon gut, Mutter“, sagte Tante Helen und lächelte. „Auch wenn dies eine neue Welt ist, sollten wir nicht alle Erbstücke unserer Vorfahren vergessen. Vor allem nicht wenn diese Vorfahren noch sehr lange unter uns weilen.“ Sie lächelte Opa an. „Wir haben ihm einen traditionellen Naguad-Namen als Zweitnamen gegeben.“
„Das ist dann wohl ein Kompromiss mit dem ich leben muß“, schmunzelte Opa. „Wie lautet denn dieser Name?“
„Wir nennen ihn Aris.“
Für einen Moment war Opa verblüfft. Makoto befürchtete für einen Moment, er würde ihn fallen lassen. „Es… Es ist nicht gut, ihm den Namen eines Bluthunds zu geben, Helen.“
„Vater, bitte. Dies ist eine neue Welt und es sind neue Zeiten. Ich bin hier geboren, mein Mann ist hier geboren und meine Kinder sind es auch. Wir müssen nicht unbedingt jede Familientradition fortführen.“ Beschützend legte Karen beide Hände auf Sakuras Brust und drückte sie an sich. „Hier gibt es keine Herren und keine Hunde.“
„So sehr ich dich liebe, Karen, aber in diesem Punkt enttäuschst du mich. Du entehrst mich, deine Vorfahren und deine Mutter, die Götter mögen ihr gnädig sein. Seit zweitausend Jahren dienen die Taral innerhalb der Arogads als Bluthunde, und wir allen waren stolz auf dieses Erbe.“
„Aris“, sagte Eri leise. „Lieber Cousin, deine Tochter hat Recht. Dies ist eine neue Welt. Aber auch Helen hat Recht. Wir sollten nicht alle Traditionen vergessen. Karen, ich weiß du siehst das anders, aber die Bluthunde der Arogad sind nicht nur gefürchtet. Sie sind auch hoch verehrt, weil sie auf ihrem Gebiet die besten sind. Es gibt keine besseren Wächter, keine besseren Beschützer. Und die Taral sind die Elite der Bluthunde. Du selbst warst ein sehr guter Bluthund.“
Ein Schatten legte sich auf Karens Gesicht. „Und das hat meinem Bruder Angrid das Leben gekostet. Versteht Ihr denn nicht, dass ich das Sakura ersparen will? Und Makoto? Und vor allem Akira? So viel Leid…“ Sie legte eine Hand an ihr Gesicht und wischte ein paar Tränen fort. „So viel Leid…“
„Es mag sein, dass diese Erinnerungen schlimm für dich sind, Karen“, sagte Eikichi ernst. „Ich kann nicht ermessen, was du und die anderen durchgemacht habt. Wahrscheinlich will ich das auch gar nicht. Aber ich habe nicht vor, meinen Sohn unvorbereitet in diese Welt gehen zu lassen. Egal was ihm passiert, ich werde ihm mitgeben was er braucht, um selbst bei unerwarteten Ereignissen zumindest reagieren zu können anstatt ihn blindlings in die Gefahr laufen zu lassen. Auch ohne eine Hausflotte oder einen imperialen Core kann hier soviel passieren.“
„Will runter“, quengelte Makoto. Opa setzte ihn ab und sofort stand der kleine Mann an der Krippe und starrte mit großen Augen hinein. Akira. Was für ein hübscher Name.
Mutter rang sichtlich mit sich. „Ich will dieses Verhältnis zwischen Herr und Sklave nicht haben. Nicht für Sakura.“
„Die Taral waren noch nie Sklaven und werden es auch nie sein. Sie haben nur eine Aufgabe übernommen und erfüllen sie mit ganzem Herzen“, sagte Großtante Eri ernst. „Und dafür sind wir ihnen sehr dankbar.“
„Aber deswegen müssen wir nicht die Initiierung veranstalten“, erwiderte Mutter genauso ernst.
„Nein, deswegen nicht. Aber würdest du einem alten Mann diesen Wunsch erfüllen? Ich habe nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt, Karen, und ich könnte sie mit ruhigerem Gewissen verlassen wenn ich wüsste, dass der Enkel meiner geliebten Cousine in guten Händen ist.“
Sakura war der Unterhaltung aufmerksam gefolgt, sie war erstaunlich pfiffig für ihre sieben Jahre. Und sie hatte ihre eigene Meinung zu diesem Thema. Sie riss sich von ihrer Mutter los und trat an die Krippe. Mit Bestimmtheit in der Stimme deutete sie auf das Baby und sagte: „Meiner! Ich beschütze Akira-chan!“
Ihre Mutter schluckte trocken. Nun flossen die Tränen ohne Halt und Boden. Sie ging auf die Knie nieder, zog ihre Tochter zu sich heran und drückte sie. „In Ordnung, Sakura. Akira ist deiner. Deinem Opa zuliebe.“
Opa Aris sah stolz auf sie herab.
„Jeder in diesem Leben kann einen Freund gebrauchen. Und es schadet überhaupt nicht, wenn du für Akira dieser Freund wirst“, sagte Opa. Mutter begann bei diesen Worten zu lächeln.
Die anderen Erwachsenen schmunzelten.
„Darauf wollen wir trinken“, sagte Eikichi. Er hob sein Glas, forderte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
„Zur Feier der Geburt unseres Sohnes darf ich etwas sehr erfreuliches verkünden. Aris Taral hat soeben seine Enkelin Sakura zu seiner Beschützerin ernannt.“
Aufgeregtes Raunen ging durch den Raum, in dem neun Nationalitäten versammelt waren.
Gläser reckten sich spontan in die Höhe, die Menschen prosteten sich zu.
„Auf Haus Arogad!“, rief jemand. „Auf Haus Fioran!“, rief ein anderer.
Makoto aber sah noch immer auf das Bündel Mensch in der Krippe. Er ging zu Tante Helen und zupfte an ihrem Rock, bis sie sich zu ihm herunterbeugte. „Tante.“
„Ja, Makoto-chan?“
„Tante, kriege ich auch einen?“
„Was? Du willst auch ein Beschützer werden?“
Makoto nickte aufgeregt.
Karen seufzte laut. „Na, da habt Ihr ihm ja einen ganz schönen Floh ins Ohr gesetzt. Prächtig.“
„Keine Sorge, so schnell planen wir keinen Nachwuchs mehr“, wiegelte Helen ab.
„Sprich nur für dich selbst“, brummte Eikichi amüsiert und drückte seine Frau an sich.
**
Ein Jahr später wurde Yohko geboren. Makoto war damals noch zu jung um als ihr Beschützer initiiert, ihr Bluthund zu werden, aber seine Bestimmung stand schon seit dem Tag fest, an dem Sakura initiiert worden war. Er und seine Schwester hatten fortan die Aufgabe, Eikichis und Helens Kinder zu verteidigen. Und in der Tradition der Tarals bedeutete dies, notfalls für sie zu sterben.

2.
Sakuras harter Tritt traf Makoto auf den gestählten Bauchmuskeln. Er ging zudem mit dem Tritt mit, um ihm etwas Wucht zu nehmen. Dennoch wurde er nach hinten geworfen, rollte sich ab und blieb einen Moment liegen.
„Darauf falle ich nicht rein, Brüderchen“, spottete Sakura und winkte ihm, wieder aufzustehen.
In einer fließenden Bewegung erhob sich Makoto wieder. „Für ein Mädchen trittst du ganz schön hart zu. Sei nett zu mir, ja?“
„Wer ist hier ein Mädchen, hä?“, blaffte sie, griff an und entblößte einen Teil ihrer Deckung. Eine verlockende Gelegenheit für einen Angriff. Doch Makoto nahm die Eröffnung nicht an. Sakura war gewitzt und klug. Das war nur eine geschickte Falle für ihn.
Stattdessen ging er in die Hocke und versuchte, seine Schwester mit einem Fußfeger von den Beinen zu reißen.
Sakura sprang darüber hinweg und bevor sich Makoto versah, saß sie auf seinem Rücken, hatte ihre Knie in sein Rückgrat gebohrt und zu Boden gepresst.
Makoto klopfte dreimal auf die Matte, um seine Niederlage einzugestehen.
Seine Schwester ließ ihn seufzend los, erhob sich und holte zwei Handtücher. Eines warf sie ihrem Bruder zu, mit dem anderen begann sie sich abzutrocknen.
„Du bist schon sehr viel besser, Mako-chan. Du lernst jeden Tag dazu. Die Zeit im Hawk macht sich bemerkbar. Du wirst schneller, deine Reflexe greifen besser. Dir fehlt nicht mehr viel, um meinen Level zu erreichen.“
„Quatsch. Du bist mir fünf Jahre voraus, Sakura-chan.“ Nachdem er sich abgetupft hatte erhob sich Makoto und streckte sich. Noch vor einem Jahr hätte dies bei Sakuras letztem Bauchtreffer eine Welle Schmerzen verursacht. Aber da unten bestand er mittlerweile nur noch aus Stein, glaubte er manchmal.
„Wie geht es voran, Makoto? Wie steht es um die Welt?“
„Hm, ich habe diese Frage erwartet. Wir sind ein sehr gutes Team. Megumi macht sich hervorragend. Wo wir auftauchen, haben die Kronosianer schlechte Karten. Und solange ich auf Akira und Yohko aufpasse…“
Ein Schatten legte sich über Sakuras Augen. Makoto fühlte sich schuldig, obwohl es dafür keinen Grund gab. Sakura war Akiras geschworene Beschützerin. Sie hatte dieser Aufgabe gerecht sein wollen, die Synchronisation mit einem Hawk versucht – und wäre bei dem Versuch beinahe gestorben.
Also hatte Makoto es probiert. Es hatte beinahe sofort geklappt. Nun war er die meiste Zeit Akiras Beschützer, und der von Yohko.
„Geschenkt“, murmelte Sakura. „Ich weiß selbst, wie gut du bist. Aber wie steht es um die Welt?“
„Die Frage kannst du doch viel besser beantworten.“ Makoto gähnte. „Ich kriege meine Briefings immer kurz vor dem Einsatz, aber du kriegst als Stabsoffizier doch den Gesamtüberblick, richtig?“
Die junge Frau, die als Captain für besondere Aufgaben im Generalstab der UEMF diente, nickte leicht. „Natürlich kriege ich ne Menge mit. Und natürlich sehe ich die Gesamtlage. Was mich wirklich interessiert ist aber die Stimmung in der Truppe. Davon kriegen wir da oben nicht sehr viel mit.“
Makoto winkte ab. „Die Daishis sind brandgefährlich, aber man kann sie mit den Jets der verschiedenen Luftstreitkräfte durchaus vom Himmel holen, wenn die Piloten sich anstrengen und richtig trainiert werden. Akira hat schon entsprechende Aufbaukurse entwickelt, obwohl Eikichi und der Rat ihn um die Welt hetzen.“ Makoto grinste dünn. „Onkel Eikichi hat ihm übrigens verboten, seinen Mecha außerhalb eines Kreises Eingeweihter zu verlassen. Er meinte, es könnte die Moral der Truppe drücken, wenn sich herausstellt, dass der Pilot von Primus, dem ersten Mecha der Menschheit gerade mal vierzehn Jahre alt ist.“
„Oder es spornt die anderen an, ebenfalls gute Leistungen zu bringen, was meinst du?“
Sakura setzte sich auf die Matte, zog die Beine an sich und umklammerte sie. „Akira ist noch jung, aber bereits sehr charismatisch. Die japanischen Offiziere und Mannschaften hat er jedenfalls um den kleinen Finger gewickelt. Erst neulich haben Wachmannschaften ihr Leben riskiert, um kronosianische Agenten davon abzuhalten, seinen Spind auf der Alpha-Basis zu plündern. Seinen Spind! Und die Wachen benahmen sich, als hätten die Agenten Akira entführt.“
„Ach, das war also dieses Feuergefecht mit den drei toten Agenten… Hm, ich kann es den Jungs nicht verdenken. Im Spind ist genügend zu finden, um Aufschluss über den Top-Piloten der UEMF zu geben. Das ist der gute Part an der Verdunklung der Identität von Blue Lightning. Auch der Feind erfährt nichts über ihn. Nur die aktuellen Abschusszahlen.“
„Hm. So kann man es auch sehen“, murmelte sie. „Und wann geht er wieder zur Schule?“
„Was, bitte?“
„Na, er kann ja nicht ewig einen Mecha steuern, oder? Außerdem, seit du und Megumi-chan und Yohko ebenfalls in einen Mecha geklettert sind und bereits sechs weitere Piloten trainiert werden, um sie auf den neuen Hawks einzusetzen, kriegt er mehr und mehr Luft.“
„Und der Feind wird merkwürdigerweise von mal zu mal stärker“, konterte Mako.
„Ja, das ist uns auch schon aufgefallen. Wir haben die Cassini-Sonde auf einen neuen Kurs gebracht, um uns den Mars mal genauer anzusehen. Wir sind schon sehr gespannt auf die Ergebnisse. Also, wann kommt Blue Lightning wieder zur Schule?“
„Die Fushida Mittelschule ist gesichert?“
„Die Fushida wird permanent überwacht und die neuen Schüler peinlich genau auf Lücken in ihrer Vergangenheit gecheckt. Ebenso verfahren wir mit der Fushida High, auf die Akira und Megumi anschließend gehen werden. Eikichi baut gerade einen Geheimdienstkader auf, der aus Gleichaltrigen besteht. Rekrutiert werden die Kinder von Agenten, die ohnehin schon für die UEMF arbeiten. Stell dir vor, der Sohn vom alten Hatake hat sich freiwillig gemeldet. Ihm wurde wegen hervorragender Tests die Leitung der Truppe im Feld übertragen.“
„Eine große Ehre für einen Vierzehnjährigen.“
„Nein, er ist zwei Jahre älter als Akira. Das macht es etwas problematisch. Aber seine Fähigkeiten sind unbestritten. Es wird halt nur etwas komplizierter als wir uns das gedacht haben.“
„Hm. Warum soll es auch anders sein als sonst auch?“ Makoto ließ sich nach hinten auf die Matte fallen und streckte alle viere von sich. „Ich denke mal, Eikichi wird Akira und den anderen bald einen Vortrag halten, so von wegen, das Leben besteht nicht nur aus Kampf und so. Und sie verpflichten, wieder zur Schule zu gehen. Wenigstens wann immer ihre Zeit das erlaubt. Die Psychologen sind ebenfalls dafür, den dreien etwas Normalität mitzugeben. Sie… Wir rechnen schon sehr lange damit, dass einer von ihnen irgendwann mal begreift, richtig real begreift, dass sie effektiv intelligente Wesen töten – und dass dies zu einem emotionalen Zusammenbruch führt.“
Makoto sah zu seiner Schwester herüber. „Warum willst du das mit der Schule wissen?“
„Ich mache gerade meinen Abschluss.“
„Hm? Habe ich was nicht mitgekriegt?“
„Hast du. Ich werde Lehrerin.“
„Was? Lastet dich die Zeit im Generalstab nicht aus? Oder die Arbeiten für die Titanen-Plattform und den OLYMP?“
Sakura sah zu ihm herüber. In ihren Augen standen Tränen. „Das ist es nicht. Aber wenn ich Lehrerin werde dann kann ich auf die gleiche Schule gehen wie Akira.“ Sie ballte ihre Hände zusammen. „Verdammt, Mako, ich bin seine geschworene Beschützerin. Ich müsste in deinem Hawk sitzen und auf seinen Arsch aufpassen.“
„Nimm dir das doch nicht so sehr zu Herzen, Schwester. Mom hat doch selbst gesagt, wir sollen es mit den Traditionen der Familie nicht so übertreiben. Und selbst Opa hat gesagt…“
„Aris sieht in mir eine Versagerin“, rief Sakura wütend. „Eine Versagerin, weil ich meinen kleinen Bruder meine Arbeit tun lasse! Mako, wir sind Bluthunde! Die Bluthunde der Arogad! Und ich nehme diese Aufgabe sehr, sehr ernst. Ich kann sie nicht tun, nicht so wie du. Aber ich werde auf meine Weise meinen Teil dazu beitragen. Also werde ich Lehrer, gehe an diese Schule und beschütze Akira!“
„Nun mach mal halblang! Opa glaubt bestimmt nicht, dass du ein Versager bist! Nein, er hat dich sogar getadelt, weil du unter der Verbindung mit dem Hawk damals beinahe gestorben wärst. Opa liebt dich, das weißt du.“
„Wir sind Bluthunde!“, beharrte sie trotzig. „Wie kann Opa jemanden lieben, der der Familienaufgabe der Taral nicht gerecht wird?“
„Natürlich liebt er dich. Warum verwöhnt er dich denn so, hm? Du bist sein Augenstern.“ Makoto setzte sich auf. „Du bist auch mein Augenstern, falls ich dir das heute noch nicht gesagt habe. Also, warum steigerst du dich da so rein? Wir tun auf der Erde, was immer in unserer Macht liegt. Warum reicht dir das nicht?“
Betreten sah Sakura zu Boden. „Ino, hm? Wir hätten uns gleich Inu nennen sollen – Hunde. Das ist unsere Aufgabe, und der werde ich nicht gerecht. Ich liebe Opa Aris sehr, und ich kann es nicht mit ansehen, wenn er glaubt, dass seine Kinder und Enkel nicht das gleiche für Eri-oba-chans Familie tun können was er für Eri-oba-chan tut. Außerdem hat selbst Eikichi gesagt, dass sogar die ganze Welt uns Bluthunde nun braucht. Deshalb will ich ihn beschützen. Ihn und sie. Und Megumi. Und dich, kleiner Bruder.“
„Sehr nett von dir“, scherzte Mako. „Ich liebe Akira, habe ich das schon erwähnt?“
Erschrocken sackte Sakura in sich zusammen. „Was?“
„Ich liebe ihn.“
Sie wurde rot. „A-auf diese Weise oder eher allgemein?“
„Gibt es da einen Unterschied? Du bist seine geschworene Beschützerin und ich bin eigentlich für Yohko-chan da. Aber für ihn würde ich ebenso leicht sterben…“ Makoto senkte nun den Blick. „Aber es ist wohl doch eher allgemein. Wie ist es mit dir?“
Sakura schmunzelte. „Ich liebe ihn auch. Ihn und Yohko-chan und Megumi-chan. Mit all meiner Kraft und all meinem Herzen. So sehr, dass es beinahe schon weh tut. Ob es diese Form der Liebe ist weiß ich nicht. Aber ich würde für einen von ihnen noch leichter sterben als du.“
„Ahso. Aber bevor das zu einem Wettkampf ausartet weil ich sage, ich sterbe noch viel leichter für ihn, und wir richtig makaber werden, einigen wir uns einfach darauf dass er ein toller Mensch ist und wir froh sind, Teil seines Lebens zu sein. Okay? Für den Rest müssen wir halt sehen, wie es sich entwickelt. Egal in welche Richtung.“
„Das waren sehr weise Worte für einen jungen Menschen wie dich“, stellte Sakura anerkennend fest.
„Sind nicht meine Worte. Opa hat mir das gesagt. Er hat mich daran erinnert, dass er und Eri-oba-chan wie Geschwister aufgewachsen sind und ihre Leben sehr eng verbunden hatten. Sie hat dann ihre Aufgabe als Admiral einer Hausflotte übernommen und er seine als Bluthund. Aber gerade weil die Familienbindung so eng war, konnte er sie all die Jahre so effektiv beschützen.“
„So“, murmelte Sakura und legte ihr Kinn auf den Knien ab. „Vielleicht habe ich auch einfach nur einen Kleiner Bruder-Komplex, wer weiß?“
Makoto prustete. „Ja, den hast du. An mir nämlich. Wenn ich dran denke, wie oft du mich mit Süßem überfüttert hast… Oder wie du mal meine halbe Klasse verprügelt hast, als ich mit einem blauen Auge nach Hause kam…“
Makoto sah sie aus strahlenden Augen an. „Ich liebe dich sehr, O-nee-chan. Das ist einer der Gründe dafür, dass ich deine Aufgabe so frei übernehmen kann, da draußen, Mecha gegen Daishi.“
„Ehrlich? Du liebst mich sehr? Und ich dachte, du nimmst mir das mit dem Süßen viel zu übel…“
„Ach, Quark. Du bist meine geliebte Sakura-o-nee-chan und ich würde alles für dich tun.“
In den Augen seiner Schwester stand ein gefährliches Funkeln. „Alles? Wirklich alles? Wollen wir dann mal die Tarnlektion von neulich wiederholen? Du weißt, ein guter Bluthund muß sich ab und an auch verkleiden.“
Übergangslos stand eine Schweißschicht auf Makotos Stirn. „Nee-chan, alles was Recht ist, aber ich finde diese Idee nicht so gut.“
„Was denn, was denn? Du gibst ein wirklich gutes Mädchen ab. Und könnte es eine bessere Tarnung geben? Sieh mal, ich habe extra diesen schwarzen Minirock gekauft. Dazu dieses herrliche Top und diese kecken Loose Socks, darin siehst du bestimmt wunderbar aus.“
Ergeben seufzend sackte Makoto in sich zusammen. „Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich dich manchmal echt hasse, Sakura?“
„So? Das macht nichts. Denn Hass ist nur eine Form der Liebe, darum geht das in Ordnung. Das Gegenteil von Liebe ist nämlich Gleichgültigkeit.“
Sakura sprang auf, kam zu ihrem Bruder herüber, packte ihn am Kragen und schleifte ihn hinter sich her. „So, und um wirklich perfekt zu werden, kriegst du von mir auch noch einen Crashkurs im Schminken.“
„O-nee-chaaaaaan“, begehrte Makoto auf. Innerlich aber lächelte der junge Mann. Opa hatte wirklich Recht damit gehabt, dass Sakura dringend eine Aufheiterung brauchte…

2.
„Und?“, fragte Aris Taral ernst.
Makoto sackte in sich zusammen. „Sie ist tot.“
„Du hast versagt?“
Makoto spürte, wie seine Hände zu zittern begannen. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Schmerz kochte in ihm hoch. „Ich… Ich…“
Er schüttelte sich, spürte Krämpfe durch seinen Körper laufen.
Aris erhob sich, ging auf Makoto zu und schloss ihn in die Arme. „Es ist gut, Mako-chan. Es ist gut. Du bist nicht schuld an ihrem Tod. Ja, nach den Statuten der Taral hast du versagt, aber es gab nichts, was du zu diesem Zeitpunkt für Yohko tun konntest. Du hast ihr sehr gut gedient, mein Junge. Du warst ein würdiger Bluthund.
Zu unserem Leben gehört nicht nur die Pflicht, sondern auch die Erfahrungen die wir daraus ziehen. Das Glück, dass wir mit unseren Schutzbefohlenen erleben gehört ebenso dazu wie das Leid. Oder unser Schmerz, wenn wir sie verlieren. Als dein Onkel starb, da dachte ich, ich müsste auch sterben. So groß war der Schmerz, so verloren fühlte ich mich. Ich war am Ende und wollte schon gehen. Aber da war immer noch meine Aufgabe für Eri, und das hat mich ins Leben zurückgeführt.“
Aris löste sich leicht von seinem Enkel und wischte ihm die Tränen von den Wangen. „Du warst sehr tapfer und umsichtig auf dem Mars. Eikichi hat mir die Gefechtsvideos gezeigt. Zeus hat seine Blitze exakt geschleudert und war eine große Strafe für die Kronosier. Ich bin sehr stolz auf dich. Und auch auf deine Schwester. Sie hat wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Jeremy ist voll des Lobes für sie.“
Aris Taral ließ Makoto ganz fahren und wandte sich ab. „Du verlässt die UEMF.“
„Was? Aber…“
„Akira hat heute seinen Austritt angekündigt. Und ich weiß, er wird sich wirklich zurückziehen. Er wird Zeit brauchen, Yohkos Tod zu verdauen. Er wird sich wochenlang zuhause vergraben. Da kann er einen Freund sehr gut gebrauchen, Makoto-chan. Dieser Freund wirst du sein. Du trittst aus der UEMF aus und gehst wieder zur Schule. Und wann immer du die Zeit hast, wirst du bei ihm sein. Er braucht dich jetzt mehr denn je.“
„Ich… Ich verstehe.“
„Akira ist jetzt deiner…“, sagte er ernst.
Makoto verstand. „Danke, Großvater.“
„Ich werde Morgen diese Welt verlassen, Makoto. Du wirst mich nicht enttäuschen, nicht einmal wenn ich fort bin, oder?“
Makoto erschrak über diese Worte, obwohl er wusste, dass dieser Tag hatte kommen müssen. „Nein, Opa.“
„Du machst mich sehr stolz, kleiner Mann. Und jetzt geh.“
Makoto verneigte sich tief vor dem alten Mann mit den grauen Haaren und dem mächtigen Schnauzbart. „Danke für alles, Aris. Danke für alles.“
„Geh endlich“, antwortete ihm eine tränenschwangere Stimme…
**
Nichts kam so wie es sollte. Akira, nicht Blue Lightning, wurde entführt und an einen kronosianischen Bio-Computer angeschlossen. Leider hatten die Kronosier sich damit die Gefahr in die eigene Stube geholt, was sie relativ schnell merkten. Ihr Versuch, Akira zu töten war erfolglos. Aber dennoch verlor der junge Mann, der als die Elite der UEMF galt, einen Großteil seiner Erinnerungen, als die Kronosianer versucht hatten, sein Gedächtnis zu löschen.
Der Tag, an dem man Akira in seinem Biotank auf den OLYMP schaffte, damit er fernab der Erde unter ärztlicher Aufsicht der Besten und außerhalb der Reichweite der Kronosier wieder gesund werden konnte, war einer der schönsten in Makotos Leben.
Seither stand er viele Stunden vor dem Tank und starrte hinein, in die trübe, bernsteinfarbene Flüssigkeit und betrachtete seinen Cousin, wie er schwerelos darin trieb und darum kämpfte, wieder gesund zu werden.
Meistens kam er alleine hierher, wenn er sowieso gerade auf dem OLYMP war und bei Ausbauten, Planungen und den Frachterplänen für die Monderze half.
Auf dem OPLYMP war er trotz seiner Entlassung aus der UEMF gerne gesehen und wurde oft und gerne angefordert.
Nach Yohkos Tod hatte er geschworen, niemals wieder eine Waffe abzufeuern, aus Verzweiflung und Trauer. Lieber wollte er sich mitsamt seinem Eagle in den nächsten Schuss werfen, der seinem Schutzbefohlenen galt.
Er war ausgeschieden, um nicht in die Gewissensnot zu geraten, doch noch zu schießen, egal wie sehr Megumi bettelte.
Es war Ironie, dass er sie ausgerechnet am häufigsten traf, wenn er selbst auf dem Weg zum Biotank war. Meistens endeten diese Treffen damit, dass Megumi an seiner Brust Rotz und Wasser heulte.
In Momenten wie diesen verband sie etwas. Der feste Glaube, dass Akira es schaffen würde – und die Angst, er könnte verlieren und diesen Tank nie wieder verlassen.
Aber heute war alles anders. Heute würde sich alles zum guten wenden.

„Hallo, Megumi-chan.“
Sie lächelte ihn an. „Mako-chan. Hallo. Wann wirst du endlich Kottos übernehmen?“
Makoto gluckst leise. „Nur in deinen Träumen, mein Engel. Mir würde nie im Traum einfallen, die Kompanie der Hekatoncheiren zu übernehmen, die ausgerechnet Yohko-chan gewidmet ist.“
„Hm. Dann eben Gyes.“
„Akiras Kompanie? Du bist verrückt. Irgendwann steigt er wieder in Blue Lightning, und dann sollte besser niemand zwischen ihm und dem Kommando stehen. Er war der Beste und er wird es wieder sein.“
„Hm. Dann nimm eben Briareos.“
„Deine Kompanie? Dann werde ich der meistgehasste Mann auf OLYMP. Wenn ich ausgerechnet dem Augenstern Nummer eins das Kommando abnehme, bin ich auf ewig geächtet. Dein Fanclub wird mir das Leben zur Hölle machen.“
„Dann nimm halt das Oberkommando über die Hekatoncheiren, Mako-chan.“
„Du gibst wohl nie auf, was?“, stöhnte er.
Sie streckte ihm die Zunge zum linken Mundwinkel heraus. „So bin ich nun mal.“
Makoto deutete auf den großen Biotank, der gerade von der Horizontalen in die Waagerechte gekippt wurde. „Ich komme zurück, wenn der da wieder in seinen Hawk steigt. Aber verlange von mir nicht, je wieder eine Waffe abzufeuern, Megumi-chan. Ich hatte damals die Chance, mit meinen Glattrohrkanonen an Yohko vorbei zu schießen und Taylor zu treffen. Es waren zehn Zentimeter Luft zwischen dem Geschoss und ihr. Ich hätte sie retten können.“
„Oder sie selbst töten. Lass gut sein, es ist besser so. Du hättest sie getroffen.“
„Nicht, wenn ich wirklich der beste Schütze der UEMF bin.“
„Ich sagte, lass gut sein! Hallo? Komm von deinem Trip runter, wir haben alle unsere Gründe, uns Selbstvorwürfe zu machen. Aber wir kultivieren sie nicht.“
„Ruhe dahinten! Hier sind Ärzte bei der Arbeit, die sich konzentrieren müssen!“
Verlegen senkten die beiden den Blick. „Verzeihung.“

Die Flüssigkeit wurde abgepumpt. Die Automatik des Tanks entfernte zeitgleich ein Dutzend Anschlüsse von Akiras nacktem Körper.
„Warum bist du eigentlich hier? Willst du Akira mal nackt sehen?“, neckte Makoto das Mädchen.
Sie wurde rot. „So wie du, was?“
Makoto unterdrückte ein Auflachen. Er konnte ihr schlecht etwas von der Lebensaufgabe der Taral erzählen und von seinem Eid. Ebenso wenig konnte er Megumi die Wahrheit über ihre Eltern verraten, wie sie sich getroffen hatten und gegen seine Mutter und Tante Helen… Aber das führte zu weit.
Der Tank wurde geöffnet, die Front klappte zur Seite und legte Akira frei.
„Die Muskelstimulation wurde ununterbrochen durchgeführt. Er sollte in der Lage sein aufzustehen. Können Sie mich hören, Colonel Otomo?“
Der Arzt griff zu einem Stetoskop und wollte die Brust abhorchen, als eine Hand seinen Arm umklammerte. Akira wurde von einem heftigen Hustenanfall erschüttert und sagte mir rauer, gebrochener Stimme: „N-nicht Colonel… Lieutenant…“
„Sie wurden noch im Feld befördert. Einmal für die Vernichtung der Raumwerft, einmal für die Leitung des Angriffs auf den Mars. Ein drittes Mal für die Vernichtung von dreiundzwanzig Mechas und die Zerstörung von vierzig Prozent der Oberflächenanlagen der Kronosier. Die vierte Beförderung zum Colonel erfolgte dann, weil die Amerikaner meinten, wenigstens ein cooler Rang, wenn der geheimnisvolle Blue Lightning schon nicht zu einer Konfettiparade nach New York kommen kann.“
„Nicht so viele Informationen auf einmal, Kollege. Das kann der Junge doch gar nicht verdauen.“
Akira richtete sich langsam auf. „Scheiße, mir brummt die Birne.“
Umständlich kletterte er aus dem Tank, nahm dankbar ein Handtuch entgegen und trocknete sich damit ab. „Dies ist der OLYMP, richtig? Was ist passiert?“
„Sie haben Amnesie, Sir.“
„Füllen Sie meine Wissenslücken auf.“
„Nein. Die Amnesie wurde mechanisch herbeigeführt. Deshalb sind wir übereingekommen, dass es das Beste ist, dass Sie ihrer Erinnerung Zeit geben, sich von selbst zu regenerieren. Sie werden solange auf Wunsch von Commander Otomo in Reservestatus versetzt.“
„So.“ Akira schlang sich das Handtuch um die Hüften und legte den Kopf schräg. „Mir ist als… Als hätte ich etwas Wichtiges vergessen. Es tut weh, daran zu denken. Nein, es schmerzt fürchterlich. Immer und immer wieder denke ich an Kottos, und Schmerzwellen rasen durch meinen Kopf, aber ich… Kottos, Kottos… Die Hekatoncheiren. Mako. Megumi. Ich und… Wo waren wir doch gleich? Was ist passiert?“
Akira sackte haltlos in sich zusammen.
Sofort eilten die Ärzte hinzu, ebenso Makoto und Megumi. „AKIRA!“
„Er ist ohnmächtig. Wir bringen ihn runter zur Erde und nach Hause. Major Ino, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie das nächste halbe Jahr bei ihm wohnen würden? Sie sind ja ohnehin verwandt, und er erinnert sich an Ihren Namen. Dagegen scheint er seine Schwester und die Marsattacke vollkommen vergessen zu haben.
Bitte melden Sie uns, wenn er sich an diese Fakten erinnert. Und informieren Sie uns, wenn Sie weitere Wissenslücken entdecken. Wir brauchen hier eine Trage!“

Während er und Megumi neben Akira hergingen, schluchzte sie leise. „Er erinnert sich an mich. Mako, er erinnert sich an mich.“
„Ja, es ist nicht alles weg. Aber wir müssen ihm Zeit geben. Soviel Zeit wie er braucht. Irgendwann wird er wieder der alte sein…“
„Ja“, hauchte sie. „Irgendwann.“ Sie tastete nach Makotos Hand und drückte sie. „Irgendwann.“

3.
Die letzten Jahre hatte Makoto ein eigenes Leben geführt, nicht das eines Mitgliedes des Hauses Taral. Er war mehr und mehr Offizier der UEMF geworden und weniger Bluthund. Er hatte sein eigenes Leben ausgebaut, die coolste Frau der Welt zur Freundin bekommen und hatte seine Fähigkeiten in den verschiedensten Projekten voll ausgereizt. Er hatte in diesen Jahren sehr viel Spaß gehabt und es war schön, diese Zeit an Akiras Seite zu verbringen. An Akiras Seite und jenen, die er nun Familie nannte.
In diesen Jahren hatte es mehr als eine Situation gegeben, in der er sich gefragt hatte, ob seine Liebe zu seinem Cousin Akira immer noch so stark war wie früher. Ob sein Schutzbefohlener ihm noch immer wichtiger war als sein eigenes Leben. Yohko war ihm auch sehr wichtig, und ihre wundervolle Rettung war eine Offenbarung gewesen. Yohko, seine eigentliche Schutzbefohlene.
Irgendwie teilte er sich diese Aufgabe nun mit Yoshi, ihrem Freund. Und Mako tat das gerne, denn Yoshi war ein feiner Kerl und ein sehr guter Freund für ihn.
Es hatte sogar eine Zeit gegeben, in der ihn der Anblick des großen, goldblonden Manns mit dem Spitzbubenlächeln… Nun, nervös gemacht hatte. Der Gedanke, mit ihm… Allgemein kam ihm das sinnlos vor, vergeudet und gegen seine Interessen. Aber bei Yoshi erschien es ihm nicht mehr so abwegig. Auch heute noch freute er sich über jede Gelegenheit, mit ihm zusammen sein zu können.
Was dazu führte, dass er noch viel mehr Zeit mit Yohko und Akira verbringen konnte. Trotz seiner vielen Aufgaben und Projekte.
Trotz seiner Beziehung zu Joan Reilley, dem absoluten Topact auf der AURORA.
Wenn Makoto daran dachte, wie sie zwei zusammengekommen waren, wenn er daran dachte, wie schlecht die Wetten für sie gestanden hatten… Bei einem Bluthund der Arogad und einem Kampfcyborg, der gegen seine Herren rebellierte, und dennoch ihren letzten Befehl auszuführen versuchte, Akiras Gene zu erlangen wusste er nicht, ob er lachen oder weinen sollte.

Und nun stand Akira da draußen, neben seiner Joan, der von einem KI-Meister der Naguad der Verstand aus dem Kopf gefräst worden war – während Akira und Torum Acati dabei waren, mit ihren Auras das Schiff zu vernichten.
Makotos Hände krampften, sein Magen schien bittere Säure die Kehle hoch zu schicken, wenn er nach Joan tastete und nur diese Leere sah, diese unendliche Leere.
Doch da war dieses Aufblitzen in der Leere, dieser Moment von Licht in der Finsternis. Der Funke Hoffnung, der ihn elektrisierte, der ihn zu Tränen rührte, der ihn hoffen ließ.
Dieser Funke hing mit Akira zusammen…

Hinter ihm begannen gerade Infanteristen der AURORA die KI-Meister einzusammeln, die er besiegt hatte. Sie waren anscheinend noch nie einem Bluthund von seinem Level begegnet, keinem Elitekrieger der Taral, der sein eigenes KI unterdrückte, hoch dosiert einsetzte und zudem an Körper und Geist hoch trainiert war. Seine kleinere Gestalt, die schmächtige Figur war in einem solchen Kampf sein Kapital. Er musste weniger Masse bewegen, war viel agiler, seine Gegner unterschätzten ihn, und das war meistens ihr letzter Fehler.
Jeder machte Fehler, Makoto hatte Dutzende begangen und litt an einigen noch heute. Deshalb konnte er mit Recht darauf hoffen, dass auch seine Gegner Fehler machten. Und das taten sie, taten sie alle.
Wütend ballte er die Hände zu Fäusten, während sein Tränenverschleierter Blick zu dem Staubwirbel ging. Dreißig Meter war das Loch nun schon tief, erste Ausläufer der Auras berührten die Schutzaura um das Areal mit den Anelph, ließ bunte KI-Entladungsblitze zwischen ihnen entstehen, sichtbar für jene, die ihr KI benutzen konnten.
„Akira“, hauchte er angsterfüllt. „Joan…“
Seine Aufgabe war die eines Bluthundes gewesen, doch die meiste Zeit in seinem Leben war er mehr der große Bruder für Akira und Yohko gewesen. Eine Aufgabe, mindestens ebenso spannend und wichtig wie ein Bluthund zu sein. Die Gefahr, hier Fehler zu machen war sogar noch größer gewesen. Aber dafür waren die Auswirkungen der Fehler kleiner. Meistens.
Seine Rechte ruckte vor, traf die nächste Wand und hinterließ im Beton eine beachtliche Delle.
Mit überraschender Klarheit erkannte Makoto, dass er nichts tun konnte. Akira und Acati spielten ein Spiel auf einem Level, den er noch nicht erreicht hatte und Joan war mittendrin, entweder am sichersten Ort in diesem Universum oder mit absoluter Sicherheit verloren.
„Joan!“ Wieder traf seine Faust die Wand, noch einmal und ein viertes Mal. Eine große Platte löste sich aus der Wand und fiel zu Boden, aber Makoto ignorierte das.
„Aris… Großvater, was soll ich tun? Was soll ich tun?“
Er sah seine eigene Verzweiflung und er wusste, dass es Sakura noch viel schlimmer gehen musste. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte sie befohlen, jeden Naguad auf der Axixo-Basis umzubringen, weil sie dachte, die Soldaten hätten Akira getötet.
Ihn nun in dieser lebensgefährlichen Situation zu sehen musste für sie noch schlimmer als für ihn sein.

Erneut glaubte Makoto, im Haupthaus zu sein, Im Zimmer von Opa Aris. Wie er da stand, wie ihm die Tränen liefen und wie der alte, große und starke Mann, sein großes Vorbild, ihn so herzlich und liebevoll umarmte, wie es sonst nur seine Mutter gekonnt hatte.
Und er hörte wieder seine Worte von damals…
„Zu unserem Leben gehört nicht nur die Pflicht, sondern auch die Erfahrungen die wir daraus ziehen. Das Glück, dass wir mit unseren Schutzbefohlenen erleben gehört ebenso dazu wie das Leid. Oder unser Schmerz, wenn wir sie verlieren.“
„Opa“, hauchte Makoto leise. „Opa, was soll ich tun? Was soll ich nur tun?“
Akira, verstrickt in einem Kampf auf Leben und Tod. Joan, mit zerstörtem Verstand und nur noch in der Lage, Akira zu beschützen. Er selbst, Sieger über zwei KI-Meister, die eigentlich auf einem Level stehen sollten, den er nie hätte erreichen dürfen. Waren sie so schlecht, oder war dieser Bluthund so gut?
Er liebte sie beide, er liebte die anderen, seine Schwester, seine Mutter, die ganze Familie. Er wollte sie beschützen, und er wusste, dass Akira es ebenso hielt.
„Was soll ich tun? Opa, was soll ich tun?“
„Diese Frage habe ich ihm auch gestellt“, erklang neben ihm die Stimme seiner Schwester.
Makoto sah zur Seite, sah wie sie mit brennenden Augen auf den Wirbel starrte.
„Seine Antwort war: Habe Vertrauen und lass los. Wenn es bestimmt ist, seht ihr euch wieder.“
„Loslassen, hm?“ Makoto öffnete die Fäuste wieder. „Loslassen und hoffen, dass er es schafft…“
Er sah zu seiner Schwester herüber. „Immerhin ist das Akira, oder?“
„Ja“, hauchte sie. „Immerhin ist das Akira.“
Makoto nickte ernst. Er ließ los. Er hoffte und vertraute auf Akira. Und er hoffte, dass dies nicht das Ende war. „Kleiner Bruder…“

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Anime Evolution: Erweitert
Episode achtzehn

Prolog:
Nur langsam senkte sich der Staub im Innenraum der AURORA herab. Die Spezialisten hatten errechnet, dass Akira Otomo und Torum Acati umgerechnet zweihundertundsiebzig Tonnen Felsgestein mit ihren Auras pulverisiert hatten, der sich als dieser feine Staub überall niedergelassen hatte.
Dem Zug der Schwerkraft durch das verpuffende Gestein folgend waren die beiden erst durch die Grey Zone, die rechtlosen, illegal besiedelten Kavernen im Schiffsrumpf des Gigantschiffs, gefallen und anschließend fast bis zum Schwerkraftgenerator gekommen.
Nun war es an der Zeit, aufzuräumen und Gott zu danken, dass dieser Kampf, dieser gespenstische und mit irrsinniger Kraft geführte Kampf, die Tribünen mit den Anelph verschont hatte. Die AURORA hatte schreckliche Verluste hinnehmen müssen, aber es war nicht genug gewesen, um sie aufzuhalten.
Genau in diesem Moment rückte Sakura Ino, Admiral der Erdstreitkräfte und Oberkommandierende der Troja-Expedition, ihr KommSet zurecht. „Tetsu, wir wollen.“
„Jawohl, Admiral.“
Kaum hatte der ehemalige Kapitän der LOS ANGELES ausgesprochen, als auch schon Alarm durch den hohlen Innenraum gellte. Zwei Dutzend Schiffe lösten sich nun gerade vom Rumpf des aus einem Planetoiden gebastelten Giganten und verließen mit ihm in Geleitschutzpositionen die Umlaufbahn um Lorania, die Heimatwelt der Anelph.
Ja, ihre Verluste waren fürchterlich gewesen. Aber nun waren sie auf dem Heimweg zur Erde, um eins Komma drei Millionen Anelph dort sicher abzuliefern.
Und um sich für einen erneuten Trip zurück auszurüsten.
„Es ist nicht dein Fehler, Sakura“, sagte Eri Yodama leise. Sie stand hinter ihrer Großnichte und sah ebenfalls in Richtung auf das gigantische Loch kurz vor den Podesten der Anelph.
„Niemand konnte damit rechnen, dass… Er ist halt Torum Acati. Das hätte uns eine Warnung sein sollen.“
„Ist dieser Acati wirklich so stark?“
„Er ist gespenstisch stark, Sakura. Sogar im Orden fürchtet man ihn. Er ist von reinem Herzen und erfüllt vom Gedanken, das Imperium zu beschützen. Aber er ist auch sehr einsam. Beides zusammen ist eine gefährliche Kombination.“
„Aber Akira hat ihm doch stand gehalten! Wie konnte das also passieren? Wie?“
Langsam streckte Eri ihre Hand aus, berührte Sakuras Schulter. „Manchmal entscheiden nicht wir die Dinge, sondern höhere Mächte, Mädchen. Das weißt du.“
Die junge Frau, die eines der höchsten Ämter der United Earth Mecha Force bekleidete, starrte stumm auf ihre Füße.
„Torum Acati war einfach zu stark. Und im Gegensatz zu Akira wäre er gerne gestorben, wenn das dieses Schiff aufgehalten hätte. Du weißt, es gab nur diesen einen Weg.“
„Das macht es nicht leichter, Eri-sama.“ Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. „Akira… Joan… Das ist doch alles nicht wahr. Das ist doch alles nicht möglich!“
„Sakura…“
Wütend wandte sich die junge Frau um. „WAS?“
„Schon gut“, beeilte sich Eri angesichts des zornigen Blicks der jungen Frau zu versichern.
Wütend kickte Sakura einen Stein und vergrub die Hände tief in den Jackentaschen ihrer Dienstuniform. Mit leicht gesenktem Kopf drehte sie sich um und ging zurück zur Bahnhaltestelle.
„Sakura? Was hast du vor?“
„Na was wohl?“, rief sie über ihre Schulter hinweg. „Ich will einen Plan aufstellen, wie wir die beiden wieder befreien können! Verschleppt ist nicht tot! Also, alle die es was angeht treffen sich in einer halben Stunde im großen Konferenzraum in Poseidon!“
Eri schmunzelte bei diesem Anblick. Diesmal ließ sich die junge Frau nicht aus der Bahn werfen. Diesmal nicht. „Du machst mich sehr stolz, junge Dame“, murmelte sie leise und folgte Sakura zur Bahn.

1.
„Also, was machen wir? Abwarten und Tee trinken?“
„I-ich bin dafür, dass wir Akira-sama retten. Das wollen wir doch alle und jetzt können wir das auch.“
„Akira retten? Phhh. Auf den gebe ich keinen Pfifferling.“
„D-deine Gedanken sagen aber etwas anderes, Corinne.“
„Du liest meine Gedanken? Du liest meine Gedanken? Wenn ich könnte, würde ich dir jetzt eine scheuern, dass sich deine Kronen lockern!“
Gina Casoli verzog das Gesicht als hätte sie Zahnschmerzen. „RUHE, VERDAMMT!“
Die Anwesenden Männer und Frauen des Aufräumkommandos starrten sie an wie einen bunten Hund. Gina wurde rot und winkte ab. „Ahahahaha. Stimmen im Kopf vom Kampf. Geht bestimmt gleich vorbei.“
Verlegen trat sie einen Schritt beiseite und sah dabei zu, wie der Körper von Ai Yamagata reanimiert wurde. Sie wurde in einem stabilen Koma etabliert, aber Gina wusste, dass die junge Frau nicht aufwachen würde. Nicht ohne ein wichtiges Detail in ihrem Leben.
„Gina-chan, du bist doch auch dafür, dass wir Akira-sama helfen, oder?“
„Lass dich nicht belabern. Selbst zu dritt können wir da nichts tun und…“
„Ich sagte Ruhe“, knurrte die Italienerin so leise wie möglich. „Wir werden nachher mit Mamoru sprechen, und dann sehen wir weiter. Bis dahin hört auf euch zu streiten. Wisst Ihr eigentlich wie das in meinem Kopf nachhallt? Verdammter Mist!“
Wie hatte das überhaupt passieren können? Erst die bangen Wochen und Tage, in der sie die Attentäterin in ihrem Kopf entdeckt hatte, die peinliche Frage, ob sie geistig krank war oder dort wirklich eine fremde Stimme in ihr steckte. Dann das allmähliche Arrangieren, was noch längst nicht abgeschlossen war.
Und nun trug sie auch noch Ais Bewusstsein in ihrem Kopf mit sich herum.
Sie hatte die Tote im Arm gehalten, da hatte es diesen Lichtblitz gegeben, als Akira seine KI-Rüstung erschaffen hatte – und übergangslos waren sie zu dritt gewesen.
„Wir reden mit Mamoru. Er wird wissen, was zu tun ist.“
„Ach, es ist übrigens sehr wahrscheinlich, dass wir Akira brauchen werden, um Yamagata wieder in ihren Körper zu schaffen. Er war ja keine fünf Minuten tot, bevor er reanimiert wurde, also besteht diese Möglichkeit. Doch da Akiras KI sie zu uns hinein verfrachtet hat, werden wir ihn bestimmt brauchen, um es wieder rückgängig zu machen.“
„Ich weiß, ich weiß! Das werde ich alles Mamoru erzählen, versprochen.“ Nervös rieb sich Gina die Schläfen. „Akira, verdammt. Du verursachst weit mehr Ärger, als du wert bist.“
„Na, das kannst du so aber nicht sagen. Was mich angeht, ist Akira eine ganze Menge Ärger wert.“
„Du bist ja auch in ihn verknallt, Corinne!“, warf Gina ihr vor.
„Ist doch gar nicht wahr! Ich schulde ihm nur was, das ist alles!“
„S-schon vergessen, dass wir all deine Gedanken kennen?“, klang Ais Stimme auf.
„Na hör mal, ich…“
„Ich frage mich gerade, ob ich euch beide zum schweigen kriege, wenn ich mich restlos besaufe“, murmelte Gina ernst.
Es folgte eine Pause, in der keine der drei Frauen, die sich einen Körper teilten, etwas sagte.

„Also, sehen wir zu, Mamoru zu finden. Sind damit alle einverstanden?“
„Was denn, Gina, ist das hier etwa eine Demokratie? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich doch als Präsident beworben.“
„Sehr witzig, Mädchen.“ Sie erhob sich. „Mamoru wird nun in Poseidon sein. Mal sehen, ob die mich reinlassen.“
**
Als die AURORA das Schwerefeld von Lorania verließ, passierte sie mit ihren Begleitschiffen einen Flottenverband. Diese Schiffe wurden von Anelph kommandiert und hatten sich ohne Befehl gesammelt, um ihrer Heimatwelt bei der bevorstehenden Strafexpedition beizustehen.
Und es kamen noch weitere Schiffe an. Vereinzelt schwer beschädigt, aber die Jomma-Werften konnten da sicherlich einiges tun, wenn sie einigermaßen unversehrt in die Hände der aufständischen Anelph fielen. Auch die terranischen Schiffe würden hier Reparaturen bekommen, deshalb stand die Eroberung des Mondes ganz oben auf der Liste, gleich unter der Sicherung Loranias mit dem Blockadegeschwader.
Ein Grossteil der Begleitschiffe, unter ihnen auch die SUNDER und zwei Kreuzer der Bismarck-Klasse, die GRAF SPEE und die PRINZ EUGEN würden im System bleiben, um Lorania zu beschützen. Und einigen dieser Schiffe stand eine spezielle Aufgabe bevor.
Im Moment zum Beispiel jagten die drei Fregatten KAZE, YAMATO und KOWLOON der KON hinterher, dem Schiff, auf dem Akira Otomo und Joan Reilley tiefer ins Imperium verschleppt wurden – von Torum Acati.

Sakura Ino betrat den großen Konferenzraum. Dutzende Bildschirme waren erleuchtet.
Auf einem von ihnen schien Makoto zu ihr herab zu sehen. Er hatte die AURORA mit dem Blockadegeschwader und mehreren Tonnen Material verlassen, kaum dass der Angriff der KI-Meister der Naguad abgeschlagen worden war. Er hatte sich nun auf der Axixo-Basis niedergelassen, die unter der totalen Kontrolle der Hekatoncheiren befand. Der nächste Schritt würde sein, sechs Daishi Epsilon des Long Range Area Observation-Projekts mit jeweils einem Resonanztorpedo auszurüsten und in den Orbit Loranias zu schaffen.
„Entschuldigen Sie alle, wenn ich das Intro überspringe und gleich zum wesentlichen komme. Es wird keine Änderung der Pläne geben. Die bisher getroffene Aufteilung des Personals und der Schiffe wird beibehalten und die AURORA wird wie geplant ihren Kurs fortsetzen, um zur Erde zu springen. Allerdings mit einem kleinen Schwenker, denn vom Andea Twin-System haben wir wohl alle die Nase voll.“
Leises Gelächter antwortete ihr.
„Weiter im Text. Da Division Commander Akira Otomo mehr oder weniger freiwillig dieses Schiff verlassen hat und an Bord der KON auf dem Weg nach Naguad Prime ist – ich persönlich glaube nicht, dass unsere sofort ausgelaufenen Fregatten YAMATO, KAZE und KOWLOON eine Chance haben, ihn und Joan Reilley zu retten – übernimmt mit sofortiger Wirkung Colonel Megumi Uno das Oberkommando über die Verteidigung Loranias. Stellvertreter wird Colonel Makoto Ino. Ja, ich weiß was jetzt einige denken werden. Die Japaner in der Einheit werden wieder mal bevorzugt. Und ich weiß was die anderen denken werden. Warum dieses problematische Thema überhaupt erwähnen?
Ich werde es Ihnen sagen: Weil ich es hasse. Die Piloten und Offiziere aus Japan sind einen langen und harten Weg gegangen, um ihre Positionen zu erreichen, ebenso wie ihre französischen, amerikanischen, deutschen, indischen, afrikanischen, malaysischen und brasilianischen Kameraden. Ich könnte noch weit mehr Nationalitäten aufzählen, aber das bringt absolut nichts. Denn wir, die wir hier in der internationalen Erdverteidigung der United Earth Mecha Force zusammengefasst sind, sind in erster Linie eben nicht Chinesen, Iren und Russen. Nein, wir sind in erster Linie der Mission der AURORA, den Statuten der UEMF und dem Volk der Erde verpflichtet. Und dafür müssen wir zwar weder unsere Wurzeln ablegen noch verleugnen, aber klare Prioritäten setzen. Zuerst kommen die Erde und die Mecha Force. Dann erst unser Heimatland.“
Sakura Ino ließ die Worte wirken. Natürlich wusste sie, dass diese Konferenz über die Miniwurmlöcher live zur Erde übertragen wurde, auch wenn nur Eikichi als stiller Beobachter auf den Monitoren zu sehen war.
Aber sie wollte ein für allemal ein Statement setzen und dem elenden Nationalismus innerhalb der Truppe ihre Meinung sagen. Es war doch völlig egal, aus welchem Land man kam. Die Naguad würden auch nicht zwischen Nationalitäten unterscheiden. Geeint siegen oder getrennt fallen hieß die Devise.

Sakura räusperte sich vernehmlich. „Des Weiteren werden wir uns von vier äußerst wichtigen Offizieren verabschieden müssen, von denen drei eigentlich in diesem System Dienst tun sollten. Aber eine… wichtige Persönlichkeit hat diese vier und eine Hundertschaft der Fünften Banges-Division, die übrigens auch in diesem System bleiben wird, für eine besondere Mission angefordert. Diese Offiziere sind Major Yoshi Futabe, Colonel Yohko Otomo, Major Aria Segeste und Lieutenant Jora Kalis. Ich stelle sie hiermit für diese Mission frei. Die TAUMARA wird in diesem Moment abflugbereit gemacht. Sie wird die wichtige Persönlichkeit, Major Futabe, Lieutenant Kalis und Major Segeste an Bord nehmen und danach Jomma aufsuchen.
Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir nun die Anführerin der Mission, die wir aussenden, um Division Commander Otomo und Miss Reilley zu retten: Die Haupteignerin von Luna Mecha Research, Luna Extended Mining und Canada Technology Research: Eri Yodama!“
**
Als ich erwachte, brummte mir der Kopf, als würden sich eine Horde winziger Daishi Alphas mit einer Horde winzig kleiner Sparrows darin eine wilde Schlacht liefern. Mir war egal wer gewann – Hauptsache sie hörten schnell auf damit.
Was war geschehen? Wo war ich? Ich wollte mich erheben, aufstehen, aber etwas hielt mich fest. Mühsam öffnete ich die Augen und erkannte mit einem wahren Tunnelblick, dass ich in einem Standardsessel saß und mit einm Sicherheitsgurt um die Hüfte festgeschnallt war.
In diesem Moment ging ein Zittern durch den Boden.
„Treffer in den Schirmfeldern achtern! Schirme auf achtzig Prozent runter!“, rief eine hektische Frauenstimme.
„Verdammte Terraner! Drei gegen einen ist unfair!“, rief ein junger Mann.
„Ruhig, Herrschaften. Das sind die letzten Zuckungen der Terraner. Die Fregatten können nicht mehr beschleunigen als wir. Das bedeutet es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns unsere höhere Geschwindigkeit aus ihrer Reichweite gebracht hat“, erwiderte Torum Acati mit ruhiger Stimme. So, so. Torum Acati. ACATI?
Ich wollte hochfahren, hatte aber zwei Dinge nicht bedacht. Erstens war ich immer noch festgeschnallt, und zweitens teilte ich mir den Sessel mit jemandem. Joan saß halb neben mir. Der Rest lag auf mir. Sie ruhte mit dem Kopf auf meiner Brust und schlief mit einem seligen Lächeln.
„Na, aufgewacht?“ Torum Acati schnallte sich ab und kam zu mir herüber. In dieser Zeit schlugen zwei weitere Torpedos in unseren Schirmfeldern ein, der äußere Schirm brach zusammen, aber die KON flog weiter. Acati ließ sich von den Erschütterungen übrigens nicht beeindrucken. Er stand so sicher, als hätte er ein paar Tonnen Fels unter sich und nicht das bockende, vibrierende Schiffsdeck.
„Nachdem man dir das Medikament gegeben hat, wollte ich sie in einen eigenen Sitz legen, aber sie hat sich fürchterlich gewehrt. Ich stand also vor der Wahl, sie zu töten, oder zu dir zu lassen. Du hast dein Wort gehalten, Akira Otomo. Also gab es für mich keinerlei Veranlassung, meines zu brechen.“
Torum Acati schmunzelte leicht. „Wir werden vier Wochen bis nach Naguad Prime brauchen. Ihr dürft euch in dieser Zeit frei auf dem Schiff bewegen, wenn du dir regelmäßig Lacima injizieren lässt, Akira Otomo. Ihr könnt ansonsten tun und lassen, was Ihr wollt.“
„W-was soll das denn heißen?“, blaffte ich und bereute die lauten Worte sofort wieder, da mich sofort starke Kopfschmerzen plagten. Dieses eklige Mittel, da war ja sogar das vermeintliche Borex, dass sie mir auf der Axixo-Basis verabreicht hatten, angenehmer gewesen…
„Nun… Ich habe ihren Verstand eigentlich komplett ausradiert. Dennoch erkennt sie dich. Noch mehr, sie klammert sich an dich. Es ist deine Pflicht, ab sofort auf sie zu achten. Ihr beide geht in die Fremde, und ich weiß nicht, was mit euch beiden passieren wird. Ich werde darauf kaum Einfluss haben. Vielleicht wirklich eine Anklage wegen Rebellion bei dir mit anschließender Exekution oder lebenslanger Verwahrung, bei ihr ein Forschungslabor, um der fortgeschrittenen bionischen Technologie auf die Spur zu kommen, die eure Kronosianer bei ihr verwendet haben.
Ich weiß es einfach nicht, also nutzt die Zeit, die euch zusammen bleibt, so gut wie möglich. Auf jede nur erdenkliche Weise.“
Das waren sehr ehrliche Worte von Acati und ich wusste sie zu schätzen. Und wenn ich in Joans schlafendes, glücklich lächelndes Gesicht sah, dann… „Das sagst du, mein lieber Begam Erster Klasse. Aber ich weiß sehr wohl, was mit uns passieren wird. Wir werden auf Naguad Prime ankommen und so schnell es geht wieder hierher zurückfliegen. Wenn wir erst mal auf einem Planeten sind und das Medikament nachlässt, kannst du dich schon mal auf eine Rückrunde gefasst machen. Die technischen Spielereien kannst du übrigens behalten. Ich bin da großzügig.“
Der große KI-Meister grinste mich an und tätschelte meinen Kopf. „Darauf würde ich mich sogar freuen, wenn es dazu käme. Egal wie sehr du eine Gefahr für uns Naguad bist, Akira Otomo. Aber leider bin ich nicht der einzige KI-Meister auf meinem Level auf der Hauptwelt. Willst du die alle besiegen?“
Er schmunzelte erneut, als ich nicht antwortete. Dann wandte er sich um und ging wieder.
Das machte mich wütend. Mindestens ebenso wütend wie das ausbleiben weiterer Erschütterungen, was bedeutete, dass wir aus der Reichweite der Verfolger entkommen waren.
„Natürlich will ich die alle besiegen! Ich habe im Gegensatz zu dir, Begam, meine Grenzen noch nicht erreicht!“
Er wandte sich kurz um und schmunzelte. „Du machst mich neugierig, Sohn von Arogad. Aber das tust du ja schon, seit unsere Kräfte interferierten und beinahe die AURORA vernichtet hätten.“

Damit schnallte er sich wieder an. Zurück blieb ich, Joan Reilley neben mir, auf einem Flug ins Ungewisse, vielleicht in den Tod.
Und dachte an die Schicksalshaften Momente, die über Leben und Tod von anderthalb Millionen Leben entschieden hatte…
**
„Akira-san, was tust du da? Ihr vernichtet die AURORA!“
Hinas Gesicht, genauer gesagt das von ihrer KI-Rüstung als Blue Slayer, erschien direkt vor mir in der Luft. Ob ich sie wirklich sah oder das Bild lediglich in meinem Verstand existierte konnte ich in diesem Moment nicht sagen.
„Was?“, entfuhr es mir. Um mich herum löste sich Gestein in Staub auf. Jean Reilley klammerte sich angst- und hoffnungsvoll an mich, während meine KI-Aura mit der von Begam Torum Acati kollidierte. Ich spürte einen heftigen Ruck, als sich der Boden unter meinen Füßen auflöste und eine Luftblase im Gestein freigab, in die ich hinein stürzte. Es waren nur wenige Zentimeter, aber genug um mir zu verdeutlichen, was hier geschah.
„Was?“ Ich konnte die Podeste mit dem vom Resonatortorpedo eingefrorenen Anelph schon nicht mehr sehen. Genauer gesagt konnte ich nur noch die Wände eines riesigen Lochs sehen, und wenn ich den Kopf in den Nacken warf, den Himmel als kleinen Ausschnitt über mir.
Wie tief waren wir zwei schon? Zehn Meter? Zwanzig? Und die Kollision unserer Auras löste beständig weiterhin Materie zu unseren Füßen auf.
Ein wahres Horrorszenario entstand vor meinem inneren Auge. Acati und ich stürzten tiefer, immer tiefer, durchschlugen die Grey Zone, kamen letztendlich beim Schwerkraftgenerator an, zerstörten ihn und zerbrachen dabei die AURORA. Der Innenraum öffnete sich zum Weltraum hin, Dutzende Notfallprotokolle liefen ins Leere und abertausende Menschen starben bei vollem Bewusstsein. Nur die Anelph und Menschen auf den Podesten würden nicht mitkriegen, wie sie vom Leben in den Tod wechselten. Für sie würde es gnädig und schnell gehen – verdammt schnell, wenn man ihr reduziertes Zeitempfinden berücksichtigte.
„Akira-san!“, erklang wieder Hinas drängende Stimme.
„I-ich habe verstanden, Hina-chan! Ich werde etwas dagegen tun!“
„Sollen wir dir helfen kommen?“
„Nein, Hina. Bleib mit deinen Slayern wo du bist. Versucht das Schutzfeld aufrecht zu erhalten, um das Schlimmste zu verhindern. Vielleicht könnt Ihr etwas retten, falls Acati und ich durch den Boden brechen!“
„…Okay. Viel Glück, Akira-san.“
Das hatte sie schön gesagt, aber was sollte Glück mir jetzt noch nützen?
Ihr Abbild vor meinen Augen verschwand. Ich sah ein letztes Mal ihre besorgte Miene, und dann wechselte meine Perspektive wieder auf den Begam.

Er stand vor mir, sein Schwert gesenkt, aber mit stechendem Blick und vor Aufregung heftig atmend. „Kann es dann weitergehen? Hast du deinen KI-Kontakt beendet, Junge?“
In einer fließenden Bewegung hob ich das Familienkatana. „Das du mir soviel Freiraum lässt, Begam…“
„Ist egal. Du stirbst sowieso bald.“
„Und die ganze AURORA mit mir? Mit dir? Ist das anderthalb Millionen Opfer wert?“
Der harte Blick Acatis, die Erwiderung, trafen mich wie ein schwerer Schlag: „Ja!“
Er hob seine Klinge, ging in Angriffsstellung, während unsere Auras weiterhin Stein zu Staub zermahlten.
„Warte, warte, warte! Warum willst du so viele Tote auf dein Gewissen laden, nur um mich zu töten?“
Er griff mich an, und ich wich ungeschickt aus, Joan hastig an mich gedrückt. Mühsam drückte ich mit meiner freien Hand seine Waffe beiseite.
„Ich habe es dir schon mal gesagt. Du bist zu mächtig, Akira Otomo. Ein Auge aus KI-Energie ist eine hohe Kunst, die nur wenige Träger einer Kriegsrüstung je erlangen. Du erhältst das Auge aufrecht, seit du dieses System betreten hast, soweit ich das nachprüfen kann. Ich muß dich jetzt töten, solange du dir deiner vollen Kraft nicht bewusst bist!“

Ein eiskalter Schauder ging über meinen Rücken. Mein Auge, mein rechtes Auge mit der weißen Iris… Es war nicht echt? Oder vielmehr, hatte ich bei dem Anschlag vor meiner alten Schule etwa mein Auge verloren und aus meinem KI permanent ein neues gebildet? Etwas Ähnliches wie eine KI-Rüstung? Eine Waffe vielleicht?
Wieder wehrte ich den Begam ab. Dabei ging ich meine Optionen durch. Was konnte ich tun? Was musste ich tun?
„Was ist wenn ich mich ergebe?“, rief ich hastig.
Acati hielt im Schlag inne. „Du würdest deine Kameraden verraten?“
„Um sie zu retten, ja.“
„Das Risiko ist es nicht wert, Akira Otomo. Du könntest dich befreien, dich gegen mich wenden, tausend Dinge könnten geschehen. Ich traue dir nicht, dass du freiwillig mit mir gehst.“
„Ich gebe dir mein Wort!“, rief ich hastig, die Verantwortung für den Tod von anderthalb Millionen Menschen im Nacken spürend.
„Ist dein Wort etwas wert? Das weiß ich auch nicht!“
„Ja, willst du denn hier sterben, Begam?“ Verzweifelt sah ich ihn an. War es wirklich so? Hatte er mit dem Leben abgeschlossen und sah er es als seine Pflicht an, mich zu eliminieren?
„Ich habe mit dem Leben abgeschlossen, Junge. Es ist meine Pflicht, dich zu eliminieren, dich, die große Gefahr. Um jeden Preis!“

Ich hatte das Gefühl von Schwerelosigkeit. Genauer gesagt, ich fiel. Exakt sieben Meter in die Tiefe. Dort übernahmen Joans Reflexe. Sie wirbelte herum, berührte den Felsen, stieß sich ab und landete zwanzig Meter tiefer mit federnden Beinen. Dabei hielt sie mich auf den Armen.
„Beachtlich, dein bionischer Kämpfer“, bemerkte Acati, der nicht weit entfernt gelandet war.
Ich sprang von Joans Armen, drückte sie hinter mich und hob meine Klinge.
Wir waren in der Grey Zone gelandet! Von hier war es nicht mehr weit zu den Massebeschleunigern, welche das Schwerefeld der AURORA erzeugten. Und damit zu absoluten Vernichtung des Schiffs. Erneut begannen unsere Auras, Gestein aufzulösen.
„Er wäre wirklich eine Untersuchung wert gewesen. Egal!“
Wieder griff Acati an, diesmal auf der körperlichen und der höheren Ebene. Auf beiden verteidigte ich nur.
Nachdenken, ich musste nachdenken! Acatis Plan war einfach und logisch. Er rechnete, er erwartete, dass wir uns weiter durch den Boden frästen. Und er hoffte, dass wir entweder in den freien Raum brachen, oder auf unserem Weg etwas immens wichtiges zerstörten.
Beides würde dazu führen, dass die AURORA ihren Auftrag nicht würde ausführen können. Doch so lauteten meine Befehle.
Was, wenn ich mich töten ließ? Dann würde Acati die Kapitulation erzwingen und sie auch bekommen. Keine Option.
Was, wenn ich solange weiterkämpfte, bis der Begam erschöpft war und überwältigt werden konnte? Nein, wir würden die sensiblen Bereiche des Schiffs viel eher erreichen.
Und wenn ich an seinen Verstand appellierte? Ebenfalls nicht machbar. Dieses Schiff war eine Gefahr. Ich eine noch größere in seinen Augen. Für das Wohl des Imperiums nahm er seinen eigenen Tod in Kauf. Weil er den Nutzen für das Naguad-Reich deutlich sehen konnte…

NATÜRLICH! NUTZEN!
„Ich werde mich ergeben, Torum Acati!“, sagte ich hastig, wich seinem letzten Hieb aus und senkte meine Klinge. Ich reduzierte meine Aura, was der Begam sofort nutzte, um den Druck auf mich zu erhöhen.
„Und diese bionische Kriegerin wird sich ergeben. Wir begleiten dich wohin du willst, damit die AURORA nicht vernichtet wird!“
Acati hielt inne. „Narr! Denkst du wirklich, ich glaube das? Du wirst als Verräter und Rebell gebrandmarkt, vor ein Gericht gestellt und entweder lebenslang in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt werden, oder du landest als Soldat vor einem Erschießungskommando.
Sie als bionische Kriegerin wird in die Labors kommen, wo die Wissenschaftler sie untersuchen werden – eventuell bis hinunter in den zellularen Bereich! Von ihr wird nichts übrig bleiben! Das willst du riskieren? Das soll sie riskieren?“
„Ja“, sagte ich schlicht.
Acati wirkte für einen Moment unschlüssig. „Das kann ich dir fast glauben, aber das Risiko ist immer noch zu hoch!“
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die Auras mussten gestoppt werden, schnell! Sehr schnell! Nachdenken, Otomo, nachdenken! Konnte man das Risiko reduzieren? Oder es irgendwie so drehen, dass die Sache das Risiko wert war?
„Die Pläne für die Nullzeitverbindung zur Erde… Ich biete dir interstellare Kommunikation ohne Zeitverzerrung an, Begam!“
Acati ließ die bereits zum Schlag erhobene Waffe wieder sinken. „Du… Was? Du tust was?“
Ich sah diesen Funken in seinen Augen, dieses Blitzen von verstehen und wissen. Natürlich wusste er von unserer Permanentverbindung zur Erde. Wir hatten sie nicht verheimlicht.
Aber ich wusste, dass die Naguad etwas Derartiges nie entwickelt hatten – aus welchen Gründen auch immer.
Dennoch mussten die Pläne, besser noch ein Prototyp in diesen unruhigen Zeiten für das Imperium eine Offenbarung sein.
Früher oder später wären sie sicherlich selbst auf das Funktionsprinzip gekommen, rechtfertigte ich mich vor mir selbst. Nun würde es früher werden, aber die AURORA retten.
„Der Resonanztorpedo!“, forderte der Begam.
Ich atmete erleichtert auf. Er begann zu verhandeln. Ein erster wichtiger Schritt. „Nein.“
„Pläne für die Waffe!“
„Nein!“
„Das ist das Risiko nicht wert.“
„Aber einen Booster könnt Ihr haben!“
Acatis Augenlider begannen zu zucken. Sicher hatte er die frechen Epsilons bemerkt, die ungewöhnlich weit entfernt von der Flotte operieren konnten, ungewöhnlich gut beschleunigten und sogar Staubwolken nicht aus dem Weg zu gehen brauchten.
Acati legte die Spitze seiner Klinge auf dem Boden ab. „Wie kann ich dir trauen? Du wirst kaum los marschieren, mir die gewünschten Dinge besorgen und dann wiederkommen!“
Mist, mist, MIST!

Was sollte ich nun tun? Was konnte ich tun? Griff ich an, würden wir weiterhin durch den Boden brechen, bevor ich den Begam besiegte und zusammen mit ihm sterben. Allerdings mit der AURORA im Schlepp.
Ließ ich mich töten, war es das auch für die AURORA.
Nein, nur mein Ausverkauf rettete das Schiff und die Mission. Aber wie brachte ich ihn dazu, mir zu trauen?
Ich streichelte Joan gedankenverloren mit der Linken über die Wange. Wie viel war ich bereit zu riskieren? Wie viel zu opfern? Wie viel zu verraten?
„Du...“, sagte ich mit brüchiger Stimme und schämte mich bereits des Gedankens, „du kannst Joan Reilley als Geisel mitnehmen, um sicher zu gehen, dass ich dich nicht verrate und nicht bekämpfe…“
Joan! Verdammt, Joan! Was tat ich ihr nur gerade an? War ich nicht schlimmer als der Begam, der ihren Verstand ausgelöscht hatte?
Sie sah mich aus klaren, mit Tränen gefüllten Augen an. Damals, bei unserem ersten Treffen, hatte mir dieser Blick die Nackenhaare aufgestellt. Diesmal aber ließ er bei mir die Tränen fließen. „Joan…“
„Aki-chan… Beschützen…“
Ich strich über ihr Haar, schluckte hart. Verdammt sollten sie sein, die Naguad! Verdammt sollten sie sein, dass sie mich soweit brachten, Joan hergeben zu wollen! Wenn auch nur auf Zeit.

Wütend wischte ich mir die Tränen aus den Augen. Dann sah ich Acati an. „Haben wir einen Handel, Begam Acati?“
Wütend brüllte der Mann auf. Seine Aura expandierte… Und fiel in sich zusammen. Mit einer eleganten Geste steckte er seine Waffe ein. „Schick sie zu mir. Und dann führe mich zu einem Außendock. Wir gehen auf die KON, sie wartet nur auf mein Signal.“
Ich nickte und sah Joan lange in die Augen. Nach und nach ließ ich meine eigene Aura verblassen, stellte die Vernichtung des Gesteins ein. „Joan. Du musst jetzt mit Acati gehen. Aber habe keine Angst. Wir sehen uns bald wieder. Sehr bald wieder.“
„Aki-chan?“ Ihre großen Augen sahen mich an. Verständnislos, vorwurfsvoll.
Wieder schluckte ich hart. Ich beugte mich vor und gab ihr einen Kuss. Es war das erste Mal, seit wir uns kannten, dass ich einen unserer Küsse begonnen hatte.

Ich drückte sie leicht in Acatis Richtung. „Geh, Joan.“
„Aki… Aki-chan?“ Gehorsam setzte sie sich in Bewegung, ging auf Acati zu. Dessen Linke legte sich auf ihre Schulter, umklammerte diese und hielt sie auf ihrem Platz.
„Aki-chan?“, fragte sie erneut.
„Und was jetzt, Begam?“
„Raus hier.“ Er sprang, Joan im Schlepp, mit einer Leichtigkeit, die Neid in mir auslöste. Ob ich noch Gelegenheit hatte, das ebenfalls zu lernen?
Mein Sprung hingegen, der mich aus dem Loch heraus und in die Grey Zone beförderte, kam mir schwach und plump vor.
„Nicht nach oben“, hielt ich Acati zurück. „Aus der Grey Zone gibt es eine Passage zu den Hangars der Steuerbordseite. Dort kannst du deine Fregatte hin beordern. Folge mir.“
„Es will mir überhaupt nicht gefallen, dass du auf einmal so folgsam bist, Akira Otomo“, rief der Begam und hielt sich direkt hinter mir, Joan im eisernen Griff mitschleppend.
Ich ignorierte den Einwand und aktivierte meinen Funk. „Prime, hör mir jetzt gut zu. Fliege selbstständig zu dem Hangar zurück, über den wir an Bord gekommen sind. Dort wirst du den Booster aufnehmen, mit dem wir hergekommen sind. Karl wird dir darüber hinaus ein Containermodul anklinken. Anschließend schleust du aus und folgst meiner permanenten Peilung.“
„Sir, ich muß Sie darüber informieren, dass das Hochverrat ist.“
„Lieber ein Hochverräter sein als anderthalb Millionen Anelph und Menschen zu töten! Überrangorder, Prime Lightning!“
„Ich muß eine Überrangorder nicht akzeptieren, Sir“, bekam ich zur Antwort.
Entsetzt sah ich auf.
„Aber ich werde es dennoch tun, Sir. Die Primus-Komponente ist der Meinung, dass Sie wissen, was Sie tun, und die Blue Lightning-Komponente folgt Ihnen sowieso durch dick und dünn.“
„Danke, Großer“, hauchte ich erleichtert.
Ich wechselte den Kanal und besprach mich kurz mit Karl. Der Mann widersprach mir nicht ein einziges Mal, und wieder erahnte ich, dass ich diesen Mann zum Kreis meiner Mentoren zählen konnte, wie Jeremy Thomas und Futabe-sensei. Ich war dankbar dafür, dass es ihn gab.

„Wenn wir auf die KON wechseln“, rief Acati neben mir, „wirst du unter Lacima gesetzt, mein Freund, bis ich dich auf Naguad Prime irgendwo abgeben kann. Nur damit du weißt was dir bevorsteht, klar?“
Ich stutzte kurz. „Äh, Lacima, ist das ein Mittel, um die KI-Bildung in meinem Körper zu stören?“
Torum Acati grinste mich an. „Das stärkste Mittel seiner Art, das wir kennen.“
„Wusste ich es doch. Mist.“
**
Die KON, Acatis Spezialfregatte, war nicht extra durch das Abwehrfeuer gebrochen. Nach einem weiteren, erklärenden Gespräch mit Makoto Ino wurde mir, Acati und Joan eine Fähre gestellt, die uns zu dem Naguad-Schiff bringen würde.
Dabei war Mako so kühl und professionell, als würden ein paar Besucher das Schiff nach einer Besichtungstour verlassen.
Doch als das Offizielle geregelt war, als ich bereits abschalten wollte, sagte er: „Pass auf sie auf, verdammt!“
Ich nickte schwer. „Ja, großer Bruder.“
Begleitet von Prime, der neben uns her flog, schossen wir auf die KON zu.
„Bald wird es heiß“, murmelte Acati grinsend. „Sobald wir die direkte Umgebung der AURORA verlassen haben, könnte es deinen Anführern in den Sinn kommen, die KON zu stellen oder zu vernichten, nachdem das Gigantschiff außer Gefahr ist. Geisel hin, Geisel her.“
Er zwinkerte mir zu. „Ich würde es jedenfalls so machen, Junge.“
Ich ging nicht darauf ein. „Kriege ich jetzt Joan wieder?“
„Was? Mit uns beiden in einer engen Fähre, deinen persönlichen Banges direkt neben uns? Für wie blöd hältst du mich? Sobald du deine Spritze gekriegt hast, lasse ich sie zu dir. Keine Sekunde vorher.“ Sein Grinsen verschwand und machte einer wehmütigen Miene Platz. „Keine Sekunde vorher…“

2.
„Gina. Es tut mir Leid, ich habe nur sehr wenig Zeit. Eine kleine Flotte Naguad-Schiffe stellt sich uns in den Weg, dazu über zweitausend Banges. Wir treffen sie in achtzehn Stunden, und bis dahin muß unser Schlachtplan stehen. Immerhin müssen wir ohne unsere drei besten Piloten auskommen, außerdem mit komplett neu aufgestellten Kompanien.“
Mamoru Hatake ließ sich schwer in einen Sessel des Besucherraums fallen, in den man Gina Casoli geleitet hatte. „Das wird die schlimmste Schlacht, die je ein Mensch mitgemacht hat. Für die Naguad wird es ein Gemetzel, denn wir sind ihnen hoffnungslos überlegen. Also werden sie tun was immer sie können, um so viele wie möglich von uns mitzunehmen. Und genau das zu verhindern ist mein verdammter Job als Analytiker.“
Er sah auf, atmete heftig aus. „Und das Beste ist, Makoto hat doch tatsächlich seine Hilfe beim Plan verweigert. Er hat gesagt: Mamoru, nun bist du der Chef des Stabes, und du musst deine eigenen Schlachten schlagen.
Was erwartet er, wer ich bin? Gott? Akira?“
Gina lächelte und legte beruhigend eine Hand auf seine Rechte. „Du bist Mamoru Hatake. Und du warst zusammen mit Akira und Megumi auf dem Mars. Wenn Mako-chan dir sagt, dass dies deine Schlacht ist, dann nur aus dem Grund weil du es kannst.“
„Ich mache es ja nicht alleine“, erwiderte Mamoru wie im Selbstgespräch. „Natürlich helfen mir Admiral Richards und Dai-chan. Okay, eigentlich helfe ich ihnen.“
Wütend senkte Mamoru den Kopf. „Also irgendwie liegt es mir überhaupt nicht, für fünfzigtausend Soldaten verantwortlich zu sein. Aber abschieben kann ich die Arbeit auch nicht. Aber ich schwafle nur. Du hast doch sicher ein Problem, Gina. Deshalb bist du doch gekommen. Ha, nachher ist es größer als meines.“
Gina Casoli schmunzelte dazu. Leise und eindringlich erzählte sie dem Geheimdienstoffizier alles, was er über sie und ihre beiden, nun, Mitbewohnerinnen wissen musste. Dabei klappte dem Japaner mehr und mehr die Kinnlade nach unten.
„Okay, du hast größere Probleme als ich. Aber wie kann ich dir helfen?“
„Wie kann ich helfen? Ich meine, wie können wir helfen, Mamoru?“
Der drahtige Major sprang überraschend auf. Er ergriff Ginas Hand und zog sie aus dem Sitz. Danach eilte er, Gina im Schlepp, zur Tür und riss sie auf. Die junge Argentinierin hinter sich her ziehend eilte er durch Flure, Treppenhäuser und Tore, bis sie an der Bahn standen.
„Schmeißt du mich raus, Mamoru?“, fragte Gina überrascht.
„Was? Quatsch. Aber wir müssen uns wirklich beeilen! Die TAUMARA wird bald ablegen, und ich will versuchen Yodama-sama zu überreden, dich mitzunehmen. Du wirst ihr und den anderen auf Naguad Prime eine Riesenhilfe sein. Hoffe ich.“
„Klar. Zwei von uns können töten. Und Nummer drei kocht alle Gegner zu“, scherzte Gina verlegen.“
Die Bahn kam, Mamoru umklammerte immer noch ihre Hand und zog sie mit sich. Selbst als sie die Bahn verließen und in den Fahrstuhl wechselten ließ er sie nicht fahren.
Währenddessen führte er mit Hilfe seines Kommunikators mehrere Gespräche. Ergebnis war, dass die Wachtposten ihn und die junge Frau durchwinkten.
Vor dem Aufgang zur TAUMARA angekommen ließ er sie endlich los. „Das wird ein Abschied auf ungewisse Zeit, Gina. Ob wir uns wieder sehen weiß ich nicht, aber ich hoffe es. Gina, ich mag dich wirklich sehr gerne. Und es tut mir weh, dich in unser Abenteuer hinein zu ziehen. Aber ich sehe, wo deine Talente liegen, wo du uns nützen wirst und was du selber willst.“ Er lachte rau. „Und deine Agentin und Ai-chan natürlich auch.“
Er gab ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. „Yodama-sama ist einverstanden. Bekleidung wird gestellt und um dein Restaurant werde ich mich kümmern. Mehr kann ich nicht für dich tun. Jetzt geh.“
Gina nickte tapfer, umarmte den Freund noch einmal fest und ging dann die Rampe hoch.
„Die armen Naguad. Die wissen ja gar nicht, was da alles auf sie zukommt“, murmelte Mamoru und winkte, bis sich das Schott geschlossen hatte.
**
Zwei Stunden später spielte sich auf Jomma, genauer gesagt auf der Axixo Basis, die fest in der Hand der Hekatoncheiren war, eine weitere Abschiedsszene ab.
Mit Tränen in den Augen umarmte Megumi Uno die beiden Freunde und Untergebenen, Yohko Otomo und Yoshi Futabe.
„Passt auf euch auf“, hauchte sie und drückte Yohko einen dicken Kuss auf die Wange. „Und bringt mir meinen Akira wieder zurück.“
Yohko schniefte mehrfach. Ihre Augen waren stark gerötet und sie konnte sich kaum zurückhalten. Stattdessen umklammerte sie die Ältere so fest sie konnte. „Versprochen, O-nee-chan. Versprochen.“
Megumi strich Yohko sanft über ihr Haar. Dann griff sie nach Yoshi und zog seinen Kopf zu sich und Akiras Schwester heran. So standen sie da und schwiegen eine lange Zeit.
Im Hintergrund wurden die beiden Mechas Thunderstrike und Archer für die Verladung auf die Fregatte TAUMARA vorbereitet.
Eri Yodama beobachtete die Szene aus der Distanz und ließ den drei jungen Leuten die Zeit, die sie brauchten, um sich zu verabschieden. Diese Rettungsmission mit halb ausgebildeten KI-Meistern, desertierten Naguad-Offizieren, einem geklauten Militärschiff der Naguad und einer desertierten Admiralin hatte nicht von ungefähr das Flair eines Himmelfahrtskommandos.
Aria Segeste schluckte selbst hart. Es war noch gar nicht lange her, da hatte sie sich von diesen Menschen trennen müssen. War gegen sie angetreten und wieder in ihre Leben zurückgekehrt. Und nun verließ sie einen Teil von ihnen erneut, um nach Akira und Joan Reilley zu suchen. Das Leben konnte hart sein.

Endlich lösten sich die drei jungen Leute voneinander. Megumi Uno sah zur Gruppe der drei Frauen herüber, Eri, Aria und Jora Kalis.
„Wenn Sie erlauben, Yodama-sama“, rief Megumi herüber, „will ich Lieutenant Kalis etwas Persönliches mitgeben.“
„Mir?“, fragte Jora erstaunt.
Megumi nickte. „Du siehst aus wie ich, schon vergessen? Daraus könnt Ihr auf Naguad Prime vielleicht Kapital schlagen. Wenn das übrige Equipment stimmt.“
Megumi winkte der Naguad, ihr zu folgen. Die beiden verschwanden in einer Umkleidekabine.
Als sie wieder hervortraten, trug Jora Kalis den roten Druckanzug von Megumi Uno. Im Hintergrund wurde Lady Death für den Abtransport fertig gemacht.
„Ich nehme Joras Red Team-Banges“, sagte Megumi leise. „Und mit Lady Death könnt Ihr… Könnt Ihr… Es wird sich schon was finden.“
Jora schienen diese Worte verlegen zu machen. „Danke“, sagte sie ernst. „Ich danke dir.“
„Du machst das schon, Mädchen. Hauptsache, Ihr bringt Akira zurück.“
Die beiden Frauen sahen sich ernst an, dann schritt Jora an Yoshi und Yohko vorbei auf Eri Yodama zu. „Wir können, Admiral.“
Eri musterte sie eine Zeitlang. „Wirst du mit Lady Death klarkommen? Ich meine, wenn wir in die Lage kommen müssen, Mechas einzusetzen, dann…“
„Meine Biodaten sind sicherlich noch in Lady Deaths Computer gespeichert. Die Feineinstellung können wir auf dem Flug machen.“ Sie lächelte verlegen. „Wer bin ich, dass ich so einen Banges… Ich meine Mecha ablehne?“
Eri lächelte wissend. „Yohko-chan. Yoshi-kun. Kommt jetzt.“
Sie sah zu Megumi herüber. „Und du, junge Dame, bist hoffentlich an dem Platz, an dem du dein Bestes geben kannst.
Megumi schluckte hart. „Ich hoffe es, Yodama-sama.“
Die Schleuse schloss sich hinter den fünfen. Durch ein Aussichtsfenster konnte man sehen, wie sie durch einen Steggang zur TAUMARA zurückkehrten, während Exos die drei Mechas verluden.
Megumi Uno senkte unschlüssig den Kopf. „Kommt ja gesund zurück… Nein, es reicht eigentlich, wenn Ihr zurückkommt, aber bitte alle…“
Sie wandte sich um und widmete sich der Aufgabe, zwei volle Regimenter zu verwalten.

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3.
Sakura Ino betrachtete das große Hologramm vor sich auf dem Projektionstisch. In Kampfsituationen zog sie es vor, nicht in der Admiralität zu sein, sondern ihren Platz auf Tetsu Gendas Brücke zu beanspruchen. Admiral Richards koordinierte die Flotte, Tetsu die Verteidigung der AURORA. Ihr oblag es, permanent das Gefechtsgeschehen zu koordinieren und entsprechende Befehle zu geben, an denen sich die beiden Offiziere zu orientieren hatten.
Seit die AURORA mit ihrem Begleitverband den langen Weg zum Systemrand angetreten hatte, um mittels eines Wurmlochs ins Nachbarsystem zu springen, waren neun Tage vergangen. Neun Tage, in denen sie fünf Planetenbahnen passiert hatten. Dadurch waren die Naguad, die sich mittlerweile von Lorania und den beiden Monden Jomma und Dipur zurückgezogen hatten in der Lage, den Giganten zu attackieren. Nicht, dass sie wirklich eine Chance hatten. Aber es zeigte sich immer wieder, dass die feindlichen Einheiten empfindlich bissen.
Sie griffen an, tauschten Feuer mit den terranischen Einheiten aus und verschwanden wieder, bevor die Verteidiger der AURORA einen Abschuss erzielen konnten oder eine Entscheidung erzwangen. Diese Angriffe erfolgten permanent und forderten einen hohen Preis an Material. Es kam zu Verwundungen, Todesfällen auf beiden Seiten.
Die Werften der AURORA waren im Dauerbetrieb, um die Gefechtsschäden auszugleichen, und auch die Naguad, teilweise unterstützt von dem Imperium immer noch loyalen Anelph-Einheiten, brachen immer wieder ab, um sich reparieren zu lassen. Dabei verlegten sie ihre Kapazitäten immer geschickt mit dem Flugkorridor der AURORA mit, sodass die Werften im Kurs, die voll ausgelastet wurden, grundsätzlich die Kapazitäten hatten, die Reparaturen auch durchzuführen.
Das führte wiederum dazu, dass Schiff und Flotte unter permanenter Belastung standen, bis an den Rand des Zusammenbruchs getrieben wurden – so sah es sicherlich die Planung der Naguad vor.
Aber ein hervorragendes Schichtprogramm bei den Schiffen und den Hekatoncheiren sowie die erstmals massiv eingesetzten Daishis der Begleitflotten ermöglichten es, den moralischen Verschleiß gering zu halten. Die LRAO, auf einem Daishi Epsilon erbaute Ortungsplattformen, leisteten dabei ihren Teil, indem sie Hinterhalte, Marschbewegungen und Flankenmanöver aufdeckten. Die AURORA konnte permanent angegriffen werden, aber nicht überrascht.
Sakura musterte das Hologramm, welches die Gegebenheiten rund um das Schiff extrem verzerrt wiedergab. Die Einheiten wurden zu groß dargestellt, um in das Größenverhältnis zu passen, welches die Entfernungen in einer interplanetaren Raumschlacht nun einmal vorgab.
Somit tummelten sich wahre Pulks an Schiffen rund um die AURORA, während in Wirklichkeit zwischen den meisten Schiffen tausend und mehr Kilometer Zwischenraum waren. Teufel, ohne moderne Ortungstechnik konnten sich die gegnerischen Schiffe, die aufeinander schossen, nicht einmal sehen.
Eine interplanetare Schlacht dieses Ausmaßes war etwas völlig anderes als der Kampf in einem planetaren Orbit. Die Entfernungen wuchsen, weil ein, zwei gravitatorische Behinderungen wegfielen. Begrenzt wurden sie wiederum von der Reichweite der Waffen.
Projektilwaffen wie Raketen konnten mit ihren Triebwerken nur eine bestimmte Distanz zurücklegen und Energiewaffen wurden mit der Entfernung aufgezehrt, verloren ihren Fokus.
„Ich habe gesagt, die dritte Batterie feuert noch nicht!“, polterte Kommodore Genda durch die Zentrale. Der noch immer recht korpulente Mann, der vor drei Jahren noch ein billiger Motorradrocker gewesen war, bevor er sich für die zweite Marsmission freiwillig gemeldet hatte, hatte einen kometenhaften Aufstieg hinter sich – weil er sich als überragend fähig erwiesen hatte. Er war ein guter Taktiker, Menschenführer, kannte die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Er war ein sehr guter Ressourcenmanager und neigte zu einer gewissen Vorsicht. Er konnte auch anders, aber das war sein persönliches Worst Case-Szenario. Wenn er danach griff, waren alle anderen meistens bereits in heller Panik.

Sakura bemerkte, dass sie den großen Mann anlächelte. Sofort setzte sie die starre Miene auf, die sie sich angewöhnt hatte, nachdem sie dieses Kommando erhalten hatte.
Ihre eigentliche Natur war herzlich, freundlich und ab und an spritzig. Die ernste Vorgesetzte lag ihr nicht und zwei Mars-Missionen hatten ihr die Fröhlichkeit nicht austreiben können. Auch nicht der Umstand, dass ihr Lieblingscousin Akira beinahe gestorben wäre.
Aber irgendjemand hatte ihr mal einen Vortrag über das fraternisieren mit unteren Dienstgraden gehalten und ihr zu dieser Haltung geraten.
Ihre Gegenfrage, wie sie denn mit ihren Verwandten unter den Untergebenen umgehen sollte, hatte den armen Mann reichlich verwirrt.
Wieder huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Die Konstellation war ja auch sehr verwirrend. Ein Vierzehnjähriger, dem ein Daishi Beta direkt vor die Füße fällt, nur ihn als Piloten akzeptiert und anschließend in dem Mecha die Welt vor der Invasion der Kronosier rettet – beinahe im Alleingang - das war nicht unbedingt ein Szenario, dass man erwartete.
Dass seine Schwester ebenfalls in einen Mecha klettern würde, dazu sein älterer Cousin, war derart tief greifend aus der Klischeekiste gegriffen, dass es einfach wahr sein musste.
Missmutig strich sich Sakura über die Schläfen. Sie hatte es versucht. Sie hatte es wirklich versucht. Sie hatte sich ebenfalls der neuronalen Vernetzung mit dem Daishi und später den ersten Mechas der Menschheit ausgesetzt. Es hätte ihr fast das Gehirn gebraten. Danach hatte sie es nie wieder probiert.
Aber so war es damals wirklich passiert. Und das aus einem einzigen Grund: Er, Yohko und Makoto hatten eine genetische Eigenschaft, wie sie sonst nur die zu Kronosiern umprogrammierten Menschen hatten. Naguad-Gehirnstrukturen, die mit den Künstlichen Intelligenzen der Mechas interagieren konnten.
Auch die nächsten Piloten der menschlichen Mechas waren teilweise Nachfahren der Naguad gewesen, wie sie selbst, Akira und die anderen. Erst später war es gelungen, die Programmierung und die technischen Voraussetzungen erheblich zu dehnen.
Sakura war nicht besonders stolz auf ihre eigene Vergangenheit, sah sich eher als Terraner denn als Naguad. Aber sie stand zu ihren Wurzeln. Und zur Vergangenheit ihrer Familie auf der Erde.
Tetsu hingegen war ein ganz normaler Mensch, ein Rowdie und Nichtsnutz, dem niemand jemals eine zweite oder sogar dritte Chance gegeben hätte, nachdem er es zum Anführer einer Motorradgang geschafft hatte. Er hatte keine ominöse Vergangenheit als Kind der Überlebenden einer gescheiterten Expedition, brachte keine leicht differenten Gene in den menschlichen Pool ein. Er war hundert Prozent Mensch, ja, sogar hundert Prozent Japaner. Ihm hatte eigentlich kein pompöses Schicksal bevorgestanden… Eigentlich. Bis seine Fähigkeiten erkannt worden waren. Bis er sich selbst durch eben diese Fähigkeiten zum Kapitän der LOS ANGELES katapultiert hatte.
Bis hierher, zum Skipper der AURORA.
Wenn sie den Mut gehabt hätte, ein für allemal mit Sniper einen Schlussstrich zu ziehen, wenn sie die Stärke gehabt hätte, sich auch einmal fallen zu lassen, wenn sie einmal nur mutiger gewesen wäre, dann…
Sie seufzte entsagungsvoll. Was gingen ihr da nur wieder für Gedanken durch den Kopf, während die AURORA erneut schwer bedrängt wurde?
Die Waffenbatterien, denen Tetsu das feuern verboten hatte, waren eine gemischte Batterie mit Langstreckenbewaffnung. Das gigantische Schiff besaß fünfzig davon, dazu weitere dreihundert auf Kurzstreckenbewaffnung getrimmte Stellungen, hauptsächlich zur Abwehr feindlicher Mechas.
„JETZT kann sie feuern! Feuer frei auf Ziele Ecco, Foxtrott und Golf!“
Tetsus donnernde Stimme bewirkte zwei Dinge. Erstens zuckte Sakura fürchterlich zusammen. Zweitens erhielt die LOS ANGELES, welche auf Backbord die Flanke deckte, nicht nur volle Feuerunterstützung, sondern auch einen direkten Treffer in den gegnerischen Zerstörer mittschiffs, was den Naguad zwang, abzudrehen und den Kampf zu unterbrechen und ihr Luft gegen die anderen beiden Gegner bescherte.

Tetsu Genda lachte rau. Seine Verbundenheit mit dem Midway-Zerstörer hatte er nie wirklich abgelegt. Er hatte immer ein Auge auf den alten Kahn und unterstützte ihn jederzeit so gut er konnte – im Rahmen der Vorschriften selbstverständlich.
Sakura wandte sich wieder ihrem Hologramm zu. Sie rief einzelne Daten heraus, die separate Szenen der um sie herum stattfindenden Schlacht zeigten. Zwei Bataillone Mechas waren gerade draußen, um einen Großangriff gegnerischer Banges abzufangen.
Noch immer verfügten die Naguad über genügend Banges im System, um die Feuerkraft von fünf Bakesch auszugleichen. Allerdings nur die Feuerkraft, aber nicht die Agilität und die Erfahrung der Hekatoncheiren, die zwischen den angreifenden Naguad wie Leoparden zwischen Schafen wirkten.
Die Verluste hielten sich noch in Grenzen. Noch.

„KOBE funkt SOS!“, gellte der laute Ruf durch die Zentrale.
Irritiert suchte Sakura nach dem Schiff und zoomte den Abschnitt heraus. Tatsächlich, das Schiff pulsierte, ein optischer Hinweis darauf, dass der Skipper mit höchster Dringlichkeit um Hilfe gerufen hatte.
Die nähere Situation war nicht sehr verfahren, mit der angreifenden Fregatte hätte die KOBE fertig werden können. Andererseits hatte sie gerade erst vor acht Stunden die Werften verlassen können, nachdem sie am Tag des Abflugs schwer getroffen worden war. Die Reparaturen waren unter Zeitdruck erfolgt, was sich nun sichtlich rächte. Gründliche Arbeit war dem Flickwerk unter Stress definitiv vorzuziehen, vor allem in einer Situation wie ihrer.
„LOS ANGELES giert heran.“ Interessiert beobachtete Sakura, wie Admiral Richards den Zerstörer dirigierte, um der KOBE Deckung geben zu können. Sie selbst hielt sich zurück. In Details einzugreifen hätte nicht nur Richards´ Arbeit gestört, es hätte auch seine Autorität untergraben. Im Prinzip bestand ihre Arbeit nur darin, dieses Hologramm zu betrachten und herauszufinden, wann ihre Befehle, die Strategie betreffend hinfällig geworden waren, weil die Naguad mit einer Taktik aufwarteten, die sie nicht vorausgesehen hatte. Und die dementsprechend von ihren vorab ausgegebenen Befehlen abwichen.
Aber damit rechnete sie eigentlich nicht bevor sie Laccus passierten, den neunten Planeten des Systems, die sich durch ein Übermaß an Methaneis auszeichnete – und das regionale Flottenhauptquartier der Naguad-Flotten.
Leider würden sie den Planeten in einer Entfernung von nur zweihundert Millionen Kilometern passieren, was den Naguad erlauben würde, sie mehrere Tage mit der Unterstützung der nahen Werftanlagen zu attackieren. Immerhin konnten die Bodengebundenen Forts nicht eingreifen. Für einen Moment, einen winzigen Moment war Sakura froh, dass Akira quasi alle Resonanztorpedos verbraten hatte. Die Versuchung war groß, solch ein Feld auf Laccus niedergehen zu lassen. Das hätte Zehntausenden das Leben gekostet, aber ihr Entkommen ohne weitere Opfer gesichert.
Ein verführerischer Gedanke. Wie leicht man doch in diese Richtung tendierte, wenn man bereits zu viele Tränen vergossen hatte, weil Freunde gestorben waren. Oder entführt worden waren.
„KOBE zieht sich langsam zurück.“
„Werft klarmachen. Batterien neunzehn bis siebenundzwanzig sollen Sperrfeuer schießen.“ Tetsu grunzte zufrieden.
Sakura bemerkte erst jetzt, dass der Skipper der AURORA neben ihr stand.
Tetsu griff an ihr vorbei ins Hologramm. „Darf ich?“
Er zoomte heraus, ließ das gesamte System darstellen und vergrößerte einen Abschnitt jenseits des Geschehens, fast zwölf Milliarden Kilometer entfernt.
Dort ging gerade eine Fregatte durch ein selbst kreiertes Wurmloch in den Transit. „Melde hiermit, die Rettungsmission der TAUMARA verlässt in diesem Moment das System. Sie haben drei Tage und elf Stunden Rückstand auf die KON.“
Sakura legte eine Hand auf den Unterarm des Mannes. „Ich danke dir, Tetsu.“
„Sie werden ihn schon wiederbringen. Ihn und Joan“, versprach der Kommodore ernst.
Sakura Ino lächelte sanft. „Du brauchst mich nicht zu trösten, Tetsu. Ich habe alle Stadien hinter mir. Trauer, Zusammenbruch, stand kurz vor dem Wahnsinn. Jetzt versuche ich es mit Pragmatismus.“
„Und dafür bewundere ich dich“, hauchte der junge Mann ergriffen.
Sakura starrte den Jüngeren erschrocken an.
„Kommodore Genda, schäkern Sie etwa mit Ihrer Vorgesetzten?“
„Nein! Nein, oh nein, das doch nicht, Sakura!“
Sie runzelte die Stirn. „Wieso nicht?“
„Äh…“
Sakura lachte leise und drückte dem Verdutzten einen Kuss auf die Wange. „War nur Spaß. Wenn Akira nicht in der Nähe ist, brauche ich schließlich ein anderes Opfer für meine inspirierte Seite. Oder?“
Tetsu lachte ebenfalls. „In Ordnung, Admiral. Wenn das bedeutet, dass Sie uns weiterhin so sicher führen und nach Hause bringen, bin ich gerne Opfer.“
„Die KOBE wird von Sperrfeuer gedeckt. Sie kommt rein.“
„Noch eine gute Nachricht heute“, murmelte Tetsu. Er zwinkerte Sakura noch einmal zu, dann ging er wieder auf seinen Platz.
Sakura aber sah noch mal auf das Hologramm. Die TAUMARA, gekaperte Fregatte der Naguad auf Fernmission, verschwand in diesem Moment. Eri und die anderen befanden sich nun auf ihrer Mission. Die Mission Akira zu retten, der sein Leben gewagt hatte, um Acati von der AURORA herunter zu kriegen. Wieder schuldete sie ihrem Cousin einiges, wenn nicht ihr Leben. Und mit ihr eine Million Anelph. Er hätte es verdient gehabt, dass die ganze Expedition ihm hinterher eilte, um ihn zu retten… Alleine schon, um Joan auf die AURORA zurück zu holen, was weitere Platten bedeutet hätte – gleichbedeutend mit konstant hohen Verkäufen. „Viel Glück“, murmelte sie dem Hologramm zu. „Viel Glück, Eri-Oba-chan, Yoshi, Yohko, Aria, Jora.“
Danach zoomte sie das Hologramm wieder auf die um sie tobende Schlacht.
Zurück an die Arbeit, schalt sie sich in Gedanken.
**
„Ist es die richtige Entscheidung?“ Ami Shirai sah sich in der sehr unvorteilhaften Lage, zeitweise stellvertretende Anführerin der Slayer zu sein, jetzt wo Hina zusammen mit Akane und Sarah an Bord der AURORA zur Erde zurückkehrte.
Was bedeutete, dass sie hier auf Jomma, Dipur und Lorania die Stellung würde halten müssen, falls es zu massiven Angriffen der Naguad kommen würde.
Dazu gehörte massives Training auf den Mechas und den Boostern, welches sie Akari und Eri zu verpassen gedachte. Stellvertretend bedeutete auch, dass Megumi immer dann das Kommando über die kleine Gruppe übernehmen würde, wenn dies notwendig wurde.
Ami hatte sich noch immer nicht mit dem Gedanken angefreundet, der Boss zu sein und hoffte, dass dies oft, sehr oft der Fall sein würde.
Im Moment stand sie gerade vor der jungen Frau, sah ihr in die Augen und fragte erneut: „Ist es die richtige Entscheidung? Megumi-chan?“
Die Offizierin im Range eines Colonels starrte durch Ami hindurch und fand nur langsam den Blick in die Realität zurück. „Was? Ob es… Das kann ich dir nicht sagen. Ami Shirai. Aber ich kann dir sagen, dass ich hier eine Pflicht übernommen habe, die ich sehr ernst nehmen werde. Ich habe schon mit Makoto drüber gesprochen. Wir werden ein gutes Team abgeben.“
Megumi wandte sich ab, starrte durch ein Druckfenster nach draußen, auf die Oberfläche Jommas und die Axixo-Basis.
„Wie machen sich eigentlich Kenji und Emi so?“, fragte Megumi unvermittelt.
„Was? Die zwei? Hm, so wie ich das sehe, sind die beiden bis über beide Ohren verliebt. Ist ihnen aber auch zu gönnen. Ich meine, Emi macht sich immer Selbstvorwürfe, sie sei nicht gut genug und nur unser Anhängsel. Aber in der Beziehung mit Kenji blüht sie richtiggehend auf. Kein Wort mehr von Ihr seid schlauer oder Ihr habt mehr Kraft. Es gibt einfach nur Kenji und Emi. Ich finde, das ist ein sehr schöner Gedanke.“ Ami lächelte verschmitzt.
„So. So, so. Und wie ist es mit dir?“
„M-mit mir? Was?“ Entsetzt starrte Ami die Freundin an. „Wieso mit mir?“
Es klang eigentlich eher so als hätte sie gesagt: Was habe ich dir getan?
Megumi schmunzelte. „Du bist ein merkwürdiges Mädchen. Du kannst einen vier Zentner schweren Mann von einer Judomatte werfen und siehst gleichzeitig aus, als würde ein Windhauch dir entweder die Erkältung deines Lebens bescheren oder dich in der Mitte knicken wie einen Strohhalm.“
Megumi wandte sich wieder um und legte der jungen Frau eine Hand auf die Schulter. „Du bist stark, Ami-chan. Du bist tief da drin sehr, sehr stark. Wovor hast du Angst?“
„I-ich… Sie sah auf. „O-nee-chan…“
Megumi runzelte die Stirn. „Ach, so sieht das aus? Bin ich jetzt in den Rang der großen Schwester erhoben worden? Na meinetwegen. Dann schütte ihr auch dein Herz aus.“
„Selber Schuld, was benimmst du dich so?“, neckte Ami.

„Mein Herz ausschütten? Würdest du sehr lachen, wenn ich dir sagen würde, dass ich mal richtig in Yoshi verschossen war?“
Megumi zuckte die Schultern. „Du und zweitausendneunhundertneunundneunzig weitere Mädchen.“
„Tja, die Konkurrenz war groß. Etwas zu groß. Während ich noch beim schreiben von Liebesbriefen war, hat Lilian ihn bereits an der kurzen Leine geführt. Auch ohne dass er wusste, dass sie in Wirklichkeit Yohko war.“ Sie lachte leise. „Weißt du, Yoshi hatte schon immer eine Schwäche für Yohko. Und als sie vom Mars nicht wiederkam – weiß der Henker, warum er über diese Operation Bescheid wusste – da hat es ihn derart mitgenommen, er brauchte Monate um überhaupt mal wieder zu lächeln. Ich nehme an, dass er sich um Akira kümmern konnte, ihm half all das zu lernen was er während der Gefangenschaft im Biocomputer verloren hatte, half ihm über das Gröbste hinweg.
Als dann Lilian kam, da wurde aus dem hübschen und distanzierten Yoshi wieder ein richtig fröhlicher Kerl. Da hätte ich längst merken sollen, dass ich keine Chance bei ihm habe.“
„Das brauchst du dir nicht vorzuwerfen. Wenn es eine Vorsehung gibt, dann hat sie gleich als erstes bestimmt, dass die beiden zusammenkommen, Ami-chan.“
Ami seufzte leise. „Da hast du wohl Recht, O-nee-chan.“
„Und?“, hakte sie nach. „Wie sieht es jetzt aus? Welcher Mistkerl bricht dir im Moment das Herz?“
„Mistkerl? Er ist doch kein… Verdammt.“
„Ha! Wusste ich es doch! Es gibt da jemanden.“ Megumi strahlte die zerbrechlich wirkende junge Frau derart mit ihrem Lächeln an, dass der aufkeimende Ärger aufgrund ihres Versprechers sofort wieder eingedämmt wurde. Stattdessen wurde sie rot.
„Und? Wer ist es? Soll ich vielleicht raten?“
Abwehrend hob Ami beide Hände. „Nein, du brauchst nicht raten! Um Himmels Willen, du darfst nicht raten.“ Betreten senkte sie den Blick. „Ich weiß sowieso nicht, warum ich ausgerechnet diesen Kerl im Kopf habe. Aber es wird sowieso nicht lange dauern, dann ist er runter vom Markt und…Auuuu!“
Ami hielt sich die schmerzende Stelle auf ihrer Stirn, die Megumi mit einem Fingerschnipser malträtiert hatte. „Sei nicht so dämlich, Ami-chan! Aufgegeben wird erst drei Wochen nach dem Ende der Welt. Okay, Yoshi hast du nicht gekriegt. Aber da war ja von vorne herein nichts zu machen. Aber Nummer zwei auf deiner Liste, den lässt du gefälligst nicht gehen, kapiert?“
Megumi wandte sich wieder dem Fenster zu. „Die Zukunft ist ungewiss und gefährlich. Schafft es die AURORA zurück ins Sol-System? Wird Akira auf Naguad Prime als Verräter und Rebell standrechtlich erschossen? Wenn die Strafexpedition eintrifft, können wir ihr standhalten oder werden wir ausradiert? Wie viele Naguad werden wir mit Hilfe des Blockadegeschwaders töten? Wann wird die AURORA wieder hier eintreffen? Wann wird das Oberkommando beginnen sich für die Erde zu interessieren? Verdammt, Ami-chan, wir alle haben gute Chancen, in nächster Zeit zu sterben. Also sei nicht dumm, und nutze das, was du an Zeit noch hast. Und damit meine ich nicht dein Training auf dem Sparrow. Kei ist noch lange nicht in festen Händen, also lang zu.“
Erstaunt riss Ami die Augen auf. „Kei? Du glaubst, ich habe mich in Kei verliebt? Diesen kleinen, dürren Computerfreak? Ohohohoho. Warum sollte ich ausgerechnet auf DEN Typen reinfallen? Der hat doch seine Ban Shee immer um sich, die ihn bemuttert und ihm den…“
„Ami-chan…“, tadelte Megumi ernst. „In Uniform macht er eine tolle Figur, oder?“
„Was hat das denn damit zu tun? Soll ich mich in Uniformen verlieben? Es kommt immer noch auf den Menschen an der drin steckt, das solltest du eigentlich wissen.“
„Hm. Wer ist es dann? Takashi-kun vielleicht?“
„Du bist fies, O-nee-chan“, hauchte Ami.
Megumi trat an sie heran und schloss sie in die Arme. Übergangslos begann das kleinere Mädchen zu schluchzen. „Du bist fies, O-nee-chan.“
„Lass ruhig alles raus, Ami-chan. Und wenn du fertig bist und die Tränen trocken sind, erstellen wir einen Schlachtplan, okay? Eine richtige Offensive mit Finten, Flankenangriffen, einer Abdrängbewegung gegen die größte Bedrohung, und dann schließen wir den Kessel.“
„Das muß ich jetzt nicht verstehen, oder?“
„Ich übersetze mal für dich: Du schnappst ihn dir.“
Ami drückte ihr tränennasses Gesicht auf Megumis Schulter. „Klingt gut, O-nee-chan.“
**
„Hatschi!“ Erstaunt sah Akari auf.
„Nanu? Hat da jemand an dich gedacht?“ Michi warf ihr einen amüsierten Blick zu.
„Keine Ahnung. Plötzlich musste ich niesen. Ob O-nii-chan was passiert ist?“ Akaris Augen füllten sich übergangslos mit Tränen. „Hoffentlich nicht. Ihr Götter, hoffentlich nicht.“
„PLATZ DA!“
Die beiden sahen nach oben, wo sich über ihnen ein Portal gebildet hatte. Kurz darauf fiel Kitsune herab und landete zwischen den beiden in der warmen Wanne des Whirlpools der Sportanlage der Axixo-Basis.
„Tja, du hast die Götter beschworen und was schicken sie uns? Einen Dämon“, tadelte Michi mit gespieltem Spott.
Kitsune ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie richtete sich halb auf und schüttelte drohend die Rechte. „Ihr könnt mich alle mal! Nächstes Mal bringe ich Okame-tono mit, der fährt mit euch Schlitten! Das kann ich euch sagen!“
„Ach ja?“, ertönte es über ihnen. Ein entsetzlich entstelltes Gesicht schob sich durch das Portal und fixierte die Dämonenkönigin. „Wollen wir es austragen, Fremdweltler? Hier und jetzt?“
Akari seufzte laut und zum Steine erweichen.
Michi schmunzelte und bedeutete ihr mit einer Handbewegung sitzen zu bleiben. „Okay, nass und nur in meiner Badehose wirke ich vielleicht nicht so imposant, aber lass mich das regeln, bitte.“
„Komm doch! Komm doch, wenn du dich traust! Das Portal nach Jomma habe ich ja schon für dich geöffnet, oder? Wenn du dem Mumm hast…“
„Das reicht, das ist zuviel! Verdammter Fremdweltler, jetzt kriegst du es mit der groben Kelle!“
Das entstellte Monster zwängte sich durch das Portal, langte bereits mit einer Hand nach der Fuchsdämonin. Michi erhob sich. Er streckte einen Arm aus und hielt ihn zwischen den Arm des Dämonen und Kitsune. „Das reicht jetzt. Du infiltrierst gerade eine militärische Anlage der United Earth Mecha Force. Das kann ich nicht hinnehmen, Dämon hin, Dämon her.“
„Misch dich da nicht ein, Naguad! Ich schreibe später eine Entschuldigung, aber jetzt will ich dieses freche Ding da platt machen!“
„Wen nennst du hier einen Naguad, Kerl?“, blaffte Michi wütend.
„Micchan“, murmelte Akari, als sich ihr Freund übergangslos verwandelte. Nun, er zog sich nicht gerade eine KI-Rüstung über. Stattdessen überzogen ihn Überschlagsblitze aus purem KI, die ihn bald wie eine zweite Haut umschlossen und von Sekunde zu Sekunde an Intensität zunahmen.
„Wie war das mit dem platt machen?“
Die entstellte Grimasse verzerrte sich noch mehr. „Oh. OH! Ach, da habe ich mich wohl etwas im Wort vergriffen. Ahahaha. Ich meinte doch nicht platt machen. Besuchen. Besuchen meinte ich. Tja, Kitsune-chan, ich habe leider doch gerade wenig Zeit, aber du bist natürlich jederzeit willkommen, wieder in der Dämonenwelt vorbei zu schauen, ja? Sei mein Gast. Also, ich muß dann. Macht es gut und so weiter. Ha, ha, ha.“
Das Portal schloss sich über ihnen. Michi atmete erleichtert aus und ließ die Überschlagsblitze verschwinden. „Da war knapp. Ein Kampf so früh am Morgen hätte mir echt die Laune verdorben. Äh, ist was?“
Kitsune starrte den jungen Mann entgeistert an. „Was bist du eigentlich?“
„Akaris Freund?“
Die Ziehschwester von Akira rutschte zu Michi herüber zog ihn in die Wanne zurück und umschlang ihn mit beiden Armen. „Aber hallo. Das ist mein Micchan. Wird von Tag zu Tag stärker.“
„Hat euch schon mal jemand gesagt, dass Ihr eine gespenstische Combo bildet?“
„Die letzten vierzig Stunden nicht.“
„Ich habe es zwar gesehen, aber glauben kann ich es nicht. Micchan, was hat dir Akira eigentlich alles beigebracht?“
„Alles, was er selbst wusste, damit ich in die Lage komme, ihn töten zu können.“
„Ihn… Was?“
Der junge Mann mit den Elwenfelt-Genen winkte ab. „Ruhig Blut, Kitsune-chan. Das hat sich mittlerweile erledigt. Akira hätte ich sowieso nicht geschafft, da bin ich mir sicher.“
„Ich nicht mehr“, murmelte die Dämonin und stieg aus der Wanne. „So, ich suche jetzt Okame und dann bereiten wir uns drauf vor, mal etwas Ordnung in die Dämonenwelt zu bringen. Falls wir gegen alle Dämonen zugleich antreten müssen, könntet Ihr zwei dann aushelfen?“
„Was? Wir sollen es mit allen Dämonen zugleich aufnehmen? Ist das fair?“, tadelte Akari.
„Stimmt, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich glaube, einer von euch beiden reicht vollkommen aus.“

Die Blicke, mit denen Akari und Michi der Dämonin hinterher sahen, waren alles, nur nicht intelligent. „War das ihr Ernst? Ich meine, sie ist ja meistens zu Scherzen aufgelegt und so…“
„Keine Ahnung. Aber es stimmt wohl. Wir sind sehr stark geworden. Und zusammen sind wir sogar noch stärker.“
„Das zusammen sollten wir noch etwas ausdiskutieren, Akari-chan.“
„Keine Einwände.“ Sie kuschelte sich enger an ihren Freund an, was dieser mit einem behaglichen Seufzen kommentierte.
„Wer hätte das gedacht. Ein Oni, dem ein zweites Leben geschenkt wurde und der Sohn des letzten Magiers der Erde finden zusammen…“
„Liegt alles an Akira. Wo er auftaucht, wird alles möglich.“
Wehmütig sah Akari in die Ferne. „Ich hoffe, es geht ihm gut. Ihm und den anderen.“
„Bisher konnte ihn nichts umbringen, Akari. Warum sollte es diesmal anders sein?“
Die ehemalige Oni schluckte hart. Dann drängte sie sich noch enger an ihren Freund.
Michi schnaufte trotzig. „Es ist Akira-o-nii-chan, Akari!“ Aber es klang, als versuche er sich selbst zu überzeugen.
**
„Das war es. Wir springen in zwei Minuten. Kommodore Takahara.“ Sakura salutierte vor der holographischen Abbildung des Skippers der SUNDER.
Der erwiderte den Salut. Er würde mit dem Bakesch und acht Schiffen der Begleitflotte im System bleiben. Ihm stand ein harter Weg zurück nach Lorania bevor. Aber Sakura zweifelte nicht daran, dass es dem zähen kleinen Jungen gelingen würde.
„Gute Reise, AURORA. Kommt sicher an und bald wieder zurück.“
„Versprochen, Kommodore.“ Sie sah zur Seite. Dort stand Admiral Richards. Er reichte ihr ein Papierdokument. „Meine letzte Handlung vor dem Sprung. Ihr letzter Befehl, Kommodore.“
Sie griff zur Seite, nahm den Zettel auf. „Mit sofortiger Wirkung übernimmt Kommodore Kei Takahara, Kapitän der SUNDER, das Oberkommando über alle im Kanto-System verbliebenen Schiffe der United Earth Mecha Force.“
Kei nickte. „Das habe ich erwartet. Ich bin mir der Ehre und der Verantwortung bewusst, Admiral.“
„Desgleichen wird Kommodore Takahara im Feld zum Konteradmiral befördert“, fügte sie hinzu.
„D-das habe ich nicht erwartet!“
„Freu dich, die Admiralsbezüge sind nicht schlecht, Kei.“
Sprungalarm gellte auf. Die Generatoren liefen an und kreierten das Wurmloch. „Viel Glück, Kei. Viel Glück euch allen.“
„Kommt bald wieder, Sakura-sensei.“
Sakura schwieg verblüfft. Ihre Zeit an der Fushida High School, ja sogar ihre Zeit an der Schule der AURORA erschien ihr so fern wie ein fremdes Leben. Dass Kei nun Sensei zu ihr sagte überraschte sie, machte sie aber auch stolz. „Versprochen, Kei-chan.“
Dann kam der Sprung. Und die AURORA verließ das Kanto-System.

4.
Die Tage und Wochen an Bord der KON erwiesen sich als weniger problematisch, als ich befürchtet hatte. Joan und ich genossen relative Narrenfreiheit an Bord – wohin hätten wir auch fliehen sollen? An Prime kam ich nicht ran, die Waffenkammer war stark gesichert – als wenn ein einziger Mann eine ganze Fregatte entern konnte.
Außerdem war spätestens nach dem Transit alles verloren. Meine und Joans einzige Hoffnung bestand darin, irgendwie auf Naguad Prime zu entkommen und von dort den Rückweg anzutreten. Entweder ins Kanto-System zu den Anelph oder gleich zur Erde.
Torum Acati wusste das. Er würde mir keine Chance lassen zu entkommen.
Das Bild, das er von meiner Zukunft gezeichnet hatte, war nicht das Beste. Ich rechnete mit dem Erschießungskommando, oder zumindest mit einem Strafgericht. Ob mir meine Abstammung helfen würde? Konnte oder sollte Haus Arogad irgendetwas für mich tun? Für mich, einen für sie vollkommen Unbekannten, der plötzlich aufgetaucht war und dem Imperium nichts als Ärger eingebracht hatte?
Für Joan sah es sogar noch schlimmer aus. Sie hatte selbst jetzt mit gelöschter Erinnerung überhaupt nichts gemein mit den hirnlosen Drohnen, welche die Kronosier als angeblich unüberwindliche Fußsoldaten gegen uns eingesetzt hatten. Sie war weit stärker als diese gewesen. Aber genau das war das Problem. Die innovativen bionischen Techniken, die auf sie angewendet worden waren, ihre Kraftverstärkung, ihr Können, ihre Geschwindigkeit machten sie zu einem Musterexemplar für die militärische Forschung.
Vor meinem geistigen Auge sah ich immer wieder eine nackte Joan, angeschnallt auf irgendwelchen Tischen, verzweifelt meinen Namen rufend, während Naguad-Wissenschaftler ihr Innerstes nach außen kehrten, um ihren Geheimnissen auf die Spur zu kommen.
Diese Zukunft erschreckte mich maßlos.

Die Aufgaben, die mich an Bord erwarteten, waren letztendlich sehr angenehm. Ich hatte die Tage vor dem Sprung damit verbracht, Joan ihr Basiswissen zurück zu geben. Sie lernte schnell und eifrig. Und folgte mir wohin immer ich ging wie ein treuer Hund. Nein, der Vergleich hinkte, denn ein Hund konnte niemals mit solcher Hingabe lieben.
Ich war nicht blind und sah ihre leuchtenden Augen, ihr strahlendes Lächeln. Und die Not auf ihren Zügen, wenn ich sie alleine ließ. Ich war im Moment Joans Welt.
Das Leben konnte schon grausam sein.
In diesen Tagen versuchte ich so weit es ging Megumi in den hintersten Winkel meines Bewusstseins zu drängen, um mich vollkommen Joan zu widmen.
Die Bewusstseinslöschung war letztendlich nicht so erfolgreich gewesen wie Acati gesagt hatte. Jedes Mal wenn ich ihr wieder etwas beigebracht hatte, aktivierten diese Bissen Wissen Fragmente ihrer Erinnerung. Es war wie ein riesiges Puzzle, in dem die meisten Teile fehlten. Aber sobald man eine Lücke geschlossen hatte, füllte sich der umschlossene Bereich wie von selbst wieder.
Joan erinnerte sich wieder an ihre Band, ein Lieutenant der Besatzung war so nett gewesen mir seine Sammlung von Joan Reilley-Songs und Videos zu kopieren, was dazu geführt hatte, dass sie sich auch an ihre Arbeit erinnerte. Sie hatte sogar begonnen wieder zu singen, was bei den Reilley-Fans der Mannschaft auf einhellige Begeisterung gestoßen war.
Auch die Erinnerung an unsere Freunde kehrte nach und nach zurück.
Ich hatte versucht, ihr die Erinnerung an Makoto zurück zu geben, auch wenn dies für sie schmerzvoll sein würde, wenn wir in der Fremde waren und kurz vor unserem Tod stehen würden.
Aber aus einem bestimmten Grund verdrängte sie jede Erinnerung an ihren Freund.

Ich erfuhr den Grund, als wir in den Transit gingen. Joan konnte sich mittlerweile wieder normal unterhalten und lernte mit erschreckender Geschwindigkeit, wenngleich ihr Wissen noch lange nicht wieder komplett war.
Torum Acati hatte mich ins Gebet genommen und mir noch einmal erklärt, welches Schicksal auf mich wartete und dass ich besser nichts bereuen sollte.
Nichts bereuen… Joan ständig um mich zu haben, sie zu sehen, zu riechen, sie zu berühren war eine echte Marter gewesen. Ich ging einem Schicksal entgegen, dass mir mit einiger Sicherheit den Tod einbringen würde.
Megumi war so weit weg, wenigstens einigermaßen in Sicherheit. Aber Joan war direkt neben mir…
Männer sind Schweine, das war mir schon immer klar. Das ich aber auch eines war, das war eine vollkommen neue Erfahrung für mich.
Anders konnte ich es mir nicht erklären, warum Joans Hände, die während der letzten Tage oft über meinen Körper gestrichen waren, diesmal einen vollkommen anderen Effekt hatten als sonst. Warum ich zuließ, dass sie mehr küsste als meine Wange. Warum ich ihre Wärme aufnahm, ihren Atem schmeckte. Warum ich innerlich in Flammen stand und dieses Feuer auch in ihr spürte.
Und warum ich so dämliche Gedanken hatte wie: Es hatte längst mal passieren müssen.
Okay, sie war wieder bei Verstand, es hatte nichts von ausnutzen eine Hilflosen. Und sie erinnerte sich nicht mehr an Makoto. Aber ich doch an Megumi, oder?
Warum ließ ich es dann zu? Warum genoss ich es? War die Aussicht, vielleicht bald zu sterben, so mächtig? War es das, was Acati gemeint hatte mit keine Bedenken haben?
Wir schliefen miteinander. Einmal. Zweimal. Ach, zeitweise kamen wir weder dazu, Joan ihren Unterricht zu erteilen oder in die Messe zu den Mahlzeiten zu gehen.
Wir waren auf dem Weg in die Fremde, würden sehr wahrscheinlich sterben, unsere Freunde nie wieder sehen. Die AURORA würde nun schon lange auf dem Heimweg sein.
Und wir beide betrogen meine Freundin und meinen Cousin.
Hatte es was von betrügen? War es richtig oder falsch? Moralisch gesehen nutzte ich Joan zwar nicht aus – obwohl auch das Auslegungssache war – aber ich war in festen Händen.
Schmerzhaft wurde mir in lichten Momenten bewusst, dass ich Joan fast so sehr liebte wie Megumi. Und wie sehr mich Megumis vermeintlicher Tod damals aus der Bahn geworfen hatte. Der Ring in der Schublade meines Schreibtischs in der Flottenzentrale Poseidon lastete auf mir mit dem Gewicht mehrerer Tonnen. Reichte der sichere Tod als Ausrede? Für viele andere bestimmt. Aber ich begann mich selbst zu hassen, je mehr ich die Zeit mit Joan genoss. Und damit meinte ich nicht nur den Sex mit ihr.
Wenn wir es zurück schafften, wenn wir fliehen konnten, was dann? Konnte ich dann Makoto oder Megumi oder beiden jemals wieder unter die Augen treten? Was war mit Joan? Sie konnte nun absolut nichts dafür. Absolut nichts. Oder doch?
**
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Aki-chan“, hauchte Joan mir ins Ohr.
Ich sah von meiner Lektüre auf, einer Faksimile der populärsten Tageszeitung Naguad Primes, die wir täglich erhielten, seit wir in das System gesprungen waren. Durch die sich verringernde Zeitverzögerung durch die Übermittlung mit Lichtgeschwindigkeit wurden die Nachrichten immer aktueller. Mich interessierten vor allem die öffentlich gemachten Daten, die Strafexpedition betreffend, welche das Kanto-System bald ereilen würde, aber nun legte ich das Datapad beiseite.
„Du erinnerst dich an meinen Geburtstag?“
Für einen Moment biss sich Joan auf die Lippe. „Ja“, hauchte sie. Ihre Lippen berührten meine Wange. „Ist das schlimm, Aki-chan?“
Es war schlimm, unglaublich schlimm. Präzise gesagt bedeutete das für mich das Ende der Welt. Ich wusste ganz genau, was die quirlige Joan Reilley mir damit gesagt hatte. Und als ich mich umwandte und in ihre Augen sah, wusste ich, dass ich Recht hatte. Sie erinnerte sich. In den letzten dreieinhalb Wochen unserer Reise hatte sie ihr Gedächtnis vollkommen wiederhergestellt. Damit erinnerte sie sich auch wieder an Makoto.
An den fernen, fernen Makoto, den sie vielleicht niemals wieder sehen würde.
In diesem Moment schlossen wir beide einen Pakt. Einen Pakt ohne Worte. Wir würden weitermachen wie die letzten beiden Wochen auch. Wir würden unsere innige Verbundenheit, unseren gegenseitigen Halt nicht aufgeben. Wir brauchten einander und wir würden zusammenbleiben, solange es uns möglich war. Jetzt auseinander zu brechen hätte uns beide mit ziemlicher Sicherheit getötet.
Aber sollten wir wieder, jemals wieder zu unseren Freunden zurückkehren, dann würde diese Zeit das sein, was sie dann, in ferner Zukunft sein würde: Vergangenheit.
Falls wir es schafften. Falls wir überlebten. Falls, falls, falls. Unsere Chancen standen miserabel.
Ich küsste Joan meinerseits auf die Wange und lächelte sie an. „Schön, dass du dran gedacht hast.“
Sie schlang ihre Arme um meine Schultern und drückte ihre Wange an meine. „Geschenk kriegst du, sobald ich dazu komme einzukaufen, ja? Bis dahin musst du dich mit mir begnügen.“
„Wow“, kommentierte ich. „Mein persönlicher Superstar.“
„Ja, weiß das bitte ordentlich zu schätzen, Aki-chan.“
Ich lachte, sie fiel ein. Unsere Welt war in Ordnung. Noch.

Epilog:
Das System Naguad Prime bestand aus einer hellgelben Sonne des G2-Spektralbereichs mit fast der gleichen Sonnenmasse wie das Heimatgestirn der Menschen. Elf Planeten umkreisten ihre Mutter, die Hauptwelt, meistens nur Welt oder Central genannt, war auf Bahn Nummer fünf. Arogad, Welt Nummer vier und Daness, Welt Nummer sechs waren ebenfalls bewohnt und dicht besiedelt, benannt nach den Häusern, die diese Welten über Jahrhunderte zu bewohnbaren Planeten geformt hatten.
Insgesamt lebten dreißig Milliarden Naguad in diesem System, über ein Drittel von ihnen waren nicht mit dem Bluterbe geboren worden.
Dazu kamen über drei Millionen Fremdintelligenzen, die von imperialen Welten kamen und in friedlicher Koexistenz mit den Naguad lebten.
Sie wohnten und arbeiteten fast alle auf Central.
Central selbst war zu siebzig Prozent mit Wasser bedeckt und hatte drei Kontinente. Liviet, der Hauptkontinent beherbergte die Hauptstadt des gesamten Imperiums. Hier residierte der Rat. Hier erhoben sich die Türme der sieben großen Familien. Ach, Türme, kleinere oder größere Städte waren es, die das Bild der Hundert Millionen Bürger der Hauptstadt entscheidend mitprägten.
Der größte Turm mit der größten sie umgebenden Stadt war der Turm der Familie Arogad. Alleine hier lebten und arbeiteten zwanzig Millionen Naguad, für das Wohl des Imperiums und das der Familie.
Der Turm selbst erstreckte sich bis in drei Kilometer Höhe und durchmaß an seiner dicksten Stelle siebenhundert Meter. Modernste Architektur ermöglichte dieses Wunderwerk sowie seine poröse Struktur, die an den Aufbau menschlicher Knochen erinnerte.
Auf hunderten Etagen waren Dutzende Gärten zu finden, die, als sei es das Natürlichste der Welt, von der warmen Sonne beschienen wurden, weil großzügige Fensteranlagen dies gestatteten.
Im Turm selbst lebten im Schnitt eine halbe Million Menschen. Meistens die wichtigsten Mitglieder der größten Familien innerhalb des Arogad-Familienverbandes.
Im Moment glich der Turm am ehesten einer Aufgeschreckten Hühnerherde. Vor allem die jungen Leute, Mädchen wie Jungen, wuselten über die verschiedenen Ebenen des Turms und brachten jeden Versuch von Ordnung gleich wieder zum erliegen.
Auf allen öffentlichen Plätzen des Turms, die nicht einer einzelnen Familie gehörten oder unter besonderen Sicherheitsparametern standen, also Schulen, Sporthallen und dergleichen, liefen auf den großen Monitoren die Nachrichten rauf und runter.
Die baldige Ankunft von zwei wichtigen Gefangenen sorgte für die immense Aufregung.
Admiral Torum Acati brachte zwei ganz besondere Menschen mit nach Hause…
**
„Halt an dich, Junge“, warnte mich Acati scharf. „Du brichst nicht zur Seite aus, du versuchst niemanden zu überwältigen. Und erst recht versuchst du niemanden zu töten!“
Ich erwiderte seinen Blick grimmig. „Meine Chance wird schon kommen, Torum.“
„Was auch immer. Ich hoffe, deine Eltern haben dir Benimm beigebracht und du folgst heute diesen Regeln. Es werden einige sehr hohe Offiziere hier sein, die neugierig auf den Rebellen von Lorania sind, also blamier mich nicht. Es hängt einiges von deinem ersten Eindruck ab, ob der Rat die Kriegserklärung von Admiral Ino anerkennt oder nicht.“
Sein Blick wurde intensiver. „Junge, dadurch wird bestimmt, ob du als Kriegsgefangener eingestuft wirst oder als Freischärler. Es geht für dich um Leben und Tod. Geht das in deinen kleinen, engen Menschenschädel rein?“
„Wenn ich als Kriegsgefangener eingestuft werde, was bedeutet das für Joan?“
„Sie ist eher nebensächlich. Ich habe ihre Rolle an Bord und meinen Kampf mit ihr so weit wie irgend möglich heruntergespielt, sodass wir sie als deine Angehörige internieren werden. Nebenbei spielst du heute mal nicht die erste Geige, Joan Reilley Superstar, also halte dich diskret im Hintergrund, ja?“
Joan legte den Kopf schräg. Ich stellte mir vor, wie sie sich zu erinnern versuchte, wie es gewesen war, im Vordergrund zu stehen, von tausenden Fans umjubelt zu werden, und diese abermillionen aufregenden Bilder auf einmal auf sich niederstürzen zu sehen.
Sie nickte schließlich. „Okay. Etwas zurückhaltend auftreten kann ja mal nichts schaden, oder?“
Torum Acati nickte zufrieden. „Wenn das Schiff gelandet ist, wenn diese Schleuse aufgeht, dann untersteht ihr nicht mehr meiner Verantwortung. Aber es ist wie mit allen Dingen. Was man zu nahe an sich heran lässt, kriegt man nicht mehr aus dem Herzen. Ich mag euch beide. Und ich mag euren Mut, mit dem ihr für eure Freunde eure Leben riskieren könnt oder euer eigenes Leben aufgebt, um andere zu retten. Das ist es, was ich unter Heldenmut verstehe. Etwas, was ich nie besessen habe.“
Er sah zur Seite. „Wie gesagt, ich mag euch und bin gleich nicht mehr für euch verantwortlich. Ich will tun was ich kann und mit ein paar Personen sprechen, um euch die Zeit auf Central so angenehm wie möglich zu machen.“
„Du könntest uns auch freilassen.“
„Aber wenn Akira weiter dumme Witze reißt, sorge ich vielleicht dafür, dass er in einem dunklen, Nasskalten und tiefen Kellerverlies einsitzen muß.“
„Ha, ha“, kommentierte ich.
„Ich sehe zu, was ich für euch tun kann, ja?
Ach, Akira. Wir unterdrücken hierzulande das Wissen um die Existenz von KI und der Dämonenwelt. Darum schalte bitte dein KI-Auge aus.“
„Was soll ich?“
Torum Acati zog eine Augenklappe hervor. „Es wäre zu auffällig. Setz die hier dafür auf.“
„Und wie mache ich das?“
„Du hast das KI-Auge erschaffen. Du kannst es auch wieder ausschalten. Konzentriere dich darauf und lass es wieder in sich zusammenfallen. Es ist ohnehin erstaunlich, dass du etwas derart mächtiges mehrere Jahre unbewusst aufrechterhalten konntest.“

Mürrisch griff ich nach der Augenbinde. „Das Schwarz beißt sich aber mit der Uniform“, maulte ich. Die weiße Ausgehuniform hatte Acati für mich an Bord anfertigen lassen. Sie entsprach meiner alten UEMF-Uniform, verfügte sogar über Replikationen aller Orden, die ich bisher erhalten hatte – soweit ich mich an sie erinnerte. Die Rangabzeichen lauteten Brigadegeneral. Das entsprach dem Division Commander im internen Sprachgebrauch der UEMF. Ich verstand, warum ich diese Uniform trug. Dies war auch ein Teil von Acatis Versuch, etwas für uns zu tun, mich als Soldaten einstufen zu lassen. Ich war dankbar dafür.
Übrigens ebenso dankbar wie für Joans neue Kleidung, die Acati für sie anhand der Musikvideos hatte erstellen lassen. Enge Oberteile und Miniröcke standen ihr einfach am besten. Damit würde es für sie schwierig sein, im Hintergrund zu verschwinden, ich sprach es aber nicht aus. Eine Schelte wegen dummer Witze reichte pro Tag.

Ich konzentrierte mich auf mein rechtes Auge, dass lediglich Licht und Schatten unterscheiden konnte. Wie würde es sein, wenn ich nur noch mit einem Auge sah? Wie würde es sein, wenn der ewige Schatten aus meiner Sicht verschwand?
Mein Auge zu erfühlen war so ähnlich wie KI zu schmieden. Ich erkannte die Bewegungen des KI aus meinem Bauch heraus, wie es den eigenen Bahnen im Körper folgte und sich im Schädel zu einem Auge ballte. Abrupt unterbrach ich den Fluss und wurde belohnt, als ich nur noch mit links sah.
Doch das war nur kurzfristig. Übergangslos sah ich alles doppelt. Mir wurde schwindlig, ich stürzte auf meine Knie herab. Mein Magen verkrampfte sich und ich würgte trocken.
„Aki-chan, dein Auge!“ Joan ergriff mein Gesicht mit beiden Händen. „Dein Auge!“
„Hä?“ Ich blinzelte verwirrt, während ich versuchte, die plötzlich aufgetretene Übelkeit zu bekämpfen. Langsam verschwanden die doppelten Bilder wieder, begannen zu harmonieren, wurden zu einem einzigen. „Hä?“
Verblüfft tastete ich nach meinem Gesicht. „Mein Auge… Mein rechtes Auge?“
Schlagartig wurde mir alles klar. Das Säureattentat hatte mein Auge nicht verletzt und eine weiße Iris produziert. Auch hatte ich das verlorene Auge nie durch ein KI-Auge ersetzt. Nein, ich hatte eine Schicht KI zum Schutz darüber projiziert und das Auge so vor der Säure gerettet. Und nun, wo ich den Schutz deaktiviert hatte, da übernahm mein rechtes Auge, mein richtiges Auge seine Funktion wieder.
Langsam erhob ich mich wieder, begleitet von Joans fröhlichem Lächeln.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass man mit deinem Glück ein Sternenreich versorgen könnte?“, meinte Acati verwundert und kratzte sich am Haaransatz.
„Nur ein, zweimal die Woche“, erwiderte ich todernst.
„Eigentlich ist es jetzt Zeit für das Kellerverlies, aber ich will mal nicht so sein.“ Acati schmunzelte und drückte einen Knopf auf der Innenseite der Schleuse.
Kurz darauf befanden wir uns im Inferno…
**
Wir sahen auf eine riesige Menschenmenge herab, die einen guten Kilometer von uns entfernt von einer Absperrung aufgehalten wurden. Riesige Leinwände waren vor, hinter und zwischen ihnen aufgebaut, Nachrichtensprecher waren dort zu sehen, die in Nag-Standard über ein wichtiges Ereignis berichteten – mein Nag war da noch nicht so flüssig – sowie Joan, Torum Acati und ich. Als wir aus der Schleuse traten, direkt in einem transparenten Laufgang, der uns zum fernen Terminal und der wartenden Menschenmenge führen würde, ging lauter Jubel durch die Menge. Einige der Leinwände, die in unsere Richtung zeigten, stellten nun Ausschnitte der Menge dar. Einige hielten primitive Plakate hoch, auf denen Joans Name stand. Andere ließen hochmoderne Hologramme über sich pulsieren, um Joan Reilley willkommen zu heißen.
Ich wollte gerade zu einer bissigen Bemerkung ansetzen, dass es das wohl gewesen war mit Joan und im Hintergrund bleiben, als ich bemerkte, dass Dutzende, nein Hunderte der Leute UEMF-Ausgehuniformen trugen.
„Was soll das denn, bitteschön?“, fragte ich erstaunt.
Acati musterte die Bilder und zuckte mit den Achseln. „Das werden dann wohl deine Fans sein. Einige bei uns Zuhause haben zuviel Zeit, weißt du?“
„Das kenne ich von mir Zuhause auch. Nur da nennt man das Cosplay und vergibt Preise dafür.“
Nebeneinander gingen wir durch den Laufgang auf den Korridor zu. Kleine, schwebende Roboter kamen den Gang herunter. Auf ihnen waren kleine Monitore befestigt, die jeweils ein Naguad-Gesicht zeigten. Ich verstand, Reporter und ihre ferngesteuerten Kameras.
„Admiral Acati, bitte berichten Sie doch von dem Lorania-Aufstand.“
„Kein Kommentar, bevor die Admiralität es freigegeben hat.“
„General Aris Arogad, haben Sie es wirklich alleine mit einer Division Banges aufgenommen?“
Torum Acatis Ellenbogen traf mich in der Seite. „Du bist gemeint, Akira.“
„Aber ich heiße doch gar nicht…“ Eine Zeitlang bewegte sich mein Mund wie bei einem Karpfen auf dem Trockenen. „Oh. Nein, ich war nicht alleine. Ich hatte ja meinen Mecha bei mir, Prime Lightning.“
In der Menge erklang lauter Jubel. Ich machte mir klar, dass dies hier Live-Berichterstattung war.
„Joan Reilley, Ihre Lieder und Musikvideos sind sehr populär bei uns und haben eine vollkommen neue Musikrichtung begründet. Werden Sie auf Central auftreten? Stimmt es wirklich, dass Haus Arogad Sie verpflichtet hat, um eine Tournee über den Planeten Arogad zu machen?“
„Ich singe für mein Leben gerne“, sagte Joan etwas verwundert. Ich spürte, wie sich ihre Hand um meinen Unterarm krampfte. „Und ich würde es auch hier tun, wenn man uns am Leben lässt.“
Ihre letzten Worte irritierten sowohl die Reporter als auch die Menschenmenge.
Torum Acati schob die Kameras resolut beiseite. „Kein weiterer Kommentar. Warten Sie die offiziellen Verlautbarungen ab.
Joan, sag so etwas nicht. Sprich nichts an, was einen Tumult auslösen könnte. Es scheint, dass unsere Ankunft etwas anders ablaufen wird als ich erwartet habe. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du hier nur durch deine Lieder populär geworden bist.
Ich glaube, das Labor, in dem du, Joan, enden solltest und das Erschießungskommando, vor dem du, Akira landen solltest wurden beide abgesagt. Der Reporter hat dich mit Aris Arogad angesprochen. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Familie etwas… Nun, an Einfluss genommen hat.“
„Aris hieß mein Großonkel. Makotos und Sakuras Opa. Ein sehr netter Kerl, aber eines Tages… Ja, da tritt mich doch ein Eagle! Was ist das denn?“
Ich deutete den Gang hinab auf das Terminal, wo sich ebenfalls eine beachtliche Menschenmenge eingefunden hatte.
Acati pfiff anerkennend. „Hm, nicht übel, das Empfangskomitee. Einige Ratsmitglieder, hohe Vertreter von Haus Arogad und dem Militär, zwei meiner Begam-Kollegen. Großer Hofstaat für euch zwei, Akira.“
„Ich werde verrückt, das ist Opa Aris! Verdammt, Opa Aris! Ich dachte immer, er wäre gestorben. Makoto hat mir gesagt, er sei heimgekehrt. Kann sein, dass ich ihn vollkommen missverstanden habe.“
„Anscheinend ja.“ Acati schmunzelte.

Wir kamen in die Vorhalle. Die Lautstärke nahm beträchtlich zu, wir konnten uns nicht mehr unterhalten. Ich wollte zu Aris gehen, ihn umarmen oder ihm wenigstens die Hand schütteln.
Lange bevor ich einem Admiral vor die Augen trat. Doch die jugendlich wirkende Frau, die neben ihm stand, ließ mich erstarren. Es war nur ein Hologramm, das sagte mir mein geschulter Blick. Aber was das Holo darstellte wollte nicht in meinen Kopf.
Das Hologramm setzte sich in Bewegung, die Frau schien mich umarmen zu wollen. Aber wer konnte schon Luft greifen? Stattdessen stellte sie sich vor mich. Tränen flossen ihre Wangen hinab. Holographische Tränen, aber auch ich spürte meine Augen feucht werden.
„Willkommen Zuhause, Akira.“
Tränen schossen meine Wangen hinab, ich wollte diese Frau umarmen und konnte es nicht. Aber ich konnte sie sehen. Nach so langer Zeit wieder sehen. „Mom“, hauchte ich. „Mom, du lebst.“

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Ace Kaiser,
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